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Großwuchs durch Hormonexzess

Eine frühzeitige Therapie der Akromegalie mit Normalisierung von Wachstumshormon und IGF-1 wirkt Langzeitschäden infolge von Komorbiditäten entgegen

© unsplash.com/Wil Stewart

Jedes Jahr erhalten bis zu elf von einer Million Menschen die Diagnose Akromegalie – Männer und Frauen sind davon im gleichen Ausmaß betroffen. In 99 Prozent der Fälle liegt der Krankheit ein benigner Tumor der Hypophyse zugrunde, der vermehrt Somatotropin sezerniert. Obwohl Akromegalie nicht akut lebensbedrohlich ist, kann sie schwerwiegende Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten haben. Neben der eigentlichen Behandlung des Hypophysentumors ist eine intensive Nachsorge der Betroffenen, welche Kontrollen zur Erkennung einer Hypophyseninsuffizienz sowie eines Tumorrezidivs umfasst, von Bedeutung. Ebenso gilt es, Risikokonstellationen zu berücksichtigen und bestimmte Organfunktionen zu überwachen.

Oft verkannt – trotz auffälliger Klinik

Hauptsächlich werden die Symptome der Akromegalie vom insulinähnlichen >

KLINISCHE SYMPTOME UND BEGLEITERKRANKUNGEN DER AKROMEGALIE Äußerlich sichtbare Zeichen

� Vergrößerung der Akren (vergröberte

Gesichtszüge mit vergrößerter Nase und prägnanten Wangenknochen, größer werdende Hände und Füße) � Malokklusion bzw. vergrößerter Zahnabstand (durch eine Vergrößerung des Kiefers) � Kopfschmerzen sowie Gesichtsfelddefekte (durch Komprimierung des Chiasma opticum)

Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) verursacht. IGF-1 wird in der Leber nach Stimulation durch das Wachstumshormon Somatotropin (Growth- Hormon, kurz: GH) synthetisiert – beide Hormone beeinflussen vor allem Wachstum und Differenzierung von Zellen, aber auch Stoffwechselprozesse. Zwischen der Erstmanifestation der Erkrankung und der Diagnose liegen im Durchschnitt sieben Jahre. Einer der Gründe dafür besteht darin, dass die charakteristischen Veränderungen in der Physiognomie schleichend auftreten und häufig als normale Alterungserscheinungen interpretiert werden. „Neben der namensgebenden und typischen Größenzunahme von Händen, Füßen, Nase, Kinn und Stirnhöhlen mit Vergröberung der Gesichtszüge findet sich manchmal auch eine Größenzunahme innerer Organe. Ringe, Schuhe und Handschuhe passen nicht mehr“ , nennt Univ.-Prof. Dr. Anton Luger, Stoffwechselexperte der MedUni Wien und Mitglied des Executive Committee der European Society of Endocrinology (ESE), pathognomonische Stigmata, die auf eine Akromegalie schließen lassen. Auch Patienten ohne klassische Symptomatik sollten getestet werden, wenn sie mehrere assoziierte Erkrankungen aufweisen: Dazu zählen insbe-

Mögliche Komorbiditäten

� Arterielle Hypertonie � Kardiomyopathie � Diabetes mellitus � Schlafapnoe � Struma � Malignome � Nierensteine � Kolonpolypen � Arthropathie � Karpaltunnelsyndrom

sondere Typ-2-Diabetes, Schlafapnoesyndrom, schwere Arthrose, Karpaltunnelsyndrom sowie Hypertonus. Diagnostisch wegweisend sind erhöhte Werte von IGF-1 im Serum sowie fehlende GH-Suppression im oralen Glukosetoleranztest.

Somatotropinfreisetzung blockieren

Die Standardtherapie stellt eine transsphenoidale Operation mit Entfernung des Hypophysenadenoms dar. Bei einer Adenomgröße von bis zu neun Millimeter Durchmesser liegt die Heilungsrate in spezialisierten Zentren bei über 90 Prozent. „Falls durch die Operation keine Heilung erzielt werden kann, stehen die Somatostatinanaloga Octreotid, Lanreotid und Pasireotid, die einmal alle vier Wochen appliziert werden, zur Verfügung“ , führt der Endokrinologe Therapeutika der Wahl an. Ihm zufolge kann alternativ „der GH-Antagonist Pegvisomant eingesetzt werden, der allfällige Kohlenhydratstoffwechselstörungen günstig beeinflusst. Bei nur gering erhöhten IGF-1-Konzentrationen kann der Dopaminagonist

Cabergolin eingesetzt werden. “ Darüber hinaus sollte eine Reoperation oder eine radiochirurgische Intervention (Gamma„Zwischen der Erstmanifestation knife oder Linearbeschleuniger) in Beder Erkrankung und der tracht gezogen werden. Diagnose liegen im Durchschnitt Lebenslange Nachsorge sieben Jahre.“ Unbehandelt respektive bei fehlender Remission nach einer Operation oder bei medikamentöser Therapie können sich weitere systemische Komplikationen entwickeln. Daher sind regelmäßige Kontrollen von Nüchternblutzucker und HbA1c erforderlich. „Im Rahmen eines Glukosesuppressionstests sollten neben den GH-Konzentrationen auch jene von Glukose kontrolliert und etwaige Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels konsequent behandelt werden“ , empfiehlt Prof. Luger. Dies gelte auch für den Blutdruck und die Lipide, um das deutlich erhöhte kardiovaskuläre Risiko möglichst gering zu halten. Der Wachstumshormon- und IGF-1-Exzess kann zu einer Kardiomegalie mit diastolischen und systolischen Funktionsstörungen EXPERTE: Univ.-Prof. Dr. sowie durch eine vermehrte Anton Luger Natriumrückresorption zu Internist, Hormon- und Stoffwechselexperte Hypertonie führen. Außerder MedUni Wien dem können sich eine Herzinsuffizienz, Klappenvitien, Herzrhythmusstörungen und eine koronare Herzerkrankung manifestieren, weshalb zusätzlich Kontrollen durch EKG und Echokardiographie indiziert sind. „Auf etwaige Symptome eines Schlafapnoesyndroms ist zu achten – genauso wie auf Beeinträchtigungen anderer Hypophysenfunktionen durch Bestimmung der Plasmakonzentrationen der Sexualsteroide, von fT4 (TSH ist hierzu nicht geeignet) und Morgencortisol. Außerdem ist das Frakturrisiko bei Patientinnen und Patienten mit Akromegalie erhöht“ , rät Prof. Luger, mögliche Komplikationen im Auge zu behalten – vor allem in Hinblick auf das daraus resultierende bis zu zweifach erhöhte Mortalitätsrisiko. Bei adäquater Therapie ist die Lebenserwartung bei guter Kontrolle nicht reduziert.

Mag.a Sylvia Neubauer

© Anton Luger, privat

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