Bergwelten Osttirol

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ESSAY

Mit einer großen Portion Herz Eine Liebeserklärung an Osttirol und die Osttiroler. Von Servus-Autorin Uschi Korda.

Die Fingerspitzen von Daumen, Zeige- und Mittelnger zusammengepresst und himmel­ wärts gehalten, dann den Arm vom Kinn Richtung Tischplatte runtergeschnalzt – das war das erste Mal, wie mir ein Osttiroler mit

„Die Verwandlung vom Bauern zum Liftburschen widersprach dem hier herrschenden Freigeist.“ 36 BERGWELTEN

einer Handbewegung versucht hat, den Cha­ rakter seiner Landsleute zu erklären. Gerade, ehrlich, mit einem ordentlichen Quantum Sturschädel ausgestattet, sollte das heißen, und weil das mit der linken Hand ausgeführt wurde, war auch eine große Portion Herz da­ bei. Es war vermutlich der Moment, in dem ich mich in diesen Flecken Erde verliebt habe. Ein Flecken, in dem die imposante Bergwelt ihre Gipfel zwar mächtig in den Himmel reckt, aber die meisten Täler in sicherer Entfernung umkränzt, sodass sie nicht allzu lange dunkle Schatten werfen. Das Villgratental zum Bei­ spiel, ein Hochtal, in dem sich auch im Win­ ter ein paar Sonnenstunden täglich ausgehen. Auch das Defereggental ist, abgesehen von ein paar Engstellen, von großzügiger Weitläug­ keit, so wie Kals, von wo man den Aufstieg auf Österreichs höchsten Berg, den Großglockner (3.798 m), angehen kann. Man kann den Osttirolern Rauheit und Ver­ wegenheit nachsagen, die Wilden hinterm Berg oder gar hinterwäldlerisch sind sie nicht. Im Gegenteil, manch hartnäckiger Kampf ge­ gen Obrigkeit und Zeitgeist hat sich im Nach­ hinein als beinahe prophetischer Weitblick erwiesen. So waren es zum Beispiel die Kalser

ILLUSTRATIONEN: ANDREAS POSSELT, ROLAND VORLAUFER

Was wäre, wenn Albert Uderzo und René Goscinny, die französischen Väter von „Asterix und Obelix“, Österreicher gewesen wären? Hmmm, sagen Sie jetzt vielleicht. Ganz ein­ fach, antworte ich: Dann wäre das kleine galli­ sche Dorf voller liebenswerter, aber recht eigen­ sinniger Charaktere mit Sicherheit Osttirol gewesen. Die kleine Tiroler Exklave klebt am südwestlichsten Zipfel Österreichs – von Nord­ tirol durch den Pinzgau, von Südtirol und ­Venetien durch eine Staatsgrenze getrennt, ent­ wickelte sich in dieser Abgeschiedenheit eine Kultur, die stark von Autarkie und Nachbar­ schaftshilfe geprägt ist. In der es zwar oft hit­ zige Streitereien gab und gibt, letztendlich aber alle gemeinsam an einem Strang ziehen.


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