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Beitrag der Pflege in der multidisziplinären Schmerztherapie – Pain Nurse als neue Weiterbildung
Alle kennen ihn – den Schmerz. Er ist ein sehr präsentes Thema in unserem Leben. Jeder hatte schon einmal Schmerzen – sei es durch eine Verletzung, eine Operation, eine Erkrankung oder wegen eines einschneidenden Erlebnisses, um nur wenige Gründe zu nennen. Laut einer Studie treten bei 19 Prozent der erwachsenen Europäerinnen und Europäer chronische Schmerzen von mittlerer bis starker Intensität auf und beeinträchtigen nachweislich die Qualität ihres sozialen und beruflichen Lebens.1 Für Patientinnen und Patienten ist es jedoch oft schwer, das passende Angebot im Dschungel der verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu finden. Denn eine erfolgreiche Schmerztherapie kennzeichnet sich durch interdisziplinäre und multiprofessionelle Ansätze in der Diagnostik und Behandlung.
Biopsychosoziales Gesamtphänomen
Der Begriff Schmerz bezeichnet laut Internationaler Schmerzgesellschaft (ISAP = International Association for the Study of Pain) „ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird“ . 2 Schmerz kann auf mehrere Dimensionen eines Menschen Einfluss nehmen und wird aufgrunddessen als biopsychosoziales Gesamtphänomen betrachtet. An der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerz sind neben der biologisch-psychologischen (sensorischen) Dimension auch affektiv-emotionale Faktoren beteiligt, welche wiederum durch soziokulturelle Faktoren beeinflusst werden. Diese sind besonders bei Schmerzerleben und -ausdruck im Chronifizierungsprozess ausschlaggebend.3 Das Biopsychosoziale Modell bietet den Schmerzpatientinnen und -patienten und dem Behandlungsteam ein Konzept, das den Schmerz mit seinen komplexen Wechselwirkungen und verschiedenen Komponenten begreifbar macht. Zudem stellt das Modell die Betroffenen mit ihren erlebten physischen, psychischen und sozialen Beeinträchtigungen in den Mittelpunkt der Begleitung und Behandlung. 4
Ganzheitlich ausgerichtete Pflegepraxis
Die professionelle Pflege ist maßgeblich an der Therapie von Schmerzen beteiligt. Besonders in stationären Gesundheitseinrichtungen – wie in Langzeitpflegeeinrichtungen, im Krankenhaus – oder bei ambulanten Gesundheitsleistungen nimmt die professionelle Pflege eine Schlüsselrolle ein. Diese ergibt sich aus der kontinuierlichen Begleitung der Patientinnen und Patienten wie auch aus der ganzheitlich ausgerichteten professionellen Pflegepraxis. Kernaufgaben des
Autorin: Tamara Archan MSc, BScN
Advanced Practice Nurse für Geriatrie, Palliative Care und Schmerzmanagement in Wien, zertifizierte Pain Nurse, DGKP
Foto: © Tamara Archan, privat
gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege beinhalten neben der Gesamtverantwortung für den Pflegeprozess die eigenverantwortliche Planung und Durchführung von Pflegeinterventionen. Letzterer Bereich umfasst Folgendes: Unterstützung bei und Förderung von Aktivitäten des täglichen Lebens, psychosoziale Betreuung, Beobachtung und Überwachung des Gesundheitszustandes, Beratung und Schulung sowie Förderung der Gesundheitskompetenzen von Patientinnen und Patienten.5
Lebensqualität und Selbstwirksamkeit steigern
In der multiprofessionellen Zusammenarbeit sind besonders die Beobachtung und die Einschätzung von Schmerzen oder Symptomveränderungen zentrale Aufgaben der professionellen Pflege. Pflegetherapeutische Maßnahmen können in Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen – wie der Medizin und Therapie – durchgeführt werden, aber auch im Rahmen der Prävention und Gesundheitsförderung. Diese Maßnahmen verfolgen einen personenzentrierten Ansatz und können je nach Ursache sehr unterschiedlich sein. Neben den klassischen nicht medikamentösen Schmerztherapien – etwa Schmerzschulungen, Bewegungstherapien, Entspannungstechniken oder Wärme- und Kälteanwendungen – haben komplementäre Pflegemethoden wie die Basale Stimulation® oder die Aromapflege und Bewegungskonzepte wie die Kinästhetik® eine wesentliche Bedeutung für die Schmerztherapie. Neue Weiterbildungsmöglichkeiten für Pflegepersonen zur Pain Nurse können ebenfalls eine große Bereicherung für das interdisziplinäre Team darstellen, da Pflegekräfte mit dieser Spezialisierung besonders bei der Edukation und Begleitung von Patientinnen und Patienten mitwirken können. Durch eine abgestimmte und angepasste multiprofessionelle Schmerztherapie können Betroffene eine dimensionenübergreifende und zielführende Begleitung und Behandlung erfahren. So erlangen sie mehr Lebensqualität und Selbstwirksamkeit. >
Literatur: 1 Breivik H et al., (2006). Survey of chronic pain in Europe: Prevalence, impact on daily life, and treatment. Eur J Pain 10: 287-333. 2 ISAP (2021): iasp-pain.org/publications/iasp-news/iasp-announces-reviseddefinition-of-pain/ (abgerufen am 27.09.2021). 3 Wuchse D. & Bach M. (2011) Chronischer Schmerz, klinische Neuropsychologie,
Springer Verlag, Wien. 4 Neustadt, K. Sabatowski, R. & Kaiser, U. (2017), Das biopsychosoziale Schmerzmodell: Leidfaden Heft 4. DOI: 10.13109/9783666402906.49. 5 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG), Fassung 2021.
