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Stille Täler

Die stillen Täler

Aufatmen und entspannen: Wo die Natur unberührt ist, uralte Bauernhäuser unter Denkmalschutz stehen und Wanderer nur das Knirschen des Schnees hören.

Text: Uschi Korda & Wolfgang Wieser

Tiefe Einblicke

Blick auf den zu Innervillgraten gehörenden Weiler Kalkstein mit der Wallfahrtskirche Maria Schnee. Im Hintergrund: (von links) Blankenstein, Ternegg.

Durch den Schnee

Der Weg, der hier zu sehen ist, heißt „Hohe Bank“ und führt nach Prägraten am Großvenediger (ganz hinten im Tal).

Gerade, ehrlich und mit einem ordentlichen Sturschädel ausgestattet – die Osttiroler sind herzliche Menschen.

J

Ja, ja! Genau so sans, die Villgrater!“, Alois Mühlmann, kurz „der Lois“ und Wirt vom Gannerhof, ist ehrlich amüsiert. Genau so, wie sie ein Stammgast gerade mit Hingabe und viel Gefühl beschrieben hat, „genau so sans“. Also gerade, ehrlich und – ehrlicherweise – auch durchaus stur, aber auch ungemein herzlich. Und die Reaktion des Wirtes ist der beste Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung: „Die Bevölkerung hier hatte keine andere Chance“, sagt der Lois, „man lebte so abgeschlossen, dass man lernen musste, grad und ehrlich miteinander auszukommen.“

Villgratental, Virgental, Gail- und Lesachtal und selbst im Defereggental – in den stillen Tälern Osttirols läuft das Leben anders als wir es gewohnt sind: ruhig, bewusst, den Traditionen verbunden. Wer den Bewohnern der besonderen vier allerdings den Stempel eines eigenbrötlerischen Bergvolkes aufdrücken möchte, liegt falsch.

Hier wird dem Fremden mit offenem Blick begegnet, der ehrliches Interesse fern von plumper Anbiederung signalisiert. Der sagt: Mir san mir und wir haben unsere Traditionen, wir schauen aber nur allzu gerne auch über die Bergkuppen hinweg und verschließen uns neuen Ideen nicht.

Es sind Leichtigkeit und Gelassenheit, die die Menschen hier prägen, die Neid und Missgunst, wie sie in jeder Gemeinschaft vorkommen, kleinhalten, wie hier in Villgraten. Vielleicht liegt es an der sanfthügeligen Weite des Tales, umrahmt von hohen Bergspitzen, die aber nicht so nahe und apokalyptisch in den Himmel ragen, dass sie lange, dunkle Schatten werfen können. Selbst im Winter zählt man

Unterwegs im Nationalpark. Vier Wanderer

hüpfen lachend bergab. Sie sind mit Schneeschuhen rund um den Obersee unterwegs.

hier täglich fünf bis sechs Sonnenstunden, die das Gemüt erhellen.

Von der Sonne schwarz gefärbte Holzhäuser passiert man, wenn man nach Innervillgraten kommt. Man lässt den Blick über jungfräulich verschneite Hänge gleiten, die weiter oben von dunklen Lärchen- und Fichtenwäldern gesäumt sind, über denen wiederum markante Gipfel thronen. Man schlendert den Bach entlang, atmet tief ein – und plötzlich erkennt man, was fehlt: Hier gibt es keine Bettenburgen, keine dröhnenden Schirmbars, keinen Lift. „Kommen Sie zu uns, wir haben nichts“, sagen die Innervillgrater. Doch dieses „Nichts“ ist ganz schön viel – und es gibt es auch in den anderen Tälern: unberührte Natur, herzliche Menschen und Handwerker, die zwar auf Tradition bauen, dafür jedoch auch durchaus moderne Techniken nutzen.

Werfen wir einen Blick ins Virgental mit den Orten Virgen und Prägraten am Großvenediger. Eingebettet zwischen Großglockner und Großvenediger gibt es auf einer Länge von immerhin 25 Kilometern nichts – außer stiller Schönheit.

Kartitsch ist dafür ideal. Das auf 1.356 Metern gelegene Bergdorf ist seit 2018 das erste Winterwanderdorf Österreichs. Die ursprüngliche Landschaft des höchstgelegenen Tales Osttirols ist Kulisse für neun Routen (1,8 bis 10,5 Kilometer lang), die den gesamten Winter über gewartet und geräumt werden, um entspanntes Wandern durch die verschneite Winterlandschaft möglich zu machen.

Geprägt ist das Gail- und Lesachtal vom Tagwerk der Bauern, die sich bis heute mit großer Mühe dieser einzigartigen Landschaft widmen. Hier liegt auch Obertilliach, das

Unter Schneehauben

Obertilliach im Winter mit traumhafter Bergkulisse: (von links) Porze, Hoher Bösring, Hochegg und Öfenspitze

Wenn die Eisblumen blühen

Sehen, staunen – und die Schwarzach plätschern hören. Wer möchte bei solchen Bedingungen nicht auf die Schwefelbrunnloipe im Defereggental einsteigen?

Geprägt ist die einzigartige Landschaft von Flüssen, Mooren und Gletschern – selbst Heilwasser sprudelt aus den Tiefen.

wegen seiner oft hunderte Jahre alten Bauernhäuser auch „hölzernes Dorf“ genannt wird – und dessen Ortskern deshalb sogar denkmalgeschützt ist.

Das Defereggental schließlich wird eingerahmt von den Villgrater Bergen, der Rieserfernergruppe, der Lasörlinggruppe und der Schobergruppe. Der Schutz des Nationalparks Hohe Tauern macht das Defereggental, bei aller Lebendigkeit in manchen Orten, zu einem der unberührtesten Alpentäler.

Geprägt ist die einzigartige Landschaft von Flüssen, Mooren und Gletschern – und selbst Heilwasser sprudelt hier aus den Tiefen. „Kommen Sie zu uns, wir haben nichts“, wie die Innervillgrater gerne sagen, ist ein – wie wir erkennen – herber Schmäh. Denn die stillen Täler Osttirols haben viel, aber sicher nicht „nichts“.

Bergwelten-Tipp: Die Winterwandertage

Wandern, Rodeln, Picknicken. Durch Kartitschs wunderschöne Winterlandschaft spazieren, im Freien picknicken und eine flotte Rodelpartie genießen – bei den Winterwandertagen ist all das möglich. Plus: Ein offizieller Wanderführer begleitet jede Tour. Und das bedeutet, dass es nicht nur tolle Ausblicke gibt, sondern auch feine Einsichten über Land und Leute vermittelt werden. winterwandern.osttirol.com

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