Hadassah Magazin zusammenwachsen

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Eine Geschichte der Hoffnung

das mehrfachwunder

Sarah kann ihr Glück bis heute kaum fassen. Denn vor ein paar Monaten hat die 33-jährige gesunde Zwillinge zur Welt gebracht. Das klingt schön, zunächst aber nicht ungewöhnlich – und doch ist Sarahs Geschichte einzigartig.

Text: Ariane von Dewitz

Die Ärzte halten es für ein Wunder. Ihre Familie ist außer sich vor Freude. Sie selbst hört nicht auf zu strahlen. Denn Sarah ist die erste Frau in Israel, die eine Geburt überlebt hat, nachdem sie zuvor eine Herztransplantation überstehen musste. Weltweit gab es bisher erst fünf Frauen, die nach einem derartigen Eingriff gesunde Zwillinge geboren haben. Sarahs Leidensweg beginnt schon in ihrer frühen Kindheit. Als sie ein Jahr alt ist, entdecken die Ärzte einen bösartigen Tumor an einer ihrer Nieren – sie muss sofort operiert werden, es folgt eine schwere Chemotherapie.“Mit 14 wurde mir klar, wie dringend ich mir später einmal Babys wünschte”, erzählt Sarah heute. Wenn sie nach ihren Zukunftsplänen gefragt wird, sagt sie nur: „Ich möchte einmal Mutter werden”. Aber die Chancen für Sarah, jemals schwanger zu werden, verschlechtern sich. Die Chemotherapie vermindert ihre Fruchtbarkeit, zudem ist sie immer häufiger Patientin auf der kardiologischen Station des Hadassah-Krankenhauses: Ihr Herz schlägt zunehmend schwächer, irgendwann versagt es ganz. Doch Sarah hat Glück im Unglück. Sie bekommt ein Spenderherz zur Verfügung gestellt. Es gehörte zuvor einem Mann, der aus der ehemaligen Sowjetunion nach Israel eingewandert war. Mehr weiß sie nicht über ihn. Nach der erfolgreichen Transplantation muss Sarah zahlreiche Medikamente nehmen: Diese sollen verhindern, dass ihr Körper das neue Herz wieder abstößt. Doch all die Chemie erhöht auch das Risiko für Komplikationen 54

bei Schwangerschaft und Geburt.“Hormonelle Veränderungen während einer Schwangerschaft und ein Produktionsstillstand von gewissen Körperflüssigkeiten belasten das Herz noch zusätzlich”, erklärt Dr. David Zechut, Arzt auf der Hadassah-Geburtshilfe-Station und Sarahs ständiger Begleiter. Normalerweise, so Zechut, halten schwangere Frauen diese physische Zusatzbelastung gut aus. „Doch für Transplantationspatientinnen kann eine Schwangerschaft zu lebensgefährlichen Herzproblemen führen”, erklärt er. Und trotzdem: Hadassah erfüllt Sarah ihren sehnlichsten Wunsch, nämlich Mutter zu werden. Nicht zuletzt ist dies Prof. Arye Hurwitz, Chef der In-Vitro-Fertilisationsabteilung des Hadassah-Krankenhauses, zu verdanken. Denn er gibt einfach nicht auf. Nach fünf künstlichen Befruchtungen und einer schwierigen Fehlgeburt ist es so weit: Sarah erwartet Zwillinge. In der 29. Woche der hochriskanten Schwangerschaft kommt sie ins Krankenhaus, die Ärzte wollen das Wachstum der beiden Föten rund um die Uhr überwachen. Bis zur 33. Schwangerschaftswoche geht alles gut. Doch eines Morgens stellen die Ärzte bei Sarah eine Blutvergiftung fest – für Mutter und Babys könnte dies tödlich enden. Es gibt nur eine Rettung: Notkaiserschnitt. Als man Sarah eilig in den OP rollt, versuchen Ehemann und Eltern nicht an deren letzte Operation zu denken – der Tag, an dem sie bereits die komplizierte Transplantation überstehen musste. Ihre Angehörigen wussten damals nicht, ob Sarah den Eingriff überhaupt überleben würde. Jetzt ist es genauso: Das Einzige, was ihnen bleibt, ist die Hoffnung und das Gebet. 55


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