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Essensverzicht auf Zeit

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Arzt Sicht Sache

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Gesundheitsfördernde Effekte des Intervallfastens sind vielversprechend – allerdings fehlen Langzeitstudien

„Intervallfasten“ ist derzeit stark im Trend und der Begriff in aller Munde. Diese Form des Fastens wurde bereits vom griechischen Arzt Hippokrates (460 – 370 v. Chr.) empfohlen und erforscht. Allgemein bezeichnet „Fasten“ den Verzicht auf gewisse Speisen, Getränke und andere Genussmittel. Bei „Intervallfasten“ (intermittierendes Fasten, IF) handelt es sich um eine Form des Fastens, bei der tage- oder stundenweise auf Nahrung verzichtet wird. Je nach Zeitpunkt und Häufigkeit der Nahrungsaufnahme werden diverse Formen des Intervallfastens unterschieden.

Formen des Intervallfastens

• Alternierendes Fasten (AlternateDay-Fasting – ADF): Beim alternierenden Fasten wird jeden zweiten

Autor: Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm

Präsident des Österreichischen Akademischen Institutes für Ernährungsmedizin, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien Tag gefastet. An den Fasttagen sollen nur etwa 25 % der sonst üblichen

Energiemenge aufgenommen werden (ca. 500 kcal bei Frauen und ca. 600 kcal bei Männern). An den anderen Tagen gibt es keinerlei Einschränkungen bei der Lebensmittelauswahl bzw. Energiezufuhr. • 2-Tage-Diät (2-Day-Diet): Dabei werden innerhalb einer Woche an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils maximal 650 kcal aufgenommen, vorzugsweise in Form von kohlenhydratarmen und proteinreichen

Lebensmitteln. • 5 : 2-Diät (The Fast Diet): An fünf

Tagen die Woche wird ganz normal gegessen, ohne Einschränkungen.

Die anderen beiden Tage der Woche gelten als Fasttage, an denen vor allem Gemüse, Vollkornprodukte sowie proteinreiche Lebensmittel und ausreichend Flüssigkeit konsumiert werden. Frauen sollten an

Fasttagen ca. 500 kcal und Männer ca. 600 kcal aufnehmen. Die beiden

Fasttage müssen nicht aufeinander folgen, aber wenn möglich ist ein fixer Rhythmus einzuhalten (also z. B. immer dienstags und freitags). • 16 : 8-Diät: Bei dieser Form des Intervallfastens wird 16 Stunden am

Stück nichts gegessen. In den restlichen acht Stunden des Tages kann wie gewohnt konsumiert werden. Ob an den Fasttagen das Frühstück oder das Abendessen weggelassen wird, kann individuell entschieden werden. • Dinner-Cancelling: Dabei wird an zwei bis drei Tagen die Woche auf das

Abendessen verzichtet: Nur Wasser, ungesüßte Kräutertees oder sonstige kalorienfreie Getränke sind erlaubt.

Im Zuge dessen sollte eine Essenspause von mindestens vierzehn Stunden bis zum Frühstück entstehen.

Die Entlastung des Insulinstoffwechsels fördert die Gewichtsabnahme und verbessert die Schlafqualität. Für alle Formen des Intervallfastens gilt: In der Fastenphase sollte auf Le-

Autorin: Mag.a Karin Fallmann

Ernährungswissenschaftlerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Österreichischen Akademischen Institut für Ernährungsmedizin, Wien

Grafik: © shutterstock.com/Nikolamirejovska X Tipps für Patient:innen für die

Umsetzung

„ Legen Sie die ersten Fasttage auf freie

Tage bzw. ein Wochenende, damit Sie genug Zeit haben, die Umstellung optimal zu planen. „ Wählen Sie die individuell für Sie passende Methode, die sich möglichst gut in

Ihren Alltag integrieren lässt. „ Achten Sie auf eine hohe Ballaststoffzufuhr in der fastenfreien Zeit: Ballaststoffe sorgen für eine längere Sättigung und lassen den Blutzuckerspiegel nicht so leicht ansteigen. „ Trinken Sie möglichst viel – vor allem warme Getränke erzeugen das Gefühl, dass der Magen gefüllt wird.

bensmittel und Getränke, die Kalorien liefern und mit einer Stoffwechselantwort einhergehen – somit die Wirkung des Fastens stören können –, verzichtet werden. Dazu zählen auch Kleinigkeiten wie ein Schluck Milch oder ein Stück Süßstoff im Tee/Kaffee. Kalorienfreie Getränke wie Wasser oder ungesüßter Tee sind natürlich jederzeit erlaubt. Grundsätzlich darf in den Essensphasen alles konsumiert werden. Dennoch empfiehlt es sich, auf eine möglichst gesunde und abwechslungsreiche Ernährung zu achten.

Gesundheitsfördernde Wirkungen

Dem Fasten auf Zeit werden verschiedene gesundheitsfördernde Wirkungen auf den Stoffwechsel zugeschrieben. Neben einer erwünschten Gewichtsreduktion kommt es häufig zu einem besseren Körpergefühl sowie zur sogenannten Autophagie – Körperzellen reinigen sich selbst und kranke Zellen werden abgebaut. Diese Effekte werden derzeit aber noch erforscht. Fasten wirkt sich auch günstig auf die Psyche aus: Fastende fühlen sich häufig fitter und aktiver. Grundsätzlich kann Intervallfasten jedem gesunden Erwachsenen angeraten werden. Nicht empfehlenswert ist die Maßnahme allerdings während der Schwangerschaft und Stillzeit, bei Untergewicht sowie bei einer Leber- oder Niereninsuffizienz.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Es gibt einige wissenschaftliche Studien1,2, die sich mit den gesundheitsfördernden Wirkungen verschiedener Formen des Intervallfastens auseinandersetzen. Ihre Aussagen sind nicht immer eindeutig. Trotzdem scheinen die gesundheitsfördernden Effekte des Intervallfastens vielversprechend zu sein. Aktuelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass intermittierendes Fasten vor allem die kardiovaskuläre Gesundheit günstig beeinflusst – durch Körpergewichtsreduktion sowie eine Reduktion des Risikos von Bluthochdruck, Dyslipidämie und Diabetes. Die kardioprotektiven Wirkungen werden vor allem auf eine Verminderung von oxidativem Stress sowie auf eine Optimierung des kardialen Rhythmus und auf die gesteigerte Ketogenese wegen der längeren Fastenperiode zurückgeführt.3 Eine Wiener Studie aus dem Jahr 2017 hatte zum Ziel, zu untersuchen, ob ADF eine sichere und effektive Methode der Gewichtsreduktion darstellt, die auch über einen längeren Zeitraum beibehalten werden kann. Es handelt sich um eine deskriptive, prospektive Pilotstudie mit fünfzehn übergewichtigen oder adipösen, aber ansonsten gesunden Personen über 18 Jahre. Die Teilnehmer verloren während der Studiendauer von zwölf Wochen im Durchschnitt 7,19 kg (± 4,38 kg). Das Körperfett ließ sich durchschnittlich um 11,68 % (± 15,79 %) reduzieren. Im Schnitt wurden Triglyceride um 31,29 % (± 54,48 %) gesenkt, Gesamtcholesterin und LDL um 9,20 % (± 40,32 %). Die Ergebnisse dieser Untersuchung (siehe Tabelle, S. 31) zeigen, dass ADF durchaus ein erfolgreiches Diätregime zur Gewichtsreduktion über eine längere Zeit sein könnte.4 Ebenso kam eine ältere Studie aus Kalifornien (2005) zu dem Ergebnis, dass ADF bei nicht adipösen Erwachsenen durchaus eine erfolgreiche Methode zur Gewichtsreduktion darstellt. Die Probanden verloren nach 22 Tagen durchschnittlich 2,5 kg (± 0,5 kg) ihres Ausgangsgewichts und 4 % (± 1 %) ihrer Fettmasse. Es zeigte sich allerdings, dass das Hungergefühl an den Fasttagen während der Studiendauer unverändert stark blieb.5 Ein Review aus 2019 ergab: Intervallfasten 16 : 8 – mit 16 Stunden fasten und acht Stunden essen – wird am häufigsten erfolgreich umgesetzt. So kann es >

X Wann führt Intervallfasten nicht zum Erfolg?

„ Wahl der falschen Methoden: Die gewählte Form des Intervallfastens muss sich gut in den

Alltag integrieren lassen, dann kann sie auch über einen längeren Zeitraum erfolgreich umgesetzt werden. „ Ungeduld und falsche Erwartungshaltung: Die Erwartungen sind meistens sehr hoch, es dauert aber oft länger, bis sich Körper und Stoffwechsel an die neuen Bedingungen gewöhnen und erste Erfolge beobachtet werden können. „ „Fressattacken“: Auch in den fastenfreien Phasen sollte nicht ungehemmt gegessen, sondern auf eine möglichst gesunde und abwechslungsreiche Ernährung geachtet werden. „ Zu wenig essen: Zu wenig ist ebenfalls nicht gut, der Stoffwechsel wird dabei komplett heruntergefahren und der Energieumsatz gesenkt. Es droht ein Jo-Jo-Effekt. „ Fehlende Bewegung: Intervallfasten ist in Kombination mit körperlicher Bewegung am effektivsten. „ Stress: In Stresssituationen steigt der Blutzuckerspiegel durch die Produktion des Stresshormons Cortisol an. Dadurch wird die Einlagerung von aufgenommener Energie in Fettdepots begünstigt.

X Tabelle: Effekte der Intervention auf die Blutlipide

Blutlipidparameter Beginn der Intervention Nach 6 Wochen Nach 12 Wochen Gesamtreduktion

Cholesterin mg/dl 186,17 (± 36,84)

LDL mg/dl 97,83 (± 24,01) 175,5 (± 31,08)

96,83 (± 25,33) 168 (± 26,86)

88,83 (± 23,05) 18,17 (± 17,54)

9 (± 14,33)

Triglyceride mg/dl 217,33 (± 232,34) 143,33 (± 82,66) 149,33 (± 105,76) 68 (± 139,08)

Quelle: Widhalm K et al., Aktuel. Ernährungsmed. 2017, 42: 188-192.

nicht nur als Mittel zur langfristigen Gewichtsreduktion, sondern auch als pharmakologische Behandlung gesehen werden und Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin sowie Triglyceride effektiv senken.6 Ein weiterer Review aus 2019 weist darauf hin, dass Intervallfasten zahlreiche günstige gesundheitliche Effekte mit sich bringt – unter anderem hinsichtlich der Prävention von Adipositas, Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen, Krebs und neurologischen Störungen. Allerdings handelt es sich bei den meisten klinischen Studien nur um Kurzzeitstudien. Demnach fehlen größtenteils Daten aus Langzeitstudien, um Intervallfasten auch langfristig empfehlen zu können.7 In einer britischen Studie aus 2016 wurde der Einfluss des alternierenden Fastens auf Körpergewicht und Appetitregulierung untersucht. Es zeigte sich, dass durch alternierendes Fasten die Energieaufnahme reduziert und das Körpergewicht dadurch besser reguliert werden kann. Der Appetit ist durch das 24-Stunden-Fasten geringfügig angestiegen.8

Conclusio

Intervallfasten stellt durchaus eine empfehlenswerte Form des Fastens dar, die vor allem temporär ohne Bedenken realisierbar ist. Es kann ein guter Impuls für eine dauerhafte Ernährungsumstellung sein. Im Vergleich zu anderen Diäten oder Fastenformen hat der Essensverzicht auf Zeit den Vorteil, dass er sich relativ gut in den Alltag integrieren lässt. Die Wirkungen des Intervallfastens, vor allem auf die kardiovaskuläre Gesundheit, sind sehr vielversprechend. Derzeit fehlen aber noch Daten aus Langzeitstudien, um Intervallfasten auch uneingeschränkt langfristig empfehlen zu können. >

Quellen: 1 Stockman M-C et al., Cur Obes Rep. 2018; 7: 172-185. 2 Patterson RE et al., J Acad Nutr Diet. 2015; 115(8): 1203-1212. 3 Dong TA et al., Am J Med. 2020; 133: 901-907. 4 Widhalm K et al., Aktuel Ernährungsmed 2017; 42: 188-192. 5 Heilbronn LK et al., American Journal of Clinical Nutrition 2005; 81: 69-73. 6 Malinowski B et al., Nutrients 2019; 11(3): 673. 7 De Cabo R et al., The New England Journal of Medicine 2019; 381: 2541-2551. 8 Clayton DJ et al., Am J Clin Nutr 2016; 104: 1545-1553.

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