Greatest#11

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Stadtleben | ich bin (k)ein berliner

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Ich bin (k)ein Berliner

Fran Healy (Travis)

Travis gibt's übrigens auch noch. Falls sich das jemand fragen sollte, wenn er mal wieder „Why Does It Always Rain On Me“ im Radio hört. Dieser Tage erscheint ihr neues Album „Where We Stand“. Elf sehr schöne, sehr reife Songs, die sich in die Herzen treuer Fans ebenso schmeicheln werden, wie in die Ohren der Format­ radiohörer. Ein Spagat, den man erst einmal hinkriegen muss. Wir trafen Sänger und Songwriter Fran Healy, der seit Anfang 2008 in Berlin wohnt, zum Interview. Gleich im ersten Song fragt ihr euch singender­ weise „Why did we wait so long?“ Gute F ­ rage, die ich einfach mal so übernehmen möchte. Wir haben uns alle eine Weile auf unsere Freunde und unsere Familien konzentriert. Und uns dann Zeit gelassen. Wir leben ja auch in der ganzen Welt verstreut. Unser Bassist Dougy wohnt in Glasgow und in New York. Ich lebe mit Frau und Kind in Berlin, Gitarrist Andy in Liverpool und unser Drummer Neil im Lake District in England. Da muss man immer ein wenig planen.

foto: Kai Müller

Viele Musiker machen nur einen Zwischenstopp in Berlin. Bei dir war es anders. Du bist 2008 nach Prenz­ lauer Berg gezogen und noch immer da. Wie kommt’s? Ich liebe Berlin. Es ist die beste Stadt der Welt. Das meine ich wirklich. Hier ist so viel möglich, das nirgendswo anders möglich wäre. Es ist eine sehr liberale Stadt. Und sie ist sehr undeutsch. Man vergleicht das ja gerne mit New York – oder so, wie New York vor ein paar Jahren war. Und irgendwie stimmt das auch. Dieser Freigeist, diese magnetische Wirkung, diese kulturelle Vielfalt. Das ist schon ähnlich. In New York wohnen allerdings immer mehr reiche Leute. Das passiert zwar auch ein wenig in Berlin, aber die Ausmaße wie in New York wird es hier nie annehmen, denke ich. Berlin hat, wie soll ich es sagen ... eine eigene Agenda. Als gäbe es einen Geist, der dafür sorgt, dass egal was passiert, diese Berlin-typische Freiheit noch immer irgendwo möglich ist. Ich hörte, du hast einen Song für die Schule deines Sohnes geschrieben? Ja. Er geht auf die „Berlin Bilingual School“ in Friedrichs­hain und sie fragten mich, ob ich die Schulhymne schreiben könnte. Ich habe ein paar Freunde zusammengetrommelt – und es wurde eine ganz ansehnliche Backingband. Der Song heißt natürlich „Berlin Bilingual“. Ich singe und spiele die Akustikgitarre,

wir haben Stephen Malkmus von Pavement am Bass, Herbert Grönemeyer am Klavier und einen neunjährigen Schüler an den Drums. Einige Eltern waren dann für den Chorgesang zuständig. Einer von ihnen war zudem Tuba-Spieler und hat seine ganze Bläsersektion mitgebracht. Ach ja, Malcom Arison, der bei BossHoss mitspielt, hat die Mundharmonika übernommen. Wir sind eine Supergroup! Wir haben die CD dann auf einem Schulflohmarkt verkauft. Streng limitiert! Ihr habt kürzlich eine sehr schöne Akustikshow im Michelberger gespielt. Gibt’s eine Location in Berlin, wo du besonders gerne spielen möchtest? Da bin ich nicht wählerisch. Ich würde auch an einer Straßenecke spielen. Ich bin nicht so gepolt, dass ich unbedingt in der größten und besten Location spielen muss. Das mag unromantisch klingen, aber eigentlich ist es zutiefst romantisch gemeint. Ich sehe mich in erster Linie als Dienstleister für die Öffentlichkeit. So wie der Müllmann, der Polizist, der Straßenkehrer, der Krankenwagenfahrer, der Feuerwehrmann. Und der sagt ja auch nicht: Ich lösche nur Wolkenkratzer und nicht diesen runtergerockten Altbau. So halten wir es auch: Wir spielen da, wo man uns hören will. An der Warschauer Brücke ist momentan fast jeden Abend ein Konzert von verschiedenen Straßenmu­ sikern. Da steht immer so eine junge Frau, vielleicht Anfang 20, und letztens, als ich da abends auf dem Heimweg vorbeischlenderte, spielte sie „Sing“. Ach, das ist wundervoll, wenn diese Songs ein Eigenleben entwickeln. Wenn du das auch nur mit einem schaffst, hast du deinen Dienst an der Gesellschaft getan. Das ganze Interview findet ihr auf greatest-berlin.de! Daniel Koch


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