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Der Entzündung auf der Spur

Neue Erkenntnisse bezüglich der atopischen Dermatitis bei Erwachsenen

Die atopische Dermatitis (AD) ist nicht nur eine Erkrankung des Kindesalters: Bis zu 10 % der Erwachsenen kämpfen mit den typischen Symptomen, nämlich Ekzemen und Juckreiz. Je nach Ausprägung beeinflussen sie die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten unterschiedlich stark. „Der Juckreiz ist für alle Atopikerinnen und Atopiker ein ganz zentrales Thema“ , unterstreicht Univ.-Prof. Dr. Franz Legat, Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Med Uni Graz. „Befragt man von AD betroffene Menschen, zeigt sich, dass sie Juckreiz als wesentliches Symptom der Erkrankung angeben und Folgebelastungen wie Schlafstörungen und daraus resultierende verminderte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit auftreten.“ Wichtige Hinweise auf ausgewählte Therapieoptionen für Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer Symptomatik werden nachfolgend angeführt.

Das Krankheitsgedächtnis der Haut

Obwohl über die Pathogenese der AD bereits vieles bekannt ist, wirft sie noch einige Fragen auf. Etwa warum sie bei manchen Betroffenen nach dem Kindesalter verschwindet und sich hingegen bei anderen erstmals im Erwachsenenalter manifestiert. Aktuelle Forschung zeigt, dass die Haut über eine Art von Krankheitsgedächtnis verfügt – und gewisse Immunzellen trotz Behandlung mit modernen Therapien proinflammatorisch aktiv bleiben. Doch zurück zur Pathogenese: „Die AD ist TH2-Zell-gesteuert. Die Interleukine (IL) 4 und 13 sind maßgebliche Botenstoffe im Rahmen der Erkrankung. Auch IL-31 ist bedeutsam, da es den für AD typischen Juckreiz maßgeblich verursacht“ , erinnert OÄ Dr.in Christine Bangert, Univ.-Klinik für Dermatologie, MedUni Wien/AKH Wien, und Kooperationsärztin bei JUVENIS. Während des Krankheitsverlaufes wandern weitere Zellen in die Haut, die ebenfalls verschiedene Botenstoffe ausschütten, etwa IL-17, -22 und -26.

In einer aktuellen Forschungsarbeit1 konnte Dr.in Bangert gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen genauer ergründen, wie sich die Entzündungszellen und -botenstoffe unter der Therapie mit einem Biologikum – in diesem Fall mit Dupilumab – verändern. Die Wissenschaftler stellten fest, dass nach einem Jahr der Therapie die Läsionen gut ausheilten und sich die Aktivität der Entzündungszellen und Botenstoffe großteils normalisierte. Allerdings gab es Ausnahmen: „Zwei Zellarten blieben weiterhin aktiv und schütteten proinflammatorische Botenstoffe aus. Das war einerseits ein kleiner Teil der dendritischen Zellen, andererseits TH2AImmunzellen“ , so die Expertin. Letztere wurden bereits bei Asthma und Allergien, nicht aber bei der AD beschrieben. „Nach einem Jahr sind die TH2A-Zellen noch sehr aktiv und schütten IL-4 und IL-5 aus. “ Das Forscherteam stellte die Hypothese auf, dass diese beiden Zellarten eine Art von Krankheitsgedächtnis sein könnten. Unterbricht man die Therapie, so wird womöglich aus diesen Zellen heraus die Erkrankung erneut aktiviert.

Konsequenzen für die Therapie

„Die Forschungsergebnisse unterstreichen, dass die AD vermutlich nicht heilbar ist und sich die Zellen nur kurzfristig unter der Therapie beeinflussen lassen, wobei einige proinflammatorisch wirksame Zelltypen in der Haut verbleiben“ , fasst die Dermatologin zusammen. „Wir haben das in dieser Studie nur für Dupilumab gezeigt, aber die Vermutung liegt nahe, dass sich die Immunzellen auch bei anderen Produkten so verhalten könnten. “ Ärztinnen und Ärzte sollten die Patientinnen und Patienten folglich daran erinnern, dass es sich um eine chronische und genetisch gesteuerte Erkrankung handle, meint Dr.in Bangert. Prof. Legat stimmt ihr zu: „AD ist eine anlagebedingte Erkrankung – selbst wenn man der Haut fast nichts ansieht, schlummern diese Anlagen weiterhin im Körper. Es gibt zwar Phasen im natürlichen Verlauf, in denen die Betroffenen nahezu oder komplett erscheinungsfrei sind. Was in diesen Phasen genau passiert, wird man aber erst in den nächsten Jahren – auch durch die Beobachtung der AD-Therapie mit den neuen Medikamenten – besser begreifen.“

„Alte“ und neue Therapieoptionen

Mittlerweile steht Menschen mit AD eine Vielzahl topischer und systemischer Therapien zur Verfügung. Der Stufenplan der zurzeit in Bearbeitung befindlichen Leitlinie2 beinhaltet momentan u. a. folgende Maßnahmen, auf die beispielhaft noch detaillierter eingegangen wird: • eine topische Basistherapie ab der 1. Stufe, • topische Glukokortikosteroide ab der 2. Stufe, • eine Phototherapie ab der 2. Stufe, • eine systemische immunmodulierende Therapie ab der 4. Stufe. Derzeit noch nicht im Stufenplan berücksichtigt werden die Biologika für die Systemtherapie, von denen in Österreich momentan fünf zugelassen sind (siehe Tabelle S. 8). „Eine Systemtherapie brauchen jene Patientinnen und Patienten, die trotz äußerlicher Behandlung mit Kortison, Calcineurininhibitoren oder anderen topischen Medikamenten nicht das Auslangen finden und bei denen Hautveränderungen und Juckreiz unter der Therapie fortbestehen“ , hebt Prof. Legat hervor.

© Christine Bangert, privat

OÄ Dr.in Christine Bangert

Univ.-Klinik für Dermatologie, MedUni Wien/AKH Wien, Kooperationsärztin JUVENIS

Univ.-Prof. Dr. Franz Legat

Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Med Uni Graz

Topischen Kortison-Einsatz verbessern

Topische Basistherapie

Trotz der Verfügbarkeit moderner Medikamente behält die topische Basistherapie ihren hohen Stellenwert. „Sie ist das A und O der Behandlung, durch sie allein kann bei einer AD schon viel Positives bewirkt werden. Zudem kommen immer wieder neue Produkte auf den Markt, die imstande sind, die physiologische Hautbarriere noch besser nachzuempfinden“ , weiß Dr.in Bangert. Solche Produkte beinhalten z. B. Ceramide. „Unerlässlich ist, dass die topische Basistherapie mit duftstofffreien Produkten ohne Konservierungsmittel erfolgt“ , fügt die Dermatologin hinzu.

Laut Prof. Legat hat Kortison bei den Patientinnen und Patienten oft einen schlechten Ruf, weswegen das Potenzial der topischen Kortison-Therapie in vielen Fällen – auch bei (Klein-)Kindern – nicht voll ausgeschöpft wird. „Dabei hat sich die Anwendung von Kortison in den letzten Jahren sehr verändert. Man fängt im Schub an und hört relativ rasch wieder mit der Behandlung auf“ , so der Experte. Noch sparsamer falle der Kortison-Einsatz aus, wenn man eine proaktive Therapie durchführe. „Einmal pro Woche werden die betroffenen Hautstellen behandelt, um ebenjenes Krankheitsgedächtnis, das in der Haut verbleibt, zu unterdrücken. Für diese proaktive Therapie wird viel weniger Kortison benö„Die Forschungsergebnisse tigt, als wenn man immer auf unterstreichen, dass trotz einen starken systemischer Therapie Schub wartet, der dann unterproinflammatorisch wirksame drückt werden Zelltypen in der Haut verbleiben.“ muss. Bevor man weitere therapeutische Schritte setzt, sollte OÄ Dr.in Christine Bangert man stets versuchen, das Potenzial einer Therapie auszuschöpfen.“

Phototherapie

„Die Phototherapie ist nach wie vor eine wirksame Methode, um die mittelschwere bis schwere AD zu behandeln, allerdings kann sie nicht als Dauer-

therapie eingesetzt werden“ , macht Prof. Legat aufmerksam. Die Betroffenen werden vier bis acht Wochen lang behandelt, wobei sie nach etwa sechs Wochen relativ erscheinungsfrei sein sollten, ansonsten wäre das Ansprechen nicht optimal. Vorteilhaft ist, dass die UV-Therapie kaum Interaktionen mit anderen Arzneimitteln hat und auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden darf. „Es kommt immer wieder vor, dass eine gewisse Wirkung spürbar ist, aber sobald man aufhört, tritt die AD erneut auf. Manche Ärztinnen oder Ärzte fühlen sich dann verleitet, die Therapie dauerhaft durchzuführen, über Jahre hinweg. Das würde das Nutzen-Risiko-Profil allerdings verschieben und es wären mehr Nebenwirkungen zu erwarten“ , warnt Prof. Legat.

Immunmodulierende systemische Medikamente

Wie die Phototherapie sind auch die „alten“ immunmodulierenden Medikamente – etwa orales Kortison, Ciclosporin, Methotrexat, Azathioprin, Mycophenolat Mofetil – nicht für eine dauerhafte Therapie geeignet,3 wie Prof. Legat ausführt: „Auf lange Sicht können die bekannten organtoxischen Nebenwirkungen auftreten – bei Ciclosporin Hypertonie und Niereninsuffizienz, bei Methotrexat eine Beeinflussung des Blutbildes und der Leberwerte“ , erinnert er. „Ciclosporin kann etwa zum Einsatz kommen, um einen Schub abzufangen, es ist ein gutes und günstiges Medikament und wirkt rasch. Nach einem halben Jahr bis Jahr muss man sich aber überlegen, womit man die Therapie fortsetzen möchte. “ An diesem Punkt kämen die systemischen Biologika ins Spiel, die nicht nur auf gute Wirksamkeit, sondern auch immer mehr auf Langzeitverträglichkeit ausgelegt seien.

Systemische Biologika

Durch die Hemmung der Januskinase (JAK) bzw. einiger an der AD beteiligter IL lassen sich bei mittelschwerer bis schwerer AD gute Ergebnisse erzielen, wie die für die Zulassung benötigten Studien bereits belegen konnten. Prof. Legat erläutert: „Die JAK-Inhibitoren zeigen eine gute Wirkung, die vor allem in Bezug auf den Juckreiz sehr rasch einsetzt. Bei manchen Betroffenen tritt schon nach Einnahme der ersten Tablette eine deutliche Besserung ein. Das ist etwas Besonderes, weil der Juckreiz jenes

Symptom der AD ist, das die Betroffenen am meisten belastet.“ Bei Antikörpern gegen IL – wie Dupilumab – könne es bei Erwachsenen auch bereits nach zwei Tagen zu einer Besserung des Juckreizes kommen. „Dupilumab wirkt sowohl „Die JAK-Inhibitoren zeigen auf IL-4 als auch auf IL-13. JAKInhibitoren wirken aber noch viel eine gute Wirkung, die vor breiter, da sie z. B. IL-31 ebenfalls allem in Bezug auf den hemmen. Baricitinib zeigt z. B. zusätzlich einen Effekt auf TSLP und IL-5. Juckreiz sehr rasch einsetzt.“ Durch diese breitere, stärkere und raschere Wirkung auf den Juckreiz bieten JAK-Inhibitoren einen riesigen Univ.-Prof. Dr. Franz Legat Vorteil. “ Aufgrund der individuellen Symptomatik der Betroffenen könne angepasst werden, ob vordergründig der Juckreiz oder das Ekzem behandelt werden solle.

BIOLOGIKA FÜR DIE SYSTEMTHERAPIE

Wirkstoff

Dupilumab

Baricitinib

Wirkmechanismus Zulassung für AD Erstattung

IL-4Rα-Antikörper September 2017 RE1

JAK1/2-Inhibitor Oktober 2020 RE2

Tralokinumab IL13-Antikörper Juni 2021 -

Upadacitinib JAK1-Inhibitor August 2021 RE2

Abrocitinib JAK1-Inhibitor Dezember 2021 -

Quellen: Erstattungskodex (Stand: 01.01.2022), Arzneispezialitätenregister des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (Stand: 04.03.2022).

Fazit

„Es stehen sehr viele unterschiedliche Medikamente zur Verfügung, die an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten angepasst werden können. Zu beachten ist jedoch, dass Personen mit schwerer AD von Fachärztinnen und Fachärzten bzw. in einem Zentrum betreut werden sollten“ , fasst Dr.in Bangert zusammen. Es ist laut Prof. Legat zudem wichtig, die Erwartungshaltung der Behandelten zu berücksichtigen: „Das beste Medikament kann ‚nicht zufriedenstellend‘ wirken, wenn die Patientinnen und Patienten eine falsche Erwartungshaltung haben. Darum muss man sie von Anfang an aufklären, welche möglichen Vorteile und welche möglichen Nebenwirkungen es gibt. “ Auch wenn nicht alle Betroffenen durch die Therapie zu vollkommener Erscheinungsfreiheit gelangen, sollten die Behandelnden und die Behandelten in engem Kontakt bleiben – durch zukünftige Entwicklungen könnte auch für diese Betroffenen die individuell optimale Therapie noch gefunden werden.

Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc

Quellen: 1 Bangert C et al., Sci Immunol 2021; 6(55):eabe2749. 2 Werfel T et al., S2k-Leitlinie Neurodermitis, Stand: 03/2015. 3 Legat FJ, Front Med (Lausanne) 2021; 8:644760.

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# Olumiant® ist laut Regeltext Stand Mai 2021 zur Behandlung von Erwachsenen mit schwerer atopischer Dermatitis mit persistierendem Ekzem nach Ausschöpfung intensivierter Lokaltherapie, erstattet. Erstverordnung, Dokumentation und Kontrolle alle 6 Monate durch ein dermatologisches Zentrum oder durch DermatologInnen mit ausgewiesener Expertise in der Behandlung der atopischen Dermatitis. Die Behandlung mit Baricitinib darf nur bei PatientInnen fortgeführt werden, die innerhalb von 16 Behandlungswochen auf die Therapie ansprechen.3 * Das EASI 75 Ansprechen blieb mit Olumiant über die Behandlungsdauer von 68 Wochen aufrechterhalten.2 ** Einfach: 1 Tablette 1x täglich, Olumiant® kann unabhängig von Mahlzeiten und zu jeder Tageszeit eingenommen werden.1 *** Die Halbwertszeit bei Patienten mit atopischer Dermatitis betrug 12,9 h.1 + Nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendungen mit entsprechender Dokumentation.3 1 Fachinformation Olumiant®, Stand November 2021. 2 Silverberg JI, et al. JAMA Dermatol 2021;157:691–9. 3 Erstattungskodex der österreichischen Sozialversicherung Stand 01.05.2021. KURZFACHINFORMATION 1. BEZEICHNUNG DES ARZNEIMITTELS: Olumiant® 4 (2) mg Filmtabletten. 2. QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG: Jede Filmtablette enthält 4 (2) mg Baricitinib. Vollständige Auflistung der sonstigen Bestandteile, siehe Abschnitt 6.1 der Fachinformation. 4.1 Anwendungsgebiete:Rheumatoide Arthritis: Baricitinib wird angewendet zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis bei erwachsenen Patienten, die auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs) unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Baricitinib kann als Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat angewendet werden (siehe Abschnitte 4.4, 4.5 und 5.1 zu verfügbaren Daten verschiedener Kombinationen). Atopische Dermatitis: Baricitinib wird angewendet zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bei erwachsenen Patienten, die für eine systemische Therapie infrage kommen. 4.3 Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile. Schwangerschaft (siehe Abschnitt 4.6 der Fachinformation). Pharmakotherapeutische Gruppe: Selektive Immunsuppressiva, ATCCode: L04AA37. 6.1 Liste der sonstigen Bestandteile:Tablettenkern: Mikrokristalline Cellulose, CroscarmelloseNatrium, Magnesiumstearat (Ph.Eur.), Mannitol (Ph.Eur.). Filmüberzug: Eisen(III)oxid (E172), Phospholipide aus Sojabohnen (E322), Macrogol, Poly(vinylalkohol), Talkum, Titandioxid (E171). 7. INHABER DER ZULASSUNG: Eli Lilly Nederland B.V., Papendorpseweg 83, 3528 BJ Utrecht, Niederlande. Abgabe: Rezept und Apothekenpflichtig, NR. Stand der Information: November 2021. Weitere Angaben, insbesondere zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder sonstige Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie ggf. Gewöhnungseffekten sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. PPBAAT0799 März 2022

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