Landsmannschaft der Banater Schwaben
Und 체ber uns der blaue endlose Himmel Die Deportation in die Baragan-Steppe Rum채niens 1951
Eine Dokumentation von Wilhelm Weber
M체nchen 1998
Herausgegeben im Auftrag der Landsmannschaft der Banater Schwaben
Umschlagbild: Erste Unterkunft einer in die Baragan-Steppe deportierten Familie Foto: Jakob Thöress
ISBN 3-00-002932-X
© 1998 Eigenverlag Landsmannschaft der Banater Schwaben Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Mikroverfilmungen nur mit Genehmigung des Herausgebers. Gesamtherstellung: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, Bielefeld Printed in Germany
Dieses Buch will Mahnmal sein f체r das uns채gliche Leid, das schuldlosen deutschen Menschen angetan worden ist von den Machthabern einer brutalen Diktatur.
Zum Geleit Das zwanzigste Jahrhundert wird auch als ein Jahrhundert der Vertreibungen in die Geschichte eingehen. Die Banater Schwaben waren zweimal Opfer von Deportationen: im Januar 1945 in die Sowjetunion und im Juni 1951 in die Baragan-Steppe. Es waren Ereignisse, welche die Gemeinschaft in ihren Grundfesten erschütterten, welche über viele Familien unsägliches Leid brachten. Rechtlos und heimatlos den Schergen kommunistischer Diktaturen ausgesetzt, haben sich diese Ereignisse tief in das kollektive Gedächtnis der Banater Schwaben eingeprägt. Sie müssen immer wieder herangezogen werden, wenn man nach Antworten auf das Woher und Wohin der Banater Schwaben sucht. Es ist Aufgabe der Landsmannschaft, die Erinnerung an diese tragischen Geschehnisse wachzuhalten. Vorliegende Dokumentation über die Baragan-Deportation will dazu beitragen, daß die dunklen Stunden unserer Geschichte unvergessen bleiben. Wir erinnern damit an die Toten der Deportation, denen wir ein ehrendes Gedenken bewahren, wir erinnern an das Leid der Deportierten und mahnen für die Zukunft. Wir mahnen die Regierungen, Deportationen nicht als Mittel der Politik zu betrachten und mahnen unsere Nachkommen, unsere Geschichte in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen und weiterzugeben. Der große Humanist Albert Schweitzer sagte: "Die Vertreibung von der Scholle ist die flagranteste Verkennung der Geschichte und die offenkundigste Verletzung der Menschenrechte." Für die Banater Schwaben war die eigene Scholle die Lebensgrundlage. Der Scholle beraubt, waren sie der Zukunft beraubt. Sechs Jahre nach ihrer entschädigungslosen Enteignung stand der Name Baragan für den Verlust des letzten kleinen Stückes eigenen Bodens, für den Verlust der Heimat. Im Laufe ihrer Geschichte ist den Banater Schwaben viel Unrecht widerfahren. Sie haben es jedoch immer wieder geschafft, in den Stunden, Monaten und Jahren des Leids, der Rechtlosigkeit und der Erniedrigung den Mut und den Willen zum Neuaufbau zu finden. Auch dies wird in diesem Buch eindrucksvoll belegt. 7
Ich danke allen Beteiligten, die zur Entstehung dieser Dokumentation beigetragen haben, ganz herzlich. Ein ganz besonderer Dank gilt unserem Landsmann Wilhelm Weber, der in m端hevoller Kleinarbeit alle wichtigen Daten und Fakten zusammengetragen hat. Dem Buch w端nsche ich eine gute Aufnahme bei unseren Landsleuten und allen, die sich f端r die Geschichte der Banater Schwaben interessieren.
Jakob Laub Bundesvorsitzender Landsmannschaft der Banater Schwaben
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Wilhelm Weber
Einleitende Darstellung BÄRÄGAN- bei zehntausenden Banatern das Schreckenswort der fünfziger Jahre, das bis in die Gegenwart im Bewußtsein der Betroffenen noch immer eine Bitterkeit hinterläßt, hat deren Leben bleibend geprägt, so daß bei einigen sogar die Zeitrechnung eingeteilt ist in die Zeit "vor dem Baragan" und die Zeit "nach dem Baragan". Der östliche Teil der rumänischen Tiefebene, Baragan genannt, fand bei den Banater Schwaben vor dem Jahre 1951 kaum Beachtung. Lediglich aus den Berichten der Männer, die in den am Rande des Baragan gelegenen Städten ihren Militärdienst geleistet hatten, und aus den Erdkundebüchern waren einige Informationen über dieses Gebiet bekannt. Die Lehrbücher 1 beschreiben auch heute noch den Baragan als eine östlich von Bukarest befindliche Steppenlandschaft, die durch die Donau und deren Arme Borcea und Cremenea von der Dobrudscha getrennt ist. Die Sommer sind sehr heiß, die Winter aber so frostig, daß sie oft die Wintersaaten gefährden. Zeitweise verursachen heftige Winde im Winter orkanartige Schneestürme und legen durch Schneeverwehungen den gesamten Verkehr lahm. Weil die Niederschlagsmenge im Sommer sehr gering ist, treten häufig Dürreperioden auf. Deshalb war es von größter Wichtigkeit, Bewässerungssysteme anzulegen, die mit dem Wasser der Donau und der Jalomitza gespeist, hohe landwirtschaftliche Erträge zur Folge haben. Wie es aber im Baragan aussah, bevor noch diese Bewässerungssysteme angelegt waren, bei deren Bau auch dorthin deportierte Banater geholfen haben, beschrieb der rumänische Schriftsteller Panait Istrati, der in dieser menschenunfreundlichen und einsamen Gegend seine Kindheit verbrachte, in dem Roman "Die Disteln des Baragan" 2 folgendermaßen: "Kein Baum wächst auf seinem Rücken. Und von einem Brunnen zum anderen ist es so weit, daß man leicht halben Wegs verdursten kann. Der Bewohner des Baragan hofft immer, es würde einmal jemand kommen, der ihn lehrte, wie es sich auf seinem Baragan besser leben ließe, auf dieser ungeheuren Weite, die nur in ihrem allertiefsten Schoße Wasser birgt und auf der nichts wächst außer Disteln. In weniger als einer Woche bedecken sie das ganze Land. Das ist alles, was der Baragan auf seinem Rücken duldet, außer den Schafen, die lüstern nach diesen Disteln sind und sie gierig abweiden. Kommt der Winter, überläßt der Hirte diese gottverlassene Gegend Gott und kehrt heim. Der Baragan zieht aber seinen weißen Pelz über und legt sich für sechs Monate schlafen. Nichts lebt da mehr. Das ist der Baragan." So genau war er den Banatern nicht bekannt und keiner dachte auch nur im geringsten daran, daß diese unwirtliche Landschaft Tausenden von ihnen für Jahre zum Zwangsaufenthaltsgebiet werden sollte. Das war ja auch in der Zeit 9
vor dem Zweiten Weltkrieg undenkbar. Doch die radikalen Veränderungen in Rumänien nach dem Krieg waren unberechenbar. Die sowjetische Einflußnahme war derart stark und bewirkte, daß die alte bürgerliche Ordnung ihren Stellenwert verlor, so daß die Normen des Anstands und der Redlichkeit, die Achtung vor dem Menschen und seiner Integrität nicht mehr respektiert wurden. Nur so ist das erklärlich, was unmittelbar nach dem 23. August 1944 und der folgenden viereinhalb Jahrzehnte kommunistischer Willkürherrschaft an unschuldigen und wehrlosen Menschen verbrochen wurde. Zuerst und vor allen anderen verspürten es die Deutschen in Rumänien am eigenen Leibe. Sie waren die ersten aller Deutschen, die noch während des Krieges dem sowjetischen Zugriff und dessen Helfershelfern ausgeliefert waren. An ihnen wurde zuerst Rache und Vergeltung geübt. Die im Januar 1945 einsetzende Deportation von 75.000 Deutschen aus Rumänien zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion3 war, außer den schon vorher erfolgten Verhaftungen, Internierungen, Mißhandlungen und lokal bedingten Morden an Deutschen, der erste Schritt in dieser Richtung. Infolge der menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen, der Krankheiten und der Unterernährung starben in den Zwangsarbeitslagern in der Ukraine und beiderseits des Ural 11.000 Deportierte. 4 Die Rußlandverschleppung, wie sie allgemein genannt wurde, umfaßte alle deutschen Frauen zwischen 18 und 32 und alle deutschen Männer zwischen 17 und 45 Jahren. Dieses Alter wurde aber nicht immer respektiert, so daß auch Jüngere oder Ältere deportiert wurden.5 Im Banat verblieben danach nur noch alte Leute und Kinder. In vielen Fällen waren es Kleinkinder, die ohne Väter und Mütter einem ungewissen Schicksal entgegensahen. Glück hatten diejenigen, die von Verwandten oder Bekannten aufgenommen oder mit kirchlicher Hilfe vermittelt wurden. Alle Zurückgebliebenen hatten ein schweres Los zu ertragen. Außer Plünderungen und weiteren Schikanen wurde den Deutschen auf dem Lande infolge des Bodenreformgesetzes Nr. 187 vom 23. März 1945 ihr Feldbesitz, die Häuser, das Großvieh und alle landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte entschädigungslos enteignet. 6 In ihre Häuser mußten sie aus anderen Landesteilen zugezogene Rumänen aufnehmen, die sich dann als Herr im Hause wähnten und dies den vormaligen deutschen Besitzer und dessen Angehörige auch spüren ließen. Damit war ein oft jahrelang anhaltender Streit vorprogrammiert. So vergingen die folgenden Jahre mit weiteren Enteignungen und mehr oder minder strengen Anwendungen der gegen das Deutschtum in Rumänien gerichteten Maßnahmen. 7 Zwischendurch kamen Krankentransporte mit bis auf Haut und Knochen abgemagerten, kranken und arbeitsunfähig gewordenen Frauen und Männern aus den sowjetischen Zwangsarbeitslagern in der Heimat an. Soweit wie möglich sollten diese todkranken und apathischen, arbeitsunfähigen Deutschen zu Hause und nicht in den Lagern sterben. In den Jahren 1946 bis 1948 gingen ähnliche Transporte nicht mehr nach Rumänien sondern nach Frankfurt an 10
der Oder, in die Ostzone Deutschlands. Ende 1949 schlug für die noch am Leben gebliebenen Rußlandverschleppten, wie man sie im allgemeinen nannte, die Stunde der Heimkehr. Diese Transporte gingen wieder nach Rumänien und nur die wegen Kartoffelklauens und anderer kleiner Vergehen beschuldigten und verurteilten Personen mußten noch bis 1951 oder 1952 in der Sowjetunion bleiben. Danach wurden auch sie frei und durften heimkehren. Zu Hause im Banat sahen sich die meisten Heimkehrer mit neuen Problemen konfrontiert, denn ihr Vermögen war enteignet und ihre Häuser von den im Banat Kolonisten genannten rumänischen Zuwanderern besetzt. Oft blieben Familien auseinandergerissen, ein Elternteil in Deutschland, der andere in Rumänien. Nachdem auch ein Großteil der Kriegsgefangenen heimgekehrt war, schien sich nach diesen leidvollen Jahren das Leben zu normalisieren. Aber als die so schwer geprüften Banater Schwaben eine sich allmählich anbahnende Besserungsperiode zu verzeichnen glaubten, geschah das, womit keiner mehr im Jahre 1951 rechnete, nämlich eine neuerliche Deportation, dieses Mal aber nicht nach Rußland sondern in die Bara.gan-Steppe Rumäniens. Damit begann wieder ein Leidensweg für tausende Banater Schwaben. Doch jetzt betraf es nicht nur sie allein wie 1945, als nur Deutsche zur Zwangsarbeit deportiert wurden. Das kommunistische Regime in Rumänien fühlte sich nach vier Jahren der Macht schon dermaßen gefestigt, daß es sich erlauben konnte, nicht nur Andersnationale zu deportieren. Aus einem 25 km breiten Grenzgebiet, der sogenannten Grenzzone entlang der rumänisch-jugoslawischen Grenze, deportierten die rumänischen Kommunisten außer Deutschen, Serben, Ungarn, Bulgaren und anderen nationalen Minderheiten auch Vertreter aus den Reihen der eigenen Nation. So mußten alteingesessene rumänische Familien und im Banat angesiedelte Bessarabier und Mazedorumänen zwangsweise ihre in der Grenzzone gelegenen Ortschaften verlassen und mit ihren andersnationalen Leidensgenossen 18 neue Dörfer in der Baragan-Steppe erbauen. 8 Im Jahre 1951 zählte nicht so sehr die ethnische Herkunft wie 1945, sondern andere Kriterien traten in den Vordergrund und wurden für Zehntausende schicksalbestimmend. Beiall den leidvollen Erfahrungen, die damit im Zusammenhang standen, und die Behörden fünf Jahre lang die Betroffenen wie Verbrecher behandelten, muß auf einen positiven Aspekt hingewiesen werden. Die so erniedrigten und beschimpften Menschen ließen sichtrotz aller Schikanen undtrotzder Unbilden der Natur, der sie hilflos gegenüberstanden, nicht entmutigen und unterkriegen. Sie führten Tagebücher, fotografierten trotz Verbots und merkten sich viele Einzelheiten, die es durch Veröffentlichungen von Erlebnisberichten, Tagebuchaufzeichnungen, Briefen, Gedichten, Zeichnungen, Dorfplänen, von den Behörden ausgefolgten Schriften und von aussagekräftigen Fotos ermöglichen, diese leidvolle Zeit nachzuvollziehen. 9 Solange Rumänien von den Kommunisten regiert wurde und deren Repressionsorgane allgegenwärtig 11
waren, wagte niemand in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen, geschweige denn zu schreiben. Genauso wie die Rußlandverschleppung von 1945, war auch die Baragandeportation von 1951 in Rumänien 40 Jahre lange ein Tabuthema. Eine Ausnahme gab es dennoch. Erstaunlicherweise gingen durch die ansonsten sehr unerbittliche Zensur in Rumänien drei- davon zwei in banatschwäbischer Mundart verfaßte -literarische Werke: das zum ersten Mal 1980 aufgeführte Theaterstück "Zwei Schwestern" von Stefan Heinz-Kehrer, "Es dritti Buch vum Kaule-Baschtl", ein im Facla-Verlag in Temeschburg 1981 verlegter Roman von Ludwig Schwarz und das 1980 im Kriterien Verlag erschienene Poem "biographie ein muster" von Johann Lippet, in welchem sich die Passage "neue erfahrungen" auf die Baragan-Deportation bezieht. In Rumänien verboten, konnte hier im westlichen Ausland ausgiebig darüber berichtet werden. Trotz Geheimhaltung und strenger Briefzensur wurde diese Massendeportation schon bald auch bei den Landsleuten in der Bundesrepublik bekannt. Den ersten Bericht darüber übergab noch im selben Jahr, am 27. August 1951, unser Landsmann Jakob Wilhelm, im Auftrag der Landsmannschaft der Banater Schwaben, dem damaligen Bundesminister für Vertriebene Dr. Hans Lukaschek. 10 Ein weiterer ähnlicher Bericht wurde durch den 1950 gegründeten Verband der Deutschen aus Rumänien in Bayern am 17. September 1951 dem Präsidenten des Bayerischen Landtags Dr. Dr. Alois Hundhammer zugeleitet. 11 Den ersten in einer Publikation veröffentlichten Bericht über diese Deportation brachte die in Salzburg erschienene donauschwäbische Wochenzeitschrift "Neuland" auf ihrer Titelseite mit einer Skizze der BaraganSteppe.12 Darüber berichtete auch die Broschüre "Dokumente zur Geschichte der Donauschwaben 1944-1954", die als 10. Heft in der Reihe "Donauschwäbische Beiträge" 1954 in Salzburg herausgegeben wurde. Anhand von zwei Kartenskizzen konnte der Öffentlichkeit das Aussiedlungsgebiet, die Banater Grenzzone (zona de granita), mit Nennung der betroffenen Landkreise (plase) und ein zweites Mal das Deportationsgebiet in der Baragan-Steppe an der unteren Donau, bekanntgemacht werdenY In Bonn erschien im Jahre 1957 die mehrbändige "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa". Ein unter der Leitung von Prof. Dr. Theodor Schieder stehender Arbeitskreis erarbeitete einen Band dieser Dokumentation, der das Schicksal der Deutschen in Rumänien festhält. Das V. Kapitel, mit "Zwangsumsiedlungen von Volksdeutschen innerhalb Rumäniens" betitelt, behandelt anhand von Erlebnisberichten und Briefen auch die Deportation in die Baragan-Steppe". 14 Die "Banater Post," "Der Donauschwabe", die "Südostdeutschen Vierteljahresblätter" und weitere Publikationen veröffentlichten schon früh und fortlaufend Berichte zu diesem Thema. So brachte die Banater Post im Jahre 1963 den Beitrag "Rubla, das verlassene Dorf in der Baragan-Steppe" 15, um nur einen der ersten von vielen Beiträgen aus der Banater Post zu nennen, die im Laufe der Zeit das Schicksal der Deportierten schilderten. Zu diesem, wie auch zu vielen anderen Berichten muß, um der Wahrheit willen gesagt werden, daß die 12
darin angegebenen Zahlen deportierter Personen und andere Angaben nicht ganz mit den zwischenzeitlich aus den rumänischen Archiven eruierten Zahlen und Angaben übereinstimmen. Weil der Zugang zu den in staatlichen Archiven aufbewahrten Unterlagen bis nach 1990 nicht gestattet war, konnte es geschehen, daß die auf Schätzungen, Vergleichen, Berichten betroffener Personen und Hochrechnungen beruhenden Angaben nicht immer übereinstimmten. 16 Seit einiger Zeit aber sind, dank der Bemühungen des Vereins der ehemaligen Baragan-Deportierten in Temeschburg, ein Teil der unter Verschluß gehaltenen Dokumente der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden. Dadurch kennt man heute schon vieles, das bislang über die Baragandeportation unbekannt war und zu den meistens zu hoch angegebenen Zahlen führte. 1977 prämierte eine Jury der Landsmannschaft fünf Erlebnisberichte, die infolge eines 1976 ausgeschriebenen Wettbewerbs eingesandt und in der Banater Post veröffentlicht wurden. Die am Wettbewerb beteiligten Arbeiten machten 74 Schreibmaschinenseiten aus. Alle Ortsmonographien, Heimatbücher und Heimatbriefe der Heimatortsgemeinschaften solcher Dörfer, die von der Deportation betroffen waren, beinhalten Beiträge über diese Aktion. Ein zeitgeschichtlicher Tatsachenroman mit dem Titel "Sklaven im Baragan" erschien 1981. 17 Im zweiten Band der Reihe "Das Banat und die Banater Schwaben", der 1983 erschienen und mit "Leidensweg der Banater Schwaben" betitelt ist, wird anhand von Erlebnisberichten auch über diese Deportation berichtet. 18 Die "Donauschwäbischen Forschungs- und Lehrerblätter" vom September 1991 widmen sechs Seiten diesem Thema. 19 Die Zeitschrift "Banatica" veröffentlichte 1994 die Dokumentation "Baragan - der rumänische Gulag - Zum Leben in der kommunistischen Deportation". Sie beinhaltet und zählt unter anderen auch alle Dokumente auf, die sich auf die Deportation beziehen und bis zu diesem Datum bekannt geworden waren. 20 Der Sender Radio 5 des Westdeutschen Rundfunks in Köln sendete 1994 eine Reportage, die auch vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wurde, worin über das Leben der Deportierten berichtet wurde. 21 In einigen Folgen der "Südostdeutschen Vierteljahresblätter" wurden Auszüge aus dem Romanprojekt "Steppensalz" mit dem Untertitel "Aufzeichnungen eines Ausgesiedelten" veröffentlicht. 22 Anläßlich der Kulturtagung der Landsmannschaft in Sindelfingen 1996, hielt ich ein Referat mit Diavorführung, welches mit den anderen Vorträgen in der Broschüre "Kulturtagung in Sindelfingen 1996" veröffentlicht wurde. Wie die Banater Post vom 5. Januar 1997 vermerkte, löste das Referat nicht nur allgemeine Betroffenheit aus, sondern führte viele Tagungsteilnehmer in die Problematik ein. Allgemein begrüßt wurde der spontane Vorschlag aus den Reihen der Anwesenden, ein Buch über die Baragan-Deportation herauszubringen. Mit diesem jetzt vorliegenden Buch wurde der anläßlich der Kulturtagung gefaßte Vorschlag in die Tat umgesetzt. Die von der Deportation betroffenen Menschen in Rumänien, wie auch die dortigen Medien, bekamen erst nach 40 Jahren Gelegenheit, darüber zu be13
richten, Bücher zu veröffentlichen und einen Dokumentarfilm zu drehen. 23 Die meisten Veröffentlichungen zu diesem Thema unterstützte der 1990 in Temeschburg gegründete "Verein der ehemaligen Bara.gan-Deportierten" (Asociatia Fo~tilor Deportati in Baragan). In der rumänischen zentralen Presse wie auch in der rumänisch-deutsch- und serbischsprachigen Presse des Banats sind in den letzten Jahren Beiträge zu diesem Thema erschienen. In Zusammenarbeit mit dem Ternescher Staatsarchiv, dem Verein der ehemaligen Baragan-Deportierten und mit Hilfe der Studenten des 1. Jahrgangs der Architektur-Fakultät, eröffnete das Banater Museum in Temeschburg am 19. Juni 1993 eine Gedenkausstellung, in der zwei Monate lang bis zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Dokumente der Öffentlichkeit zur Schau gestellt wurden. 24 Es waren auch Namenslisten ausgestellt, worauf die Beweggründe standen, weswegen die jeweiligen Personen zu deportieren waren. Außerdem konnte Einsicht genommen werden in Informationsberichte von solchen Parteifunktionären, die in betroffene Ortschaften geschickt waren, um von dort aus über den Hergang der Deportation und über die Stimmung in der Bevölkerung zu berichten hatten. Verschiedene andere Berichte, die zur Bereicherung der Kenntnisse über die Beweggründe der Deportation beitragen, viele Fotos, Karten und Erlebnisberichte vervollständigten die Ausstellung. Großes Interesse weckten bei den Besuchern der Ausstellung der Bericht über die Sitzung des Regionsparteikomitees vom 22. Juni 1951 und der Bericht über die Sitzung des überregionalen Parteikollegiums vom 2. Juli 1951. Das Begleitheft zur Ausstellung ist mit "In Memoriam - Baragan 18 iunie 1951" betitelt.25 Darin werden zum ersten Mal die betroffenen Ortschaften der Kreise Timi~, Cara~ - Severin und Mehedinti, wie auch ein Verzeichnis der 18 von den Deportierten im Baragan erbauten Dörfer veröffentlicht. Wie es sich später herausstellte, ist das Verzeichnis der betroffenen Ortschaften unvollständig und das der neu erbauten Dörfer fehlerhaft. Der Verein der ehemaligen Baragan-Deportierten in Temeschburg veröffentlichte 1994 in rumänischer Sprache das Buch "Rusalii 51 " 26 (Pfingsten 51) und 1995 einen mit 125 Fotos illustrierten Foto~edenkband mit dem Titel "Fotomemoria unei deportari Baragan 1951" 7 (Fotoerinnerungen einer Deportation - Baragan 1951 ). Im Juni 1996 erschien ein weiteres Buch "Deportarea in Baragan, Destine-Documente-Reportaje"28 (Die Deportation in den Baragan, Schicksale - Dokumente- Reportagen). Dieses Buch mit 335 Seiten Text und 23 Seiten Kopien verschiedener Originaldokumente und einiger Fotos ist das bislang umfangreichste und aufschlußreichste, was Dokumente und Hintergrundinformationen anbelangt. Es beinhaltet einen Großteil der Dokumente, die das Banater Museum ausgestellt hatte und die im Staatsarchiv aufbewahrt werden. Im Buch werden Rechenschaftsberichte und Meldungen über den Verlauf der Aushebung, des Abtransportes der Deportierten, wie auch über die Lage in den jeweiligen Ortschaften danach wiedergegeben und kommentiert. Außerdem werden Mängel, Fehler und Übergriffe kritisch dargestellt. Ende Septem14
her 1996 hat der Verein der Serben und Kraschowener mit dem Sitz in Temeschburg das Buch "Baraganska Golgota, Srba u Rumunje 1951-1956" (Leidensweg Baragan der Serben aus Rumänien 1951-1956) herausgebracht. Kurze Zeit danach erschien dasselbe Buch in rumänischer Übersetzung mit dem Titel "Golgota Baraganului pentru sarbii din Romania 1951-1956" mit 300 Seiten, davon 21 Seiten Nachdruck von Dokumenten, 2 Seiten Karten und 62 Seiten mit Reproduktionen von 145 Fotos. 29 Als nächstes ist ein ähnliches Buch in bulgarischer Sprache geplant. Außer den von mir im Buch "Rusalii 51" veröffentlichten 12 Fotos mit entsprechenden Erklärungen und einem sehr kurzen, auf die Deportation in Billed bezogenen Text30 , finden sich in allen bislang in rumänischer und serbischer Sprache erschienenen Büchern nur ganz wenige Hinweise auf die Deutschen. Auch wenn angesichts der hier genannten und der vielen nicht genannten Veröffentlichungen über die Baragan-Deportation die Meinung aufkommen könnte, daß die Baragan-Thematik schon zur Genüge erörtert und behandelt wurde, kann dem seitens der Betroffenen nicht zugestimmt werden. Die Leidtragenden dieser menschenverachtenden und inhumanen Aktion haben das Recht darauf, daß immer wieder auf ihre Leidenszeit hingewiesen und soviel wie nur möglich darüber berichtet wird, um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Das ist ein weiterer Grund zur Herausgabe dieses Buches. Damit soll der heutigen Jugend, der nachfolgenden und der im Baragan geborenen Generation vor Augen geführt und vermittelt werden, was die Erlebnisgeneration an leidvollen Begebenheiten zu erdulden hatte. Auch soll dieses Buch dem Gedenken derjenigen gewidmet sein, die schuldlos ihr durch ehrliche und mühevolle Arbeit erworbenes Vermögen verloren und jahrelang in der Verbannung seelisch wie physisch zu leiden hatten, sowie denjenigen, die nicht mehr die Heimkehr ins geliebte Banat erleben konnten, sondern ihre letzte Ruhestätte ohne priesterliche Segnung, fernab der Heimat, in der Baragan-Steppe fanden. An dieser Stelle möchte ich auch meinen Dank all jenen aussprechen, die mir Unterlagen und Quellenmaterial, Dokumente, Erlebnisberichte, Briefe, Gedichte, Dorfpläne und aussagekräftiges Fotomaterial zur Verfügung gestellt haben. Ohne deren Hilfe hätte dieses Buch nicht zustandekommen können. Wenn nicht das ganze mir zur Verfügung gestellte Material wiedergegeben werden konnte, so lag es nicht an dessen Unverwendbarkeit, sondern daran, daß auch dieses Buch nur in einem gewissen Umfang, was Seitenzahl und Aufmachung anbelangt, erscheinen konnte, der von den hierzu vorhandenen finanziellen Mitteln bestimmt wurde. Es muß noch darauf hingewiesen werden, daß jeder Autor für den Inhalt seines Beitrags verantwortlich ist.
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Anmerkungen: 1. Geografia Romaniei. Manual pentru clasa a VIll-a. Editura Didactica ~i Pedagogica. Bucure~ti 1995, Seite 102 (Geographie Rumäniens. Lehrbuch für die VIII. Klasse. Didaktischer und Pädagogischer Verlag. Bukarest 1995). 2. Istrati, Panait. Die Disteln des Baragan. Verlag Reclam jun. Leipzig 1987. Seiten 1-11. 3. Barcan, Monica und Millitz, Adalbert. Die Deutsche Nationalität in Rumänien. Kriterion Verlag. Bukarest 1977. Seite 39. Siehe auch: Verlag Neuer Weg (Hrsg.). Rußland-Deportierte erinnern sich. Bukarest 1992. Seite 6. 4. Landsmannschaft der Banater Schwaben (Hrsg.) Das Banat und die Banater Schwaben. Band 2. Der Leidensweg der Banater Schwaben im zwanzigsten Jahrhundert. München 1983, Seite 45 (weiterhin mit Leidensweg bezeichnet). 5. Lay, Heinrich. Die größte Tragödie unserer Geschichte -Die Zwangsverschleppung der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion, in: Banater Post vom 5.01.1995. Seite 1. Siehe auch: Verlag Neuer Weg (Hrsg.). Rußland-Deportierte erinnern sich. Seite 7. 6. Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.). Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Band IV. Das Schicksal der Deutschen in Rumänien. Weltbild-Verlag. Augsburg 1994. Seiten 85E-91E und 156E-160E (weiterhin mit Dokumentation bezeichnet). 7. Leidensweg, a.a.O., Seite 54. 8. Marineasa, Viorel und Vighi, Daniel. Rusalii 51 -Fragmente din deportarea in Baragan. Editura Marineasa. Timi~oara 1994. Seite 195. (Pfingsten 51- Fragmente aus der BaraganDeportation. Verlag Marineasa. Temeschburg 1994, weiterhin mit Rusalii 51 bezeichnet.) 9. Eigene Erfahrung und bislang gewonnene Erkenntnisse. 10. Schmidt, Sepp. Die 2. Deportation von Banater Schwaben - Baragan 1951-1956, in: Donauschwäbische Forschungs- und Lehrerblätter, Heft 3, München 1991, Seite 107 (weiterhin mit Forschungs- und Lehrerblätter bezeichnet). 11. Ebenda, Seite 108. 12. Engelmann, Nikolaus. Der große Aufschrei blieb aus. Baragan-Deportation der Banater Schwaben fand in der Weltöffentlichkeit kaum einen Nachhall, in: Banater Post Nr. 12 vom 20.06.1991, Seite 5. 13. Dokumente zur Geschichte der Donauschwaben 1944-1954. Donauschwäbische Beiträge. Heft 10. Salzburg 1954, Seiten 12-13. 14. Dokumentation (1994), V. Kapitel, a.a.O., Seiten 379-399. 15. Rovinaru, Traian. Rubla, das verlassene Dorf in der Baragan-Steppe, in: Banater Post Nr. 8 aus 1963, Seite 9. 16. Im Heimatbuch der Donauschwaben, gestaltet von Hans Wolfram Hock!, herausgegeben vom Südostdeutschen Kulturwerk München, erschienen im Donauschwäbischen Heimatverlag Aalen!Württemberg 1960, wird von schätzungsweise 30.000 verschleppten Banater Schwaben ausgegangen. Andere Autoren beziffern die Anzahl der verschleppten Deutschen auf 40.000,-. Irene Decker spricht in ihrem zweiteiligen Beitrag "Der Baragan", erschienen in der Zeitung "Der Donauschwabe" an Pfingsten 1979, sogar von 50.000 deportierten Deutschen. Das sind Angaben, die im Widerspruch stehen zu der vom Verein der ehemaligen Baragan-Deportierten seit 1994 bekanntgegebenen Zahl von insgesamt 40.320 deportierten Rumänen, Deutschen, Serben, Bulgaren, Ungarn und anderen Bewohnern der Ortschaften, die in der ehemaligen Grenzzone lagen und von der Baragan-Deportation betroffen waren. 17. Freihoffer, Heinrich. Sklaven im Baragan - Tatsachenroman mit dokumentarischem Anhang. Deggendorf 1981. 18. Leidensweg, a.a.O., Seiten 654--663 . 19. Forschungs- und Lehrerblätter, a.a.O., Seiten 107-110 und 124-125.
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20. Geier, Christian. Baragan- der rumänische Gulag, in: Banatica, Heft 3, Freiburg 1994. 21. Reportage des Westdeutschen Rundfunks Köln, Radio 5. Thema: Die Baragan-Deportation. Sendung vom 18.06.1995. Reporterin: Edith Lia Vasilescu. Interviewte: Wilhelm und Margarethe Weber. 22. Schiff, Julia. Romanprojekt "Steppensalz" in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Folge 1, München 1995. 23. In den ersten Jahren nach der Revolution entstand in Rumänien die Fernsehserie "Memorialul durerii" (Erinnerung an das Leid). Deren letzte Folge behandelte die Deportation in den Baragan. Die Regisseurirr Lucia Hossu Lenghin wurde dafür 1993 mit dem Großen Fernsehpreis Rumäniens ausgezeichnet. Diese Folge gab Erlebnisberichte Betroffener wieder. 24. Geier, Luzian. In memoriam Baragan- Gedenkausstellung über die Deportation im Banater Museum, in: Der Donauschwabe vom 17.10.1993, Seite 5. 25. Asociaria Fo~tilor Deporta{i in Baragan (Hrsg.). In memoriam Baragan 18 iunie 1951. Vernisajul expozitiei 19 iunie 1993. Muzeul Banatului Timi~oara (Verein der ehemaligen Baragan-Deportierten. In memoriam Baragan 18. Juni 1951. Eröffnung der Ausstellung 19. Juni 1993. Banater Museum Temeschburg). 26. Siehe Anmerkung 8. 27. Asociatia Fo~tilor Deporta{i in Baragan (Hrsg.). Fotomemoria unei deportari - Baragan 1951. Editura Mirton. Timi~oara 1995 (Verein der ehemaligen Baragan-Deportierten. Fotoerinnerungen einer Deportation-Baragan 1951. Mirton Verlag. Temeschburg 1995, weiterhin mit Fotomemoria unei deportari bezeichnet). 28. Marineasa, Viorel. Vighi, Daniel und Samin{a, Valentin. Deportarea in Baragan, DestineDocumente-Reportaje. Editura Mirton. Timi~oara 1996 (Die Deportation in den Baragan, Schicksale - Dokumente - Reportagen. Mirton-Verlag. Temeschburg 1996, weiterhin mit Deportarea in Baragan bezeichnet). 29. Milin, Miedrag und Stepanov, Liubomir. Golgota Baraganului pentru Sarbii din Romania 1951- 1956. Editura Uniunii Democratice a Sarbilor ~i Cara~ovenilor din Romania. Timi~oara 1996 (Leidensweg Baragan der Serben aus Rumänien 1951-1956. Verlag des Demokratischen Verbandes der Serben und Kraschowener aus Rumänien. Temeschburg 1996. Originalausgabe in serbischer Sprache. Ins Rumänische übersetzt von Muncean Ivo, weiterhin mit Golgota Baraganului bezeichnet). 30. Weber, Wilhelm. In Rusalii 51 -12 Fotos mit Text im Bildteil auf den Seiten S-6.
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Wilhelm Weber
Die Beweggründe zur Deportation Das Leben im Zwangsaufenthalt in der Baragan-Steppe Sucht man in einem einschlägigen Werk nach der Erklärung für das Wort Deportation, so erfährt man, daß es lateinischen Ursprungs ist und eine zwangsweise Umsiedlung als persönliche Strafe, als polizeiliche oder als politische Maßnahme bedeutet. 1 Untersucht man, welche dieser drei genannten Beweggründe die im Jahre 1951 erfolgte Deportation von zehntausenden Menschen aus der entlang der jugoslawisch-rumänischen Grenze auf rumänischer Seite errichteten Grenzzone in die Baragan-Steppe bestimmte, so stellt man fest, daß alle drei für diese inhumane Aktion bestimmend waren. Als persönliche Strafe - weil eine solche Strafe über die Menschen verhängt werden sollte, die den Kommunismus ablehnten und von der kommunistischen Ideologie zu Klassenfeinden und Ausbeutern gestempelt wurden. Damit sollten auch alle Deutschen bestraft werden, die im Zweiten Weltkrieg in der deutschen Armee gedient hatten und nach dem Krieg aus Deutschland oder aus der Kriegsgefangenschaft in die Banater Grenzzone heimgekehrt waren. Als polizeiliche Maßnahme - weil von Personen, die sich der Staatsmacht gegenüber oppositionell verhielten, befürchtet werden mußte, daß sie eines Tages den Sturz der Regierung herbeiführen könnten. Als politische Maßnahme - weil Menschen, die die neue politische Entwicklung zum Sozialismus und Kommunismus verzögern oder gar verhindern konnten, aus dem öffentlichen und dem politischen Leben ausgeschaltet und unschädlich gemacht werden sollten. Ausschlaggebend waren diese Beweggründe. Man bezweckte zugleich, daß die zum Zwangsaufenthalt verurteilten Menschen große Flächen des Steppenbodens urbar machen, dadurch landwirtschaftlich nutzbaren Boden gewinnen und die Erträge steigern sollten. Beabsichtigt war auch, mit ihnen die dünnbesiedelten Gebiete des Badgans zu bevölkern, denn man weiß, daß noch weitere Deportationen geplant waren. 2 Alle die Deportation betreffenden Maßnahmen und Durchführungsbestimmungen waren organisatorisch bis ins kleinste geregelt. Wenn es nicht immer so gut klappte, wie es die Partei wünschte, war es zumeist auf menschliches Versagen der durchführenden Organe und nicht auf Widerstand der Deportierten oder auf Sabotage zurückzuführen. Nicht grundlos wird behauptet, daß in diesem Land nichts so gut geklappt hatte wie diese Deportation. Aber nicht der Kompetenz der Behörden wäre das zuzuschreiben, sondern vielmehr dem ruhigen Verhalten, dem Verstand, der Hoffnung und dem Gottvertrauen der Deportierten, die sich schweigend ihrem Schicksal beugten. Alle lebten in der Hoffnung, wieder frei zu werden. 18
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Karte Rumäniens mit der Grenzzone im Banat, im südwestlichen Oltenien und mit der Baragan-Steppe im Osten Munteniens.
Im Bericht des Generalsekretärs der Rumänischen Arbeiterpartei kommunistischer Prägung, Gheorghe Gheorghiu-Dej, auf dem Plenum des Zentralkomitees vom 3. und 4. März 1949, das dem Umwandlungsprozeß der Landwirtschaft im Sinne der sozialistisch-kommunistischen Ideologie gewidmet war, wurde auch die Liquidierung "kapitalistischer Elemente" in der Landwirtschaft angekündigt. 3 Es dauerte aber noch zwei Jahre, bis sich 1951 ein plausibler Vorwand bot, radikal gegen das Großbauerntum vorzugehen. Einstweilen handelte die kommunistische Führung nach der damals überall zu lesenden Devise, sich auf die armen Bauern zu stützen, die Allianz mit den Mittelbauern zu festigen und einen ununterbrochenen Kampf gegen die Großbauern, die sogenannten "chiaburi", zu führen. "Die Säuberung der rumänischen Grenzzone entlang der rumänisch-jugoslawischen Grenze von politisch unzuverlässigen Elementen", wie es die Kommunisten nannten, begünstigten politische Ereignisse, die sich in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre zutrugen. Das Kriegsgeschehen in Südosteuropa beschleunigte die Kapitulation Rumäniens vom 23. August 1944 und zwang die deutsche Armee, sich sowohl aus Rumänien als auch aus Jugoslawien innerhalb kurzer Zeit zurückzuziehen. Danach bildeten sich in beiden Staaten kommunistisch ausgerichtete Regierungen, die sich aber entgegen allen Erwartungen nicht verstanden und sich nicht freundschaftlich gesinnt waren. Die Gründe lagen weit zurück in der 19
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Die Baragan-Steppe auf einer originalen rumänischen Landkarte
Vergangenheit, denn gleich nach dem Ersten Weltkrieg brach zwischen ihnen ein Streit um das Banat aus, das sich Jugoslawien gerne ganz einverleiben wollte. Deshalb besetzten serbische Truppen nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie große Teile des Banats und die Stadt Temeschburg. Der Trianoner Friedensvertrag aber zwang die Serben, ihre Truppen abzuziehen und sich mit nur einem Drittel dieses Gebiets zu begnügen, während das sich bildende Großrumänien zwei Drittel des Banats zugesprochen bekam. Das war Grund genug, um die Rivalität auch in der Zwischenkriegszeit fortzusetzen, trotz beider Mitgliedschaft in der "Kleinen Entente". Wo es um Landerwerb ging, hörte jede Freundschaft oder Verständigung auf, so wie es erst vor kurzem auf dem Balkan der Fall war. Nach dem Zweiten Weltkrieg befürchtete Rumänien, daß Tito den alten Anspruch auf das Banat geltend machen könnte und errichtete im Grenzgebiet, der sogenannten Grenzzone, militärische Anlagen und Betonbunker, um einen jugoslawischen Angriff abwehren zu können. Nachdem sich Tito mit Stalin verstritten hatte und Jugoslawien eigene Wege zum Sozialismus ohne sowjetische Vormundschaft beschritt, wurde es aus der Kominform ausgeschlossen. Rumänien, sich der vollen sowjetischen Unterstützung gewiß, sah den Zeitpunkt gekommen, mittels einer Deportation Kapitalisten und andere vermeintliche Gegner des Kommunismus, die sogenannten Klassenfeinde, 20
zuerst mal aus der Grenzzone zu entfernen. Die rumänischen Kommunisten werteten den Konflikt Titos mit Stalin auch propagandistisch aus. An vielen Stellen wurden großformatige Plakate mit Tito-Karrikaturen aufgestellt, die mit "Calaul Tito" (Henker Tito) beschriftet waren. Darauf sah man Tito in einer von Orden strotzenden Uniform mit einem bluttriefenden Beil in seiner Hand. Dabei war diese Darstellung Titos durch die rumänische Propaganda weder übertrieben noch aus der Luft gegriffen. Viele Volksdeutsche aus Jugoslawien, die dem Zugriff der Partisanen entkommen waren und über die Grenze nach Rumänien flüchten konnten, berichteten von der grausigen Ermordung ihrer Landsleute und Angehörigen aus dem jugoslawischen Teil des Banats und den anderen von Donauschwaben besiedelten Gebieten Jugoslawiens durch Tito-Partisanen und über ihre Inhaftierung in den titoistischen Hunger- und Todeslagern. Unter dem Vorwand des Zerwürfnisses mit Tito und einer Bedrohung Rumäniens durch Jugoslawien, schritten die Kommunisten an die Zwangsumsiedlung zehntausender Menschen aus der Grenzzone mit der Begründung, daß in der momentanen kritischen Situation ihre Gegenwart die Sicherheit an der Grenze gefährde und sie deshalb in einen anderen Landesteil umgesiedelt werden müßten. Der wahre Grund aber war der schon 1949 auf dem Plenum der Kommunisten Rumäniens gefaßte Beschluß, Klassenfeinde unschädlich zu machen. Die Vorarbeiten und Vorbereitungen zu dieser Massendeportation verliefen innerhalb von einem Jahr sehr geheim, ohne daß ein Außenstehender etwas davon merkte. Laut den von der obersten Parteiführung erhaltenen Anweisungen wurden Namenslisten der zu deportierenden Familien angelegt. Sie beruhten auf dem Ministerratsbeschluß Nr. 200 vom Mai 1950\ worin es unter anderem hieß, daß die Deportierten von jetzt an für den Staat und im Interesse des Staates zu arbeiten haben. Mit der Nr. 326 S/1951 5 folgte ein zweiter Beschluß mit den Durchführungsbestimmungen. Die Deportation betraf die gesamte Grenzzone entlang der rumänisch-jugoslawischen Grenze, einen Gebietsstreifen von 25 km Breite. Im nordwestlichen Banat war er willkürlich um mehrere Kilometer landeinwärts ausgedehnt worden, um je mehr der in diesem Gebiet befindlichen wohlhabenden Dörfer in die Deportation miteinbeziehen zu können. Betroffen waren laut Angaben und Statistiken des Vereins der ehemaligen Baragan-Deportierten insgesamt 297 Ortschaften, davon 172 Gemeinden mit ihren 125 eingemeindeten Dörfern aus dem Banat und dem südwestlichen Oltenien. 6 Aus diesen 297 Ortschaften wurden 12.791 Familien mit 40.320 Personen deportiert, die in der BaraganSteppe 18 neue Dörfer eigenhändig erbauen mußten. 7 Bemerkenswert ist die Feststellung, daß behördlicherseits niemals das zutreffende Wort "deportati", sondern immer nur "evacuati" oder "dislocati", also "Evakuierte" oder "Umgesiedelte" verwendet wurde. Nach außen hin und dem Ausland gegenüber sollten diese bedauernswerten Menschen nicht als Deportierte, sondern als aus der Grenzzone Evakuierte gelten. So versuchten 21
die Behörden diese brutale Deportation zu beschönigen und zu rechtfertigen. Einige Tage vor Beginn der Deportation überprüften Milizoffiziere unter dem Vorwand einer Routinekontrolle die Personalausweise der Bevölkerung aus der Grenzzone. Vermutlich stand diese Kontrolle im Zusammenhang mit der Deportation und galt mehr der Überprüfung der fertiggestellten Deportationslisten als einer Überprüfung der Personalausweise. Nachher fand man nämlich heraus, daß nur in solchen Häusern kontrolliert wurde, deren Bewohner in den Baragan mußten. Die ersten Anzeichen einer bevorstehenden Deportation aber bildeten die zahlreichen, auf allen größeren Bahnhöfen abgestellten Güterwaggons. Weil das auffallend war und die Gemüter erregte, beschwichtigten die Behörden die verängstigten Menschen mit der Behauptung, daß sie in Anbetracht der baldigen Ernte für den Abtransport des Getreides benötigt würden. Zum Beweis dessen waren die Seitenwände der Waggons mit der Aufschrift "Bun pentru cereale" (Geeignet für Getreide) auffallend beschriftet. Das war eine Irreführung und konnte die Menschen nicht beruhigen, denn beim Anblick so vieler Güterwaggons wurden Erinnerungen an die erst sechs Jahre zuvor erfolgte Rußlandverschleppung wach. Zur Gewißheit, daß sich etwas, jedenfalls nichts Gutes zusammenbraute, wurde es allen in den betreffenden Ortschaften, als am Samstag, dem 16. Juni 1951 nachmittags, Miliz- und Securitatetruppen (Polizei und Staatssicherheitsdienst) in Schulklassen und Kulturheimsälen Quartier bezogen. Noch beunruhigender wirkten die mittels Trommelschlag bekanntgemachten Anweisungen, daß keiner mehr den Ort verlassen darf, der Eisenbahnverkehr wegen Manöver eingestellt wird und deshalb auch niemand am folgenden Montag zur Arbeit fahren muß. Jetzt war es auch dem letzten Zweifler zur Gewißheit geworden, daß sich etwas Besorgniserregendes anbahnt, möglicherweise eine neuerliche Verschleppung, ähnlich der vom Januar 1945, denn alle Anzeichen deuteten darauf hin. Keiner aber dachte, daß es dieses Mal ganze Familien betreffen sollte, vom kleinsten Kind bis zum ältesten Greis. In vielen Schulen fanden an diesem verhängnisvollen Sonntag, dem 17. Juni 1951, Schuljahresabschlußfeiern statt. Den daran teilnehmenden Eltern und Lehrern war es aber nicht zum Feiern zumute. In der darauffolgenden Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1951 begann die Deportation. Die auf Namenslisten erfaßten Menschen wurden nach Mitternacht in ihren Häusern von Uniformierten unsanft aus dem Schlaf geweckt, sofern in dieser Nacht überhaupt von Schlaf die Rede sein konnte. Unter Androhung von Strafe und Gewalt wurde ihnen kurz mitgeteilt, daß sie zu packen haben, um innerhalb von zwei Stunden am Bahnhof zu sein. Laut einem Dekretgesetz wären sie zur Umsiedlung in eine andere Region des Landes verpflichtet und hätten diesem Gesetz widerstandslos zu folgen. Ein bewaffneter Bewacher blieb in jedem Haus zurück, um dafür zu sorgen, daß keiner mehr das Haus verläßt oder mit Nachbarn spricht. Weil sich danach keine Verbindung mehr zu den im selben Ort wohnenden Verwandten herstellen ließ, kam es vor, daß verwandte Fami-
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lien auseinandergerissen und auf verschiedene Orte im Baragan verteilt wurden. Nachdem das Allernotwendigste gepackt war, mußte es auf den eigenen Wagen oder auf einen zur Verfügung gestellten aufgeladen und unter der Eskorte des Bewachers zum Bahnhof transportiert werden. In den Ortschaften, deren Bahnhof am Ortsrand lag, verlief der Transport dorthin problemlos. Viel komplizierter gestaltete er sich für diejenigen, deren zuständiger Bahnhof weit weg lag. So mußten die 40 Familien aus der Ortschaft Socol im Südbanat 95 km bis zum Bahnhof von Orawitza zurücklegen, um dort einwaggoniert zu werden. Landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, deren Mitnahme verboten war, und das Vieh, das nicht mitgenommen werden konnte, weil nur wenige Tiere zugelassen waren, wie auch noch vorhandene landwirtschaftliche Erzeugnisse, wurden von einer Kommission sehr zum Nachteil der Eigentümer bewertet und ausbezahlt. Für die aus Platzmangel in den Häusern zurückgelassenen Möbel, Wäsche, Kleidung und Lebensmittel bekamen die Deportierten kein Geld. Es wurde später, sofern nicht schon vorher gestohlen, an Sammelstellen zusammengetragen und von dort aus spottbillig verkauft. Der ungünstige Zeitpunkt der Deportation versetzte viele Betroffene in überaus große Schwierigkeiten, weil sowohl ihre Geld- wie auch ihre Lebensmittelvorräte so kurz vor der Ernte ausgegangen waren. Die anstehende Ernte, auf welche sie ihre Hoffnung fürs laufende Jahr setzten, kam anderen zugute, während sie selbst leer ausgingen. Als die Ernte begann, waren diejenigen, die ernten sollten, längst im Baragan. Das wirkte sich sehr zu ihrem Nachteil aus, denn auf ihrem Verbannungsort waren sie ohne vorrätiges Brotgetreide auf die vom Staat gelenkte Brotzuteilung angewiesen. Diese Zuteilungen aber hingen von ihrem Arbeitseinsatz auf den Feldern der jeweiligen Staatswirtschaften ab. Wer nicht zum Baumwollpflücken oder zur Arbeit auf die ausgedehnten Reisfelder ging, bekam keine Brotzuteilung. Vermutlich war es Absicht, die Deportation so kurz vor Erntebeginn durchzuführen, selbst auf die Gefahr hin, daß mangels Arbeitskräften die Ernte in der Grenzzone in Frage gestellt wurde. Dadurch konnte das Leben der Deportierten noch leidvoller gestaltet und sie im Baragan zur Feldarbeit gezwungen werden. Betroffen von dieser Deportation waren auch viele Deutsche in der Grenzzone und lange Zeit blieben die Kriterien unbekannt, nach welchen die Namenslisten der zu deportierenden Personen erstellt wurden. Heute kennt man die diesbezügliche Direktive mit dem Vermerk "streng geheim vertraulich- persönlich". Laut dieser streng geheimen Weisung wurden die aus der Grenzzone zu entfernenden Personen in drei Kategorien eingestuft, die nicht das gleiche Los hatten. Zur 1. Kategorie gehörten Staatsangehörige sogenannter imperialistischer Staaten und Jugoslawiens, wie auch ehemalige Bürger dieser Staaten, welchen die Staatsbürgerschaft aberkannt war und sie deshalb als staatenlos galten. Dazu gehörten auch noch aus dem Staatsdienst entfernte ehemalige Beamte, entlassene Berufsof23
fiziere und Unteroffiziere der ehemaligen königlich-rumänischen Armee und aus dem Advokatenkollegium ausgeschlossene Rechtsanwälte, die ihren ständigen Wohnsitz außerhalb der Grenzzone hatten und hier nur vorübergehend, das hieß damals "flotant", wohnten. Alle diese Personen mußten die Grenzzone innerhalb von 48 Stunden verlassen und sich in einem Ort außerhalb der Grenzzone, aber nicht in übervölkerten Städten, niederlassen. Dieser Ort mußte der zuständigen Behörde gemeldet werden. Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, müssen dieser Kategorie auch noch die aus Jugoslawien über die Grenze in den rumänischen Teil des Banats geflüchteten Deutschen hinzugezählt werden, denen es gelang, der Verfolgung durch Tito-Partisanen zu entkommen oder aus den Lagern in Jugoslawien zu fliehen. Sie fanden Zuflucht in mehreren Dörfern der Grenzzone und begannen sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Obzwar sie von den rumänischen Behörden weder als Titosympathisanten noch als Großbauern eingestuft werden konnten, mußten sie ihren Wohnort in der Grenzzone verlassen und sich außerhalb dieser, woanders, niederlassen. Zur 2. Kategorie gehörten alle Personen, die aus dem von Rumänien an die Sowjetunion abgetretenen Bessarabien und der Nordbukowina geflüchtet waren und sich nach dem 1. Juni 1940 auf dem rumänischen Staatsgebiet in der Grenzzone einen Wohnort gefunden hatten. Im Banat nannte man sie "refugiati" (Flüchtlinge). Weiterhin gehörten zu dieser Kategorie die nach dem Zweiten Weltkrieg als sogenannte Kolonisten vom rumänischen Staat in den deutschen Dörfern des Banats angesiedelten und in die Häuser der Deutschen, die ihnen Wohnraum abtreten mußten, eingewiesenen Mazedo-Rumänen. Sie wurden in diese Kategorie eingestuft, weil sie sich der damals einsetzenden Kollektivierung der Landwirtschaft widersetzten. Sie weigerten sich, mit dem ihnen vom Staat 1945 zugeteilten Boden, der kurz zuvor der deutschen Landbevölkerung enteignet wurde, den Kollektivwirtschaften beizutreten. Auch die ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS und anderer deutscher Einheiten gehörten zu dieser Kategorie, so auch die Funktionäre auf lokaler Ebene der ehemaligen Deutschen Volksgruppe. Schmuggler und Schlepper, Angehörige aus dem Land geflüchteter Personen, Angehörige von Personen, die Staatsfeinden Schutz gewährten, Titosympathisanten, ehemalige Kaufleute, die Verbindung zum Ausland hatten, bei ausländischen Firmen leitende Stellen bekleideten oder solche Stellen bei inländischen Firmen hatten, die mit ausländischen Firmen zusammenarbeiteten, ehemalige Industrielle, Großgrundbesitzer, Großbauern und Wirte, sie alle waren dieser Kategorie zugerechnet. Mitinbegriffen waren noch alle entlassenen Berufsoffiziere und Unteroffiziere der ehemaligen königlich-rumänischen Armee und aus dem Advokatenkollegium ausgeschlossene Advokaten, die ihren ständigen Wohnsitz in der Grenzzone hatten. Alle vorhin genannten Personen wurden samt ihren Familienangehörigen in die Bärägan-Steppe deportiert und gründeten dort 18 neue Dörfer. Unerwähnt blieben die Bessarabien- und Bukowinadeutschen aus der Grenzzone, die hier schon längst eine neue Heimat gefunden hatten, wie auch diejenigen, 24
deren Ehepartner aus diesen beiden ehemals zu Rumänien gehörenden Gebieten stammten. Auch sie mußten wie alle anderen in den Baragan. Zur 3. Kategorie gehörten diejenigen, die wegen eines politischen Vergehens oder illegalen Grenzübertritts, wegen Wirtschaftssabotage, Unterschlagung und Raub vorbestraft waren. Dieser Personenkreis mußte innerhalb von 6 bis maximum 24 Stunden die Grenzzone verlassen und unter Bewachung in die für sie außerhalb der Grenzzone bestimmten Orte umziehen. Ihre Familienangehörigen waren davon nicht betroffen und konnten, sofern sie das wollten, weiterhin in der Grenzzone wohnen. Außer den Durchführungsbestimmungen enthielt diese Direktive die Namen folgender staatlicher Landwirtschaftsbetriebe, auf deren Böden die Deportierten ihre Dörfer zu erbauen hatten: Calara~i, Modelu, Jegalia, Pietrosul, Fete~ti, Dragalina, Pelinu, Marcule~ti, Bordu~ani, Luciu, Giurgeni und Andra~e~ti in der Region Jalomita, Tataru und lnsuratei in der Region Galati. Eine zentrale Kommission sollte die Vorbereitungs- und Durchführungsphase der Deportation koordinieren, die Aufgaben der beteiligten Ministerien erarbeiten und deren Vorgangsweise beaufsichtigen. Mitglieder dieser Koordinierungskommission waren die stellvertretenden Minister Draghici Alexandru, Jianu Marin, Nurca Mihail, Generalleutnant der Miliz Cristescu Pavel und der Generalmajor der Securitate Mazuru Vladimir. Ganz wichtig finde ich es und eine unverzeihliche Unterlassung wäre es, an dieser Stelle nicht auch zwei Mitglieder des Politbüros des Zentralkomitees der ehemaligen Rumänischen Arbeiterpartei zu nennen, die zu den Hauptinitiatoren und Organisatoren der Baragan-Deportation zählen. Namentlich waren das der damalige Innenminister Teohari Georgescu und die damalige Außenministerin Ana Pauker. 8 Auf den Verladebahnhöfen im Banat warteten die Deportierten darauf, einen Waggon zugeteilt zu bekommen. Weil aber nicht immer genügend Waggons zur Stelle waren und auch nicht alle zur gleichen Zeit verladen werden konnten, verzögerte sich das Einwaggonieren, so daß die letzten Transporte erst am Donnerstag, den 21. Juni, abfuhren. Insgesamt wurden für die ganze Aktion 6.211 Güterwaggons benötigt. 9 Oft mußten sich zwei oder drei Familien einen Waggon teilen und in diesem Zustand zwei bis drei Tage ausharren. Unerträglich war noch die Hitze in dieser Jahreszeit, die den Menschen und den mitgenommenen Tieren sehr zu schaffen machte und besonders bei den Tieren ihre Opfer forderte. Die vielen Güterzüge mit den Deportierten wurden von Angehörigen der Truppen des Innenministeriums begleitet und bewacht, damit keiner entkommt und sich an Haltestellen niemand dem Zug nähert und mit den Deportierten ins Gespräch kommt. Zur Absicherung der Grenze zu Jugoslawien waren 9.877 Militärangehörige aufgeboten. 10.229 beteiligten sich bei der Aushebung und als Bewacher. 1. 964 Soldaten bildeten eine Art Interventions-Reserve. 10 Am Bestimmungsbahnhof im Baragan angekommen, mußte alles ausgeladen und mit den aus den benachbarten Dörfern herbeibefohlenen Bauernwagen auf 25
Auf freies Feld abgeladen, bereiteten sich die Deportierten auf diese Weise ihre Ruhestätte für die erste Nacht in der Baragan-Steppe vor. Foto: lng. J. Pierre
das Feldstück transportiert werden, auf welchem sich jede Familie ihr Haus noch in diesem Sommer zu erbauen hatte. 2.500 Quadratmeter große Hausund Gartenplätze waren schon vorher ausgemessen und mit Pflöcken abgesteckt worden. Zuerst mußten die Deportierten richtig begreifen, was ihnen angetan wurde, daß man sie einfach aufs freie Feld ablud. Alle waren der Meinung, in ein Lager, in schon bestehende Unterkünfte eingewiesen zu werden. Keiner aber rechnete damit, daß er ohne ein Dach über dem Kopf monatelang leben und sein Haus eigenhändig mit von ihm hergestelltem Material erbauen muß. In dieser aussichts- und ausweglosen Lage wurde es den Menschen bewußt, daß sie ohne jegliche Hilfe auf sich allein gestellt waren und über sich nur den blauen endlosen Himmel und unter sich ein Stoppelfeld hatten. Um sich vor dem ununterbrochen wehenden Wind und der Hitze zu schützen und um sich einen schattigen Platz zu schaffen, errichteten sich diese bedauernswerten Menschen aus den mitgenommenen Möbeln, Decken, Brettern und dem herumliegenden Stroh, hüttenähnliche Unterkünfte. Manche hoben Gruben aus und überdeckten sie mit den vorhin erwähnten Gegenständen. Sowohl in diesen Hütten wie auch in den kellerartigen Unterkünften, "bordeie" genannt, hausten sie monatelang, bis sie ihre Häuser fertiggebaut hatten. Diese provisorischen Behausungen boten Schutz vor dem Wind und der sengenden Hitze, aber keinen vor einem Regenguß. Nach einem solchen mußten alle
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Vor der ersten Behausung der Familie Kastori aus Hatzfeld in Bumbacari. In der Bildmitte ein Herd mit einem Ofenrohr. Auf diesem wurden monatelang unter freiem Himmel die warmen Mahlzeiten zubereitet. Foto: W. Kastori
durchnäßten Sachen in der Sonne getrocknet werden. Solange die Menschen in den Hütten hausten, richteten ihnen Feldmäuse, Ratten und andere kleine Nagetiere beträchtlichen Schaden an, indem sie die Lebensmittel auffraßen oder ungenießbar machten, die Wäsche und andere Textilien annagten. Anfangs nur zögernd, später umso eifriger, begann man mit dem Lehmziegelschlagen und dem Häuserbau, weil man einsah, daß ohne bessere Unterkünfte der Winter nicht zu überleben war. Für den Hausbau stellte der Staat nur das Holz für den Dachstuhl, zwei oder drei Fenster, darunter ein einflügeliges und zwei oder drei Türen, je nach Größe des zu erbauenden Hauses. Alles andere mußte man sich beschaffen oder selber machen. Auf der dazumal größten und zugleich primitivsten Baustelle Rumäniens in der BaraganSteppe schufteten zehntausende unschuldig dorthin deportierte Menschen, um sich noch vor Wintereinbruch ein Haus zu bauen. Nachdem die großformatigen Lehmziegel, "chirpici" genannt, geschlagen und an der Sonne getrocknet oder die Vorbereitungen für das Stampfen der Hauswände abgeschlossen waren, konnte mit dem eigentlichen Hausbau begonnen werden. Laut Vorschrift mußten die Häuser im gleichen Abstand voneinander und zur Straße hin gebaut werden. Ein Haus für drei oder weniger Personen, ein sogenanntes "kleines Haus," bestand nur aus einem Zimmer und einer Küche. Das "große Haus", für eine mehrköpfige Familie, hatte noch zusätzlich ein Zimmer, so
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daß sich die Küche zwischen den beiden Zimmern befand. Der Eingang ins Haus führte durch die Küchentür. Vor der Küche am kleinen Haus und vor der Küche und einem Zimmer am großen Haus befand sich ein offener Gang. Die Fußböden bestanden aus glattverschmiertem Lehm. Meistens wurden die Häuser mit Stroh oder wo es vorhanden war, mit eigenhändig geschnittenem und auf eigene Kosten transportiertem Schilfrohr gedeckt. Für die Unterbringung von Pferden, Kühen, Schweinen, Ziegen, Schafen und Hühnern konnten an die Hausrückwände Ställe oder Schuppen angebaut werden. Als die Häuser nach drei bis vier Monaten dauernder schwerer Arbeit standen, und. die Menschen aus den Hütten in ihre Häuser eingezogen waren, stellten sie fest, daß schon beim ersten anhaltenden Regenwetter die Strohdächer undicht waren und das Regenwasser durchsickerte. Die mit Lehmwikkeln gemachten Zimmerdecken wurden durchnäßt und der aufgeweichte Lehm fiel ins Zimmer. Nach drei Jahren ließ die Strenge in bezugauf die Beibehaltung der Hausform und Bedachung nach, so daß Um- oder Zubauten und Dächer mit Teerpappe oder Ziegeln umzudecken, genehmigt wurden. Auf diese Weise entstanden innerhalb weniger Monate 18 neue Dörfer mit je 300 bis 800 Häusern in den Regionen Ialomita und Galati. Im Laufe der Zeit wurden die Namen dieser sogenannten "Neudörfer" verändert. Zeitweise nannte man einige der neuen Dörfer nach den staatlichen Landwirtschaftsbe-
Mehrere Familien aus Lenauheim bildeten eine Arbeitsgemeinschaft und stampften sich ihre Häuser in Rachitoasa im Sommer 1951. Links die Hütte, rechts im Hintergrund ein mit Lehmerde fertig gestampfter Rohbau, noch ohne Dachstuhl. Foto: E. Blaßmann
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trieben, auf deren Territorien sie 1951 erbaut wurden. Das waren aber keine offiziellen Bezeichnungen. Bei einigen Dörfern wurde deren Namen zweimal verändert. Das zuerst Insurateii Noi benannte Dorf hieß später Rubla und zuletzt Valea Calmatuiului. Durch diese Vielfalt an Namen während des fünf Jahre dauernden Zwangsaufenthaltes kamen oft Verwechslungen vor. Um solchen vorzubeugen, stehen im folgenden Verzeichnis vorne die zuerst verwendeten Namen, dahinter die zuletzt offiziell den Dörfern verliehenen Namen: 11
Bordu~ani~ N oi
.,. Cacomeanca N oua 0 Dalga Naua t/ \ Dragalina Naua Dude~tii Noi l Fete~tii Noi X Frumu~ita Naua Giurgenii Noi /
'1 Calara~ii Noi
Late~ti ..,( v'i fnsurateii N oi Pelican v' Jegalia Naua Ezerul V Marcule~tii N oi Dalga " Perietii Noi Dropia Y Pietroiu Nou Bumbacari ,;y. Ro~etii Noi Valea Viilor y Stancuta Naua Brate~ i Urleasca Naua Rachitoasa Vadenii Noi
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Valea Calmatuiului Salcami Vii~oara
Fundata Movila Galdaului Olaru f Schei Mazareni Zagna
tr. a. s. s.
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Karte der Baragan-Steppe mit den 18 von Deportierten neu erbauten Dörfern. 12
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Der neue Wohnort durfte nur in einem Umkreis von 15 km verlassen werden. Um das kontrollieren zu können und die Deportierten als solche zu zeichnen, wurden in die rückerstatteten Personalausweise, die noch in der Nacht der Aushebung beschlagnahmt worden waren, über dem Lichtbild die beiden BuchstabenD 0, die Initialen der Wörter "Domiciliu Obligatoriu" (Zwangsaufenthalt), gestempelt. Damit waren sie gekennzeichnet und konnten bei jedem Verlassen dieser begrenzten Aufenthaltszone bei den sehr häufigen Razzien der Miliz erkannt, verhaftet und bestraft werden, sogar mit einer zeitlich begrenzten Zwangsarbeit am Donau-Schwarzmeer-Kanal, dem verpöntesten Arbeitslager des damaligen Rumäniens, wo Kriminelle aber auch politische Häftlinge Schwerstarbeit verrichten mußten. Obwohl mit dem eigenen Hausbau beschäftigt, waren die Deportierten verpflichtet, noch zusätzlich Ziegel für die Errichtung der öffentlichen Gebäude zu schlagen und auf den Baustellen des Gemeindehauses, der Schule, der Krankenstation, des Milizhauses und am Bau eines Ladens für die Konsumgenossenschaft mitzuhelfen. Für alleinstehende alte und kranke Menschen, die sich keine Häuser bauen konnten, wurden mit Hilfe aller, je nach Bedarf zwei bis vier Altenwohnhäuser erbaut, die größer waren als die anderen Häuser. Noch während des Hausbaus mußten aus jeder Familie Arbeitskräfte zur Arbeit auf die nächstliegenden Staatswirtschaften gehen, um die Getreide-, Reis- und Baumwollfelder zu bearbeiten und zu ernten. Diese Arbeiten waren sehr schlecht bezahlt. Besser bezahlte Arbeitsplätze gab es in den Kuhund Schweineställen, als Mechaniker und Traktorfahrer in den Werkstätten der Staatswirtschaften und bei den landwirtschaftlichen Maschinen- und Traktorenstationen. Arbeitsplätze fanden sich auch in der Industrie, wenn die Betriebe nicht weiter als 15 km vom Wohnort entfernt waren. Es muß darauf hingewiesen werden, daß viele Deportierte in all diesen Unternehmen auch verantwortungsvolle und sogar führende Stellen bekleideten, obwohl sie zu Hause in der Grenzzone als unzuverlässige Elemente eingestuft wurden. Zudem hatte ja auch jede Familie ihren großen Hausgarten, worin des fruchtbaren Bodens wegen und bei gewissenhafter Bearbeitung alle Gemüsearten gut gediehen und einen beachtlichen Teil zur Ernährung beitrugen. Begrenzt und nicht immer in ausreichenden Mengen gab es die wichtigsten Lebensmittel in den Konsurnläden, meistens solche, die rationiert waren und auf Lebensmittelkartell verkauft wurden. Sehr wichtig war die Versorgung mit Petroleum, das in den Petroleumkochern und zur Beleuchtung in den alten Petroleumlampen unentbehrlich war. Gab es kein Petroleum, griff man zur Kerze, das Kochen aber wurde dann zu einem Problem, weil es zumeist an Brennmaterial mangelte. Geheizt wurde mit Maiswurzeln, Maisstengeln, Maislaub, Maiskolben, Stroh und mit vertrockneten Steppendisteln, die wie kleine Büsche vom Wind getrieben über den Boden rollten und eingesammelt auf Haufen aufgeschobert wurden. Man nannte sie Windhasen. Wo es Büsche oder Bäume gab, heizte man mit Reisig und Holz. Aber das war nur anfangs 30
Hausgarten der Familien Divo und Weber in Dalga im Sommer 1953. Am Gartenende steht ein etwas vernachl채ssigtes Haus eines Mazedoniers. Am rechten Bildrand sieht man die vier Altenwohnh채user. Foto: W. Weber
Der Brieftr채ger f체r das Dorf Brate~ mit seinem "Postwagen". Billeder Frauen bekommen ihre Post ausgefolgt. Foto: Ing. J. Pierre
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der Fall, solange man die an Straßenrändern und in Schutzpflanzungen nachts im Dunkeln abgesägten Äste und Bäume heimlich in die Hütte und später ins Haus schaffen konnte. Das war aber verboten und wurde auch sehr streng bestraft. Nach einiger Zeit konnte Brennholz und Kohle von auswärts gekauft werden. Das war aber nicht überall der Fall. Die Post wurde zensiert, oft verschlampt oder unterschlagen, so daß viele Briefe nicht ankamen. Pakete von den daheimgebliebenenVerwandten wurden oft nicht ausgefolgt oder es fehlte etwas daraus. Besuche von auswärts waren verboten. Geheim fanden sie doch statt, allerdings mit dem Risiko, daß derjenige, der erwischt wurde, eine Strafe aufdiktiert bekam und der Besuch mit dem nächsten Zug abreisen mußte. Zeitungen kamen keine an. Die mitgebrachten Rundfunkgeräte beschlagnahmte die Miliz. Sie wurden an Kulturheime der einheimischen Dörfer verteilt, die damals noch keine hatten. Die Menschen waren total isoliert und hörten nur selten eine Nachricht von auswärts. Als Arbeitssklaven sollten sie so primitiv wie nur möglich leben. Die vielen Restriktionen trugen einen wesentlichen Teil dazu bei. Die Trinkwasserversorgung im Baragan war ein Überlebensproblem. In vielen der 18 Dörfer konnten keine oder nur sehr wenige Brunnen wegen des zu tief liegenden Grundwassers gegraben werden. Oft mußten sich die Menschen das Wasser von weit herbeischaffen, mancherorts auch kaufen oder mit dem Flußwasser aus der Donau und ihren Armen vorliebnehmen. Ungekocht war es kaum genießbar und ein Gesundheitsrisiko. Bei anhaltendem Regenwetter waren die Gassen und die Straßen zu anderen Orten, weil es keine gepflasterten Wege und geschotterte Straßen gab, so aufgeweicht, daß man nur mit Gummistiefeln gehen konnte und Fuhrwerke nur mit drei bis vier vorgespannten Pferden durchkamen. Während des sehr kalten Winters blies fast immer ein stürmischer Wind aus nordöstlicher Richtung. Dieser "Crivaf' genannte Wind flößte selbst den darangewöhnten Einheimischen Respekt ein. Noch mehr aber fürchteten sie den "Viscol," den Schneesturm, der oft ganze Straßenzüge mit Schneewehen unkenntlich machte und die Häuser ganz unter dem Schnee begrub. So waren im Januar und Februar 1954 viele Häuser derart zugeschneit, daß ihre Bewohner nicht mehr herauskommen konnten. Sie wurden von ihren Nachbarn, deren Häuser von den Schneeverwehungen weniger betroffen waren, regelrecht freigeschaufelt. Es gab Fälle, wo die schwere, dick angewehte Schneeschicht Hausdächer eindrückte und den Bewohnern viel Schaden anrichtete. Sehr großen materiellen Schaden erlitten die Deportierten durch die Ende Januar 1952 erfolgte Geldstabilisierung. Das Geld verlor über Nacht seinen Wert. Das Dorf Brate~, mehr unter seinem ersten Namen Frumu~ita Naua bekannt und in der Pruthniederung angesiedelt, war am schwersten heimgesucht, weil im August 1955 die Schutzdämme des Pruth brachen und das Dorf überschwemmt wurde. Das Hochwasser zerstörte alle aus Lehm erbauten Häuser und die Menschen, die fast alles verloren hatten, konnten sich nur 32
Ein tiefer Schwengelbrunnen befand sich an der Straßenecke des 1954 mit einem Vorbau vergrößerten und mit Teerpappe umgedeckten Hauses der Familien Diva und Weber in Dalga. Von hier versorgten sich die Nachbarn und alle Vorbeifahrenden mit gutem Trinkwasser. Foto: W. Weber
Das durch hohe Schneeverwehungen von der Außenwelt abgeschnittene Dalga. Winter 1953/54 in der Bäragan-Steppe. Wir fühlten uns so richtig vereinsamt und von der Welt vergessen. Foto: W. Weber
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mit Mühe retten. Anfangs mied die einheimische Bevölkerung aus den Nachbardörfern den Kontakt mit den Deportierten, die ihnen seitens der Behörden und besonders durch die Parteiaktivisten als Verbrecher und Staatsfeinde beschrieben wurden. Nachdem sie sich aber vom Gegenteil überzeugt und die Deportierten näher kennengelernt hatten, führten sie gerne Gespräche mit ihnen und begegneten ihnen zumeist freundlich. Trotz all der Unwirtlichkeiten und der Unbilden der Natur und der Einschränkungen und Schikanen seitens der Obrigkeit, pflegten diese von der übrigen Welt isolierten Menschen ihre Traditionen. Sie feierten Familienfeste, organisierten Kirchweihfeste und Tanzunterhaltungen, gründeten Musikkapellen und Fußballmannschaften und richteten sich Fußballplätze her. Die Schuljugend wurde von hochmotivierten Lehrern aus den Reihen der Deportierten unterrichtet, so daß manche Schüler in weiterbildenden Schulen und in Gymnasien aufgenommen wurden, obzwar man das seitens der Behörden zu verhindern suchte. An Sonntagen wurde in bestimmten Häusern, von Vorbeterinnen angeleitet, gebetet und gesungen. Nur ganz selten hielt ein geheim angereister Priester die heilige Messe. Solche Gelegenheiten, daß ein Priester zur Stelle war, wurden auch zum Erteilen der Erstkommunion, zu nachträglichen Kindstaufen oder zum Einsegnen von Gräbern genutzt, denn die Begräbnisse fanden in den meisten Fällen ohne Priester statt. Bei einem Todesfall mußte die Familie für Sarg, Aufbahrung und Beerdigung selbst sorgen, denn es gab keine Leichenbestattungsvereine und keine Totengräber. Die Friedhöfe lagen meistens weit weg vom Ortsrand. Die Weltöffentlichkeit nahm anfangs kaum Notiz von dieser Deportation. Zwar behandelte der Deutsche Bundestag in einer Debatte am 17. Oktober 1951 dieses Ereignis 13 , konnte aber in keiner Weise damit jemandem helfen. Erst nach Stalins Tod, nachdem sich doch noch Proteste in der Weltöffentlichkeit häuften und Rumänien die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt wurde, angesichts der Bestrebungen Rumäniens in die UNO aufgenommen zu werden, änderte sich das Schicksal der Deportierten im Baragan. Nach einer neuerlichen Überprüfung begannen die zuständigen Behörden des Innenministeriums in der zweiten Jahreshälfte von 1955 mit der Entlassung aus dem Zwangsaufenthalt. Aber nur die wenigsten der frei gewordenen Familien durften in ihre Heimatdörfer in der Grenzzone zurückkehren. Die anderen sollten sich woanders einen Wohnort suchen. Die meisten verzichteten aber auf diesen Vorschlag und kehrten erst 1956 mit der Masse der entlassenen Deportierten heim. Diejenigen, die mehr als 50 Hektar Feld besaßen, mußten noch mehrere Jahre im Baragan verbringen und die letzten kehrten erst 1963 heim. Alle Kosten, die mit der Heimkehr verbunden waren, wurden von den Heimkehrern aus eigenen Mitteln bezahlt. Auf diese Weise verdiente der Staat ein weiteres Mal an ihnen, denn die Eisenbahn gehörte ja dem Staat. 34
Nach einem außergewöhnlich heftigen Schneesturm im Februar 1954 hat Familie Christmann aus Großscham ihr Haus in Fundata vom Schnee freigeschaufelt. Dahinter sieht man nur noch die Dächer der Nachbarhäuser. Foto: P. Christmann
Banat-schwäbisches Kirchweihfest in Valea Viilor im Jahre 1955. Die Mädchen in ihren schönsten Kleidern, die Jungen mit geputzten Hüten und die Musikanten lustig wie eh und je. Foto: B. Gilde
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Heimgekehrt, hatten fast alle viel und manche sogar jahrelang zu kämpfen, bis sie in ihre inzwischen von rumänischen Zuwanderern oder sta.atlichen Unternehmen und Ämtern besetzten, in den meisten Fällen stark ruinierten Häuser wieder einziehen konnten. Manchen gelang das nie mehr und sie mußten sich eine Wohnung mieten, bestenfalls bekamen sie eine solche zugewiesen. In die durch die Heimkehr ihrer Erbauer leergewordenen Häuser im Baragan zogen politisch Verurteilte ein. Das waren zum Großteil Intellektuelle, die ihrer kommunismusfeindlichen Einstellung wegen bislang im Arbeitslager am DonauSchwarzmeer-Kanal arbeiteten und nach ihrer Entlassung zum Zwangsaufenthalt verurteilt waren. 14 Nachdem auch sie freigelassen wurden, zerfielen die Häuser, so daß auf den großen Flächen der ehemaligen Dorfanlagen kaum noch Lehmhaufen zu erkennen sind, die von den eingestürzten Häusern herrühren. Durch Überackerung sind sie schon fast eingeebnet worden. In nur wenigen Deportiertendörfern stehen noch einige Häuser, die von Schafzucht betreibenden Mazedo-Rumänen und von Bessarabien-Rumänen bewohnt sind. Auch die Friedhöfe sind verschwunden und viele Nachkommen der dort Beerdigten haben im Laufe der Jahre die Gebeine ihrer Toten ausgegraben und auf den heimatlichen Friedhöfen beigesetzt. Ein Kapitel kommunistischer Willkürherrschaft in Rumänien war damit beendet. Daß später von Rehabilitation, obwohl wir nichts verbrochen hatten, und von Rehabilitationsansprüchen gesprochen wurde, konnte daran nichts ändern. Auch die nach 20 Jahren vom Partei- und Regierungschef Rumäniens abgegebene Erklärung 15 , daß "eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt wurden, die viele Werktätige deutscher Nationalität zu Unrecht betroffen haben" und daß die Partei "Maßnahmen getroffen hätte, diese U ngerechtigkeiten zu beenden", wie auch das von der gegenwärtigen demokratischen Regierung Rumäniens durch ihren Außenminister Severin geäußerte "tiefe Bedauern und Entschuldigung für die massive Deportation von Rumäniendeutschen in der Nachkriegszeit" 16 , kann das Geschehene nicht wieder gutmachen. Der materielle und vor allem der seelische Schaden, den diese kommunistische Zwangsmaßnahme angerichtet hatte, blieb den zehntausenden Betroffenen wie ein Alptraum erhalten. Bei den meisten Banater Schwaben festigte sich die Überzeugung, nach vielen Demütigungen, Enteignung des Vermögens, Rußlandverschleppung und erst beendetem Zwangsaufenthalt in der Barägan-Steppe, nur noch Fremde in der Heimat zu sein. Bei vielen reifte schon damals der Entschluß, so bald wie möglich die zur Fremde gewordene und so unsichere Heimat zu verlassen und in das Land der Vorfahren auszusiedeln.
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Eine große Seltenheit im Baragan-Zwangsaufenthalt. Heilige Messe mit Erstkommunion unter freiem Himmel an einem improvisierten Altar am 24. April 1955 in Fundata. Die Hl. Messe zelebrierte Pfarrer Buding aus Billed, verbannt nach Calara~i, assistiert von Diakon Paul Turi aus Deschan, verbannt in Fundata. Foto: P. Christmann
Aufbahrung und Begräbnis in Brate~. Trotz Fehlen eines Priesters und der Totengräber trachFoto: lng. J. Pierre tete man den Toten in würdiger Art die letzte Ehre zu erweisen.
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Ein letztes Foto zur Erinnerung an den Biiriigan. Aus Fundata entlassene Frauen vor dem beladenen Waggon auf dem Bahnhof Perie{i im M채rz 1956. Foto: P. Christmann
Nach der Heimkehr der Deportierten blieb dieses "kleine Haus" in Valea Ciilma{Uiului dem Verfall 체berlassen. Foto: P. Schwarz
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Anmerkungen: 1. Das Neue Lexikon. Weltbild-Verlag. Augsburg 1987. Seite 756. 2. Seitens der Behörden hörte man immer wieder die Behauptung, daß die Deportation noch nicht abgeschlossen sei. In einigen neu erbauten Dörfern in der Baragan-Steppe befanden sich die öffentlichen Institutionen, wie Gemeindehaus, Schule, Krankenstation, Genossenschaftsladen und Miliz, an einem Dorfrand. So geplant, damit bei der Erweiterung der Dorfanlagen durch neuerliche Deportationen, diese Bauten in die Dorfmitte zu liegen kommen. Ein Beweis, daß in solchen Dörfern noch andere Deportierte angesiedelt und Häuser gebaut werden sollten. 3. Übersetzt nach dem rumänischen Originaltext: ,Jngradirea ~i lichidarea elementelor capitaliste ln agricultura." 4. Aufgrund dieses Ministerratsbeschlusses, der HCM 200/1950 (HCM = Hotararea Consiliului de Mini~tri), wurde die Deportation einiger Kategorien von Bewohnern der Grenzzone in das Landesinnere beschlossen. 5. Aufgrund dieses Ministerratsbeschlusses, der HCM 326 S/1951, wurden die Durchführungsbestimmungen und der Ablauf der Deportation geregelt. 6. Nachdem diesbezüglich widersprüchliche Zahlenangaben gemacht wurden, gelang es mir anhand der Karten mit den Ortschaften der Grenzzone im Banat und Mehedinti (aus Fotomemoria unei deporclri), anhand der Karte der deutschen Siedlungen in den Gebieten Banat und Bergland (Beilage der Bestandsaufnahme aus 1940), mit Hilfe des Buches Micromonografia juderului Timi~ und anhand der Tabellen aus Rusalii 51 (Dossier 1, Blätter 19-30 aus dem Archiv des Vereins der ehemaligen Baragan-Deportierten), die im Text angegebenen Zahlen zu ermitteln (Archiv des Vereins der ehemaligen Baragan-Deportierten wird weiterhin mit AVBD bezeichnet). 7. Rusalii 51, a.a.O., Seite 195-196. (AVBD. Dossier 1. Blätter 19-30) und Karte- Localitäti din Barägan (Beilage Rusalii 51). 8. Golgota Baraganului, a.a.O., Seite 19. "Unter Initiatoren und Organisatoren dieses Programms werden am meisten die damaligen Sekretäre des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei Ana Pauker und Teohari Georgescu genannt." 9. Rusalii 51, a.a.O., Seite 195 (AVBD. Dossier 1. Blätter 19-30). 10. Fotomemoria unei Deportari, a.a.O., S. 3. 11. Eigene Feststellungen nach vielen Befragungen Betroffener. 12. Von mir in eine Originalkarte dieses Gebiets eingetragene, zuletzt verwendete amtliche Namen der neu erbauten Dörfer. Zur Orientierung diente mir die Kartenbeilage aus Rusalii 51. 13. Leber, .Peter Dietmar. Der Deutsche Bundestag und die Barägan-Verschleppung der Barrater Schwaben in: Barrater Post vom 18.06.1991. 14. Aus eigener Erfahrung und Erleben. Vultur, Smaranda. Istorie traita-lstorie povestita (Erlebte Geschichte- Erzählte Geschichte). Timi~oara 1997, Seite 7. 15. Eisenburger, Eduard und Kroner, Michael. Sächsisch-Schwäbische Chronik. Beiträge zur Geschichte der Heimat. Kriterion Verlag, Bukarest 1976, Seiten 188-189. 16. Erklärung des rumänischen Außenministers Adrian Severin am 1.05.1997. In der Zeitung Timi~oara vom 2.05.1997.
39
Wilhelm Weber
Alphabetisches Verzeichnis der von der Deportation betroffenen Banater Ortschaften (Gemeinden und eingemeindete Dorfer) (In der Klammer ist der amtliche rumänische Name der Ortschaft angeführt, wenn er sich wesentlich vom deutschen Namen unterscheidet) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 40
Agadici Albrechtsflor (Teremia Mica) Alexanderhausen (Sandra) Altbeba (Beba Veche) Altbeschenowa (Dude~tii Vechi) Altmaidova (Moldova Veche) Aurelheim (Rauti) Banlok Baratzhausen (Barateaz) Basiasch Belobre~ca
Berecuta Berli~te
Bersaska Billed Birda Bobda Bogarosch (Bulgaru~) Bogodinti Bresondorf (Brezon) Bre~tea
Bro~teni
Bulgarische Kolonie (Colonia Bulgara) Butin Calina Campia Carnecea Cebza Cherestur Ciclova Montana Ciclova Romana Ciuchici Ciudanovita
34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41.
Comora~te
Crai Nou Cruceni Dalbo~et
Denta Deschandorf (Dejan) Detta Deutschsanktmichael (Sanmihaiul German) 42. Deutschstarnara (Stamora Germana) 43. Dinia~ 44. Divici 45. Doclin 46. Dognatschka (Dognecea) 47. Dolatz 48. Drencova 49. Ferendia 50. Fodorhausen (Gad) 51. Foeni 52. Folia 53. Forotic 54. Gaiu Mic 55. Gataia 56. Garli~te 57. Garnie 58. Gertianosch (Carpini~) 59. Gherman 60. Gier (Giera) 61. Gilad 62. Giulweß (Giulvaz) 63. Giurgiova 64. Gornea 65. Gottlob
66. 67. 68. 69. 70.
Grabatz Greoni Großberegsau (Beregsaul Mare) Großjetscha (Iecea Mare) Großkomiasch (Comlo~ul Mare) 71. Großsanktnikolaus (Sannicolaul Mare) 72. Großsanktpeter (Sanpetru Mare) 73. Großscham Uamul Mare) 74. Großschemlak (Semlacul Mare) 75. Großsurduk (Surducul Mare) 76. Hatzfeld Qimbolia) 77. Herkulesbad (Baile Herculane) 78. Iam 79. Iertof 80. Igrisch 81. Ilidia 82. Iwanda 83. Jitin 84. Johannisfeld 85. Jupalnic 86. Kakowa (Gradinari) 87. Keglewichhausen (Chegleviciu) 88. Ketfel (Gelu) 89. Ketscha (Checea) 90. Kleinberegsau (Beregsaul Mic) 91. Kleinbetschkerek (Becicherecul Mic) 92. Kleinjetscha (Iecea Mica) 93. Kleinamor (Rovinita Mica) 94. Kleinsanktpeter (Sanpetru Mic) 95. Kleinschemlak (Semlacul Mic) 96. Kleinsiedei (Colonia Mica) 97. Klopodia 98. Knees (Satchinez) 99. Königsgnad (Tirol) 100. Latuna~ 101. Lenauheim 102. Le~covita 103. Liubcova 104. Lovrin
105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 121. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145. 146. 147.
Lunga Macedonia Macovi~te
Maidan Marienfeld (Teremia Mare) Mace~ti
Manastire Mehadia Mercina Milcoveni Meldevita Morawitza Moritzfeld (Maureni) Naida~
Nero Neubeschenowa (Dude~tii Noi) Neuburg (Uivar) Neumeldova (Moldova Noua) Neusiedei (Uiheiu) Nicolint Obad Ofsenitz Ogradena Noua Ogradena Veche Omor (Rovinita Mare) Opatita Orawitza Orschowa Ostern (Comlo~ul Mic) Otelek Parte~
Perjamosch (Periam) Perkos (Percosova) Pesak Pescari Petrilova Petroman Plavi~evita
Pojejena Pordeanu Potoc Pustinisch Radimna 41
148. Raca~dia 149. Rudna 150. Rumänischsanktmichael (Sanmihaiul Roman) 151. Rusova Noua 152. Rusova Veche 153. Sackelhausen (Sacalaz) 154. Sarafol (Saravale) 155. Sasca Montana 156. Sasca Romana 157. Sangearge 158. Sculia 159. Seca~eni 160. Serbischsanktmartin (Sanmartinul Sarbesc) 161. Sfanta Elena 162. Siehevita 163. Slatina Nera 164. Soca 165. Socol 166. Socolari 167. So~dea 168. Su~ca
169. 170. 171. 172. 173. 174. 175. 176. 177. 178. 179. 180. 181. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188. 189. 190.
Svinita Ticvanul Mare Ticvanul Mic Toager Tolwad (Livezile) Topletz Triebswetter (Tomnatic) Tschakowa (Ciacova) Tschanad (Cenad) Tschawosch (Graniceri) Tschene (Cenei) Ulmbach (Peciul Nou) U ngarischsanktmartin (Sanmartinul Maghiar) Utvin Valcani Varadia Vrani Vraniuti Warjasch Wiseschdia Wojteg Zlatica
Anmerkungen: Das vorliegende Verzeichnis der betroffenen Ortschaften konnte ich aufgrund folgender Unterlagen anfertigen: Fotomemoria unei deportari, a.a.O., Seite 5 Qudetul Timi~) und Seite 6 Qudetul Cara~-Severin).
Karte der deutschen Siedlungen in den Gebieten Banat und Bergland (Beilage zur Bestandsaufnahme vom 3. November 1940). Drinovan, Gheorghe. Micromonografia Judetului Timi~ . Timi~oara 1973. (Kurzgefaßte Monographie des Kreises Temesch. Temeschburg 1973.) Rusalii 51, a.a.O., Seiten 218-226 (AVBD, Dossier 1, Blätter 19-30).
42
Die von der Deportation betroffenen Banater Ortschaften
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43
Die von der Deportation betroffenen Ortschaften des Kreises Mehedinti
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(Ergänzte und übersichtlicher gestaltete Karte aus Fotomemoria unei deportari, a.a.O., Seite 7)
44
Wilhelm Weber Zahlenmäßige Auflistung der von der Deportation in die Baragan-Steppe betroffenen Ortschaften nach Gebieten, Kreisen und Rayons. Banat: (Kreise Temesch und Karasch-Sewerin)
Anzahl der Ortschaften
davon Gemeinden
Eingemeindete Dörfer
32 23 50 49 5 22 9
23 15 26 21 4 10 9
9 8 24 28 1 12 -
190
108
82
2 25 60 4 16
2 25 25
35
8
8
Insgesamt südwestliches Oltenien
107
64
43
Banat und südwestliches Oltenien
297
172
125
Rayon: Großsanktnikolaus Temeschburg Detta Orawitza Reschitz Neumaidova Almaj Insgesamt Banat Südwestliches Oltenien: (Kreis Mehedinti) Rayon: Baia de Arama Turnu Severin Vanju Mare Strehaia Plenita
4
-
Von mir erstellte Auflistung aufgrundder Tabellen und Karten aus den Büchern Rusalii 51 und Fotomemoria unei deportari- Baragan 1951.
45
Wilhelm Weber Zahlenmäßige Auflistung der von der Deportation in die Baragan-Steppe betroffenen Familien und Personen nach Gebieten, Kreisen und Rayons. Banat: (Kreise Temesch und KaraschSewerin)
Anzahl der Familien
Personen
4.042 2.568 2.513 950 133 204 234
12.694 9.095 6.654 3.330 432 670 571
10.644
33.446
32 980 802 261
83 2.945 2.699 182 965
Insgesamt südwestliches Oltenien
2.147
6.874
Banat und südwestliches Oltenien
12.791
40.320
Rayon: Großsanktnikolaus Temeschburg Detta Orawitza Reschitz Neumaidova Almaj Insgesamt Banat Südwestliches Oltenien: (Kreis Mehedinti) Rayon: Baia de Arama Turnu Severin Vanju Mare Strehaja Plenita
72
Von mir erstellte Auflistung nach den Angaben aus dem Buch Rusalii 51 -laut Archiv des Vereins der ehemaligen Baragan-Deportierten, Dossier 1, Blatt 32.
46
Wilhelm Weber Zahlenmäßige Auflistung der in die Baragan-Steppe Deportierten nach Kategorien, wie sie die streng-geheime Direktive des Innenministeriums vorsah. Lfd. Zahl 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
12. 13. 14. 15. 16.
Anzahl der Kategorie Familien
Personen
Großbauern und Wirte Bessarabier Mazedo-Rumänen Ehemalige Angehörige der Deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und deren Familien Fremde Staatsbürger Verwandte derer, die aus dem Land geflüchtet sind Ti tosympa thisanten Personen, deren feindliche Aktivitäten bekannt sind Schmuggler und Wegweiser zur gesetzeswidrigen Überschreitung der Staatsgrenze Abgebaute Beamten, entlassene Militärs und Freischaffende von außerhalb der Zone Verwandte von Gegenrevolutionären und solche die diese unterstützten Politisch und gemeinrechtlich Verurteilte Spitzenfunktionäre der lokalen Organisationen der ehemaligen Deutschen Volksgruppe Großgrundbesitzer und Industrielle Ehemalige Kaufleute, die mit dem westlichen Ausland geschäftliche Verbindungen hatten Andere
5.570 2.998 841 782
19.034 8.477 3.557 2.344
659 413
1.330 1.218
304 238
1.054 731
224
657
218
590
112
367
179 89
341 257
57 7
162 21
100
180
Insgesamt
12.791
40.320
Archiv des Vereins der ehemaligen Baragan-Deportierten Dossier 1, Blatt 32. Veröffentlicht auch in den Büchern Rusalii 51 und Golgota Baraganului.
47
Wilhelm Weber
Auswertung der Umfrage über die Anzahl der aus der ehemaligen Grenzzone in die Baragan-Steppe deportierten Deutschen und der dort Verstorbenen Das wohl umstrittenste und am meisten diskutierte Problem der BaraganDeportation bildete die jahrzehntelange, bis in die neunziger Jahre anhaltende, Unkenntnis über die tatsächliche Anzahl der Verschleppten und über die Anzahl der von ihnen in der Baragan-Steppe neu erbauten Dörfer. Bei der Einsichtnahme in Archivbestände ehemaliger Partei- und Staatsorgane, die an der Deportation beteiligt waren, wurden viele neue Erkenntnisse gewonnen, die in den vom Verein der ehemaligen Baragan-Deportierten geförderten Dokumentationen veröffentlicht sind. Auf diese Weise konnte man zum ersten Mal erfahren, daß 12.791 Familien mit 40.320 Personen in die Baragan-Steppe verschleppt waren. Sie kamen aus 297 Ortschaften (172 Gemeinden und 125 eingemeindeten Dörfern) der ehemaligenBanaterund Mehedinter Grenzzone und lebten unter zwangsaufenthaltsmäßigen Bedingungen in den 18 von ihnen neu erbauten Dörfern. 1 Von unseren Landsleuten ist verständlicherweise immer wieder die Frage nach der Anzahl der deportierten Banater Deutschen gestellt worden, die gemeinsam mit ihren andersnationalen Leidensgefährten dieses schwere, ungerechtfertigte Schicksal teilen und ihre Heimat auf so brutale und menschenunwürdige Weise verlassen mußten. Nachdem heute reale Zahlen vorliegen, möchte ich nicht auf die Zahlen eingehen, die genannt wurden, bevor noch Einsicht in die entsprechenden Archivalien genommen werden konnte. Dies war aber erst nach der Beseitigung der kommunistischen Machthaber und der großen Wende in Rumänien möglich. An anderer Stelle erwähnte ich schon, daß alle vorher, sehr unterschiedliche Angaben über die Anzahl der deportierten Deutschen nicht auf amtlichen Unterlagen beruhen. Autoren bekannter Veröffentlichungen über die Baragan-Deportation bestätigten mir, daß man mangels amtlicher Bekanntgaben seitens der rumänischen Behörden, auf die Aussagen betroffener Personen angewiesen war. Aus den Erlebnisberichten ehemaliger Baragan-Deportierter, die nach ihrer Entlassung aus dem Zwangsaufenthalt in die Bundesrepublik ausreisen durften, versuchte man sich ein Bild über die Ausmaße der Deportation zu machen. Anhand solcher Berichte, aufgrund der Angaben dieser Betroffenen und mittels einer Hochrechnung gelangte man zu Zahlen, die aus heutiger Sicht zu hoch angesetzt waren und von den Autoren, die darüber schrieben, sehr unterschiedlich beziffert wurden. 2 Das ist vor allem darauf zurückführbar, daß die Berichterstatter, bedingt durch die damaligen Verhältnisse und Restriktionen in Rumänien, keinen all48
gemeinen, sondern nur einen lokal begrenzten Überblick haben und dementsprechend auch keine für die ganze Aktion gültigen konkreten Angaben machen konnten. Den damaligen Umständen entsprechend, war es unmöglich, an konkretere Zahlen heranzukommen. In den Büchern, die seit dem Jahre 1994 in rumänischer Sprache erschienen sind, werden keine Angaben über die ethnische Zugehörigkeit der BaraganVerschleppten gemacht. Nur in dem von serbischen Autoren verfaßten Buch über die Deportation der Serben ist deren Zahl angegeben. 3 Deshalb sprach ich mit dem Vorsitzenden des Vereins der ehemaligen Baragan-Deportierten, um die Anzahl der betroffenen Deutschen zu erfahren. Weil er mir darauf keine Antwort geben konnte und mir mitteilte, daß die beiden Autoren des Buches über die deportierten Serben deren Anzahl anhand eigener Recherchen feststellten, nahm ich mir vor, dasselbe zu tun und startete eine Fragebogen-Aktion. Obwohl nicht alle in der ehemaligen Grenzzone gelegenen Ortschaften mit deutschem Bevölkerungsanteil im Rahmen unserer Landsmannschaft in Heimatortsgemeinschaften organisiert sind, konnten doch immerhin an die Vorsitzenden und Vertreter von 64 Heimatortsgemeinschaften, die Orte mit einstmals zahlreicher deutscher Bevölkerung der ehemaligen Grenzzone repräsentieren, Fragebögen verschickt werden. Deren Beantwortung führte zu vielen neuen Erkenntnissen und wurde erfolgreich abgeschlossen. Sowohl aus diesen Mitteilungen der Heimatortsgemeinschaften, wie auch aus den Berichten über die Baragan-Deportation aus 30 Ortsmonographien geht hervor, daß knapp ein Viertel der Deportierten aus den Reihen der deutschen Bevölkerung der Grenzzone stammten. Die Behauptung, daß der Großteil der Deportierten Deutsche waren ist dann zutreffend, wenn der Vergleich mit den anderen Betroffenen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl angestellt wird. Nachfolgend das Ergebnis der Fragebogen-Umfrage in Form eines alphabetischen Verzeichnisses, das ich aufgrund der von den 64 Heimatortsgemeinschaften gemeldeten, wie auch in den entsprechenden Ortsmonographien zahlenmäßig und namentlich erfaßten, in die Barägan-Steppe deportierten Deutschen und über die dort Verstorbenen, aufstellen konnte:
49
Ud. Zahl
Name der Ortschaft
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42
Albrechtsflor Alexanderhausen Baratzhausen Billed Birda Butin Bogarosch Bresondorf Denta Detta Deutschsanktmichael Deutschstarnara Dolatz Gataja Gertianosch Giulweß Gottlob Grabatz Großjetscha Großkomlosch Großsanktnikolaus Großscham Hatzfeld Johannisfeld Keglewichhausen Ketfel mit Kleinsiedei Kleinbetschkerek Klein jetscha Kleinomor Kleinsanktpeter Kleinschemlak Klopodia Knees Königsgnad (Tirol) Lenauheim Lowrin Lunga Marienfeld Morawitza Moritzfeld Nero Neubeschenowa
50
Anzahl der deportierten Deutschen
174 48 34 506 76 2 295 5 11
109 9 66 96 10 63 43 236 224 388 98 32 59 486 253 161 72
184 145 12 69 33 27 76 61 496 274 18 160 78 20 66 170
Anzahl der Verstorbenen
6 5 1 59 28 2 3 6 4 2 9 16 36 3 6 1 45 24 12 3 18 7 2 2 3 36 14 9 10 3 20
Ud. Zahl 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64
Name der Ortschaft
Neuburg (Uiwar) Neu- und Großsanktpeter Neusiedei (Uihel) Obad Ofsenitz Orawitza Ostern (Kleinkomlosch) Perjamosch Perkos Pesak Sackelhausen Sarafol Triebswetter Tschakowa Tschanad Tschawosch Tschene Talwad Ulmbach Warjasch Wiseschdia Wojteg 75 weitere Ortschaften aus der Grenzzone mit deutschem Bevölkerungsanteil
Anzahl der deportierten Deutschen
Anzahl der Verstorbenen
120 86 15 10 54 14 436 377 40 3 224 40 527 59 199 52 66 117 229 341 115 48 796
5 7 1 8 21 3 16 2 20 4 25 3 1 33 24 3 5 53
9.413
629
-
Außer den im obigen Verzeichnis aufgelisteten 64 Ortschaften, die hier in Deutschland in Heimatortsgemeinschaften organisiert sind, gab es laut der Bestandsaufnahme aus dem Jahre 1940 noch 75 weitere Ortschaften in der ehemaligen Grenzzone mit einem deutschen Bevölkerungsanteil von mehr als 10 Einwohnern, insgesamt 9.660 Personen. 4 Das Ergebnis der amtlichen Volkszählung aus dem Jahr 1948 konnte nicht zur Berechnung der Zahl der Deportierten aus diesen Ortschaften dienen, weil noch der Großteil der Rußlandverschleppten und Kriegsgefangenen aus diesen 75 Ortschaften fehlten und erst in den Jahren 1949 bis 1951 heimkehrten. Deshalb war es realistischer, von der Bestandsaufnahme aus dem Jahre 1940 auszugehen und den von Fachleuten und Historikern vertretenen 20 %igen Verlustkoeffizienten für die Verluste der deutschen Bevölkerung Rumäniens, die durch den Krieg, die Flucht in den Westen und infolge der Rußlandverschleppung entstanden waren, anzuwenden. 51
Die auf dieser Grundlage fußende Rechnung ergab, daß aus den 75 Ortschaften 796 Deutsche deportiert wurden. Damit betrug die Zahl der in den Bara.gan verschleppten Banater Deutschen 9.413 Personen. 5 Von ihnen starben in den Jahren des Zwangsaufenthaltes 629. Analysiert man die Zahlen aus dem Verzeichnis und stellt Vergleiche an, so gelangt man zur Erkenntnis, daß große Unterschiede in der Anzahl der Deportierten zwischen Ortschaften mit gleichgroßer deutscher Bevölkerung und ähnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen bestehen. Zum Vergleich nenne ich Alexanderhausen mit 48 und Ostern mit 436 deutschen Deportierten. Man stellt auch fest, daß in manchen Ortschaften mit einer geringeren und weniger wohlhabenden Einwohnerschaft nicht nur verhältnismäßig, sondern auch zahlenmäßig mehr Personen deportiert wurden, als aus Ortschaften mit einer zahlenreicheren und wohlhabenderen deutschen Einwohnerschaft. Man vergleiche Marienfeld mit nur 160 und Johannisfeld mit 253 deportierten Deutschen. Vielsagend ist in dieser Hinsicht auch der Vergleich zwischen Hatzfeld mit 486 und Triebswetter mit 527 deportierten Deutschen. Obwohl die deutsche Einwohnerzahl Triebswetters weniger als die Hälfte der deutschen Einwohner Hatzfelds betrug, wurden aus Triebswetter mehr Deutsche als aus Hatzfeld deportiert. Diese widersprüchlichen Verhältnisse lassen die anfängliche Vermutung zur Gewißheit werden, daß nicht allerorts dieselben Kriterien maßgebend waren. Damit erhärtet sich auch die Vermutung vieler ehemaliger Deportierter, daß oft auch persönliche Interessen, Neid oder auch Rachsucht die Entscheidung derjenigen beeinflußte, die für die Anfertigung der Deportationslisten verantwortlich waren. So wurden Familien und Personen auf diese Listen gesetzt, die zwar in keine der vorgesehenen Kategorien paßten, aber an Stelle anderer gehen mußten. Es wurden auch welche mit der Absicht auf die Listen gesetzt, daß man sich ihre zurückbleibenden Sachen im nachhinein aneignen könnte. Ebenso wurden Personen und ganze Familien, die den maßgebenden Behörden nicht genehm waren, aus den jeweiligen Ortschaften entfernt, indem sie rücksichtslos auf die Listen gesetzt und so in den Baragan abgeschoben wurden. 6
Anmerkungen: 1.
Rusalii 51, a.a.O., Seiten 195-196 (AVBD Dossier 1, Blatt 32). Golgota Baraganului, a.a.O., Seite 186. 2. Siehe Anmerkung 16 bei Einleitende Darstellung. 3. Golgota Baraganului, a.a.O., Seite 191. 4. Deutsche Volksgruppe in Rumänien (Hrsg.). Die Deutschen Siedlungen in Rumänien nach der Bestandsaufnahme vom 3. November 1940. Mit einer Karte der deutschen Siedlungen in den Gebieten Banat, Bergland und Siebenbürgen. Verlag Krafft und Drotleff. Hermannstadt 1941.
52
5. Die Tatsache, daß in den seit 1994 erschienenen Büchern über die Biirägan-Deportation immer nur die Gesamtzahl der Deportierten, nicht aber deren ethnische Zusammensetzung erwähnt wird und mir keine diesbezüglichen Angaben vom Verein der ehemaligen Bäragan-Deportierten gemacht werden konnten, veranlaßte mich, selbst zu recherchieren. So gelangte ich zu den im Beitrag angeführten Ergebnissen. Kurz vor Drucklegung dieser Dokumentation bekam ich vom Vorsitzenden des Vereins der ehemaligen Biirägan-Deportierten aus Temeschburg folgende Mitteilung: Nach einer Durchsicht der Unterlagen, die ihnen zur Verfügung standen, konnte festgestellt werden, daß 8.780 Banater Deutsche aus der Grenzzone in die Biiriigan-Steppe deportiert wurden. Da ihnen aber bei dieser Auswertung die Unterlagen einiger Ortschaften fehlten, vermuten sie, daß deren Zahl etwas größer war. Diese Mitteilung bestätigt die Richtigkeit meiner Recherchen und vor allem, daß die von mir ermittelte Zahl (9.413) der Realität entspricht. 6. HOG-Tschakowa. Manuskript: Tschakowa- Marktgemeinde im Banat. Von Josef Kernweiss, Elisabeth Stein geh. Merschdorf, Trifu Petcu und Wilhelm Josef Merschdorf.
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Banater Schwaben bei der Arbeit in der Biiriigan-Steppe Federzeichnung von Viktor Stürmer
53
Wilhelm Weber
Archivbestände mit Informationen zur Baragan-Deportation Die bald nach der Wende in Rumänien einsetzenden Bemühungen des damals gegründeten Vereins der ehemaligen Baragan-Deportierten um die Aufklärung aller Fragen dieser menschenverachtenden Aktion, wurden von den Betroffenen und der breiten Öffentlichkeit mit großer Genugtuung aufgenommen.1 Die erste Möglichkeit, Einsicht in Dokumente zu nehmen, die bislang geheimgehalten waren, bot die mal an anderer Stelle erwähnte, vom Verein der ehemaligen Baragan-Deportierten initiierte und im Juni 1993 in der Geschiehtsahteilung des Banater Museums untergebrachte Gedenkausstellung "In memoriam Baragan". 2 Die meisten aus den Beständen des Ternescher Staatsarchivs stammenden Archivalien gaben über vielerlei bislang unbekannte Vorgangsweisen vor, während und nach der Deportation Auskunft. Aber auch die Berichte der Parteifunktionäre, die in jede von der Verschleppung betroffene Ortschaft delegiert waren, wie auch die systematische Auswertung und Zusammenfassung dieser informativen Berichte durch die Rayonsparteikomitees ergaben viele neue Erkenntnisse. Außer diesen Syntheseberichten der Rayonsparteikomitees waren auch die Berichte der Kommission, die das zurückzulassende landwirtschaftliche Inventar und das Vieh zu registrieren, zu bewerten und nach drei verschiedenen Preistarifen zu bezahlen hatten, sehr aufklärend. Besonders kritisch fiel das Referat der Regionspartei über die Tätigkeit der Miliz aus. Von besonderem Interesse waren die bei den Sitzungen der höchsten Parteiorgane vorgetragenen Berichte, Referate und die während der Sitzungen abgefaßten Stenogramme. Eine dieser wichtigen Sitzungen fand noch während der Deportation und zwei unmittelbar danach statt. Nur einen Tag nach Beginn der Aushebungen, am Abend des 19. Juni 1951 3 , trafen sich die höchsten regionalen Parteispitzen in einer Arbeitssitzung mit dem stellvertretenden Innenminister Alexandru Draghici. Laut dem Stenogramm dieser Sitzung soll er sich verärgert darüber geäußert haben, daß viele unvorhergesehene Mängel in der politischen und organisatorischen Vorbereitung der Deportation aufgetreten waren. Unter dem Vorsitz des ersten Sekretärs des Regionsparteikomitees in Temeschburg wurden anläßlich dieser Sitzung auch organisatorische Fehler zugegeben. So konnten beispielsweise viele Deportierte ihr Geld für die zurückgelassenen Güter nicht ausbezahlt bekommen, weil die zuständigen Kommissionen verantwortungslos arbeiteten und mancherorts Geschäfte machten und Geld unterschlugen. Es wurde auch fest54
gestellt, daß Kommissionen den Deportierten verboten, Güter mitzunehmen, um sie sich nachher anzueignen. Wenige Stunden nachdem die letzten Transporte die Heimatbahnhöfe verlassen hatten, fand am 22. Juni 1951 eine zweite Sitzung des Regionsparteikomitees und am 2. Juli 1951 eine Sitzung des Parteikollegiums statt. Auszugsweise wurden einige dieser Dokumente, Informations- und Rechenschaftsberichte in den bislang zu diesem Thema in rumänischer Sprache erschienenen Büchern veröffentlicht. 4 Heute weiß man auch aus diesen Dokumenten, daß bei der Deportation neben Securitate-, Miliz- und Grenzer-Truppen, viele Parteiaktivisten, Staatsbeamte, Angehörige des Innenministeriums und vieler anderer Ministerien beteiligt waren. Innenminister Teohari Georgescu als Koordinator und sein Stellvertreter Alexandru Draghici mit seinem Mitarbeiterstab organisierten und vollzogen die Deportation. 5 Aus den eingesehenen Dokumenten ist ersichtlich, daß einige Zeit vorher Securitateoffiziere die Stimmungslage in der Bevölkerung zu erforschen hatten und feststellten, daß sie allgemein eingeschüchtert und von Angst erfaßt war. Diese Angstgefühle wurden von der Securitate immer weiter geschürt, um den eventuell noch vorhandenen Widerstandswillen zu brechen und um keinen Solidaritätsgeist aufkommen zu lassen. 6 Aus Informationen der Securitate ist zu erfahren, daß sie auch genau Bescheid wußten über die Vorgänge in den Reihen der nationalen Minderheiten. Man wußte es, daß sich Befürchtungen einstellten, als sie Anzeichen einer neuerlichen Deportation zu erkennen glaubten. Das geschah zuerst infolge der von Milizoffizieren vorgenommenen Überprüfung der Deportationslisten, die bei ihren Hausbesuchen eine Kontrolle der Personalausweise vortäuschten. In einer am 15. Juni 1951 verfaßten Information wurde mitgeteilt, daß anläßlich solcher Hausbesuche das Geheimnis bezüglich der Deportation durch unbedachte Äußerungen der Milizorgane, gelüftet worden ist. Dadurch verbreiteten sich Gerüchte über eine Verschleppung der Deutschen, der Serben oder der Flüchtlinge aus Bessarabien und Bukowina. 7 Einen Tag vor Beginn der Deportation mußten alle daran Beteiligten geschult werden, damit die Aktion reibungslos abläuft. Deshalb wurden die Aktivisten des regionalen Parteikomitees der Rumänischen Arbeiterpartei und viele andere Parteifunktionäre und ausgewählte Parteimitglieder von Isac Martin, dem Primsekretär und einem Funktionär des Zentralkomitees, namens Felicianu, über die bevorstehende Deportation aufgeklärt und außerdem wurde jedem seine Zuständigkeit mitgeteilt. 8 Parallel mit dieser Unterweisung wurden am 17. Juni 1951 andere 2.500 Personen an fünf verschiedenen Stellen für eine andere Aufgabe geschult. Abgesandte des Zentralkomitees und des Landwirtschaftsministeriums unter der Leitung eines gewissen Banu, dem ministeriellen Ratgeber Cotoara und dem Generaldirektor im Landwirtschaftsministerium Danilov waren mit einer besonderen Mission betraut. Sie mußten die versammelten Vertrauenspersonen für die 55
Inventarisierung, Übernahme und Auszahlung der von den Deportierten zurückgelassenen Güter schulen und ihnen ihren Aufgabenbereich zuteilen. Danach durften sowohl die weiter oben erwähnten Parteileute wie auch die zuletzt genannten 2.500 Personen die Gebäude, in denen sie sich befanden, nicht mehr verlassen. Am selben Abend wurden sie in ihren Tätigkeitsbereich gebracht, um in den frühen Morgenstunden mit der ihnen zugeteilten Arbeit zu beginnen. 9 Um den Parteifunktionären, die in jede betroffene Ortschaft beordert wurden, ihre Berichterstattung zu erleichtern, wurde ein Fragebogen mit den wichtigsten Problemen, über die zu berichten war, erstellt: 10 1. Inventarisierung der zurückgelassenen Güter. 2. Übernahme der Güter. 3. Parteipolitische Arbeit und Tätigkeit der Massenorganisationen. 4. Ablauf der Verladung der Deportierten. 5. Lage auf den Bahnhöfen. Lebensmittel und gesundheitliche Probleme. 6. Abfahrt der Transporte. 7. Stimmung, allgerneiner Zustand. 8. Übergriffe, Konfliktsituationen. 9. Fälle von ausgehobenen und zur Deportation vorgesehenen Parteimitgliedern und prominenten Persönlichkeiten. 10. Verladen der Tiere. Anhand dieser Aufstellung liefen unzählige Lokalberichte von den vor Ort befindlichen Berichterstattern ein, die beispielsweise arn 19. Juni 1951 beim Rayonsparteikomitee von Großsanktnikolaus ausgewertet wurden und zu folgenden, auf die zehn Punkte aufgeschlüsselten Feststellungen führten: 11 "1. Die Inventarisierung wurde ordnungsgemäß abgeschlossen. Es waren Kornmissionen gebildet worden, die sich nur damit beschäftigten. Alle Güter sind den staatlichen Landwirtschaftsbetrieben und den Volksräten übergeben worden. In Bogarosch und Lenauheirn erfolgt die Übergabe bis morgen. In Valcani fehlt eine Lokomotive. 2. Die Richtlinien erhalten. Die Kornmissionen begaben sich in Begleitung von Milizleuten in den Ort, das Inventar wurde in den Häusern abgestellt und die Häuser versiegelt. In Albrechtsflor wurden die landwirtschaftlichen Geräte und Tiere dem staatlichen Landwirtschaftsbetrieb gleich übergeben. In Pesak wurde mangels einer Anweisung eigenmächtig gehandelt. 3. Die parteipolitische Arbeit erfolgt durch Parteiaktivisten, Gewerkschaftsmitglieder und die Frauen- und Jugendorganisation. In einigen Ortschaften werden zur Zeit Parteisitzungen abgehalten. Dabei wurden gute Resultate erzielt. So verpflichteten sich Dorfbewohner in Lenauheirn dazu, die jetzt herrenlosen Gärten zu bearbeiten und die Ernte dem Volksrat abzuliefern. Für die Gerstenernte sind schon Arbeitsgruppen gebildet worden. 4. Im allgerneinen verlief das Verladen dort, wo genügend Waggons zur Stelle waren, schnell und ohne Zwischenfälle. In Bogarosch hingegen fehlen noch immer 100 bis 200 Waggons. 56
5. In den meisten Fällen hat man Hilfsmaßnahmen für jene getroffen, die sich noch auf den Bahnhöfen befinden. Sie bekamen Wasser, Milch für die Kinder, Futter für das Vieh. Sanitätspersonal und Ärzte sind hingeschickt worden. Die Menschen halten sich im Schatten auf. In Lenauheim fehlt es an Wasser. Kranke sind keine. Auf der Fahrt wird es zwei Geburten geben. Es sollen Vorkehrungen getroffen werden, damit die Menschen in Temeschburg Wasser bekommen. 6. Aus den meisten Ortschaften sind die ersten Eisenbahntransporte schon in der Nacht abgefahren, die restlichen folgen in der kommenden Nacht. Alles verlief unter guten Bedingungen. 7. Die Stimmung hat sich beruhigt. Infolge der Aufklärungsarbeit sind die Menschen nicht mehr so verängstigt. 8. Zumeist wurden keine Zwischenfälle verzeichnet und keine Übertretungen der Anordnungen festgestellt, außer Pesak, wo sich drei der Deportation entziehen wollten. Mangels genügender Armeekräfte war nur ein Soldat zugegen und so versuchte man Güter zum Nachbarn hinüberzureichen. Es wurde aber entdeckt und eingestellt. 9. Es gibt folgende Fälle: Wie schon gemeldet, sind Kleitsch Johann und eine Frau von der UFDR (Union der demokratischen Frauen Rumäniens) in die Kategorie der Großbauern eingestuft. In Warjasch ein Parteimitglied, ein Mittelbauer, der mit seinem Schwiegersohn abgefahren ist, wie auch ein Volksratsabgeordneter. In Lenauheim zwei Parteimitglieder: Moraru Ion, ein Bessarabier und ein Sekretär der UTM (Union der Arbeiterjugend), dessen Vater Großbauer ist. In Bogarosch vier Parteimitglieder: Broasca Dionisie, Petar Stavri der auch Volksratsabgeordneter ist, Pop Ioan und aus Versehen Secelean. Von den drei Parteimitgliedern ist der eine Sohn eines Großbauern und die anderen zwei sind Mazedo-Rumänen. In Albrechtsflor die Parteimitglieder Mateia~ Ioan und der Deutsche (arm) Kron Franz, auch Abgeordneter im Exekutivkomitee des Volksrats, der aber 1940-1944 außer Landes war. In Pesak gibt es Unstimmigkeiten mit der Familie eines Parteimitglieds, des Faun Ioan. Er wurde zur Parteiregion berufen (um an der Deportation mitzuwirken- Anm. d. Verf.). Sein Vater als Großbauer ist schon samt Familie verladen. Die Frau aber weigert sich zu fahren und will auf ihren Mann warten. Er ist ein guter Genosse. Mit dieser Bemerkung wollte vermutlich das Rayonsparteikomitee seine Deportation verhindern. 10. In Albrechtsflor wurde für das Verladen der Möbel und der Tiere eine Verladerampe gebaut. Es verlief danach alles in bester Ordnung. 50 Waggons warten noch. In Bogarosch gibt es Schwierigkeiten wegen fehlender Waggons. In Lenauheim verlief das Verladen sehr schnell, weil eine große Verladerampe gebaut wurde. Wären genügend Waggons vorhanden gewesen, hätten schon alle abfahren können. In Lenauheim haben sich zehn Familien mehr eingefunden, die auf eigene Rechnung woandershin fahren wollen. Die Verladearbeiten werden heute Nacht beendetundes sollten in Temeschburg Maßnahmen getroffen werden, damit sie für ihren Weg gut mit Wasser versorgt sind." 57
Am darauffolgenden Tag, den 20. Juni 1951, hatte der zusammenfassende Bericht im selben Rayon ähnlichen Wortlaut. 12 Darin hieß es, daß ein Teil des Viehs den Staatsgütern übergeben und die Häuser der Deportierten versiegelt wurden. Ein kranker Mann ist gestorben. In Altbeschenowa wurden einige Herzkranke in einem Zelt untergebracht. In Marienfeld schlafen Mütter mit Kleinkindern in einem Gebäude. Die Stimmung hat sich überall gebessert und die Gemüter sind beruhigt. Es wurde Aufklärungsarbeit geleistet, damit die Verbliebenen die Feldarbeit wieder beginnen sollen. Ein Miliz-Schüler Stancu Geza war flüchtig, wurde aber verhaftet. Dasselbe Problem mit den Parteimitgliedern wie am Vortag. Weil sie in einige der Kategorien eingestuft wurden, die laut den Direktiven zu deportieren waren, half ihnen ihre Mitgliedschaft in der Rumänischen Arbeiterpartei nicht und sie wurden samt ihren Familienangehörigen in den Baragan deportiert. An dieser Stelle sollen einige Lokalberichte von solchen Parteifunktionären wiedergegeben werden, die in Ortschaften mit deutschem Bevölkerungsanteil des Rayons Detta delegiert waren und von dort berichteten. Aus Deutschstamora13 beispielsweise informierte ein "Genosse" Belanco am 18. Juni 1951, dem Tag der Aushebung, um 20.30 Uhr folgendes: "Die Inventarisierung und Übernahme der zurückgebliebenen Güter ist unter guten Bedingungen abgeschlossen worden. Schwierigkeiten entstanden, weil an Stelle von elf nur drei Kommissionen gekommen waren. Diese hatten dann ungenügende Vordrucke, die man mit provisorischen von Hand geschriebenen ersetzen mußte. Die Stimmung ist befriedigend. Besonders hilfsbereit waren Parteimitglieder und Kollektivbauern. In den Reihen der Eingesammelten (so wurden die Deportierten in diesen Berichten bezeichnet- Anm.d.Verf.) ist die Stimmung gut. In den meisten Fällen handelt es sich um solche, die ans Umsiedeln gewöhnt sind. Mit den Gütern beschäftigt sich die Miliz. Das Verladen geht nur schwer vor sich, es fehlen noch 90 % der benötigten Waggons." Aus Kleinomor 14 informierte am selben Tag um 22.00 Uhr Lazarescu Petru das Folgende: "Die Angelegenheit (damit meinte er die Aushebungen und den Transport von der Wohnung zum Bahnhof- Anm. d. Verf.) war ohne Schwierigkeiten um 16.00 Uhr beendet. Morgen früh um 6.00 Uhr wird die Sitzung der Parteiorganisation stattfinden. Die Stimmung ist gespannt, die Menschen quälen sich. Viele sind deutscher Nationalität, deren Verwandte weg müssen. Die Stimmung bei den zu Deportierenden ist gut, sie haben sich widerstandslos den Befehlen untergeordnet. Die zurückgebliebenen Güter werden von Parteimitgliedern und Abgeordneten des Volksrats bewacht. Es gibt auch Milizstreifen. Weil die Güterübernahmekommission keinen Kassierer hatte, blieb es dabei, daß die Staatsbank oder die Kassierer der Kommissionen aus Detta oder Denta die Leute ausbezahlen sollen." Aus Gataja 15 wurde von Szekler Johann um 19.16 Uhr folgender Bericht übermittelt: "Gegenwärtig wird noch verladen. In zwei bis drei Stunden wird es beendet sein. Die Aktion verlief bisher ohne Zwischenfälle und ohne Probleme. Die Stimmung 58
ist bei den Zurückgebliebenen allgemein gut, einigen tut es weh, aber sie zeigen es nicht. Bei den Deportierten klagen meistens nur die alten Frauen. Die Güter bewahren Parteimitglieder und Mitglieder der Massenorganisationen auf. Bei 2-3 hält sich auch ein Milizmann auf. Die Kommissionen müssen noch die Güter ausbezahlen. Wenn die Miliz einverstanden ist, wird noch heute abend die Sitzung mit der örtlichen Grundorganisation der Partei abgehalten. Wenn nicht, dann erst morgen früh, weil abends kein Verkehr mehr im Dorf sein soll." Mit ähnlichem Wortlaut und über ähnliche Probleme informierte aus Tschakowa ein Delegierter namens Fedoranici, aus Ofsenitz der Delegierte Weiss Geza, aus Tschawosch Schulz Ladislaus, u.a. 16 Noch ein Beispiel soll genannt werden. Aus Johannisfeld 17, wo unter 402 Deportierten 253 Deutsche waren, berichteteamzweiten Tag, am 19. Juni um 9.30 Uhr der dortige Berichterstatter Obradov folgendes: "Die Aktion endete um 15.00 Uhr. Aber es fehlen noch ungefähr 120 Waggons. Bislang sind 2 Transportzüge mit 30, beziehungsweise 20 Waggons abgefahren und 14 Waggons in der Nacht. Die restlichen Leute warten auf dem Bahnhof. Die Aktion verlief unter guten Bedingungen. Die Stimmung bei den Verbliebenen ist gut. Sie bejahen diese Aktion. Die zu Deportierenden verhalten sich ruhig. Die Kommission inventarisiert noch. Die Wache bilden Miliz und Abgeordnete. Über die Güter verfügt der staatliche Landwirtschaftsbetrieb und der Volksrat. Übertretungen wurden keine verzeichnet. Auf dem Bahnhof ereignete sich ein Todesfall. Ein alter und kranker Mann verstarb. Die auf dem Bahnhofsgelände wartenden Menschen und Tiere leiden viel unter der Hitze. Viele Hühner verenden schon." Das waren die Texte einiger Lokalberichte, die aus fast allen Ortschaften ähnlich lauteten und sich an dem 10-Punkte-Fragebogen orientierten. Interessante Einzelheiten sind aus dem Referat zu erfahren, das anläßlich der Sitzung des Regionsparteikomitees vom 22. Juli 1951 18 vom Ersten Sekretär gehalten und in welchem die Tätigkeit der Milizorgane während der Deportation einer kritischen Analyse unterzogen wurde. Zuerst hieß es, daß die Miliz aktiv und mit der entsprechenden Einstellung ihre Pflicht erfüllt hätte. Trotzdem ereigneten sich Zwischenfälle, die zu kritischen Bemerkungen führten. So fehlte es seitens der Miliz vielerorts an Initiativen und Entschlußkraft. Es gab Milizorgane, die sich zu wenig um das Einsammeln und die entsprechende Aufbewahrung der Güter kümmerten. Auch verzeichnete man Fälle wie den in Marienfeld, wo ein Milizleutnant eine zu versöhnliche Haltung den Deportierten gegenüber einnahm. Er wurde versetzt. Den Milizorganen wurde noch vorgeworfen, daß einige von ihnen Beschlüsse verletzt und mangelnde Wachsamkeit dem Klassenfeind gegenüber bekundet hätten. Auch wurden einigen Verletzungen der proletarischen Moral vorgeworfen. So mußte in Bre~tea ein armer und ehrlicher Bauer an Stelle eines Großbauern gleichen Namens gehen. Ähnliche Fälle wurden auch 59
aus Hatzfeld, Neubesch~nowa, Checia, Gertianosch und aus anderen Orten signalisiert. In Tschawosch und Perkosowa eigneten sich Miliz und Grenzer Möbel für ihre Unterkünfte an. In Birda ließen sie sich ein Schwein schlachten und verzehrten es gemeinsam mit dort stationierten Grenzern. In Ulmbach und Großsanktpeter betranken sich Milizleute mit dem schon versiegelten Wein und versuchten die Frau eines Bauern aus Großsanktpeter zu vergewaltigen, in dessen Wohnung sie mit Gewaltanwendung eingedrungen waren. In Triebswetter versuchten zwei junge Miliz-Schüler in betrunkenem Zustand eine Frau zu vergewaltigen und im Streit schoß der eine dieser Frau in den Fuß. In Gherman und Igri~ unterstützten Milizorgane Mais- und Mehldiebstähle. In Marienfeld überredete der Milizmann Craioveanu den Vorsitzenden der Bauernfront, Unterschriften zu sammeln, um den Großbauer Ro~u Petru vor der Deportation zu bewahren. Diese und noch andere Verstöße hielt die höchste Parteispitze der Region den Milizorganen vor. Doch abschließend lobte sie deren Wachsamkeit und deren promptes Einschreiten bei Anzeichen von feindseligem Verhalten. Das aber steht im Widerspruch zur geäußerten Kritik. In der Sitzung des Parteikollegiums vom 2. Juli 1951 19 wurde ein informativer Bericht über den Ablauf der Umsiedlungsaktion der "feindlichen Elemente" aus der an der Grenze zu Jugoslawien befindlichen Zone erstattet. Zuerst informierte der Bericht über die Maßnahme, die einige Stunden vor dem Beginn der Deportation getroffen wurde, um die beteiligten Parteimitglieder und andere Vertrauenspersonen für ihren Aufgabenbereich vorzubereiten. Es war Eigenlob, als unterstrichen wurde, daß alles gut organisiert ablief. Aber auch bei dieser Sitzung konnte nicht verschwiegen werden, daß trotz der vermeintlich guten Organisation, Fehler zu verzeichnen waren. Kritisch wurde vermerkt, daß in einigen Ortschaften die Großbauern von der Aktion unterrichtet waren und sich darauf eingestellt und vorbereitet hatten. Auch die Kommissionen, die das zurückgelassene Inventar zu registrieren hatten, waren nicht immer rechtzeitig zur Stelle, oder zu wenige. Bemerkt wurde auch noch, daß manche die auszubezahlenden Summen nach unten abrundeten und das verbliebene Geld entwendeten. Obwohl diese Verschleppung eine sehr ernste und recht traurige Angelegenheit für die Betroffenen und deren Angehörige war, soll an dieser Stelle bemerkt werden, daß es auch Leute gab, die sie bejahten und sich darüber freuten. Als nämlich die Deportation bekannt wurde, freute sich der Volksratsvorsitzende von Schag derart, daß er sich besoff und in seinem Dorf die Deportation eigenmächtig verkündete, in Unwissenheit darüber, daß Schag außerhalb der Zone lag, aus der deportiert wurde. 20 Abschließend ist festzustellen, daß die Lageberichte und Analysen der untergeordneten Organe, wie auch die Referate und Berichte der Spitzenfunktionäre zumeist denselben Inhalt hatten. Lob und Kritik an der Organisation und Durchführung der Verschleppung wechselten einander ab. Doch endeten
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alle mit einem Lob. Vermutlich beabsichtigte man damit den Mitwirkenden, wie auch den Außenstehenden die Meinung aufzuzwingen, daß alles bestens abgelaufen ist.
Anmerkungen: 1. Golgota Baraganului, a.a.O., S. 7. 2. Siehe Einleitende Darstellung, Anmerkung 24. 3. Totok, William. Die Deportationen in den Baragan - Aus dem archivalischen Nachlaß des rumänischen Stalinismus. In: Halbjahresschrift für Südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, Heft 2/1995, Seite 16 und 18 (weiterhin unter "Die Deportationen in den Baragan" verzeichnet). Siehe auch Rusualii 51, a.a.O., Seite 194. 4. Rusalii 51, a.a.O., Seiten 194-195. Siehe auch Deportarea in Baragan, a.a.O., Seiten 74-80. 5. Die Deportationen in den Baragan, a.a.O., Seite 14. 6. Ebenda. 7. Ebenda, a.a.O., Seite 15. 8. Ebenda, a.a.O., Seite 16. 9. Rusalii 51, a.a.O., Seite 195. 10. Deportarea in Baragan, a.a.O., Seite 49. 11. Ebenda, a.a.O., Seiten 49-51. 12. Ebenda, a.a.O., Seite 53. 13. Ebenda, a.a.O., Seite 56. 14. Ebenda. 15. Ebenda, a.a.O., Seite 57. 16. Ebenda, a.a.O., Seiten 60, 61, 63. 17. Ebenda, a.a.O., Seite 63. 18. Ebenda, a.a.O., Seiten 74-78. Siehe auch Rusalii 51, a.a.O., Seite 195. 19. Deportarea in Baragan, a.a.O., Seiten 78-80. 20. Die Deportationen in den Baragan, a.a.O., Seite 18. Gemeint ist die Gemeinde ~ag (Schag) bei Temeschburg und nicht ~ag (Dreispitz) bei Arad.
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Wilhelm Weber
Ein lang ersehnter Ministerratsbeschluß, der aber nicht hielt, was er versprach Der Ministerratsbeschluß mit Nr. 2694 vom 7. Dezember 1955 1 regelte die Befreiung und Heimkehr der Deportierten, wie auch die Rückerstattung ihres Feldbesitzes und ihrer Häuser. Darin wurde festgelegt, daß alle Personen, die aufgrund des Ministerratsbeschlusses mit Nr. 326 S aus dem Jahre 1951 zwangsumgesiedelt wurden, nach Inkrafttreten des oben angeführten Beschlusses vom 7. Dezember 1955, in ihre Herkunftsortschaften zurückkehren durften und dort ihre Felder und Häuser rückerstattet bekommen. So einfach aber wie das zu lesen ist, war diese Angelegenheit bei weitem nicht. Jedenfalls versprach der Beschluß mehr als praktisch möglich war, nämlich, falls die zurückzuerstattenden Felder bereits mit den landwirtschaftlichen Flächen der inzwischen gegründeten Kollektivwirtschaften kommassiert waren, sollten die aus dem Baragan Heimkehrenden ihr Feld aus der Staatsreserve erhalten. Das sollte aber erst, nachdem die Ernte im Sommer 1956 eingebracht war, geschehen. Liest man die folgende Bestimmung dieses Ministerratsbeschlusses, so wird deutlich, mit welchen Hintergedanken und List vorgegangen wurde. In dieser Bestimmung hieß es nämlich, daß den Kollektivwirtschaften empfohlen wurde, die Baragan-Heimkehrer auf ihr Ansuchen hin, so wie neu beigetretene Mitglieder zu behandeln und aufzunehmen, ungeachtet dessen, ob ihnen Boden zugeteilt wurde oder nicht. (Der ehemals ihnen gehörende Boden war ja infolge der Kommassierungsvorgänge sowieso schon den Kollektivwirtschaften zugefallen- Anm. d. Verf.) Zuerst garantierte der Beschluß des Ministerrates die Rückerstattung der infolge der Deportation zurückgelassenen Felder, dann führte er die Schwierigkeiten und Probleme dieser Prozedur an, um zuletzt den Heimkehrenden den Weg vorzuzeigen, den sie zu gehen hatten, nämlich den Kollektivwirtschaften beizutreten. So hatte man mittels der Baragan-Deportation nicht nur den vermeintlichen Klassenfeind, sondern auch den Widerstand gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft in der ehemaligen Grenzzone beseitigt, der seitens der Verschleppten entstanden wäre. Diese Deportation diente auch der Abschreckung und Gefügigmachung der Verbliebenen, die nachher bereitwilliger der Kollektivwirtschaft beitraten. All das war eine vom Staat getarnt gelenkte Aktion, die vulgär ausgedrückt, den durch die Deportation verbitterten und eingeschüchterten Menschen "Honig ums Maul schmierte", um sie anschließend zu Mitgliedern der jewei62
ligen Kollektivwirtschaft zu machen. Den allermeisten blieb sowieso kein anderer Ausweg, als Kollektivbauer oder Kollektivbäuerin zu werden oder als Landarbeiter auf den Feldern der landwirtschaftlichen Staatsbetriebe zu arbeiten. Für die deutschen Baragan-Heimkehrer war dieser Beschluß insofern wichtig, weil er ihnen die langersehnte Befreiung aus dem Zwangsaufenthalt brachte. Ihr ehemaliger Feldbesitz war aber schon 1945 enteignet worden2 , so daß bei ihnen von einer Rückgabe keine Rede sein konnte und sie mit wenigen Ausnahmen in den Kollektivwirtschaften bis auf weiteres ihre zukünftigen Erwerbsmöglichkeiten sahen. Was die Rückgabe der Häuser anbelangt, versprach dieser Ministerratsbeschluß jenen, deren Häuser total ruiniert und unbewohnbar geworden waren, andere gleichwertige Häuser aus dem Staatseigentum oder eine 50%ige Entschädigungssumme mit einer längeren Rückzahlungsfrist, um innerhalb von zwei Jahren ihre ehemaligen Häuser neu aufzubauen, beziehungsweise so zu reparieren, daß sie wieder bewohnbar wurden. In diesem Fall sollte der Volksrat den Betroffenen eine Unterkunft so lange zur Verfügung stellen, bis sie in ihre wiederhergestellten Häuser einziehen konnten. Falls die Häuser von Staatsunternehmen oder Institutionen besetzt waren, sollten diese die betreffenden Häuser räumen und den ehemaligen Eigentümern übergeben. Für die deutschen Baragan-Heimkehrer war 1956 das Dekret 81 maßgebend 3 , das sie zu Eigentümern ihrer 1945 enteigneten Häuser, mit einigen Einschränkungen, wieder einsetzte. Analysiert man diesen Ministerratsbeschluß Nr. 2694 vom 7. Dezember 1955 und vergleicht dessen Bestimmungen mit den praktischen Erfahrungen der Heimkehrer, deren Erlebnisberichte und Erfahrungen ganz anders lauten, so wird dieser Beschluß Lügen gestraft und widerlegt. Von einer Rückgabe der Felder konnte im Jahre 1956 keine Rede mehr sein, nachdem schon alle landwirtschaftlichen Flächen, mit Ausnahme von wenigen Hektaren Staatsreserve, in den Feldbesitz der Kollektiv- oder Staatswirtschaften einverleibt waren. Mit der Rückgabe der von Staatsunternehmen und Institutionen besetzten Häuser klappte es auch nicht so einfach, wie sich das anhörte. Viele betroffene ehemalige Hauseigentümer mußten sich um Unterkünfte selbst umsehen und oft jahrelang prozessieren und abwarten, bis sie, wenn überhaupt, in ihr ehemaliges Eigentum einziehen konnten. Manche aus der Verbannung Heimkehrende hofften doch noch, etwas von ihren zurückgelassenen Möbeln oder vom Hausrat vorzufinden. Die in den Baragan mitgenommenen Möbel hatten durch die große Hitze und Regengüsse, solange sie im Freien und in den Hütten standen, einen erheblichen Schaden erlitten. Sie waren so ruiniert, daß viele nur noch als Brennholz taugten. Doch die Hoffnung der Heimgekehrten, noch etwas vorzufinden, blieb unerfüllt. Das Tschakowaer Heimatbuch4 gibt detaillierte Auskunft darüber, 63
was mit den zurückgebliebenen Sachen geschehen ist. Heute weiß man, daß es in allen betroffenen Ortschaften ähnlich wie in Tschakowa ablief. Der überwiegende Teil dieser Gegenstände kam nicht dorthin, wo er laut den Richtlinien abgegeben werden sollte. Der sich mit diesem Problem beschäftigende Auszug aus dem Tschakowaer Heimatbuch lautet folgendermaßen: "Die Häuser wurden öffentlichen Einrichtungen zugeführt, wie Schulen, Altenheimen, Kollektivwirtschaften und Gemeindeverwaltungen. Die übriggebliebenen Häuser wurden ,verdienstvollen Genossen' zur Nutzung überlassen. Heute weiß man, daß das Vieh aus den Höfen der Deportierten zu Sammelstellen getrieben wurde, von wo es innerhalb weniger Tage auf geheimnisvolle Weise verschwand. Zu nichts zerstoben auch die zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände, die Kleidung und alles Bewegliche in den Häusern der Zwangsverschleppten. Das ,Hotel National' (das spätere Kulturheim) war die Sammelstelle für das Inventar der Deportierten. In den Räumlichkeiten des Hotels und besonders im großen Tanzsaal häuften sich die herbeigeschleppten Güter. Delegierte aus Temeschburg- Vertreter der ,Arbeiterklasse'- stellten Inventarlisten auf mit wertvollen Möbeln, mit Kunstgegenständen, mit Musikinstrumenten, mit Bekleidung. In dieser Sammelstelle war alles zu finden, aber nur für ganz, ganz kurze Zeit. Ein Teil wurde gestohlen, andere Gegenstände verschwanden offiziell und wurden durch minderwertige ersetzt. Was dann noch übrigblieb, verschacherten die Wächter. Die Bonzen der Rumänischen Kommunistischen Partei und die Offiziere des Staatssicherheitsdienstes schöpften aus dem vollen. Lucian Micu5 erinnerte sich, wie Benedek, der Direktor der verstaatlichten Molkerei Temeschburg, aus dem Besitz der deportierten serbischen Familie Sandrovic sich ein neues Klavier, ein sehr schönes Speisezimmer aus Nußfurnier und eine Ledersesselgarnitur aussuchte und in die Stadt liefern ließ. Der ,Genosse Sekretär' des Regionsparteikomitees der Kommunisten, Traian Heghes, ließ sich durch Lucian Micu mit zwei Lastkraftwagen Sessel, Bibliothek und Vitrinen aus der Wohnung der verschleppten serbischen Rechtsanwaltswitwe Dr. Mladen anliefern. Um dem ganzen Vorgang, sprich Raub, den Schein der Legalität zu geben, wurde ein Kaufvertrag unterschrieben. Die Preise waren lächerlich klein und die Verkaufssumme wurde auch niemals der deportierten Familie ausgehändigt."
Anmerkungen: 1. Deportarea in Baragan, a.a.O., Seiten 219-220. 2. Dokumentation, a.a.O., Seite 156 E. Bodenreformgesetz Nr. 187/1945. 3. Dekret 81/1956. Rückgabe der Wohnhäuser an die deutsche Bevölkerung. 4. ]. Kernweiss, E. Stein, T. Petcu, W. Merschdorf. Tschakowa - Marktgemeinde im Banat. 1997. 5. Lucian Micu- Gemeindenotär (Sekretär des Provisorischen Komitees).
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Gesetzestexte und Ministerratsbeschlüsse zur Baragan-Deportation Obzwar die "Liquidierung der kapitalistischen Elemente" in der Landwirtschaft schon auf der Plenarsitzung des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei Anfang März 1949 beschlossen wurde 1, dauerte es bis zu deren Verwirklichung noch volle zwei Jahre. Zuerst sollte dieser Parteibeschluß in der Grenzzone an der rumänisch-jugoslawischen Grenze in die Tat umgesetzt werden, weil gerade dort zu diesem Zeitpunkt ein vermeintlich plausibler Grund für dessen Verwirklichung in Form einer Zwangsumsiedlung vorlag. In diesem Landstrich lag auch ein Großteil der wohlhabendsten Ortschaften, in welchen das Großbauerntum, auf das sich der Parteibeschluß in erster Linie bezog, stark vertreten war. Durch diese Zwangsevakuierung der Großbauern erhoffte sich die Parteiführung auch eine Einschüchterung der Verbliebenen und ihre Bereitwilligkeit für den Beitritt in die im Entstehen begriffenen Kollektivwirtschaften zu erzwingen. Als sich der günstige Zeitpunkt für die Durchführung dieses Beschlusses näherte, wurden Vorkehrungen getroffen, um dieser "Vernichtungsaktion" einen gesetzlichen Rahmen zu geben. Zuerst mußte das Präsidium der Großen Nationalversammlung Gesetze dekretieren, der Ministerrat Beschlüsse fassen, aufgrund derer einige Richtlinien zu ihrer Durchführung ausgearbeitet wurden, nach welchen die beabsichtigte Zwangsumsiedlung zu erfolgen hatte. 2 Ein diesbezügliches Dokument bildete der Ministerratsbeschluß, ein sogenannter HCM (Hotararea Consiliului de Mini~tri) mit Nr. 200/1950. Obwohl der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich, soll darin die von den Behörden gelenkte Umsiedlung einiger Kategorien von Staatsbürgern innerhalb des Landes beschlossen worden sein. Von diesem Beschluß erhofft man sich, falls eine Einsichtnahme möglich sein wird, Aufklärung über die Gründe, die zur Baragan-Deportation führten. 3 Ein zweiter Ministerratsbeschluß mit Nr. 1154 vom 26. Oktober 1950 regelte die Art und Weise des Umzugs und des Wohnrechts in übervölkerten Städten des Landes. 4 Die Partei und die Regierung legten mit diesem Beschluß fest, daß in übervölkerte Wohngebiete nur Angestellte von Staatsorganen, von staatlichen Institutionen, Staatsunternehmen, genossenschaftlichen und öffentlichen Organisationen wie auch im Dienstinteresse versetzte Militärpersonen mit ihren Angehörigen zuzugsberechtigt waren. Diese Festlegungen reichten noch nicht aus, denn in einem nächstfolgenden Artikel wurde bestimmt, daß jene, die wegziehen wollten, sich bei der Miliz 65
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9lqztd'ltcii91tpa~e 9/onzd:ne HOTARAREA NR.?~4 din 15 III 1951 .,. 1 ue -' M tni~LI7 ' · ~ · tn • S~lf7t0 --'· ,., uetO -' 1 .....15 ... . .Martie .. . .. . . . , . . . . . 1951 . . . ... . . . ... . ... . . · .. . Cc017S/t/U, Vözönd referotul Ministrului Afocerilor Interne cu Nr. ....... ......... .. ..... . ln temeiul ort. 72 din Constitv{io Republiäi Populore
HOTAR.ASTE: Oispoz~tiunile ort. 6 din Hotöröreo Consiliului de 1154 din 26 octombrie 19Sa se modificö ~i se completeozö dupö cum urmeozö : ':Art • 6. - Ministerul Afocerilor Interne 110 puteo pe cole de deäzie sä dispunö mutoreo din centTele oglomerote o oricäror persoone cori nu-~i justificä prezen{O in oceste centre, precum ~; mutoreo din orice locolitote o persoonelor cori prin monifestönle lor fojö de poporuf munätor dOuneozö constroirii sociolismului in Republico Populorö Rorn6nö. Ce/ar muto{i Ii se 110 puteo stobtli domiäliul obligotor in on'ce locolitote •. Art. 2. - Ministrol Afocerilor Interne este outorizot sä ducö Ia indeplinire prevedenle prezentei Hotärori.
Art .1.-
Mini~tli Nr.
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zu melden hätten, um den Umzug bewilligt zu bekommen. Dieser wurde aber nur genehmigt, wenn man einen Zuweisungsschein für den zukünftigen übervölkerten Wohnort vorzeigen konnte. Die Behörden wollten jede Bevölkerungsbewegung überwachen und vorbeugen, daß die Spuren von Menschen in den Städten nicht verlorengehen. Der Artikel 6 dieses Ministerratsbeschlusses bekam infolge einer harmlos anmutenden Verwaltungsmaßnahme, eine ganz besondere Bedeutung für die spätere Deportation in den Baragan. Drei Monate vor der Deportation, am 15. März 1951 forderte Innenminister Teohari Gerogescu mittels eines in eleganter Form gefaßten Schriftstückes seine Ministerkollegen auf, das Projekt eines Beschlusses zu unterzeichnen, um den Artikel6 des Ministerratsbeschlusses Nr. 1154 vom 26. Oktober 1950 abändern und ergänzen zu können. Dieser Beschluß trägt die Unterschriften, wie auf dem Dokument (vorhergehende Seite) ersichtlich, folgender Minister: Teohari Georgescu, Durnitro Coliu, Iosif Chi~inevschi, Vasile Luca, Ana Pauker und die des Generalsekretärs des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei und künftigen Vorsitzenden des Ministerrats Gheorghe Gheorghiu-Dej. Diese Namenszüge unter einem derartigen Beschluß besiegelten das Schicksal von zehntausenden Betroffenen, die genau drei Monate danach deportiert wurden. Dieser Ministerratsbeschluß mit Nr. 344 vom 15. März 1951 veränderte den Artikel6 des vorangegangenen Beschlusses (HCM Nr. 1154) mit einer Ergänzung, die ganz deutlich und unmißverständlich Zwangsumsiedlungen ankündigte und ins Deutsche übersetzt folgendermaßen lautete: "Art. 6 - Das Innenministerium wird beauftragt, anhand eines Beschlusses die Umsiedlung jeder Person aus übervölkerten Wohngebieten zu verfügen, deren Anwesenheit in diesen Zentren nicht gerechtfertigt ist, sowie auch die Umsiedlung aus jeder Ortschaft jener Personen zu veranlassen, die durch ihre Einstellung dem arbeitenden Volk gegenüber, den Aufbau des Sozialismus in der Rumänischen Volksrepublik gefährden. Den Umgesiedelten kann in jeder Ortschaft Zwangsaufenthalt verordnet werden." Durch diesen Ministerratsbeschluß wurde der Innenminister beauftragt, die Bestimmungen des Artikels 6 in die Tat umzusetzen. 5 Damit wurde die Deportation in die Baragan-Steppe von der rumänischen Gesetzgebung aus Rechtens. Das war notwendig, um dem Ausland gegenüber zu zeigen, daß diese Aktion eine vom Gesetz her gebilligte Umsiedlung darstellt. Der nächstfolgende Ministerratsbeschluß mit Nr. 326 S/1951 regelte die Sicherstellung der notwendigen Arbeitskräfte für die landwirtschaftlichen Staatsgüter der Regionen Ialomita und Galati, wie auch die Bildung von Bevölkerungszentren, in welchen Landarbeiter mit ihren Familien angesiedelt werden sollten.6 Dieser Ministerratsbeschluß beruhte auf einem Dekretgesetz des Präsidiums der Großen Nationalversammlung, dessen Nummer bislang unbekannt geblieben ist. Es sah die Bildung von Dörfern mit Landarbeitern und deren Familien vor, die aus anderen
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Regionen des Landes in den neu entstehenden Bevölkerungszentren anzusiedeln waren? Das ist ein weiterer Beweis, daß die Dekretgesetze auf legislativer Ebene die Parteibeschlüsse, in diesem Fall den aus 1949, in die Tat umsetzten und daß der kommunistische Staat von der Partei aus regiert wurde und die Regierung die Marionette der Partei war. Ein Befehl des Innenministeriums an die Kommandostelle der Grenztruppen beinhaltete den Operativplan für die Verschiebungen und Verstärkungen der Grenztruppen entlang der jugoslawischen Grenze. Er endete mit dem Befehl, daß ab 14. Juni 1951, also vier Tage vor dem Beginn der Deportation, Maßnahmen zur gänzlichen Blockierung der Grenze getroffen werden müßten. 8 Das zielte besonders auf die Serben hin, die in der Barrater Grenzzone beheimatet waren, damit sie nicht über die Grenze nach Jugoslawien entkommen konnten. Als Titosympathisanten bekannt, waren sie gerade in dieser Zeit, als sich Tito von den Moskauhörigen getrennt hatte, der Partei ein Dorn im Auge und manche von ihnen waren auch Repressalien ausgesetzt. 9 In einem Buch, das sich die Aufarbeitung dieses leidvollen Ereignisses unserer Heimatgeschichte im Rahmen des bislang Möglichen zum Ziel gesetzt hat, sind diese Dokumente von größter Bedeutung. Deshalb wurden die Texte der zwei wichtigsten Ministerratsbeschlüsse und zweier Richtlinien, die konkret jede Phase der Deportation und die Aufgaben aller an der Deportation beteiligten Ministerien beschreiben, ins Deutsche übersetzt. Derjenige, der diese Beschlüsse und Richtlinien liest, bekommt ein sehr eindeutiges Bild darüber, wie diese Aktion geplant war und in die Tat umgesetzt werden sollte. Daß in der Praxis nicht alles so war und so verlief, wie es die Richtlinien vorschrieben, wird anhand der Erlebnisberichte verdeutlicht. Obwohl die authentischen Übersetzungen dieser Texte aus dem Rumänischen ins Deutsche kompliziert waren, hat sich Richard Weber dazu bereit erklärt und sie sehr kompetent für diese Dokumentation übersetzt.
Anmerkungen: Beschluß des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei vom 3.-5. März 1949 über den Beginn der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft. 2. Deportarea in Bärägan, a.a.O ., Seite 105. 3. Fotomemoria unei deportäri, a.a.O., Seite 1. 4. Ebenda. 5. Deportarea in Bärägan, a.a.O., Seiten 105-106. 6. Ebenda, a.a.O., Seiten 107-112. 7. Golgota Bäräganului, a.a.O., Seite 214. 8. Rusalii 51, a.a.O., Seite 217. AVBD, Dossier 1, Blatt 18. 9. Golgota Bäräganului, a.a.O., Seiten 221-227. 1.
Auf den folgenden Seiten die aus dem Rumänischen ins Deutsche übersetzten wichtigsten Ministerratsbeschlüsse und Richtlinien.
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Richard Weber (Übersetzer) Streng geheim Vertraulich- Persönlich
RICHTLINIE I. Um die Sicherheit der Grenzzone gegen Jugoslawien zu gewährleisten, werden in einer Tiefe von 25 km einige Kategorien von gefährlichen Elementen oder solche, die gefährlich werden können, umgesiedelt. Entlang der Grenze auf dem Festland wird ein hundert Meter breiter Geländestreifen geräumt, der unbestellt und unbewohnt bleibt. li. Gegenstand der Umsiedlung bilden folgende Kategorien: 1. Erste Kategorie: a) Bürger der imperialistischen Staaten und Jugoslawiens sowie Personen, denen diese Staaten die Staatsangehörigkeit aberkannten. b) Entlassene Beamte, ausgeschlossene Militärs und Freischaffende, die aus den Kollegien (Rechtsanwälte) ausgeschlossen wurden, im Arbeitsfeld tätig sind oder nicht, solche, die nicht aus dieser Zone stammen. 2. Zweite Kategorie: a) Aus Bessarabien Gebürtige, die sich auf dem Gebiet der RVR nach dem 1. Juni 1940 niederließen; b) Mazedonischer Abstammung sind; c) Elemente, die den deutschen SS-Einheiten angehörten; d) Spitzenelemente der lokalen Organisationen der ehemaligen Deutschen Volksgruppe (höchstens drei Elemente: Vorsitzender, Stellvertretender Vorsitzender, Sekretär); e) Elemente, die als Titoisten bekannt sind; f) Schmuggler und Wegweiser zur gesetzwidrigen Übertretung der Grenze; g) Verwandte derer, die aus dem Lande geflohen sind; h) Verwandte derer, die mit beseitigten oder in Beseitigung befindlichen Banditen Verbindung unterhielten oder unterhalten, sowie alle, die diese in welcher Form auch immer unterstützten; i) Entlassene Beamte, ausgeschlossene Militärs und Freischaffende, die aus den Kollegien (Rechtsanwälte) ausgeschlossen wurden, im Arbeitsfeld tätig sind oder nicht, welche aus den Grenzgebieten stammen und deren feindliche Aktivitäten bekannt sind; j) Kulaken und Wirte (aus den Gemeinden); k) Ehemalige Kaufleute, die im Ausland tätig waren, sowie jene, die Unternehmen leiteten, welche Fremden gehörten, oder Leiter von Unternehmen waren, die mit dem Ausland geschäftlich in Verbindung standen, ungeachtet der jetzigen Beschäftigung; 1) Ehemalige Industrielle und Großgrundbesitzer.
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Die unter den oben aufgeführten Punktenb-i (einschließlich), werden aufgrund der von der Generaldirektion des Staatssicherheitsdienstes erstellten und an Ort und Stelle überprüften Namenslisten umgesiedelt. Die anderen werden aufgrund der von der Generaldirektion der Miliz erstellten und an Ort und Stelle überprüften Namenslisten umgesiedelt. 3. Dritte Kategorie: a) Elemente, die politisch oder wegen gesetzwidriger Übertretung der Grenze inhaftiert waren und sich nach ihrer Entlassung aus der Haft in dieser Zone niederließen. Diese Elemente werden aufgrundvon Namenslisten der Sekuritate individuell umgesiedelt. b) Elemente, die wegen Verletzung des Gemeinrechts, für eine schwere Gesetzesüberschreitung (Wirtschaftssabotage, Veruntreuung, Diebstahl) inhaftiert waren. Diese Elemtente werden individuell, aufgrund von erstellten Namenslisten seitens der Miliz und überprüft seitens der Zentralkommission, umgesiedelt. III. Die Umsiedlung findet zur gleichen Zeit für alle Kategorien wie folgt statt: a) Denjenigen der ersten Kategorie (vorgesehen im Paragraphen Il, Punkt 1, Buchstaben a und b) wird anheimgestellt, binnen 48 Stunden die Grenzzone zu verlassen und sich in einem anderen Ort niederzulassen, ohne das Recht zu besitzen, in Ballungszentren oder andere Orte der restlichen Grenzzone zu ziehen. (Es werden spezielle Richtlinien erteilt.) Diese werden eine schriftliche Erklärung unterschreiben, in der sie sich verpflichten, die Grenzzone zu verlassen, mit der Angabe der Ortschaft, in der sie sich niederlassen werden. b) Diejenigen der zweiten Kategorie (vorgesehen im Paragraphen II, Punkt 2, Buchstaben a -1) werden aus der ganzen Zone in der Zeit von 6 bis höchstens 24 Stunden umgesiedelt. (Nach der Zahl derjenigen, die aus jeder Ortschaft umgesiedelt werden.) Diese werden sich bis zu den vorher bestimmten Ortschaften, wo sie sich niederlassen müssen, begleitet. c) Diejenigen der dritten Kategorie (vorgesehen im Paragraphen II, Punkt 3, Buchstaben a und b) werden gleich nach der Umsiedlung der zweiten Kategorie umgesiedelt. Es wird ihnen nahegelegt, die Grenzzone innerhalb von 24 Stunden zu verlassen und sich in anderen Ortschaften niederzulassen, aber Ballungszentren oder Ortschaften der Grenzzone zu meiden. Diese Kategorie wird individuell umgesiedelt, die Maßnahme betrifft aber nicht die Mitglieder ihrer Familien. IV. Bei der Umsiedlung obengenannter Kategorien, soll folgendes beachtet werden: a) Es werden nur solche Personen umgesiedelt, die in den Listen vorgemerkt und die Listen an Ort und Stelle überprüft wurden. 70
b) Es wird den Bürgern, die umgesiedelt werden, dargelegt, daß die Umsiedlung in höheren Staatsinteressen geschieht, daß sie in andere Regionen des Landes gebracht werden, wo ihnen Arbeitsbedingungen geschaffen werden, ihnen Möglichkeit gegeben wird sich Häuser zu erbauen und eigenen Boden zu haben. Dies zwecks Verhinderung von ungesunden Manifestationen, die zu Propagandazwecken genutzt werden könnten. c) Es werden alle Maßnahmen getroffen, damit die Umzusiedelnden nicht von ihrem Wohnsitz in der Zeit des Umsiedlungsvorgangs verschwinden. V. Die Umgesiedelten werden auf dem Gebiet der Staatswirtschaften der Gemeinden: Calara~i, Modelul, Jegalia, Pietrosul, Fete~ti, Dragalina, Pelinu, Marcule~ti, Bordu~ani, Luciu, Giurgeni und Andra~e~ti (Region Jalomitza) Tataru und Insuratei (Region Galatz) angesiedelt. VI. Es wird in Betracht gezogen, daß die Umgesiedelten nach sozialen und nationalen Kategorien angesiedelt werden. VII. Die Umgesiedelten können folgende Güter, wie unten aufgeführt, mitnehmen: 1. Umgesiedelte der ersten Kategorie (vorgesehen im Paragraphen II, Punkt 1) können alles mitnehmen, was ihnen gehört. 2. Umgesiedelte der zweiten Kategorie (vorgesehen im Paragraphen II, Punkt 2) können folgendes mitnehmen: a) alle Lebensmittel, die sie besitzen; b) die gesamte Wäsche, alle Kleidungsstücke, Teppiche, und generell, alle Textilien, die sie besitzen; c) alle Möbel und allen Hausrat; d) Handwerkszeuge und Geräte (Spaten, Schaufel, Sichel usw.); e) Geld und Wertgegenstände, die sie besitzen; f) Bücher, Patephone, Rundfunkgeräte und Musikinstrumente, mit Ausnahme von Klavieren; g) desgleichen können sie, sofern sie es besitzen, einen Pferde- oder Ochsenwagen, eine Milch- oder trächtige Kuh, sowie das nötige Futter für Pferde und Rinder mitnehmen. Mit Ausnahme der Wagen und Tiere werden alle anderen Güter, die die Umgesiedelten berechtigt sind mitzunehmen, mit dem Zug transportiert, jeder Familie wird höchstens ein Waggon zur Verfügung gestellt. Um Übergriffe zu vermeiden, werden die Umgesiedelten eine Erklärung unterschreiben, in der angeführt wird, daß sie alle Güter mit sich genommen haben, mit Ausnahme solcher, die verkauft wurden, oder aus verschiedenen Gründen zurückgelassen wurden (aus Platzmangel beim Transport, Rinder, die auf der Weide waren, usw. usf.). 3. Die Umgesiedelten der dritten Kategorie (vorgesehen im Paragraphen II, Punkt 3) können alles mitnehmen, was sie besitzen. VIII. Die Umsiedlungsorgane des Innenministeriums werden die Häuser und alle anderen zurückgelassenen Güter der Umgesiedelten den Übernahme71
kollektiven, die sich aus Delegierten der Volksräte und des Landwirtschaftsministeriums zusammensetzen, übergeben. Die Übergabe findet aufgrund von Protokollen in drei Ausfertigungen statt. IX. Die Umsiedlungsvorgänge werden am ....... beginnen. Der Vorgang wird in zwei Phasen durchgeführt: 1. Vorbereitende Phase und 2. durchführende Phase. X. Um die Umsiedlung durchzuführen, wird eine Zentralkommission zur Leitung der Umsiedlungsvorgänge mit folgenden Genossen gebildet: Stellvertretende Minister: Draghici Alexandru, Jianu Marin, Nurca Mihail, Generalleutnant der Miliz Cristescu Pavel und Generalmajor der Sekuritate Mazuru Vladimir. Die Zentralkommission hat in der Vorbereitungsphase folgende Aufgaben: - Beaufsichtigung der Art und Weise, wie die Überprüfungsarbeiten in jedem Rayon durchgeführt werden. Erstellung eines ausführlichen Plans und der Anleitungen zur Durchführung des eigentlichen Umsiedlungsvorgangs. - Festlegung der nötigen Truppenbestände für die Umsiedlung. - Festlegung der Transportmittel (Waggons und Lastkraftwagen), der Einlade- und Ausladebahnhöfe. - Festlegung der Maßnahmen, die die Grenzer, Sekuritate und Miliz, zur Verstärkung der Grenzwache treffen müssen. - Festlegung der Gemeinden, in die die Umgesiedelten gebracht werden. - Identifikation der Volksratsabgeordneten, die in eine der Kategorien der Umgesiedelten eingestuft sind. Gleichzeitig werden arme, vertrauenswürdige Elemente identifiziert, damit diese in die zu gründenden Provisorischen Komitees der neuen Gemeinden aufgenommen werden können. XI. Der Zentralkommission wird je ein Kollektiv in den Rayons, wo Umsiedlungen stattfinden, untergeordnet. Die Rayonskollektive werden von einem Miliz- oder Sekuritateoffizier geleitet, dem ein Offizier der Truppen des Innenministeriums beizustehen hat. Diesem Kollektiv gehören noch als Hilfsorgane die Rayonskommandanten der Miliz- und Sekuritateformationen an. XII. In der Vorbereitungsphase werden die Umzusiedelnden namentlich festgelegt, desgleichen die nötigen Mittel zur Durchführung des eigentlichen U msiedlungsvorgangs. Zu diesem Zweck werden den Arbeitskollektiven der Rayons eine Anzahl von Offizieren der Sekuritate und Miliz zur Verfügung gestellt, ausgewählt unter den Parteimitgliedern, mit Orientierungsvermögen im Gelände, die in jeder Ortschaft die Listen der Sekuritate und Miliz überprüfen und komplettieren werden. Diesen wird seitens der Zentralkommission eine gründliche Schulung zuteil. Es wird ihnen nicht nur gezeigt, welche Aufgaben und wie sie diese 72
auszuführen haben, es wird ihnen vielmehr die Wichtigkeit der Aufgabe vor Augen geführt, und speziell auf ihre geheime Mission hingewiesen. Die Uberprüfung und Komplettierung der Listen mit den Kategorien der Umgesiedelten, sowie die anderen ihnen zugeteilten Aufgaben, müssen in sieben Tagen durchgeführt werden. Die Arbeiten werden den Arbeitskollektiven der Rayons übergeben, welche diese sogleich der Zentralkommission zuleiten. XIII. Aufgrund der Namenslisten, welche die Zentralkommission dem Innenministerium zusendet, wird dieses gemäß Art. 6 des Ministerratsbeschlusses 344 einen Entschluß fassen, wonach die Umsiedlung beschlossen wird. Zugleich werden die Transportmittel zu den festgelegten Punkten beordert, während die handelnden Truppen, Offiziere und Sergeanten der Miliz und Sekuritate, die für den Umsiedlungsvorgang nötig sind, in die Umsiedlungszone abgehen werden. XIV. Nach Zuteilung der festgelegten Mannschaften, sowie der Transportmittel, setzt die Zentralkommission die nötigen Maßnahmen zur Durchführung- Tag und genaue Uhrzeit- des Umsiedlungsvorgangs fest. Speziell wird auf die gründliche Unterweisung der Kollektive aus jedem Rayon, der Offiziere und Sergeanten der Miliz und Sekuritate, sowie Kommandanten der Militäreinheiten in jeder Gemeinde, betreffend ihrer Aufgaben und die Art und Weise wie diese ausgeführt werden, verwiesen. An dem festgelegten Tag wird die Truppe die Stellung beziehen, die Offiziere (oder Sergeanten) der Miliz oder Sekuritate aber, welche den Vorgang in jeder Gemeinde leiten, schreiten zur Durchführung des Umsiedlungsvorgangs. Es wird jenen der ersten Kategorie mitgeteilt, daß sie in 48 Stunden die Grenzzone zu verlassen haben. Gleichzeitig wird der Umsiedlungsvorgang der zweiten Kategorie eingeleitet. Jeder Person oder Familie, welche umgesiedelt werden soll, wird der Beschluß des Innenministeriums zur Kenntnis gebracht, ebenso werden ihnen die Transportmittel mitgeteilt, die ihnen zur Verfügung gestellt sind. Desgleichen wird ihnen dargelegt, daß die Güter, welche sie nicht befördern können, verkauft werden. Gleichzeitig wird ihnen die Uhrzeit mitgeteilt, wann sie mit dem Packen fertig sein müssen. In jedem Bauernhof (der Elemente der zweiten Kategorie), in dem der Beschluß mitgeteilt wurde, verbleiben ein oder zwei Soldaten, um zu überwachen, daß die Betroffenen keine Güter zerstören, in Brand setzen, oder selber verschwinden. Nachdem sie ihre Sachen verpackt und solche, die sie verkaufen wollten, verkauft haben, wird die ganze Familie jener der zweiten Kategorie zu den Einladeplätzen in die Züge begleitet und dem Kommandanten des Zuges übergeben. 73
Jeder Zug erhält einen Offizier, Kommandant des Transports, dem eine Anzahl von Sergeanten und Soldaten zur Beihilfe zugeteilt werden. Diese begleiten alle Züge bis zu den Entladebahnhöfen. Der Kommandant des Transports ist für die Umgesiedelten bis zu ihrer Übergabe am Entladebahnhof verantwortlich. Auf den Entladebahnhöfen werden die Umgesiedelten von Aufsichtspersonen übernommen und mit Transportmitteln jeglicher Art in die von der Kommission bestimmten Endorte gebracht. Die Bauernwagen und Tiere, welche die Umgesiedelten mitnehmen durften, werden in Herden bis zu den Ortschaften, in welchen sich die U mgesiedelten niederlassen, getrieben. Der Transport wird von der Miliz begleitet. In der Durchführungsphase leitet die Zentralkommission an Ort und Stelle den Umsiedlungsvorgang, trifft alle Maßnahmen, damit dieser unter den besten Bedingungen, gemäß dem festgelegten Plan und den Anweisungen, abläuft. XV. Nach dem Abschluß des Umsiedlungsvorgangs wird zur Evakuierung der Häuser im Grenzstreifen, in einer Tiefe von 100 Metern von der Grenze (Grenzpfahl) einwärts geschritten. Dieser Streifen bleibt unbewohnt und wird nicht bestellt. Zu diesem Zweck wird man zu berücksichtigen haben, daß bei der Zuteilung von Grundstücken und Häusern, die von den Umgesiedelten zurückgelassen wurden, man Häuser und Grundstücke in gleicher Oberfläche und Qualität zum Umtausch jenen, die aus dem Grenzstreifen von 100 Metern evakuiert wurden, zur Verfügung stellt. XVI. Dem Innenministerium fallen folgende Aufgaben zu: - Erstellen der Namenslisten sämtlicher Kategorien, die umgesiedelt werden; - den ganzen Umsiedlungsvorgang zu organisieren; - Mittel für die Truppenverschiebungen, im Hinblick auf die Umsiedlung, vorzubereiten; - Maßnahmen zur Sicherung der Grenzen, während des U msiedlungsvorgangs, zu treffen; - Über die Generaldirektion der Miliz sind Maßnahmen zu treffen, die Umgesiedelten zu überwachen, zu welchem Zweck in den Gemeinden, in welche die Umgesiedelten gebracht werden, Milizämter zu gründen sind. In die Belegschaft dieser Milizämter werden auch Milizmänneraus der Umsiedlungszone hierher versetzt. Die Milizämter werden vor der Ankunft der Umgesiedelten errichtet, mit dem Sitz in benachbarten Orten oder in den Gebäuden der Staatswirtschaften. Diese Milizämter werden auch die Aufgabe haben, die Umgesiedelten auf den Ankunftsbahnhöfen zu empfangen und sie an den Bestimmungsorten unterzubringen; - gleichfalls werden über die Generaldirektion der Miliz Maßnahmen getroffen, damit in den Rayons, in denen die Anzahl der Umgesiedelten groß
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sein wird, der Stellvertreter des Rayonskommandanten sich insbesondere mit diesem Problem beschäftigt. Für jede einzelne Aufgabe, die dem Innenministerium zufällt, wurden beiliegende Anleitungen erarbeitet.
Anhang zu der erlassenen Richtlinie, betreffend die Umsiedlung einiger Kategorien von Bürgern aus der Grenzzone zu Jugoslawien. Der Anhang bezieht sich auf die Erläuterung einiger Punkte der Richtlinie. Erste Kategorie: Pkt. a (Fremde). Werden sich auf eigene Kosten in andere Ortschaften, außerhalb der Grenzzone, niederlassen. Es wird von ihnen jeweils eine Erklärung abgenommen, in welcher der Ort angezeigt wird, in welchem sie sich niederlassen. Die Milizorgane werden Maßnahmen treffen, damit jene Ortschaften, in welchen sie sich niederlassen, den Staatssicherheitsinteressen entsprechen. Sie werden die Zone innerhalb von 48 Stunden, von der Bekanntmachung gerechnet, verlassen. Pkt. b (entfernte Beamte, usw., usf. aus anderen Zonen). Sie werden ebenfalls mit denjenigen von Pkt. a zum Verlassen der Grenzzone, innerhalb von 48 Stunden, aufgerufen und sollen sich in ihren Herkunftsortschaften niederlassen. Die Milizorgane werden über diese eine genaue Evidenz führen, die auch den Organen der Sekuritate mitgeteilt werden muß. Aufgrund von Listen werden die Institutionen, die gegebenenfalls einige dieser Personen beschäftigen, verständigt, sie mögen diese anderwärts einstellen. Jene, die zur Zeit der Umsiedlung verantwortungsvolle Stellungen (Verwaltung von Geld oder von Materialien, Handhabung von Geld, usw., usf.) bekleiden, müssen sofort ersetzt, und andere, aufgrund von Protokollen, mit dieser Arbeit betraut werden. In diesen Fällen kann nicht mechanisch auf das Verlassen der Zone zum gegebenen Zeitpunkt gedrängt werden, sondern im Verhältnis zur Möglichkeit der Übergabe der Arbeit. Zweite Kategorie: Pkt. a (aus Bessarabien Gebürtige). Generell wird diese Kategorie von den Staatsorganen, in organisierter Weise, umgesiedelt. Ausnahme bilden Priester, die zu dieser Kategorie gehören. Aufgrund von Listen wird das Kultusministerium verständigt, das dann diese Priester in Ortschaften außerhalb dieser Zone zu versetzen hat. In Betracht zu ziehen sind dabei die Anweisungen des Innenministeriums betreffend die Ortschaften, in die jene nicht übergesiedelt werden dürfen. 75
Angestellte, die zur Zeit der Umsiedlung Geld oder Materialien verwalten und diese nicht in der vorgeschriebenen Zeit übergeben können, bekommen einen Aufschub von höchstens 12 Stunden. Ebenso wird mit den Verkehrsbeamten der Eisenbahnstationen verfahren. Nach Übergabe der Arbeit werden alldiese in die Ortschaften, wo Umsiedlungen stattfinden, geschickt und für administrative Arbeiten oder Feldarbeiten (nach ihrem vorherigen Verhalten) verwendet. Pkt. g (Verwandte jener, die aus dem Lande geflohen sind). Unter Verwandten derer, die aus dem Lande geflohen sind, versteht man nur die Verwandten jener, welche illegal die Landesgrenze überschritten haben und nach dem 23. August 1944 in imperialistische Länder oder nach Jugoslawien gerieten. Die Verwandten jener, die sich infolge des Krieges unabhängig von ihrem Willen im Ausland befinden, bilden nicht Gegenstand der Umsiedlung. Ihre Situation wird gemäß dem Beschluß über die Wiederzusammenführung der getrennten Familien gelöst werden. Pkt. i (aus ihrem Dienst entfernte Beamte, usw., usf., gebürtig aus dieser Zone). Bei diesem Punkt wird in Betracht gezogen, daß die Entfernung entlassener Militärs nur aufgrund von Beweisen ihrer feindlichen Haltung und nicht aufgrundvon vagen, nicht überprüften Vermutungen, erfolgen kann. Auch bei diesem Punkt muß Sorge getragen werden, damit man jene, die Verantwortung tragen, nicht entfernt, bevor sie ihre Stellung mit Einhaltung der gegebenen Formen übergeben haben. Pkt. 1 (ehemalige Industrielle und Großgrundbesitzer). Hier muß man sich vor Ort orientieren. Wenn sich in dieser Kategorie technisch sehr wertvolle Ingenieure oder Ärzte befinden, so sollen diese nicht gleichzeitig mit den anderen umgesiedelt werden, sondern nachträglich auf der Ebene der Institutionen, denen sie angehören. ARCHIV DES VERBANDES DER EHEMALIGEN BÄRÄGAN-DEPORTIERTEN Dossier Nr. 1, Blatt 1-10
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Richard Weber (Übersetzer) Streng geheim Vertraulich- Persönlich
RICHTLINIE I. Um die Probleme zu lösen, die sich infolge der Umsiedlung, welche in der Grenzzone zu Jugoslawien in einer Tiefe von 25 km erfolgen wird, ergeben, Probleme in Verbindung mit der Konservierung und Verwaltung von gekauften und zurückgelassenen Gütern der Umgesiedelten, desgleichen solche, die die Organisierung von Unterkünften für die Umgesiedelten an ihren Bestimmungsorten und ihre Verwendung zur Arbeit betrifft, wird eine Kommission gebildet, die sich aus Delegierten des Landwirtschaftsministeriums, des Innenministeriums, des Finanzministeriums, des Innenhandelsministeriums, der Staatskommission für Planung, des Staatskomitees zur Einsammlung verschiedener Produkte, der Generaldirektion für die Angelegenheiten des Ministerrates, des Departements für Lokalwirtschaft und des Zentralverbandes der Konsumgenossenschaften zusammensetzt. Mit der Leitung dieser Kommission wird Genosse Vidra~cu Ion, Stellvertretender Minister, betraut. Die Kommission wird im Plenum, oder mit einer begrenzten Zahl, nach Problemen, die zu erledigen sind, arbeiten. Für die Probleme betreffend die Umsiedlung werden nur die Mitglieder einberufen, die mit diesem Problem zu tun haben. Für die Probleme, welche an den Bestimmungsorten auftreten, werden nur diejenigen Mitglieder einberufen, die an der Lösung dieser Probleme interessiert sind. II. Die Kommission hat folgende Aufgaben: a) den Ankauf der Güter zu organisieren, die die Umsiedler zum Verkauf anbieten; b) Maßnahmen zur Konservierung dieser Güter zu treffen; c) die Verwertung der angekauften Güter festzulegen; d) die Zuteilung der angekauften Güter festzulegen; e) Maßnahmen zur Konservierung der mit Inventar vom Innenministerium übernommenen Güter zu treffen; f) die Fortsetzung der landwirtschaftlichen Arbeiten zu sichern; g) Vorschläge zu unterbreiten, die die Zuteilung der übernommenen Grundstücke, der Häuser und der Möbel betreffen; h) das Erbauen von Wohnungen für die Umgesiedelten in deren Ansiedlungsorten zu organisieren; i) die Verwendung der Umgesiedelten bei den anstehenden Arbeiten zu orgams1eren; k) in den Ansiedlungsorten sanitäre Maßnahmen zu treffen. 77
III. Den Umsiedlern wird das Recht zugestanden, alle Güter (außer Feld und Häuser), welche sie nicht mitnehmen können, zu verkaufen. Der Verkauf kann aber nur an die von der Kommission organisierten Kollektive stattfinden. Der Ankauf findet zu Staatspreisen und unter Berücksichtigung des Abnützungsgrades statt. Den armen und mittleren Bauern, sowie auch den Beamten, wird für die verkauften Güter, der ihnen zustehende Betrag in voller Höhe ausbezahlt. Die Schätzung der von den Kulaken verkauften Güter wird zu 50% des Staatspreises festgelegt. Wenn der Unterschied zwischen Mittelbauer und Kulaken schwer festzustellen ist, wird die Zahlungskommission nach Schätzung nur 75 % des Staatspreises zahlen. Für die bezahlten Beträge werden dieUmsiedlereine Quittung- aus einem typisierten Quittungsbuch- unterschreiben. In der Quittung wird der Betrag für jedes einzelne Stück angeführt. Eine Kopie der Quittung erhält der Verkäufer. Von den Umsiedlern als Eigentum erklärte Güter, die zur Zeit in der Wirtschaft nicht vorhanden sind (Rinder, Schafe usw.) werden in einer Erklärung, die der Umsiedler abzugeben hat, aufgeführt, um nachher nach den festgelegten Normen, übernommen und bezahlt zu werden. IV. In jeder Region, Rayon und Gemeinde werden Delegierten-Kollektive der Volksräte und des Landwirtschaftsministeriums gebildet. Diese Kollektive erhalten von den Umsiedlungsorganen des Innenministeriums die Häuser und generell alle von den U msiedlern zurückgelassenen Güter. Die Übergabe-Übernahme findet aufgrund von Protokollen, in drei Exemplaren, statt. Diesen Kollektiven obliegt die Aufgabe, eine Bestandsaufnahme der von den U msiedlern zurückgelassenen Grundstücke zu machen. Die aufgrundvon Protokollen erhaltenen Güter können unter keiner Form veräußert werden. Die Kollektive werden Maßnahmen ergreifen, um die übernommenen Güter zu bewahren (konservieren). Desgleichen werden diese Maßnahmen treffen, damit die landwirtschaftlichen Arbeiten fortgesetzt werden. Dazu wird man sowohl das lebende als auch das tote Inventar, welches aufgrund von Protokollen übernommen oder zugeteilt wurde, benützen. Die Kollektive werden ihre Tätigkeit unter ständiger Kontrolle und Anleitung der regionalen Parteiorganisationen entfalten. Die Bestandsaufnahmeprotokolle werden auf Gemeinden, dann auf jeden Rayon zentralisiert, während die Kollektive aus jeder Region diese auf die ganze Region zentralisieren. Die Zentralisierung auf Regionen wird der Zentralkommission innerhalb von sieben Tagen, vom Tag der Umsiedlung gerechnet, übergeben.
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Die Grundstücke, Häuser und das Mobiliar werden später, nachdem die Daten über die zurückgelassenen Güter in der ganzen Grenzzone zentralisiert wurden, aufgrundvon Vorschlägen der Kommission zugeteilt. Die Zuteilung wird aufgrund höherer Genehmigung erfolgen. V. Um die Arbeit der Volksräte aus den Gemeinden, in denen die Mehrheit der Angestellten der Volksräte umgesiedelt wurden, nicht zu behindern, werden die Regionsparteiorganisationen und Volksräte Maßnahmen zum sofortigen Ersatz treffen. VI. Um die Umgesiedelten unterzubringen, werden Typ-(Muster-)Häuser aus Lehmziegeln, mit Schilf gedeckt, erbaut. Diese werden auf Parzellen zu je 2.500 qm errichtet. Es werden- gemäß dem Kostenvoranschlag- eine Anzahl von 7.000 Häusern erbaut, davon die Hälfte nach Typ A und die andere Hälfte nach Typ B. Das Material zum Bau der Häuser wird den Umgesiedelten kostenlos, gemäß dem Muster-Kostenvoranschlag, ZurVerfügung gestellt. Das Erbauen der Häuser wird von den Umgesiedelten durchgeführt. Damit die Gewähr besteht, daß die Häuser gemäß Plan und auf den festgelegten Parzellen erbaut werden, findet dieses unter Anleitung der Organe des Landwirtschaftsministeriums, der Provisorischen Komitees, die gebildet werden, und der Volksräte statt. VII. Unter Fürsorge der betreffenden Ministerien werden in allen neugegründeten Gemeinden öffentliche Gebäude für die Autoritäten und Institutionen (Volksräte, Milizämter, Staatskrankenhäuser, Schulen, Genossenschaften, usw.) erbaut. Diese Gebäude werden aus dem gleichen Material wie die der Umgesiedeltenaufgrund von Muster-Plänen errichtet, damit die gleichförmige Erbauung in allen Gemeinden gewährleistet wird. VIII. Die Umgesiedelten werden von den landwirtschaftlichen Staatsgütern zum Bestellen der Baumwollplantagen, der Reisfelder sowie zu jedwelcher Arbeit innerhalb dieser Güter verwendet. Jene, die vor der Umsiedlung administrative Funktionen ausübten (bei den Volksräten, Genossenschaften, landwirtschaftlichen Staatsgütern usw.), werden in den Ortschaften, in die sie gebracht wurden, zu gleichen oder ähnlichen Arbeiten verwendet. Diejenigen aber, die eine feindliche Einstellung hatten, werden nur zu Feldarbeiten verwendet. IX. Abgeordnete der Volksräte, die in die Kategorie der Umsiedler eingestuft wurden, verlieren die Eigenschaft als Abgeordnete nicht. Ihre Lage wird später, nach Überprüfung jedes einzelnen Falles, gelöst werden. Diejenigen, die bei der Überprüfung als geeignet befunden werden, können in den Ortschaften, wohin sie gebracht wurden, ihre Befugnisse weiter ausüben. X. Die zur Umsiedlung nötigen Unkosten, sowie alljene, die sich aus dieser ergeben, werden von der Kommission festgelegt. 79
Für all diese Unkosten wird vom Finanzministerium, zu Lasten der interessierten Ministerien, ein Kredit eröffnet. XL In Zusammenarbeit mit dem Departement für Lokalwirtschaft und den Rayonsvolksräten wird das Landwirtschaftsministerium den Standort der Gemeinden, in welche die Umgesiedelten sich niederzulassen haben, festlegen. Das Landwirtschaftsministerium wird das Erbauen der Wohnungen und das Graben von Brunnen seitens der Umgesiedelten anleiten und überwachen. Nachdem sich die Umgesiedelten ihre Häuser erbaut haben, wird das Landwirtschaftsministerium in Berücksichtigung des allgemeinen Inventars den Umgesiedelten, jeder Wirtschaft, je ein Ferkel, 2 oder 3 Schafe, 5-6 Stück Geflügel, zum Staatspreis besorgen. Desgleichen wird das Landwirtschaftsministerium den Leitungsapparat des landwirtschaftlichen Staatsguts sowie dessen Abteilungen, die in jenen Gemeinden gegründet werden, aus denen Umsiedlungen vorgenommen wurden, mit überprüften Elementen, welche von den regionalen Parteiorganen rekrutiert werden, sichern. Dabei soll vermieden werden, in die Leitung dieser Wirtschaften Elemente aus der Kategorie der Umgesiedelten oder regimefeindliche Elemente einzustellen. XII. Das Landwirtschaftsministerium und die Volksräte werden die nötigen Maßnahmen treffen, damit die Feldarbeiten auf den von den Umgesiedelten im Jahre 1951 zurückgelassenen Grundstücken auch weiterhin durchgeführt werden. Zu diesem Zweck werden Arbeitskräfte aus den Reihen jener Elemente verwendet, die aus der Jahrgangsüberzahl ('~)hervorgehen. Diese dürfen auf keinen Fall aus den Regionen stammen, in denen Umsiedlungen vorgenommen wurden. Auch müssen diese überprüft werden, um das Eindringen feindlicher Elemente in die Grenzzone zu vermeiden. Zur Durchführung der Arbeiten wird das Landwirtschafts- und Bauministerium die nötige Anzahl Männer sowie die Kommandanten, die diese anführen, festlegen. Das Landwirtschaftsministerium wird ebenfalls die nötigen Arbeitskräfte sowie technisches und Leitungspersonal sichern. Dazu werden überprüfte Bürger aus den betreffenden Regionen, aber keinesfalls solche, die mit der Kategorie der Umgesiedelten gleichzusetzen wären, angestellt. XIII. Dem Verkehrsministerium fällt die Aufgabe zu, die nötigen Transportmittel (Waggons und Lastkraftwagen) zum Transport der Umgesiedelten und deren Güter, sowie für den Transport der nötigen Materialien, die zum Erbauen der neuen Wohnungen der Umgesiedelten nötig sind, zu sichern. Beim Erstellen des Fahrplans der Züge mit den Umgesiedelten soll berücksichtigt werden, daß die Fahrt so schnell wie möglich abläuft. Es soll verhütet werden, daß Züge mit den Umgesiedelten den Verkehr der übrigen Züge lahmlegen.
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Desgleichen werden Maßnahmen getroffen, damit die Züge mit den Umgesiedelten auf dem Außenverkehrsgürtel um die Stadt Bukarest geleitet werden. XIV. Das Gesundheitsministerium muß Maßnahmen zur Vorbeugung von Epidemien in den Umsiedlungsorten treffen. Zu diesem Zweck muß rechtzeitig Sanitätspersonal und Material gesichert werden. Desgleichen werden in den Gemeinden, in welche Umgesiedelte gebracht wurden, Staatsspitäler mit 6-7 Betten erbaut. XV Die Staatsplanungskommission wird sämtliche Materialien, die zum Bau von Häusern, von Brunnen und von Gebäuden der Institutionen notwendig sind, einplanen. Die Übernahme und die Verteilung der Materialien wird vom Landwirtschaftsministerium für die Wohnungen und Brunnen, und von den zuständigen Institutionen für die anderen Gebäude, im Einklang mit den Typ-Kostenvoranschlägen, durchgeführt. XVI. Dem Unterrichtsministerium obliegt die Aufgabe, Maßnahmen zu treffen, damit die Kinder der Umgesiedelten den Schulunterricht nicht unterbrechen. Zu diesem Zweck werden Möglichkeiten geschaffen, damit diese Kinder bis zur Gründung von neuen Schulen, für die auch die nötigen Lehrkräfte gesichert werden müssen, in den vorhandenen Schulen den Unterricht besuchen. XVII. Das Departement für Lokalwirtschaft wird aufgrund der Anleitungen des Landwirtschaftsministeriums Maßnahmen zur Festlegung der Standorte der neuen Gemeinden treffen. XVIII. Die Generaldirektion für die Angelegenheiten des Ministerrats wird Maßnahmen treffen, damit in den Gemeinden, welche durch die Niederlassung der Umgesiedelten entstanden sind, sogleich Provisorische Komitees gegründet werden. Desgleichen wird sie Richtlinien zur Funktionsweise dieser Komitees verfassen. XIX. Der Zentralverband der Konsumgenossenschaften (Centrocoop) wird die zur Versorgung der Umgesiedelten nötigen Konsumgenossenschaften organisieren. XX. Das Finanzministerium wird die nötigen Kredite für alle Unkosten der Umsiedlung oder solche, die in Verbindung mit dieser entstanden sind, eröffnen. Gleichzeitig wird es die Verwendungsnormen für diese Kredite erarbeiten. Um alle Aufgaben zu lösen, die der Kommission obliegen, werden ausführliche Instruktionen für jedes Problem erarbeitet. ARCHIV DES VERBANDES DER EHEMALIGEN BÄRÄGAN-DEPORTIERTEN Dossier Nr. 1, Blätter 11-17
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Anmerkung: (':·) Damit wurde in Rumänien die Jahrgangsüberzahl an Rekruten bezeichnet, die vom Militärdienst freigestellt waren, aber in sogenannten Baueinheiten (deta~amente de construqii) Arbeitsdienst leisten mußten. Es handelte sich zumeist um solche Jugendliche, die für den eigentlichen Militärdienst aus Gründen ihrer sozialen ("ungesunden") Herkunft, nicht in Frage kamen.
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Richard Weber (Übersetzer)
MINISTERRAT DER RUMÄNISCHEN VOLKSREPUBLIK
BESCHLUSS Nr. 326/S zur Sicherstellung der nötigen Arbeitskräfte in den landwirtschaftlichen Staatsgütern der Regionen Jalomitza und Galatz Der Ministerrat in der Sitzung vom 27. VIII. 1951. Angesichts des Berichtes des Landwirtschaftsministeriums, unter Nr. 714/S vom 27. VIII. 1951. Aufgrund des Artikels 72 der Verfassung der Rumänischen Volksrepublik: BESCHLIESST Art. 1 -Zur Sicherstellung der nötigen Arbeitskräfte in den landwirtschaftlichen Staatsgütern der Regionen Jalomitza und Galatz wird gemäß dem Dekret des Präsidiums der Großen Nationalversammlung Nr...... , die Bildung von Bevölkerungszentren bewilligt, in welche Landwirtschaftsarbeiter mit ihren Familien aus anderen Regionen anzusiedeln sind. Art. 2 - Es wird eine interministerielle Kommission gebildet, die sich aus Delegierten des Präsidiums des Ministerrats, des Landwirtschaftsministeriums und des Innenministeriums zusammensetzt. Diese wird alle nötigen Maßnahmen zur Durchführung der Aufgaben treffen, die im vorliegenden Beschluß vorgesehen sind. Art. 3 - Zur Durchführung des im Art. 1 vorgesehenen Vorhabens werden folgende Aufgaben festgelegt: a) Das Landwirtschaftsministerium, das Bauministerium, das Gesundheitsministerium und das Departement für Kommunalwirtschaft und Lokalindustrie des Innenministeriums, werden geeignete Orte zur Gründung von Bevölkerungszentren auswählen und gleichzeitig die dazu nötigen Projekte ausarbeiten. b) Das Landwirtschaftsministerium wird jeder Familie, die sich, wie im Art. 1 angeführt, in Bevölkerungszentren niederläßt, je 2.500 qm aus dem Bodenbestand der landwirtschaftlichen Staatsgüter zur Erbauung von Wohnungen und Eigenwirtschaften zuteilen, ebenso den nötigen Boden für Straßen, Plätze und öffentliche Institutionen. Dort, wo der Boden der landwirtschaftlichen Staatsgüter für die Erbauung von Wohnungen nicht geeignet ist, wird in gutem Einvernehmen mit Eigentümern ein Bodentausch vorgenommen, oder mit solchem aus den Staatsreserven. c) Das Departement für Kommunalwirtschaft und Lokalindustrie wird das Erbauen von Arbeiterwohnungen und öffentlichen Gebäuden orgams1eren
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und anleiten, ebenso die Wasserversorgung in den im Art. 1 angeführten Bevölkerungszentren. Dazu wird ein Bauamt mit den betreffenden Baustellen gegründet. d) Aufgrund von Anträgen der interministeriellen Kommission wird das Staatskomitee für Planung die nötigen Materialien, welche nicht aus lokalen Quellen zu besorgen sind, für die in diesem Beschluß vorgesehenen Arbeiten zuweisen. Zu diesem Zweck wird innerhalb von 15 Tagen nach Unterzeichnung des vorliegenden Beschlusses, das Staatskomitee für Versorgung, die Staatsplanungskommission und das Departement für Kommunalwirtschaft und Lokalindustrie, die Liste der Materialien, mit Angabe der betreffenden Mengen, die aus dem zentralisierten Staatsfonds zugewiesen werden können, erstellen. e) Das Gesundheitsministerium wird Maßnahmen ergreifen, damit in den Bevölkerungszentren die nötige sanitäre Hilfe organisiert und gewährleistet wird. f) Das Unterrichtsministerium wird die nötigen Maßnahmen treffen, damit der Unterricht der Kinder in den neugegründeten Gemeinden der Regionen Jalomitza und Galatz gewährleistet wird. g) Das Verkehrsministerium wird aufgrundder seitens der interministeriellen Kommission vorgelegten Pläne den Transport von Materialien, die zum Erbauen der neuen Wohnungen nötig sind, zeitgerecht sichern. h) Der Zentralverband der Genossenschaften wird Maßnahmen zur Gründung von Verkaufshäusern der Rayonsverbände und der Genossenschaften aus den Regionen Jalomitza und Galatz treffen und nach Bedarf die Einrichtung von Konsumgenossenschaften unterstützen. Art. 4 - Das Landwirtschaftsministerium: a) Wird das lebende und tote landwirtschaftliche Inventar aus den Ortschaften, aus welchen jene wegziehen, die sich in den Regionen Jalomitza und Galatz niederlassen, aufnehmen, aufkaufen und übernehmen. b) Wird vermittels der landwirtschaftlichen Staatsgüter Maßnahmen treffen, damit die übernommenen Güter entsprechend verwaltet, die Böden, Erträge und Erzeugnisseinstandgehalten werden, desgleichen die Ernte zeitgerecht eingebracht und verwertet wird. c) Die Vollzugsausschüsse der Volksräte aus den Regionen Temeschburg, Sewerin, Dolj und Gorj, werden vermittels der zuständigen Organe Maßnahmen ergreifen, damit die Wohnungen der Umgesiedelten instandgehalten und nach örtlichem Bedarf, gemäß den vom Departement für Kommunalwirtschaft und Lokalindustrie festgelegten Normen und Instruktionen, vergeben werden. Art. 5 - Die interministerielle Kommission wird vermittels der Organe des Landwirtschaftsministeriums die nötigen Maßnahmen ergreifen, um den landwirtschaftlichen Besitz (lebendes und totes Inventar), der gegen Bezahlung von den in die Regionen Jalomitza und Galatz umgesiedelten Einwohner übernommen wurde, zu liquidieren. 84
Die Liquidierung dieser Besitztümer wird durch Verkauf an die Einheiten des Landwirtschaftsministeriums, der landwirtschaftlichen Kollektivwirtschaften, der Organe für das Einsammeln von Produkten und anderen Staatseinheiten vollzogen. Zu diesem Zweck werden alldiese sich an die interministerielle Kommission wenden. Die für jene Region ernannten Kommissionen werden die Kaufpreise festlegen, die aufgrund von Normen vom Komitee für Preise erarbeitet, vom Finanzministerium begutachtet und der interministeriellen Kommission zur Verfügung gestellt werden. Die Kommissionen setzen sich aus Vertretern des Komitees für Preise, des Landwirtschaftsministeriums und des Regionsvolksrates zusammen. Die Agrarprodukte von den Feldern der Umgesiedelten, die der Abgabepflicht unterlagen, werden vollzählig dem Komitee für die Einsammlung der landwirtschaftlichen Erträge zugunsten des zentralisierten Staatsfonds zu den Preisen, die im Ministerratsbeschluß Nr. 379 vorgesehen sind, übergeben. Art. 6 - Das Finanzministerium wird ermächtigt, aufgrund von Anträgen der interministeriellen Kommission den Staatsinstitutionen und Organisationen, die zum Ankauf des Inventars (als Anlagevermögen gekennzeichnet) von der umgesiedelten Bevölkerung, sowie zum Erwerb von Jungvieh, Erträgen, Erzeugnissen und Futter (als Umlaufvermögen gekennzeichnet), sowie die zum lnstandhalten, zum Einbringen und Verwerten der Ernten nötigen Fonds zur Verfügung zu stellen. Die den Staatsinstitutionen und Organisationen als Ankäufer vom Finanzministerium zur Verfügung gestellten Fonds werden von den verwerteten Erträgen, Erzeugnissen und Futter und von den seitens der Bank der Volksrepublik erhaltenen Krediten für neue Planaufgaben bis zum 31. Dezember 1951 zurückgezahlt. Art. 7- Um den Ankauf der aus den Umsiedlungsvorgängen resultierenden Anlagevermögen seitens der landwirtschaftlichen Staatsgüter zu ermöglichen, wird die Ergänzung der Investitionspläne in Höhe von 450.000.000 Lei genehmigt. Die Verteilung dieses Betrags auf die Pläne der einzelnen landwirtschaftlichen Staatsgüter, wird vom Landwirtschaftsministerium vorgenommen. Die Staatsbank wird den landwirtschaftlichen Staatsgütern Kredite zur Erfüllung der neuen Planaufgaben, die sich aus der Anwendung des gegenwärtigen Beschlusses ergeben, einräumen. Art. 8 - Zum Erbauen der Arbeiterwohnungen, der öffentlichen Gebäude und der Wasserversorgung in den Regionen Jalomitza und Galatz wird die Ergänzung des Investitionsplans des Departements für Kommunalwirtschaft und Lokalindustrie, mit dem Betrag in Höhe von 1.530.000.000 Lei - den Gegenwert der endgültigen Kostenvoranschläge der Arbeiten und der Forschungs- und Projektausgaben darstellend- genehmigt.
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Zur Ausstattung der öffentlichen Gebäude mit Möbeln werden die nötigen Kostenvoranschläge dem Staatskomitee für Preise vorgelegt, um die zusätzlichen Beträge festzulegen. Bis zur Finanzierungseröffnung der Investitionen dieser Arbeiten seitens der Kreditbank wird das Finanzministerium ermächtigt, dem Departement für Kommunalwirtschaft und Lokalindustrie die nötigen Fonds in Form von Vorschüssen, welche bei der Eröffnung der Finanzierung rückerstattet werden, zur Verfügung zu stellen. Art. 9- Aufgrund von Sachlageberichten des Landwirtschaftsministeriums wird der Zentralverband der Genossenschaften die Futtermittel, die zur Ernährung der Tiere der Landarbeiter, die in die Regionen Jalomitza und Galatz umgesiedelt wurden, benötigt werden, aber nicht aus lokalen Ressourcen gedeckt werden können, ankaufen und gegen Bezahlung liefern. Die Fütterung der Tiere der umgesiedelten Landarbeiter, welche bei den Arbeiten auf den landwirtschaftlichen Staatsgütern verwendet werden, wird von diesen aufgrund ihres Futterversorgungsplans gesichert. Art. 10- Die Zahlungen mit Rückzahlungsanspruch in Höhe von 564.000.000 Lei, die vom Finanzministerium bis zum vorliegenden Beschluß im Zusammenhang mit der Finanzierung obiger Aktionen durchgeführt wurden, werden ratifiziert. Art. 11 -Den Finanzkontrollorganen obliegt die Verpflichtung, die Gebahrungsoperationen, betreffend die Durchführung der Anordnungen zu diesem Beschluß, zu überprüfen. Art. 12 - Der Vizepräsident des Ministerrats und der Finanzminister, die Minister der Landwirtschaft, des Inneren, des Bauwesens, des Gesundheitswesens, des Verkehrswesens, des öffentlichen Unterrichts, der Präsident des Komitees für Preise und des Zentralverbands der Genossenschaften, sind ermächtigt, die Anordnungen dieses Beschlusses in die Tat umzusetzen. Vorsitzender des Ministerrats Gh. Gheorghiu-Dej Direktor der Angelegenheiten des Ministerrats Petre Belle
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Richard Weber (Übersetzer)
DEKRET- GESETZ NR. 118/1990 betreffend die Gewährleistung einiger Rechte jener Personen, die aus politischen Gründen, von der mit Beginn vom 6. März 1945 errichteten Diktatur verfolgt, sowie jenen, die ins Ausland verschleppt, oder als Gefangene festgehalten wurden. Art. 1 (1) Es werden als Dienstjahre anerkannt und je nach Dienstzeit bei der Berechnung der Renten und anderer gewährleisteten Rechte in Betracht gezogen, Zeiten, in denen eine Person, nach dem 6. März 1945, aus politischen Gründen: a) eine Strafe mit Freiheitsentzug aufgrund eines endgültigen gerichtlichen Beschlusses, oder durch Verlust der Freiheit aufgrund eines vorbeugenden Haftbefehls, für einen Verstoß politischer Art, verbüßt hat; b) der Freiheit beraubt und aufgrundbestimmter Verwaltungsmaßnahmen oder Untersuchung seitens der Unterdrückungsorgane in Gewahrsam genommen wurde; c) in psychiatrischen Kliniken interniert war; d) in einem Zwangsaufenthaltsort wohnen mußte; e) in eine andere Ortschaft gebracht wurde. (2) Dieselben Rechte genießt auch jene Person, die; a) nach dem 23. August 1944 ins Ausland deportiert; b) nach dem 23. August 1944, oder vor diesem Datum, von sowjetischer Seite in Gefangenschaft genommen, nach Abschluß des Waffenstillstandsabkommens weiterhin als Gefangener zurückgehalten wurde. (3) Jedes Haft- oder Internierungsjahr, für die Fälle im Sinne des Abschnitts (1) und (2), zählt als einJahrund 6 Monate Dienstzeit. (4) Die im Abschnitt (1), Buchstabe d) und e) vorgesehenen Perioden werden als Dienstzeiten anerkannt, wenn die betreffenden Personen den Beweis erbringen, daß sie keine Arbeit gemäß ihrer Berufsausbildung fanden. (5) Als Dienstzeit wird auch anerkannt, wenn eine Person sich in einer Lage wie in Abschnitt (1) befand und wegen einer zu dieser Zeit oder später aufgetretenen Invalidität I. oder II. Grades nicht arbeiten konnte, wenn sie nachweisen kann, daß diese von der erlittenen Verfolgung verursacht wurde. (6) Die unter die Wirksamkeit des gegenwärtigen Artikels fallenden Zeiten werden auch als ununterbrochene Arbeitsjahre in ein und derselben Einheit anerkannt und bei der Errechnung derselben berücksichtigt. Art. 2 (1) In den Genuß der Bestimmungen im Sinne des Art. 1 kommen auch jene Personen, die schon im Besitz der Rentenbescheide sind. (2) Die Nachkommen der Verstorbenen haben, mit Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen, das Recht auf Hinterbliebenenrente. In diesen
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Fällen werden auch die im Sinne des gegenwärtigen Dekret-Gesetzes festgelegten Dienstzeiten bei der Rentenberechnung eingeschlossen. Art. 3 (a) Jene Personen, die sich in Situationen im Sinne des Art. 1 befanden, mit Ausnahme jener, die unter die Wirksamkeit des Abschnitts (1) Buchstabe d) fallen, ungeachtet ob Rentner oder nicht, haben Anspruch auf eine monatliche Beihilfe von 2.000 Lei für jedes Jahr, das sie in Haft, gewaltsamer Internierung in psychiatrischen Kliniken, Umsiedlung, Deportierung oder Gefangenschaft verbrachten. (2) Jene Personen, die sich in der Situation im Sinne des Art. 1 Abschnitt (1), Buchstabe d) befanden, ungeachtet ob Rentner oder nicht, haben Anspruch auf eine monatliche Beihilfe von 1.700 Lei für jedes Jahr, das sie im Zwangsaufenthaltsort verbrachten. (3) Je nach Entwicklung der Preise und Tarife werden die im Sinne des Abschnitts (1) und (2) gewährten Beihilfen durch einen Beschluß der Regierung festgesetzt. (4) Personen im Sinne des Abschnitts (1) und (2) kommen in staatlichen Sanitätseinheiten unentgeltlich in den Genuß von ärztlichem Beistand und Medikamenten. Art. 4 (1) Der Ehegatte eines während der Haft, während der gewaltsamen Internierung in psychiatrischen Kliniken, in der Deportation oder in der Gefangenschaft Verstorbenen, Verschollenen oder Umgebrachten hat Anspruch auf eine steuerfreie monatliche Beihilfe von 10.000 Lei, wenn er sich später nicht wieder verheiratet hat. (2) In den Genuß derselben Rechte kommt auch der Ehegatte eines nach der Entlassung aus der Haft, aus der psychiatrischen Klinik, nach Rückkehr aus der Deportation oder aus der Gefangenschaft Verstorbenen, wenn er sich später nicht wieder verheiratet hat. (3) Diese Beihilfe wird durch einen Regierungsbeschluß festgelegt und kann mit jedwelcher Rente kumuliert werden. Art. 5 Die monatlichen, im Sinne des gegenwärtigen Dekret-Gesetzes gewährten Beihilfen belasten auf keinen Fall die Einkommensgrenzbeträge, nach welchen die Wohnungsmieten in den Staatswohnungen, die Stipendien für Schüler und Studenten und Sozialhilfen festgelegt werden. Art. 6 (1) Personen im Sinne des Art. 1 sind von der Zahlung von Steuer, von Gemeindeumlagen, die durch das Gesetz 27/1990 geregelt sind, befreit. (2) Ebenso kommen Personen im Sinne des Art. 1 in den Genuß von: a) Gratisfahrten mit städtischen öffentlichen Verkehrsmitteln, die sich im Besitz von Einheiten mit Staatskapital befinden; b) Jährlich sechs Gratisfahrten in der 1. Klasse auf der Rumänischen Staatseisenbahn (CFR). Art. 7 Den Personen im Sinne des Art. 1 wird vonseitender lokalen Räte bevorzugt entsprechender Wohnraum aus dem Staatswohnungsfonds, mit Einhaltung der in Kraft befindlichen Gesetze, gesichert. 88
Anmerkung: In der Fassung des oben genannten Legislativaktes, sind die Baragan-Deportierten nicht ausdrücklich erwähnt. Irrfolge der Intervention des Abgeordneten Milenco Luchin seitens der Demokratischen Union der Serben aus Rumänien im Rahmen der Sitzung des C.P.U.N. vom 30.03.1990 (siehe Amtsblatt Rumäniens Nr. 14-15/1990), wird in den Durchführungsbestimmungen des DekretGesetzes Nr. 118/1990 präzisiert, daß Personen, die in den Baragan deportiert wurden, im Sinne der Bestimmungen des Art. 1 Buchstabe d) und e) einzustufen sind.
Familie Tendler aus Hatzfeld mit ihrem Sohn in Bumbacari neben ihrer Hütte, 1951. Foto: A. Tendler
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Wilhelm Weber
Der schwache Nachhall der Bara~gan-Deportation in der Weltöffentlichkeit, die Bemühungen der Landsmannschaft der Banater Schwaben und die Reaktion des Deutschen Bundestages Unter dem Titel "Der große Aufschrei blieb aus" veröffentlichte die Banater Post vom 20. Juni 1991 einen von Nikolaus Engelmann gezeichneten Beitrag, der anläßlich des vierzigsten Jahrestages der Baragan-Deportation verfaßt wurde. 1 Der Autor stellt fest, daß die im Juni 1951 mit Brutalität durchgeführte Zwangsumsiedlung von tausenden Banater Schwaben "aus dem grenznahen Streifen des Banates zu Jugoslawien hin in den Baragan und an ihre dort erfolgte Aussetzung unter freiem Himmel", in der Weltöffentlichkeit kaum einen Nachhall fand und daß "dies im Gegensatz und zum Hohn auch der von den Rumänen unterschriebenen Atlantik-Charta" geschah, "die Freiheit und Gerechtigkeit proklamierte und das Zeitalter des Friedens hervorbringen sollte. Ein Aufschrei gegen die erneute Verletzung der Menschenrechte erfolgtegenauso wenig wie seinerzeit gegen die Verschleppung in die Sowjetunion, denn die Mauer des Schweigens rings um die Verbrechen an den Deutschen erwies sich immer noch als intakt". Wie auch schon mal erwähnt, bezweckte die Redaktion der NEULAND-Wochenzeitung mit ihrem frühen Bericht die Öffentlichkeit aufzurütteln. Einen Nachhall fand der Bericht aber nur im landsmannschaftliehen Bereich. Das Internationale Rote Kreuz wurde erst aktiv und protestierte bei der rumänischen Regierung, nachdem es von der Redaktion dazu aufgefordert wurde. Die Securitate war in der Hinsicht viel schneller. Ohne daß der Name desjenigen, der den Artikel verfaßt hatte, bekanntgegeben war, ermittelten sie ihn und bereiteten seinen in Rumänien verbliebenen Angehörigen Unannehmlichkeiten. Der Protest des Roten Kreuzes aber bei der rumänischen Regierung zeitigte überhaupt keinen Erfolg. Wenn auch der große Aufschrei und die Weltöffentlichkeit zu dieser groben Menschenrechtsverletzung schwieg, ist es bei der Aufarbeitung des BaraganThemas von großer Bedeutung, hervorzuheben und lobend das zu erwähnen, was unsere damals erst ein Jahr alte Landsmannschaft in der Bundesrepublik unternommen hatte, um die Aufmerksamkeit der Bundesregierung und der Weltöffentlichkeit auf diese Deportation zu lenken, um damit den Betroffenen in der Baragan-Steppe zu helfen. Einen ausführlichen Bericht darüber liefert ein von Sepp Schmidt gezeichneter Beitrag in Heft 3 der "Donauschwäbischen Forschungs- und Lehrerblätter" aus dem Jahre 1991. Darin wird mitgeteilt, daß unser Landsmann und Lehrer Jakob Wilhelm, im Auftrag der Landsmannschaft der Banater Schwaben, das Problem der Baragan-Verschleppten zuverlässig vertreten und alle
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möglichen Schritte zur Abhilfe unternommen hat. Mit der Unterstützung des Bundesministeriums für Vertriebene reiste er am 13. August 1951 nach Genf, wo er bei mehreren Hilfsorganisationen vorsprach und sein Anliegen vortrug. Am 27. August 1951 informierte er mit folgendem Wortlaut den damaligen Bundesminister für Vertriebene, Dr. Hans Lukaschek, über seine Genf-Reise:2 Betrifft: Bericht über Genfer Reise in Sache Hilfeleistung für umgesiedelte Banater Schwaben in Rumänien. Sehr verehrter Herr Minister! Durch Ihre werte Mithilfe war es mir möglich, in obiger Angelegenheit eine Reise nach Genf zu unternehmen. Ich erlaube mir nun, hiermit über das Ergebnis derselben Ihnen Bericht zu erstatten. Nach Überwindung der Paßbeschaffungsschwierigkeiten trat ich am 13. d.M. meine Reise an und traf am 14. in Genf ein. Während meines fünftägigen Aufenthaltes in Genf und Bern besuchte ich folgende Stellen: 1. Caritasverband Genf und "Caritas International". 2. Internationale Hilfszentrale für Zivilbevölkerung. 3. Komitee des Internationalen Roten Kreuzes. 4. Hohes Kommissariat Flüchtlingsabteilung der UNO. 5. Liga der Roten-Kreuzgesellschaften. 6. Ökumenischer Rat der Kirchen. 7. Centrede Quaeker International. 8. Schweizer Europahilfe Bern? Am 11. September 1951 antwortete das Internationale Rote Kreuz. 4 Auf ein Memorandum samt Kartenskizze, welches die Landsmannschaft beim Bundeskanzleramt eingereicht hatte, erfolgte die Antwort des Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer am 2. Oktober 1951 mit folgendem Wortlaut: Der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes 7-K-16264/51
Bonn, den 2.10.1951
An die Landsmannschaft der Banater Schwaben Hauptgeschäftsstelle München z.Hd. von HerrnJakob Wilhelm Sehr geehrter Herr Wilhelm! Im Auftrage des Herrn Bundeskanzlers bestätige ich den Eingang Ihrer Denkschrift über die Lage der in Rumänien in eine Umsiedlungsaktion einbezogenen Volksdeutschen. Wenn es auch schwierig für die Bundesregierung sein 91
wird, irgendwelchen Einfluß auf die geschilderten Vorgänge zu nehmen, so habe ich doch die beteiligten Bundesressorts gebeten, die Frage zu prüfen, was zur Unterstützung der Bedauernswerten getan werden kann. 5 Hochachtungsvoll i.A. gez. Dr. Petz Am 4. Oktober 1951 antwortete der Weltkirchenrat. 6 Der Deutsche Bundestag debattierte am 17. Oktober 1951 den Antrag des Priesters Dr. Franz Ott. Als Abgeordneter der Fraktion der Heimatvertriebenen, er selbst stammte aus dem Sudentenland, hatte er den seit dem 4. Oktober 1951 allen Abgeordneten vorliegenden Antrag folgendermaßen formuliert: "Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, vor aller Welt gegen die seit dem 18. Juni 1951 in Rumänien im Gange befindliche Zwangsumsiedlung aus dem Südwesten in den Osten des Landes, von der auch die restlichen 200.000 Banater Schwaben betroffen sind, zu protestieren und bei den Vereinten Nationen Anklage zu erheben." Neben Dr. Ott ergriffen auch Abgeordnete der CDU, FDP und SPD das Wort und unterstützten diesen Antrag. Nur der Abgeordnete der Kommunistischen Partei Deutschlands Kurt Renner bezeichnete die Deportation als unwahr, als eine "Hetze gegen die Sowjetunion und gegen die Völker der Volksdemokratien," als "provokatorischer, arroganter, faschistischer Antrag" und warf Dr. Ott vor, er wolle "Gauleiter Adenauers in Rumänien" werden. Daraufhin kam es zu tumultartigen Zuständen im Bundestag. Kurt Renner wurde vom Bundestagspräsidenten Dr. Hermann Ehlers zur Ordnung gerufen. Anschließend schilderte Dr. Ott das, was ihm über die Verschleppung bekannt war, brandmarkte sie als ein Kollektivverbrechen und beschrieb seine Eindrücke, die er als Student auf seinen Wanderungen im Banat gewonnen hatte. Er lobte den Volksstamm der Banater Schwaben und äußerte seine Betrübnis darüber, daß der Protest in den deutschen Medien ausblieb. Er forderte den Bundestag, die Regierung und die Presse auf, der Weltöffentlichkeit diese Schandtat bekanntzumachen. Der Abgeordnete der CDU, Dr. Eugen Gerstenmaier, war derselben Meinung und brachte den Vorschlag ein, den Antrag an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. Der Abgeordnete der FDP, Dr. Josef Trischler, fand ebenfalls anerkennende Worte und meinte: "Wer diese Gebiete jemals bereist hat, wird einsehen, daß sie zu dem besten Bauerntum auch des gesamten Deutschtums inklusive Deutschland und Österreich gehörten." Auch der Abgeordnete der SPD, Ernst Paul, äußerte die Meinung, daß der Deutsche Bundestag die Pflicht hätte, seine Stimme gegen dieses Unrecht zu erheben. Dr. Eugen Gerstenmaier ergriff erneut das Wort, protestierte gegen die von den Kommu92
nisten vertetene Behauptung und nannte es eine Unverschämtheit, ganz einfach die Deportation der Banater Schwaben abzustreiten? Die Mehrheit stimmte für die Überweisung des Antrags an den Ausschuß. Der Bericht dieses Gremiums an den Bundestag erfolgte am 15. November 1951 mit folgendem Wortlaut: 8 Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949
Drucksache Nr. 2837
Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen - Nr. 2645 der Drucksachenbetr. Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien. Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Gerstenmaier Antrag des Ausschusses: Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag hat mit tiefer Anteilnahme Kenntnis genommen von der gewaltsamen Vertreibung von Zehntausenden von Menschen aus ihrer Heimat im rumänischen Teil des Banats und ihrer Verschleppung zur Zwangsarbeit in die Nähe des Schwarzen Meeres. In dem Willen, den Menschenrechten Geltung zu verschaffen und ihre gewaltsame Verletzung beenden zu helfen, weist der Bundestag die Weltöffentlichkeit hin auf diese unter der Verantwortung der Rumänischen Regierung am 18. Juni 1951 durchgeführten Gewaltmaßnahmen. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung: 1. die Vollversammlung der Vereinten Nationen über die Regierungen der Hohen Kommissare auf diese flagrante Verletzung der Menschenrechte durch die Regierung Rumäniens aufmerksam zu machen mit dem Ziel, eine neutrale Prüfungskommission der Vereinten Nationen nach Rumänien zu entsenden und die Rückführung der Verschleppten rumänischen Staatsbürger in ihre angestammte Heimat zu erwirken; 2. das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zu bitten, eine internationale Hilfsaktion zu Gunsten dieser in großer Not befindlichen Verschleppten in die Wege zu leiten; 93
3. eine solche Hilfsaktion nach Kräften zu fördern, insbesondere aber die Aufnahme derjenigen Personen in das Bundesgebiet zu erleichtern, die dieser Verschleppung entronnen sind und sich an Organe des Bundes oder der Länder wenden. Bonn, den 15. November 1951
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten Dr. Schmid (Tübingen) Dr. Gerstenmaier Vorsitzender Berichterstatter
Nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch der Bayerische Landtag beschäftigte sich in seiner Plenarsitzung am 25. September 1951 mit der Baragan-Deportation. Es folgt ein Auszug des vom Präsidenten des Landtages Dr. Dr. Alois Hundhammer erstatteten Berichts: "Der Verband der Deutschen aus Rumänien hat mir als Präsidenten des Bayerischen Landtages unterm 17. September ein Schreiben zugeleitet, in dem er mit Nachdruck darauf hinweist, daß seit dem 18. Juni d.J. in Rumänien neuerdings umfassende Zwangsumsiedlungen aus dem Südwesten in den Osten und Südosten des Landes stattfinden ... Hohes Haus, ich darf wohl die Zustimmung aller Abgeordneten annehmen, wenn ich dem Verband mitteile, daß der Bayerische Landtag mit wärmster Anteilnahme die in dem erwähnten Schreiben aufgeführten Ereignisse beobachtet und mit Bedauern feststellt, daß jetzt, nach mehr als sechs Jahren nach dem Ende des Krieges, das jedem menschlichen und göttlichen Recht hohnsprechende System der gewaltsamen Vertreibung von Zehntausenden von Menschen von ihrer Heimatscholle noch immer kein Ende gefunden hat. Die Proklamation von Menschenrechten hat nur dann einen Sinn, wenn ihr auch die Verwirklichung und die Durchsetzung folgt." 9 Obwohl die Landsmannschaft an vielen Stellen intervenierte, der Deutsche Bundestag und der Bayerische Landtag die besten Absichten bekundeten, den Menschen zu helfen, ließ sich die rumänische Regierung vonalldem nicht beeindrukken und verharrte auf dem Standpunkt, den alle anderen Ostblockstaaten hinter dem "Eisernen Vorhang" vertraten, daß kein anderer Staat das Recht habe, sich in ihre inneren Angelegenheiten einzumischen. Damit war für die Regierung in Bukarest dieses Kapitel abgeschlossen und wir Betroffene waren in unseren Zwangsaufenthaltsorten so isoliert und abgeschirmt, daß wir von diesen Aktionen im Westen nichts erfuhren und uns von der Welt vergessen wähnten. Was vermutlich den meisten Baragan-Deportierten bis vor kurzem unbekannt war ist die Tatsache, daß sich mit dieser Deportation im westlichen Ausland neben den erwähnten deutschen Gremien auch noch andere Behörden beschäftigten. In einem in der Banater Post vom 5. August 1997 erschienenen Beitrag wird darüber berichtet, daß der amerikanische Geheimdienst regelmäßig zuständige 94
Behörden über die Repressionen in Rumänien, einschließlich der Rußland- und der Baragan-Deportation, informierte. 10 Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß es einen wesentlichen Unterschied gibt zwischen den Berichten und den daraus resultierenden Bemühungen der deutschen Behörden, den betroffenen Menschen zu helfen und den Berichten des amerikanischen Geheimdienstes. Letztere wurden nicht mit dem Vorhaben verfaßt und den zuständigen Behörden zugeleitet, um den Deportierten zu helfen, sondern waren trockene, routinemäßige Informationsberichte zur jeweiligen Lage in einem kommunistischen Land. Darüber haben vermutlich auch Informationsdienste anderer Länder ähnliche Berichte ihren zuständigen Stellen geliefert.
Anmerkungen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Engelmann, Nikolaus. Der große Aufschrei blieb aus, a.a.O., Seite 5. Forschungs- und Lehrerblätter, a.a.O ., Seite 107. Ebenda, a.a.O., Seite 108. Ebenda. Ebenda, a.a.O., Seite 109. Ebenda, a.a.O ., Seite 108. Leber, Peter Dietmar. Der Deutsche Bundestag, a.a.O., Seite 4. Forschungs- und Lehrerblätter, a.a.O., Seiten 109-110. Dokumente zur Geschichte der Donauschwaben 1944-1954, a.a.O., Seite 13. Geier, Luzian. Deportations, Prisoners of War, in: Banater Post vom 5. August 1997, Seite 5.
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Wilhelm Weber
Die Rehabilitierung der Deportierten Weil die Deportation in die Bäragan-Steppe im kommunistischen Rumänien totgeschwiegen wurde und in der Öffentlichkeit nie zur Debatte stand, hat sich die Regierung auch nie dazu geäußert oder dazu Stellung bezogen. Ein einziges Mal wurde dieses Thema auf der Landeskonferenz der Rumänischen Kommunistischen Partei im Juli 1972 in sehr zurückhaltender Form im Bericht des Generalsekretärs der Partei erwähnt. Darin wurde nur darauf hingewiesen, daß in der Vergangenheit zwar einige falsche Maßnahmen getroffen wurden, unter anderen auch die Umsiedlung der deutschen und serbischen Bevölkerung (damit ist die Bärägan-Zwangsumsiedlung gemeint - Anm. d. Verf.), aber die Partei hätte diese Fehler schon längst beseitigt. 1 Vermutlich meinte er damit das Dekret Nr. 81 vom Jahre 19562 , durch welches der deutschen Landbevölkerung vom gesamten enteigneten Besitz nur die Häuser rückerstattet wurden und die Gründung des "Rates der Werktätigen deutscher Nationalität in der Sozialistischen Republik Rumänien" im Jahre 1968. 3 Eine Entschuldigung wegen der Deportationen, wegen des zugefügten Leides und der Erniedrigungen, welchen die Betroffenen ausgesetzt waren, kam aber nicht über seine Lippen, noch viel weniger die Zusage einer Entschädigung für das bei der Deportation eingebüßte Vermögen. Es mußten abermals 20 Jahre vergehen, bis nach der Revolution von 1989 in Rumänien das Dekretgesetz Nr. 118 im Jahre 1990 den Betroffenen eine Entschädigung zuerkannte. 4 Daß dieses Gesetz vom rumänischen Parlament so schnell verabschiedet wurde, ist nicht zuletzt der Einflußnahme der "Vereinigung der ehemaligen Bärägan-Deportierten (Asociatia Fo~tilor Deportati in Bärägan) zu verdanken, die sich gleich Anfang 1990 konstituierte. Hauptziel dieser Vereinsgründung war, die Interessen der Betroffenen zu vertreten, ihre Rehabilitierung und eine Wiedergutmachung zu erwirken. Sehr aufschlußreich darüber ist ein Auszug aus dem Gespräch, welches Anton Palfi mit dem Vorsitzenden der Initiativgruppe Adam Balmez führte und das in der damals noch bestehenden Zeitung "Neuer Weg" veröffentlicht wurde (siehe folgende Seite): 5 Nicht unerwähnt soll bleiben, daß anläßlich des 45. Jahrestages der Deportation, am 22. Juni 1996 im Temeschburger Justizpark, im Zentrum der Stadt, ein Denkmal enthüllt und eingeweiht wurde, auf dessen Sockel folgende Worte stehen: IN MEMORIA DEPORTATILOR IN BARAGAN 19511956 (Zum Gedächtnis der Bärägan-Deportierten 1951-1956).6 Erst sieben Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur in Rumänien und nach der Regierungsumbildung im Jahre 1997 hat sich die Einsicht durch96
Rehabilitierung der Deportierten Wir sprechen mit Herrn Adam Balmez Vorsitzender der Initiativgruppe "Vereinigung der ehemaligen Bäriigan-Deportierten aus dem Jahre 1951''
Ober zweitausend Leute aus dem ganzen Banat folgten am Sonntag dem Aufruf des Temeswarers Adam Balmez (78), sich in der-· Aula Magna der Universität zu tref!en, zwecks Gründung der Vereinigung der ehemaligen Bärägan-Deportierten aus dem Jahre 1951. Balmez selbst stammt aus Cl·. clova Romänl (Kreis Karasch-Se.verin) und war nach Movila Glldäului-Pietroiu (Kreis Ialomita) verschleppt worden. Er Ist Träger einer Lizenz für Staatswissenschaften, die iln höhere ehemalige Staatsbeamte ausgefolgt wurde. Herr Balmez, welches Statut bat die angestrebte Vereinirune und welches sind die wicbtl;:sten Zielsctzun:cn? Meiner Schätzung nach wurde einer gr~ssen Gemeinschaft von nahezu zweihunderttausend Menschen grosses Unrecht angetan. D!e genaue Zahl der 1951 aus dem Banat Deportierten muss vorerst noch ermlt.telt werden, was recht schwierig Ist, denn die Archive stehen !Or uns noch vorläufig unter Verschlu~. D!e Deportation zeitigte Langzeitfolgen: d!e mit der Helmkehr der Verschleppten nicht automatisch gelöst waren. Die formelle' Anerkennung, dass diese Aktion eln Fehler war, befriedigt uns nicht. Die neue demokratische Ordnung muss uns das Recht einräumen, mit jener verbrecherischen Aktion abzurechnen und den Rahmen schaffen, dass wenigstens eine tellweise Wiedergutmachung und die Rehab!lltlerung möglich werden. Tellwelse sollten die verlorenen Güter wieder ersetzt werden, e$ gibt noch heute Menschen, die Mieter Im eigenen Haus sind. Und was besonders wichtig Ist: Die Bärligan-Ze!t soll als Arbeitszeit, als Dienstalter berücksichtigt werden, denn Im damhllgen Ministerratsbeschluss Nr. 200/1950 hless es, dass dle Leute Im Interesse des Staates arbeiten sollen, also muss der Staat das auch anerkennen. Unsere Vereinigung will keine politische Organisation werden, nur dle Interesse:t der Geschldigten wahrnehmen und verte!dJ,. gen. Es sind wohl mehr als 30 Jahre seit. der Deportation verg~ngen, do::h wir müssen es durchsetzen. dass unse:-e Sache
anerkannt und nicht als V'!rjährt ab ;eta:t wird." Wer übern:~hm die Geschäftsführun: und an wen kann sich der Bitatelier wenden? "Vorläufig_haben w!r noch keinen Vorsitzenden, doch kann man sich in Temeswar an Horia Musta (Telefon 3-93-40) und an Ivan Mlrcov (Telefon 3-90-02) wenden. Wir· werden .. ln Kürze auch . eine GeschJ!ftsstel!e in Temeswar einrichten: den zugewiesenen Sitz ...an der AlecsandriStrasse, wo sich dle so::enannte::1 hlst::rischen Parteien etabliert haben, lehnen w!r aus gute::1 Gründen ab, ·d enn wir wollen unsere Arbeit fernab vom Parteirummel tun." Die Anra~l- der Depor.1erten war von- Or.schaft zu ·Ortschaft verschied~n.- Die Gemeindeväter von damals kennten dle- Verschleppung nicht ungeschehen machen, doch wo : weru::er Russendiener am Werk waren, wurden auch ·weniger Leute verschleppt. Ich komme auf unser Anliegen zurück: · Wenn dle politischen Häftlinge rehabilitiert wurden, so muss auch uns Gerechtigkeit zukommen, denn Im Blirli1an war es schlimmer als Im Ge· fingnls. Im Gefängnis sass meistens nur ein Famillenmltglled, ln die Verbannung jedoch wurde die ganze Familie geführt, die dann alles verloren hat." Welche Vontellune hd die Vereinigung hinsichtlich der Sicherune der finanzlellm 1\fltt~l tür die Wlederrutmachung? "Die Besitztümer der entmachteten RKP betragen -zlg Milliarden. Diese Partel hat die Verschleppung m!t all Ihren Fol· gen auf dem Gewissen · und somit Ist es gerechtfertigt, dass w!r aus den Fonds die· ser Partel entschädigt werden. Wir geben uns Rechenschaft, dass wir nicht das UnmÖgliche fordern können, doch nur mit Lippenbekenntnissen lässt sich diese hlstorlsche Sünde nicht aus der Welt räumen. Wir werden uns energisch einsetzen, dass alle Leute aus den Kreisen Temesch, Ka:rasch-Severln und Mehedlnti zu Ihrem guten Recht kommen. Auch die Schwaben können auf uns bauen und ur.s vertrauen.~ (Das Gespräch führte Anton P a I t I)
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Gesamtansicht des Denkmals
Foto: W. Weber
Der Sockel des Denkmals
Foto: W. Weber
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gesetzt, daß sich die rumänischen Regierungsstellen durch die BaraganDeportation mit Schuld beladen haben. Sowohl der neugewählte Präsident des demokratischen Rumäniens Emil Constantinescu, als auch sein Außenminister Adrian Severin, haben sich bei der Bevölkerung des Landes für das während der kommunistischen Herrschaft erlittene Unrecht entschuldigt und ihr tiefes Bedauern auch der deutschen Bevölkerung gegenüber für Enteignung, Deportation zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion, Deportation in die BaräganSteppe und für den entwürdigenden Tauschhandel bei der Familienzusammenführung ausgedrückt. Nachfolgend der Wortlaut des Artikels aus der Banater Post vom 10. Juli 1997 über die Entschuldigungen Präsident Constantinescus? Rumäniens Präsident Constantinescu entschuldigt sich für kommunistisches Unrecht Rumäniens Staatspräsident Emil Constantinescu hat sich bei der Bevölkerung seines Landes für das während der kommunistischen Herrschaft erlittene Unrecht entschuldigt. Bei einer Gedenkveranstaltung im ehemaligen Gefängnis in Sighetul Marmatiei, bat Constantinescu die Opfer der Unterdrückung für das ihnen zugefügte Leid um Vergebung. Vom rumänischen Parlament verlangte Constantinescu eine Rehabilitierung der unter den Kommunisten verfolgten Bürger. Alle politisch bedingten Urteile, die zwischen 1948 und 1989 gefällt wurden, müßten aufgehoben werden, sagte er. Rumäniens Menschenrechtsgruppen teilten mit, daß in den vierzig Jahren der kommunistischen Herrschaft zwei Millionen Bürger in Gefängnissen und Arbeitslagern inhaftiert waren. Sehr aufschlußreich ist der Titel eines rumänischen Presseberichts in der Originalfassung über die Erklärung des Außenministers Severin:
NorJ/ Guvern face o repara(ie mora/5.
pe CRre regimu/ lliescu a uitat-o
Severln a cerut scuze Gormaniei pentPu depofltäPIIe comunlste (Die neue Regierung macht moralisch das wieder gut, worauf das Iliescu-Regime vergaß. Severin bat Deutschland um Entschuldigung für die von den Kommunisten durchgeführten Deportationen) 8 Rumänien hat sich am 1. Mai 1997 für die massiven Deportationen von Rumäniendeutschen in der Nachkriegszeit zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion, zum Zwangsaufenthalt in die Baragan-Steppe und für die Kopfgeld99
Praktiken des kommunistischen Diktators Ceau~escu im Zusammenhang mit den auswanderungswilligen Rumäniendeutschen entschuldigt. Diese Entschuldigung übermittelte der Außenminister Rumäniens, Adrian Severin, seinem deutschen Kollegen Klaus Kinkel zum Abschluß seines zweitägigen Besuchs in Rumänien. Ins Deutsche übersetzt lautet diese Erklärung folgendermaßen:9 "Rumänien war bekanntlich das erste Land des früheren Ostblocks, das trotz des damals von Moskau ausgeübten Drucks volle diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aufgenommen hat. Dennoch darf man nicht übersehen, daß vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges und in den ersten Nachkriegsjahren, zu einer Zeit, als Rumänien selbst sich unter dem Druck einer ausländischen Besatzung befand, die rumänischen Behörden zur Deportation einer großen Zahl von Staatsbürgern deutscher Volkszugehörigkeit in die ehemalige Sowjetunion beigetragen und später, während des Stalin-Tito-Konflikts, Banater Schwaben in eine unwirtliche Gegend im Südosten Rumäniens umgesiedelt haben. Danach, in den siebzigerund achtziger Jahren, hat das kommunistische Regime Nicolae Ceau~escus einen entwürdigenden Tauschhandel betrieben und erhebliche Finanzleistungen bei der Familienzusammenführung der Deutschen aus Rumänien gefordert, die sich in der Bundesrepublik niederlassen wollten. Im Bewußtsein meiner Verantwortung erkläre ich, daß derartige, dem Kommunismus eigene Vorgehensweisen von der neuen Ordnung in unserem Land, die mit dem Dezember 1989 eingerichtet wurde, zutiefst verurteilt werden und daß die gegenwärtige Regierung von Rumänien, der ich angehöre, diese traumatischen Praktiken kategorisch mißbilligt. Obwohl es zwischen dem früheren kommunistischen Regime und der jetzigen demokratischen Ordnung in Rumänien keinerlei ideologische oder politische Kontinuität gibt, erschien es uns wichtig und notwendig, heute diese Feststellung zu treffen und unser tiefes Bedauern zugleich mit unserer Entschuldigung für das Geschehene auszusprechen als eine Geste der moralischen Wiedergutmachung an jenen Bürgern Deutschlands, die früher Bürger unseres Landes waren, deren Schicksal von solchen verdammenswerten Taten bleibend geprägt ist." Diese vom Außenminister Rumäniens abgegebene Erklärung, in der Rumänien sich für das den Deutschen angetane Unrecht entschuldigt, würdigte der deutsche Außenminister Klaus Kinkel als einen Schritt zu einer Verbesserung der partnerschaftliehen Beziehungen zwischen beiden Staaten. Von den Betroffenen wurde die schon längst fällige Entschuldigung mit Genugtuung aufgenommen.
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Anmerkungen Bericht des Generalsekretärs auf der Landeskonferenz der R.K.P. vom 19.-21.07.1972. Eisenburger, E. und Kroner, M. Sächsisch-Schwäbische Chronik. Dekret Nr. 81/1956 über die Rückgabe der enteigneten Wohnhäuser an die deutsche Bevölkerung Rumäniens. Kriterion Verlag, Bukarest 1976, Seite 230. Barcan, M. und Millitz, A. Die Deutsche Nationalität in Rumänien. Kriterion Verlag, Bukarest 1977, Seite 38. 3. Ebenda, a.a.O. Plenum des Zentralkomitees der R.K.P. 24.-25.10.1968 - Gründung der Räte der mitwohnenden Nationalitäten, Seite 41. 4. Dekret-Gesetz Nr. 118/ 1990 betreffend die Gewährleistung einiger Rechte für jene Personen, die aus politischen Gründen verfolgt, sowie jene die ins Ausland verschleppt, oder als Gefangene festgehalten wurden. 5. Zeitung Neuer Weg vom 6.02 .1990. 6. Banater Zeitung. Wochenblatt für Temesch, Arad und Banater Bergland, 4. Jahrgang (139), 10.07.1996, Seite 1. 7. Zeitung Banater Post vom 10.07.1997, Seite 2. 8. Zeitung Timi~oara vom 2.05.1997. 9. Zeitung Banater Post vom 20.05.1997, Seite 2. 1. 2.
Von den ehemaligen aus Hatzfeld in die Baragan-Steppe Deportierten am 18. Juni 1991 beim Eingang zum Hatzfelder Park enthülltes Denkmal, das auch den Opfern der Revolution vom Dezember 1989 gewidmet ist. Foto: E. Quint
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Wilhelm Weber
Banater-Baragan-Treffen Die Baragan-Deportation, die unseren davon betroffenen Banater Landsleuten, allen Familien und jeder einzelnen betroffenen Person soviel Leid, Kummer, Sorgen und Armut gebracht hat, hatte letztendlich doch auch einen Vorteil. Sie hat ihre Eintracht, ihr Zusammengehörigkeitsgefühl, ihre Hoffnungen gefördert und gestärkt. Sie hat diese Menschen, die alle dasselbe Schicksal betraf, in ihrer Art und Lebensweise noch mehr verbunden und zusammengeschweißt. In diesen neu erbauten Barägandörfern entstanden auch neue Landsleute, denn da waren neben Hatzfeldern - Beschenowaer, neben Beschenowaern - Uiwarer, neben Gertianoschern - Gottlober, neben Billedem - Lenauheimer, usw. Die Sorgen, der schwere Lebensalltag, das Brunnengraben, Lehmziegelschlagen, Häuserstampfen, Dachdecken mußten mit Verstand und handwerklichem Geschick angepackt werden und da war einer für den anderen da. Der gute Rat des einen, die Kraft des anderen und das Geschick oder der handwerkliche Beruf des dritten, ob er von Nero, Albrechtsflor oder Ulmbach war, kamen überall im Einklang zum Erfolg. Impulsiv entstanden Arbeitsgemeinschaften, die mit durchdachter Arbeitsverteilung, mit viel Verständnis füreinander, mit viel Rücksicht auf kleine Kinder, Alte und Kranke, die Anfangsschwierigkeiten bewältigten. Nachdem sie dort täglich Seit an Seit geschuftet hatten, sich in großer Sommerhitze und eisiger Winterkälte einander halfen, auch manches bescheidene Fest mit großer Freude erlebten, so ist es nun selbstverständlich, daß sie sich nach ihrer Aussiedlung auch hier in Deutschland öfter sehen und treffen möchten, um die traurigen wie frohen Erinnerungen auszutauschen. Das taten schon manche Deportierte aus den ehemaligen "Neu-Dödern" des Barägan. So trafen sich die Landsleute aus dem Barägandorf Läte~ti (Bordu~anii Noi) am 1. Oktober 1994. Sie wurden von Herbert und Trude Kassa nach Rechberghausen eingeladen. Auch die verschleppten Menschen des Dodes Mäzareni (Urleasca Nouä), die ebenfalls 5 Jahre in diesem neuen Dod lebten und sich Jahrzehnte nicht wiedersahen, trafen sich 1993 in Landshut. In der Banater Post erschien darüber folgender Bericht: "Zum Pfingsttreffen in Landshut hatten sich die BaräganVerschleppten aus Mazareni (früher Urleasca Noua) 42 Jahre nach der Verschickung in die Verbannung aufgemacht und im Gasthaus Frauenbauer eine angenehme Begegnungsstätte gefunden. Menschen, die sich zum Teil schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatten- viele waren damals noch Kinder -, nahmen die Gelegenheit wahr, in einem von freudiger Überraschung gekennzeichneten Stelldichein, Erinnerungen und Begebenheiten auszutauschen und auch die Zeit danach mitteilend zu umrahmen. Großkomloscher, 102
Kleinbetschkereker, Hatzfelder, Lovriner und Grabatzer waren zugegen und zeigten damit, daß das Band gemeinsam durchstandener Mißlichkeiten seine Reißfestigkeit bewahrt hat. Rosemarie Klein begrüßte als Gastgeberin und gedachte auch der Toten, die in fremder Steppenerde begraben werden mußten. Sie war es auch, die die Initiative zu diesem traulichen Miteinander hatte. Möge sie den Dank dafür von allen Anwesenden auch auf diesem Wege entgegennehmen. Emil Behr und Jakob Dietrich umrissen rückblickend das Geschehen in den fünf Jahren tiefster Unmenschlichkeit. Der Inhalt eines Briefes von Rudolf Stütz (Lovrin), der wegen Krankheit am Kommen verhindert war, wurde mit Beifall von den Anwesenden bedacht. Die gemeinsamen Aufnahmen, aber auch die vielen Gruppenfotos boten die Gelegenheit des Festhaltens dieses erhebenden Treffens. Michael Gottschall und Michael Kampf sorgten mit musikalischen Klängen für ein ungezwungenes Beisammensein, welches am Abend dann mit Walter Kampf als Alleinunterhalter in eine gemütliche Fröhlichkeit einmündete." Am 20. November 1993 luden die drei Organisatoren Karl Bohn, Mathias Kandlerund Zoltan Kokai zur Begegnung ehemaliger Baragan-Deportierter, die in den Jahren 1951-1956 in dem Dorf Rachitoasa (anfangs: Giurgenii Noi) lebten, nach Karlsruhe ein. 65 Banater Landsleute, die aus Lenauheim, Triebswetter, Perjamosch, Johannisfeld, Otelek, Wojteg und Detta stammten, folgten gerne ihrer Einladung. Miteingeladen war auch der ehemalige Chefingenieur des staatlichen Landwirtschaftsbetriebes, Mihail Opri~anescu. Man hatte nicht vergessen, daß dieser Mann trotz Staatsterror und Zwang es verstand, die Menschenwürde der Verbannten, die auf den Feldern des Staatsgutes arbeiteten, zu achten. Im folgenden die Begrüßungsansprache von Mathias Kandler: Mei liewe Baraganer, liewe Schwowe, verehrte Gäscht! Wann vor 42 Johr jemand behauptet hätt, daß mir uns emol in Freiheit, nägschter an der Oberdonau un am Rhein treffe were, als des, vun uns, uner unmenschliche Bedingunge un Leed aus dem Nix ufgebaute "Neie Dorf Luciu-Giurgeni" mit spätrem Name "Rachitoasa" vum Schwarze Meer entfernt is, der wär als Spinner ausgelacht gin. Un heit is des Wirklichkeit gin. Es is ke Zufall, daß mir uns grad do treffe, weil mir durch des unser Verbindung zu Donau un Rhein bewußt unerstreiche wille. De Großted vun unsre Ahne, sin im 18. Johrhunnert aus Deutsche Lande vun rechts un links vum Rhein, vun nord un süd der Donau, vun Ulm aus uf der Donau mit de "Ulmer Schachtle" in die ehmolichi kaiserlichi Provinz, ins Ternescher Kronland, es Banat ausgwannert, um e Grenzwall geger die Türke zu bilde un es Banat urbar zu mache. Die Siegesserie vum Prinz Eugen im Johr 1716, die Erowerung der Feschtung Temeschwar, die endgiltichi Vertreibung der Os103
mane, no eener hunnertfufzichjähricher Besetzung, hat die systematischi Kolonisierung möglich un notwendich gemach. In des verwisteti, fascht menscheleeri, versumpfti Land sin unser Vorfahre gezoh, han die großi Herausforderung anghol. Han Derfer, Schule, Kerche gebaut. Han des Sumpfland kanalisiert un urbar gemach. Tatedrang, Mut un Freiheitsliebware stärker als Pest un Cholera, als Sumpffiewer un Hemweh. Die Donau war for uns in der Baragansteppe, in Rachitoasa Schicksalsstrom. Finf Johr un länger han mir aus ihr Wasser getrunk, unentkeimt, unfiltriert, verdreckt, manchmol netmol abgsätzt, mit allem drin, was es Wasser uf ihrem iwer 2.800 km lange Wech mitgfiehrt hat. Die Donau war die enzichi Siißwasserversorgung dort bei uns in der Stepp. Vun Kläranlage war ke Spur, aus dene vun uns gegrabte Brinner hat netmol es Viech getrunk, so salzich war's Wasser. Drum war es Donauwasser unser Trink-, Wäsch-, Weih- und Taafwasser. Un des hat mer noch ernherweis vum Uhl Karl aus Lenauheim kaafe misse, wann er mit seim Eenspänner un seimgroße Fass Wasser dorchs Dorf gfiehrt hat.
"Sie han gement, weil mir w,ie's Viech aus der Donau han trinke misse, uns zu Viech erniedriche zu kenne" Sie han net wisse kenne, daß mir mit jedem Schluck Wasser, des wu ursprünglich aus unserem Motterland kumm is, aus Deitschland, ach MutunKraft un Vertraue mitgetrunk han, daßachdes letzsehtendlich gholf hat, de Glaawe an die Freiheit un es Vertraue in die Zukunft net zu verliere. So hat die Verbindung mit unsrem Ur-Heimatland uns gholf, alli Not un Schikane leichter zu traan, allem zu trotze un Schwowe zu bleiwe. Immer un iwerall war unser Denke, Rede, Singe un Bete in unserer Mottersproch, oder hochdeitsch.
"Sie han uns nunnergedrickt, awer net in die Knie zwinge kenne" Loßt uns heit aach an unser Freind, Bekannte, Verwandte, an alli unser Leidensgenosse denke, die wu die Freiheit nimmeh erlewe han kenne, un aach an die, wu an Verschleppungsfolge noher im Banat oder in Deitschland gschtorb sm. "Sucht net no Kreizer un no Hiwle, mer find nix meh im Baragan. Verdorrt sin Ros' un Tulpezwiewle, gehlieb is Leed aus Menschewahn." Wie oft han mir beweise misse un han bewies, daß in unsre Odre noch Siedler- un Kalonisteblut fließt. In Rußland, im Baragan, im Sozialismus un jetz do. Jede vun uns wees, was er mitgemacht hat, vor allem no 1945. Enteignet, interniert, verschleppt, geächt, verlacht, verspott. Doch mir han iwerdauert, 104
han alles iwerlebt, weil mir stark sin, genauso stark wie unser Vorfahre ware. Net umsunscht waredes die couragiertschte aus Hesse un Franke, Rheinland un Pfalz, aus Bade un Wirttemberg, Elsaß, Lothringen, aus Bayern, Österreich un aus anre deitsche Stämm. Sie han die Reichsgrenz bewacht, um Westeuropa un's Christentum vor neuem türkische Ansturm zu schütze. Sie han aus Sumpf un Moor die Kornkammer Europas gemach. Banat war so reich, daß netmol40 Johr Sozialismus un Mißwirtschaft es ganz verarme hat kenne. Mir derfe uf unser Vorfahre mit Recht stolz sin. Aus ihne hat sich iwer Jahrhunderte de "Neustamm", die "Banater Schwowe" oder die "Banater Schwaben" entwickelt, mit ihrer Mundart, mit ihrem Bekenntnis zum Deutschtum, mit eener fortwährenden Lieb zu ihrem Herkunftsland. Darum war die Integration do in Deitschland for uns Schwowe so leicht. Mir han iwer zwaihunnert Johr dieselwe Lieder gsung, de "Vater-Unser" genauso gebet wie do, mir han die gleiche Dichter, Denker un Musiker verehrt, un wann mer ehrlich sin, han unser Väter un Brider im selwe Schitzegrawe for desselwi Vaterland geblut. Unser Mottersproch war immer deitsch, unser Schulbildung war deitsch, mir kenne besser lese un rechtschreiwe wie so manche vun do. Drum sin mir Deitsche, Heimkehrer, Ricksiedler, Spätaussiedler. Awer niemols Rumäner, Rumäniendeitsche, deitschstämmiche Rumäner usw. Mir ware, sin un bleiwe Deitsche, so han mir uns immer gfiehlt uf unsrer Sprachinsel, aach wanns uns dreckich gang is. Daß so oft die Staate un die Grenze gewechselt han, war bei Gott net unser Wunsch un unser Schuld. Österreich hat die kaiserlichi Provinz de Ungare gschenkt, Ungarn hat de zwete Weltkrieg mit verlor, zwei Johr ware mer dann bei Jugoslawien. Im Friede vun Locarno is unser Banat geteelt gin, mirsinan Rumänien gfall. Nor zum Beispiel: Mei Ahn Deutsche, noher Österreicher, mei Ururgroßvater war Ungar, mei Großvater un Vaterware sowohl Ungare, Serwe, Rumäner, ich Rumäner no der Staatsbürgerschaft. Die Nationalität griet mer dorch die Geburt, vun seine Ehre un net vum GrenzwechseL Wann e Arawerperd in em Schweinstall gebor git, is es ke Schwein, sondern is un bleibt e Perd. Darum ware mir for die anre Mitbewohner im Banat immer die "Svabi" - die Deitsche, darum war in unsrem rumänische Personalausweis dann bei der Nationalität: "Deutsch" ingetraa. Wer iwer zwaihunnert Johr Sitte un Brauchtum bewahrt, un vun dem so manches noch in sei Matterland zuruckbringt, kann der was anres wie e Deitsche sin? Ach wann's manchem net so gfallt un so manchem net in die Rechnung passt. Mir sin aus unsrem Banat net aus Jux oder Spaß abgewannert. Mir han net aus Iwermut Not und Gfohr uf uns ghol, oft Schulde gemach, HausunHerd dort geloß. Mir sin aus Sorche un Ängschtre, daß unser Kinner ke Deitsche bleiwe kenne un unser Volksstamm ke Zukunft hat un unnergeht, for immer "hemkumm". For des, daß mer zuruck han kumme kenne un derfe, sin mir dankbar. Es is net iwertrieb zu saan, mir sin geere wieder do, mir sin geere wieder "drhem". 105
Baragan-Treffen der ehemals nach Rachitoasa deportierten Landsleute.
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Foto: E. BlaĂ&#x;mann
Wilhelm Weber
Amtliche und private Schriftstücke, die das Leben der Deportierten beeinflußten und sie im Badigan-Zwangsaufenthalt begleiteten Der Mensch neigt im allgemeinen in allen Lebenslagen dazu Erinnerungsstücke gut aufzubewahren. Auch erinnert er sich mit Wohlgefallen an schöne, interessante und freudige Ereignisse seines Lebens. Die Riragan-Deportation war für alle Betroffenen nicht schön und kein freudiges Ereignis. Trotzdem konnte ich in Gesprächen mit ehemaligen BaraganDeportierten erfahren, daß sie an jedem Schriftstück aus dieser Zeit hängen, ob es frohe oder traurige Nachrichten beinhaltet, ob es Akten sind die mißfielen, ob es Mitteilungen sind, die die Herzen der Betroffenen höher schlagen ließen oder ob es ein Schulzeugnis ist, auf das Eltern und Schüler besonders stolz waren, weil die Lernfreudigkeit und der Lernwille auch unter diesen leidvollen Umständen nicht beeinträchtigt werden konnten. Weil diese erwähnten amtlichen oder privaten Schriftstücke sehr oft einen Einfluß auf das Leben der Verbannten ausübten, manchmal sogar ihr Leben veränderten und von ihnen als Erinnerungsstücke bis zum heutigen Tag aufbewahrt wurden, möchte ich einige mir zur Verfügung gestellte Schriftstücke auf den folgenden Seiten wiedergeben. Zu einigen mir zugesandten Schriftstücken schrieben deren Einsender ihre persönlichen Bemerkungen. Von Herrn Johann Funk, der aus Gottlob nach Bumbacari (zuerst hieß es Tataru Nou, auch Dude~tii Noi) deportiert war, bekam ich die folgenden rumänischen Schriftstücke, den ins Deutsche übersetzten Wortlaut und seine persönlichen Bemerkungen dazu: Bemerkung: "Schon wenige Tage nach meiner Deportierung richtete ich ein Gesuch an das Innenministerium und bat um meine Freilassung. Dieses Gesuch wurde zwecks Erledigung an die Generaldirektion der Miliz Bukarest weitergeleitet. Über den Volksrat des Rayons Calmatui kam folgende Antwort:
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:, :;:,; Tür. PO?UIAR AL R:l. IONU! :S"I C ;\ LM A TUI SECTrJm:.\ SECRET;,RI AT
Nr. 6.63o 1951 Iu1ie
18 .C ..; T RE, SFl. TUL ?O:u~.R ~~~ C Oi.~UNEI T.t: TARU R. . I OlWL CP. u;r, TUT.
Ve -ti lC• une in veäe re 1ocui t o1"ului , TunK ll.Ion, din Comwna Got 1ob Regiunea Timisoara care actualimente se ga seste cu äomiciliul in satu1 nou äin ComllJJ.!l Tata-.rQ sstul lficu1esi Jianu,la cele solicitat!i prin cerere-a trimisa Raionu1tli sa ma i a stepte pana se va califica
Übersetzung aus dem Rumänischen: VOLKSRAT DES RAYONS CÄLMÄTUI Sekretariat Nr. 8.530 1951 Juli 18 AN DEN VOLKSRAT DER GEMEINDE TATARU RAYON CÄLMÄTUI Teilen Sie dem Einwohner Funk M. Ioan aus der Gemeinde Gottlob, Region Timi~oara, welcher im neuen Dorf der Gemeinde Tataru, Dorf Nicule~ti-Jianu gegenwärtig wohnt mit, daß er bis zur Klärung seines Ansuchens, das in einem Gesuch an den Rayon geschickt wurde, noch warten muß. Vorsitzender i.A. V. Miclea
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Runder Stempel des Rayons Calmatui
Abteilungsschef Unterschrift unleserlich
"Freiwillige" Verpflichtung zur Arbeit. Übersetzung aus dem Rumänischen: Verpflichtung Unterfertigter Funk Johann verpflichte mich, gemeinsam mit meinen Arbeitskollegen, tatkräftig am Aufbau des Genossenschaftslokals (Kaufladen) zu arbeiten. Ich habe zur Kenntnis genommen, daß ich und meine Familie von der Pflichtablieferung der Lehmziegel sowie von anderen Arbeiten entbunden bin. Die Arbeitsstunden die ich leisten werde, sind von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends mit einer Mittagspause von 12- 14 Uhr. Im Falle, daß ich mich davon entziehe, kann ich bestraft werden. Kraft dessen unterschreibe ich. 6. September 1951 Unterschrift Bemerkung: Diese Verpflichtung wurde von einem ebenfalls Verbannten, Informant des Staatssicherheitsdienstes (Securitate) namens Rapan Gheorghe erdacht, geschrieben und unter Androhung verschiedener Zwangsmaßnahmen mir aufgezwungen.
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Ein vergeblicher Versuch, mir eine Arbeitsstelle zu beschaffen. Mein Gesuch wurde vom Direktor der Maschinen- und Traktorenstation, einem kommunistischen Fanatiker und Deutschenhasser abgelehnt, obwohl ich von drei Behรถrden gute Referenzen vorweisen konnte.
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Übersetzung aus dem Rumänischen: 29. Mai Nicht stattgegeben Direktor Vasile Barbu Genosse Direktor! Unterfertigter Funk M. Ioan, wohnhaft in der Gemeinde Neu-Tataru, Rayon Calma{ui, Region Gala{i, bitte Sie mich wohlwollend in der Buchhaltung der neu errichteten Maschinen- und Traktorenstation Cioara anzustellen. Ich war als Materialbuchhalter in der S.M.T. (Maschinenund Traktorenstation) Gottlob, Region Timi~oara angestellt und betraut mit den Einkünften der Station. Als schulische Ausbildung besitze ich das Bakkalaureat (Abitur). Die Tatsache in Betracht ziehend, daß ich zwei Jahre bei der oben genannten Station gearbeitet habe, läßt folgern, daß ich mit der Arbeitsweise solcher S.M.T. vertraut bin, bitte ich um eine günstige Entscheidung. Es lebe der Kampf für Frieden, Wohlstand und Sozialismus! Neu-Tataru, 25. IV. 1952 Unterschrift Es folgen die Übersetzungen der drei auf die Rückseite des Gesuches geschriebenen Empfehlungen (Referenzen): 25. IV. 1952. Wir bestätigen das vorliegende Gesuch des Genossen Funk Ioan. Er hat auf allen Gebieten eine rege Arbeit geleistet und kann in jeden verantwortlichen Posten eingestellt werden. Er wird mit allen Aufgaben die auf ihn zukommen fertig werden. Kraft dessen ich diese Referenz erteile. Miliz-Unteroffizier Rascu{oiu. Stempel der Miliz. 25. IV. 1952. Wir, das Provisorische Komitee der Gemeinde Neu-Tataru, Rayon Calma{ui befürworten günstig die Anstellung, weil er ein gutes Element ist. Der Vorsitzende I. Dumitra~cu 29. IV. 1952. Kann als Buchhalter oder in einer anderen Funktion angestellt werden, weil aus unseren Überprüfungen hervorgeht, daß er vertrauenswürdig ist. Kommandant der Rayonsmiliz Calma{ui, Oberleutnant Ungur. Stempel der Miliz.
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Wie aus diesem Taufschein ersichtlich ist, war der Täufling schon fast drei Jahre alt, bis ein Priester nach Dalga kam, um die Kinder zu taufen. Die im Text des Taufscheins vorkommenden Fehler sind zu entschuldigen, weil Pfarrer Farkas ein Ungar aus Otelek war, der nur fehlerhaft deutsch sprach und nach Rachitoasa deportiert wurde. Allerdings hatte er Glück, daß ihn keiner erwischte, denn seine Fahrt von Rachitoasa nach Dalga war mit einem großen Risiko verbunden. Diese beiden neuen Dörfer lagen sehr viel weiter als 15 km voneinander entfernt, und damit hatte er sich nach den damaligen Restriktionen strafbar gemacht.
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Diese Bescheinigung des Volksrates von Dalga wurde Herrn Nikolaus Christmann ausgefolgt, um sein Hab und Gut von Dalga ins Banat transportieren zu können. Sie diente auch als Beweis, daß er keine Verpflichtungen mehr diesem Dorf und dem Staat gegenüber hat, was die Abgabe von Getreide- und Tierquoten, Steuern und anderen Taxen anbelangt und alles Angeführte sein rechtmäßiges privates Eigentum ist. Diese Bescheinigung berechtigte ihn die angeführten Sachen mittels der Eisenbahn zu transportieren. Anhand dieser Bescheinigung und des darauf verzeichneten Inventars wurde das "Vermögen" dieser aus dem Zwangsaufenthalt entlassenen Familie offengelegt. Es bestand aus zwei Ziegen, 30 Hühnern, 150 kg Weizenmehl, 30 kg Kleie, 400 kg Kartoffeln, 30 kg Zwiebeln, drei Betten, zwei Schränken, zwei Nachtschränken, einem Sofa, zwei Tischen, sechs Stühlen, einer Nähmaschine (mit Fußbetrieb), einer Waschmaschine (mit Handbetrieb) und 600 kg Brennholz.
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Eine zusätzliche Fahrkane für zwei Begleitpersonen des Güterwaggons mit Nr. 3138544 von Dalga nach Billed. Der Güterwaggon kostete 671 Lei und diese Fahrkane 132 Lei. Damit bezahlte die Familie Christmann für ihre Heimfahn 803 Lei, fast zwei Monatslöhne eines Arbeiters.
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Diese Bestätigung, daß der Einwohner von Rächitoasa Johann Gaul von 12 Ar 300 kg Mais geerntet und 300 kg Weizen mit seiner Hände Arbeit verdient hatte, sollte ihn bei seiner Heimkehr nach Lenauheim, vor einer eventuellen Konfiszierung des Getreides, unter dem Vorwand es wäre gestohlen, schützen.
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Bei der Deportation in den Baragan benötigte niemand ein ärztliches Zeugnis. Bei der Heimkehr wurde ein solches vom Kreisarzt des Sanitätskreises Pietroiu, mangels einer Drucksorte und ordentlichem Papiers, auf einen Papierfetzen geschrieben und so ausgefolgt. Darauf bescheinigte er, daß Magdalena und Viktor Wagner gesund sind und daß es in ihrem Herkunftsort keine ansteckenden Krankheiten gibt.
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Ebenso benötigte Familie Wagner auch eine Bescheinigung seitens des Kreistierarztes, wonach die mitgenommenen Tiere gesund sind und in ihrem H erkunftsort keine Viehseuchen herrschen. In diesem Fall ist die Bescheinigung für 3 Ziegen, davon eine schwarze und zwei weiße, 3 Schafe, 30 Hühner und 1 Katze, ausgefolgt worden.
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Am 19. Januar 1956 ausgestellter Frachtbrief f端r den G端terwaggon mit welchem Familie Wagner heimkehrte und am 24. Januar in Neubeschenowa ankam.
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Ein interessantes Schriftst체ck, womit HerrnJohann Gaul das von ihm erbaute Haus seitens des Volksrates so 체bergeben wurde, als w채re es ein Geschenk des rum채nischen Staates.
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Übersetzung des Protokolls aus dem Rumänischen:
Protokoll Heute 15. Dezember 1952 Die Unterzeichneten Mihai Constantin, Vorsitzender des Volkrates der Gemeinde GiurgeniiNoui, begleitet von Tunaru Spiru, Kommandant des Milizpostens, Römer Mihai, Arzt des Sanitätskreises und Arapu Petru, Verantwortlicher des Kulturheimes haben uns am heutigen Tage bei derWohnung Nr. 305 eingefunden, wo die Ersteren die Übergabe und Genosse Gaul Jon die Übernahme des Gebäudes- kleiner Typ für Wohnzwecke-vollzogen haben. Das Gebäude ist errichtet, die Wände _ _ mit Schilf gedeckt und mit kompletten Türen und Fenstern. Es fehlt Das Gebäude wird in gutem bewohnbarem Zustand dem Genossen Gaul Jon, als Eigentümer übergeben, welcher sich verpflichtet, es in gutem bewohnbarem Zustand zu erhalten und alle, von höheren Organen erteilten, diesbezüglichen Verfügungen zu beachten. Dieses Protokoll wurde in 2 Exemplaren ausgefertigt, eines wird dem Eigentümer ausgehändigt, das zweite Exemplar wird im Archiv des Volksrates aufbewahrt. Wir haben übergeben Mitglieder
Ich habe erhalten
(Siegelinschrift: Volksrat der Gemeinde Giurgenii-Noui * Exekutivkomitee * Kreis Fetesti, Region Jalomita) Dazu die Bemerkung des Herrn Kar! Gaul: "Meine Eltern wurden aus Lenauheim - und etwas später auch ich aus der Nähe von Suceava, wohin ich als neugebackener Apotheker abgeschoben war- nach Giurgenii Noi verschleppt. Laut Protokoll vom 15. Dezember 1952 wurde meinem Vater Johann Gaul ein "Gebäude" für Wohnzwecke als "Eigentümer" übergeben. Die Realität war aber eine ganz andere. Wie auch die anderen Verschleppten hatte mein Vater (61 Jahre alt) und meine Mutter (57 Jahre alt) das recht bescheidene Haus aus eigenen Mitteln und eigener Kraft erbaut. Sie mußten sich das Bauholz und die anderen Baumaterialien kaufen und für Fenster und Türen, die zugeteilt wurden, war ein ordentliches Bakschisch (Bestechungsgeld) fällig.
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.DIPLOMA DE MERIT ·· ,j}.,-.!;,,d,_r,,.L ...~td'..=. din . ~a.i.:: ~walai. ?..~,~-~~J~t~~. . Lc.,~-!.: .. ·.··········;·-··········Se acordti elev.•
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DIPLOMÄ OE MERIT PENTRU iNVÄTÄTUÄÄ ~I PURTARE FOARTE BUNA
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Prämie-Diplom für sehr gutes Lernen und Betragen, das die Klassenbeste der VI. Klasse Liesl Neidenbach an der siebenklassigen Elementarschule in Dalga am Ende des Schuljahres 1954/ 55 ausgefolgt bekam. (Die fehlerhafte Schreibweise des Namens ist auf die rumänische Klassenlehrerin Nina Lungu zurückzuführen, die kein Wort Deutsch sprach.)
Frau Elisabeth Quint, die ehemalige Schülerin Liesl Neidenbach, schrieb mir folgende Bemerkung: "Als Erinnerung an unsere Baraganzeit habe ich auch einige Seiten aus meinem Poesiealbum, Stammbuch genannt, kopiert und Ihnen geschickt. Wer das Stammbuch eben zu Ostern oder Weihnachten vom Taufpaten erhalten hat, so wie ich, hat auch dieses beim Packen, als wir in den Baragan mußten, schnell irgendwohin versteckt, damit es nicht zu Hause zurückblieb. Und auf diese Weise sind die kleinen Sprüche, die im Baragan noch hineingeschrieben wurden, Zeugen und Überbleibsel einer Tragödie geworden. Diese wirkte sich auch auf uns Kinder dermaßen aus, daß wir die Zeitrechnung immer noch in zwei Perioden teilen,- vor dem Baragan undnach dem Baragan."
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Zwei Seiten des Poesiealbums der Schülerirr Lies! Neidenbach (verheiratete Quint), Auf der rechten Seite der Spruch ihrer Lehrerin der Unterklassen Anna Divo und links der Spruch ihrer Lehrerin in den Klassen V-VII Annemarie StoffeL ::.0·•·.:.. ,._ ~:·:~.::" ·. ,;.:
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Auf einer anderen Seite des Stammbuches verewigte sich ihre Freundin Lia Wild mit diesen Versen in Dalga am L November 195L
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Beabsichtigte man in einen anderen Ort zu fahren, war es ratsam, sich eine solche Bestätigung geben zu lassen. Weil sich die Deportierten nur 15 Kilometer weit von ihrem Wohnort entfernen durften, konnten sie von Milizstreifen ohne eine solche Bescheinigung verhaftet werden. Übersetzung aus dem Rumänischen: 11. November 1951 Bestätigung Genosse Merschdorf Wilhelm Straße C 6 und Merschdorf Elisabeth Nr. 6 Straße C gehen heute, 1l.XI.1951 nach Slobozia um Gemüse einzukaufen. Sie fahren mit der Eisenbahn. Marcule~ti
Noi
Vorsitzender (des Volksrates) Unterschrift unleserlich
Unterschrift eines Hauptmanns der Miliz Stempel der Miliz
(Eingesandt von Frau Elisabeth Stein, geh. Merschdorf [Augsburg])
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Ein Haus-Übergabe-Protokoll. Solche wurden nach der Aufhebung des Zwangsaufenthaltes zwischen dem Vertreter des Volksrates und einem Volksratsabgeordneten als Übernehmerund demjenigen geschlossen, der das Haus erbaut hatte und es anläßlich seiner Heimkehr ins Banat, im Baragan zurückließ. Interessant ist die Passsage worin es heißt, daß dieses Haus von dem Bürger Stoffel Johann mit "Hilfe des Staates" erbaut wurde. Uneingeweihte könnten meinen, daß dieser "gutherzige Staat" mit einem Darlehen den Häuserbau gefördert hätte. Daß man zum Hausbau gezwungen wurde, das ist nirgends vermerkt.
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ROMANIA MINISTERUL DE INTERNE DIRECTIA SECRETARIAT Nr.
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Domnului (Doamnei)
_ _I...,..ä.u.z.ä.t'!is.<UL.l.on ________ _ Draheta:Tur.nu=~Xin,-SLr.-Aurelian
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La cererea Dumneavoasträ, inrcgistratii cu nr.
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urmätoarele :
Laza=escu Ion Dumitru ···················-·····'··········-..········································ • fiul (fiica) lui ....c.öiii~··TäT:iöTi'ii~a Elens 2ci.ol.l921 jud. ::ieheäin.'yi ~i (al) ·····················-·-·-···-, nilscut (ä) Ia data de ....................... in ·········-························a I.cst. ..EE~-~...P..~.<:l-_z i:::_l:l , A~.!!..._!1-r. -~<2.'?.L~'22.!. 1...l.~~a ta d~---~2.~ o6. 12.?..!_!._ s-a sta~ilit
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i~.A.I.
nr.62oo/2o.l2.1955 · i s-au ridicat
domiciliare,
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Vom gegenwärtigen rumänischen Innenministerium ausgestellte Bescheinigung über die 1955 erfolgte Aufhebung des Zwangsaufenthaltes für einen ehemaligen Großbauern, der auf Grund der Entscheidung Nr. 200/1951 des damaligen Innenministeriums seit dem 17.06.1951 Zwangsaufenthalt in Olaru hatte.
126
Wilhelm Weber
Dorfpläne der 18 im Sommer und Herbst 1951 im Baragan neu erbauten Ortschaften In eine Dokumentation über die Deportation und den Zwangsaufenthalt in der Baragan-Steppe gehören auch die Pläne der von den Deportierten neu erbauten Dörfer. Der Zugang zu den in rumänischen Archiven aufbewahrten und schon vor der Deportation von Fachleuten angefertigten Plänen, nach welchen die Hausplätze ausgemessen wurden und das Aussehen jeder Dorfanlage auf Papier festgehalten war, ist bislang verwehrt. Darum appellierte ich an das Erinnerungsvermögen Betroffener, die ihr Dorf gut kannten und mit der Hilfe ehemaliger Leidensgefährten einen Dorfplan zeichnen konnten. Nur einigen war es möglich, die genaue Anzahl der Hausplätze einzuzeichnen und nur in einem einzigen Fall auch bei jedem Hausplatz die Hausnummer einzutragen. Dieser und noch ein zweiter Dorfplan wurden von den originalen Planskizzen vor Ort im Baragan kopiert und davon je eine Reinzeichnung angefertigt. Alle anderen sind aus der Erinnerung gezeichnet und weil man sich auf die genaue Lage und Anzahl aller Hausplätze nicht mehr erinnert, wurden nur die Straßen und die Dorfviertel eingetragen. Trotzdem vermitteln auch diese Dorfpläne einen Überblick über jede Dorfanlage, über die Anzahl der Straßen, über die von ihnen abgegrenzten Dorfviertel und über die Lage der öffentlichen Bauten wie Gemeindehaus (Rathaus), Schule, Krankenstation, Genossenschaftskaufladen und Miliz. Die beigefügte Karte des Baragan mit den auffällig eingezeichneten Neu-Dörfern, die gegenwärtig zum überwiegenden Teil wieder von der Landkarte verschwunden sind, soll der besseren Orientierung und Ortsbestimmung dieser Dörfer dienen. Die Karte entstammt dem Buch Rusalii 51, die neuen Dörfer und die Aufschrift sind aber von mir so auffällig eingezeichnet worden.
127
128
il Staatsgut (HofWld Wirtschafisgebäude) it Oouau il
von Johann Gaul aus Lcnauheim vor Ort kopierte Skizze ~
zur Eisenbahn
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Rachitoasa - Giurgenii N oi Hinweise zum Dorfplan: Maßstab etwa 1 : 5.500 (gilt nicht für die eingerahmten Gebäude, für Friedhof und Hauptstraße) SFAT =}Gemeindehaus SAAL =} Kulturheim mit Tanzsaal, durch freiwillige Arbeit erst später (1953 ?) errichtet neben dem Schulgebäude stand ein "Dispensar" (Ambulanz-Bau), Arzt war Dr. Michael Römer aus Johannisfeld Nach Giurgeni-Noi waren, außer den 149 Familien aus Lenauheim, noch aus folgenden Banater Gemeinden Leute verschleppt worden: Folia Groß-Sankt-Peter Johannisfeld Otelek (u.a. Pfarrer Farkas) Perjamosch Semlak Triebswetter Woiteg (diese Liste ist nicht vollständig). Ferner Rumänen aus der Moldau und Bessarabien, die vor der Roten Armee bis ins Banat geflüchtet waren. Beim Brunnengraben stieß man schon in geringer Tiefe auf das Grundwasser, das jedoch wegen seines hohen Salzgehaltes bitter schmeckte und ungenießbar war. Ließ man es nur kurze Zeit stehen, so bildete sich auf der Wasseroberfläche eine dünne weißliche Salzhaut. Das Wasser aus der nahen Donau war zwar trübe, wenn es jedoch einige Stunden ruhig stand, setzten sich die Schwebepartikel und es mundete recht gut- allerdings mit dem Risiko von Typhus- und anderer Infektionen. Typhusfälle soll es gegeben haben, doch keine Epidemie. Es etablierten sich "Wasserverkäufer", die mit einem größeren Holzfaß durch den Ort fuhren und Donauwasser eimerweise verkauften. 2176 Einwohner davon waren: 1034 Rumänen und Mazedorumänen, 903 Deutsche, 129 Serben, 107 Ungarn, 2 Polen, 1 Slowak (Diese Angaben aus: Prof. D. Brusalinschi- "Deportati ln Barägan" Zeitung "Romania Liberä" vom 5. Juni 1990).
129
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Zeichenerklärung
OHäuser (Format A) 420 B 38 Hauspl. unbebaut 190 c:J Gesamt 648
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~~ Tiefbohrbr. 56 Straßen
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Brunnen 30 m • Vermessungspunkt
2 3 4 5 6
Rathaus Polizei Einkaufszentrum Schule Dispensar (Erste H.) Altenheim (im Bau)
Göppingen, 8, Sept, 1994
Dorfplan: H. Ruppert
1854 Einwohner (nach Prof.Brusalinschi)
130
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Maßstab
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Schule Poliklinik (Dispensar) Genossenschaftsladen Miliz (Polizei) Gemeindehaus (Rathaus) Brunnen Hans Holzinger Dellenfelder-str. 16 51643 Gummersbach
131
Dalga - Dalga N oua o.
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516 Hausnummern
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635 Familien 1850 personen Rumänen 386 Familien - 1145 Pers. Deutsche 202 " 580 " Serben 32 93 " ungarn
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1850 Pers.
Dorfplan: Ernst Stoffel Angaben: ehem. Ratsschreiber Josef BaiSer
132
Dropia - Dragalina N oua
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442 Familien. 1453 1081 344 13 6 3
Einwohner davon: Rumänen 1. Rathaus (SI'atut ~~ Deutsche 2. &11<aufsladen I Coaperutivol ungarn 1 SciUe Griechen L. KiTilkenhaus I D~ l Serben 6 Slowaken s. Hili: laut Prof. Dwni tru :srusalinschi
Zeichnung: Renale Koch
nach einer SkilM ""' .Johaln Rolhen ltld unter Mitarbeit von Georg Wllling. Eva Jakobi â&#x20AC;˘ .loset Koch
133
Olaru -
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880 Familien und 2531 Einwohner
(laut Prof. D .Brusalinschi)
1 Genossenschaftsladen 2 Schule 3 Miliz (Polizei) ~ Gemeindehaus . (Rathaus) 5 Krankenstation
norfplan: Johann Th5ress
134
Mazareni- Urleasca Noua
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527 Familien mit ca. 1274 }'ersonen (nach Vultur ID:. 1
Schule 2 GenoeeeiUichafteladen 3 Miliz
4 Rathaus
5 Krankenetation 6 Sportplatz
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Ietorie tr채iti ~
Ietorie po'V'estiti, Seite 28:5).
Dorfplan: Jakob Dietrich
135
Vii~oara- Märcule~tii
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Brücke über die Jalomitza nach Bucu.
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Fähre über die Jalomitza nach ograda.
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Friedho.f
Kanal 741 Hauenummern ( Prof.Tri:fu Petcu -"Die Barägan~dysee") 2060 Einwohner ( Prof .Dumi tru Brusalinschi - "Deporta~i ln B.!Iragan) 1 2 3 4 5
Krankenstation Gemeindehaus (Rathaus) Schule Genossenschafteladen Miliz (Polizei) Dor:fplan: Elieabeth Stein geb.Merechdor.f
136
Ezerul- Cacomeanca N oua
210 H채user mit etwa 11 00 Einwohner
1 Schule 2 Krankenstation ~ Rathaue 4 Miliz
5 Genossenschaftsladen Angaben und Dorfplan: Jakob Ballmann
137
Movila Gald채ului - Pietroiu N ou A
Garten
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Etwa 617 Hausnummern und " 2000 Einwohner (laut Prof .n.:sruaalins~hi) Brunnen Rathaus 3 Genossenschaftsladen 4 Krankenstation 5 schule 6 Miliz Dorfplan: Magdalena ortinau 1
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138
Valea Calmatuiului- Insuratei Noi
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Etwa 300 Hausnummern
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Rathaus 3 Genossenschaftsladen 4 Schule 5 Krankenstation Staatsgut Rubla 2
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Angaben und Dorfplan: Hans Eichert
139
Fundata- Perietii Noi
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1569 Einwohner
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Genoaeenechafteladen Krankenetation Rathaue Schule
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Miliz
norfplan: Peter Christmann
Salcami - Jegalia N oua
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Bahnhof M채rcule~ti 4----=-3..::.:km=-.
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1 Brunnen 2 Schule 3 Kulturheim 4
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5 Rathaus 6 Krankenetation
Dorfplan: Ludwig Nothof
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ca, 780 Häuser
Dorfplan: Margarethe Egler
Bahnhof von Al t-Frumllli'i -p.
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1 Schule 2042 Einwohner (Prof â&#x20AC;˘ Dumi tru ¡ Brusalinschi) 2 Rathaus 3 Krankenstation 4 Genossenscha!taladen nor!plan: Johann panhartek 5 Miliz (Polizei)
143
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Schule Miliz (Polizei) Rathaus (Gemeindehaus) Genossenschaftsladen Krankenstation
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Dorfplan: Johann Funk
144
Zagna - Vadenii N oi
Altes Dorf
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Friedhof
+----Baldovine~ti
Br채ila 5km
1 2 3 4
Genossenschaftsladen 5 MUiz 6 Kulturheim 7 Rathaus 8
schule Krankenstation Konservenfabrik Bahnhof v채deni
Dorfplan: LUC1wig rTotho!
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Valea Viilor- Fete~tii Noi
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700 Häuser laut "Deportarea ln
Bäragan" a.a.o.
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seite 221 •
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Schule Kulturheim
3 Rathaus (Gemeindehaus) und Miliz 4 Krankenstation Dorfplan: Jakob r1uttar
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Grundriß eines Baragan-Hauses mit einem Zimmer und Küche, genannt "Kleines Haus".
Küche
Zimmer
Grundriß eines Baragan-Hauses mit zwei Zimmern und Küche, genannt "Großes Haus".
Zimmer
KÜche
Zimmer
Laut den mir vorliegenden Angaben hatten die Barägan-Häuser folgende Maße: Kleines Haus - Außenlänge 7,20 bis 7,30 m Außenbreite 4,80 bis 5,00 m Großes Haus - Außenlänge 10,85 bis 11,00 m Außenbreite 4,80 bis 5,00 m Stärke der gestampften Hauswände- 45 cm Stärke der aus Lehmziegeln erbauten Wände: Außenwände - 40 cm (Länge eines Lehmziegels) Innenwände - 25 cm (Breite eines Lehmziegels) Es gab eine geringe Anzahl Häuser, deren Wände zwischen einem Holzgestell aus Weiden- und Schilfrohrgeflecht gefertigt und von beiden Seiten mit einer Lehmschicht verputzt waren.
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lf .,., , Zeichnung von Elisabeth Merschdorf verh. Stein vom 13. September 1951, die sie in einem Brief ihrem Bruder schickte, um ihn über ihren Hausbau zu informieren.
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Grundriß und Einrichtung des kleinen Hauses der Familie Merschdorf in Vii~oara. Stall mit Schuppen und W.C. wurden an die rückwärtige Hauswand angebaut. Zeichnung von Elisabeth Merschdorf verh. Stein aus 1952.
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320 Haus Nr. 389 der Familie Holzirrger aus Gottlob in Schei. Links: Ansicht des fertiggebauten Hauses. Rechts: Grundriß desselben Hauses mit Angaben der Größenmaße. Zeichnungen von Hans Holzinger.
148
Engelhard Mildt und Friedrich Resch
Protestaktion einiger Temeschburger Jugendlicher gegen die Baragan-Deportation Schon in den ersten Tagen nach dem 23. August 1944 setzten gezielt gegen Deutsche gerichtete Schikanen unterschiedlichster Art ein. Es folgte die Internierung der in Politik, Wirtschaft und Kultur prominenten deutschen Persönlichkeiten und kurz darauf die Verschleppung der Deutschen in die Sowjetunion. Mit den stufenweise erfolgten Enteignungen der Deutschen im Handel, in der Industrie und in der Landwirtschaft, wurde dieser Bevölkerungsgruppe ihre jahrhundertealte stabile materielle Basis brutal entzogen und damit der entscheidende Schritt zur Entwurzelung dieser bis dahin wichtigsten ethnischen Komponente der rumänischen Wirtschaft getan. Die Summe dieser Ereignisse, von denen unsere Familien fast ausnahmslos und unmittelbar betroffen waren, hat zwangsläufig dazu geführt, uns frühzeitig mit der uns in unserer Existenz bedrohenden "Diktatur des Proletariats" auseinanderzusetzen und eine klare Stellung zu beziehen. Wir waren elf Freunde, die sich im Laufe dieser Jahre zusammengefunden haben. Zu diesem Freundeskreis gehörten: Franz Bayer, Dietmar Brössner, Emmerich Hochstraßer, Andreas Jassbereny, Engelhard Mildt, Alfred Prack, Friedrich Resch, Jakob Stein, Edömer Szilagyi, Herbert Winkler und Egon Zirkl. Das Durchschnittsalter lag bei zwanzig! Bestand anfangs keine klare Vorstellung über eine subversive politische Tätigkeit, so kristallisierte sich aus den intensiv geführten Diskussionen über Politik und Wirtschaft, ein immer wiederkehrender Leitgedanke: es muß etwas getan werden! Nicht ohne Bedeutung für unseren Entschluß aktiv zu werden, waren auch brisante internationale Ereignisse, wie die Berlinkrise, die Zerschlagung des Kommunismus in Griechenland und der Koreakrieg. So glaubte niemand ernsthaft an die Möglichkeit einer langfristigen Etablierung dieses Regimes, da ein bewaffneter Konflikt zwischen Ost und West, in jener heißen Phase des kalten Krieges, imminent und unausweichlich schien. Von solchen Hoffnungen ermutigt, setzten wir uns zum Ziel, den passiven Widerstand zu aktivieren, der in der Bevölkerung noch vorhanden war. Durch gezielte Aktionen wollten wir für die Menschen ermutigende, für die kommunistische Partei und ihren repressiven Sicherheitsapparat aber verunsichernde Signale setzen. Richteten sich unsere Aktionen in den ersten Jahren fast ausschließlich gegen die sowjetischen Besatzer, haben wir später unseren Protest gezielt gegen die kommunistische Diktatur in Rumänien gerichtet. 149
Die bedeutendste Aktion startete im September 1951. Entscheidend dafür war die Zwangsumsiedlung in die Baragansteppe eines Teils der Banater Bevölkerung. Damals wußten wir nicht, daß auch andere Gebiete davon betroffen waren. Obwohl dieses Ereignis nun schon drei Monate zurücklag, fehlte uns noch immer jegliche Information über die Zustände, die dort herrschten, um die geplante Protestaktion gestalten und starten zu können. Das änderte sich, nachdem unser Freund Jakob Stein illegal seine verschleppten Eltern im Baragan besucht hatte. Auf Schleichwegen ist es ihm gelungen, bis zu seiner Familie zu kommen. Was er berichtete, war erschütternd. Es sei noch erwähnt, daß er bei seiner abenteuerlichen Rückkehr, seinen kaum acht Jahre alten kranken Cousin, der dringend ärztliche Hilfe brauchte, nach Temeschburg mitgebracht hatte. Im Baragan hätte dieses Kind kaum eine Überlebenschance gehabt. Dieses neue Wissen um das grauenhafte Schicksal, dem die Menschen dort ausgesetzt waren, löste bei uns allen helle Empörung aus. Wir beschlossen, eine neue Aktion zu starten. Es sollten Flugblätter gedruckt und in einigen Stadtteilen verteilt werden. Die Texte sollten sich kritisch gegen - die Zwangsumsiedlung in den Baragan und - die sowjetischen Besatzungstruppen, als Beschützer und Förderer des kommunistischen Regimes in Rumänien richten. Die Texte wurden in rumänischer Sprache verfaßt und gedruckt. Das Drucken erfolgte in mühseliger Setz- und Druckarbeit, mit einem primitiven Stempeldruckset, eher ein Spielzeug als ein Werkzeug. Hier die Kopie eines originalen Flugblattes, mit dem Text des uns wichtigsten Aufrufs an die Bevölkerung, mit der deutschen Übersetzung: CE'.rATENI I~ TIMP CE VI SE _ _VORBESTE DE LIBER TATE sr DE DREPTURI SUN'T MII DE O.:llri~Ni DEPORTATI JN BARA GA:N" EXPUSI TJA FOAME SI MlZE.?-IE UN FAPT CARE IN REGIMUL
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lNTAM?LA'T . ~ • 1\J U .A 5 I f p '1' AT 1· P AN A V l VrNE RAr-.TDUL Cl A.JüTA'ri-1T A R. E".CII?ti oc IN"LUPTA CO.nTRA DUS.
HANUl. CONUN ß(J LSE'V I5H u L
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Bürger "Während man euch von Freiheit und Recht spricht, werden tausende Menschen in den Baragan verschleppt, dem Hunger und Elend ausgesetzt, was sich unter keiner Regierung dieses Landes je ereignet hat. Wartet nicht, bis ihr an die Reihe kommt, sondern helft euch gegenseitig im Kampf gegen den gemeinsamen Feind: den Bolschewismus!"
Andere Flugblätter richteten sich gegen die Russen, wie man die Sowjets schlechthin nannte, denn sie verkörperten in den Augen der Bevölkerung die Wurzel allen Übels. Ohne ihre Präsenz wäre es der rumänischen K.P. nie gelungen, die Macht durch manipulierte Wahlen an sich zu reißen. Und nicht zuletzt auch das obligatorische Flugblatt mit der Synthese aller unserer Gedanken: "Nieder mit dem Kommunismus!" Diese Aufrufe sollten Anstoß zur Meinungsäußerung und Stellungnahme gegen das wachsende soziale Unrecht geben. Am 11. September 1951 starteten wir unsere Flugblattaktion. Da wir zu wenige waren und auch die Stückzahl der Flugblätter (1.200 St.) zu gering war, um dies flächendeckend zu verteilen, haben wir uns auf die Stadtteile Josefstadt, Elisabethstadt und Fabrikstadt beschränkt. Es ist anzunehmen, daß schon die ersten bei der Securitate gemeldeten Flugblätter einen Großalarm ausgelöst hatten. So wurde bei der sofort eingeleiteten Razzia einer von uns gestellt und beim Fluchtversuch, von einem auf ihn abgefeuerten Schuß, lebensgefährlich verletzt. Diese Aktion hat uns unsere Freiheit gekostet, denn schon in den darauffolgenden Wochen wurden wir alle verhaftet. Der Prozeß fand am 14. März 1952 beim Militärgericht in Temeschburg statt. Was folgte, war ein öffentlicher Schauprozeß. Schülerabordnungen, Vertreter der rumänischen Arbeiterjugend, Lehrer von der Sportschule, wo die meisten von uns noch zur Schule gingen oder gegangen waren, und einige Arbeiterdelegationen waren hierher beordert worden. Man wollte ein abschreckendes Beispiel statuieren. Außer diesen geladenen Gästen hatten nur unsere Eltern Zutritt. Auch die Offiziere, die uns verhört hatten, haben nicht gefehlt. So waren Oberleutnant Deitel (Deutel?) der Leiter unseres Verhörs, Neda Octavian, der immer in Zivil erschien, u.a.m. In seiner Anklage nannte uns der Staatsanwalt eine Verbrecherbande, eine faschistische Organisation, die durch ihre kriminelle Tätigkeit die Errungenschaften der neuen sozialen Ordnung gefährdet. Er forderte für Friedrich Resch, Engelhard Mildt und Alfred Prak die Todesstrafe (pedeapsa capitala) und für die anderen hohe Gefängnisstrafen. Wir wurden zu Zwangsarbeit und schwerem Kerker verurteilt, zu Strafen zwischen 6 und 15 Jahren. Sowohl der Staatsanwalt als auch wir, durch unsere Pflichtverteidiger, hatten Berufung eingelegt, der erstere für höhere, die letzteren für niedrigere Strafen. Das endgültige Urteil hat man uns, einige Monate später, in den jeweiligen Gefängnissen, in denen wir uns befanden, bekanntgegeben. Wir wurden in ein Büro der Gefängnisverwaltung gebracht, wo man uns den Beschluß des Obersten Gerichtshofes aus Bukarest- Curtea Suprema - vorlas. Man hatte dort unsere Berufung als unbegründet abgelehnt und der Berufung des Staatsanwalts stattgegeben. Die neuen Strafen lagen nun zwischen 10 und 25 Jahren! Diese Strafen haben einige von uns ganz, andere, die zu mehr als 14 Jahren verurteilt waren, zum großen Teil in verschiedenen Gefängnissen und Strafla151
gern verbüßt. Einer von uns ist schon nach fünf Gefängnisjahren in Gherla gestorben: Egon Zirkl. Die letzten fünf von uns sind im Sommer 1964, aufgrund eines Begnadigungsdekretes für politische Häftlinge aus den Lagern und Gefängnissen, in denen sie sich gerade befanden, entlassen worden. Dreizehn in kommunistischen Gefängnissen und Arbeitskolonien verbrachte Jahre waren zu Ende. Von den 167 Jahren, zu denen wir insgesamt verurteilt waren, haben wir 123 Jahre in 15 verschiedenen Haftanstalten verbracht. Durch das Begnadigungsdekret haben wir zwar unsere Freilassung aus dem Gefängnis oder Straflager erlangt, aber nicht unsere Freiheit wiedergewonnen. Unsere Rechte als "Bürger" der Volksrepublik Rumänien hatte man uns nur zum Teil wiedergegeben. Wir waren bis zu unserer Ausreise in die Bundesrepublik immer noch die Feinde des Volkes und wurden dementsprechend von der Securitate im Auge behalten.
Haus der Familie Klein aus Lenauheim in Rachitoasa.
152
Foto: E. Klein
Adam Bauer Morawitza- Vii~oara (Marcule~tii Noi)
Badigan- Schreckenswort im Banat Wenn Geschehenes und Geschichte nach menschlichem Ermessen gerecht niedergeschrieben werden soll, so darf auch die Baraganaktion von 1951 nicht in Vergessenheit geraten. Wollte jemand bis zu jenem Datum einen kurzen Bescheid über den Baragan erfahren, so fand er in Nachschlagewerken etwa folgendes: Eine ausgedehnte, schwach besiedelte Steppe im Südosten Rumäniens ... Wer hätte wohl gedacht, daß diese trostlose Einöde am Unterlauf der Donau zu einem "Sibirien Rumäniens" wird, daß viele Deportierte dort ihre letzte Ruhestätte finden! Viele Betroffene oder unmittelbar daran Beteiligte stellen sich heute noch die Frage: Warum? Doch um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, einen Blick auf die stalinistische Nachkriegsära, wie sie sich in Ost- und Südosteuropa abspielte, zu werfen. Es ist also notwendig, die Grundzüge dieser Ideologie kennenzulernen, die politischen Hintergründe schlechthin. Laut marxistischer "Lehre" muß der "Klassenfeind" für die Tatsache, daß er ausgebeutet hat, büßen, muß unschädlich gemacht werden. Und mehr noch- unter Stalin hieß es: Je mehr man sich den hohen Zielen des Kommunismus nähert, umso mehr verschärft sich der Klassenkampf. Gottlob kam man nach seinem Tode zu anderen Ansichten. Um also den Klassenfeind zu entfernen, schien die obengenannte Aktion am geeignetsten. Es konnten da mit einem Schlag drei Fliegen getroffen werden: Außer der Entfernung der "Ausbeuter" konnte die Baragansteppe urbar gemacht werden und drittens sollten diese Feinde des werktätigen Volkes von der gefährdeten jugoslawischen Grenze ferngehalten werden. Denn Tito wurde wegen seines Alleinganges im sozialistischen Lager aufs schärfste verurteilt. Und die Ausbeuter, besonders jener Grenzgebiete, könnten eines Tages- zusammen mit Tito- den Frieden gefährden ... So hieß es damals .. . Vielleicht sollte noch eine "vierte Fliege" getroffen werden? - Die Kollektivierung ging nur langsam vonstatten, denn die Gegenpropaganda des Klassenfeindes ... Diese Zeilen mögen nicht bloß den Verlauf der Deportation schildern - denn ohnehin hat man keine genauen Daten -, vielmehr das Schicksal eines Einzelnen, das zugleich das Schicksal der vielen Leidgeprüften darstellt. Es hieß "Klassenfeind" ... Mein Gott, wie dehnbar dieses Schlagwort! Wie erbärmlich, wenn ein System sehr viele Menschen als Feind betrachtet ... Hätte jemand oder er selber gedacht, daß er, Anton Stelzer, auch zu jenen gehört? Wenn man vom "Toni" oder "Vetter Toni" sprach, so hatte man nur die beste Meinung von ihm: selbstlos, gutherzig, fleißig, ehrlich, gerecht. Die Rumänen sagten damals: "E bun ca painea calda." (Er ist so gut wie ein Stück warmes Brot). 153
An einem eisigen Wintertag des Jahres 1947 kam er aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Als er am Bahnhof dem Waggon entstieg, schaute man zwar verwundert auf ihn, doch niemand erkannte ihn, er war, auch der Kopf, in eine Fferdedecke eingehüllt. Die tiefliegenden Augen blickten fragend in Richtung des bescheidenen Hauses, als wollten sie fragen: "Lebt meine Frau noch? Und der Vater auch?" An Kinder durfte er nicht denken, die Ehe war kinderlos. Er mied die Hauptstraße und eilte den Dorfrand entlang, durch eine Seitengasse, dem geliebten Heime zu. Endlich daheim! Vater und heimgekehrter Sohn weinen wie Kinder ... Das Wiedersehen ... Und die Frau? Sie war in Rußland auf Zwangsarbeit und dort gestorben. Bis zum Militärdienst war Anton Stelzerein Bauer mit bescheidenem Vermögen gewesen. Der Vater, nach 1945 enteignet, lebte in dürftigen Verhältnissen, nämlich vom Tagelohn. Nachdem Anton Stelzer zu körperlichen Kräften gekommen war, wurde wieder schwer geschuftet. In zwei Jahren konnte er sich Pferd und Wagen erstehen. Der Vater half nach Kräften. Und dann sollte er dem Kolchos beitreten. Was dies bedeutet, hatte er deutlich in der Gefangenschaft gesehen. Alle "Aufklärungsarbeit" blieb erfolglos und er wurde zum Klassenfeind gestempelt. Einige Zeit ließ man diesen Rückständigen in Ruhe. Dennoch witterte man etwas: denn zu viele sträubten sich. So kam der 17. Juni 1951 an den Himmel. Es war ein Sonntag. Am Abend kam Militär ins Dorf. Nicht wenig Aufregung gab es. Montagmorgen stand ein langer Zug mit Viehwaggons am Bahnhof. Geht es etwa wieder in Richtung Osten? Keiner durfte aufs Feld oder aus dem Dorf. Bald standen zwei Soldaten und ein Zivilist im Hofe von Anton Stelzer: "In zwei Stunden müssen Sie und Ihr Vater Ihre wichtigsten Sachen eingepackt haben und am Bahnhof erscheinen. Wenig Möbel und Kleinvieh ist auch erlaubt mitzunehmen!" Gesagt, getan- Ade du liebes Heim! Anton Stelzerund sein Vater hatten das Schicksal Zehntausender Leidtragender zu teilen. Am 19. Juni setzte sich der Zug in Bewegung. Im gleichen Waggon, zusammen mit Stelzer senior und junior, waren noch zwei rumänische und eine ungarische Familie. Nach vier Tagen war man am "Ziel" - in der Baragansteppe. Und für alle, so auch für Anton Stelzer begann ein neuer Lebensabschnitt. Seine Gedanken stehen noch immer unter dem Eindruck des Abschieds vom heimatlichen Bahnhof und einiger Ereignisse der Fahrt. Als es geheißen hatte: "Einpacken!" hatte er eine Ziege in eine Kiste gesteckt; sie verendete bereits am Bahnhof. Viele Leute nannten die Ziegen, da Kühe nur schwer zu halten waren, "Stalinkühe". Auch Schweine verendeten am Bahnhof, auch einiges Geflügel. Diese Tierquälerei ging Anton Stelzer auf die Nerven. Er hatte keine Kinder und oft sprach er zu Tieren, als wären sie seine Kinder. Sein liebes Pferd hatte er, mit Tränen in den Augen, zurücklassen müssen. Seinen getreuen Hund hatte er mitgenommen, er lag versteckt und scheinbar voller Angst, hinter einer Kiste. In der Nähe des Bahnhofs von F. blieb der Zug stehen, die Verschleppten wurden auf Lastautos geladen und nach etwa zehn Kilometer aufs freie Feld 154
gesetzt. Ihr Gepäck kam nach einigen Stunden. Links war ein Weizenfeld mit ziemlich vielen Disteln und anderem Unkraut, rechts breitete sich eine riesige Steppe aus. Ein heißer und trockener Wind wehte über die Steppe. Anton Stelzer blickt verzweifelt in die Weite und unwillkürlich denkt er an die Banater Heide, an die Erde, die er so liebte - und auch an die russische Steppe, wo er als Gefangener die Heimkehr ersehnt und schließlich erlebt hatte. Doch grübeln hilft nichts, es mußte etwas getan werden, um nicht den Verstand zu verlieren. Er hatte einige landwirtschaftliche Werkzeuge mitgebracht und war entschlossen, zusammen mit den anderen die neue Heimat aufzubauen. Um einigen Schutz zu finden, es wehte ein heißer Wind, gruben die Leute Erdlöcher und stellten Kisten und Kasten ringsherum. Der Wind wurde zum Sturm, bald blitzte es hell auf, ein Gewitter! Kinder weinten, selbst den Erwachsenen ist es danach zumute. Man meint, der jüngste Tag sei angebrochen. Ein furchtbarer Regen saust hernieder ... Glück im Unglück, er dauert nicht lange, jedoch fast alles ist durchnäßt, denn die Zelte vermochten nur weniges zu schützen. In den folgenden Tagen wurde die Behausung vervollständigt. Auch kamen Lastautos mit Brettern, Balken und Latten, die man an die Verbannten verteilte. Und dann begann man, wie einst der Urahn im Banat, kleine Häuser aus Erde zu bauen. Man schloß sich zu Gruppen zusammen und half sich gegenseitig. Erdziegel wurden geschlagen und an der Sonne getrocknet. Andere fanden es besser, die Mauern zu stampfen. Vetter Toni half seinem Nachbarn beim Bau einer derartigen Mauer. Gegen Abend, als bereits drei Viertel der Höhe gestampft war, neigte sie sich langsam nach außen, einer schrie "weg!" und mit dumpfem Krach stürzte sie zusammen. Mit Ziegeln bauten sie am nächsten Tag eine neue Mauer wieder auf. Rechts von dieser "Häusergasse" ist ein Weizenfeld, jedoch viel davon ist bereits niedergetrampelt. Kinder sammeln Ähren, reiben sie aus und füttern das wenige Geflügel, das die Fahrt überlebt hat. An Nahrungsmitteln hat man nur das, was vor der Reise ins Ungewisse in aller Eile eingepackt worden ist. Es heißt sparen, denn an Geldverdienen kann man erst denken, wenn die Hütte fertig ist. Doch etwas lernt man besonders schätzen, es ist fast wie in der Wüste: das köstliche Naß, das Wasser. Mit einem Pferdewagen bringt man es in Bottichen von weit her, es ist meist warm und schmeckt unangenehm. Es sollte auch zum Waschen reichen, leider muß man sich oft mit einem feuchten Lappen abreiben, da das Wasser zu knapp ist. Die Verschleppten entschließen sich einen Brunnen zu graben. Nach einigen Tagen atmen sie auf: Wasser! Eines Tages kommen einige Wagen mit Türen und Fenstern angefahren, die die staatliche Verwaltung den neuen Häusern zuteilt. In Gemeinschaftsarbeit wachsen die Häuschen. Doch womit sie decken? Aus einer Entfernung von mehreren Kilometern schleppen die Unentwegten Schilf und Getreidestroh herbei, ein Dachdeckmaterial wie in der Zeit der Besiedlung des Banats. Das Dorf braucht seine Schule und ein Rathaus. Jeder ist verpflichtet mitzuhelfen, um sie aufzubauen. Nach langen Tagen größter Hitze und schwerer Arbeit 155
können die Geplagten in ihre Häuser einziehen. Die Lebensmittel gehen zur Neige. Erfreulicherweise dürfen aus dem Banat Päckchen und Lebensmittel geschickt werden, nachdem man endlich auch den Briefwechsel mit den Angehörigen daheim erlaubt hat. Alles wird jedoch strengstens kontrolliert. Ein Stempel im Personalausweis der Verbannten macht diese bei Kontrollen leicht erkennbar, sie dürfen sich nur in einem Umkreis von 15 Kilometern bewegen. In der Zeit des Häuserbauens war keine Zeit zu grübeln. Doch jetzt legt es sich wieder wie eine eiserne Faust auf das Innere von vielen: Gefangen! Stelzer geht es ebenso. Auch an seinem Vater zehrt dieser Gedanke und er altert zusehends. Es ist an der Zeit, die primitiven Wohnungen sind in großen Zügen fertig, sich nach einem Arbeitsplatz umzusehen. Unser Stelzer findet einen im Nachbardorf, in der Schweinemästerei des Staatsgutes. Die oft schmutzige Arbeit behagt ihm nicht. Doch bald erkennt er die Vorteile: Es bieten sich Möglichkeiten, Futter zu entwenden. Wer macht derartiges nicht, der an einer "Quelle" sitzt, dort drüben? Und bei 15 Lei Taglohn war das bloß eine Hilfe zum Überleben. Bei einem täglichen Fußmarsch von 11 km hin und 11 km zurück war damit kaum der Weg bezahlt. So verging der Herbst und es folgte ein Winter, wie Stelzer ihn bloß in der Sowjetunion erlebt hatte, mit ungeheuren Schneemassen und wilden Schneestürmen. Der bislang trotz allem lebensmutige Mann wurde oft des Lebens überdrüssig und dies besonders, als sein Vater grippekrank wurde. Durch ein Paket bekommt er Arzneien. Eine Lungenentzündung kommt hinzu, ein Arzt kann nur mit Verspätung kommen und - Herr Stelzer bleibt allein in seinen vier Wänden. Stumm und voller Trauer geben viele Leute dem alten Manne das letzte Geleit. Als Stelzer den neuen Friedhof verlassen will, könnte er nochmals laut aufweinen: Sein Hund liegt treu am GrabeshügeL Doch Bekannte lassen ihn nicht im Stich, besuchen ihn öfter. Eine kleine religiöse Gesellschaft hat sich ohnehin schon im Herbst gebildet. Sonntags trifft man sich, ohne sich auffällig zu machen, auf ein Stündchen, tauscht Erlebnisse und betet gemeinsam: Lieber Gott, wir bitten dich, Laß uns nicht untergehen, Da wir heimatlos Hier als Fremde stehen! Herr, hab Mitleid und Erbarmen Mit uns allen schuldlos Armen. Herr, gib uns die Heimat wieder, Wo wir sangen frohe Lieder, Wo uns Feld und Wiesen grüßen Dort laß uns die Augen schließen, Daß wir vereint mit unseren Lieben, 156
Die schon schlafen längst in Frieden. Erst dann finden wir die ew'ge Ruh, Wenn Heimaterde deckt uns zu. Und daß es uns und unserem Volke in Zukunft besser ergehe! Das walte Gott. Für die Verbannten folgten noch viele schwere Tage und Wochen, Monate und Jahre, in denen sie sich unter dem Aufwand ihrer letzten Kräfte darum bemühten, die so unwirtliche, fremde Gegend menschenfreundlicher zu machen. Während dieser Zeit hatte Stelzer den festen Entschluß gefaßt, in seine wahre Heimat, das Land seiner Ahnen zu ziehen, sobald sich irgendwann einmal die Gelegenheit dazu bieten würde. Man sprach viel davon, vom Reisefieber wurde so mancher erfaßt. Anfang 1956 kam der Befehl, den die Verbannten so sehr erwartet hatten: Sie durften in ihre Banater Dörfer zurückkehren. Stelzers Wunsch, das Land verlassen zu können, das ihm ein menschenwürdiges Dasein verwehrte, sollte erst viel später wahr werden. Heute lebt er in Deutschland - dankbar für jeden Tag, den er hier erleben darf. Die Geschehnisse der Bad.ganaktion sollten nicht als vergangen und vergessen abgetan werden. Wenn man im Laufe der Zeit versucht, besondere Opfer oder Heldentaten der Menschen durch Gedenksteine der Vergessenheit zu entreißen, würden wohl auch die Opfer der Baraganaktion einen Gedenkstein verdienen.
Mädchen aus mehreren Banater Ortschaften, die in Brate~ Freundinnen wurden. Foto: S. Waldner
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Helga Ritter (Enkelin von Jakob und Elisabeth Friedrich) Großsanktpeter- Rachitoasa (Giurgenii Noi)
20. Januar 1956 "Wie des passert is, han mer net gheilt. D'r Ota hat immer gsat: "Nor net heile, die seile net gsien, wie weh uns des tut. Die seile net a noch iwer uns lache." Diese Worte habe ich als Kind oft von meiner Großmutter gehört, wenn sie mir über die Verschleppung in den Baragan erzählt hat, und jedesmal sind ihr die Tränen über die verhärmten Wangen gerollt. Sie hat mir an langen Winterabenden ihre ganze Verbitterung und ihr ganzes Leid geklagt und meine Kinderseele unauslöschlich beeindruckt. Heute, nach fast zwanzig Jahren, sind mir diese Bilder gegenwärtig, als wäre es gestern geschehen. Nennen wir unsere Helden- denn Helden sind diese Leute schon, doch nicht im herkömmlichen Sinne des Wortes, mit Ehrenkreuz und viel Getue, sondern Helden, deren oberstes Gebot die Arbeit, die Redlichkeit und Pflichterfüllung verbunden mit einer innigen Liebe zu Heimat und Scholle waren einfach Lissi und Jakob. Sie könnten auch Marjan und Franz, Resi und Hans heißen. Ihr Name ist unwichtig. Er steht für die vielen Ungenannten und die vielen Unbekannten. Es war am 17. Juni 1951, als sich, wie immer am Sonntagabend, die Nachbarsleute auf der Straße trafen. Jeder hatte sich eine Sitzgelegenheit mitgebracht und es wurde über die Vorkommnisse der letzten Woche gesprochen. Großsanktpeter war ein großes, stattliches Dorf, doch leicht hatten es die Schwaben zu dieser Zeit nicht. Wer nicht geflüchtet war und nicht zu alt war, wurde nach Rußland verschleppt. Seit der Bodenreform im Juni 1945 hatten die meisten Bauern kein Feld mehr und arbeiteten als Knechte bei den Serben, oft um den fünften Teil. In vielen Häusern lebten seit vier Jahren ein bis zwei Familien rumänischer Flüchtlinge. Ärger, Sorgen, Not ... Gesprächsstoff gab es also. Wes Lissi erzählte gerade, daß ihre 10 Monate alte Enkeltochter die vergangene Nacht sehr unruhig war, und sie eigentlich müde sei und bald zur Ruhe gehen möchte, als eine große Anzahl Lkw in der Hauptstraße nach Sarafol durchfuhr. Beunruhigt rätselten die Leute, was das zu bedeuten habe. Die Runde löste sich mit Mißbehagen auf. Es lag irgendetwas in der Luft. Diese Nacht sollte für Wes Lissi und Vetter Jakob nicht ruhig verlaufen. Am Montag in der Früh um vier Uhr weckte sie ein lautes Klopfen. Zwei Zivilisten, gefolgt von zwei Soldaten, forderten den Personalausweis, "Buletinul," und erklärten, daß Wes Lissi und Vetter Jakob kein Recht mehr hätten, in diesem Haus zu wohnen, sie sollten ihre Sachen zusammenpacken und warten, bis man sie wegführe. Zuerst glaubten die braven Schwaben nicht den Drohungen. Wohin sollten sie, beide um die fünfzig, auch noch umziehen? Doch der Soldat, der als Posten vor dem Haus stand, zeigte, daß es ernst 158
gemeint war. In der Kreuzgasse waren vor neun Häusern Soldaten, die jeden Kontakt der betreffenden Familie mit der Außenwelt unterbanden. Der Urgroßvater aus dem "Gässchen" wollte einen Topf Milch für die Urenkelin bringen. Er durfte nicht ins Haus. Zu den eigenen Sorgen kam für unsere Leute auch noch die Sorge um die Enkelin dazu. Die Eltern des Mädchens lebten in Temeschburg. Konnte man das Kind mitnehmen? Die Situation schien ausweglos. Der rumänische Kolonist, der in der guten Stube wohnte, wußte anscheinend, worum es ging. Er mahnte, doch endlich mit dem Packen zu beginnen, und erntete aus dem Garten drei Säcke Kartoffeln und einen Sack Zwiebeln, damit Wes Lissi und Vetter Jakob doch genügend Lebensmittel mitnehmen können. Die Enkeltochter wurde inzwischen aus dem Fenster der Speisekammer in den Garten der Nachbarsleute hinübergereicht, wo sie eine Tante übernahm. Am Mittag war auch das Gepäck bereit. Serben und Kommunisten des Dorfes waren mit ihren Wagen bereit, alles Hab und Gut der "Verdammten" an den Bahnhof zu führen. Wurde ein Stück auf den Wagen verladen, das dem betreffenden Fuhrmann in der Wirtschaft oder im Haushalt fehlte, so mußte es einfach wieder herunter. So wurde die Nähmaschine "enteignet", den Inhalt der Schubladen durfte Wes Lissi noch in ihre Schürze ausleeren. Die Puppe, die schon über 40 Jahre alt war, oder landwirtschaftliche Geräte und viel Hausrat wechselten auf diese Art den Besitzer. Die beiden Leute waren so eingeschüchtert, daß sie nicht einmal ein Wort des Widerspruchs gewagt hätten. Viele Sachen blieben einfach im Haus, und niemand hat sie je wieder gesehen. Am Nachmittag wurden die Leute dann einwaggoniert. Jeder Familie stand ein Viehwaggon zur Verfügung. Zu ihren Habseligkeiten, die sie mitnahmen, gehörten: ein Pferd, eine Kuh, ein Schwein und vier Hühner, einige Säcke Futter, ein Wagen; eine Seite Speck und ein Schinken, Fett, Kartoffeln, Mehl; Geschirr, zwei Betten, eine Liege, zwei Kästen, ein Tisch, zwei Stühle, Bettzeug, Wäsche und Schuhwerk. Die erste Nacht im Waggon verging mit Beten und Warten. Die Zeit schien still zu stehen. Um ihre Not zu verrichten, gingen die Menschen neben das Bahngleis, die Tiere misteten in den Waggon. Auch am Dienstag änderte sich nichts. Die Leute warteten. Das Bahnhofsgebäude war von Militär umgeben, das niemanden zu den "Verbrechern" durchließ. Am Dienstagabend gelang es der Tochter von Wes Lissi, die aus Temeschburg gekommen war, einen Beamten zu bestechen und ein paar Minuten mit ihren Eltern zu sprechen. Sie erfuhr, daß ihre Eltern auf einen "loc greu" (= schweren Platz) geführt werden. Erst am Dienstag auf Mittwoch in der Nacht ging der erste Transport ab. Wes Lissi und Vetter Jakob mußten mit anderen noch einen qualvollen Tag auf dem Bahnhof verbringen. Mittwoch auf Donnerstag in der Nacht ging es "endlich" auch für sie los. Aus Großsanktpeter wurden 26 Familien Schwaben und fast ebenso viele Serben deportiert. Die Älteste der 83 Schwaben war Reich Margarete mit fast 90 159
Jahren und die Jüngste die Urenkelin dieser Fraunamens Frank Waltraut, war eben erst sechs Wochen alt. Man sagte zwar, daß nur die Reichen und Ausbeuter, die "chiaburi", aus der Grenzzone zwangsverschickt werden, doch schien dies nicht ganz zu stimmen. Von den 26 schwäbischen Familien waren drei Familien, die gar kein Feld besaßen, eine Familie besaß unter fünf Joch Feld, vier Familien zwischen 10 und 20 Joch, elf Familien zwischen 20 und 30 Joch, drei Familien zwischen 30 und 40 Joch, zwei Familien zwischen 40 und 50 Joch und zwei über 70 Joch Feld. In ihren Häusern durften aber auch viele Familien bleiben, die über 20 Joch Feld hatten. Es scheint, daß nicht der Feldbesitz das ausschlaggebende Kriterium gewesen ist, wenn von Kriterium überhaupt die Rede sein kann. Für den "Durchschnittsmenschen" kam das alles überraschend. Es gab jedoch Leute, die gewarnt worden waren und deshalb gerade zu diesem Zeitpunktaußerorts waren oder solche, die es verstanden, andere für sich auf die schwarze Liste setzen zu lassen. Es sind sogar Fälle bekannt, aus anderen Ortschaften, in denen sämtliche Verwandte eines Beamtentrotz Vermögens verschont blieben. Die erste Station auf dem Weg in die Ungewißheit war Perjamosch. Dort stand der Zug einen Tag lang. Verwandte kamen die Unglücklichen heimlich besuchen. In der Nacht ging es dann weiter bis Neuarad. Dort wollte sich zum ersten Mal eine Frau dem Zug nähern. Die bewaffneten Begleiter des Zuges wurden grob und drohten, sie auch mit den "Verbrechern" wegzuführen. Dies ging noch oft so. Der Weg führte durch Siebenbürgen über Mediasch und Schäßburg, doch war diese Reise, für die meisten unserer Schwaben, die größte ihres Lebens, alles andere als bequem. Ein einziger angenehmer Eindruck verblieb Wes Lissi in Erinnerung: In Kronstadt brachten ihnen sächsische Frauen warme Milch. Am 23. Juni in der Nacht kam der Transport im Bahnhof von Gura-Jalomitzei an. Schnell mußten die Waggons ausgeladen werden, da noch andere Transporte ankommen sollten. Die ganze Nacht standen die Verschleppten im Dunkeln und hüteten ihre letzte Habe. In der Früh brachten einheimische Rumänen mit ihren Wagen die Verbannten zu ihrem Bestimmungsort. Der Weg war weit, fast 10 km und die Tiere wollten nach einer solchen Reise nicht schnell mitgehen. Noch immer sah man kein Dorf. Trotzdem ließ der Fuhrmann seine Pferde halten, mitten auf einem Gerstenstoppelfeld. Da stand ein Pfahl, darauf der Name, die Hausnummer und ... soviel. Auf einem 25 m x 50 m großen Stück Stoppelfeld war ihre neue Heimat. Ein Dorf "Giurgeni Satu-Nou" sollte hier entstehen. Es lag genau an der Stelle, wo die Donauarme sich nördlich der Balta Ialomitei trafen, um sich kurz darauf wieder zu teilen und die Balta Brailei zu umschließen; 500 m nach links, wo heute die Straße Bukarest - Konstanza plötzlich nach rechts über die Donaubrücke abbiegt. Auf einer Fläche von 0,5 qkm sah man Gruppen von Menschen mit Gepäck stehen. Die drei ersten Tage, vielleicht war es auch eine Woche, verbrachten Wes 160
Lissi und Vetter Jakob ganz apathisch, und mit ihnen die meisten Verschleppten. Man sprach kaum mit den Nachbarn. Von den Schwaben aus Großsankpeter wurden 13 Familien nach Dude~ti und 13 Familien nach Satu-Nou gebracht, genau so die Serben. In Satu-Nou waren außerdem Deutsche aus Perjamosch, Triebswetter, Johannisfeld und Lenauheim, Ungarn aus Otelek, Serben aus Nemet und Rumänen aus Folia. Nun hörte und wußte man auch, was die Lkw von "jenem Sonntagabend" zu bedeuten hatten. Von Dödern, die keine Bahnstation hatten, wurden die Leute mit diesen Lkw zu den Waggons gebracht. Die neue rumänische Dorfobrigkeit befahl den Verschleppten, auf dem zugewiesenen Boden Häuser zu bauen. Doch von Baumaterial war keine Spur. Drei Monate lang gingen Männer und Frauen in den 1 km weit entfernten Uferwald der Donau Reisig sammeln. Wer stehlen konnte, kam schneller zu Baustoffen, doch waren die Schwaben damals ehrlich und verurteilten das Stehlen. Nach 30 Jahren Kommunismus in Rumänien, wo alles "unser" ist und zum Mitnehmen "auffordert", haben sie es nun endlich auch "gelernt". Doch die Not lehrt vieles! So zum Beispiel ging jeden Abend Pfarrer F., ein Ungar aus 0., der auch zwei alte Nonnen zu betreuen hatte, auf einen Spaziergang durchs Feld. Nach einiger Zeit beobachtete Vetter Jakob, daß er stets mit vollen "Taschen", d.h. prallen Ärmeln der umgehängten Jacke zurückkam. Vetter Jakob fragte: "Herr Pfarrer darf man ... ?" "Stehlen ist Sünde, aber einen kleinen Teil von dem zurücknehmen, was man uns genommen hat, um zu überleben, wird wohl erlaubt sein!" war die Antwort. Und an diesen Grundsatz hielt man sich auch. Drei Monate dauerten die Vorbereitungen zum Bauen. In dieser Zeit schliefen Wes Lissi und Vetter Jakob auf den Liegen unter freiem Himmel. Die Lebensmittel waren in einem Sack in der Erde vergraben und sie konnten nur heimlich "drangehen" (damit eventuellen Diebstählen vorgebeugt werde). Das Trinkwasser wurde mit dem Wagen von der Donau herbeigeführt. Vetter Jakob hatte ein großes Faß und brachte immer für alle Nachbarn Wasser mit. Wie hygienisch das war, kann man sich vorstellen. Einmal lag unweit der Stelle, an der Wasser eingefüllt wurde, ein Kadaver. Daß keine Epidemien ausbrachen, war ein großes Wunder. Wes Lissi betete jeden Abend um ein Haus, das so groß war wie der Hühnerstall zu Hause. Im Oktober begann Vetter Jakob mit dem Bauen. Die Fenster und Türen konnte man vom Staat kaufen, auch ein paar Bretter gab es. Vier Pfosten als Eckpfeiler, Bretter und Reisig mit Lehm beworfen als Wände, Schilf fürs Dach und viel Mühe und Sorge kostete es, bis man am ersten November, zu Allerheiligen, einziehen konnte. Das Haus bestand aus einem ca. 16 qm großen Zimmer und einer kleinen Küche. Mit dem Winter kamen auch die Sorgen: Kein Brennmaterial, kein Futter. Zuerst wurde das Pferd verkauft, dann die Kuh geschlachtet und das Fleisch verkauft und zuletzt kam das Schwein an die Reihe. Vetter Jakob ging zum Staatsgut arbeiten. Es wurde Reis gedroschen und man bekam pro Tag sieben 161
Lei. Die Währungsreform im Winter war für die meisten bedeutungslos. Sie hatten nicht viel Geld. Von zu Hause, von der Tochter, hatten sie keine Nachricht. Genau 29 Postkarten hatte Vetter Jakob schon geschrieben, doch auf keine einzige eine Antwort bekommen. Nur als er in Luciu, einem Nachbardorf, beim "Laubkaufen" zufällig einem rumänischen Jungen die Karte zum Einwerfen gab, kam diese in Temeschburg an. Nach einiger Zeit durften die Verschleppten dann Pakete bekommen, doch keine Briefe. Man ließ sich daher die Post zu einheimischen Rumänen kommen. Das Leben war schwer, mußte aber weitergehen. Der erste, der in fremder Erde begraben wurde, war Peter Ehling. Außer ihm starben von den Deutschen aus Großsanktpeter noch weitere sieben Personen. In dieser Zeit kamen auch vier Kinder zur Welt. Der Pfarrer war katholisch, sprach ungarisch, rumänisch und deutsch und war auch der Seelsorger der Serben. Die vielen Kinder mußten auch in die Schule. Drei Lehrkräfte, Lehrer K. aus Lenauheim, Lehrer S. und Lehrerin M.A. aus Perjamosch waren pflichtbewußt und tüchtig. Sie führten sogar Volkstänze auf. Vor allem wegen ihres Mutes, sich für das Deutschtum einzusetzen, wurden sie von allen geschätzt. Selbst ein Arzt war im Dorf. Doktor R. stammte aus Gottlob und war auch deportiert worden. Die meisten Verschleppten arbeiteten auf dem Staatsgut. Es wurde Reis angebaut. Die Arbeiten im Reisfeld waren schwer. Gummistiefel gab es keine, also stand man vom Frühjahr bis zum Herbst im Wasser, wo man auch von Blutegeln arg belästigt wurde. Wer arbeiten ging, bekam auch das Essen. Doch wurde nur Fleisch von kranken und verendeten Tieren verwendet, und man wußte dies. Der Appetit war dementsprechend nicht groß, doch Hunger ist der beste Koch. Im Sommer arbeitete man im Baumwollfeld oder jenseits der Donau im Ackerbau. Die Fähre über die Donau war meist so überladen, daß es ein Risiko war, sie überhaupt zu benützen. Die Verschleppten durften ihr Dorf nicht verlassen. Wer außerorts gefangen wurde, mußte entweder für die Miliz Holz hacken oder bekam Prügel. Einmal waren Frauen in Hir~ova Zucker und Marmelade einkaufen. Bei einer Razzia nahm man sie fest und sperrte Frau Faßbinder Maria für zwei Jahre ein. Auch Besucher aus dem Banat durften keine ins Dorf kommen. Wer kam und gefangen wurde, mußte ins Kittchen gehen. Trotzdem gab es einige Mutige, denen es gelungen ist, ungesehen ins Dorf zu kommen, unter ihnen auch die Tochter von Wes Lissi. Das Klima war ungewohnt. Der Sommer war unheimlich heiß und trocken und der Wind trieb den Sand wie wild im Land umher. Im Winter war es der Schnee, der vom Ostwind sogar durchs Mäuseloch hereingetrieben wurde. Nicht selten kam es vor, daß Häuser einfach abgedeckt wurden. Auch Vetter Jakob und Wes Lissi erwachten einmal mit Schnee auf der dicken Daunendecke und ohne Dach über dem Kopf. Im Winter 1955 war die ungeheuer 162
breite Donau sogar zugefroren. Als das Eis gesprengt wurde, drohte eine Überschwemmung. Die Bevölkerung war in Alarmbereitschaft. Alarm gab es, aber falschen, da irgendwo ein Heuschober brannte. Auch für Späße hatten die Leute etwas übrig, mußten sie sich doch irgendwie mit ihrem Schicksal abfinden. Man schickte einander in den April und einige talentierte Musikanten spielten sogar sonntags zum Tanz auf, in dem "freiwillig" erbauten Kulturheim. Die Zeit verging so schneller und das Sprichwort "in der Arbeit findest du Trost" hat sich bewahrheitet. Im Winter 1955/ 56 hörte man, daß einige Verschleppte "frei" wurden. Im Januar 1956 war es dann soweit. Das ersehnte Papier, "der Freibrief", war da. Der Hausrat war zusammengeschrumpft, also konnten beruhigt zwei Familien in einem Viehwaggon zurückfahren. Die Reise ging über Bukarest und Temeschburg. Am 20. Januar 1956 kamen Wes Lissi und Vetter Jakob in ihrem Großsanktpeter an. Niemand erwartete sie am Bahnhof, aber es war trotzdem ein freudenvoller Weg bis nach Hause. Am Gassentürehen sprang ihnen ihr Hund Waldi wedelnd entgegen. Das Haus war aber von drei rumänischen Familien besetzt. Es begann für diese Leute 10 Jahre harte Arbeit, bis das Haus frei und einigermaßen wohnlich war. Im Jahre 1972 wanderten Vetter Jakob und Wes Lissi nach Deutschland aus. Hier verbringen sie heute einen angenehmen, sorglosen Lebensabend im Kreise ihrer Lieben. Im Jahre 1975 sprach ich zufällig mit dem gewesenen Leiter des Staatsgutes, einem Rumänen, der mich nicht kannte. Auf meine Frage nach den "dislocati" äußerte er sich wörtlich: "So elend und bedauernswert diese Leute auch dran waren, bei ihnen habe ich zum ersten Mal schöne Möbel gesehen und von ihnen lernten wir anders arbeiten, sie waren "harnici ~i gospodari", d.h. "fleißig und wirtschaftlich". Nun sind nochmals zwanzig Jahre vergangen, seit ich meinen Erlebnisbericht für die Banater Post geschrieben habe, der als preisgekrönte Arbeit des Baragan-Preisausschreibens am 15. Januar 1978 in der Banater Post erschienen ist. Zum Zeitpunkt des Verfassens des Berichtes war ich erst einige Monate in Deutschland und noch voller Angst vor Verfolgung durch die Securitate, so daß ich mich nicht getraut habe, diesen Bericht unter meinem Namen zu veröffentlichen. Meine Oma und mein Ota sind nun schon beide gestorben und noch auf ihrem Sterbebett hat Oma Szenen ihres Lebens auf dem Baragan nacherlebt und einen Kampf gegen die "Herre" geführt, einen Kampf, für den sie im Kampf ums alltägliche Überleben in der realen Situation, nie die Energie hatte. In den langen Leidensjahren, in den langen Leidensnächten, in den Träumen war "selmols uf'm Baragan" ein Leitmotiv. "Vor was is des so komm?" und "noch heit kennt ich mich ärchre, wan ich dran denk, dass ... " waren die Stereotypien, mit denen sie ihre Gedankengänge begonnen und beendet hat. - "Noch heit froo ich mich, vor was des hat sin misse! Mir wore doch gar net reich, anre ware viel reicher ... un politisert han mer a net! Die Leit han 163
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gsat, mir sin uf die List komm, un han misse uf de Baragan, weil dr Ota em Knecht a Watschgen hat, weil der die Pher gschlaa hat!" War das nicht eine zu einfache Antwort auf eine Frage, die nur politisch beantwortet werden konnte? Was haben die 12.791 Familien aus 172 Ortschaften "verbrochen," daß sie um fast fünf Jahre ihrer Lebenszeit auf diese Weise betrogen wurden? Was ist aus den 40.320 Einzelschicksalen geworden? Wie hat die "zivilisierte" Welt darauf reagiert? Wie war es um die moralische Pflicht zu helfen bestellt? Warum weiß eine breite Öffentlichkeit in Deutschland nichts von diesen Schicksalen und maßt sich trotzdem ein gerechtes Urteil über die Aussiedlung an? "Noch heit froo ich mich, vor was unser Nochberschleit han misse uf de Baragan, die wore bestimmt for jemande anre uf dr List?" sagte Oma immer wieder. "Die Leit han gsaat ... " hieß es immer, aber warum wurde nie offen angesprochen, daß zum Beispiel die Familie L. bestimmt sehr arm war und "an Stelle von Familie X" 5 Jahre Deportation erdulden durfte? Wie war es mit der Harmonie und dem Zusammenhalt in "unseren" Dörfern bestellt? Gab es nicht auch die, die auf Kosten anderer lebten? Warum aber heute so unbequeme Fragen stellen? "Noch heit kennt ich mich ärchre, wann ich dran denk, daß ... des Danitza, geloo hat, Paketr for die Leit uf'm Baragan gstohl hat, un viel Dorchenanner in deitsche Familie gehrang hat, un heit sitzt's do in Deitschland unkritt sei Rente vum deitsche Staat!" Oma hatte ihren Glauben an die Gerechtigkeit verloren. Oma hatte doch ihr bescheidenes Auskommen in den letzten Jahren in Deutschland und Danitza lebt in Köln, weit weg. Warum also die alten Geschichten aufwärmen? "Noch heit kennt ich mich ärchre, wann ich dran denk, daß ... mei Nährnasehin beim P. im Zimmer steht un er immer, wann er mich gsien hat, so scheißfreindlich gegrießt hat! Noch heit kennt ich mich ärchre, wann ich dran denk, daß ... mer unser neies Riemzeich net mithalle han derfe!" Warum konnte Oma so schwer den Verlust vieler Lieblingsgegenstände verschmerzen? Ota hatte mir als Begrüßungsgeschenk bei der Ankunft in Deutschland eine neue, moderne elektrische Nähmaschine geschenkt und mir den seit Kindertagen bekannten Satz gesagt: "Merk dr Mädche, a Barehenkleid seiwer genäht, is wertvoller wie a gschenktes Seidekleid". Aber wer näht heut schon selbst, wenn die Knöpfe für die Bluse teurer sind als die ganze Bluse im Sonderangebot im Schlußverkauf? Und für das Riemzeug hätten sie schon längst keine Verwendung mehr. Warum also den "nutzlosen" nostalgischen Gegenständen nachtrauern? "Des Donauwasser war manchmal so trieb, daß mer net de Bodm vum Tippehe gsien hat," sagte Oma immer, wenn sie guten Obstsaft getrunken hat. In den letzten Lebensjahren hatte Oma Schluckbeschwerden beim Essen. Jedesmal, wenn sie ihr Lieblingsessen "Schmarre" im Teller hatte, sagte sie automatisch: "Uf'm Baragan ham se mal gfreckte Schoof gekocht,
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dr Ota hat an selm Tach nix gess, ich han nor die Krautsupp gess, un de Brocke im Teller gelaß, aber dr N. hatachdie Brocke aus meim Teller rausgess. Wan ich dran denk, beitelt's mich". Diesen Ausspruch habe ich bestimmt hundertmal gehört! Warum mußte Oma immer daran denken? Sie konnte sich in den letzten Jahren Orangen und Schokolade leisten, und Nutella - nicht nur wenn der Besuch aus Deutschland ein Glas mitgebracht hat -, sie konnte es sich täglich leisten. Warum also noch an die "gfreckten" Schafe denken? "Selmols uf'm Ba.ragan han ich jedsmol oweds gebet, liewer Hergott gef uns noch amol a Hem, so groß wie drhem unser Hingistall wor!" sagte Oma, wenn es im Winter draußen kalt war. "Un jetz misse mer net amol naus uf de Abort, s Wasser kommt aus der Wand un dei Vattr hat gsat, des Brennes, des Öl reicht vor a Winter!" Oma war so bescheiden und konnte dankbar sein für die kleinsten "Selbstverständlichkeiten"! Fragen wir uns noch, was selbstverständlich ist? Warum fällt uns das Zufriedensein so schwer? - Als Ota im Juni 1972 in Bukarest Otopeni auf dem Flughafen von uns, den noch im Banat bleibenden Enkelkindern Abschied nahm, sagte er: "Ich tät nie von drhem wegziehe, wann ich net wißt, ich mach's vor eich Kinner, daß dir ke Baragan erlewe mißt!" Er drehte sich, einmal durch die Absperrung gegangen, nicht wieder um und wollte auch nie wieder nach Großsanktpeter zu Besuch fahren. Doch jedesmal, wenn im Radio bei Wunschsendungen die Melodie "Nach der Heimat zieht's mich wieder" oder "Vor meinem Vaterhaus steht eine Linde" gespielt wurde, hat mein Ota geweint, und ich dachte an den Satz: "Nor net heile, die selle net gsien wie weh uns des tut" . Ich habe darauf bestanden, vor unserem Haus eine Linde zu pflanzen und in unsere Grundmauern wurde eine Schachtel mit Banater Erde eingemauert. Warum diese "Sentimentalitäten"? - Wir sprechen oft von Heimat, sind dauernd auf der Suche nach ihr und nach uns! Die Sehnsucht nach Heimat stellt wohl eine Antwort dar auf die Infragestellung unserer Identität heute. Heimat ist aber mehr als das, was in allden komplexen, kompetenten Abhandlungen in der Literatur nachzulesen ist. Heimat ist für mich auch die Verpflichtung "Net zu vergesse, wie des selmols uf'm Baragan wor. Un unsre Kinner wer ich's a verzähle!"
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Josef Anton Warjasch- Fundata (Perietii Noi)
Der Willkür der Partei zum Opfer gefallen Am 2. Februar 1951 überlasen viele der später Betroffenen in der damals einzigen deutschsprachigen Tageszeitung in Rumänien, dem "Neuen Weg", für sie Inhaltsschweres: Das Zentralkomitee der Rumänischen Arbeiterpartei war nach vierwöchiger Winterpause Mitte Januar wieder produktiv geworden gegen die Unproduktiven des Landes. Gerade die Letztgenannten sollen- so der Beschluß des Zentralkomitees - im Südosten ihres Herrschaftsgebietes Enormes leisten, sechs Städte und fast 200 Dörfer erbauen, bewohnen, in wirtschaftliche Funktion setzen und halten. Gab es so viele Müßiggänger im verarmten Nachkriegsrumänien? Das fragte sich der Leser und war eher beruhigt über die Tatsache, von morgens 6 Uhr bis abends 6 Uhr arbeitend, nicht zur Zielgruppe zu gehören. Es dauerte jedoch noch bis Juni, fünf mit Gerüchten angefüllte Monate, bis die zur Deportation bestimmten Familien wußten, daß sie der Willkür der Partei und dem oberflächlich kaschierten Auswahlsystem ihrer kommunalen Funktionäre zum Opfer gefallen waren. 91 deutsche Familien, viele serbische und einige rumänische Flüchtlingsfamilien aus Bessarabien standen auf der Deportationsliste, die deutlich die Handschrift des "Sfat Popular" (wörtlich: Volksrat, sinngemäß: Bürgermeisterei) trug, obzwar, wie nachträglich durchsikkerte, Änderungen zuungunsten der serbischen Minorität vorgenommen worden waren: Die "Securitate" (Sicherheitsdienst) hatte den rein serbischen "Volksrat" zu einer Korrektur gezwungen. Durch die Bodenreform von 1945 enteignete Bauern, die weder in der neugegründeten Kollektivwirtschaft Aufnahme fanden, noch auf dem landwirtschaftlichen Staatsgut der "Ferma" (identisch mit dem russischen Sowchos) Beschäftigung fanden, bildeten den Hauptteil der Betroffenen. Sie fristeten ihren Lebensunterhalt mit der Bewirtschaftung von gepachtetem Feld. Die Pacht kassierten die durch die Agrarreform geschaffenen 9-Joch-Bauern, die nicht in der Lage oder nicht willens waren, selbst zu säen und zu ernten. Und siehe da, der von der Partei gesuchte Unproduktive war gefunden, denn diese Art von Produktivität war nicht administrativ erfaßt und nicht erwünscht - hinderte sie doch die Fortschreitung der Kollektivierung! Einige selbständige Handwerker und eine Lehrerfamilie bildeten den Rest im deutschen Teil des Dorfes, die in den frühen Morgenstunden des 18. Juni 1951 durch Gewehrkolbenschläge an der Haustür geweckt wurden. Das heißt, geschlafen werden die wenigsten haben. Zu beunruhigend war der Aufmarsch von Militär am Vorabend gewesen. Die Aktion stand bevor. Eine Nacht der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit, der ohnmächtigen Wut, die demüti166
gend einem Hoffen und Bangen wich. Klopft es auch an unserer Tür oder nicht? Es klopfte unüberhörbar. In der Eingangstür stand ein komplettes Überfallkommando, die schußbereiten Waffen ins Wohnungsinnere gerichtet. Die Soldaten benahmen sich so, als ob sie echten Widerstand erwartet hätten. Offenbar hatten die zur Deportation Auserkorenen auch noch als Feindbild gedient. Nach der Kontrolle der Ausweispapiere wurde mitgeteilt, in zwei Stunden soviel zu packen, was in einem halben Güterwaggon untergebracht werden kann. Recht einsilbig wurden wir informiert, daß viele Familien unseres Dorfes bestimmt worden sind, in einem anderen Kreis angesiedelt zu werden. An Vieh könnte nicht mehr mitgenommen werden als ein Pferd, eine Kuh, zwei Schweine und das Federvieh, an Hausgeräten und Möbel nur das Notwendigste. Einwände oder die Bitte um mehr Zeit zum Packen überhörte der Wortführer des Kommandos, verabschiedete sich militärisch kurz und ließ einen Wachposten zurück. Wo fängt man in einer solchen Situation an, sinnvoll und vor allem schnell Vorbereitungen für etwas zu treffen, was man nicht kennt, was man nur ahnen kann? Und das nach einer schlaflosen Nacht und nach einer solchen Hiobsbotschaft im Morgengrauen! Dank der rumänischen Art der Organisation und dem Fehlen von Güterwagen verzögerte sich der Abtransport um mehr als 24 Stunden. Der Bahnhof von Warjasch glich am Abend des ereignisreichen Tages einem Viehhof, dessen Gatter aus Möbelstücken gebaut waren, zwischendrin Menschen, die sich behelfsmäßig Lagerstätten errichteten und doch nicht den erlösenden Schlaf finden konnten. Währenddessen wurden schon die verlassenen Wohnungen von politisch Linientreuen geplündert. Die Fahrt ins Ungewisse dauerte ganze drei Tage und drei Nächte. Die Strecke, die dabei zurückgelegt wurde, betrug ungefähr 700 Kilometer. Siebenmal mußte auf Bahnhöfen rangiert werden und jedesmal so, daß Menschen und Vieh mit dem Hausrat, den Möbelstücken und den Arbeitsgeräten durcheinanderwirbelten. Scheu gewordenes Vieh zertrümmerte die Inhalte der vollgestopften Güterwagen und die Menschen mußten aus den Wagen springen, um den Hufen und Hörnern zu entgehen. Am Bestimmungsort angekommen, wurden alle Deportierten zur Desinfektion zusammengetrieben, was mittels einer Rebenspritze und DDT geschah. Nach dieser Aktion wurde uns von einem Milizhauptmann eröffnet, Neu Perietz (Perietii Noi) sei unsere neue Heimat, wir hätten ganze zehn Minuten zum Entladen, nach dieser Frist würde der Güterzug ohne Rücksicht auf Zurückgebliebene aus der Station fahren. Die Leute warfen ihre Habseligkeiten achtlos hinaus. Es hatte sich so etwas wie Empfindungslosigkeit breitgemacht. Beschädigt war sowieso schon alles. Tatsächlich verging kaum eine Viertelstunde und es wurden die Waggons abgezogen. Aber zum Schrecken aller, nur um einem neuen Güterzug Platz zu machen, der ebenfalls Zwangsumsiedler enthielt. Auch die Neuangekom167
menen wurden genötigt, ihre Sachen in kürzester Zeit auszuladen. Sie warfen sie aus Platz- und Zeitmangel gerade auf unsere obendrauf. Inzwischen war es dunkel geworden, ein längerer Regen setzte ein. Manche Leute suchten sich ein wenig Schutz für die Nacht zu schaffen. Ein groteskes Durcheinander von Menschen, Vieh und Gerät, gespenstisch wirkend durch die Nacht und den Regen, aber auch apathisch dasitzende Menschen, von Übermüdung gekennzeichnet, still weinende Frauen, die ein Schlafplätzchen für die Kinder einzurichten versuchten. Am nächsten Morgen kamen ortsansässige Fuhrwerksbesitzer und transportierten uns und unsere Sachen auf ein parzelliertes Baumwollfeld, auf unsere Bauplätze. Unter Androhung von Strafe wurde uns verboten, unsere "Siedlung" zu verlassen, Briefe zu schreiben oder Besuche zu empfangen. Da saßen wir nun mit einem Haufen Schrott in einem Baumwollfeld und sollten beim Aufbau des Sozialismus mithelfen! Notunterkünfte wurden geschaffen und die Vorbereitungen für den Bau der Wohnhäuser getroffen. Akazienbäume wurden gefällt, Schilf fürs Dach im nahen See geschnitten, Lehmziegel geformt und zum Trocknen ausgelegt. Die Angst vor dem in dieser Gegend harten Winter trieb die Leute zur Eile. Mit Nachbarschaftshilfe ging es recht zügig mit den Lehmhütten voran. Sonntags mußten in "freiwilliger Arbeit" die Gebäude der Milizwache, der Schule und der Krankenstation errichtet werden. Die Baustoffe dazu mußten auch noch mitgebracht werden. Während dieser Zeit versuchten zwei Mädchen in die Heimat zurückzugelangen. Sie wurden gestellt und bekamen je ein Jahr Zwangsarbeit am Donau-Schwarzmeer-KanaL Trotzdem wurde unsere Siedlung nicht, wie ursprünglich vorgesehen, mit Stacheldraht von der Außenwelt abgeschlossen. Das Material dazu lagerte aber noch lange auf dem Dorfplatz. Der Winter kam. Alle Leute waren noch arbeitslos und die kleine Barschaft war für den Bau verbraucht. Futter für die Tiere war teuer und schwer zu bekommen. Kühe und Pferde mußten weit unter ihrem eigentlichen Wert verkauft werden. Wer gehofft hatte, mit dem Erlös aus den Viehverkäufen über den Winter zu kommen, sah sich getäuscht. Im Januar 1952 wurde das alte Geld umgetauscht. Ob viel oder wenig Geld zum Umtausch getragen wurde, spielte keine Rolle, jeder bekam nur ein paar neue Lei. Bei vielen Familien war in jener Zeit das größte Problem, zur Essenszeit etwas auf den Tisch zu bringen. Pakete aus der alten Heimat wurden sehnliehst erwartet. Im Frühjahr wurden die Arbeitsfähigen in Staatsgütern angestellt. Der Lohn war gering, aber ein regelmäßiges Einkommen normalisierte das Leben in unserem neuen Hüttendorf. Die uns bewachende Miliz wurde für unsere Anliegen zugänglicher, alte Verbote wurden aufgehoben, der Weg in die Kreisstadt zum Beispiel war für uns erlaubt. Nur die kalten Winter mit ihren langen Schneestürmen wurden noch von den Siedlungsbewohnern gefürchtet. Manchmal war es dann für ein paar Tage unmöglich, die Häuschen zu verlassen. Der scharfe Ostwind hatte die Eingänge meterhoch zugeweht. 168
So vergingen mehr als drei Jahre, bevor erste Gerüchte über unsere Entlassung zu uns drangen. Rumäniens Aufnahme in die UNO war davon abhängig gemacht worden, die Menschenrechte zu respektieren. Ganz bestimmt drängte der jugoslawische Staats- und Parteichef Tito auf die Rückführung der gleichfalls deportierten Serben. Sie waren dann auch die ersten, die Ende 1955 in ihre Heimatdörfer zurückkehren durften. Nicht viel später folgten ihnen der Rest aus den Ba.ragansiedlungen in die Banater Heimat. Nur war der Rückweg nicht kostenlos. Der gemietete Viehwaggon verschlang einen Monatslohn. Dafür durften wir aber auch das Ziel unserer Reise bestimmen.
Drei Freundinnen in Rachitoasa.
Foto: E. Blaßmann
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Margarete Ehling Perjamosch- Rachitoasa (Giurgenii Noi)
Passion Einen heißen Mai und Sommer hatte das Jahr 1951. Täglich zogen Männer, Frauen und Jugendliche der Stengelgesellschaft, mit dem Rucksack auf dem Rücken, in den Händen oder auf den Schultern Hacken, Häckchen, Sicheln und Sensen, drei bis vier Kilometer weit auf das Feld hinaus, das ihnen die Gemeindebehörde übergeben hatte. Sie mußten dafür der Gemeinde den Wald anpflanzen, den dieselbe heute noch an der Marosch zwischen Großdorf und Perjamosch besitzt. Dieses Terrain besteht aus lehmigem festem Saliterboden, von dem ein großer Teil bis Kriegsende die Hutweide der Gemeinde war. Hart war die Arbeit rund um die Uhr und dann noch den weiten Weg, zweimal am Tag zu Fuß. Die älteren Menschen erreichten oft das Dorf erst in der Dämmerung; dann wurde schnell etwas gekocht und die Haustiere wie Hühner, Enten und Ziegen versorgt; für letztere brachte man oft im Rucksack eine saftige Mahlzeit vom Felde mit. Eine Kuh zu haben war in dieser Zeit ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten. Die Sonne brannte heiß auf die Menschen, die wörtlich genommen "im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot verdienten". Eines Tages im Juni pfiff schrill ein Zug und alle schauten hin, da um diese Zeit nie ein Zug vorbeifuhr. Es war ein Güterzug mit lauter leeren Waggons; wir zählten 45-50-60 Wagen. Uns wurde ganz bang und einige meinten: "Es scheint, als bliebe uns in diesem Jahr nicht viel von unserer Ernte". Denn die Ährenfelder färbten sich und in ungefähr zwei bis drei Wochen konnte mit dem Schnitt begonnen werden. Täglich kamen nun Lokomotiven mit vielen leeren Güterwaggons; Angst, Kummer und Sorgen befielen uns, die wir nach Kriegsende zu Leibeigenen eines Staatssystems degradiert worden waren. Wir fürchteten uns vor der Nacht und waren froh, am Morgen den Marsch zur Arbeit wieder antreten zu können. Am Montag den 18. Juni 1951, in der Frühe gegen vier Uhr klopfte es laut an der Haustür. Wir erschraken und dachten, das Haus brennt. Unser Vater eilte zur Tür und schloß auf. Da standen zwei Soldaten mit Gewehr und Bajonett und befahlen in rumänischer Sprache: "Machen Sie sich fertig! Sie müssen fort!" Kreidebleich kam Vater ins Zimmer und sagte: "Kinder packt meine Sachen! Ich muß fort". Mit Tränen in den Augen schaute er uns an und meinte: "Sie nehmen mich mit." Wir alle fingen an zu weinen; hatten wir vor genau vierzehn Tagen doch erst unsere gute Mutter zu Grabe getragen. Der Heimgang unserer Mutter schmerzte uns so sehr, daß wir bei dem Gedanken, jetzt auch den Vater zu verlieren, weinen mußten. Ich fragte meinen Vater: "Was sollen und dürfen wir einpacken?" Mit gebrochener Stimme antwortete er: "Ich weiß es selber nicht." Ich ging hinaus und fragte die Soldaten, die mir dann sagten: "Ihr könnt alles mit170
nehmen, was in einen Waggon geht." "So gehen wir alle?" Der eine Soldat nahm eine Liste aus seiner Tasche und las: "M.F., M.E., M.M., M.E., M.A." Es fiel mir ein Stein vom Herzen und es ist nicht übertrieben wenn ich schreibe, daß ich froh zu den anderen zurückkam und sagen konnte, daß wir beisammen bleiben und alle gehen müßten. Das Packen fiel uns nicht mehr so schwer. Zwar wußten wir nicht wohin, aber der Gedanke, daß wir beieinander bleiben, nahm uns den größten Schrecken. Noch mußten wir unseren Besuchern erklären, daß M.E., unsere Mutter, vor vierzehn Tagen verstorben ist und wir jetzt nur vier Personen sind; dies notierten sie sich dann. In einer Stunde sollten wir alle Sachen im Hof haben. Auf die Straße durften wir nicht; es durfte auch niemand zu uns herein. Nach etwa drei Stunden kamen zwei Pferdewagen mit je einem Miliz als Fuhrmann. Wir luden unsere Habe auf, aber es blieb noch vieles stehen. Einer von der Miliz nahm ein Fahrrad, besprach etwas mit den anderen und verließ den Hof. Nach einer guten halben Stunde kam er, begleitet von zwei weiteren Pferdewagen hereingefahren und wir konnten auch diese zwei Wagen beladen. Vier Wagen, hinter dem letzten gingen wir einher, so verließen wir das Elternhaus, genau wie vierzehn Tage zuvor hinter dem Totenwagen unserer lieben guten Mutter und wie im September 1944 bei der Flucht nach Westen. Aus allen Häusern fuhren beladene Wagen in Kolonne zum Bahnhof. Dort angekommen stellten wir fest, daß bereits alle Waggons beladen waren. Wir mußten deshalb auf dem Bahnhofsgelände abladen. Es waren viele, viele Familien. Man hatte das Gefühl, alle Deutschen müssen fort. Nachts pfiffen die Lokomotiven, es waren immer zwei an jedem der langen Güterzüge und der erste Transport fuhr ab. Am Dienstagmorgen standen wieder leere Wagen auf dem Rampengleis und wir mußten verladen. Unsere Schwester Marjan, die verheiratet war und nicht fort mußte, brachte uns ein warmes Frühstück. Es kamen auch noch zwei Tanten und brachten frisch gebackenes Brot und einen Sack Kartoffeln mit, welche eine Tante noch schnell in unserem Garten geerntet hatte. Der Abschied von unseren lieben Verwandten war schwer. Wir kannten weder die Abfahrtszeit noch das Ziel. Am späten Nachmittag wurden wir vom Rampengleis auf ein anderes Gleis gestellt. Meine Schwester kam mit der einjährigen Nichte nochmals vorbei und brachte warmes Essen, doch niemand konnte essen; es waren schmerzliche Stunden des Abschieds. Beim Weggehen blieb sie immer wieder stehen und winkte, bis sie dann in der Straße verschwand. Noch spät am Abend ging ein Soldat von Waggon zu Waggon und sagte, daß wir, sobald der Zug hält, die Türen schließen müßten, denn es sei schon vorgekommen, daß Zivilpersonen auf die Züge geschossen hätten. Es war weiter nichts als eine Einschüchterung mit dem Zweck, die Menschen im Lande nichts sehen und erfahren zu lassen. Nachts kamen dann die Lokomotiven und zogen uns fort. Es war der zweite Transport. Noch ein Transport sollte in der nächsten Nacht folgen, dann war diese Aktion bei uns beendet. Wir fuhren zügig Tag und Nacht. Unsere Habe und wir wurden hin- und hergeschleudert. Mit kurzen Aufenthalten fuhren wir ostwärts. In bestimmten 171
Abständen hatten die Waggons kleine Wächterhäuschen. In diesen saßen Militärposten, mit Gewehr und Bajonett bewaffnet. Wir wurden wie Gefangene abtransportiert. Als wir in die Nähe von Bukarest kamen, hatten unsere Bewacher plötzlich keine Gewehre mehr, wir fuhren auch nicht den Hauptbahnhof an. Da hinter Bukarest die Fahrt noch immer ostwärts ging, glaubten wir zu wissen, daß unser Reiseziel Rußland sei. Unsere militärischen Bewachertrugen auch wieder Gewehre. Die Gegend wurde immer ärmer, steppenartiger und trostloser, man sah kein grünes Gras mehr. Es war Freitag, 22. Juni, am späten Nachmittag, an einer kleinen Station "Gura Jalomitei," als wir anhielten. Kein Dorf, kein Haus war weit und breit zu sehen, nur das Stationsgebäude. Hier mußten wir ausladen. Es standen Lastwagen und Militärfahrzeuge bereit, um uns weiterzuführen. Als wir ausgeladen hatten, war es schon dunkel. Trotzdem luden wir unsere Habseligkeiten auf Lastwagen. Als mehrere Lastwagen beladen waren, hieß es aufsitzen. Ich fragte noch schnell den Fahrer, ob wir in ein Dorf oder eine Stadt kommen. Nach kurzem Schweigen sagte er, daß wir etwa eine Stunde fahren werden, bis wir am Ziel sind. Es war uns ja nichts Ungewohntes mehr, nichts zu wissen und nichts zu erfahren, keinen eigenen Willen mehr zu haben. Menschen dritter Klasse zu sein, war unser Los schon seit Jahren. In der Ferne sahen wir viele Lichter und in diese Richtung fuhren wir, so daß meine Schwester meinte: "Schau, dort ist bestimmt eine kleine Stadt. Wie gut wäre es, wenn wir dorthin könnten! Es ist doch weit mehr Arbeitsgelegenheit in einer Stadt als in den kleinen ärmlichen Dörfern, an denen wir die letzten Stunden vorbeigefahren sind." Unsere Lastwagenkolonne fuhr an der vermeintlichen Stadt - es waren Stallungen und Lager eines großen Staatsgutes vorbei und wurde von einem Milizmann auf einen Platz verwiesen. Dort blieben wir stehen. Im Licht der Lastwagen sahen wir, daß es Stoppelfeld war. Todmüde und froh, endlich nicht mehr hin- und hergerüttelt zu werden, richteten wir uns ein Lager her und schliefen auch bald ein. Nachts wachte ich auf, wußte aber im ersten Augenblick nicht, wo ich war. Ich lag auf dem Sofa und über mir war klarer Sternenhimmel. Ich war dann auch gleich ganz wach und das Ganze kam mir wie ein Theater vor, so lächerlich, daß ich hell auflachen mußte. Meine jüngste Schwester sprang auf und fragte ganz erschrocken: "Was hast du, Margret?" Sie glaubte, ich hätte durchgedreht. Doch als ich dann noch lachend entgegnete: "Ist das nicht die reinste Narretei, uns ganz einfach mit allem an die Luft zu setzen?", atmete sie auf und meinte: "So zum Lachen finde ich das gar nicht." Was aber jetzt auf uns zukam, war alles andere als Spaß und Witz. Wir saßen auf dem Stoppelfeld, der heißen Sonne ausgesetzt. Es gab hier weder Baum noch Strauch, noch Wasser, das uns am meisten fehlte. Zwei Kilometer war die Donau entfernt, die uns vor dem Verdursten rettete. Doch ihr Wasser war in dieser Jahreszeit lauwarm und schmeckte scheußlich. Wochenlang hofften wir, daß man uns wegführt und irgendwo einquartiert. Man konnte es fast 172
nicht mehr begreifen, daß die vielen alten Leute und kleinen Kinder so ausgesetzt bleiben. Täglich kamen Milizmänner und Parteifunktionäre und sagten: "Ihr habt hier einen Hausplatz", die Hausnummer stand auf einem P{ahl, "und hier müßt ihr euer Haus bauen." "Nun, wenn wir bauen sollen, dann muß uns Material geliefert werden." "Ja, Material wird der Staat geben," meinte ein Milizmann, "ihr bekommt Dachholz, Türen und Fenster." Weil man aber zum Bauen viel mehr braucht als drei Dinge, ließen wir uns Zeit. Die Donau, unsere Trinkwasserspenderin, wurde nun auch unser Badestrand und Arbeitsplatz, man wusch die Wäsche, trocknete sie am Ufer, sammelte angeschwemmtes Holz und fing Frösche. Die Kühe und Pferde hatten, brachten sie zum Tränken an den Fluß. Das Donauufer war an dieser Stelle belebt wie nie zuvor. Alle hatten wir das gleiche Schicksal, wir fühlten uns wie eine große Gemeinde. In dieser ersten und härtesten Zeit bestand ein Zusammenhalt, wie man ihn zuvor nie erlebt hatte. Als erste Behausung machten wir aus unseren Möbeln kleine Hütten, mit Decken und Tüchern wurde alles eingehüllt. Dann gingen wir Binsen schneiden, die wir aneinanderreihten und als Wände aufstellten. Später schnitten wir am Jalomitzaufer Weiden und hackten Holz, mit dem wir uns einen stabileren Raum bauten. Die Zeit verging, aber es rührte sich nichts mit dem versprochenen BaumateriaL Uns war klar, daß wir in diesen Hütten keinen Winter würden überleben können. Es regnete ja nicht viel in diesem Sommer, aber wenn es regnete, kroch man unter den Tisch oder setzte sich in den Kleiderschrank. Es war ja ein heißer Sommer und so trocknete die Sonne immer wieder schnell, was der Regen naß machte. Nach fünf Wochen nahmen wir dann das Bauen ernst. Zwei oder drei Familien schlossen sich zusammen, um zu bauen. Als erstes wurden Brunnen gegraben. In zwei Metern Tiefe fanden wir Wasser, doch leider war es salzig wie Meerwasser. Wir konnten es weder trinken noch zum Kochen verwenden und wer seine Haare damit wusch, durfte sich über zusammengeklebtes und steifes Haar nicht wundern. Deshalb blieb die Donau all die Jahre hinweg unser Wasserspender und wegen des weiten Weges blieb Wasser etwas Kostbares. Das Bauen unserer Lehmhäuser war die schwerste und die härteste Arbeit. Sie war so hart, daß alte Menschen, denen die Kraft nicht mehr ausreichte, in Verzweiflung bis zum Selbstmord getrieben wurden. Die Behörden sahen dann doch ein, daß man von den alten kranken Menschen schier Unmögliches verlangte. Sie wurden dann auf einer Liste erfaßt. Mit "freiwilligen Arbeitskräften" wurden Holzpfosten aufgestellt, mit Latten verschalt und mit feuchtem Lehm verbunden. So entstanden Häuser mit drei gleichen Räumen für je zwei Personen, die Altenhäuser. Auf gleiche Weise, mit befohlenen Arbeitskräften, wurden Schule, Gemeindehaus, Milizgebäude und ein Kaufladen errichtet. Wie viele andere auch, bauten wir unser Haus mit Lehmziegeln. Wochenlang wurden von früh bis spät Ziegel geschlagen, denn tausende brauchten wir für unsere Lehmhäuser. Alles war aus Lehm: Der Mörtel, der die Lehmziegel verband, war Lehm. Der Putz innen und 173
außen war Lehm. Die Decke, der Boden, der Ofen, der Herd, alles war aus Lehm. Die schwerste Arbeit war das Schneiden des Dachmaterials. Wochenlang waren wir im Sumpfgebiet längs der Donau Rohr schneiden. Bis weit übers Knie standen wir im Sumpf und dies Ende September, obwohl es morgens schon recht kalt ist. Mit der Sichel wurde das Schilfrohr über der Wurzel abgeschnitten. Bündelweise trugen wir es über dem Kopf etwa 800-1.000 Meter durch das Wasser ans Ufer. Beide Hände waren von der Arbeit in Anspruch genommen und so konnten das Ungeziefer im Wasser und die Stechmücken in der Luft uns derart quälen, daß wir den Wunsch hegten: Jene, denen wir unseren Aufenthalt hier verdanken, sollten vierzehn Tage lang mit zusammengebundenen Händen hier im Sumpf stehen. Sie hätten wahrlich ihre Tat gesühnt! Auch diese harte Zeit verging und wer es nicht schaffen konnte, mußte sein Haus mit Stroh decken. Diese Strohdächer hatten den Nachteil, daß der Regen im Haus begann, sobald er draußen aufgehört hatte. Die meisten Häuser waren aber mit Schilfrohr gedeckt. In den Hütten herrschte in den Oktobernächten schon eine solche Kälte, daß man fror. Auch hatten sich Mäuse als Haustiere einquartiert. Am ersten November, zu Allerheiligen, zogen wir ins Haus ein. Die Wände und die Decke waren noch feucht, doch wir zogen die feuchte Wohnung der Kälte vor. Es wurde dann gut geheizt und zwar mit Baumwollstöcken. Die Staatsfarm hatte viele hundert Hektar Baumwolle gepflanzt. Die abgeernteten Baumwollstöcke konnten wir abhacken und einholen. Auf diese Weise wurden auch die Felder geräumt. Die Stöcke waren ölhaltig und brannten großartig. Von der Wärme trockneten unsere Häuser von innen, aber die Decken bekamen Risse und der Wind blies tüchtig durch, doch vielleicht zu unserem Glück, denn die Lehmdämpfe sind durch die Risse aus den Wohnungen abgezogen und wir blieben gesund. Im Dezember kamen die Schneestürme, die oft großen Schaden anrichteten. In einer Erdhütte, die etwa 10 x 3 m groß war, hielten wir sonntags Gottesdienst. Mit uns war nämlich ein alter geistlicher Herr verschleppt worden. Meßkleider, Kelch und Hostien bekamen wir in einigen Paketen aus Temeschburg. Am 24. Dezember war um Mitternacht die Christmette. In der Hütte stand ein weiß gedeckter Tisch als Altar, zwei Kerzen brannten und die Jugend sang die heilige Messe. Da in der Hütte nur für etwa 60 Personen Platz war, standen die meisten draußen im Schnee. Es war eine ruhige, sternklare, weiße Nacht. Das letzte Lied: "Stille Nacht, heilige Nacht" wurde von allen mit großer Andacht mitgesungen. Begleitet von Tränen, klang es in die Nacht hinein. Wir fühlten und erlebten die ärmliche Geburt im Stalle, die Ausgestoßenheit in Nacht und Kälte des kleinen und doch so großen göttlichen Kindes. Nun war Weihnachten! Und wenn auch nur für Stunden, wir erlebten den Frieden und die Ruhe dieser heiligen Nacht wie nie zuvor.
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Elisabeth Groß aus Kleinschemlak in Rächitoasa.
Foto: K. Groß
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Ernst Stoffel Hatzfeld- Dalga (Dalga Noua)
Endstation Dalga Im Frühjahr 1951 gingen in Hatzfeld Gemeindeangestellte mit Soldaten in die Häuser, ließen sich die Personalausweise der Bewohner zeigen und notierten sich deren Namen und Ausweisnummern. Es hat sich schnell herumgesprochen und unter der Bevölkerung von Hatzfeld verbreitete sich rasch ein beklemmendes Gefühl, denn diese "Personenlisten" wurden nur in einem 25 km breiten Landstreifen entlang der rumänisch-jugoslawischen Grenze angelegt. Unter den Aufgelisteten befanden sich zwar mehrheitlich Deutsche, erfaßt wurden aber auch Rumänen, Serben, Ungarn, Bulgaren und andere. Wir waren verunsichert, da wir nicht wußten, was diese Aktion zu bedeuten hat. Von Pendlern, die in der Kreisstadt Temeschburg arbeiteten, erfuhren wir, daß man am dortigen Güterbahnhof eine große Anzahl von Viehwaggons vorbereitet hatte. Allmählich stärkte sich in uns die Befürchtung, daß Vorbereitungen für eine Deportation getroffen werden und daß man die Viehwaggons dafür bereitgestellt hatte. Der Frühling ging zu Ende, ohne daß das Befürchtete eintraf. Die Eintragungen in die "Listen" wurden bis Ende Mai fortgesetzt. Nun wurden auch die Ausweise meiner Familie eingesehen und auch wir wurden erfaßt. Wir ahnten jetzt, daß man uns nur hinhalten wollte und glaubten immer mehr daran, daß man uns verschleppen wird. Aber nichts geschah, was auf eine Deportation hingedeutet hätte. Die Bevölkerung beruhigte sich wieder, aber die Angst vor der Deportation blieb und schwebte sozusagen in der Luft. So ging das Leben noch eine Weile weiter. Meine Familie, die wie alle deutschen Bauern in Rumänien bereits Anfang 1945 enteignet worden war, arbeitete weiterhin auf den von uns gepachteten Feldern "um die Hälfte" des Ertrages. Wir waren gerade mit dem Maishacken beschäftigt, aber die Gerste und der Weizen waren schon reif und mußten bald geerntet werden. Wenn wir frühmorgens aufs Feld hinausfuhren, leuchteten sie uns in ihren Goldfarben entgegen. Ein beglückendes Gefühl für jemanden, dessen Familie sich seit Generationen mit Ackerbau beschäftigt, der tief in der landwirtschaftlichen Tradition, in diesem Boden verwurzelt ist. Es war ein Gefühl der Freude und der Dankbarkeit zu sehen, wie Gott die Arbeit deiner Hände belohnt. Überall wurden Vorbereitungen zur Ernte getroffen. Ein alter Mähbinder konnte irgendwoher aufgetrieben und mit viel Mühe auf unserem Hof betriebsbereit gemacht werden. Die Ernte konnte wie geplant am Montag beginnen, denn der Sonntag des 17. Juni war Ruhetag. Es sollte der letzte für lange Zeit sein, der uns gegönnt war. Niemand ahnte, wie schicksalsschwer die Nacht zum Montag für viele Familien werden sollte. 176
Im Verlauf des Sonntags verstärkte sich die Zahl der Sicherheitskräfte um ein Vielfaches. Die Spannung unter der Bevölkerung erreichte ihren Höhepunkt. Als wir in dieser Nacht zum 18. Juni aus dem Kino kommend, nach Hause gingen, war eine seltsame Stille auf den Straßen. Ich dachte nur noch: Jetzt wird es geschehen ... Wir alle dachten so. Der bei uns um 1 Uhr 30 einlaßbegehrende Securitateoffizier eröffnete uns, daß wir innerhalb von zwei Stunden fertig für den Abtransport sein müssen. Alle unsere schriftlichen Unterlagen wurden beschlagnahmt. Ein Soldat wurde zu unserer Bewachung zurückgelassen, die anderen zogen mit dem Sicherheitsoffizier weiter. Schweren Herzens und mit einem Gefühl der Machtlosigkeit begannen meine Eltern zusammen mit uns mit dem Einpakken. Das Mehl wurde ohnehin in Säcken aufbewahrt, die Kleidungsstücke verschnürten wir in Bettlaken. Eine meiner älteren Schwestern ging zum Nachbarn und erkundigte sich bei dem dort seinen Dienst versehenden Sicherheitsbeamten nochmals über den zugelassenen Umfang des Gepäcks. Dieser erklärte ihr, daß jeder Familie für das Gepäck ein ganzer Viehwaggon zur Verfügung stehe. Daraufhin haben wir unseren Pferdewagen so gut es ging, vollgepackt. Ein befreundeter Nachbar, der gerade vom Feld kam, erklärte sich bereit, eine Fuhre mit Möbelstücken zum Bahnhof zu transportieren. Ein drittes Fuhrwerk wurde von dem Sicherheitsbeamten für uns abgestellt. Um 14.00 Uhr kam eine Kommission, um unser Haus zu versiegeln. Diese teilte uns mit, daß es uns gestattet sei, auch Vieh mitzunehmen: zwei Pferde, eine Kuh, zwei Schweine, eine Ziege und fünf Hühner mit dem benötigten Viehfutter. Ein viertes Fuhrwerk wurde uns von einem anderen Nachbarn zur Verfügung gestellt. Die Kommission, die unser Haus versiegelte, bezahlte uns eine minimale "Entschädigung". Vom Soldaten bewacht, verließen wir unser Heim in eine ungewisse Zukunft. Die ganze Nacht waren wir mit dem Verladen beschäftigt. Alles, was wir mitnehmen konnten, auch die Hühner, die beiden Schweine und die Ziege, verfrachteten wir in unseren Viehwaggon, während die beiden Pferde und unsere Kuh zusammen mit dem Großvieh der anderen in zusätzliche Viehwaggons gebracht wurden. Unser Transport, der letzte, der Hatzfeld am 19. Juni um 12.00 Uhr verließ, umfaßte rund 60 Viehwaggons. In den Tagen vom 18. und 19. Juni 1951 fuhren insgesamt fünf Transportzüge mit Menschen und Vieh von Hatzfeld zu den fünf Verschleppungsorten, in welche Hatzfelder zum Zwangsaufenthalt verbracht wurden. In den ca. 150 Waggons befanden sich rund 500 Deutsche, Rumänen, Ungarn und Serben kamen ungefähr in der gleichen Anzahl dazu, so daß man davon ausgehen muß, daß zirka 1.000 Hatzfelder das gleiche Schicksal teilten. Mein jüngerer Bruder, der in Temeschburg studierte, suchte unseren Waggon auf dem Bahnhof und wir konnten uns noch von ihm verabschieden. Glücklicherweise ist er von diesem Schicksal verschont geblieben, denn sein Name wurde nicht in die Liste eingetragen und er durfte seinen Personalausweis behalten. 177
Zwei volle Tage und Nächte waren wir unterwegs. Am Donnerstag den 21. Juni erreichten wir Bukarest und nach einem kurzen Zwischenaufenthalt
fuhren wir weiter bis Dalga. So hieß also unsere Endstation. Wir stiegen aus und sahen uns um. Ungefähr 100 bis 150 Pferdegespanne aus der ganzen Umgebung waren gekommen, um die Menschenmasse und deren Besitz zu dem Bestimmungsort zu bringen. Mit drei Wagen fuhren wir los, nachdem wir gegen 16.00 Uhr entladen hatten. Es ging mitten durch abgeerntete Weizenfelder. Nach ca. 20 Minuten Fahrt hielt uns ein "Einweiser" an und führte uns zu der Stelle, die uns zugeteilt worden war und forderte uns auf, unser Gepäck abzuladen. Jede Familie bekam ein Grundstück von 2.500 qm zugeteilt. Es war bereits dunkel, als wir unsere Habe um uns versammelt hatten und sie einordnen konnten. Dann begaben wir uns, umgeben von unserem verstörten Vieh, zur Ruhe. Am nächsten Tag setzte man uns davon in Kenntnis, daß wir bei der Bauleitung von Dalga Material zur Errichtung einer Hütte erhalten würden. Mein Vater und ich begaben uns dahin und erhielten sage und schreibe acht Bretter, 16 Nägel und eine Binsenschilfmatte. Damit begannen wir unsere Hütte zu zimmern. Zu unserem Glück durften wir die auf unserer Fläche verbliebenen Weizengarben zum Abdecken unserer Hütte verwenden. Nach zwei Tagen hatten wir uns dann eine notdürftige Unterkunft zusammengebaut. Für das Vieh bauten wir auch eine Bedachung, damit es nicht andauernd der sengenden Hitze ausgesetzt war. Als wir uns ein solches Provisorium geschaffen hatten, fanden wir endlich ein wenig Ruhe und konnten über unsere neue Situation nachdenken. Am nächsten Tag wurde eine Versammlung einberufen und die Behörden wiesen darauf hin, daß es unsere Aufgabe sei, auf den landwirtschaftlichen Staatsgütern zu arbeiten. Die erste Voraussetzung für das gute Funktionieren der Arbeit sei, daß jede Familie sich ihr eigenes Haus selbst errichte. Baumaterial wird uns zur Verfügung gestellt, aber bauen müsse schon jeder selbst. Man brauchte Arbeitskräfte in einer agrarisch minderentwickelten Region wie die unwirtliche Ba.ragan-Steppe. Die Deportierung wurde, wie wir später erfuhren, auch dazu benutzt, um die in der Heimat Verbliebenen zu erpressen: "Wenn ihr nicht in die Kollektivwirtschaft eintretet, ereilt euch das gleiche Schicksal." Diese Drohung hatte einen handfesten Hintergrund, denn zum Beispiel im Dorf Dalga wurden die öffentlichen Einrichtungen am Rande des Dorfes angesiedelt. Es sollte dort der spätere Dorfmittelpunkt entstehen, denn Dalga sollte mit Hilfe neuer Deportierter zur doppelten Größe anwachsen. Soweit ist es aber nicht mehr gekommen. Wir nahmen zwar Arbeit auf den Staatsgütern an, denn wir wollten überleben, aber die Anweisung, uns Häuser zu bauen, ignorierten wir alle. Das vordringlichste Problem stellte die Versorgung mit Trinkwasser dar. Jeweils drei bis vier Familien schlossen sich zusammen und gruben in Gemeinschaftsarbeit einen Brunnen. Wir stießen in fünf Metern Tiefe auf gutes, trinkbares Wasser. Der Monat Juli verging, ohne daß jemand mit dem Hausbau begann. 178
Allmählich begannen wir einzusehen, daß uns wohl nichts anderes übrigbleiben wird, als mit dem Hausbau anzufangen. Jeweils zwei oder mehrere Familien begannen gemeinsam mit der Arbeit. Meine Familie hatte sich zusammen mit der Nachbarsfamilie dafür entschieden, die Wände hochzustampfen. Ende August hatten wir auch die Wände für das Haus unseres Nachbarn hochgezogen. Der nächste Arbeitsgang war die Errichtung des Dachstuhls und das Eindecken, in unserem Falle mit Schilf. Jede Familie war bestrebt, ihr Haus. so schnell wie möglich bezugsfertig zu haben. Da aber neben der Errichtung der öffentlichen Bauten auch noch die Baumwollernte auf den Staatsgütern eingebracht werden mußte, wurde jetzt jede Familie verstärkt zum Pflichtarbeitsdienst hinzugezogen. Oft konnte nur ein einziger zurückbleiben und am Haus arbeiten, was die Fertigstellung des Hauses erheblich verzögerte. Dann war es endlich soweit. Ende Oktober konnten wir in unser Haus einziehen. Es war auch höchste Zeit, denn in der Hütte war es nachts schon empfindlich kalt. Der darauffolgende Winter war harmlos. Gott hatte es mit uns gut gemeint, denn uns war ein herrliches Wetter bis weit in den Januar 1952 hinein beschieden. Als der Winter vorbei war, nahmen wir unsere Arbeit auf dem Staatsgut wieder auf. Die Gärten um die Häuser wurden bearbeitet, um uns mit Gemüse zu versorgen. Kinderlosen Familien machte die Versorgung mit Lebensmitteln keine großen Schwierigkeiten, aber solche mit mehreren kleinen Kindern hatten es oft sehr schwer. Am problematischsten war die Lage der alten, arbeitsunfähigen Menschen. Einige von ihnen konnten in den vier Altenheimen untergebracht werden. Viele von ihnen lebten in großer Not und vom Veräußern ihrer Habseligkeiten, oder von der Unterstützung ihrer früheren Dorfgemeinschaft. Im Laufe des Jahres 1953 kehrte eine gewisse Normalität in unser Dorf ein. Wir begannen uns mit der gegebenen Situation abzufinden und uns darauf einzurichten, daß wir unser ganzes Leben hier verbringen müssen. Eine Musikkapelle wurde gegründet und spielte Sonntag abends im großen Versammlungsraum des Gemeindehauses zum Tanz auf. Die Jugendlichen trafen sich in der "Reih". Dann kam wieder der Winter. Strenger Frost kündigte den Schneesturm an. Es war der denkwürdige Tag des 2. Februar 1954, als uns der große Schneesturm heimsuchte. Drei Tage und Nächte tobte der Wind unentwegt, Unmassen von Schnee vor sich hertreibend. Beim kleinsten Hindernis begann sich der Schnee zu sammeln und langsam, aber felsenfest, aufeinander zu türmen. Schneeberg türmte sich auf Schneeberg, in Höhe von bis zu fünf Metern. Häuser versanken bis zur Dachspitze im Schnee. Wir konnten praktisch keinen Schritt mehr vor die Haustür setzen. Unser Vieh konnten wir nur noch notdürftig versorgen. Nach drei Tagen flaute der Sturm vorübergehend ab, um danach mit unverminderter Kraft noch weitere sechs Tage zu toben. Der Überlandverkehr war zwei Monate lang lahmgelegt. Die Eisenbahnschienen wurden mit Spezialräumungsgeräten freigelegt. Der Winter ging langsam zu 179
Ende, da drohte eine neue Gefahr. Aufgrund der schnellen Erwärmung der Erdoberfläche begann der Schnee sehr schnell zu schmelzen und es kam zu riesigen Schmelzwasseransammlungen. Wir hatten Pech, daß unser Haus in einer kleinen, fast unmerklichen Vertiefung stand. Die Wassermengen drohten unser Haus zum Einsturz zu bringen. In großer Eile legten wir mit Pickel und Spaten einen Ableitungsgraben von unserem Haus bis zum Fahrweg an. Dort gruben wir ein Loch und beförderten in pausenlosem Einsatz das Wasser in eine einige Meter entfernte Baugrube. Die Gefahr war gebannt und wir fielen erschöpft auf unsere Bettstellen. Zu unserem Glück kam am nächsten Tag ein plötzlicher Wetterumschwung, es wurde kurzfristig wieder kälter, so daß der Schnee nur langsam schmolz. Im Frühjahr 1955 heiratete ich und zog ins Haus meiner Frau. Im Sommer verbreitete sich die Kunde, daß wir freikommen. Eine Kommission kam nach Dalga und brachte Listen mit, auf denen die Freizulassenden verzeichnet waren. Aber nicht alle Verschleppten hatten das gleiche Glück. Einige hat man in anderen Ortschaften der Baragan-Steppe zusammengezogen, um auf den dortigen Staatsgütern zu arbeiten. Es waren die wenigen Familien, die einst mehr als 50 Hektar Land besaßen und im Baragan verbleiben mußten. Nach viereinhalb Jahren in der Deportation waren die meisten auf freiem Fuß und konnten die Heimreise antreten. Jeder Familie wurde auferlegt, sich selbst um die Rückreise zu kümmern und die nötigen Waggons zu beschaffen. Für die paar Zentner Mais, welche wir als Entgelt für die Bearbeitung eines Hektars "zum vierten Teil" vom Staatsgut bekamen, für das Maisstroh, etwas Kleeheu und unseren Holzvorrat, bestellten wir uns einen offenen Waggon. Ende Januar 1956 traten wir dann die Heimreise an. Die Deportation in die Baragan-Steppe war für uns ein harter Schicksalsschlag. Durch die Enteignung von 1945 haben wir unsere Lebensgrundlage, den Boden, den wir seit Generationen bearbeiteten, verloren. Sechs Jahre später hat man uns in die unwirtliche Baragan-Steppe deportiert, um die Felder zu bearbeiten und Häuser aufzubauen. Für Menschen, die von 1945 bis 1950 Zwangsarbeit in Rußland geleistet hatten, wie zum Beispiel meine Schwester, bedeutete dies die bittere Erfahrung von insgesamt zehn Jahren Deportation. In die Heimat zurückgekehrt, mußten wir abermals von neuem beginnen. 1956 wurden den früheren Eigentümern die enteigneten Häuser wieder zurückgegeben und wir versuchten uns in der neuen Realität des sozialistischen Rumäniens zurechtzufinden. Die vielen Demütigungen, die wir über uns hatten ergehen lassen müssen, hatten zur Folge, daß wir uns nach der Erfahrung der Deportation als Heimatlose in unserer Geburtsstadt fühlten. Viele deutsche Familien beschlossen, Rumänien zu verlassen. Auch meine Familie siedelte im Jahre 1964 nach Deutschland aus.
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Elisabeth Pierre Billed- Brate~ (Frumu~ita Noua)
Angst ohne Ende Erinnerungen einer Mutter an die Baragan-Verschleppung 1951 Das muß beschrieben werden! Das soll auf weißem Papier festgehalten werden, damit es unsere Kinder und Kindeskinder lesen können. So wollen es Hunderte von Müttern. Aber was soll man schreiben? Da ist die Schreckensnacht: als man dieses stille, arbeitsame, friedliebende Volk unerwartet und mit Gewalt in finsterer Nacht aufrüttelt, Milizfäuste greifen nach dem Hab und Gut der Unschuldigen, und ein Transport ins Ungewisse erwartet die Tausenden. Es war im Jahre 1951, als man schon eine ordnungsgemäße Ruhe hätte erwarten dürfen. Der Krieg und auch die Rußlandverschleppung lagen doch schon eine ganze Weile zurück. Und am 16. Juni warteten die Dorfleute vergebens und ungeduldig auf ihre Angehörigen, die von der Arbeit aus der Stadt hätten heimkehren müssen. Der Zug hatte eine fast zweistündige Verspätung. Als er endlich einfuhr- riesig lang- waren unter den 30 Waggons russische dabei und in jedem dritten Waggon befand sich die Miliz. Es gab viel Verwirrung beim Aussteigen und die Ankömmlinge fragten sogleich: "Was ist denn bei euch auf dem Dorf los?" Bei uns war gar nichts los. "Aber ihr, ihr kommt doch aus der Stadt. Was soll das alles bedeuten?" wollten wir Wartenden wissen. Keiner wußte Bescheid. Die Unruhe breitete sich aus. Die Miliztruppen formierten sich. Eine Abteilung marschierte nach Großjetscha, eine andere nach Kleinjetscha und über 100 Mann blieben in Billed. Sie wurden im rumänischen Schulgebäude einquartiert. Inzwischen durfte niemand mehr Fahrkarten lösen! Der nächste Tag war ein Sonntag: alle waren wir aus dem Häuschen! Trotzdem nahmen viele Dorfbewohner am Jahresschlußfest der deutschen Schule teil, das für den Vormittag vorgesehen war. Und dort hörten wir uns die Gedichte über Einheit und Freiheit und Gleichberechtigung an. Dann kam der Sonntagnachmittag und da wurde beratschlagt. Man wußte nicht, was das alles zu bedeuten hatte. "Sie werden doch die Ordnung aufrecht erhalten! Aber es herrscht doch Ordnung, es gibt doch keinen Grund, diese Ordnung so zu bewachen!" So begann der letzte Abend und die unheimliche Nacht rückte näher. Kaum einer fand Ruhe und Schlaf. Da klapperten die Milizstiefel gaßauf, gaßab, Hundegebell störte uns, in den Nachbarhöfen schallten Befehle. Es wird hell, man merkt überall Bewegung und Unruhe. Möbelstücke werden auf Leiterwagen verladen. Und am Tor steht überall ein Soldat mit seinem Gewehr und läßt niemanden in den Hof. Niemand darf den Hof verlassen. Und von Zeit zu Zeit war wieder eine Milizstreife da. Mit Taschenlampen leuchteten sie die Hausnummern an, man konnte meinen, sie wollen 181
über den Zaun springen. Wir zitterten und verzagten. Die Erinnerung an die Straßenkämpfe vor vielen Jahren erwachte. Auch damals hatten wir uns kaum getraut, durch die halbverschlossenen Fensterläden hinauszublicken. Es ist 4.00 Uhr früh, als wir feststellen, daß alle Nachbarhöfe besetzt, alle Nachbarn in Bewegung sind. Sollen wir am Ende verschont bleiben? Wir hoffen es, denn bei Tagesanbruch werden sie wohl ihr Treiben einstellen und deshalb legen wir uns zur Ruhe. Aber die Sorgen bleiben wach. Was für eine Nacht! Als der Morgen kommt, ist es wie eine Erlösung. Jetzt werden wir vielleicht erfahren, was das alles bedeutet. Wie schön es wäre, wenn man uns endlich Ruhe gönnen würde! Mein Mann will sich "in Frieden" auf seinem Lieblingsplatz niederlassen: auf der Bank in unserem schönen Blumengarten. Und die Enkelkinder lagern sich um uns herum. Es ist 11.00 Uhr. Da stelle ich mit Schrecken fest, daß eine Milizpatrouille auf unser Haus zukommt und eintritt. Sie erscheinen wie ein Blitz aus heiterem Himmel, winken mit einem weißen Blatt Papier und lesen uns einen Befehl vor: Laut Verordnung des Ministeriums haben sich Herr H. und Frau S. innerhalb von zwei Stunden mit ihren Möbeln am Bahnhof einzufinden. Die Familie wird dort in Waggons eingewiesen. Weshalb, wie, warum das nötig ist? Keiner kann oder will es uns sagen! Die Personalausweise, die "Buletine," werden uns gleich abgenommen. Ein Militärposten pflanzt sich an der Tür, einer im Hof auf. Keiner darf mehr zu uns, keiner darf fragen, darf sich verabschieden. In größter Aufregung, völlig konsterniert, packen wir das Allernotwendigste ein, die Zimmer müssen geräumt werden und werden versiegelt. Wir konnten es nicht fassen. Im Handumdrehen war unser schönes Heim, war alles, was wir in langen Jahren errichtet hatten, von Grund auf zerstört. Sinnlos hasteten wir umher. Wirtschaftsgeräte, Hausrat wurde verpackt. Hunderte Menschen taten inzwischen dasselbe. Der 18. Juni 1951 war eine Grablegung der Menschenrechte. Von der gepriesenen Freiheit war nichts mehr übriggeblieben. Gleichberechtigung bedeutete nur noch, der nackten Gewalt zu gehorchen. Alle verloren alles. Nach schwerem Abschied fahren wir mit einem Lkw zum Bahnhof. Weit kommen wir nicht. So weit das Auge reicht, überalllagern unglückliche Menschen. Wir sind im Graben bei der Hutweide angelangt. Unter freiem Himmelliegen wir und warten drei Tage und drei Nächte lang. Auch Sterbende sind hinausgebracht worden. Sie liegen kraft- und regungslos auf der Erde. Eine Urgroßmutter sitzt im Liegestuhl und scheint nichts mehr wahrzunehmen. Sie stirbt dann unterwegs auf der Bahnfahrt. Als wir ankamen wurde sie in ein Leintuch gehüllt und als erste begraben. Eine andere, eine tüchtige Großmutter, liegt wie betäubt im Gras - auch sie ist ums Leben gekommen. Es war sehr schwer, bis wir in den Waggons verfrachtet wurden. Das geschah am 21. Juni. Unsere lieben Kinder, unsere drei teuren Enkel standen hilflos vor dem Zug. Vor uns die Bajonette, das Militär, dahinter die Kinder und Enkel. Es ist einfach unbeschreiblich. Christa ist 7, Hansi 9, Franzi 11 Jahre 182
alt. Was müssen sie mit ansehen! Wenn ich sie ansah, würgten alle drei mühsam die Tränen hinunter. Was geschah hier mit Oma und Opa? Die Kinder weinen und wir sind unschuldig, aber wehrlos. Das aber kümmerte die Exekutoren nicht. Sie peitschten ihre Befehle über unsere Köpfe. Und dann fuhr der Zug los. "Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen!" Ja, aber gab es denn noch ein Wiedersehen? An der Brücke, an dem Bahndamm standen sie und riefen uns nach. Und der Zug mit den Viehwaggons dampfte immer schneller dahin. Dann war Temeswar erreicht. Hier hielten wir und einige Bekannte kamen an die Waggons heran. Dann war Lugosch an uns vorübergebraust, dann Kronstadt. Der ganze Tag war mit schönen Gegenden versehen: Predeal, Sinaia. Manchmal reichten uns Rotkreuz-Schwestern eine Tasse Milch oder Tee. Karten, die wir abschicken wollten, wurden von der Begleitmannschaft beschlagnahmt. Wir kamen in eine endlose Steppe und sahen Möbel auf freiem Feld stehen. War das ein Schreck. Nein, das war einfach nicht möglich. Wir kommen doch wenigstens in ein Barackenlager! Durch Braila und Galati jagte unser Zug wie gehetzt. Da war der Bratesch-See. Aber, wo wird das enden? Und in der Nacht stand unser Zug plötzlich still. Das war nicht weniger unheimlich. Zigeunerfuhren erschienen, Stimmen wurden laut. Befehle ertönten: "Aussteigen!" Aber wir rührten uns nicht. Es war schauderhaft, mitten in Nacht und Nebel aus den vier Wänden des Waggons hinausgetrieben zu werden. Unser armseliges Zeug wurde ins Freie befördert. Und da sahen wir die kleinen Bahngebäude: Frumuschitza. Wo lag denn das? Und wir mußten uns den Zigeunern anvertrauen. Auf ihre Wägelchen wurde unsere Habe verpackt. Doch fünf Wagen reichten kaum aus, um unsere "Besitztümer" zu verstauen. Einen Wagen konnte man im Auge behalten. Auf den anderen verschwand: Schinken, Likör, das Akkordeon. Alles wurde in den Straßengraben versteckt. Erst später konnten wir feststellen, was abhanden gekommen war. Und da war es viel zu spät, um noch etwas zu unternehmen. Spiegelglas splitterte, unser Schrank fiel vom Wagen. Aus! Eine Straße zog Richtung Bessarabien. Da war der Pruth die Grenze. Vorläufig jedoch mußten wir alle aus dem Wagen steigen. Jeder wurde geimpft, wir bekamen je vier gelbe Pillen gegen Malaria. Um 4.00 Uhr fuhren wir dem Sonnenaufgang entgegen. Es war der 24. Juni, ein Sonntag, ein Sonnentag. Und so viele weinten und waren todunglücklich. 1948 war dieses Gebiet in der Bratesch-Niederung entwässert worden. Aber wie lange fahren wir noch? Überall steht Weizen im Land. Da werden Hausplätze ausgemessen. Die Ochsenkarren halten. Die Möbel werden abgeladen. Dann fuhren die Zigeuner ab. Wir standen da, unsere Möbel warteten. Der Himmel über uns fand auch keine weiteren Worte. Was hatten wir getan, daß man uns so willkürlich im Freien aussetzte, daß Alte und Kinder ihr Haus und ihr Dorf hatten verlassen müssen, um hier in der Fremde obdachlos zu werden. Wir waren müde, wir waren so unbeschreiblich zerschlagen und niedergeschlaf5.en. Wir stellten die Betten aneinander. Da begann die Wirkung der Spritze: Ubelkeit, Brechreiz. Ich glaubte, mein letztes Stündchen hat 183
geschlagen. In der sengenden Hitze, nirgends ein Stückehen Schatten. Und in der ganzen Menschenwelt ist es jetzt Sonntag! Mit den Kindern saß ich hier und ließ sie auf Zettel schreiben: "Sonntag ist's, heiliger Sonntag! Sonntag ist's für alle Herzen, Sonntag auch für alle Schmerzen ... Heiliger Sonntag weit und breit." Das war eine Ablenkung. Bis die Gelsen kamen und der feuchte Morgentau. Das war die erste Nacht unter dem Himmel dieser feindlichen Steppe. Unter uns die Weizenähren, um uns das wachsende Korn, über uns die Sterne, der Wind, in uns die Angst und die Ungewißheit. Das alles war ein Anfang, oft auch ein Ende. Vielköpfige Familien beginnen jetzt, sich aus ihren Möbelstücken eine Art Unterkunft zusammenzubauen. Wir beiden Alten sind unbeholfen, haben weder Nagel noch Brett. Wir spannen einfach eine Zeltplane über die Betten und schützen uns so vor den Mücken. Alles Hab und Gut und auch die Lebensmittel stehen weiter auf freiem Feld. Ich muß immer wieder an Robinson denken, der auch so primitiv zu leben gezwungen worden war. Und wie Robinson müssen wir Erfahrungen sammeln und uns an das Unvermeidliche gewöhnen. Am 29. Juni war ein Feiertag: Peter und Paul. Es ist unser Hochzeitstag. Daran war gar nicht zu denken. Vor Jahren sind wir auf blumengeschmückten Wagen bis zum Bahnhof gefahren. Und auf unserer Hochzeitsreise erwarteten uns Budapest, Wien, St. Pölten, Maria Zell. Diesmal sitzen wir im Bratesch-Sumpf und können uns nicht helfen. Um 4.00 Uhr geht die Sonne auf. Da muß alles schnellstens erledigt werden, denn um 7.00 Uhr ist es schon so unerträglich wegen des heftigen Windes und zu Mittag gibt es kein einziges Fleckchen Schatten mehr. Da war es mit dem Essen und mit einer kurzen Ruhe zu Ende. Ich schloß mich manchmal im Schrank ein. Das war der einzige Platz, wo ich Ruhe und Schutz vor Wind und Hitze fand. Zu den Problemen, die zu lösen waren, gehörte auch die Trinkwasserversorgung. Der einzige Brunnen weit und breit war zwei Kilometer von uns entfernt. Da standen immer 40 oder 50 Menschen in einer Reihe und warteten, daß sie ihr Wasser schöpfen durften. Später wurde das Wasser in Fässer gefüllt zu uns gebracht. An den Straßenecken konnte man dann Wasser kaufen. Allerdings war es dann schon chemisch "bearbeitet" und kaum genießbar. In diesen Tagen und Wochen sahen wir kein Blatt, keinen Grashalm, keine Blume, nur immer wieder Schilfrohr und Schilfrohr. Auch Vögel fanden sich in dieser Gegend nicht ein; wir waren scheinbar die ersten Lebewesen, an denen die Umgebung erprobt werden sollte. Bei unserer nächtlichen Ankunft war es mir gelungen, eine Postkarte nach Hause zu schicken. Da stand auf dem Poststempel unser Aufenthaltsort drauf. So erhielten wir auf einmal- war das eine Freude- eine Nachricht von zu Hause. Und eine Woche später kam sogar ein Paket! Nach drei Wochen Glut und Wind gelang es uns, zwei lange Holzstangen zu ergattern, die wir auf die Kanten der Schränke legten. Jetzt konnten wir die Zeltplane als Dach darüberspannen, uns dadurch eine Hütte einrichten. Zwei Teppiche gaben die 184
Tür ab, so hatten wir fast schon ein Haus. Aber ein Platzregen belehrte uns eines Besseren. Da rann es in Strömen von den Schränken herab, Mehl und Grieß mußten dran glauben, die Wäsche im Reisekorb, das Bettzeug wurde durchnäßt. Danach trocknete alles in der Sonne. Einmal mußte ich eine Nacht allein verbringen, weil mein Mann in Galatz zu tun hatte. Da regnete es am Abend und in der Nacht schien ein Wolkenbruch bevorzustehen. Was sollte ich bloß anfangen? Das Wasser stand schon überall. Ich trug Stroh herbei und streute es auf den Boden, damit es das Wasser aufsaugte. Nur in einer Ecke war es noch trocken. Die Zündhölzer klemmte ich mir unter die Achsel. Die Schuhe und Pantoffeln kamen auf einen Schemel. Am Morgen war die Zündholzschachtel der einzige trockene Fleck in der "Wohnung". Solche Regenfälle wurden häufiger und die Aufforderungen zum Hausbau wurden immer dringlicher. Eigentlich wollten wir das gar nicht. Wir hatten ja in unseren Dörfern unsere geräumigen Häuser. Dahin hätten wir bloß zurückkehren müssen. Mit Mühe und mit viel Geld mußten wir uns aus Galatz Bauholz heranschaffen. Daraus entstand ein HolzgestelL Rohr wurde dazwischengespannt, Lehmfüllungen mußten hineingezwängt werden. Unsere Ringe und die Armbanduhr wurden verkauft. Immerhin kostete das sogenannte Haus 46.000 Lei. Und am 2. Oktober 1951 war es soweit, daß ein Rohrdach über die zwei Wände gezogen werden konnte. Nach 100 Tagen in der Steppe hatten wir ein eigenes Haus. Das Dach war noch nicht fertig, die Sterne guckten herein, es gab weder Fensterstöcke noch Türrahmen. Und wie es uns erging, so erging es den anderen auch. Das neue Dorf hieß zunächst Frumuschitza Noua, dann Bratesch. Es war regelmäßig angelegt und umfaßte zwei Quadratkilometer. 700 Hausplätze lagen am Rand der geraden Straßen, in denen acht Nationen miteinander lebten: Deutsche, Ungarn, Rumänen, Serben, Bulgaren, Kroaten, Mazedonier und Juden. In Gemeinschaftsarbeit entstanden jetzt das Haus für den Volksrat, die Schule, die Miliz, die Krankenstation. Es mußte gehen, es gab keinen Ausweg. Obwohl wir froh waren, im Winter unter unserem eigenen Dach zu leben, so war dieses Leben doch sehr primitiv und schwer. Bitterkalte Winter und heftige Schneestürme, die meistens drei bis vier Tage anhielten, ließen kein Verlassen des Hauses zu. Im Gegenteil, Fenster und Türen waren zugeweht, täglich mußte der Schnee weggeschaufelt werden. Lebensmittel wie Wasser, Brot, Milch und Eier waren in der Küche hart gefroren. Noch aus der Hütte haben wir die erste Tote auf ihrem letzten Weg durch Sonnenblumenfelder weit hinaus auf ein von Unkraut gesäubertes Stück Erde begleitet und dort begraben. Ganz unerwartet fiel mein Mann diesen unmenschlichen Zuständen zum Opfer und starb schon am 30. August 1952. Für mich das größte Unglück meines Lebens. Die Gräberzahl stieg stetig an. Einsam und verlassen verbrachte ich die nächsten drei sorgenvollen Jahre, schaute oft untröstlich in die Morgenröte über dem Pruthfluß mit der Frage: "Wie lange noch?" Am 1. September 1955 wurde diese Frage endlich beantwortet. Ich wurde frei, doch 185
nur nachdem wir alle Schikanen der Behörden und Unbilden der Natur gründlich kennenlernten. Im Frühjahr 1954 wurden wir wegen Überschwemmungsgefahr mit Müh und Plag in die Nachbargemeinden evakuiert, doch konnten wir nach drei Wochen zurückkehren. Was der Pruth aber im August 1955 anrichtete, war uns armen Menschen unfaßbar und wurde zum bittersten Erlebnis unseres Zwangsaufenthaltes. Vom Steigen des Wassers war Wochen hindurch die Rede, weshalb viele Freiwillige beim Aufbau des Dammes mithalfen. Schulter an Schulter schafften viele Arbeitskräfte Tag und Nacht, doch kamen Menschenkräfte nicht gegen diese Naturgewalt an. Am 26. August 1955 wurde die Schreckensnachricht durchgesagt, daß der Pruth in der Nacht um 1.00 Uhr den erst kürzlich befestigten Damm durchbrachen hat und jeder flüchte wie er kann. Das war aber schwer, ohne Fuhrwerk Hab und Gut fortzuschaffen. Kopflos liefen die Leute hin und her, niemand wußte wie und wohin. Die, die eigene Pferde hatten, begannen zu packen. Die Ochsenwagen aus den Nachbardörfern wurden im Preis überboten. Ich mußte Geduld aufbringen. Diese wurde mit Glück belohnt. Ein russischer Kraftwagenfahrer, der mit einer russischen Militäreinheit, die mit großen Kähnen vom russischen Ufer des Pruth zur Hilfe auf das rumänische Ufer des Pruth übergesetzt war, lud meine Sachen auf sein Auto. Er fuhr vorsichtig auf der Landstraße, die von armseligen Fuhrwerken, alten und kranken Menschen, die sich zu Fuß dahinschleppten, überfüllt war. In Sivita in einem Hof wurden meine paar Sachen abgeladen, wo ich dann zehn Tage lebte. Diejenigen, die mit den nächsten Fuhren heraus wollten, hatten schon mit dem Wasser zu kämpfen und Verspätete in den verlassenen Gassen riefen verzweifelt um Hilfe. Nur russische Schwimmautos kamen durch die anwachsenden Fluten. Es war nicht zu fassen, daß bis zum nächsten Tag unser Dorf Bratesch vier bis fünf Meter unter Wasser stand. Alles war verschwunden, die mühsame Arbeit von vier Jahren vernichtet. Ungeduldig und verzweifelt lebte ich in diesem armseligen, vernachlässigten Hof, mein Sofa als Schlafgemach, mein Koffer mit den allernotwendigsten Sachen neben mir. Ohne Furcht hätte ich da geschlafen, doch die nervenden Umstände, wie Hunderte von Gelsen, dann Pferde, Kühe, Hunde, Gänse, die frei im Hof herumliefen und abwechselnd an meiner Decke zerrten, ließen keinen Schlaf aufkommen. Außerdem war mein Kissen vom morgendlichen Tau ganz naß und mußte tagsüber jedesmal getrocknet werden. In dieser schwierigsten Lage, in meiner großen Verzweiflung zeigte sich eine Hoffnung auf Erlösung. Genau drei Jahre nach dem Tode meines Mannes, am 1. September 1955 wurde ich frei, ich allein! Sollte es ein Wunder oder ein Geschenk Gottes sein? Doch wie auch immer, es war allerhöchste Zeit! Anfang September kam ich mit Hilfe meiner Tochter in unserer geliebten Heimat an. Im Winter 1955/56 wurden alle aus unserem Dorf frei.
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Haus der Familie Ing. Pierre aus Billed in Brate~ 1952.
Foto: lng. J. Pierre
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Aus dem Manuskript "Tschakowa- Marktgemeinde im Banat" vonJosef Kernweiss, Elisabeth Stein geb. Merschdorf, Trifu Petcu, Wilhelm J osef Merschdorf. Tschakowa- Vii~oara (Marcule~tii Noi)
Die Baragan-Deportation Eine der menschenverachtenden Maßnahmen der kommunistischen Regierung in Rumänien zu ihrer Machtsicherung war die Verschleppung von 40.320 Personen aus der Grenzzone entlang der rumänisch-jugoslawischen Grenze in den frühen Morgenstunden des 18. Juni 1951. Von dieser Verschleppung in den Baragan waren auch 87 Familien aus Tschakowa und 51 Familien aus Obad und Petroman, den beiden Ortschaften, die damals verwaltungsmäßig zur Gemeinde Tschakowa gehörten, betroffen. Nicht allein die Deutschen waren Zielgruppe dieser Aktion, denn es wurden auch zahlreiche Rumänen, besonders Flüchtlinge aus Bessarabien und der Bukowina, Serben, Ungarn, Mazedorumänen, Kroaten, Slowaken, Personen deren Geburtsort in Jugoslawien lag und andere deportiert. Die Vertrauensleute der Kommunisten, die mit der Anfertigung der Listen der zu verschleppenden Personen betraut waren, übten ihr Amt oft willkürlich aus, einerseits, um sich und Verwandte zu schützen, andererseits um persönliche Racheakte zu vollziehen. Aus dem 1994 erschienenen Buch "Rusalii 51" (Pfingsten 51) wissen wir, daß die Listen der Einwohner nach ihrem Vermögen, ihrer politischen Vergangenheit und ihrem Geburtsort in Tschakowa von dem damaligen Sekretär (Notär) des Provisorischen Komitees Lucian Micu in den Jahren 1948-1949 angefertigt wurden. Er beteuert heute, daß er damals ganz unvoreingenommen und ohne jedwelche Hintergedanken die Liste der Mittelbauern, der Kulaken, der Grundbesitzer, dann die Listen der Anhänger ehemaliger Parteien, die Liste der Titoanhänger nach 1944 und die Liste der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, die aus der Kriegsgefangenschaft nach dem 8. Mai 1945 nach Tschakowa zurückgekehrt sind, angefertigt hat. Als Beweis seiner Unschuld führt Micu an, daß er selbst seinen Vater, einen Tischlermeister mit zwei Lehrlingen als Ausbeuter auf die Liste setzte und daß selbst seine nächsten Verwandten in Gad und Gilad von dieser Aktion betroffen waren und in den Baragan deportiert wurden. In der fraglichen Nacht war Micu als Gast auf der orthodoxen "ruga" (Kirchweih) in Gad und den Tag darauf in Gilad, wo er als Augenzeuge die Aushebung und den Abtrausport der betroffenen Einwohner miterlebte. Er traf auf den weinenden Parteisekretär der Kommunisten von Gilad, den Serben Dusan Stojanov, dessen ganze Verwandtschaft auch ausgehoben wurde. Der ehemalige Direktor des Tschakowaer Gymnasiums, Prof. Trifu Petcu, schreibt in seinem Artikel "Die Baragan-Odysee": "In den frühen Morgen188
stunden des 18. Juni 1951 wurden 138 Familien aus Tschakowa, Obad und Petroman durch lautes Rufen und Schreien der Miliz, der Sekuristen und der treuen Anhänger der Kommunistischen Partei aufgeschreckt und durch barsche Befehle aufgefordert, innerhalb von zwei Stunden ihre wichtigsten Habseligkeiten zu packen, um einen langen, ungewissen Weg und vielleicht ohne Umkehr anzutreten. Aus der Geschichte kennen wir zur Genüge Beschreibungen von Grausamkeiten aus der Völkerwanderungszeit, von den Tatareneinfällen, von den Horden des Dschingis Khan, aber das Geschehen in der Nacht zum 18. Juni 1951 übertrifft nicht nur diese, sondern sogar die Schrekken der Bartholomäus-Nacht, auch wenn es in Tschakowa kein Morden gab. Moralisch und seelisch wurden die ausgehobenen Familien ganz und gar vernichtet, nur aus dem einzigen Grund, weil sie schon seit Generationen diesem Landstrich im Banat treu geblieben sind. So wurden diese Menschen unter strengster Bewachung zum Bahnhof von Tschakowa eskortiert. Dort herrschte ein großes Durcheinander, die einen brachten ihre Kuh, die anderen das Pferd, ein Schwein, einige Hühner und das wenige, was man so nach dem Hundegebell, dem Klagelied der Mütter und Ehefrauen noch zu retten versuchte ... " Lucian Micu hatte folgendes Erlebnis am Bahnhof von Tschakowa. Alexander Moghioro~, der damalige Sekretär des Regionalkomitees Banat, Mitglied des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei und des Politbüros, kam nach Tschakowa, um die Deportation ganz nahe zu verfolgen. Mit einer Ledermütze tief über die Augen gezogen und an einen Zaunpfahl gelümmelt, sah er zu, wie die jammernden Menschen von den Soldaten in die Viehwaggons getrieben wurden. Es dauerte nicht lange, da fuhr auch das Gespann des Schafhirten Ion Ba.lan vor. Dieser wurde als Ausbeuter betrachtet, obwohl er nur einen mittellosen Waisenjungen als Hirtengehilfen einstellte, um seine Frau zu entlasten, die acht Kinder zu versorgen hatte. Als nun der "Genosse" diese Familie mit dem wackeligen Karren, gezogen von einem abgezehrten Esel, die acht Kinder, die Frau, die Schwiegermutter und ein Ferkel zwischen den Lumpen auf dem Karren und ein an den Karren gebundenen Hund sah, verlor er gänzlich seine Fassung, gab sein Inkognito auf, winkte einen Securitateoffizier herbei und schrie ihn voller Zorn an: "He, du! Ist das ein Ausbeuter? schicke ihn sofort in aia ma-sii acasa!" Dieser Vorfall und andere ähnliche mit deutschen, serbischen und madjarischen Familien zeigen, daß die von Lucian Micu in Tschakowa oder von Notären anderer Gemeinden sorgfältig angefertigten Listen von übergeordneten Parteiorganen "überarbeitet" wurden, einige Familien von der Verschleppungsliste gestrichen, andere an deren Stelle auf die Liste gesetzt oder Namensvetter untereinander ausgetauscht wurden. So kam es, daß der Hirte Ion Balan mit dem Eselskarren zum Bahnhof getrieben wurde und eine andere Familie Balan ungeschoren blieb oder, daß die wohlhabende Familie des Pera Spariosu aus Tschakowa durch die Familie des Petru Spariosu aus Obad ersetzt wurde und so von der Deportation verschont blieb. Schließlich hatte die Tschakowaer Familie Verwandte im 189
Zentralkomitee der Rumänischen Arbeiterpartei. Aus Tschakowa wurden 24 deutsche Familien mit 59 Personen deportiert, die auf die Dörfer Vii~oara (Marcule~tii Noi) und Valea Viilor (Fete~tii Noi) verteilt waren. Die rumänische Familie Gheorghe Fiat wurde nach Marcule~tii Noi deportiert. Dieser Ort hatte innerhalb von fünf Jahren drei Namen, außer Marcule~tii Noi hieß er noch Sat Nou, zuletzt Vii~oara. Heute erinnert sich Fiat noch an vieles aus der fünf Jahre währenden Deportation. Als er mit seiner Familie im Sudangras ankam, zeigte ein Miliz auf vier Pflöcke und sagte, dies sei sein "Haus" und an dieser Stelle wurde auch alles kopfüber auf freiem Feld abgeladen. Vii~oara hatte 741 Hausnummern, also ebensoviele "Häuser". Das Trinkwasser war rar, keine Brunnen, darum brachte man Trinkwasser in Weinfässern ins Dorf. Da diese Weinfässer unrein waren, wollten Fiat und Spariosu mit anderen Tschakowaern an einen Brunnen mit gutem Trinkwasser fahren, um die Landsleute mit dem ersehnten sauberen Naß zu versorgen. Die Milizorgane genehmigten diese Fahrt nicht. Weil die beiden Tschakowaer weiter darauf bestanden, wurden sie einfach verhaftet und der Vater von Gheorghe Fiat, Petru Fiat sollte die Stiefel des Offiziers putzen. Der alte Herr verweigerte dies kategorisch und so wurden sie erst spät nachts aus der Haft entlassen, durften nach Hause fahren, natürlich ohne Trinkwasser. Der Gottesdienst, sowohl der Katholiken als auch der Orthodoxen, wurde abwechselnd in den Häusern der Deportierten abgehalten, berichtet weiter Gheorghe Fiat. Für die Verstorbenen wurde unweit des neuen Dorfes ein Friedhof angelegt. Innerhalb von fünf Jahren starben leider auch Verschleppte aus Tschakowa. So lange noch Verschleppte im Baragan waren, wurde der Friedhof gepflegt. Nach der Rückkehr ins Banat blieb der Friedhof bestehen. In den sechziger Jahren bestand er noch, aber in den siebziger Jahren wurde er eingeebnet. Unsere Toten ruhen irgend wo im weiten Ackerfeld der Gemarkung Marcule~ti. Die Dörfer der Deportierten hatten keine richtigen Straßen und an das Stromnetz der Umgebung wurden sie auch nicht angeschlossen. Für kleinere medizinische Eingriffe und Betreuung war das Ortsambulatorium zuständig, bei akuter Erkrankung das Krankenhaus in Slobozia, dem Rayonsvorort. Die medizinische Versorgung war mangelhaft. Da die Staatsgüter Hauptarbeitgeber waren, wurden die Deportierten vorwiegend auf Baumwollfeldern, bei der Reis- und Sonnenblumenernte, in Gemüse-, Obst- und Weingärten oder in der Viehzucht eingesetzt. In den Schulen dieser Dörfer kam es zu immer besseren Leistungen. Sowohl die Schüler, als auch die Lehrer, meist auch Deportierte, erkannten frühzeitig die Notwendigkeit einer guten Schule auch unter außergewöhnlichen Bedingungen. In den meisten Dörfern war die Unterrichtssprache nur rumänisch. In Vii~oara wurde Rumänisch und Deutsch im Unterricht verwendet, weil eine entsprechende Anzahl deutscher Kinder im Ort waren. Verboten war es den Schülern, weiterführende Schulen zu besuchen. Nur das Wasserproblem blieb bis zuletzt ungelöst. Die zwei Brunnen, die mühevoll auf 80 Meter Tiefe gegraben wurden,
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lieferten nur wenig und schmutziges Wasser. Vier Leute brauchte man, um durch Drehen des Göppels die Wassereimer hochzuziehen. Die meisten Leute kauften darum auch weiterhin Wasser. Prof. Trifu Petcu schreibt zum Ausklang der "Ba.ragan-Odysee": "Nach fünf Jahren wehte ein Frühlingshauchwenngleich bei uns der Winter erst so richtig begann - und es schien, als hätten sich auch die Menschen verändert. Nur die Rückkehr war nicht mit Pauken und Trompeten, sondern verlief ganz im stillen, getrieben von einer unbewußten Sehnsucht nach dem ehemaligen Heim. Auch wenn sie nicht erwartet wurden von denen, aus deren Mitte sie vertrieben wurden, so stellte sich doch ein Umschwung im Denken vieler Menschen ein. Natürlich fanden die Heimkehrer nicht mehr ihr Heim so wie sie es verließen und so wie es in ihrer Erinnerung weiter fortbestand. Was blieb ihnen weiter übrig, als mit ihren an Arbeit gewöhnten Händen sich ein neues Heim aufzubauen; schließlich formte sie das Schicksal im Badigan zu noch zielbewußteren, härteren Menschen ... " Ende 1955 durften als erste die Serben wieder nach Tschakowa zurück, die anderen im Frühjahr 1956. Von den Flüchtlingen aus Bessarabien und Bukowina kehrten nur wenige ins Banat zurück. Ein junger Deutscher aus Tschakowa schilderte seine Heimkehr so: "Da unser Haus in Tschakowa frei wurde, traten wir am 2. Februar 1956 die Heimreise auf eigene Kosten an. Zu unserem Pech begann der Schneesturm aus nordöstlicher Richtung wieder. Ehe unser Waggon zur Laderampe geschoben wurde, mußten wir noch außertariflich kräftig Schmiergeld bezahlen. Inzwischen waren unsere Sachen ganz vom Schnee zugeweht. Möbel und Getreidesäcke konnten wir herausbuddeln, aber der Kolbenmais blieb liegen. Während meine Frau mit den Kindern in Begleitung meines Bruders nur zwei Tage unterwegs waren, verbrachte ich eine Woche bei -28 Grad im Viehwaggon zwischen Kuh und Nerd. So kamen wir nach fünf Jahren abgehärtet nach Hause." Der Beginn der Aktion, fünf Jahre vorher, hatte einen ganz anderen Charakter. Die Baragandeportation war nicht nur generalstabsmäßig geplant und ausgeführt, sondern auch psychologisch vorbereitet worden. So berichtete die BanaterPresse Anfang 1951 von einem Gilader Kulaken, Nicolae Parvan, der den "Friedensappell" nicht unterschreiben wollte. In großer propagandistischer Aufmachung wurde kommentiert, wie solch ein widerliches "Element" die schönen Banater Dörfer und Städte zerstören will und es zuläßt, daß die Mütter und Kinder von amerikanischen Bomben zerschlissen werden. Befriedigt stellt der parteitreue Zeitungsschreiber fest: "Erneut konnte eine verfluchte Giftschlange entlarvt werden ... Die Menschen erfuhren mit unendlicher Wut von den Machenschaften dieses Klassenfeindes!" Nach einigen Wochen wurde dann dieser Gilader und zehntausende anderer "Klassenfeinde" in den Baragan deportiert. Von der Deportation selbst, den Aushebungen am 18. Juni 1951, dem unmenschlichen Transport in die Baragansteppe, den Ortsgründungen im Sudangras oder im Stoppelfeld, dem Schicksal der Deportier191
ten waren in der rumänischen und rumäniendeutschen Presse jener Zeit keinerlei Nachrichten anzutreffen. Die Aktion hatte offiziell nicht stattgefunden. Die kommunistische Regierung Rumäniens hat sich niemals um die Entschädigung oder Wiedergutmachung der Schäden gekümmert. Selbst nach dem Sturz der Kommunisten wurden ab 1990 nur halbherzige Schritte unternommen, um eine Wiedergutmachung einzuleiten. Die betroffenen Deutschen aus Tschakowa sind entweder verstorben oder schon längst in Deutschland.
Maria Herbst aus Billed mit ihrem Fahrrad in Valea Cilma{uiului. Foto: M. Herbst
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Karl Anton Filip Nero- Zagna (Vadenii Noi)
Von Nero nach Vadenii Noi Am Freitagnachmittag, den 15. Juni 1951, klopfte es an unserer Haustür. Es war sechs Wochen her, daß ich aus sechsjähriger russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war. Rußland habe ich durch den Krieg gleich dreimal erlebt und jetzt vielleicht schon wieder? Am 2. Mai 1945 bin ich in Berlin in russische Gefangenschaft geraten. Von Rostow am Don wurde ich entlassen. Danach kam ich über die rumänische Grenze bei Sighetul Marmatiei. Die Militärzeit und Gefangenschaft war sehr hart und viel zu lange. Ich bin erst wieder rumänischer Staatsbürger geworden, nachdem ich ein halbes Jahr in Tirg~or bei Ploie~ti im rumänischen Gefängnis völlig unnötig einsaß. Ich wurde nämlich nie verurteilt. Laut damaligem rumänischem Gesetz verlor derjenige seine Staatsbürgerschaft, der sich nicht innerhalb von zwei Jahren nach Kriegsende zurückgemeldet hat. Schnell habe ich damals 1951 in Nero meine Akten bekommen und gleich einen Tag später auch meinen Personalausweis. An diesem Freitag, den 15. Juni 1951, mußten mein Vater, meine Mutter und ich auf Befehl von Miliz und Securitate zu meinem Bruder Eduard umziehen. Es handelte sich um das Eckhaus auf dem großen Bauernhof, der unserer Familie seit 1881 gehörte. Nach der Enteignung in 1945 hatte man meinen Eltern das Eckhaus zugewiesen. Im anderen Haus hatte sich die Staatsfarm eingerichtet. Und jetzt mußten wir auch noch das Eckhaus räumen. Zwei Betten sollten wir stehen lassen, das eine Zimmer abschließen und den Rest der Möbel auf einen Wagen laden und zu meinem Bruder fahren. Der Bruder wohnte in Mutters Elternhaus. Das Militär wollte alleine in unserem Haus untergebracht sein. Deshalb wurden wir zum Bruder umdirigiert. Am Samstag war viel Militär durchs Dorf gezogen. Keiner von uns aber ahnte, daß uns eine Deportation bevorstand. Am Montagmorgen, den 18. Juni um 4.00 Uhr wurden wir von einem Milizmann, einem Soldaten und einem Zivilisten geweckt, die meinen Eltern befahlen, daß sie sich darauf vorzubereiten hätten, um in vier Stunden mit vorbeikommenden Wagen an den Bahnhof gebracht zu werden. Möbel, Wäsche wurden aufgeladen und Weizen, Mais, Mehl, Kartoffeln wurden in Säcke eingefaßt, auf einen Wagen verpackt und zum Bahnhof gebracht. Wir dachten, daß mein Bruder, meine Schwägerin und ich am nächsten Morgen auch drankommen würden. Beide waren erst vor kurzem aus einem Zwangsarbeitslager aus Rußland heimgekehrt. Wir hatten die ganze Nacht Vorbereitungen für den nächsten Morgen getroffen. Zeitlich in der Früh bin ich durch den Garten an den Bahnhof gegangen. Ich suchte den Waggon meiner Eltern. Einst stolze 193
Bauern, jetzt zwei Menschen, die bei ihren paar Habseligkeiten standen, denen man alles genommen hatte, zwei alte Leute, die nun in ihren alten Tagen irgendwohin ins Ungewisse, in eine feindselige Fremde sollten. Wie oft hatte mich der Gedanke an diese beiden Menschen, die meine Eltern waren, in den schwierigsten Momenten meines Lebens aufrechterhalten. Dann ging alles plötzlich sehr schnell. Meine Mutter sagte mit einem verzweifelten Blick, wie ich ihn noch nie bei ihr gesehen hatte: "Toni, kummdoch mit uns mit!" "Jo Motter, ich kumm." Was hatte ich noch zu verlieren? Das einzige, was mir noch teuer und lieb war, waren meine Eltern. Die Tatsache, daß wir Möbel packen durften, ließ darauf schließen, daß wir zusammenbleiben würden, wo auch immer. Ich holte meine bereits am Vortag gepackten Sachen und ging zu den Eltern. Als sie mich kommen sahen, kehrte etwas Zuversicht bei ihnen ein. Sie waren nicht mehr allein und ich auch nicht mehr. In der Nacht zum 20. Juni 1951 war es dann soweit, daß wir losfuhren, in die Verbannung. Am Bahnhof in Lowrin wurde ein langer Zug gebildet und nach tagelanger Fahrt in der Sommerhitze, blieben wir an einem Bahnhof Vadeni im Kreis Braila stehen. Es gab hier nur eine kleine Konservenfabrik Auswaggoniert und aufs freie Feld befördert, wurde uns die Parzelle mit der Nummer 812 zugeteilt. Es waren kleine Pfähle in die Erde geschlagen, teilweise im Weizen, teilweise im Mais. Das war auch schon alles. Hier sollte ein neues Dorf entstehen. Am nächsten Morgen gruben wir ein Loch, um uns vor der unbarmherzigen Hitze zu schützen und um Speck, Schinken und Fett ins Kühle zu verstauen. Alles wurde mit den mitgebrachten Säcken mit Weizen, Mehl und Mais abgedeckt. Wir wurden aufgefordert, uns Häuser zu bauen. Gemeinsam haben wir zwölf Häuser in unserer Neroer Gasse mit Lehmziegeln gebaut. Unser Dorf wurde in Zagna umbenannt und bestand aus ca. zwölf Gassen. Hier lebten Landsleute aus Kleinjetscha, Bogarosch, Lowrin, Nero, Ostern, Komlosch und Lunga. Der Weißgerber Georg aus Kleinjetscha hat uns beim Hausbau täglich beraten, hat uns Anleitungen gegeben und war uns auch bei der Materialbesorgung behilflich. Aus der Bekanntschaft wurde eine gute Freundschaft und aus den vielen deutschen Menschen, die aus verschiedenen Dörfern des Banats stammten, ist eine neue Dorfgemeinschaft entstanden. Mit der Zeit, bei uns Neroern eben selbstverständlich, weil wir mit unseren Neroer Rumänen schon seit jeher gut zusammengelebt haben, entwickelte sich ein freundliches Zusammenleben mit den Schicksalsgefährten rumänischer und anderer Nationalitäten. Wir waren rechtzeitig zum Beginn des kalten Winters im Barägan mit dem Hausbau, wenn man es so nennen darf, fertig geworden. Im Vergleich zu unseren Häusern in Nero waren das nur Lehmhütten, aber die Freude war dennoch groß. Der Winter konnte kommen. Allerdings übertraf der BaraganWinter alle unsere Befürchtungen. Aber auch dieser Winter ging vorbei und unser Freund Weißgerber hatte eine Arbeitsbrigade von Zimmerleuten aufgestellt. Unser erster Auftrag war, einen 85 m langen und 12 m breiten Stall zu 194
überdachen. Es blieb auch noch etwas Zeit zu Hause, im neuen Dorf zu arbeiten. Auch konnte man nebenbei einen Türstock machen, etwas Rundholz für einen Schweine-, für einen Hühner- oder Hasenstall mit nach Hause nehmen. Die Häuser im Dorf waren schon mehrmals geweißt worden und so sah das Dorf schon ganz gut und ordentlich aus. Wir hatten einen Garten und einen kleinen Hühnerhof für das Nötigste angelegt. Weitere Arbeitsmöglichkeiten gab es in der Gärtnerei, in der Kantine, in der großen Schweinemästerei mit ca. 7.000-8.000 Mastschweinen des Staatsgutes und in der Maschinenfabrik "Progresul". Die anfänglich katastrophale Lage war nach einiger Zeit überwunden und auch das Verhältnis zu den Einheimischen auf den verschiedenen Arbeitsplätzen hatte sich zum Guten gewendet. Man erwartete uns morgens auf dem Weg zur Arbeit, um von uns frische Eier, Hühner, Salat und Kartoffeln zu kaufen. Wir haben auch noch eine Maurerbrigade aufgestellt. Ich war zwei Jahre in Rußland während meiner Kriegsgefangenschaft Maurer. Wir waren sechs Mann als Maurer beschäftigt und haben alles möglich gemacht, was unmöglich schien. So haben wir uns zu richtigen Maurern spezialisiert. Hier in Zagna habe ich Maria Magdalena Buschbacher am 3. Mai 1955 standesamtlich geheiratet und am 8. Mai 1955 wurden wir gemeinsam mit noch zwei anderen Paaren, in der katholischen Kirche im benachbarten Braila, kirchlich getraut. Am 13. November 1955 kam unser Sohn Herbert zur Welt und wurde in einem Haus im neuen Dorf getauft. Sonntags gingen wir in die katholische Kirche nach Braila. Nach über vier Jahren, im Herbst 1955, tauchten Gerüchte auf, daß wir bald aus dem Zwangsaufenthalt entlassen werden. Anfang Dezember 1955 erhielten wir unsere neuen Personalausweise ohne den verhaßten D.O.-Stempel und durften uns auf die Entlassung vorbereiten. Die Freude war unbeschreiblich. Am 14. Januar 1956 wurden wir nach Hause entlassen. Wir bestellten einen Waggon für unsere Familie. Wir Männer kamen mit dem Viehwaggon, während die Frauen und unser Sohn mit dem Personenzug nach Hause nach Nero fuhren. Glück hatten wir außerdem, daß es noch nicht so kalt war. Zwei Wochen später herrschte eine grimmige Kälte, so daß unser Vorrat an Kartoffeln und Gemüse erfroren wäre. Die Dörfer im Baragan, die wir aus dem Nichts aufbauen mußten und worin wir fünf Jahre festgehalten wurden, stehen so heute nicht mehr. So wie sie entstanden sind, so sind sie wieder verschwunden. Vergessen aber dürfen wir diese Zeit nie.
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Margarethe und Wilhelrn Weber Billed- Dalga (Dalga Noua)
Ein besonders leidvoller Weg in den Badigan Vertraut auf Gott, er ist Euer Schirm und Hort. Ihr kommt wieder, dank seiner Hand zurück ins schöne Banater Land. Mit diesen trostvollen Zeilen lebten und hofften wir bis zu unserer Entlassung aus dem Zwangsaufenthalt. Sie erreichten unsere Familie zu Weihnachten 1952, von meinem Bruder Richard auf eine kleine Weihnachtskarte geschrieben, über den Bahnhofsvorsteher Kohut des Bahnhofs Bogdana, einem uns gutgesinnten Ungarn. Über dessen Adresse wickelte sich einezeitlangunsere Korrespondenz mit den in der Heimat Verbliebenen ab. Wir lebten damals als Verbannte, in dem von uns Banatern in der Baragan-Steppe neu erbauten Dorf Dalga, das am westlichen Rande des Baragan unweit der Bahnlinie Bukarest-Konstanza lag. Seit genau achtzehn Monaten war meine Frau aus einem sowjetischen Zwangsarbeitslager wieder daheim und ich entlassen und heimgekehrt aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Beide waren wir als Lehrer an der Billeder Schule angestellt und hatten den Eindruck, daß sich jetzt, fast sechs Jahre nach Kriegsende, auch für uns Deutsche in Rumänien das Leben zu bessern beginnt. Obwohl unsere Bauern sehr in Mitleidenschaft gezogen waren durch die Enteignung ihres Besitzes einschließlich der Häuser, die sie seit 1945 auch noch mit den rumänischen Familien teilen mußten, die vom Staat in den deutschen Dörfern angesiedelt wurden und den enteigneten deutschen Besitz verteilt bekamen, fügten sie sich in ihr schweres Schicksal und begannen sich neue Existenzgrundlagen zu schaffen. Keiner dachte auch nur im geringsten daran, daß für Tausende ein neuerlicher Leidensweg bevorstand. Niemand ahnte, daß unter strengster Geheimhaltung im Heimatort Parteileute und Vertreter der Obrigkeit Namenslisten anlegten, die für Hunderte von Menschen in Billed, schicksalbestimmend werden sollten. Ende Mai 1951 kamen zwei Milizoffiziere in unser Haus, um unsere Personalausweise zu kontrollieren. Das beunruhigte uns, als wir feststellten, daß sie nur in bestimmten Häusern waren. Diese Kontrolle, die vielen nach einigen Tagen auf unserem Bahnhof abgestellten Güterwaggons, schließlich die Hunderte am 16. Juni 1951 mit dem verspäteten Abendzug angekommenen Miliz- und Securitatesoldaten und das im Dorf mittels Trommelschlag verkündete Verbot das Dorf zu verlassen, versetzte die Bevölkerung Billeds in große Aufregung. Am darauffolgenden Sonntag den 17. Juni, bei den Orthodoxen war es der Pfingstsonntag, fand in unserem Schulhof die Schuljahresabschlußfeier statt. 196
Unterdessen zog das in Schulklassen untergebrachte Militär in Marschkolonne auf die Hutweide, vermutlich um dort die letzten Instruktionen zu erhalten. Der Sonntagabend verlief fast noch in gewohnter Weise, doch nach Mitternacht belebten sich die Dorfgassen. Auf einige Schläge an unser Haustor öffnete es mein Schwiegervater. Die eingetretenen Uniformierten und ein Zivilist verlangten, daß sich sofort alle Hausbewohner in einem Zimmer versammeln sollen. Zuerst konfiszierten sie unsere Personalausweise und lasen uns einen Gesetzestext vor, laut welchem wir in eine andere Landesregion umgesiedelt werden. Deshalb müssen wir sofort packen, um nach zwei Stunden zum Bahnhof transportbereit zu sein. Was diese Bekanntmachung, die wie ein Befehl lautete, für uns bedeutete und wie wir sie verkrafteten, kann nur derjenige nachempfinden, der sich in einer ähnlichen Lage befand. Weil ich noch was Wichtiges in der Schule zu erledigen hatte, führte mich ein Bewacher mit schußbereiter Maschinenpistole wie einen Sträfling durch das Dorf bis zum Schuldirektor der rumänischen Schule. Nachdem ich alles übergeben hatte und auf die gleiche Weise zurückgeführt wurde, trugen wir in aller Eile einige Möbelstücke in den Hof und packten etwas an Bekleidung und Lebensmittel ein, weil es hieß, daß nur soviel mitgenommen werden darf, wieviel auf dem uns zugeteilten Wagen aufgeladen werden kann. Ein bewaffneter Securitatesoldat mußte uns bewachen, zur Eile mahnen und verhindern, daß einer von uns das Haus verläßt oder mit den Nachbarsleuten spricht. Unter der Aufsicht des Bewachers transportierten wir mit einem kleinen Lastkraftwagen unser schon im Hof vorbereitetes Gepäck und die Möbel zum Bahnhof. Noch in unserer Gegenwart versiegelte der Bürgermeister, ein aus Siebenbürgen zugewanderter Rumäne, die Türen zu den Räumlichkeiten mit den vielen zurückgelassenen Möbeln und anderen Sachen. Nachher wurde es bekannt, daß er derjenige war, der sich den Großteil dieser zurückgebliebenen Gegenstände angeeignet hatte. Auf dem Billeder Bahnhofsgelände und den angrenzenden freien Flächen, wie auch entlang der Bahnlinie, wohin außer uns Eilledern auch die Deportierten aus Groß- und Kleinjetscha, die keinen eigenen Bahnhof haben, gebracht wurden, sah es wie auf einem großen Jahrmarkt aus. Auf engstem Raum war eine Anzahl von 1.946 Personen aus diesen drei Dörfern mit ihrem Vieh, mit Möbeln, Kisten und anderem Gepäck zusammengepfercht. 1 Dies alles war mit einer Kette von Soldaten umstellt, die keinen hinaus noch hinein ließen. In vielen Augen sah man Tränen und im Gesichtsausdruck Verzweiflung, weil keiner wußte, ob es ein Wiedersehen mit dem Heimatort und den zurückgebliebenen Verwandten und Bekannten geben wird. Für viele war es ja auch ein Abschied für immer. Kranke und alte Leute, die auf provisorisch hergerichteten, auf der Erde plazierten Bettstellen unter freiem Himmel lagen, wollten gern sterben, um noch in der Heimat begraben zu werden und um nicht weiterhin ihren Angehörigen zur Last zu fallen. Wohin es ging wußte keiner. Daß wir unser Reiseziel noch am Billeder Bahnhof erfuhren, verdank197
ten wir unserer Bekanntschaft mit dem rumänischen Weichensteller des Bahnhofs. Er erfuhr nämlich vom Lokführer des ersten Transportes die Fahrtroute. Sie führte in die Ba.ragan-Steppe. Obwohl wir es nicht weitersagen sollten, taten wir es dennoch, um unseren Landsleuten die Furcht vor einer Deportation nach Sibirien zu nehmen. Das Verladen beanspruchte volle drei Tage, so daß der letzte Transport am Morgen des 21. Juni 1951 den Billeder Bahnhof verließ. Laut einer Statistik waren von hier 238 Güterwaggons mit Deportierten abgefertigt worden. 2 Unsere Familie beispielsweise verbrachte drei Tage und zwei Nächte auf dem Bahnhofsgelände unter freiem Himmel, ohne zu ahnen, daß wir gleich am Anfang unseres Weges einen schweren Unglücksfall erleiden sollten. Wir waren froh, als wir nach drei Tagen des Wartens einen kleinen Güterwaggon zugeteilt bekamen und in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni unser zum Bahnhof transportiertes Hab und Gut, das drei Tage in der brennenden Sonne gestanden hatte, verladen konnten. Fast reichte unsere Kraft nicht mehr, die Möbel aufzuheben und richtig zu verstauen, damit alles für die Fahrt fest steht. Auf den Waggonboden, zwischen die zwei Schiebetüren, plazierten wir die Matratzen aus den auseinandergenommenen Betten. Nach dieser körperlichen und nervlichen Schwerstarbeit legten wir uns, leicht bekleidet, da es heiß war, zur Ruhe nieder. Der Zug fuhr um 2.00 Uhr nachts ab. An der Schiebetür, wo mein Mann lag, war ein Spalt offen geblieben, durch welchen er den letzten Blick auf seine Heimatstadt Temeschburg warf und sich in Gedanken von ihr und seinen Lieben verabschiedete. Die erste Haltstelle danach war Remetea Mare, wo er sich der frohen Ferienzeiten bei seiner Tante und Onkel erinnerte. Doch diese Gedanken wurden in Bruchteilen von Sekunden vernichtet, als es krachte, unser Waggon sich neigte und umkippte, uns um unsere Achse wälzte und den Inhalt des Waggons durcheinanderwirbelte. Im Moment wußte ich nicht, was da geschah, weil ich am Einschlafen war. Ich härte nur, wie mein Mann etwas sagen wollte, dabei aber nur röchelte. Daraufhin schrie ich laut um Hilfe. Wir waren nämlich zu viert vor die zerbrochene Waggontür gerollt und konnten uns nicht helfen. Mein Mann war durch die auf ihn gefallene Nähmaschine eingeklemmt und mit dem linken Arm zwischen die durch den starken Aufprall und das Gewicht des Waggons verbogenen Eisenstangen geraten, die als festes Gerüst der Waggontür dienten. Zersplitterte Holzstücke der Seitenbretter drangen in seinen linken Arm, zerfetzten Muskeln und zerrissen Sehnen. Die große klaffende Wunde war mit Splittern und Schlacke verschmutzt. Nachdem einige Männer die oben befindliche Waggontür aufgebrochen und in den Waggon gestiegen waren, bogen sie mit Brechstangen die verbogenen Winkeleisen auseinander und befreiten so den Arm aus der Umklammerung. Einer der Männer hatte soviel Geistesgegenwart und band ihm gleich den Arm und damit die Schlagader ab, damit er nicht verblutete. Wäre er nicht für die Nacht in eine noch aus der Kriegsgefangenschaft stammende Wattejacke geschlüpft, so wäre der 198
Arm vermutlich abgequetscht worden. Neben den großen Schmerzen am Arm fühlte er nicht, daß auch vier Rippen gebrochen waren, was die Ärzte nachträglich feststellten. Mit Brecheisen wurden Möbelstücke gehoben, um Platz zu machen, damit man uns nach oben, durch die gegenüberliegende Waggontür hinausziehen konnte. Wir standen niedergeschlagen, verzweifelt und ratlos vor dem vor uns liegenden Haufen Elend, denn man wußte nicht, was weiter geschehen soll. Der Schaden war sehr groß und unersetzlich, denn über unsere Lebensmittelvorräte war das Petroleum gelaufen, das wir mitgenommen hatten für unsere Petroleumlampen und -kocher. Alles war weg, die Möbel zum Teil beschädigt, doch die brennendste Sorge für uns alle war der Arm meines Mannes und sein Befinden. Da fuhr der Bukarester Zug Richtung Temeschburg in Remetea ein und man geleitete meinen Mann dahin, um ihn mit dem Zug nach Temeschburg zu fahren. Obzwar unsere Bewachung nicht einwilligen wollte, daß ich mit ihm fahre, weil ich nur Quetschungen und Schürfungen im Gesicht und an den Armen hatte, blieb ich standfest, bis sie mir erlaubten mitzufahren. Am Fabrikstädter Bahnhof gab man ihm beim Roten Kreuz eine Starrkrampfimpfung, verband ihn und ließ ihn auf der Tragbahre ohne weiteren Rat einfach liegen. Weil kein Retterwagen zu bekommen war, bestellte ich ein Taxi, um in ein Krankenhaus zu fahren. Nach dem guten Rat meines Vaters bekam noch zu Hause jeder ein Leinwandsäckchen mit Geld um den Hals gehängt, das auf der Brust unter der Kleidung verwahrt war. So hatten wir Geld, um den Taxifahrer zu bezahlen, der unsere ausweglose Situation erkannte und uns mit seinem übermäßigen Preis gründlich ausnützte. Im Operationssaal der Klinik wurde sein Arm operiert und die am Innenarm vom Handgelenk über den Ellenbogen und bis zum halben Oberarm klaffende Wunde zugenäht. Am anderen Tag war eine zweite Operation fällig, weil die Wunde eiterte. Nach einem dreimonatigen Krankenhausaufenthalt wurde er entlassen, doch den Arm konnte er nicht mehr voll bewegen. Unsere Eltern, Schwester und Tante bekamen einen anderen Waggon und mußten alles, auch die angeschlagenen Möbel, zerbrochenen Hausrat und alles was noch zu gebrauchen war, umladen und wurden mit den drei anderen Waggons, die hinter uns auch entgleist, doch nicht umgestürzt waren wie der unsrige, an einen anderen Transport angehängt. Als mein Mann das Krankenhaus verlassen durfte und der Arm durch eine Nachbehandlung geheilt war, nur im Ellenbogengelenk teilweise steif blieb, versuchten wir auf legale Art in Temeschburg zu bleiben. Doch alle Versuche mit Rechtsanwälten in Temeschburg und Bukarest und den Anträgen an das Innenministerium, verliefen ergebnislos. Arbeitsstellen konnten wir auch keine finden, denn ohne Personalausweise stellte uns niemand an. Im Prozeß, den wir angestrengt hatten und wo es festgelegt werden sollte, wieviel Schadenersatz uns für die Unfallverletzung und für den Sachschaden zusteht, antwortete das Eisenbahngericht unserem Rechtsvertreter kurz und bündig, daß für uns Staatsfeinde der Platz im Baragan wäre und wir als solche keinen 199
Anspruch auf Schadenersatz an den rumänischen Staat stellen dürften. Bloß der Weichensteller, dessen Unachtsamkeit den Unfall verursachte, bekam ein Jahr Gefängnis und der diensthabende Stationsvorsteher wurde mit einer erheblichen Geldsumme bestraft. Als nun die Miliz den festen Entschluß faßte, uns dorthin zu führen, wo wir laut Aussage des Gerichtes hingehörten, verhaftete man uns und sperrte uns in eine Gefängniszelle mit Taschendieben und anderen am Tag verhafteten Personen ein. Am darauffolgenden Tag wurden wir unter der Bewachung eines Milizunteroffiziers in den Baragan eskortiert. Dabei mußten wir auch noch unsere Eisenbahnfahrt von Temeschburg bis Lehliu, dem dortigen Rayonssitz, aus eigener Tasche bezahlen. Vermutlich sind wir die einzigen Deportierten gewesen, die nicht nur die Heimfahrt, sondern auch die Fahrt in den Baragan bezahlen mußten. In der Nacht in Lehliu angekommen, übergab uns unser Bewacher dem diensthabenden Offizier der Rayonsmiliz. Weil dieser nicht wußte, was er mit uns in der Nacht anfangen sollte, schickte er uns einfach in den Hof, wo wir auf einem Strohhaufen übernachten sollten. Als es Tag wurde, kümmerte sich keiner mehr um uns. Wir stellten uns deshalb an den Straßenrand und fragten die Vorbeifahrenden, ob sie nicht aus Dalga wären. Auf diese Weise verständigten wir unsere Leute. Mit Geduld und Ausdauer warteten wir einige Stunden, bis unser Vater mit einem geborgten Fuhrwerk uns von dem 17 km entfernten Ort abholte. So konnten unsere Lieben uns spät abends als Neubürger in Dalga Noua begrüßen. Dieses Dalga Noua, später hieß es nur noch Dalga, war mit 516 Hausnummern und den fünf öffentlichen Bauten, dem Rathaus, Milizhaus, Schule, Krankenstation und Konsumladen eines der kleineren Neudörfer im Baragan. Wir hatten Hausnummer 498 und lagen an einer Gassenecke am Dorfrand. Der Zwangsaufenthalt behinderte uns weitgehend in unserer Bewegungsfreiheit und erlaubte uns nur ein Fortbewegen in einem Umkreis von 15 Kilometern. Die beiden Buchstaben D 0 (Domiciliu Obligatoriu) für Zwangsaufenthalt über dem Lichtbild im Personalausweis wirkten wie unsichtbare Ketten, die uns an diesen Ort fesselten. Jede Übertretung dieser Maßnahme konnte eine strenge Strafe zur Folge haben. Weil wir des Eisenbahnunfalls wegen später nach Dalga kamen als die anderen Deportierten, fanden wir keine Anstellungen als Lehrer, da diese Posten schon besetzt waren. Auf den Feldern des Staatsgutes konnte ich wegen meiner Armverletzung, die eine Bewegungsbehinderung, damals auch noch der Finger, nach sich gezogen hatte, nicht arbeiten. So nahm ich die mir angebotene Stellung als Sektionsbuchhalter bei der IRCIA Schweinezüchterei in Jegalia an. Nach einigen Monaten aber erfuhr die Miliz davon und weil Jegalia 40 km von Dalga entfernt war, zwangen sie mich zur Rückkehr. Zur Strafe sollte ich für einige Zeit in das Strafarbeitslager am Donau-Schwarzmeer-KanaL Das wäre eine sehr harte Bestrafung gewesen, gegen die ich mich wehrte. Erst nachdem sich die Miliz davon überzeugen ließ, daß ich wegen meiner Armverletzung nur bedingt physische
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Arbeiten verrichten kann und in Dalga keine Arbeitsstelle fand, verzichteten sie darauf, mich an den Kanal nach Poarta Alba zu schicken. Ich mußte mich aber monatelang jeden Morgen und jeden Abend bei unserem Milizposten melden zum Beweis, daß ich Dalga nicht wieder verlassen habe. Zu meinem Glück ließ mich die Personalabteilung des in Bukarest ansässigen Unternehmens nicht im Stich und stellte mich im Dalgaer Schweinemastbetrieb an, wo ich in den restlichen Jahren bis zur Heimkehr für die Futterbeschaffung verantwortlich war und die Kantine zu verwalten hatte. Die Schwester meiner Frau bekam gleich eine Lehrerstelle an der Schule, meine Frau erst nach zwei Jahren, nachdem eine Lehrerstelle frei geworden war. Das Strohdach unseres Hauses ist mit der Zeit undicht geworden, so daß bei jedem Regenwetter alle Eimer und Gefäße auf dem Dachboden untergestellt werden mußten. Die Genehmigung, ein verandaähnliches Vorhaus anzubauen und das Dach umzudecken, erteilte man uns 1954. Daraufhin fabrizierten wir wieder Lehmziegel, bauten das Vorhaus an, nagelten Bretter auf das Dach und deckten darüber Teerpappe. Damit vergrößerten wir auch unseren Wohnraum auf drei Zimmer, das schon deshalb notwendig geworden war, weil sich bei uns der Nachwuchs einstellte. Unsere Grete kam zu unserer und unserer Eltern Freude im Juni 1954 zur Welt. Obwohl wir uns unter dem neuen Teerpappedach viel wohler und sicherer fühlten als unter dem Strohdach, war es bei Regenwetter außerhalb des Hauses recht ungemütlich. Dann weichten alle Wege auf und der aufgeweichte Boden erschwerte das Fortkommen der Fußgänger und der Fuhrwerke. Am allerungemütlichsten war es aber im Winter 1953/54, als der "Crivat" sich außergewöhnlich heftig austobte. In Verbindung mit den tagelang währenden dichten Schneefällen veränderte sich unsere Landschaft in Stundenschnelle. Der hier "Viscol" genannte Schneesturm verursachte Schneeverwehungen, für uns von unbekannten Ausmaßen. Schneeverwehungen deckten ganze Straßenzüge zu, so daß die Häuser darunter verschwanden. Ende Januar 1954 erlebten wir es, daß wir nicht aus dem Haus konnten. Erst als uns ein Nachbar das Fenster freigeschaufelt hatte, konnten wir hinaus, um unser Haus vom angewehten Schnee ganz frei zu machen. Weil wir nicht wußten, ob wir jemals ins Banat zurückkehren durften, pflanzten wir vor und neben dem Haus Obstbäume und Weinreben und im Garten alles an Gemüse an, was in einem Haushalt gebraucht wurde. In der Grube neben dem Brunnen, die dadurch entstand, daß von hier die Erde zum Ziegelschlagen ausgegraben wurde, setzten wir Paprikapflanzen und legten, weil der Ziehbrunnen gleich daneben war, eine kleine Bewässerungsanlage an. Die Einheimischen aus den Nachbardörfern, die entlang unseres Dorfrandes zur Feldarbeit fuhren und ihre Pferde an unserem Brunnen tränkten, wunderten sich nicht wenig darüber, daß hier bei uns so vielerlei Gemüse gedieh. Sie meinten, daß es unmöglich wäre, weil doch in ihren Hausgärten nur Unkraut, bestenfalls eine unveredelte Weinrebe wächst, aus deren Trauben der "Molan" 201
genannte minderwertige Wein gekeltert wurde. Der 13. September 1954 war für die Katholiken in Dalga ein ganz besonderer Tag. Ein aus Billed gebürtiger und nach Calara~i deportierter Priester war an diesem Tag heimlich in Dalga eingetroffen. Er hielt im Versteck eine Messe, taufte Kinder, darunter auch unsere Tochter Grete und segnete auf dem Friedhof die Gräber der ohne Priester beerdigten Toten. In der zweiten Jahreshälfte von 1955 wendete sich unsere Lage zum Besseren. Unter den ersten, die frei wurden, war auch unsere Familie. Zwar mußten wir unsere Heimfahrt mit eigenen Mitteln bestreiten und selber organisieren. Wir ließen uns das kein zweites Mal sagen und kehrten Anfang September 1955 in unser ruiniertes Haus in Billed zurück, in dessen Zimmern die Konsumgenossenschaft Mehl und Getreide gelagert hatte. Wir hatten viel daran zu reparieren und zuerst das Ungeziefer, wie Mäuse und Ratten zu vertilgen. Damit endete eine unserer leidvollen Zeiten, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg durchzustehen hatten. Bevor wir diesen Erlebnisbericht beenden, möchten wir die Worte zitieren, mit welchen unser Eisenbahnunfall in einer der Generaldirektionen des Staatssicherheitsdienstes (Direqia Generala a Securitatii Statului) abgegebenen Meldung rapportiert wurde: " ... apar incidente, la ora 7,08 cind saintrein statia Remetea Mare, din trenul nr. 2958/b s-au rasturnat patru vagoane din cauza impiegatului Tibera~u Sama ~i a acarului Gola Ioan: impiegatul retinut, Gola a fugit." 3 ( ••• es treten Zwischenfälle auf, um 7.08 Uhr, als der Zug Nr. 2958/b in den Bahnhof Remetea Mare einfuhr, stürzten vier Waggons, auf den Fehlgriff des Verkehrsbeamten Tibera~u Sama und des Weichenstellers Gola Ioan hin, um: Der Verkehrsbeamte verhaftet, Gola flüchtig). So nüchtern und kalt diese Meldung klingen mag, die noch dazu nicht ganz der Wirklichkeit entsprach, denn nur unser Waggon stürzte um, während die drei anderen nachfolgenden Waggons nur entgleisten, so schwerwiegend und schmerzlich war dieser Unfall für unsere Familie. Wie man sieht, wurden in dem Rapport die Leidtragenden mit keinem Wort auch nur erwähnt. Unser Leben war den Kommunisten keinen Pfennig wert. Wichtig für die Behörden war nur die Festnahme derjenigen, die den Unfall durch ihre Unachtsamkeit verursachten und dadurch dem Staat Schaden zufügten.
Anmerkungen: 1.
2. 3.
Rusalii 51, a.a.O., Seite 219 und laut dem mir vorliegenden amtlichen Namensverzeichnis der aus Billed deportierten Familien. Rusalii 51, a.a.O., Seite 219. Deportarea in Baragan, a.a.O., Seite 85.
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Johann Funk Gottlob- Bumbacari (Dude~tii Noi)
18. Juni 1951 Ein milder Sommerabend breitete sich über das ruhige Land, aber trotzdem war es, als läge die Ahnung einer großen Gefahr in der Luft. Die Nacht legte sich schweigend über das Dorf. Halb angezogen lag ich auf dem Bett. Kein Schlaf wollte sich auf die müden Augen senken. Alle Sinne lauschten in die Nacht. Heute mußte es kommen, das Große, das Unbekannte, jenes Ungeheure, welches niemand kannte, welches aber schon lange irgendwo da war, erahnt und erwartet wurde. Heute mußte es kommen! Stunden wurden zur Ewigkeit. Im Dorf bellten Hunde. Ich ging auf den Hof. Nichts! Nichts? Warum dann diese Unruhe in mir. Warum dieses quälende Warten? Und weiter schlich die Zeit dahin, bleiern, dunkel. Aber, an der Ecke, da stand doch jemand! Und auf der Gasse, hinter dem Haus? Das waren doch Soldaten! Ich erkannte es am Klang der schweren Schritte. Also doch!? Meine beiden Hunde schlugen an. "Ruhig, Tasso, Bimbo! Kommt ins Haus! Es ist nichts!" Ich legte mich wieder auf's Bett. Weiß nicht wie lange. Ich wartete, was sollte ich sonst tun? Ich fühlte aber, daß das, was jetzt kam, zu groß, zu furchtbar war, als daß ich hätte etwas dagegen tun können. Ich fühlte dumpfe Müdigkeit, ich war erdrückt, aber bereit. Drei Uhr nachts. Schwere Schritte unterm Fenster. Das Gassentürehen knarrte und schon fuhren die Hunde drauflos. Das war nichts Gewöhnliches, denn sie griffen heftig an, sie schäumten vor Wut. Treue Burschen. Da heulte Bimbo winselnd auf. Wahrscheinlich hatte ein Stiefel ihn getreten. Das steigerte ihre Wut. Ich sah Gestalten über den Hof huschen. Bajonette blitzten. Die große Stunde war da. Eine rauhe Stimme brüllte: "Alles heraus aus dem Haus!" Gewehrkolben krachten gegen eine Tür. Hastige Schritte auf dem Gang. Ich verhielt mich still, war unfähig zu denken. Was sollte das Ganze bedeuten? Schlag auf Schlag krachten die Kolbenschläge gegen die Tür und die rauhe Stimme brüllte immer wieder ihren Befehl. Eigenartig war es schon, dieses Brüllen. In dieser Stimme lag etwas verborgen. War das Grausamkeit? War das Angst? Diesem Gebrüll mußte ein Ende gemacht werden. Ich trat ans offene Fenster und rief: "Hallo, Genosse, hier bin ich!" Die Kerle dort draußen konnten mich nicht sehen, aber sie sprangen erschrokken und in langen Sätzen davon. Die rasenden Hunde hinterdrein. Es war fast 203
zum Lachen. Langsam und mit vorgehaltenen Gewehren kamen sie wieder um die Ecke geschlichen. Ich stand bereits auf dem Gang, die Hände in den Hosentaschen. Mutter hatte drüben das Licht angebrannt. Ich ging also hinüber, die Soldaten hinterher. An ihren Uniformen erkannte ich, daß ich es hier mit Miliz und Sicherheitstruppen zu tun hatte. Ich fragte nach ihrem Begehren. Statt einer Antwort wurde befohlen, daß alles was Leben hat, hinaus auf den Hof zu kommen habe. In jedem Zimmer aber sollte eine Lampe brennen. Und da merkten sie, daß ich die Hände immer noch in den Hosentaschen hatte. "Hände hoch! Keine Bewegung! Hinaus auf den Hof!" Drei Gewehrläufe waren auf mich gerichtet. Ich ging hinaus auf den Hof. Nun kamen sie heran, so dicht, daß ich die Spitzen der Bajonette auf Brust und Rükken spüren konnte. Ich wurde nach Waffen abgesucht und um ganz sicher zu sein, rissen sie mir die Hosen herunter. So stand ich also nur mit dem Hemd bekleidet und mit erhobenen Händen im Hof. Zu meiner Bewachung blieben ihrer zwei zurück, der dritte ging ins Haus. Vor der Tür blieb er stehen, streckte den Gewehrlauf ins Zimmer und forderte alle auf, herauszukommen. Auch der gelähmte Vater sollte herauskommen. Er schrie und tobte an der Zimmertür, wie man nicht einmal ein Vieh im Stall anschreit. Trotz der Bajonette schrie nun auch ich zurück, daß der Vater nur mehr mit Gottes Hilfe aufstehen könnte. Darauf verschwand er im Zimmer und suchte alle Ecken aus. Was er wohl noch suchte? Mutter mußte ihm eine Lampe voraustragen und er durchsuchte auch die restlichen Zimmer. Mit dem Bajonett stocherte er in allen Betten herum, riß alle Schränke auf und gebärdete sich wie verrückt. Schließlich trieb er auch den Großvater auf den Hof. Der mußte sich neben mich stellen, die Hände über'm Kopf. Wohl zum erstenmal in seinen 90 Jahren. Lange stand ich so, sehr lange. Der Kerl im Haus tat gründliche Arbeit! Die Arme waren mir schon gefühllos geworden, aber langsam konnte ich wieder klar denken. Als ich endlich die Hände herunternehmen durfte, da mußte ich mich sofort ins Haus begeben. Da sah ich den von der Miliz zum erstenmal bei Licht. Mein Gott! Das war ja noch ein blutjunges Bürschlein! Sein Gewehr war fast größer als er. Seine Augen flackerten unruhig, sein Gesicht war deutlich von Furcht gezeichnet und dicke Schweißperlen rannen darüber. Jetzt war mir verständlich, daß er durch sein hysterisches Geschrei sich Respekt verschaffen wollte. Die zwei anderen waren vom Sicherheitsdienst nur für diese Aktion - übernommene Soldaten vom Grenzschutz. Sie hielten sich auch mehr im Hintergrund, während das Bübchen wieder ganz gewaltig zu schreien anfing. Ja mein Lieber, wenn ich nicht gesehen hätte, daß du eine Rotznase bist, dann schon, aber jetzt nicht mehr. Denn auch ich konnte schreien. Ich gab ihm auch zu verstehen, daß er sich zu mäßigen hat, denn schließlich wäre ich nicht taub und wenn er etwas zu sagen hat, dann möge er einen anderen Ton anschlagen. Heißer Zorn war in mir aufgekommen und ich wäre diesem Kerl am liebsten an die Kehle gesprungen.
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Alle Dokumente, Ausweispapiere und dergleichen wollte er haben, er steckte sie in einen besonderen Briefumschlag. Dann richtete er sein Gewehr wieder auf mich- vielleicht befürchtete er, daß seine Worte eine besondere Reaktion hervorrufen könnten - und dann verkündete er: "Laut Ministerratsbeschluß Nr. 200/1951 werden Sie aus der Region Temeschwar evakuiert und in eine andere Region des Landes umgesiedelt. Jeder Familie steht ein Waggon zur Verfügung. Mitnehmen kann man: Möbel und Hausgerätschaften, zwei Pferde oder ein Paar Ochsen, eine Kuh, Ziegen oder Schafe, sieben Hühner oder sonstiges Geflügel. Zum Packen stehen drei Stunden zur Verfügung, dann muß alles reisefertig auf dem Hof stehen!" Mir wurde es schwarz vor den Augen und erst die besorgte Frage meiner Mutter brachte mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Ich übersetzte, was uns da anbefohlen wurde. Wie vernichtende Hammerschläge trafen meine Worte. Ein Menschenleben lang hatten meine Eltern gebangt, gearbeitet und gespart und nun war alles weg! Konnte so etwas überhaupt möglich sein? Die Mutter schaute mich mit großen, verständnislosen Augen an, Vater saß im Bett, ein ungläubiges Lächeln war auf seinem Gesicht erstarrt. Evakuiert! Das war unsere Vernichtung. Das war der Todesstoß! Schon sechs Jahre lang hatte man uns immer wieder entrechtet, beraubt und geknechtet. Sogar das Lebensnotwendigste hatte man uns weggenommen, rücksichtslos, ohne Erbarmen. Aber in harter Arbeit, mit ungebeugtem Lebenswillen hatten wir uns immer wieder aufgerafft und eine neue Lebensgrundlage geschaffen. Aber diesmal griffen sie an die Wurzel. Diesesmal verloren wir den Boden unter den Füßen und das bedeutete das Ende! Kam es wirklich, das Ende? Die Stimme des Soldaten riß uns aus unseren Gedanken. Er drängte zur Eile, denn in drei Stunden wollte er uns abführen. Alle, alle, sogar der kranke Vater, der alte Großvater, alle sollten fort, nur das Haus allein sollte stehen bleiben. Dann ging er, denn er hatte noch andere Familien in seinem Bereich, welche er zu evakuieren hatte. Bei uns verblieben nur die beiden Soldaten. Sie hatten sich zurückgezogen und beobachteten unser Treiben. Ich sprach sie an und da meinte einer voller Sorgen, daß vielleicht auch seine Familie daheim in derselben Lage sein könnte. Was da mit uns geschah, verurteilten sie heftig. Man hatte ihnen auch nicht gesagt, wozu sie gebraucht werden, als man ihnen die Abzeichen der Sicherheitstruppen auf die Uniform nähte. Sie waren sichtbar erschüttert, aber ändern konnten sie gar nichts. Es war nach 3.00 Uhr nachts. Ratlos sahen wir einander an. Wir wollten ja beginnen zu packen, aber keiner wußte, wo man zuerst beginnen sollte. Mutter schaute mit Tränen in den Augen von einer Ecke in die andere, überall lagen oder standen Sachen, welche man doch nicht so einfach liegen lassen konnte. Sachen, die uns allen lieb geworden waren, die mit ehrlicher Arbeit schwer genug erworben waren. Aber hier gab es keine Gnade, hier war auch 205
keine Zeit, solche Gedanken überhaupt aufkommen zu lassen. Wahllos begannen wir alles in Koffer und Kisten zu verpacken und langsam kam sogar einige Ordnung in unsere Arbeit. Bündel auf Bündel, Kisten, Koffer und Säcke schleppte ich in den Hof, alles, alles was ich nur tragen konnte, schleppte ich hinaus. Es war dennoch ein wüstes Durcheinander. Der Hof lag voller Sachen und ich lief immer noch ins Haus, hier lag noch etwas, dort noch etwas, ja man wollte eben so viel als möglich mitnehmen. Die Sonne war mittlerweile aufgegangen und ihre ersten Strahlen tasteten sich über ein trostloses, wüstes Bild, unwürdig des Jahrhunderts in welchem wir lebten. Aber es war wahr, allzu wahr! Der Milizsoldat kam bald zurück. Wieder begann er mit dem Gebrüll und der Schweiß rann ihm in dicken Tropfen von der Stirn. Schneller sollten wir pakken, denn in fünf Minuten wollte er das Haus absperren und versiegeln. Er stank nach Fusel und war von einer ordentlichen "Fahne" umgeben. Aber, wenigstens ein paar Worte konnte man nun mit ihm reden, wenn er nicht gerade einen "Anfall" hatte. Dann ging er mit mir auf mein Zimmer. Auf dem Schrank entdeckte er Flaschen mit Schnaps und alten Weinen. Ja, das war etwas für ihn. Schon nach wenigen Schlucken wurde er sehr gesprächig. Der Schnaps war nämlich stark, sehr stark! Auch die beiden Soldaten draußen bekamen zu trinken. Wie immer bei Besoffenen, wurde der Kerl nun sehr gesprächig. Er wollte mich unbedingt überzeugen, daß er kein Rumäne, sondern ein Ungar wäre und natürlich ein sehr guter Mensch. Nein, er würde keinem Menschen etwas zuleide tun, aber ich müßte schon einsehen: Befehl ist Befehl! Daran könnte auch er nichts ändern. Zwischendurch tat der Schnaps seine Wirkung und dann begann er wieder zu brüllen wie der Leibhaftige in Person. Ich ließ ihn gewähren, schleppte unsere Habseligkeiten in den Hof und versuchte Zeit zu gewinnen. Er ging auch wieder weg und ließ mich unbehelligt. Die drei Stunden waren natürlich schon längst vorbei. Die Gassen waren menschenleer, denn niemand durfte aus dem Haus. Vor einigen Häusern und an den Straßenecken standen Posten. Gerne hätte ich einiges von unseren Sachen verschenkt, denn es war offensichtlich, daß wir nicht alles mitnehmen konnten. Gegen Mittag lockerte sich die Ausgangssperre einigermaßen und so gelang es einem Arbeitskameraden, zu mir zu kommen. Der wußte einige Nachrichten aus dem Dorf. Von ihm erfuhr ich dann so einiges und beiläufig, wer alles von dieser Aktion betroffen war. Nach seiner Schilderung mußte es ziemlich traurig im Dorf aussehen. Ich bat ihn, wenn möglich bald wieder zu kommen, um mir mehr zu berichten. Die Stunden flogen dahin, im Hof hatte ich einen kleinen Berg von Bündeln aller Art zusammengetragen, auf dem Gang lag auch alles voll, und doch war es noch eine ganze Menge, was da zurückbleiben mußte. Ja, was gab es da nicht alles in einem Haus! Nach einiger Zeit kam der Milizsoldat wieder zurück und der alte Zirkus wiederholte sich von neuem. Er schrie wie ein Besessener und hatte sich schon
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einen gehörigen Rausch angesoffen. Darum blieb nun das beste Heilmittel die Schnapsflasche. Er soff weiter. Dann begann er, dienstlich zu werden. Mein Zimmer mußte endgültig geräumt werden. Die Möbel, welche zurückblieben, wurden aufgenommen, dann wurde das Zimmer abgesperrt. Unter seinen zur Genüge beschriebenen Anfällen wurden die anderen Türen abgesperrt. Viel Mühe machte es, den kranken Vater auf den Hof zu bringen. Der Schreihals verlangte etwas zum Essen. Er und natürlich auch die beiden anderen bekamen Brot und Speck. Schon nach einigen Bissen lief er wieder davon. Einen besonders traurigen Anblick bot der Vater. Da saß er nun unter dem gewaltigen Maulbeerbaum und sah das ganze Elend um sich herum. Er sagte nichts mehr. Alle Not und Verzweiflung, aller Zorn über seine Unfähigkeit, hier nichts tun zu können und die Ungewißheit der Zukunft, lag in seinen weit geöffneten Augen. Mit der Linken hatte er seinen Stock gepackt, so fest, daß seine Knöchel weiß waren. Seine Ohnmacht tat mir leid. Es ging schon gegen Mittag bis der Milizmann wieder zurückkam. Nun sollte auch das Zimmer der Eltern abgesperrt werden. Weiß der Teufel, wo dieser Schlüssel hingekommen war, ich konnte ihn nicht finden. Der Soldat legte es aber dahin aus, daß ich den Schlüssel absichtlich nicht herausgeben wollte. Mit dem Gewehrkolben versuchte er mir an den Kopf zu schlagen und ich hatte große Mühe, den rasend Gewordenen mir vom Leib zu halten und seinen Schlägen auszuweichen. Die beiden anderen liefen gleich herbei und versuchten, ihn festzuhalten und zu beruhigen. Dabei entstand eine wüste Rauferei und plötzlich hatte ich eine Faust auf der Nase. Ich wußte nicht, von wo der Schlag kam und tat nichts, um ihn abzuwehren. Meine Nase begann heftig zu bluten. Es war eine verdammt heikle Situation. "Schlag ihn tot!" schrie mir der Vater zu und genau das wollte ich. Der Milizsoldat war gestürzt, lag da bewegungslos. Sein Gewehr lag im Blumenbeet. Jedoch als ich danach greifen wollte, waren die beiden anderen da und verhinderten es. Das war bestimmt besser so, denn ich hätte ohne Zögern mit aller Kraft zugeschlagen. Um weiteren Ärger zu verhüten, nahmen die beiden den wutschnaubenden Kerl und führten ihn ab. Es dauerte nicht lange, da kam ein Offizier und ich mußte den Verlauf der Dinge schildern. Die beiden Soldaten bestätigten meine Aussage und mein blutverschmiertes Hemd war Zeuge genug. Der Offizier versprach, den Kerl zu bestrafen, denn mit Gewalt vorzugehen war den Soldaten verboten. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel und im Dorf schien alles ruhiger zu sein. Mein Kamerad brachte mir wieder spärliche Nachrichten. Es war auch alles viel zu verworren, um sich ein klares Bild machen zu können. Weil das Zimmer der Eltern nicht abgesperrt war, begann ich meine Tätigkeit von vorne und schleppte Stück für Stück heraus. Es war unmöglich, alles mitzunehmen. Ich konnte es aber auch nicht übers Herz bringen, so manchen Gegenstand heil zurückzulassen. Kalt und schaurig klang der Schlag des Hammers auf diesen Gegenständen. Aber ich wollte lieber alles verderben, als es in unbekannten Händen zurückzulassen. Ach, was geschah da nicht alles 207
an diesem unglücklichen Tag? Einiges reichte ich über den Zaun zum Nachbarn hinüber. Wohin aber mit der Ziege, mit den Schweinen und überhaupt mit den Bienen? Ja die, die wollte ich nun ganz vernichten. Ein künstlich provozierter Massenraub sollte alle Stöcke vernichten. Zu diesem Zweck rührte ich einen großen Topf mit Honigwasser an und stellte ihn genau vor den Stand in die Fluglinie. Normalerweise hätten die Bienen nun anfliegen müssen und es hätte ein Morden begonnen, bei welchem die Stöcke zum größten Teil vernichtet worden wären. Jedoch, die Natur war gegen meinen Plan. An diesem Tag, am 18. Juni 1951 gab es in der Natur so viel Honig bester Qualität, daß meine lieben Immlein meinen Topf buchstäblich verachteten und fleißig hinausflogen auf das weite Feld. Als ich Stunden später meinen Topf wieder wegnahm, hatte ihn keine einzige Biene aufgesucht. Es war ein unwahrscheinlich großes Glück, denn die Bienenzucht war eine der Lebensgrundlagen meiner Eltern. Wäre mein Schlag geglückt und die Bienen vernichtet, das wäre ein unheimlich schwerer Verlust für meine Eltern geworden. Träge floß die Zeit dahin. Der Offizier kam mit einem anderen Milizmann zurück, der sollte nun den Abtransport veranlassen. Dieser neue Mann wunderte sich, weil ich soviel Gepäck mitnehmen wollte. Ich wäre doch nur eine einzelne Person! Nach einigem Hin und Her und nachdem er den unsere Familie betreffenden Befehl nochmals durchgesehen hatte, war klar, daß nur ich allein aus diesem Hause fortgebracht werden sollte, nicht aber die ganze Familie. Eine größere Freude hätte man mir an diesem Tag nicht machen können. Nun war doch Haus und Hof gerettet. Mir aber blieb auf dieser Welt ein Anhaltspunkt erhalten und meinem Vater hatte man auf diese Weise wahrscheinlich sogar das Leben gerettet, denn diese Evakuierung hätte er vermutlich nicht lange, oder überhaupt nicht überlebt. Drei Pferdegespanne hielten vor dem Tor, sie sollten uns zur Bahn bringen. Da jedoch für mich ein einziges Gespann mehr als genug war, wurden die beiden anderen weitergeleitet. Ausall dem Wirrwarr von Bündeln, Kisten und Koffern, welche da auf dem Hof herumlagen, mußte ich nun so schnell wie möglich einige Siebensachen für mich heraussuchen. Das war ein Wühlen und Suchen. Ich schwitzte und fluchte, gleichzeitig aber war ich froh, daß meine Eltern daheimbleiben konnten. Von diesem neuen Milizsoldaten erfuhr ich auch, daß sein Vorgänger in schwerbetrunkenem Zustand unter Arrest gestellt und sehr wahrscheinlich vor ein Militärgericht gestellt würde. Eine hohe Strafe war ihm gewiß. Das gönnte ich ihm auch von ganzem Herzen. Nach vielem Herumsuchen hatte ich endlich das Notwendigste beisammen. Hätten wir von Anbeginn gewußt, daß nur ich allein deportiert werde, dann wäre natürlich alles viel einfacher verlaufen. Mit dem Schicksal sollte man nicht hadern. Wenn für meine Familie das alles auch sehr hart und grausam war und weil durch das unwürdige Benehmen des Milizsoldaten der Abtransport verschoben wurde, so stellte sich später heraus, daß gerade diese Verzögerung auch ihre guten Seiten hatte. Während ich mich nämlich mit diesem
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Kerl herumbalgte, waren vom Bahnhof bereits zwei Transporte abgefahren. Diese kamen auf Plätze mit besonders schweren Bedingungen. Der letzte Transport, dem ich angehörte, lag noch drei Tage, mangels einer Lokomotive, im Bahnhof. In dieser Zeit brachte mir noch Mutter einige notwendige Sachen, die ich vergaß oder nicht fand. Schwer war der Abschied von meinen Eltern, von meiner Heimat, von allem was mir lieb und teuer war. Oft schon mußte ich fort von daheim, einem ungewissen Schicksal entgegen. Nie hatte ich den Mut verloren, aber damals blieb immer noch mein gesunder Vater zurück. Nun war das ganz anders. Von meinem kranken Vater, von der sorgengebeugten Mutter fiel mir heute der Abschied besonders schwer. Gerade jetzt, wo sie meine Hilfe am nötigsten brauchten, jetzt mußte ich wieder fort! Was würde aus ihnen werden? Tränen rollten meinem alten Herrn über die Wangen. Ahnte er, daß er mich niemals wieder sehen wird? Und dann ging es im Trab dem Bahnhof zu.
Familien Krogloth und Gilde aus Billed in Olaru.
Foto: M. Gilde
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Jakob Ballmann Billed- Ezerul (Cacomeanca Noua)
Fünf Jahre Baragan Am ersten Morgen, nach einer Nacht unter freiem Himmel, war unser Bettzeug feucht vom nächtlichen Tau. Nach einem Rundgang durch das Durcheinander konnten wir uns einen Überblick über die Herkunft der deportierten Menschen machen. Die meisten saßen teilnahmslos herum, aber ihre Gesichter drückten noch immer Ungläubigkeit aus, als wäre das alles nur ein Alptraum. In der Nacht hatten wir noch Nachbarn bekommen, Deutsche aus dem Grenzdorf Tschawosch, aus Billed, aus Neubeschenowa, aus Marienfeld und Albrechtsflor. Die Parallelstraße zu uns war zumeist mit Deutschen aus Moritzfeld belegt. Zwischendurch hörte man aber auch serbisch, ungarisch, tschechisch und mazedo-rumänisch reden. Unser neues Bodeneigentum war mit Holzpflöcken an einer jeden Ecke abgegrenzt und bildete ein Areal von 2.500 Quadratmeter, das etwa einem halben Joch entsprach. Wir konnten uns kaum vorstellen, daß auf diesem Stoppelfeld einmal ein Dorf entstehen könnte. Wir hatten aber nicht Zeit darüber zu grübeln, denn die Realität forderte uns. Zuerst vergrößerten wir unsere Notunterkunft, stellten den Sparherd auf und entfernten zur Vorsicht die Weizenstoppeln, die ja auch augenblicklich unser einziges Brennmaterial bildeten. Die Frauen kümmerten sich um die Kinder und um das Kochen, während wir zwei Männer, nämlich mein Schwiegervater und ich, daran gingen, eine neue Wohnung in die Erde zu graben, weil oberhalb der Erde man den heißen Sonnenstrahlen und dem immerwehenden Wind ausgesetzt war. Ich ging auf Trinkwassersuche und entdeckte einen Schwengelbrunnen in einem zwei Kilometer entfernten Tal. Da dies der einzige Brunnen für etwa 2.000 Menschen war, konnte man bald nur noch lehmiges Wasser schöpfen. Anfangs war es kalt, erwärmte sich aber während des Transportes so stark, daß es fast ungenießbar wurde. Viele und besonders alte Leute erkrankten an Durchfall und Medikamente gab es keine. Damit sich der Lehm absetzt und das Wasser abkühlt, grub ich ein metertiefes Loch und stellte unsere Wassergefäße übereinander hinein. Nachher wurde es abgekocht und nur so getrunken. Den Kindern schmeckte es nicht. Um aber nicht krank zu werden, gab es keine andere Möglichkeit und wir mußten uns tagelang damit abfinden. Nach einiger Zeit kamen aus der 12 km entfernten Stadt CWira~i Autozisternen mit Trinkwasser, das aus der Donau gewonnen wurde. Der Verantwortliche für das neue Dorf befand sich anfangs in einer Holzbaracke. Dort hörte man auch die neuesten Nachrichten. Einer von uns ging täglich hin, um eventuell auch mit einer guten Nachricht zurückzukommen. Meine vierjährige große Tochter ging stets mit und lief barfuß über die Stop210
peln und war immer quietschfidel. Einmal kam sie nach Hause und erzählte ihrer Mutter, daß unser neues Dorf "Kakamenka" heißt - richtig Cacomeanca. Ihre Mutter antwortete ihr: "Ja, ja, Kaka, wie sagtest du nur?" Und alle lachten wir zum erstenmaL Es war wie eine Erlösung und wir schöpften neuen Mut. Im Rathaus erfuhren wir noch, daß wir uns Häuser bauen müssen und nicht an eine Rückkehr ins Banat denken sollen und der sich mit dem Bauen nicht beeilt, der bleibt im Winter ohne Dach über seinem Kopf. Unsere neue Hütte war zwei Spaten tief in der Erde. Mit Akazienstämmchen, die wir aus einem nahegelegenen Waldgürtel holten, fabrizierten wir ein solides Dach, überdeckten es zuerst mit Teppichen, darüber legten wir Äste und Strohstoppeln. Nachher verankerten wir es mit Schnüren und Stricken, damit es der Wind nicht fortfegt. Alsbald hatten wir uns in einen normalen Tagesablauf eingespielt. Die Schwiegermutter mußte mit der Kuh auf die Weide entlang der Landstraße gehen. Meine Frau sorgte sich um den Haushalt und beschäftigte sich mit den Kindern. Der Schwiegervater und ich bauten eine Hütte für unsere Kuh, Pferd und zehn Hühner, die tagsüber herumliefen, aber immer in der Nähe blieben. Der Waldgürtel war inzwischen schon gänzlich kahlgeschlagen und so mußten wir von weither Holzstützen bringen. Auf so einem Versorgungsweg wurden wir mit den gefällten Stämmen von der berittenen Miliz, die in dieser Gegend herumritt, gestellt. Mit einer Hand an den Steigbügel gebunden, mit der anderen das Holz nachziehend, übergaben sie uns dem Milizchef unseres Dorfes. Dieser kannte mich schon, denn er hatte erst kürzlich alle Lehrer im Dorf zusammengetrommelt und uns mitgeteilt, daß wir die Arbeit am Bau des Schulgebäudes organisieren müßten, ansonsten wir nicht wieder als Lehrer angestellt würden. Er beschimpfte uns beide vor den berittenen Milizleuten als Titoisten, als Verbrecher und Räuber am Staatseigentum. Wir kannten ja schon diese Litanei. Kaum hatten sich die Milizisten entfernt, schickte er uns nach Hause und sagte nur: "Laßt euch am Tage nicht wieder erwischen." Das beherzigten wir in Zukunft und gingen nur mehr bei Dunkelheit auf Baumaterialbeschaffung, wie die professionellen Räuber. Ich wunderte mich darüber, daß wir so glimpflich davonkamen. Im Oktober aber, als die Schule begann, war ein Sohn des Milizchefs in meiner 6. Klasse. Ich revanchierte mich, indem ich ihn auch so mild behandelte. Es verging ein Monat und keiner wollte sein Haus bauen, obwohl schon Bauholz, Fenster und Türen eingetroffen waren. Als aber nach einem furchtbaren Gewitter alle unsere Habseligkeiten durchnäßt waren, ging man zügig ans Hausbauen, denn so eine Nacht mit dem Regenschirm über dem Kinderwagen und dem Waidling über dem Kopf, wollte man nicht nochmal erleben. Um rascher mit dem Bau vorwärtszukommen, bildeten wir eine Arbeitsgemeinschaft. Der eine Nachbar war schon fast 80 Jahre alt, aber in Sachen Bau und in anderen Handwerksberufen sehr bewandert, so daß seine Erfahrung das hohe Alter mehr als wettmachte. Der andere Nachbar, der eine Hand verloren hatte, schaffte mit der anderen das Doppelte. Unsere Arbeitseinteilung 211
hatte sich gut bewährt. Mein Schwiegervater grub die Erde aus. Ich transportierte sie mit zwei Eimern auf die Mauer. Unser Vetter Klos brachte das Wasser herbei und leerte sehr geschickt den Eimer mit einer Hand. Der alte Vetter Toni stampfte in gemütlichem Takt die feuchte mit Stroh und Geäst vermischte Erde auf der Mauer fest. Unser Töchterchen versorgte uns mit frischem Trinkwasser. In der Zwischenzeit wurden an den Straßenecken Brunnen gebohrt. Erst bei 22 m Tiefe stieß man auf reines, gutes Trinkwasser. Über dem Brunnen mit stabilem Gehäuse befand sich eine Rolle mit Drehkurbel, Kette und Eimer. Ein lebenswichtiges Problem war damit gelöst. Wir hatten die Arbeit gut im Griff, als uns eine Begebenheit in unserer Schaffensfreude unterbrach, ja um eine Zeit fast lähmte. Unsere Kuh geriet auf ein Kleefeld und fraß sich mal richtig satt, aber die Folgen waren ein aufgeblähter Bauch, der das Herz abdrücken und zum Tode des Tieres hätte führen können. Weil kein Tierarzt aufzutreiben war, so stach mein Schwiegervater in höchster Not mit einem spitzen Küchenmesser in die Blähung und die Kuh war vorläufig gerettet. Aber die Wunde eiterte und die Milch wurde immer weniger und schlechter. Das wieder bewirkte bei unserer kleinen Tochter Durchfall, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Teilnahmslosigkeit. Es war höchste Zeit einen Kinderarzt zu suchen, der aber nur in Catira~i zu finden war. Der Milizchef hatte ein Einsehen und ließ meine Frau mit Eskorte nach Calara~i fahren. Dort fand sich ein tüchtiger Kinderarzt der das Kind heilte, so daß von uns die Angst wich und wir wieder weiter an den Häusern bauten. Da ich Frondienst am Bau der Schule leisten mußte, arbeitete zeitweise auch meine Frau mit. Nach einiger Zeit war es dann soweit, daß unser Vetter Toni den Dachstuhl auf der Erde aufbaute und wir die Einzelteile auf die Mauer hoben. Zusammengestellt paßte nachher alles haargenau. Dann befestigten wir in der Dachspitze symbolisch einen Strauß aus einem verdorrten Akazienast mit einem zerfetzten roten Tuch. Glücklicherweise ist das unserer Obrigkeit nicht aufgefallen. Wir hatten an allen drei Häusern unserer Arbeitsgemeinschaft fast gleichzeitig zu bauen begonnen, damit niemand im Nachteil war und so wurden sie auch nacheinander fertig. Mitte November 1951 zogen wir in unser Haus ein, das vorher noch mit Schilf gedeckt wurde. Dieses Schilf schnitten wir in der sogenannten "Balta," dem Überschwemmungsgebiet der Donau. Dort hausten wir eine Woche lang. In den mit Lagerfeuern erhellten Nächten sah man oft glitzernde Augenpaare von Sumpfwölfen, die ganz in unserer Nähe Heulkonzerte anstimmten. Kräftiges Schlagen an Metallgegenstände vertrieb sie recht schnell. Schweine mit langen Rüsseln bevölkerten dieses Sumpfgebiet. Altbewohner trieben ihre Schweine gleich im Frühjahr ins Freie, wo sie verwilderten und sich fast ausschließlich von den süßen Rohr- und Schilfwurzeln ernährten, die eine Delikatesse für diese Schweinsgaumen bildeten. Im Herbst holten sich die Altbewohner ihre Schweine nach Hause, die sich inzwischen durch die in der Balta geworfenen Jungschweine vermehrt hatten. Das Fleisch von diesen halbwilden Schweinen 212
war nicht für unseren Gaumen. Wir kauften im Herbst Ferkel und mästeten sie nach unserer Art mit dem im eigenen Garten geernteten Mais, legten sie an die Kette und ließen sie so grasen. An der Schule begann der Unterricht im Herbst, anfangs mit einigen Problemen, besonders die mazedonischen Schüler bereiteten uns Lehrern Schwierigkeiten, weil sie keinen Respekt vor dem Eigentum anderer Schüler hatten. Doch die betroffenen Schüler übten Selbstjustiz, wir drückten beide Augen zu und in kurzer Zeit war dieses Problem bereinigt. Der Schuldirektor, ein Baragan-Rumäne, war ein Lehrer mit rotem Parteibuch, der nur sein Gehalt bei uns behob, ansonsten sich um nichts weiter kümmerte. Als wir uns besser kannten, stellten wir fest, daß er ein größerer Reaktionär war als wir Deportierten. Was wir nur dachten, sprach er ganz offen aus. Er verschaffte uns nachher viel Lehrmaterial und ein jeder von uns Lehrern gab sich auch viel Mühe und jeder arbeitete mit viel Freude an der Schule. Bald hatten wir eine Akkordeongruppe, eine deutsche, eine rumänische und eine serbische Volkstanzgruppe, wie auch einen guten Schulchor aufgestellt. Von 1953 an durften wir auch anderwärts auftreten. Ich erinnere mich an eine solche Vorstellung in Cuza-Voda. Als Einzugsmarsch für die Tanzpaare spielten wir den "Alten Kameraden" -Marsch mit vier Akkordeons und einem guten selbstgebastelten Schlagzeug. Der dortige Schuldirektor wollte unbedingt wissen, wie der Marsch heißt. Ich übersetzte schnell "Alte Genossen" (Vechi tovara~i). Wenn die gewußt hätten! Trotzdem gab ich ihm eine Notenabschrift, aber ob sie den Marsch jemals gespielt haben, konnte ich nicht erfahren. Wir fanden uns mit unserem Schicksal ab. Wir lebten ohne Zeitungen, ohne Rundfunk, ohne Theater oder Kino, von einem Tag auf den anderen, aber die Sehnsucht nach der Heimat blieb hellwach in uns. Und im regnerischen Herbst und im Winter waren wir besonders trübsinnig gestimmt, da hat schon mal der eine oder andere seine Sehnsucht durch ein Gedicht zum Ausdruck gebracht. Manche davon wurden auf bekannte Melodien bald von allen Deutschen im Baragan gesungen. Die Winterstürme waren sehr gefürchtet und richteten oft großen Schaden an. Hohe Schneeverwehungen verhinderten das Gehen und oft wußte man nicht, über was man ging. So geschah es einmal, daß mein Nachbar neben mir plötzlich bis an den Hals im Schnee versank und klagte, daß er sich die Füße angeschlagen hätte, jedoch unter seinen Füßen keinen Schnee verspüre. Ich orientierte mich und stellte mit Schrecken fest, daß er auf der Brunnenrolle gelandet sein müßte und unter ihm der 22 m tiefe Brunnenschacht war. Er mußte in Todesängsten geduldig warten, bis ich Hilfe herbeigeholt hatte und ihn mit quergelegten Leitern und Stricken aus seiner gefährlichen Lage befreien konnte. Seitdem gingen wir immer zu dritt und durch einen Strick miteinander verbunden. Im Winter war bei uns in Cacomeanca, später hieß es Ezerul, keine Arbeitsmöglichkeit. In den übrigen Jahreszeiten arbeiteten welche in der Landwirtschaft, auf Bauplätzen, bei der Regulierung des Donaubettes und der Wasser213
tiefe. Viele Frauen arbeiteten auf den umliegenden Baumwollfeldern, aber auch in den großen Hausgärten. Ohne ihre tatkräftige, unermüdliche Arbeit, vor allem bei der Erziehung und Betreuung der Kinder, wären wir Männer nicht zurechtgekommen und hätten des öfteren den Mut verloren. Unsere Heimkehr gestaltete sich etwas komplizierter, so daß wir erst im März 1956 auf dem heimatlichen Bahnhof ankamen, dankbar, daß wir gesund blieben und den Willen hatten, unser Leben neu aufzubauen.
"Kerweihpaar" Elisabeth Gross aus Kleinschemlak und Nikolaus Foto: M. Gross Mumper aus Lenauheim in Rachitoasa.
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Gottfried Braun Großscham- Fundata (Perietii Noi)
Von Amts wegen unter die Verschlepper geraten Zuerst war ich ein gezwungener Verschlepper, nachher ein betroffener Verschleppter. Und das kam so. Freitagabendsam 15. Juni 1951 erhielt die Direktion der Staatsfarm in Großscham eine telefonische Aufforderung, daß am nächsten Tag frühmorgens alle Ingenieure und Buchhalter, außer den jeweiligen Chefs, sich gemeinsam mit dem Direktor bei TRUST GOSTAT, der Dachorganisation der staatlichen Landwirtschaftsbetriebe, in Temeschburg zu melden hätten. Da ich damals als Buchhalter, als "planificator financiar" eingestuft war, mußte ich auch dorthin. Beim Trust trafen wir uns mit den Abordnungen sämtlicher staatlicher Landwirtschaftsbetriebe des Banats. Wir standen auf den Korridoren herum und keiner sagte uns Bescheid. Auch die Beamten beim Trust, die wir doch zumeist kannten, konnten keine Auskunft geben. Endlich um 10.00 Uhr vormittags hieß es, daß wir uns alle in der Aula der Agronomie-Fakultät zu versammeln hätten. Dort angekommen, trat ein Vertreter des Landwirtschaftsministeriums namens Danilov ans Rednerpult und stellte Fragen bezüglich des Standes der Hackkulturen und bezüglich der Vorbereitungen für die Einbringung der bevorstehenden Getreideernte. Das war aber nur ein Täuschungsmanöver, denn nachdem alle über den Mangel an Arbeitskräften klagten, gab er plötzlich dem Thema eine Wende. Er tröstete, daß die vorgebrachten Mißstände bald behoben würden, doch heute hätten wir ein dringenderes Problem zu lösen. Wir hätten die Aufgabe, in den nächsten Tagen Rassetiere aufzukaufen. Zu diesem Zweck liegt für jede Einheit, bei ihrer zuständigen Bank, eine gewisse Geldsumme bereit, die wir auf dem Nachhauseweg zu beheben hätten. In unserem Falle war es Detta, wo uns 20 Millionen Lei ausgefolgt wurden. Ich mußte das Geld übernehmen, weil ich vorher der Kassierer des Unternehmens war. Damit fuhren wir zuerst nach Hause, um am nächsten Morgen um 4.00 Uhr früh, mit dem Zug und mit dem Geld wieder nach Temeschburg zu fahren. Am Abend, als wir von Detta kamen, konnten wir nicht ins Dorf, denn der Eisenbahnübergang war mit einem langen Zug leerer Güterwaggons versperrt. Als ich die vielen Waggons sah und an das viele Geld dachte, welches wir für den angeblichen Viehkauf zur Verfügung hatten, da wurde mir bange, denn der durchschnittliche Marktpreis für eine Milchkuh lag bei 3.000 bis 4.000 Lei. Ich dachte an Zwangsveräußerung oder Requirierungen. Außerdem gab es zu bedenken, daß sich seit zwei Wochen Militär in Stärke von etwa zwei Kompanien im Ort befand. Man konnte sich nichts zusammenreimen. Als ich meine Bedenken meinem Vater gegenüber äußerte, meinte er nur, gegen höhere Gewalt können wir nichts ausrichten. 215
Wir hatten mehrere rumänische Familien aus Bessarabien im Ort, die hellhöriger waren, weil sie schon mal eine Deportation ihrer Angehörigen nach Rußland miterlebten. Sie hatten sich schon in der Nacht von Samstag auf Sonntag versammelt und beraten. Aber machen konnten sie auch nichts. Wir erfuhren von dieser Versammlung erst später, als die Aktion schon gelaufen war. Also fuhren wir am Sonntagmorgen um 4.00 Uhr wieder nach Temeschburg, noch immer nicht ahnend, worum es geht. Als alle Delegierten wieder in der Aula versammelt waren, wurden wir in Gruppen eingeteilt. Inzwischen war es Mittag geworden und wir konnten in ein Restaurant zum Mittagessen gehen. Um 14.00 Uhr mußten wir zurück sein. Als alle versammelt waren, wurden die Türen verschlossen und bewacht. Keiner durfte mehr das Gebäude verlassen. Auffallend war, daß nun auch die politischen Kaderchefs eines jeden Unternehmens zugegen waren, obwohl sie seit zwei Wochen einen Lehrgang besuchten. Jetzt ließ man die Katze aus dem Sack und sagte klipp und klar, daß eine Entkulakisierung (deschiaburizare), eine Befreiung von der Dorfbourgeoisie durchgeführt wird. Auch erfuhr jeder seinen Einsatzbereich. Ich wurde nach Deutsch-Stamora und Klein-Gai eingeteilt. Wir wurden genau instruiert und unterrichtet, wie alles zu laufen hat. An Geld bekam ich 12.000.000 Lei. Als die Abenddämmerung einbrach, wurden zwei bis drei Gruppen, die in dieselbe Richtung fuhren, auf einen Lkw verladen und von Milizsoldaten bewacht, gings in die Nacht hinein, Richtung Sag. Bis DeutschStamora sind es kaum 60 km, doch bis hin brauchten wir die ganze Nacht. An jedem Dorfein- und -ausgang, an jeder Brücke und Wegkreuzung, wurden wir von Soldaten angehalten und kontrolliert. Überall standen Militärposten und die Straßen waren mit Militärfahrzeugen verstopft. Erst im Morgengrauen sind wir in Stamora angekommen, wo ich abgeladen wurde. Fräulein Hedwig Fischer fuhr weiter nach Perkos- Butin, wohin sie zugeteilt war. Ich meldete mich bei der Ortskommandantur, die mir meinen Tätigkeitsbereich zuwies. Ein Parteimann aus dem Ort und ein Soldat führten mich von Haus zu Haus, zu den Leuten, die deportiert werden sollten. Wo wir hinkamen, lagen schon die fertigen Inventarlisten der zurückbleibenden Sachen auf dem Tisch. Diese Listen wurden von einer Vorauskommission erstellt, die aus einem Ortsparteimann, der die Leute kannte, einem auswärtigen Parteimann, einem Studenten und einem Soldaten zusammengesetzt war. Die zwei Parteileute bestimmten den Wert der zurückgelassenen Güter und der Student mußte die Inventarliste aufsetzen. Das Zurückgebliebene wurde nach einer dreistufigen Preisliste und nach dem sozialen Stand des Betroffenen bewertet. Den sozialen Stand hatte das Ortsparteikomitee schon bestimmt. Es gab "chiaburi" (Kulaken), "mijloca~i" (Mittelständler) und "saraci" (Arme). Der Kulake wurde auf Grund seines früheren Besitzes zu den Ausbeutern gezählt und mit dem kleinsten Tarifsatz ausbezahlt. Bei dem Mittelständler wurde der mittlere Tarifsatz angewandt und der als Armer eingestufte bekam für seine zurückgelassenen Sachen das meiste, nach dem höchsten Tarifsatz ausbezahlt. Doch insgesamt 216
bekamen sie alle sehr wenig, denn alles wurde viel unter dem Normalwert eingestuft. Der Tarifpreis war sowieso niedrig gehalten, um dem Staat sein Geld zu schonen und die Regimegegner leer ausgehen zu lassen. Daß man überhaupt was bezahlte, war bloß Augenwischerei, um dem Ausland eine Vergütung vorzutäuschen. Am besten bewertet wurden Bienenstöcke, dagegen Vieh, landwirtschaftliche Maschinen und Geräte bekamen eine lächerliche Bewertung. Genauso Getreide, Viehfutter und Möbel oder Einrichtungsgegenstände. So erklärt es sich auch, daß mir, nachdem ich zwei Döder ausbezahlt hatte, noch 10.500.000 Lei geblieben waren. Also bezahlte ich an die Verschleppten dieser Gemeinden nur 1.500.000 Lei. Der Zahlhergang war folgender. Die Inventarlisten lagen ja schon vor, so daß ich einen Beleg mit dem Namen des Empfängers auf die angegebene Summe ausstellte, unterschreiben ließ und das Geld übergab. Die zurückbleibenden Güter sollten in den Besitz der Staatsfarm übergehen. Doch davon bereicherten sich zum Großteil die lokalen Dodgrößen, Parteigrößen und wer sonst noch dazu die Gelegenheit hatte. Am späten Nachmittag des ersten Zahltages gingen die Vordrucke aus und ich mußte die Zahlungen einstellen. Obwohl die Ortskommandantur versprach, die Vordrucke auf der Schreibmaschine abzuklopfen, mußte ich bis nächsten Tag darauf warten. Danach konnte ich die Auszahlungen fortsetzen. Die Verschleppung der Menschen wurde aber deswegen nicht unterbrochen und so mußten einige abreisen, ohne ihr Geld bekommen zu haben. Als ich alle im Dod ausbezahlt hatte, ging ich zum Bahnhof und konnte auch dort noch einigen, die schon einwaggoniert waren, ihr Geld übergeben. Nachdem der Zug abfuhr, stand ich da mit dem Koffer voll Geld, im ganzen 10.500.000 Lei. Da ging ich zur Staatsfarm und bekam einen Wagen, der mich zur Bank nach Detta brachte. Dort lieferte ich das Geld gegen Quittung ab. Nach Stamora zurückgekehrt, bekam ich ein anderes Gespann, um nach Hause nach Großscham zu fahren. Als wir hinter der Nachbargemeinde Gherman, in Richtung Großscham fuhren, begegneten mir Fuhrwerke, die aus Großscham kamen. Ich erkundigte mich gleich nach der dortigen Lage und erfuhr, daß auch meine Frau mit den drei kleinen Kindern von acht und vier Jahren und dem jüngsten, das erst zwei Monate alt war, verschleppt und schon abtransportiert waren. Meine Eltern lägen aber noch am Bahnhof fertig einwaggoniert, im zweiten Transport. Am Bahnhof angekommen, ging ich gleich zu meinen Eltern. Der Transport war zur Abfahrt bereit. Zuvor mußte ich aber meine Gebarung über die Summe von 1,5 Millionen Lei, welche ich an die Deportierten ausbezahlt hatte, in Ordnung bringen. Für diese Summe hatte ich die von den Empfängern unterschriebenen Belege. Diese mußte jemand von mir übernehmen und mir den Erhalt bestätigen. Weil das Geld von der Bank an die Staatsfarm übergeben war, sollte mir der Chefbuchhalter die Entlastung geben. Doch dieser weigerte sich, obwohl wir uns sonst immer gut verstanden. In meiner Not ging ich zu Fräulein Hedwig Fischer, welche die Dörfer Perkos und Butin ausbezahlt hatte. Sie nahm mir die Belege ab und hat sie korrekt abge217
rechnet. Ich aber fuhr mit dem Transport meiner Eltern ins Ungewisse ab, aber in der Hoffnung, so am ehesten meine Familie zu finden. Diese fand ich schon bei unserem ersten Halt auf dem Bahnhof von Gataja. Da stand der erste Transportzug aus Großscham noch und mit der Genehmigung des Transportführers, eines Offiziers, konnte ich zu meiner Familie umsteigen. Wir waren zwei Familien im Waggon. Weil meine Frau anfangs allein war und sich ohne mich fürchtete, lud sie noch die Familie Josef Müller ein, bei ihr einzusteigen, zumal noch genügend Platz vorhanden war. Frau Müller war auch gerne bereit, weil sie erst vor drei Tagen von einem Sohn entbunden wurde und man sie direkt aus dem Entbindungsheim hierher brachte. So konnte meine Frau ihr auch in ihrer schweren Lage behilflich sein. Unser Transport fuhr über Ilia - Kronstadt - Urziceni nach Perieti, in der Nähe der Kreisstadt Slobozia, mitten in der Baragansteppe. Anstatt Perieti, sagten wir spaßhalber "Sperietii", was im Rumänischen "Die Verängstigten" bedeutet. Es paßte gut zu unserer Lage. Hier gründeten wir am Ufer des "Sciauca" -Salzsees das neue Dorf Perietii Noi, das zuletzt Fundata hieß. Außer den vielen und großen Schwierigkeiten, die alle Deportierten zu bewältigen hatten mit dem Hausbau, mit dem Broterwerb und mit den Unbilden der Natur, um halbwegs menschenwürdig die Baragan-Verbannung zu überleben, hatte ich noch eine zusätzliche, für mich äußerst unangenehme, über die ich im folgenden noch berichten möchte. Eines abends wurde ich zur Ortsmiliz bestellt. Dort erwartete mich ein Securitateoffizier, der mir so viele und verschiedene Fragen stellte, so daß ich zum Schluß nicht mehr wußte, was er eigentlich von mir wollte. Es ging ums Einschüchtern. Zuletzt wurde mir mitgeteilt, daß mich ein junger Securist öfters heimlich besuchen wird, dem ich dann schriftliche Berichte über alles, was ich in meinem Alltag beobachte, was zum Schaden des kommunistischen Regimes wäre, abzuliefern hätte. Eingeschüchtert und verängstigt, hatte ich keinen Mut mehr, das Ansinnen abzuschlagen. Der so angekündigte Offizier besuchte mich dann öfters in Zivilkleidung an meinem Arbeitsplatz. Doch da ich mich immer auszureden versuchte, bestellte er mich eines Tages zur Rayonsmiliz nach Slobozia. Dort behielt man mich bis zum Abend, dann fuhr er mit mir nach Calara~i . Man führte mich in ein Zimmer, in welchem drei Tische in einem offenen Viereck standen. Ich mußte mich in die Mitte davor auf einen Stuhl setzen. An jedem Tisch saß ein Offizier, die mich alle ins Kreuzverhör nahmen. Sie stellten so schnell ihre Fragen, daß ich kaum eine richtig beantworten konnte. So wollte man mich konfus machen und mir keine Zeit zum Denken lassen. Man stellte mir Fragen über meine Angehörigkeit zur Waffen-SS und wollte mir unterschieben, dort Offizier gewesen zu sein. Wieviele Russen ich umgebracht hätte. Welche Unregelmäßigkeiten ich im Dienst schon bemerkt hätte. Welche Meinung in der Bevölkerung vorherrscht, usw. Ich sagte, ich hätte als Soldat geschossen, aber nicht bemerkt, ob ich auch getroffen habe, genauso wie auch das rumänische Militär. Im Dienst trachte ich das Beste zu geben. Die Aktivi218
täten des übrigen Personals zu überwachen, sei Sache der zuständigen Staatsorgane. Sie sagten, sie müßten sich auf die Mithilfe der Bevölkerung stützen. Ich wurde auch gefragt, ob es mir gleichgültig wäre, wenn jemand für das kommunistische Regime ist oder dagegen. Da mußte ich ihnen zustimmen, was konnte ich sonst anderes entgegnen? Ich hatte auch Angst vor Folterungen, von welchen man immer wieder hörte. Sie redeten so lange auf mich ein und drohten, bis ich es müde war und sie von mir eine Unterschrift erpreßt hatten, daß ich fortan als Spitzel für sie arbeiten werde. Erst dann, es war 4.00 Uhr in der Früh, ließ man mich los und ich konnte zum Bahnhof gehen, um gleich wieder zur Arbeit zu fahren. Während der Fahrt und auch danach schmiedete ich Selbstmordpläne, denn so ein verräterisches Leben, wo man ständig aufrechte Menschen ins Unglück stürzen sollte, konnte ich mir nicht vorstellen, noch ertragen. Aber ich mußte auch an unsere drei kleinen Kinder denken. Ich ließ dann alles auf mich zukommen, wie es wollte. Im Dienst bei der Staatsfarm von Andra~e~ti, wo ich als Zootechniker arbeitete, sprach ich mit niemandem mehr privat. Wollte von niemandem etwas erfahren, was ich der Securitate hätte melden müssen. Meine Arbeitskollegen merkten meine Veränderung und der Chefingenieur nahm mich mal zur Seite und fragte, was los wäre. Auch ihm getraute ich mich nicht anzuvertrauen und antwortete ausweichend. Der Verbindungsoffizier besuchte mich noch einige Male. Da ich ihn immer leer ausgehen ließ, versuchte er es auf eine andere Tour. Er fragte, ob ich oder meine Familie an etwas notleiden. An Holz zum Heizen oder an sonstwas. Doch ich biß nicht an und verneinte. Danach bestellte er mich eines Abends zum Bahnhof Ciulnita. Er führte mich in den Dienstraum der Bahnhofsmiliz. Dort empfing mich ein Mann in Zivil. Freundlich in warmem Ton und mit schönen Worten versuchte er mich zu überzeugen, daß ich mein gegebenes Versprechen einlösen möge. Er brachte auch einige Argumente vor, die mich von der guten Absicht der Partei, die nur das Wohl des Volkes im Auge hat, überzeugen sollte. Wenn ich also die Partei unterstütze, diene ich doch nur einer guten Sache. Mit der Aufforderung, ihren guten Ratschlägen zu fol gen, wurde ich wieder entlassen. Bekam noch die Anweisung, mich zweimal wöchentlich, beim Securitateoffizier im neuen Dorf zu melden. Habe es einigemale versucht, aber niemals jemanden angetroffen. So ließ ich es bleiben. Zu meinem Erstaunen, hat mich seit dann niemand mehr behelligt. Nur als es hieß, wir werden aus dem Zwangsaufenthalt entlassen und dazu namentlich vor die Kommission bestellt wurden, kam ich wieder vor den Sicherheitsoffizier. Dieser fragte mich gleich, was ich denn hier wolle? Er sagte mir noch, daß meine Knochen hier verfaulen werden und schickte mich nach Hause. Ich war entschlossen, lieber hier im B;'id.gan zu bleiben, als Zugeständnisse zu machen. Als dies mein Vater hörte, daß ich nicht entlassen werde, wurde er zornig. Ich könnte ja hier bleiben, aber er will nach Hause ins Banat. Er tat so, als ob ich etwas verschuldet hätte. Am nächsten Tag wurde ich wieder zur Kommission bestellt und bekam auch meine Entlassung, wie jeder andere. 219
Familie Braun aus GroĂ&#x;scham vor ihrem Haus in Fundata. Foto: G. Braun
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Hans Pilli
Billed- Olaru (Ro~etii Noi)
Zwangsaufenthalt in Olaru 1951 bis 1956::Schon nach den ersten Wochen wurde es notwendig, sich um einen Verdienst umzusehen. Arbeitsmöglichkeiten fand man auf dem Staatsgut in Ro~eti . Traktoristen und Landmaschinenmechaniker wurden gebraucht. Eine große Bewässerungsanlage, die im Entstehen war, benötigte für die Dammbauten Handarbeitskräfte. An den Pumpstationen an der Donau (Borcea) wurden Mechaniker und Handwerker gebraucht, ebenso wurden Pferdegespanne beim Dammbau zum Transport von Zement, Kies und Sand eingesetzt. Die meiste Handarbeit brauchte man aber auf den großen mit Baumwolle angebauten Flächen. Bei unserer Ankunft waren es noch Hackarbeiten. Beim Abernten dieser Kulturen wurden sehr viele Erntehelfer benötigt, die im Tagelohn arbeiteten. Die Verdienste waren gering, aber diese Arbeiten hatten einen nicht zu verachtenden Vorteil: eine kurze Zeit später errichtete Brotausgabestelle machte die Herausgabe von 500 g Brot davon abhängig, ob man nachweisen konnte, daß man an einer der genannten Arbeiten beteiligt ist. Die Tage, damals die längsten des Jahres, nicht nur nach dem Kalender, wurden bis zu 14 Stunden und länger genutzt. Beim Heraufdämmern des neuen Tages waren die meisten schon bei der Arbeit an ihren eigenen Baustellen, doch dann eilten sie zu den Arbeitsplätzen, um dort das zum Leben Notwendige zu verdienen. Baumeister Weber aus Uiwar und Bürgermeister Fürbacher aus Mehadia, die hierbei ihren Schicksalsgenossen mit Rat und Tat zur Seite standen, verdienen dankbare Anerkennung. Sie waren viel unterwegs, gaben Anleitungen und fanden für ratsuchende Landsleute immer eine Lösung. Es vergingen Wochen und Monate, bis man die ersten beim Aufbau eines Dachstuhls sah. Es war Hoffmann Mathias aus N eupetsch, Zimmermann von Beruf. Es war schon eine richtige Schinderei. Alles half mit, alle plagten sich, die Menschen standen, nur mit einer Handvoll Schlaf, all dies durch. Die meiste Arbeit geschah, wie schon erwähnt, vor und nach der regulären Arbeitszeit, an den Wochenenden und an Sonntagen. Und es war schon ein Ereignis von besonderer Bedeutung, als man im Spätherbst in die noch längst nicht trockenen Häuser einzog. Es überkam einen damals schon ein Gefühl der Geborgenheit, wenn man bei Regenwetter unter dem schützenden Schilfdach nach draußen sah, wo grundlose Wege entstanden und alles im Morast zu versinken drohte. '' aus: Franz Klein: Billed, Chronik einer Heidegemeinde im Banat in Quellen und Dokumenten 1765-1980.
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Und so geschah das Wunder: es waren mehr als ein halbes Tausend Häuser auf diese Art entstanden! Die Menschen konnten den ersten Winter unter einem selbsterbauten, schützenden Dach verbringen. Das Schneiden von Weiden (zum Körbemachen) auf einer Donauinsel brachte den Billedem J. Thöres und mir nochmals etwas Geld zum Unterhalt ins Haus. Bei der ersten Lieferung von Körben machte man uns auf eine weitere Verdienstmöglichkeit aufmerksam: auf das Lieschenmattenweben, d.h. die dort von dieser Wasserpflanze hergestellten Rogojins. Zum Anlernen hatten wir in dem nahegelegenen Ro~eti Gelegenheit. Die Genannten machten sich dann eines Tages gemeinsam mit ihren Freunden auf den Weg nach dem 6 km entfernten Ro~eti. Die Lehrzeit war nicht gerade ermutigend. Die Fingerfertigkeit der Leute an den Webstühlen in diesem sog. Atelier- sie praktizierten diese Arbeit von Kindheit an -war enorm. Es war, je länger man den Leuten auf die Finger sah, eher entmutigend als umgekehrt. Auch das Spinnen des "Zettels" machte uns Schwierigkeiten. Außerdem hatten die Leute auch gar kein Interesse daran, ihre Konkurrenz auch noch selbst anzulernen. Ihre Tagesleistung bestand in einer Matte von 260 cm Länge und 160 cm Breite. Als Vergleich: 1 kg Brot kostete damals 2 Lei, und für eine Matte bekamen sie 9 Lei als Entgelt. Diese Matten wurden in der Hauptsache zum Abdecken der Frühbeete im Gemüsebau verwendet. Wir ließen unstrotzder Anfangsschwierigkeiten nicht entmutigen und machten weiter in diesem neuen "Beruf", durch welchen im Laufe der Monate und Jahre mindestens ein halbes Hundert Landsleute über die Wintermonate zusätzlich einiges hinzuverdienen konnten. Hinzu kam noch das maschinelle Besenbinden. Fünf Besenbindemaschinen stellte uns unsere Firma zur Verfügung. Das Modell zum Nachmachen stellte der aus Marienfeld stammende Landsmann Müller zur Verfügung. Das Fertigen wurde dann zu einer Domäne der Billeder, nachdem der einzige Rumäne das Gerät, das er erhielt, wieder zurückgab. In der Folgezeit wurden dann zur Deckung des Bedarfs an Rohmaterial 50 Hektar (!) Sirok angebaut, für deren Bearbeitung und Abernten wieder Arbeitskräfte gebraucht wurden. Auch das Schneiden und Bereitstellen eines Vorrats an Lieschen aus den Donauniederungen gehörte zu unseren Verdienstmöglichkeiten. Als Heimwerker steigerten wir unsere tägliche Leistung bis auf fünf Stück je Tag, wobei die ganze Familie bei den Vorbereitungen des Materials mithalf. Gewebt wurde bereits an zwei Stühlen, manchmal bis zu 14 Stunden am Tag. In der Hauptsaison, d.h. während des Winters, wenn sich auch noch andere Familien zu dieser Arbeit bereitfanden, sah man an manchen Liefertagen hochbeladene Wagen wie zur Erntezeit daheim. Bis zu 80.000 Lei konnten so monatlich an diese Familien ausgezahlt werden. Auch andere Begünstigungen kamen noch hinzu, so z.B. Petroleum für die Beleuchtung der Wohnungen während der langen Wintermonate (Petroleum war damals in Olaru eine Mangelware). 222
Während dieser Zeit gab es noch geringe Möglichkeiten, Ackerland zu pachten, da durch die Kollektivierung noch nicht alles Feld enteignet war. Dieses wurde zum Maisanbau genutzt, welchen man zur Aufzucht und Mast von einem Schwein - und wenn's gut ging auch für zwei Tiere - verwendete. Mais war auch für die Haltung von Geflügel unentbehrlich. Nur den wenigsten gelang die Erhaltung von Großtieren über diese Zeit. Auch im Hausgarten wurde Mais angepflanzt und ebenso Gemüse für den Eigenbedarf. Gewinnversprechend war ferner der Versuch des Zuckerrübenanbaus. Ein Verdienst des Marienfelders E. Schlier. Die Kollektivierung der gesamten landwirtschaftlich genutzten Flächen machte dieses Vorhaben aber unmöglich. In dieser Zeit freute man sich über jede noch so kleine Verbesserung und Erweiterung am Haus oder an der Umzäunung des Grundstücks mit einem Zaun oder einer Hecke. Reben wurden gepflanzt und auch Obstbäume. Zwischenzeitlich wurde der Schulbau, das Gemeindehaus, Dispensar oder Krankenhaus und der Konsumladen fertig und ihren Bestimmungen übergeben. Lehrer sorgten ab dem zweiten Jahr für normalen Schulbetrieb. Es waren nicht die schlechtesten, sondern eher umgekehrt, die besseren Lehrer, welche zu diesem Zwangsaufenthalt im Baragan bestimmt waren. Rumänen und Deutsche gaben gemeinsam ihr Bestes den ihnen anvertrauten Kindern. Es kam zu schulischen Veranstaltungen, die gut besucht waren und sehr viel Anklang fanden. Wie dankbar denkt man an die damals noch jungen Lehrerinnen Junker 0. aus Marienfeld und ihre Kollegin Villar aus Großjetscha, aber auch an die rumänischen Lehrkräfte, die gemeinsam bemüht waren, das Wissen unserer Kinder zu bereichern. Ebenso gab es in all diesen neuen Ortschaften Musiker. In Olaru stammten sie aus Ulmbach und Hatzfeld. Schon im zweiten Jahr kam es zu Unterhaltungen, die denen in der Heimat in nichts nachstanden. Viele Landsleute waren zu Tränen gerührt, als sich die Kapelle vor dem Gemeindehaus mit bekannten Melodien vorstellte. Daß auch eine Fußballmannschaft nicht ausbleiben konnte, war nur natürlich. In Spielen mit einheimischen Mannschaften der umliegenden Ortschaften waren sie meistens die Besseren. Das Leben normalisierte sich zusehends. Man brachte den anfangs Verfemten, die von der einheimischen Bevölkerung gemieden werden sollten, immer mehr Achtung entgegen. Man lernte einander kennen, man beobachtete die Deutschen bei der Arbeit und fand, daß man von diesen Leuten manches Nachahmenswerte übernehmen kann. Sie fanden auch, daß man uns Unrecht antat und korrigierten ihre anfangs zur Schau gestellte Einstellung. In dieser Zeit entstand auch eine große Obstbauanlage, für die der aus Neusiedel stammende Landsmann J. Reiter und die beiden Billeder J. Eichert und P. Trendler die Verantwortlichen waren. Auch eine 50 Hektar Rehanlage wurde angelegt, für welche wieder Marienfelder Landsleute durch ihr fachliches Können verantwortlich waren. Dort verschulte Reben wurden in viele Weinbaugebiete versandt.
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Und nach fünf Jahren wurde all das, was diese Menschen unter Zwang und einem kaum abschätzbaren Aufwand an Energie - vor allem beim Bau des zur eigenen Nutzung bestimmten Hauses- geschaffen hatten, dem Verfall preisgegeben. Jahrelange Arbeit wurde - wegen ihrer Sinnlosigkeit - eingestellt und den Leuten die Rückkehr in ihre Heimat anheimgestellt. Das erste Gerücht über unsere bevorstehende Entlassung wurde im Spätjahr 1955 bestärkt, als eine Kommission von Sicherheitsbeamten die Vorarbeiten zu unserer Entlassung aufnahm. Die Familienoberhäupter wurden vorgeladen und über den Zeitpunkt ihrer Entlassung, die in drei Serien geplant war, informiert. Einige Familien konnten gleich abreisen. Andere hingegen mußten noch zwei Jahre dort bleiben, wie die Familie St. Unger. Der größte Teil aber machte sich im Februar 1956 auf die Heimreise. Es war in unserem Fall Mitte Februar und wieder Schneetreiben, als wir mit von uns bezahlten Lkw zum Bahnhof nach Cilara~i gefahren wurden. Auch die Kosten der Bahnfahrt ins Banat mußten wir bezahlen. Nicht alle hatten das Glück, die Heimat wiederzusehen, und für nicht wenige war der Abschied von ihr im Jahre 1951 ein Abschied für immer. Das Sterben, das Abschiednehmen von nächsten Angehörigen auf immer, ist eine der traurigsten Begebenheiten im menschlichen Leben. Auch meine eigene Mutter ereilte dieses bittere Schicksal, als der letzte Sterbefall der sich bereits auflösenden Gemeinde. Sie starb uns auf der Fahrt in einem Pferdewagen, worauf wir sie auf Stroh gebettet hatten, am 25. Dezember 1955. Da unser Arzt Dr. Kaschu bereits in seine Heimat abgereist war, gab uns das verbleibende Personal des Dispensars den Rat, die Kranke in ein Krankenhaus nach dem 16 km entfernten Calara~i zu bringen. Mein Vater und ich machten uns mit der todkranken Mutter, die furchtbar litt, im Dunkel der Weihnachtsnacht auf den Weg. Mit einer Öllampe in der Hand suchten wir auf dem verschneiten, verschlammten, grundlosen Weg nach Ro~e~i zu kommen, hinter dem Rücken des Fahrers das leise Stöhnen der Kranken. Doch gleich nach Ro~e~i, schon auf fester Straße, wurde es still im Wagen. Wir hatten nur noch eine tote Mutter zurückzubringen. Sie wurde am nächsten Tag auf dem neuangelegten Friedhof in Olaru beerdigt. Ein Nieseiregen aus grauem Himmel fiel auf den Sarg und die zur Beerdigung erschienene Trauergemeinde. Wie bitter sie starb mit dem Wissen, daß wir wieder heim durften ... Dreizehn Jahre nachher. An einem sonnigen Tag im Spätherbst 1968 befand ich mich, vom Staatsgut Ro~e~i kommend, auf dem Weg nach Olaru. Ich benutzte den Fußpfad über die Dämme der Bewässerungskanäle zum nicht mehr vorhandenen Dorfe Olaru. Auf den von der Herbstfrucht bereits geräumten und schon zur Aussaat gepflügten Flächen, wo einst die Häuser der Banater Internierten standen, konnte man den einstigen Verlauf der Gassen und den Standort der Häuser erkennen. In schöner Regelmäßigkeit vorhandene Bodenerhöhungen und gleich daneben eine Vertiefung- die Entnahmestellen von Erde zum Stampfen der Häuser. Mir wurden die Augen feucht, 224
als ich diese Zeichen der verschwundenen Siedlung sah, zu deren Errichtung man die Menschen unter Androhung von Strafen zwang. An der Straße, die von Ro~eti kommend durch das versunkene Dorf führte, stand auf der rechten Seite ein einzelnes Haus aus dieser unseligen Zeit. Es diente einem Schafhirten als Unterkunft. Davor der Pferch der Tiere. Ein zweites Gebäude aus dieser Zeit war das sog. Dispensar. Es wurde von einer Traktoristenbrigade genutzt. Ihm gegenüber noch Mauerreste vom Konsumkaufhaus. Auch in dem Viertel, das von den Leuten aus Billed bewohnt war, und der Stelle, wo sich unsere eigene Behausung befand, sah ich mich um. Vor diesem Streifzug durch den versunkenen Ort war mein erster Weg der zum Friedhof und der Grabstätte meiner Mutter. Durch ein aus Zement hergestelltes Kreuz markiert, fand ich die Ruhestätte der Verstorbenen. Alle etwa 25 Gräber befanden sich in verwahrlostem Zustand. Letzte Pflegearbeiten an diesen Gräbern leisteten einige rumänische Geistliche, welche nach unserer Heimkehr dort interniert wurden und sich der Gräber annahmen. Die Umfriedung des Friedhofs bestand aus einem Graben, der verfallen, aber noch nicht eingeebnet war. Aber Viehdung im gedachten Mittelweg des Friedhofs bewies, daß man nicht mit der notwendigen Ehrfurcht diese Ruhestätte der Verstorbenen beachtete und in absehbarer Zeit dieser Gottesacker unter den Pflug genommen wird. Kaplan Z. Buding (ein gebürtiger Billeder), ein in Calara~i internierter Geistlicher, der manchen heimlichen Gottesdienst auch in Olaru abhielt und ebenso bei Beerdigungen dabei war, hatte diese seine Befürchtungen auch mir gegenüber geäußert. Auch er hat seine dort verstorbene Mutter in die Heimat übergeführt. Von ihm erhielt ich auch die Adresse des Totengräbers in Ro~eti, welcher ihm bei diesem Tun geholfen hatte. Ich fand den Mann unter der angegebenen Adresse. Wir hatten uns schnell geeinigt. Mit entsprechenden Geräten gingen wir zurück zum Friedhof und machten uns gemeinsam an die Arbeit. Es war nicht viel, was von einer Toten nach dreizehn Jahren noch vorhanden war. Nach getaner Arbeit dankte ich dem Mann für seine Hilfe und verabschiedete mich. Mit dem ersten Zug, den ich in Calara~i erreichte, ging es wieder heimwärts, diesmal mit einer Toten als Begleitung. Wir beerdigten sie heimlich bei Dunkelheit an der Seite meines Vaters, der bereits im Jahre 1920 gestorben war. Wir schrieben das Jahr 1968. Es wurde auch das Jahr, in welchem man uns mitteilte, daß wir in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen dürfen.
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Anna Kraus Moritzfeld- Ezerul (Cacomeanca Noua)
Baragan und kein Ende 12 Jahre verbannt Zusammen mit den Eltern wurde ich am 18. Juni 1951 in die Bara.gansteppe verschleppt. So geschah es auch vielen anderen Familien. Es war ein Völkergemisch aus Deutschen, Rumänen, Serben, Ungarn, Bulgaren und ehemaligen Flüchtlingen aus Besarabien und der Bukowina. Cacomeanca Noua, später Ezerul, war die Endstation. Der Name stand zwar, aber von einer Behausung war keine Spur, das blanke Stoppelfeld. Das Entsetzen und die Angst war groß. Was nun? Fassungslos mußten wir uns in das Unabwendbare fügen. Wir mußten unsere Lehmhäuser stampfen. Es entstand ein Dod von ungefähr 328 Häusern. In der Not half man sich gegenseitig. Alte Freundschaften haben sich bewährt und neue sind entstanden. Wir waren gerade beim Dachdecken, als Vater einen Herzanfall bekam. Zu allem anderen kam nun noch die Sorge um den Vater, der schwer krank war. Wie soll es weitergehen? Unter uns Verschleppten gab es auch Ärzte, die haben Vater geholfen. Und das Dach stellte einer von Vaters Freunden fertig. Die Angst saß uns im Nacken. Das erste Jahr war sehr schlimm. Dann begannen wir unsere 25 Ar Land zu nutzen, die rings um jedes Haus lagen. Wir bauten Mais, der prächtig gedieh und wir mußten auf den Feldern des landwirtschaftlichen Staatsbetriebes arbeiten. Später legten wir einen Gemüsegarten vor dem Haus an und machten einen Zaun mit Maisstengeln. Nach und nach haben wir uns Geflügel und auch ein Schwein angeschafft. Einen Schuppen wollten wir noch anbauen, dafür haben wir Lehmziegel geschlagen. Wir bauten auch einen Backofen im Freien. Zuerst klopften wir einen festen Boden, türmten darüber Reisig, das mit einer Lehmschicht eingehüllt wurde und zündeten es an. Die Lehmumhüllung war wie gebrannter Ton und fertig war der Backofen. Die Not macht eben edinderisch. So vergingen fünf Jahre, bis die erste Kommission nach Ezerul kam und auch in alle anderen NeuDörfer. Die Kommission überprüfte, wer frei werden sollte. Einige glückliche Familien waren dabei. -Wir nicht! -Vater wollte es wissen und stellte sich der Kommission. Er wollte wissen, warum wir noch festgehalten werden. Ihm wurde die Tür gewiesen, den Grund aber erfuhren wir nicht. Wir durften uns nur 15 km im Umkreis fortbewegen, denn wir hatten ja Zwangsaufenthalt. Nach und nach kamen immer mehr Familien frei. Wir noch immer nicht. Alle Freunde und gute Bekannte zogen weg mit großem Bedauern für uns und mit der Bemerkung, daß sie uns nicht vergessen werden. Wir verblieben in unendlicher Verbitterung. Ich schrieb immerzu Gesuche und wollte es nicht wahrhaben, daß alle Gesuche ohne Edolg blieben. 226
Darüber vergingen Jahre. Immer mehr Familien zogen weg. So kam es, daß eines Tages nur noch acht Familien im Dorf lebten, die schon frei waren, aber nicht wußten, wohin zu ziehen, denn die Bessarabier und Mazedonier durften nicht wieder ins Banat zurückkehren. Vom Donau-Schwarzmeer-Kanal kamen freigelassene politische Häftlinge zu uns nach Ezerul, um hier noch den Rest ihrer Strafe mit Zwangsaufenthalt abzubüßen, denn leere Häuser gab es genug. Nach einiger Zeit wurden welche von ihnen mit dem schwarzen Auto weggebracht. Das war auch für uns aufregend. Plötzlich bekam Vater eine Gallenkolik und mußte nach Calara~i ins Krankenhaus gebracht werden. Aber womit? Zum Glück machten sich einige Leute mit Lastautos am Volksrat zu schaffen und die bat ich, Vater nach Calara~i mitzunehmen, was sie auch taten. Nach einiger Zeit hatte er seine Krise überstanden und kam zurück nach Ezerul. Da geschah es, daß eines Abends ein Auto auch vor unserer Tür hielt. Wir waren erschrocken und kreidebleich, unser erster Gedanke war, nun sind wir dran. Ich hatte kaum noch Kraft die Tür zu öffnen. Da stellte sich heraus, daß es ein Sanitäter aus dem Krankenhaus war, ein Bekannter, der sich nach Vaters Befinden erkundigen wollte. Um leichter zu überleben, kauften wir uns eine Ziege und Vater schaffte sich zwei Bienenvölker an. Ich nähte für die Dorfbewohner. Mutter war unsere stille, aber zuverlässige Stütze. In den Wintermonaten setzte immer ein gewaltiger Schneesturm ein. Von Rußland kommend und "viscol" genannt, wütete er meistens drei Tage und Nächte. Einmal beim Ausbruch dieses Schneesturms befand ich mich auf dem Heimweg von dem 15 km entfernten Calara~i. Ich saß auf dem Einspänner eines Bessarabiers, der denselben Weg hatte. Der Sturm war sehr heftig, der Weg teilweise schon zugeweht, so daß der Mann absteigen und das Pferd am Zügel nehmen mußte. Nur langsam und mühsam kamen wir voran. Das Pferd dampfte, trotzdem bildete sich auf seinem Rücken eine dicke Eisschicht. Mit sehr großer Anstrengung kamen wir in Ezerul an. Mein Fahrer konnte kaum mehr sprechen, nur noch lallen. Seine Frau frug mich, ob er besoffen wäre. Wir sind beinahe erfroren. Inzwischen waren unsere Behörde und die Miliz schon in das Altdorf Cacomeanca übersiedelt. Wir mußten uns jede Woche persönlich dort melden. Allmählich wurde es uns unheimlich, fast allein im Dorf zu wohnen, zumal man auch Zigeuner in Ezerul anzusiedeln versuchte. Wir hatten große Angst. Gott sei Dank blieben sie nicht lange, weil es ihnen nicht gefiel. Mutter wurde immer schweigsamer, sie konnte unsere Lage nicht mehr ertragen. Die Ärztin meinte, ich muß mich darauf vorbereiten, daß Mutter höchstens noch zwei Jahre leben würde. Wir waren geschockt. Obwohl wir uns keiner Schuld bewußt waren, blieben unsere Gesuche um Aufhebung des Zwangsaufenthaltes unbeantwortet. Wir schrieben schon das Jahr 1961, nicht zu fassen! Es waren schon zehn Jahre seit unserer Verschleppung vergangen. Für uns wurde es immer schwerer, weil alle Leute, für die
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ich genäht hatte, weggezogen waren. Wovon sollten wir leben? Da härten wir von der Eröffnung einer neuen Konfektionsfabrik in Cilara~i. Erneut versuchte ich es mit Gesuchen, diesmal um als Näherin in dieser Fabrik anzukommen. Es gelang mir! Ich mietete mir ein Zimmer, die Eltern verblieben aber weiterhin in Ezerul. Ich mußte mich jede Woche noch immer bei der Miliz in Cacomeanca melden. Die neue Arbeit nahm ich sehr ernst und ich wurde zu einer Bestarbeiterin erklärt. Wir arbeiteten in drei Schichten. Gesuche schrieb ich weiterhin, jetzt mit dem Hinweis auf meine Arbeit in der Fabrik. Endlich gelang es mir, daß auch meine Eltern nach Calara~i umziehen durften. Frei waren wir aber noch immer nicht. Unsere Verwandten aus dem Banat schenkten mir ein Fahrrad, so konnte ich den weiten Weg zur Fabrik leichter zurücklegen. Vater stand immer am Zaun und erwartete mich. Meine Schwester, die in Deutschland verheiratet war, sorgte sich sehr um uns. Auch die Verwandten aus der Heimat bemühten sich sehr um uns und kamen uns mehrmals besuchen. Das waren Lichtblicke in unserem Leben, die uns nicht völlig verzweifeln ließen. Es war der 26. August 1963, als Miliz vor unserer Tür stand und Vater verständigten, bei der Miliz vorzusprechen. Bei uns brach Panik aus. Nach langem, bangem Warten kam die Erlösung: Wir waren frei! Nach zwölf Jahren Zwangsaufenthalt, sollte man da lachen oder weinen? Ich tat beides. Es dauerte noch ein Jahr, bis wir nach Deutschland ausreisen durften. Infolge der Familienzusammenführung kamen wir am 7. August 1964 bei meiner Schwester in Ostlutter an. Meine Ausreise wurde nur als Begleitperson für die alten kranken Eltern bewilligt. Die Freude war unbeschreiblich groß. In Deutschland lebten die Eltern noch glückliche zwölf, beziehungsweise 13 Jahre. Und ich, ich atmete auf, endlich ein freier Mensch zu sein. Das Geheimnis unserer Freilassung wurde uns erst später bekannt, nämlich meiner Schwester und ihrem Mann wurde eine Adresse aus Bonn zugetragen, die für unsere Freilassung behilflich sein konnte. Nach wiederholten Bitten und Darlegen unserer Situation willigte man in Bonn ein, sich um unsere Angelegenheit zu kümmern. Dazu bestimmte Bonn zwei Rechtsanwälte. In Nürnberg einen für Deutschland und in Bukaresteinen für Rumänien. Beide bezahlte Bonn. Mit dem Rechtsanwalt in Nürnberg waren mein Schwager und meine Schwester immer in Verbindung. Den Rechtsanwalt in Bukarest lernte ich nach unserer Freilassung persönlich kennen, er ließ mich nämlich zu sich bitten. Das waren bewegte Augenblicke. Noch ein zweiter Weg wurde für unsere Freilassung eingeleitet. Meine Schwester und Schwager wollten uns im Tausch gegen Maschinen freikaufen. Das war aber dann nicht mehr aktuell, denn wir hatten unsere Freiheit schon und sie bekamen ihr Geld zurück. Das Dorf Ezerul wurde geschliffen und der Boden, worauf es stand, wieder dem staatlichen Landwirtschaftsbetrieb einverleibt, der es seitdem als Ackerfeld benützt. 228
Anna Kraus aus Moritzfeld in ihrem Gem체segarten in Ezerul, in welchem schon Pfirsichb채umchen gepflanzt sind. Foto: A. Kraus
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Ottilie Tatutz Iablanita- Olaru (Ro~etii Noi)
Das Wasserfaß Meine Tochter Irene und ich wurden im Dorf Leipzig, Kreis Akkerman (Cetatea Alba), Gebiet Bessarabien geboren. Meine Eltern Gottfried Werner und Marie, geb. Kühn, hatten einen schönen Bauernhof genauso wie die deutschen Bauern im Banat. Mein Mann, ein Rumäne aus Iablanita, Mehedinti, Oltenien, kam als Lehrer in unser Dorf. Nachdem die Russen Bessarabien im Jahre 1940 besetzten, wurden meine Eltern sowie alle deutschen Bewohner aus den deutschen Siedlungen Bessarabiens nach Deutschland umgesiedelt. Ich aber ging mit meiner kleinen Familie nach Iablanita in Oltenien. 1949 verlor mein Mann seinen Lehrerposten und wurde vom Schuldienst suspendiert. Über das, was ich nachher hier als Deutsche erlebt habe, könnte man eher ein Buch als diese paar Zeilen schreiben. 1951 wurden wir aus dem Dorf Iablanita, Gemeinde Padina Mare, Rayon Vanju Mare, Kreis Mehedinti, mit noch anderen acht Familien in den Baragan deportiert. Lastwagen standen auf dem Bahnhofsgelände von Calara~i schon bereit, um uns weiterzutransportieren. Wir wurden vier Kilometer hinter dem Dorf Ro~eti auf freies Feld abgeladen. In dieser großen Hitze ohne Unterschlupf, ohne einen Baum, ohne Wasser begann ein Rennen, ein Jagen nach allen Himmelsrichtungen, um einen Brunnen zu finden, den man aber nirgends fand. Den Dorfbewohnern von Ro~eti wurde gesagt, daß wir Koreaner wären und eine ansteckende Krankheit hätten. Deshalb sollten sie den Kontakt mit uns meiden. Später stellten die Bewohner von Ro~eti fest, daß sie belogen wurden. Mein Mann, ich und gemeinsam mit unseren Nachbarn haben wir mit unseren Händen und Füßen die kleinen Häuschen gebaut und mit Schilfrohr gedeckt. Dieses mußten wir im Sumpf schneiden und mit Pferdewagen auf einem Floß über den Fluß in unsere Siedlung transportieren. Die Pferde scheuten das Wasser, trampelten und schnaubten fortwährend, so daß wir sie beruhigen und fest am Halfter halten mußten. Das schwer beladene Floß schaukelte auf dem Wasser. Wir Frauen zitterten vor Angst, genauso wie die Pferde. Unser Häuschen habe ich allein von innen und von außen mit einem Gemisch aus Lehm und Pferdemist verputzt. Im Winter trieb der Sturm viel Schnee durch das unfachgemäß gedeckte und gebundene Schilfrohrdach. Durch die Stubenwärme begann dieser Schnee auf dem Dachboden zu schmelzen, weichte die Zimmerdecke dermaßen auf, so daß sie herunterfiel. Aus den noch nicht ganz ausgetrockneten Wänden wuchsen gelbgrüne Pflanzen. Unsere Tochter freute sich darüber, weil wir so auch
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Zimmerblumen hatten. Nach einem langandauernden Schneesturm war unsere Tür zugeschneit und wir mußten mit Geduld abwarten, bis unsere Nachbarn unsere Tür freischaufelten. Unsere Siedlung bekam den Namen "Olaru". So kalt wie der lange Winter war, so heiß war es im Sommer. Wie schon anfangs erwähnt, herrschte im Sommer 1951 eine Hitzewelle und weil wir noch ohne Häuser dieser Hitze ausgesetzt waren, schwitzte man die letzten Tropfen Wasser, die der Körper noch enthielt, aus. Die Erde war wie Asche so locker und so heiß, und die Füße versanken bis über die Knöchel im heißen Staub. Weil es in der nächsten Umgebung keinen Brunnen gab, hat man uns mit Zisternen Wasser gebracht. Wenn der Wagen ankam, rannten die Leute aus allen Richtungen und es entstand ein Geklapper von Eimern und ein Gekreisch von Menschenstimmen. Eine große Staubwolke erhob sich über dem Ganzen. Wer Glück hatte, bekam Wasser. Wer sich nicht in die Menschenmenge drängen wollte, mußte mit leerem Eimer zurückgehen und den zweiten Anlauf abwarten, der ähnlich verlief. Die Männer, meistens junge Leute, die das Wasser brachten, hatten ihren Spaß daran, wenn sie den Wasserschlauch von einem Eimer zum anderen zu hoch hoben und dabei die Menschenmenge mit Wasser bespritzten. Das so verspritzte Wasser lief über die mit Staub bedeckten Gesichter und halbnackten Körper der Wartenden. Es war zum Lachen, wenn man sich gegenseitig ansah, aber auch zum Weinen und zum Verzweifeln, wenn man wieder ohne Wasser blieb. Um die Wasserversorgung zu verbessern, wurden eines Tages Fässer gebracht und in Abständen im Ort verteilt. Die Sonne brannte, ich lag unter einem Tisch im Schatten. Neben mir schlief meine elf Jahre alte Tochter. Unsere vier Hühner lagen mit offenem Schnabel, heraushängender Zunge und ausgebreiteten Flügeln auf der Erde, als ob sie am Ersticken wären. Plötzlich härte ich unsere Nachbarin rufen: "Schnell, schnell los!" Sie war eine kleine mollige Person, fast kugelrund, trotzdem aber sehr flink. Ich sprang auf, sie hatte beide Eimer, den ihren und den unsrigen schon in den Händen und lief in die Richtung des uns am nächsten befindlichen Wasserfasses, indem sie mir zurief: "Ich härte den Wagen kommen! Beeile dich! Jetzt bekommen wir frisches Wasser, ich vergehe schon fast vor Durst!" Ich lief so schnell ich konnte, doch war ich damals schon kränklich und mußte ab und zu verschnaufen. Sie rannte wie ein Wirbelwind, manchmal sah ich sie durch den aufgewirbelten Staub nicht mehr. Ich verlor meine Latschen, lief barfuß weiter. Es kamen schon Leute aus allen Richtungen gelaufen, denn jeder wollte gerne sauberes Wasser haben, bevor andere ihre verstaubten Eimer ins Wasser tauchten. Kalt war es sowieso nicht, weil es aus der Donau gebracht wurde. Meine Nachbarin hatte das Wasserfaß erreicht, hing sich den einen Eimer über den Arm, hob den anderen Eimer über das Faß, gab einen Schrei von sich und lag am Boden. Ich konnte vor Schreck kaum noch weiterlaufen. Ein Herzschlag war mein erster Gedanke, doch ich sah mit Erstaunen, daß sie sich langsam erhob. Ich fragte, nachdem ich nach meinem 231
Eimer griff: "Ist dir nicht gut?" Sie konnte nicht sprechen, zeigte aber mit ihrer Hand auf das Faß. Als ich nahe daran war, erschrak ich und wäre beinahe auch gefallen, denn ein schwarzhaariger Wuschelkopf badete im Wasserfaß. Ein herangeeilter Mann und zwei Frauen stülpten das Faß um, der Badende fiel in den Staub, sah danach wie ein Schornsteinfeger aus, lief davon und wir blieben wieder ohne Wasser. Wegen dem Genuß von nicht abgekochtem Wasser aus der Donau, brach eines Tages Typhus unter den Dorfbewohnern aus und erlöste viele von dieser Qual.
Familie Egler aus Sackelhausen vor ihrem Haus in Brate~, 24. Juli 1952. Foto: lng. J. Pierre
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Adelheid Wilz geh. Kolbus Hatzfeld- Dalga (Dalga Noua)
Meine Jugend- und Schulzeit im Baragan Es war Sonntag, der 17. Juni 1951 in Hatzfeld. Das eben erfolgreich beendete Schuljahr 1950/51 wurde mit einem großen Schülersportfest im Fußballstadion abgeschlossen. Alles klappte wie am Schnürchen. In Reih' und Glied waren Jungen und Mädchen aufgestellt und bewältigten die Übungen fehlerlos und militärisch präzise. Eine Augenweide, die vielen weißgekleideten Jugendlichen der 5. bis 7. Klasse auf dem grünen Rasen. Jeder gab sein Bestes und war mit Begeisterung dabei. Bei herrlichem Sonnenschein konnte nichts diesen schönen Tag in der Heimat trüben. Wer hätte geahnt, daß dies der letzte Tag daheim sei! Als wir vom Sportfest fröhlich und gut gelaunt heimwärts gingen, führte unser Weg am Bahnhof vorbei. Soweit das Auge reichte, standen hier ungewöhnlich viele Güterwagen mit Militär und Miliz. Man fragte sich: "Was soll das?" So langsam trübte sich unsere gute Stimmung. Man spürte "es hängt etwas in der Luft," doch wußten wir nicht, was. Auf dem Heimweg begegneten wir Bekannten und Verwandten, es wurde vermutet, daß uns etwas Schlimmes bevorstehe. Ein Bekannter unserer Familie lehnte sich aus dem Fenster des Krankenhauses und empfahl meiner Mutter dringend, so schnell wie möglich nach Temeschburg zu fahren. Sie solle es machen, sie müsse fahren, heute noch, der Kinder wegen! Den Grund dafür nannte er uns nicht, betonte aber, falls sie es nicht tue, würde sie es später sehr bereuen. Er hätte sich ganz plötzlich entschieden, ins Krankenhaus zu gehen, den Grund dafür würde sie später erfahren. Mutti machte sich Gedanken darüber: "Was soll das alles bedeuten, was steht uns bevor, etwa wieder eine Verschleppung nach Rußland wie 1945 ?" Was wolle man mit einer kranken Frau, Kriegswitwe mit drei minderjährigen Kindern von neun, zwölf und 14 Jahren, die für Zwangsarbeit nicht in Betracht kämen. Die vielen offenen Fragen bedrückten und ängstigten sie. Also ging man mit ungutem Gefühl nach Hause und wartete, was kommen würde. Mitten in der darauffolgenden Nacht wurden wir durch Klopfen und Lärm geweckt. Militär und Miliz standen vor der Tür und forderten uns auf, das Haus in kürzester Zeit zu verlassen. Des weiteren wurde uns mitgeteilt, daß wir so viele Sachen mitnehmen könnten, wie wir wollten, und wurden gefragt, wieviele Pferdewagen wir zum Abtransport unseres Haushalts benötigten. Weitere Auskünfte wurden uns verweigert. Mutti zitterte am ganzen Leib, gezeichnet von den vielen, schweren Schicksalsschlägen, welche sie all die letzten Jahre erlitten hatte: Vater gefallen während des Krieges als deutscher Soldat, Enteignung, häufige Hausdurchsuchungen und Entlassung aus 233
der Arbeitsstelle, weil wir "Großbauern und Hitleristen" in den Augen der Behörden waren. Gänzlich am Ende ihrer Kraft, konnte sie diesen seelischen Schock nicht überwinden und fiel in Ohnmacht. Sie war nicht in der Lage, den Befehlen der Uniformierten Folge zu leisten und das Packen des erlaubten Hausrates zu organisieren. So wurde uns nur ein Wagen bereitgestellt, und es blieb uns drei Schwestern nichts anderes übrig, als unsere "sieben Sachen" zusammenzusuchen und mit Hilfe des Militärs den Wagen zu beladen. Wir fingen zuerst einige Hühner und etliche Enten im Hof und pferchten sie in Kisten. Zwei Ziegen und ein Hund kamen zusätzlich auf den Wagen. Meine kleinere Schwester Gerda schlachtete in Eile einige Hühner, die auch mitgenommen wurden, brachte Puppen, Puppenmöbel und einige von unseren Sonntagskleidern zum Wagen. Ich hatte eine Schwäche für Porzellan und Bücher. Also begann ich Bücher und Porzellan, das mir schön und glänzend erschien, einzeln in Zeitungspapier einzupacken, ob es nützlich war, überlegte ich nicht. Annelene, meine ältere Schwester, handelte da schon etwas praktischer, sie bemühte sich um einige Möbel. So kamen zwei Betten, ein Tisch, Stühle und die Nähmaschine sowie Bettwäsche und sonstige Wäsche auf den Wagen. Zurück blieb der größte Teil des Hausrates sowie die nach der Enteignung noch verbliebenen Haustiere: Pferde, Kühe, Schweine und Kleintiere. Das Schlimme aber war, daß wir kurz vor der Ernte unserer Restlandwirtschaft standen, wenig Vorräte oder Geld hatten, so daß wir recht mittellos in die Fremde verschleppt wurden. Ob auch andere Verwandte, wie Großeltern, Onkel, die uns in Notsituationen immer halfen, das gleiche Schicksal erlitten, wußten wir nicht, da man verbot, uns gegenseitig zu verständigen. Mutig war Gerda, als sie unter dem Vorwand, vom Brunnen auf der Straße an der Ecke Wasser holen zu müssen, zu den Großeltern lief. So erfuhren wir, daß auch sie verschleppt werden. Nach stundenlangem Packen und Aufladen auf den Leiterwagen ging es zum Bahnhof. Die kranke Mutter vorne weinend auf dem Wagen und wir Kinder hinter dem Wagen, zu Fuß wie Sträflinge, begafft von vielen Leuten. Am Bahnhof angekommen, wurde uns ein Viehwaggon zugeteilt und die Miliz warf unsere Habseligkeiten hinein. Stroh und Schmutz bedeckten den Boden des Waggons, doch noch schrecklicher für uns war, daß wir nicht wußten, wohin wir fahren. So begann unsere Reise in eine ungewisse Zukunft. Der tagelange Transport im Viehwaggon mit Tieren ohne Essen und Trinken setzte uns arg zu. Die Fahrt schien endlos, und die Angst der Ungewißheit lähmte unsere Glieder. Das rumänische Rote Kreuz wartete an einigen Bahnstationen und reichte uns allen unentgeltlich Wasser, Kekse, Brot und Pulvermilch, deren gräßlicher Geruch und Geschmack mir heute noch gegenwärtig ist. Ich konnte diese Milch nicht trinken, lieber blieb ich hungrig. Endlich blieb der Zug in Dalga stehen. Mit aufgepflanzten Gewehren befahl die Miliz, auszusteigen und auszuladen. Es war finstere Nacht, der Wind wehte und 234
brachte einen peitschenden warmen Regen. Wir vier saßen im Dunkeln am Bahnhof auf unseren Sachen, warteten auf einen zugeteilten Wagen und weinten "um die Wette". Wir fragten uns, was wir verbrochen haben, daß wir so hart bestraft werden. Mit einem Ochsenkarren wurde dann unser ganzes Hab und Gut abtransportiert. Es schien uns unglaublich, daß wir auf einem Stoppelfeld abgeladen wurden. Als der Morgen graute und wir unsere nähere Umgebung wahrnahmen, sahen wir rings um uns Haufen von Hausrat und herumliegendes Vieh. Da begriffen wir zum erstenmal, daß dies unsere Bleibe für die nächste Zeit sein wird. Hier sollten wir Hütten als vorläufige Unterkunft errichten. Dazu wurden uns sechs große und sechs kleine Bretter zugeteilt. Es war wohl Zufall, daß wir drei verwandte Kolbus-Familien und noch die Hatzfelder Familien Schulz, Wagner, Jones, Hoffmann und Wild direkt nebeneinander abgeladen wurden. Nachdem sie ihre Hütten notdürftig errichtet hatten, halfen sie uns, einen Unterschlupf als Schutz vor Regen, Wind und Sonne zu erstellen. Die Hilfe, welche sie uns in diesen Tagen und in den folgenden Jahrender Not zukommen ließen, schätzten wir immer sehr hoch und so bleiben sie als gute hilfsbereite Nachbarn stets in Erinnerung. Kurze Zeit nach der Errichtung der Hütten wurden wir von einem sintflutartigen Regen überrascht, der ganz Dalga einen halben Meter hohen Wasserstand bescherte. Wehe denen, die sich die Hütten wegen der ungewohnten, starken Hitze in die Erde gegraben hatten! Das Wasser floß ungehindert hinein. Als der Regen nachließ, liefen wir Mädchen und Jungen im Dorf umher und besichtigten mit kindlicher Neugier und Spaß die Regenkatastrophe. So etwas hatten wir noch nie gesehen. Möbel, Kisten und Kleider schwammen im Wasser umher. Eine ältere Lehrerin und ihre Mutter saßen in ihrer Hütte auf einem Tisch mit aufgespanntem Regenschirm. Sie waren geflüchtet vor dem Wasser, konnten nirgends hintreten, ohne nasse Füße zu kriegen, weinten und jammerten um die Wette. Es wäre ein Motiv zum Fotografieren gewesen. Wir Kinder amüsierten uns und bedauerten sie. Eine andere Abwechslung, die uns Kinder faszinierte, war, wenn eine Kuh oder Ziege zuviel grünes, nasses Gras fraß, und davon rettungslos aufgebläht wurde. Falls man dem Tier nicht mehr helfen konnte, mußte es geschlachtet werden. Dann lief die halbe Nachbarschaft zusammen, und Herr Kornelli, der Metzgermeister, schlachtete das Vieh an Ort und Stelle und verteilte das Fleisch für einen geringen Preis. So schmerzlich der Tod der Tiere für die Eigentümer war, so freuten sich die Nachbarn, weil sie dann für einige Tage ein gutes Essen zubereiten konnten. Selbst Pferdefleisch wurde nicht verschmäht. Jeder war dankbar für das frische Fleisch, welches ihm zugeteilt wurde, denn dies bedeutete einen Hochgenuß, der eine Seltenheit war. Ein Vorrat konnte nicht angelegt werden, da man im Sommer keine Kühlmöglichkeit hatte. Die Regierung verordnete, daß alle Familien vor dem Winter Häuser bauen müßten. Also begann man mit den Vorbereitungen, d.h. man fertigte Lehm235
Eine "Reih" in Dalga
Ady und Annelene Kolbus aus Dalga zu Besuch bei ihrer Kusine in Dropia 1952. Fotos auf dieser Seite: Adelheid Wilz, geb. Kolbus
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ziegel, trocknete sie an der Sonne, um damit das Mauerwerk zu errichten. Andere Familien stampften in gemeinsamer nachbarschaftlicher Arbeit die Wände aus Lehm wie bei der Ansiedlung vor 200 Jahren. Holz für den Dachstuhl, Fenster und Türen wurden nach Plan für jedes Haus geliefert. Täglich sah man neue Lehmbuden entstehen, und das neue Dalga nahm Formen an. Nach dem Häuserbau begann einer nach dem anderen, sich eine Arbeitsstelle beim Staat zu suchen, da ja keine andere Arbeitsmöglichkeit bestand. Überwiegend wurde man im Ackerbau, in der Viehzucht und an Baustellen benötigt und eingestellt. Unsere Mutter hatte gleich am Anfang eine Anstellung in der Konsumgenossenschaft beim Verkauf der Lebensmittel. Sie war zuständig für die gerechte Verteilung der Lebensmittel an alle Dorfbewohner. Bald erwies sich dies als eine sehr schwieri.ge Aufgabe. Da alle Grundnahrungsmittel wie Brot, Milch, Zucker, Mehl, 01 usw. rationiert waren, aber häufig in ungenügender Menge geliefert wurden, entfachte sich täglich wegen Hunger und Not ein Gedränge und Streit, was sehr nervenaufreibend war. So passierte es einige Male, daß Mutti diesem starken, täglichen Druck nicht gewachsen war, den Leuten nicht helfen konnte, und in Ohnmacht fiel. Dann kamen die Leute und riefen uns. Wir rannten so schnell uns die Füße tragen konnten, flehten und beteten, bis sie die Augen wieder öffnete. Nach einiger Zeit sah Mutti ein, daß sie auf Dauer diesem Druck nicht standhalten konnte, und suchte sich eine Stelle bei der Staatsfarm, als Pontatorin. Hier machte sie ihre Arbeit vorbildlich und wurde dadurch von ihrer Arbeitsgruppe wie auch von der Leitung der Staatsfarm geschätzt. Meine ältere Schwester Annelene hatte es besonders schwer, da sie, kaum lSjährig, am Bau arbeiten mußte. Das Tragen von Ziegeln und Mörtel zog ihre Bandscheiben sehr in Mitleidenschaft, worunter sie heute noch leidet. Die meisten Zwangsumsiedler waren auf dem Feld als Taglöhner beschäftigt, wo auch wir Kinder unser erstes eigenes Geld beim Hacken oder Baumwollpflücken verdienten. Darauf waren wir sehr stolz, denn damit konnten wir die Familienkasse etwas aufbessern. Oft ging ich nachmittags mit den Ziegen auf die Weide, wobei ich immer einen Sack für Gras dabei hatte, um für Vorräte zu sorgen. Bei der Ernährung der Familie spielten die Ziegen als Milchund Fleischlieferanten eine wichtige Rolle. Trotz großer Versorgungsschwierigkeiten mußten wir nie hungrig schlafen gehen. Inzwischen erfuhren wir, daß unsere ganze Verwandtschaft aus Hatzfeld in verschiedene Orte in den Baragan verschleppt wurde. Oma und Opa fehlten uns sehr, da sie in den letzten Jahren unseren gesamten Haushalt führten. Nach wiederholten Gesuchen an das zuständige Ministerium gelang es uns kurz vor dem Winter, die Großeltern zu uns überzusiedeln. Wir hofften, wenn Oma und Opa bei uns wären, würden sie uns eine Hilfe sein; doch anfangs war dies mit vielen Schwierigkeiten gesundheitlicher Art verbunden. Oma mußte für einige Zeit ins Krankenhaus, wurde operiert, und die Genesung erfolgte nicht so schnell wie erhofft. Bei wiedererlangter Gesundheit war Oma erneut die große Stütze der Fami237
Der Maibaum wurde für Annelene Kolbus gesetzt. Dalga 1954.
Nach dem Abriß des Maibaums.
Maibaumfeier bei Annelene Kolbus in Dalga, 1954. Fotos auf dieser Seite: Adelheid Wilz, geb. Kolbus
lie. Von morgens früh bis abends spät arbeitete sie selbstlos und unermüdlich. Sie kannte nur Pflichten und Verantwortung. Opa litt an schwerem chronischem Asthma und an unbeschreiblichem Heimweh. Er, der alte Quint- und Servobatschi saßen Tag für Tag vor dem Haus, schauten den gegen Westen
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fahrenden Zügen nach und fragten sich, wann sie wohl wieder nach Hause fahren dürften. Alle drei erlebten die Heimreise nicht mehr. Opas Tod ging uns sehr nahe. Die Beerdigung ohne Priester war sehr traurig und trostlos. In den einfachen Holzsarg legten wir eine verschlossene Flasche mit einem Namenszettel, um bei einer späteren Überführung eine Verwechslung auszuschließen. Nachdem wir freigelassen wurden, bestatteten. wir unseren Opa noch einmal, mit kirchlichem Beistand in seiner Heimaterde. Der Schulunterricht begann für uns Kinder im ersten Herbst mit etwas Verspätung; das störte uns kaum, da wir den zusätzlichen Verdienst für die Wintervorräte dringend benötigten. Das neue Schulgebäude wurde in Gemeinschaftsarbeit errichtet. Der Weg zur Schule war für uns Kinder in den nassen Jahreszeiten schwierig, weil aufgrund der unbefestigten Wege die feuchte und lehmige Erde an den Schuhen klebte. Ich hatte nur ein paar zu große Stiefel, die sehr oft auf dem Schulweg im Lehm steckenblieben. Oft hänselten mich die Jungen in der Schule mit meinen großen Stiefeln, indem sie mir von hinten die Faust in den Stiefelschaft hineinschoben, das brachte alle zum Lachen. Ich besuchte in Dalga die 6. und 7. Klasse und da wir uns schon als große Mädchen fühlten, hielten wir jeden Sonntag bei einer anderen Freundin die "Reib" ab. Dort trafen sich Mädchen und Jungen regelmäßig, wobei ein Teller ~it Kuchen immer bereitstand. Man scherzte, flirtete, lachte, machte Spiele, diese auch schon mal mit Küssen, oder ging spazieren. Es ging immer lustig zu, es war eine schöne, freundschaftliche Atmosphäre. Man war nicht depressiv oder unglücklich. Wir aus Hatzfeld kannten diesen Brauch nicht, machten aber gerne mit. Nach der 7. Klasse durfte ich auch schon zum Tanz ins Kulturheim am Sonntagabend. Woher die Musikanten die neuen deutschen Schlager kannten, ist mir bis heute ein Rätsel, da wir isoliert waren und keine Rundfunkempfänger haben durften. Ab und zu kam auch eine rumänische Kulturgruppe aus dem unweiten Bukarest, die Volksmusik, Balladen, Lieder und Tänze darboten. So erlebten wir einen schönen Abend in der Kantine der Staatsfarm. Einmal wurde ein rumänischer Film auf dem ehemaligen Gut des Bojaren Camara~e scu gedreht: "Ciulinii Baraganului" (Die Disteln des Baragans). Wir Feldarbeiter wurden mobilisiert, um als Statisten bei den Dreharbeiten mitzuwirken. Mit Hacken, Rechen, Sensen und Sicheln ausgerüstet, stellten wir die unzufriedenen Bauern des Bojaren dar. Wir brauchten keine Kostüme, Masken oder Schminke, es war einfach Natürlichkeit pur. Für uns war es eine angenehme und interessante Abwechslung von unserem Alltag, wir konnten einen Tag Filmluft schnuppern und hinter die Kulissen schauen. Nach Jahren sah ich den Film in Temeschburg. Auf dem ehemaligen Gut Camara~escus in Lehliu machte uns die Traubenlese viel Spaß. Da es wenig Obst gab, waren die Trauben ein Leckerbissen, auf den wir uns besonders freuten. Im Dorf konnte man gelegentlich Melonen kaufen, falls man das nötige Geld dazu hatte. Einige Melonen waren so groß, daß sie 239
Schüler aus Dalga, die im Fernstudium am Gymnasium in Calara~i lernten und sich nach den .Prüfungen einen freien Tag gönnten. 1955.
einen Strohkorb ausfüllten und um die 15 kg wogen. In jener Zeit, als ich auf dem Feld arbeitete, lernte ich auch das Essen der Fermakantine kennen. Oh, wie hungrig wartete man auf den Wagen, der zu Mittag mit dem Essen kam. Welch fades Essen in unappetitlichen, verbogenen, unsauber abgewaschenen Aluminiumtellern! Bohnen, Kartoffeln, Kraut und Maisbrei wiederholten sich und schmeckten immer gleich schlecht. In späteren Jahren, als Köchinnen aus dem Banat das Kochen in der Küche übernahmen, wurde es etwas besser. Manchmal fanden auch Fußballspiele statt; dabei bot sich die Gelegenheit, Jugendliche zu treffen, was uns Mädchen in diesem Alter sehr gefiel. Man
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feierte auch Geburtstage, sowie die Heimkehr der Jungen vom Militärdienst. Eines Nachts weckte uns ein Ständchen aus dem Schlaf. Es war für meine Schwester Annelene von ihrem Verehrer Erich und seinen Freunden. Sie sangen das schöne Lied "Gute Nacht mein kleines Mädchen, gute Nacht auf wiedersehn, schlafe süß in deinem Bettchen, wenn am Himmelszelt die Sternlein stehn ... " Wie es üblich war, zündete sie drei Streichhölzer an und bedankte sich dadurch. Eine andere unvergeßliche Überraschung war der 1. Mai 1954. Als wir am Morgen aufwachten, stand vor dem Haus ein großer, schön geschmückter Maibaum für Annelene. Niemand von uns hatte etwas geahnt oder nachts ein Geräusch gehört. Der Baum blieb eine Woche stehen, und es folgte eine Maifeier bei uns im Haus. Freunde, Nachbarn und Bekannte wurden eingeladen. Man aß, trank, sang und tanzte bis in den frühen Morgen. Es war eine gelungene Feier. 1954 kam einmal wieder eine Naturkatastrophe über uns. Der kalte und harte Winter im Januar und Februar verschonte keinen. Der Schneesturm, durch den Crivat-Wind herbeigeführt, wehte solch riesige Mengen von Schnee aus Nord-
Eine lustige und erholsame Kahnfahrt auf der Donau bei Cilara~i, nachdem die Prüfungen bestanden waren. Fotos auf dieser und der vorhergehenden Seite: Adelheid Wilz, geb. Kolbus
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Osten in unsere Gegend, wie wir sie noch nie gesehen und erlebt hatten. Eines Abends machten wir uns Sorgen, weil Mutti noch nicht daheim war; es wurde dunkel und der Wind heulte. Sie kämpfte gegen peitschenden Wind in der Dunkelheit, um ihren Weg nach Hause zu finden. Als wir sie sahen, gänzlich verschneit und halberfroren, schlossen wir sie glücklich mit tränenden Augen in die Arme. Sie fiel entkräftet auf das Bett und schlief sofort ein. Viele Häuser, darunter auch unseres, wurden danach bis über den Schornstein eingeschneit. Oma und Opa brachten noch schnell unsere zwei Ziegen und die Hühner mit einer Kiste aus dem Stall in unser einziges Zimmer. Gerda entfernte sofort die bereits angefrorenen Eisklumpen vom Körper der Tiere. Ab diesem Zeitpunkt konnte man nicht mehr hinausgehen. Die Tiere mit uns im Raum, das war nicht so einfach. Die Tiere mußten ja auch manchmal ... und dann hatten wir Kinder die Aufgabe, "es" im Nachttopf aufzufangen, was nicht immer gelang. Weil unser Haus ganz eingeschneit war, lebten wir ohne Tageslicht und zu allem Ärger blieb auch noch die Uhr stehen; so wußten wir nicht, ob Tag oder Nacht ist. Es herrschte um uns herum völlige Dunkelheit. Kein Mensch hörte unsere Rufe und das Klopfen; die Schneewand, die unser Haus umgab, war zu dick. Nach vielen Stunden, die uns unendlich erschienen, hörten wir von draußen Schaufelgeräusche. Es waren wieder einmal die guten Nachbarn, die uns durch einen Tunnel aus unserer Schneeburg befreiten. In der kalten Jahreszeit war das Heizen ein Problem. Vor unserem Haus, entlang dem Fahrweg, stand eine schöne Akazienallee mit kräftigen Bäumen. An manchen Abenden suchten wir uns einen Baum aus, der dann in der Dunkelheit gefällt, zersägt und ins Haus geschleppt wurde. Am darauffolgenden Tag sah man noch die Spuren. Man drohte uns mit Strafen; doch passierte letzten Endes nichts. Wir hatten keine Wahl. Auch das Futter für die zwei Ziegen mußten wir uns auf unerlaubte Weise beschaffen. Dafür gingen Oma und ich beim Eintritt der Dunkelheit in das nahe gelegene Getreidefeld und achteten immer darauf, daß wir nicht gesehen wurden. Wenn eine Gestalt in der Ferne auftauchte, zitterten wir am ganze Leibe und rannten davon. Eine andere unliebsame Arbeit war das Sammeln von Kuh- und Pferdemist, der mit Wasser verdünnt zum Aufwaschen des Erdfußbodens der Hausinnenräume verwendet wurde. Anfangs stank es fürchterlich, doch mit der Zeit verflüchtigte sich der Geruch. Da wir mit sechs Personen (drei Generationen) in einem 20 m2 großen Zimmer und einer Küche lebten, war es nicht immer leicht, einen Platz zu finden, um die Schulaufgaben ungestört zu verrichten. Die Jahre vergingen, und der Abschluß der 7. Klasse neigte sich dem Ende zu. Man fragte sich, was folgt nun? Wie soll es weitergehen? Mittlerweile hatte ich schon eine leichtere Arbeit. Ich war im Büro beschäftigt mit der Berechnung des Lohnes der Feldarbeiter. Ich staunte damals, daß ich dies nach Anlernen schon selbständig machen konnte. Eines Tages kam Professor Veith, der aus Königsgnad 242
stammte und in Dalga an der Schule in den Klassen fünf bis sieben unterrichtete, zu uns Absolventen der 7. Klasse und gab uns den Rat, das Lyzeum durch Fernstudium zu machen. Er versprach, uns dabei zu helfen und die nötigen Bücher zu besorgen. Herr Veith sprach elf Sprachen, und sein Motto lautete: "Wieviel Sprachen du sprichst, sovielmal Mensch du bist." Lange mußte er uns nicht überzeugen, wir sahen einen Sinn in seinem Vorschlag für unsere Zukunft. Er lehrte uns in den Fächern Mathematik und Rumänisch. Im Fach Französisch half uns ein rumänischer Pfarrer, der am Donaukanal politisch inhaftiert war und jetzt in Dalga als Zwangsdeportierter lebte. Das Lernen nach der Arbeit fiel mir schwerer, als ich gedacht hatte. Meine Freizeit war jetzt sehr eingeschränkt. Manchmal fehlte auch die Kraft oder die Lust zum Lernen nach einem arbeitsreichen Tag. Zweimal jährlich waren Prüfungen am Lyzeum in CaH1ra~i, einer Grenzstadt zu Bulgarien, abzulegen. Wir durften aber Dalga nur bis zu einem Umkreis von 15 km verlassen. Der erste Weg zu den Prüfungen wurde eine Nacht- und Nebelaktion. Wir verschwanden einfach von daheim in der Hoffnung, die Behörde würde unser Fehlen nicht bemerken. In Calara~i besorgte uns Herr Veith bei einer netten, intellektuellen rumänischen Familie ein Quartier. Ein andermal besorgte uns Herr Veith im neuen Dorf Olaru eine Unterkunft. Ich war bei einer Familie aus Königsgnad einquartiert. Man betrachtete mich wie ein eigenes Kind und Mitglied der Familie. Am Ende der Woche war ich besorgt, ob ich wohl die Kosten für Übernachtung und Essen aufbringen könnte. Zu meiner großen Überraschung verlangte die Großmutter des Hauses einen Liter Speiseöl von mir, falls ich mal wiederkäme. Natürlich brachte ich das nächste Mal zwei Liter Speiseöl und 1 kg Zucker mit, aber das hat die Kosten lange nicht gedeckt. Leider weiß ich den Namen dieser deutschen hilfsbereiten und gastfreundlichen Familie nicht mehr, die zwei etwas ältere Töchter hatte, als ich war. Wie gerne würde ich mich heute bei ihnen nochmals bedanken! Calara~i bedeutete für uns etwas Neues, ein Gefühl der Freiheit war damit verbunden. Hier fühlten wir uns wie die anderen Gymnasiasten aus der Stadt, nur hatten wir keine Schüleruniform. Am Tag nach den Prüfungen gingen wir ins Kino oder im Park spazieren, schwammen in der Donau oder mieteten gemeinsam ein Boot und ließen uns am Ufer entlang treiben. Es war einfach schön, so frei und ohne Angst zu sein. Am Ende der Prüfungswoche holte uns der Alltag wieder ein. Wir zitterten auf der Heimreise, weil wir Angst hatten, erwischt zu werden oder daß unser Verschwinden aus Dalga bemerkt worden war. Einmal wurde unser Fehlen aus Dalga entdeckt, vermutlich von einem Spitzel verraten. Beim Heimkommen nahm uns auch gleich die Miliz am Bahnhof in Empfang, und hielt uns einen halben Tag lang fest. Die Jungen mußten den Hof kehren und Holz hacken, die Mädchen das Büro putzen und aufräumen. Man drohte uns zusätzlich, daß wir bei einer Wiederholung nicht so glimpflich davonkämen. Beim nächsten Weg zur Prüfung mußten wir deshalb noch vorsichtiger sein. Mein Kollege Mathias Kolbus und sein rumänischer Freund 243
erkundeten einen neuen Weg, den sie vorher probeweise einmal zurücklegten. Wir gingen abends spät zu Fuß zur benachbarten Bahnstation Bogdana, von dort bis Ciulnita mit dem Zug und danach weiter zu Fuß den Bahngleisen entlang, über Felder und Wiesen. Übernächtigt und müde erreichten wir in der Früh Calara~i um 8.00 Uhr, gerade noch rechtzeitig zu den Prüfungen. Mittlerweile erfuhren wir, daß für die kommenden Prüfungen eine Genehmigung aus Bukarest benötigt wird. Einmal erreichte uns die Genehmigung nicht rechtzeitig; da fälschten wir eine mit einem selbstgemachten Kartoffelstempel. Obwohl es eine schlechte Fälschung war, hatten wir Glück, sie wurde von der Schule angenommen. An diesem Fernstudium nahmen teil: Deutsche, Rumänen, Serben, Ungarn, Bessarabier und Bukowiner. Wir verstanden uns alle gut und halfen uns gegenseitig, wo wir nur konnten. Die Angst und das gemeinsame Ziel hat alle Nationen hier vereint. Endlich kam der Tag, an dem wir frei werden sollten. Das Gerücht verbreitete sich in Windeseile. Es war Ende August 1955, als meine Familie als eine von den ersten, die gute Nachricht erhielt. Nun mußte man nach Bukarest fahren, Formulare ausfüllen und einen Güterwagen zum Heimtransport bestellen. Weil wir als eine der ersten Familien frei wurden, war vieles noch nicht geregelt und in die Wege geleitet. So stießen wir anfangs auf große Schwierigkeiten und Widerstand. Das größte Problem war, daß wir nicht mehr nach Hatzfeld zurück durften, geschweige denn in unser Haus oder in das unserer Großeltern. Wir waren noch immer als "gemeingefährliche Volksfeinde" eingestuft. Aber wohin sollten wir nun? Wer nimmt eine Familie mit fünf Frauen auf? Da erinnerte sich die Oma an entfernte Verwandte und an einen Kriegskameraden Opas aus Freidorf. Also ging unsere Reise nach Temeschburg und von dort nach Freidorf. In der Straßenbahn hörte ich auf einmal deutsch sprechen. Ich traute meinen Ohren nicht, und eine innere Freude mit Heimatgefühlen überwältigten mich. Für Mutti war es sehr schwer, bei unseren Verwandten unser Anliegen, eine Unterkunft für die Familie zu finden, vorzubringen. Doch sie stieß auf offene Ohren und Hilfsbereitschaft. Es waren die Familien Wild, Burian, Wilhelm, Pappert und Perzel, denen es hoch anzurechnen ist, daß sie uns halfen, eine Wohnung zu suchen, den Hausrat, der mittlerweile in Temeschburg ankam, auszuladen und weiterzutransportieren. Der Schulunterricht hatte schon seit drei Wochen begonnen. Wir wollten unbedingt alle drei noch in das neue Schuljahr eintreten. Da stießen wir erneut auf Schwierigkeiten. In dem näher zu Freidorf gelegenen Lyzeum mit deutscher Unterrichtssprache in der Josefstadt, wo Herr Fridolin Klein Direktor war, wurden wir wegen unserer "ungesunden politischen Herkunft" nicht angenommen. Der Direktor ließ sich auf ein Gespräch mit Mutti gar nicht ein. Schweren Herzens machten wir uns auf den Weg zum deutschsprachigen Lenau-Lyzeum, dort stießen wir bei Direktor Herrn Dr. Feichter auf
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ein offenes Ohr. Gerda und ich konnten gleich am nächsten Tag zum Unterricht gehen. Sogar im Internat hätte er uns aufgenommen, doch dazu hatte Mutti nicht das nötige Geld. Annelene konnte das Abendlyzeum besuchen. Ich war sehr glücklich und froh, wieder die Schulbank drücken zu dürfen. Ich nahm meine Schulpflichten von Anfang an sehr ernst und gewissenhaft wahr. Jeder Schultag kam mir wie ein Feiertag vor; ich verstand Kolleginnen nicht, die "schulmüde" waren und das Schulende herbeisehnten. Durch die Fürsprache von Prof. Franz Quitter, einem Kriegskameraden meines Vaters, erhielt ich im zweiten Halbjahr sogar ein Stipendium. Alle freigewordenen Schüler aus dem Baragan, welche die schulischen Voraussetzungen hatten und am Lenau-Lyzeum weiterlernen wollten, wurden von Dr. Feichter angenommen. Einige besuchten das Tages- oder Abendlyzeum, andere waren als stille Zuhörer täglich in der Schule, um sich für die Abschlußprüfungen vorzubereiten. Eines Tages holte mich meine Baraganvergangenheit wieder ein. Bei einer der üblichen Sonntag nachmittags veranstalteten Tanzunterhaltungen in der Schule tanzte ich fröhlich und unbekümmert wie im Baragan. Am Montag morgen um 8.00 Uhr stürmte der Direktor Dr. Feichter in unsere Klasse und erteilte eine donnernde Rüge und Moralpredigt wegen dekadenten Tanzens. Ich war so ahnungslos, verblüfft und überrascht, daß ich im ersten Moment gar nicht wußte, daß ich gemeint war. Ich lebte eben viereinhalb Jahre in einer anderen Umgebung, das machte sich bemerkbar. In Freidorf zu wohnen, war uns nicht lange vergönnt. Wir lebten in einer Kellerwohnung, und als im Frühjahr 1956 nach einem schneereichen Winter die Schneeschmelze begann, stieg das Grundwasser an, und von einer Stunde zur anderen war unsere Wohnung unter Wasser. Nun mußten wir notgedrungen in die Sommerküche der Familie Perzel ziehen. Man stelle sich das vor: Fünf Personen in einem 10 m2 großen Raum, davon drei Schüler die auch lernen sollten! Dieser Zustand war unhaltbar, und nach drei Wochen konnten wir endlich nach Hause nach Hatzfeld, wo wir im kleinen Haus (Austragshaus) ein Zimmer bewohnen durften. Später bekamen wir noch ein Zimmer in unserem großen Haus. Diese Angst, die sich durch meine zum Teil schrecklichen Erlebnisse in der Jugendzeit bei mir entwickelte, beeinflußte auch mein späteres Arbeitsleben. Ich zitterte jedesmal vor Angst, wenn ich zum politischen Personalbüro gerufen wurde wegen meiner Vergangenheit. Dies dauerte bis 1968, als eine allgemeine Rehabilitierung der politisch Verfolgten stattfand. Nach einem Ausspruch von Friedrich Nietzsche "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker", möchte ich die Jahre im Baragan sehen. So habe ich gelernt, das Gute im Leben zu schätzen und das Schwere zu bewältigen und zu überwinden.
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Irene Enea geb. Tatutz und Ottilie Tatutz, geb. Werner Iablanita- Olaru (Ro~etii Noi)
Die Deportation aus der Sicht einer Schülerin und deren Mutter Irene Enea, geh. Tatutz: Ich hatte die 5. Klasse beendet, als wir am 18. Juni 1951 in den Baragan deportiert wurden. Ich erinnere mich an die Verzweiflung meiner Eltern: was nehmen wir mit, was lassen wir hier zurück? Ein Soldat stand auf der Treppe vor unserer Haustür und ein anderer am Hoftor. Ich fühlte mich sehr bedrückt, weil meine Eltern in dieser Zeit nur wenig und sehr leise miteinander sprachen. Ich wollte raus aus dem Haus, aber der Soldat ließ es nicht zu. Meine Mutter bemerkte es, rief mich ins Nebenzimmer und sagte zu mir: "Willst du raus, mußt du den Soldaten höflich bitten und ihm sagen, daß es notwendig ist." Ich befolgte den Rat meiner Mutter und der Soldat ließ mich laufen. Ich lief über den Hof in den Garten. Hier hörte ich plötzlich am Gartenzaun die Nachbarskinder leise meinen Namen rufen. Ich ging freudig zu ihnen hin und sie fragten mich, warum wir weg sollten? Ob die Russen meine Mutter wieder holten? Sie sahen mich mit traurigen Augen an und ich erinnerte mich, wie 1945 spät abends meine Mutter von Polizeibeamten abgeholt wurde. Die Nachbarskinder hielten mich an den Händen fest, als ich weinte, weil mein Vater freiwillig mit nach Turnu-Severin ging und ich allein zurückbleiben mußte. Am nächsten Tag sagte der Ältere von den drei Kindern, daß die Russen meine Mutter abgeholt hätten, um sie zu erschießen. Sie kam aber nach acht Tagen mit meinem Vater wieder zurück und erzählte mir, wie sie mit mehreren Frauen und deren Babys in einem Kellerraum auf dem Zementfußboden gelegen haben. Sie sollten alle nach Rußland transportiert werden, um dort wieder aufzubauen, was das deutsche Militär während des Krieges zerstört hatte. Meine Mutter kam im letzten Moment frei, ehe der Transport nach Rußland abging, weil mein Vater, als Haupt der Familie, Rumäne war. Meine Mutter rief mich von der Treppe aus zu sich ins Haus und so verließ ich meine kleinen Freunde, ohne etwas zu sagen. Unsere Wagen waren um vier Uhr fertig beladen. Die Nachbarn hatten sich auf der Straße versammelt, obwohl die Soldaten sie immer wieder in ihre Höfe zurückdrängten. Frauen kamen weinend mit Brot und Käse zu uns, für den weiten Weg, den niemand kannte. Es kamen immer mehr Leute auf die Straße und weinten, als ob sie an einer Beerdigung teilnehmen würden. Ich konnte das nicht mehr mitansehen und steckte meinen Kopf in eine Decke. Meine Mutter deckte mich zu. Ich kuschelte mich dicht an sie und so bin ich eingeschlafen. 246
Ottilie Tatutz, geh. Werner: Die Frauen der Fuhrmänner riefen weinend: "Wir lassen unsere Männer nicht wegfahren!" Die Männer aber riefen: "Wir werden unseren Lehrer doch nicht aus unserem Dorf fahren, das wäre eine Schande für uns alle." Mein Mann war sehr aufgeregt, lief fortwährend hin und her. Dabei brachte er noch einige zusammengebundene Hühner und legte sie zu mir auf den Wagen. Nach einiger Zeit hörte man Wagenräder rollen. Wir wußten ja nicht, daß noch mehrere Familien dieses Schicksal in dieser Nacht mit uns teilen würden. Die Ochsenwagen erreichten uns bald. Sie kamen alle vom oberen Dorf, waren sieben Familien und hielten hinter uns an. Viele Dorfbewohner liefen lautstark hinter den Wagen her und das veranlaßte die Hunde in den Bauernhöfen zu bellen und zu jaulen. Die Offiziere der Wachmannschaft drängten zum Losfahren, doch es bewegte sich nichts, denn die Fuhrleute von den ersten Wagen waren davongelaufen. Der Lärm war so groß, daß man sich kaum noch gegenseitig verstand. Soldaten sollten die Ochsen antreiben, aber die Tiere scheuten sich, gingen rückwärts und zur Seite. Es gab ein Durcheinander. Die fünf Offiziere mit Pistolen in den Händen waren einen Moment lang ratlos. Es wurde gedroht, aber geschossen wurde nicht. Ein Offizier rief nach meinem Mann. Ich ahnte nichts Gutes und fing an zu weinen. Als aber mein Mann wieder zurückkam, rief er laut in die Menschenmenge: "Liebe Nachbarn und Mitbürger, ich bitte euch, habt Verständnis! Eure Männer fahren nur bis zum Bahnhof Tamna und kommen, sobald sie uns abgeladen haben, wieder zurück. Ihr wißt doch, wenn in unserer Gemeinde etwas schief ging, war ich der Schuldige gewesen. Bitte verschont dieses mal meine Familie! Euer Benehmen bringt uns nichts Gutes, sondern es gibt noch größeren Ärger, wenn Eure Männer nicht kommen und die Ochsen führen. Es kann sein, daß meine Familie bis zum Bahnhof zu Fuß gehen muß und unsere Sachen, die wir so dringend brauchen werden, alle hier bleiben." Die Frauen gingen um ihre Männer und nachdem diese gekommen waren, setzte sich der Treck in Bewegung. Das ganze Dorf war wach geworden und die aufgeregte Menschenmenge kam in dieser Nacht nicht so bald wieder zur Ruhe. Auf dem Bahnhof Tamna wurden wir abgeladen und gegen Abend in Viehwaggons, die alles nur nicht sauber waren, verladen. Nach zwei Tagen und Nächten sind wir am Bahnhof von Calara~i angelangt. Hier nahm uns ein Lastwagen in Empfang und fuhr uns 15 km weit von Calara~i und 3 km hinter Ro~eti auf ein Feldstück mit reifem Weizen. Hier mußten wir abladen. Irene Enea, geh. Tatutz: Auf diesem Feld sammelten wir die Weizenähren, banden unsere wenigen Hühner und den Hahn, die wir in der Eile mitgenommen hatten, wie an einer Kette zusammen und setzten sie ins Weizenfeld. Es war ein sehr heißer Tag. Meine Mutter und ich stellten unseren Eßtisch auf, deckten darüber Tücher und Decken und so war unser Zelt schnell fertig. Ich kroch auch gleich unter 247
den Tisch und hatte großen Durst. Mein Vater war längst auf der Suche nach Wasser. Er durchstreifte die ganze Gegend, fand aber keinen Brunnen. Nach uns kamen immer wieder Lastwagen an, die Leute abluden. Das Wasser war das erste und wichtigste Problem bei uns in Olaru. Meine Mutter, mit einem Krug in jeder Hand, schloß sich mehreren Frauen an, die alle auf der Suche nach Wasser waren. Nach einer längeren Zeit kamen sie mit gefüllten Krügen zurück, aber das Wasser war warm und erfrischte nicht. Ich hatte immer großen Hunger und frage mich noch heute, wie es möglich war, daß wir diese Jahre in diesem elenden Zustand überleben konnten. Mit freiwilliger Arbeit mußten wir Kinder auch helfen das Schulgebäude aufzubauen. Es war der einzige Platz, wo wir Kinder uns trafen und die Zeit verbrachten. Vom Roten Kreuz bekamen wir täglich ein kleines Stück Marmeladenbrot. Ich hatte in dieser Zeit sehr schwache und zu wenig Nahrung, vor allem fehlte das Obst, die Vitamine, trotzdem weinte ich viel, als mein Vater seine Geige und meine Mutter ihr Akkordeon für einige Liter Öl und ein wenig Zucker weggaben. Es folgten alle unsere Armbanduhren, Fotoapparat, usw. Wir konnten uns zwar durch diesen Handel etwas aushelfen, aber die Musik und die Fröhlichkeit meiner Eltern verstummten seit jener Zeit in unserem Haus für immer. An die Professoren, besonders an Herrn Raia erinnere ich mich mit viel Respekt. Er hat mich Physik und Chemie gelehrt und sein ganzes Wissen übermittelt. Ihm verdanke ich es, daß mir dieses Fach lieb wurde und ich heute auch Professorin für Physik und Chemie bin. Die 8. und die 9. Klasse machte ich durch Fernstudium am Gymnasium in Calara~i, wo ich nachweisen mußte, daß ich gearbeitet habe. Unser Arbeitstag fing morgens an, wenn es hell wurde und endete abends, wenn die Sonne unterging. Oft war der Anmarschweg zur Arbeitsstelle 7 und noch mehr Kilometer, so daß ich abends todmüde ankam. Wie und wann sollte ich noch lernen? Ich brauchte doch auch Schlaf. Aber der Ehrgeiz brannte in unseren Herzen. Wir Kinder vom Baragan waren erwachsen geworden und wußten, was aus uns im Leben werden muß. Ottilie Tatutz, geb. Werner: Im Jahre 1956 wurden wir freigelassen, aber wir durften nicht mehr dorthin zurückkehren, wo wir ein Haus hatten und so waren wir gezwungen, ständig umher zu ziehen, nach einem Zuhause suchend. Jetzt in meinem hohen Alter, hat Deutschland uns als Spätaussiedler barmherzig aufgenommen. So haben wir nun endlich die Ruhe, die Freiheit und ein Zuhause gefunden.
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Irene Tatutz (links) mit ihren drei Freundinnen in Olaru.
Foto: 0. Tatutz
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Richard Weber
Erinnerung an den Beginn der Baraganverschleppung Es sprach sich schon längere Zeit herum. Aus den Räumen des neugegründeten Gemeindevolksrates in Großjetscha, wo "Genosse" Botezatu als frischgebackener Volksratsvorsitzender despotisch herrschte, unterstützt von Genosse Trendler "Vizerichter" und Gemeindeparteisekretär, drang so manche Nachricht an die Ohren der Dorfbewohner. Diesmal sprach man von einerneuen Verschleppung. Einige- darunter auch mein Kollege Franz Keller, Mathematiklehrer an der Deutschen Elementarschule - munkelten gar von einer Rußlandverschleppung. Keller meinte: "Bis die uns nicht alle nach Sibirien verschickt haben, gibts keine Ruhe." Seit dem 3. November 1950 unterrichtete ich Naturkunde und Physik/Chemie an der Deutschen Elementarschule in Großjetscha und wohnte bei Familie Adam Martini. Die Vorbereitungen zur Schulabschlußfeier des Schuljahres 1950/51 waren im vollen Gange, wurden aber erheblich durch die genannten "Gerüchte" beeinträchtigt. "Herr Lehrer, Herr Lehrer steht uf, Dir mißt doch in die Schul, heit is doch Abschlußfeier in dr Schul." Mit diesen Worten weckte mich meine Wirtin, Frau Martini, am Sonntagmorgen den 17. Juni 1951. Anschließend berichtete sie mir folgendes: "Ich muß Eich awer saan, daß die Gemeinde voller Zaldate is. Heit Nacht is a ganzes Regiment in die Gemeinde einkrukt. Mer saatdie Verschleppung geht an!" Ich ermunterte sie und meinte, das Militär könnte sich ja wegen Übungen auf dem Gemeindegebiet befinden. Ganz wohl war es mir bei dieser Nachricht jedoch nicht. Ich packte alle meine Sachen in meinen Koffer, verabschiedete mich von meinen Wirtsleuten und begab mich zur Schule. Dort herrschte Aufregung und Verzweiflung. Die Schulfeier wurde zwar durchgezogen, fand aber unter diesen Umständen ein rasches Ende. Nachher versammelten sich alle Lehrer im Lehrerzimmer, um die Sachlage zu erörtern, denn inzwischen wußte man, daß Großjetscha von Militär umstellt war und kein Mensch, weder raus noch rein durfte. Ich wollte aber unbedingt nach Hause, nach Temeschburg und bat Direktor Anton Weber mir eine schriftliche "Delegation" auszustellen, wonach ich seitens der Schule beauftragt wäre, die Lehrergehälter beim Schulamt in Temeschburg abzuholen. Ich bekam auch diesen schriftlichen Auftrag, der von Direktor Anton Weber und Schulsekretär Miklovicz unterschrieben und mit dem Schulsiegel versehen war. So ausgerüstet begab ich mich auch sofort zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof nach Billed. Ich beabsichtigte, wenn es mir die Zeit erlauben sollte, 250
meinen Bruder Willi, der in Billed Lehrer und auch hier verheiratet war, aufzusuchen. Beim Dorfausgang von Großjetscha, am Friedhof in Richtung Billed, stand ein Militärposten. Glücklicherweise ließ er mich nach vorzeigen des von der Schuldirektion ausgestellten Schriftstückes passieren. Die Nebengleise am Billeder Bahnhof waren mit Güterwaggons besetzt. Alle hatten den Aufdruck "Bun pentru cereale", zu deutsch: "Gut für Getreide". Weil in Kürze die Getreideernte bevorstand, hätte man annehmen müssen, daß diese Waggons tatsächlich für den Abtrausport des Getreides bereitgestellt waren. Doch die Menschen ließen sich nicht täuschen und befürchteten eine Verschleppung, ähnlich der vom Januar 1945. Der Motorzug fuhr kurz nach meinem Eintreffen in den Billeder Bahnhof ein, so daß ich keine Zeit mehr hatte, meinen Bruder aufzusuchen und zu sprechen, was mir nachher sehr leid tat. Zu Hause in Temeschburg angekommen stellte ich fest, daß meine Eltern von den Gerüchten und wirklichen Begebenheiten eigentlich garnichts wußten. Der Montag verging auch ohne besondere Vorfälle. Dienstag, den 19. Juni frühmorgens brachte uns ein Billeder Mann namens Alexius, der in der Spiritusfabrik arbeitete und auf dem Weg zu seiner Arbeitstelle an unserem Haus vorbeiging, einen Brief von meinem Bruder Willi. Herr Alexius berichtete, was sich auf dem Billeder Bahnhof alles tut und daß mein Bruder ihm den Brief unauffällig zugesteckt hatte und danach gleich wieder verschwand. Aus dem Wortlaut des Briefes entnahmen wir, daß die Verschleppung von Sonntag auf Montag in der Nacht begann, daß er, seine Frau, deren Schwester, die Tante und seine Schwiegereltern auch unter den Verschleppten sind und daß sie seit Montag unter freiem Himmel auf dem Bahnhofsgelände lagern und von Miliz und Securitate bewacht werden. Er vermutete, daß man sie am seihen Tag einwaggoniert und abtransportiert. Dieser Transportzug wird voraussichtlich über Temeschburg in östliche Richtung fahren. Ich machte mich sofort auf den Weg zum Josefstädter Bahnhof. Dort traf ich unseren ehemaligen Kinderarzt Dr. Peter Feiler, der zum Notarztdienst beordert war. Nachdem er härte, was mich zum Bahnhof getrieben hatte, übergab er mir gleich seine Ärztetasche und gab mich für seinen "Famulus" aus. Nur so konnte ich ungehindert mit ihm die Transportzüge, welche im Bahnhof standen, abschreiten. Es durfte kein Mensch an die Transportzüge heran und mit den Deportierten Kontakt aufnehmen. Ich traf dort mehrfach auf Bekannte. Meinen Bruder leider nicht, denn wie wir es später härten, ist ihr Transportzug erst am Donnerstag den 21. Juni frühmorgens ohne anzuhalten, durchgefahren. Das war einer der letzten Züge, die Deportierte aus der Banater Grenzzone in die Baragan-Steppe führten.
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Richard Weber
Meine heimlichen Besuche im Baragan Es war im Februar des Jahres 1953. Mein Bruder samt Ehefrau, Schwägerin, deren Tante und Schwiegereltern befanden sich im Zwangsaufenthaltsort Dalga in der Baragan-Steppe Rumäniens. Besuche aus dem Banat durften sie keine empfangen. Alle heimlich angereisten Besucher, die von der Miliz erwischt wurden, mußten sofort den Ort verlassen und mit dem nächsten Zug zurückfahren. Da sich mir die Gelegenheit bot, eine landwirtschaftliche Ausstellung in Bukarest zu besichtigen, nahm ich mir vor, auch für einige Tage in den Baragan nach Dalga zu fahren. Dieses Dorf lag etwa 80 Kilometer östlich von Bukarest und etwas nördlich der Bahnstrecke Bukarest-Konstantza. Weil das Aussteigen im Bahnhof von Dalga sehr riskant war, Milizstreifen kamen zu jedem einfahrenden Zug, riet mir mein Bruder bis zur nächsten, sechs Kilometer weit entfernten Haltestelle Bogdana zu fahren. Das auch schon deshalb, weil dort ein ihm bekannter Banater Ungar, namens Kohut, die Stelle des Bahnhofvorstehers versah. Dieser hatte, was aber nicht bekannt war, ebenfalls in Dalga festgehaltene Verwandte. Mein Bruder verständigte mich, daß auch auf dem Bogdanaer Bahnhof ankommende Fahrgäste von der Miliz kontrolliert werden. Deshalb sollte ich vorsichtig sein und mich als Verwandter von Herrn Kohut ausgeben, der von meinem Kommen durch meinen Bruder unterrichtet war. Auch sollte ich mich vor dessen Wolfshund in acht nehmen, der jeden Unbekannten angreift. Vorsichtshalber gab mir meine besorgte Mutter Hühnerknochen mit, um den Hund abzulenken. Dies wurde übrigens von unseren Verwandten in Bukarest, wo ich übernachtete, heiter kommentiert. Die Fahrt von Bukarestin den Baragan verlief ohne besondere Zwischenfälle und ich konnte unbehelligt und wie geplant in Bogdana aussteigen. Während die Milizionäre sich mit etlichen Fahrgästen beschäftigten, ging ich selbstsicher an ihnen vorbei, direkt ins Büro des Herrn Kohut, dem ich mich vorstellte. Er geleitete mich in seine Wohnung und meinte, ich müsse mich gedulden, bis die Luft rein ist. Nach ungefähr 30 Minuten verzogen sich die Neuangekommenen als auch die Milizionäre. Dann begleitete mich Herr Kohut bis zum nahen Gleisübergang und zeigte mir den Weg, der nach Dalga, fast parallel zur Bahnlinie, verlief. Es lag ziemlich hoher Schnee und war verteufelt kalt. Ich hatte zwei Koffer und einen Rucksack. So begann ich meinen sechs Kilometer weiten Fußmarsch Richtung Dalga. Ganz so wohl zumute war mir garnicht, weil ich mal härte, daß hier im Winter Wölfe ihr Unwesen trieben. Nach ungefähr einer halben Stunde kam es mir vor, als bewege sich in der Ferne ein schwarzer Punkt. Mir lief es heiß und kalt über den Rücken. Unwillkürlich mußte ich an die Wölfe denken. Wenn ich stehen blieb, blieb
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auch der schwarze Punkt stehen. Bewegte ich mich vorwärts, kam der schwarze Punkt auch wieder in Bewegung. Ich überlegte, was zu tun wäre. Letztendlich entschloß ich mich, tapfer weiter zu schreiten. Der schwarze Punkt kam immer näher und wurde auch immer größer. Ich konnte aber noch immer nicht unterscheiden, was es eigentlich war. Erst aus ungefähr 300 Meter Entfernung erkannte ich, daß es sich keinesfalls um ein Lebewesen handeln kann. Nach mehreren Schritten schon sah ich, daß mich ein Holzpfahl in Schrecken versetzte. Froh über diesen gefahrlosen Ausgang, beeilte ich mich und legte den Rest meiner Strecke in kurzer Zeit zurück. So gelangte ich müde aber wohlbehalten an mein Ziel, an das am äußersten Dorfrand gelegene Haus, in welchem mein Bruder mit seinen Angehörigen ihr schweres Los zu tragen hatten und in Unfreiheit leben mußten. Ein zweites Mal, Ende Januar 1954 fuhr ich nochmal in den Baragan. Diesmal erwartete mich mein Bruder auf dem Bahnhof von Bogdana mit einer "Sareta" (zweirädriger Einspänner). Im Zug hörte ich über die eingebauten Lautsprecher des regionalen Rundfunks die Durchsage, daß auf dem Baragan ein Schneesturm zu erwarten sei. Ich wußte, daß solche Baragan-Schneestürme verheerend sein konnten, machte mir aber keine besonderen Gedanken darüber. In Bogdana kam ich nachmittags an und ging wieder ins Büro des Herrn Kohut, bis die Milizionäre den Bahnhof verlassen hatten. Mein Bruder hielt sich unterdessen mit seinem Gefährt hinter einem dem Bahnhofsgebäude gegenüberliegenden Schuppen auf, um von den Milizionären nicht gesehen zu werden. Bevor ich noch auf die "Sareta" stieg und mein Bruder mich in eine "Suba" (langer Schaffellmantel) einhüllte, begann schon ein heftiger Wind den fallenden Schnee durcheinander zu wirbeln. Unterwegs verstärkte sich der Schneesturm dermaßen, daß man keine zehn Schritte weit sehen konnte und die zu Eis gefrorenen Schneeflocken auf der Gesichtshaut so stark schmerzten, daß wir unsere Gesichter mit den Mantelkragen schützen mußten. Uns war es unmöglich, in diesem Schneegestöber den Weg zu finden, doch das Pferd schlug einen schnellen Trab ein und fand allein nach Dalga. Mein Bruder mußte das Gespann noch in die Schweinemästerei bringen und kam nachher schon über angewehte meterhohe Schneewehen zu Fuß nach Hause. Die Begrüßung war herzlich, nach dem Nachtessen erzählten wir noch eine Zeitlang, dann gingen wir alle zu Bett. Nachts weckte mich ein sonderbares Geräusch aus dem Schlaf. Es hörte sich an, als würden Motorräder immer wieder ums Haus herum fahren. Der Müdigkeit wegen schlief ich aber wieder ein ohne festgestellt zu haben, woher dieser Lärm kommt. Am Morgen erkannte ich, was diesen nächtlichen Lärm verursacht hatte. Der Schneesturm hatte das Haus bis über das Dach mit Schnee zugeweht. Nach dem Auftauen konnten wir zwar die Haustür öffnen, doch vor dem Ausgang hatte uns der Schneesturm eine unüberwindbare Schneemauer aufgebaut. Auch alle zwei Zimmerfenster und das schmalere Küchenfenster waren vom Schnee gänzlich zugeweht. So von der Außenwelt abgeschnitten, konnten wir 253
den Schnee nicht entfernen, es sei denn, wir hätten ihn in die Wohnung geschaufelt, um einen Tunnel in den Schnee zu graben. Das ging natürlich nicht und so mußten wir auf Hilfe von außen hoffen. Nach einigen Stunden wurde diese Hoffnung erfüllt und der Nachbar, ein guter Bekannter aus Billed, schaufelte ein Fenster frei. Wir konnten nun hinaussteigen und einen Tunnel bis zur Haustür in den hart angewehten Schnee graben. Die zweite wichtige Arbeit war nun, die Schneemassen vom Dach zu entfernen, damit deren Gewicht es nicht eindrückt. Ich als jüngster und auch leichtester sollte aufs Dach. Damit man mich nicht als Fremden erkennt, wurde ich mit einem Kopftuch und einer Schürze verkleidet. So stieg ich aufs Dach und begann den Schnee herunterzuschieben. Nach einiger Zeit sah ich einen Milizionär über einen Schneehügel auf unser Haus zukommen. Sofort setzte ich mich auf meinen Hosenboden und ließ mich vom Dach heruntergleiten. Unten sagte ich meinen Leuten, weshalb ich so schnell vom Dach verschwinden mußte. Der Schwiegervater meines Bruders versteckte mich sogleich in ihrem Keller. Kaum hatte er die Kellertür geschlossen, vernahm ich auch schon die Stimme des Milizmannes, der sich nach dem angerichteten Schaden erkundigte. Nachdem er ein Gläschen Schnaps eingeschenkt bekam und ausgetrunken hatte, ging er davon und wir konnten weitermachen. Auf diesen Schneesturm folgten in den nächsten Tagen noch einige, so daß der Eisenbahnverkehr unterbunden wurde und Eisenbahnzüge auf offener Strecke eingeschneit lagen und die Reisenden entweder in ihren Waggons oder in Notunterkünften von den in der Nähe befindlichen Staatswirtschaften mit Lebensmitteln versorgt wurden. Diese Notlage hatte zur Folge, daß ich drei Wochen in Dalga bleiben mußte. Von weitem hörte man den Lärm der riesigen Schneepflüge tagelang, mit deren Hilfe die Bahnstrecke vom Schnee befreit wurde. Mein Bruder begleitete mich an mehreren Tagen zum Bahnhof um zu fragen, wann ein Zug nach Bukarest fährt. Frühmorgens mußten wir im Dunkeln über unzählige Schneehügel steigen, um überhaupt dorthin zu gelangen. Für den Hin- und Rückweg benötigten wir fast einen halben Tag. Erst nach einiger Zeit konnte uns der Bahnhofsvorsteher mitteilen, daß nur ein einziger Zug von Calara~i aus eingesetzt, über Ciulnita kommend, hier auf dem Bahnhof halten wird. Da dessen Ankunftszeit unbestimmt war, verbrachten wir an dem vom Bahnhofsvorsteher angegebenen Tag fast fünf Stunden auf dem Bahnhof, bis der Personenzug kam. Kaum war er abgefahren, begann schon der nächste Schneesturm, der aber meine Rückfahrt nicht mehr verhindern konnte.
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Richard Weber aus Temeschburg zu Besuch in Dalga mit Schw채gerin Grete und deren Schwester Anna Divo, aus Billed. Foto: W. Weber
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Stefan Heinz-Kehr er
Ein Nichtbetroffener erlebt in Baratzhausen die Baraganverschleppung Im Jahre 1951 schien sich das Leben der Deutschen im Banat zu normalisieren. Die bösen Nachkriegsjahre waren vorbei. 1949 war die große Masse der Rußlandverschleppten heimgekehrt, in den Jahren bis 19 51 fanden zahlreiche Kriegsgefangene aus Ost und West den Weg in die Heimat, legal oder "schwarz". Jene, die schon früher gekommen waren und danach in den Kohlengruben schuften mußten, waren auch schon daheim. Ruhige Zeiten bahnten sich an ... so schien es, doch - der Schein trog. Um den 10.-12. Juni 1951 fiel den Menschen ein Vorgang auf, der als ungewöhnlich empfunden wurde: an allen Bahnhöfen im westlichen Teil des Banats wurden lange Schlangen von leeren Güterwaggons abgestellt, deren Zweck niemand begriff. Der Weizenschnitt hatte noch nicht begonnen und bis zum Drusch war es noch weit, was sollten also diese überzähligen Waggons? Gerüchte gingen um, Fragen wurden gestellt, alles hinter vorgehaltener Hand: Was sollten diese Waggons aufnehmen und abtransportieren? Menschen vielleicht? Wen- und warum? Ein fast lähmender Druck lag über den Dörfern. Obzwar die Abschlußfeiern der Volksschulen erst am 24. Juni erfolgen sollten, beschlossen der rumänische Lehrer und ich, die Schulfeier schon am 17. Juni abzuhalten, für alle Fälle. Die Feier fand im Kulturheim statt, in zwei Sprachen und verlief glatt. Als alles vorbei war, es war Sonntag, begann der Tanz für die Dorfjugend. Josef Marker, mit seiner kleinen aber sehr guten "Schrammelkapelle" spielte auf, abwechselnd rumänische und deutsche Tänze. Die deutsche Dorfjugend tanzte die "Hora" genauso gut wie die Rumänen. In Baratzhausen gab es keine Spannungen, man kannte sich gut und arbeitete zusammen, besonders in den Paprikakulturen, zum Wohle beider Seiten. Die Deutschen waren zwar enteignet, aber es gab noch keine Kollektivierung, sowohl die einheimischen rumänischen Bauern als auch die zugewanderten Kolonisten, etwa 20 Familien Mazedo-Rumänen, bei uns Mazedonier genannt, hatten sich der Kollektivierung widersetzt. Der Tanz dauerte nicht zu lange, etwa bis 10.00 Uhr abends, das Dorf kam zur Ruhe. Etwa um 4.00 Uhr morgens wurden die Menschen aus dem Schlaf gerissen, zumindest in der Hauptgasse. Mit Nägeln beschlagene Militärstiefel klapperten über die Gehsteige. Was ging da vor? Meine Frau und ich wagten kein Licht zu machen. Stumm standen wir am Fenster und lugten durch die Vorhänge. Nichts war zu erkennen, aber auch nichts mehr zu hören. War der 256
Spuk vorbei? Was wir nicht wußten: auch das Dorf war von Militär umstellt! Wir standen früh auf, es war taghell und ich ging vor das Haus, ich wohnte in der Lehrerwohnung in der Schule. Ich weiß nicht mehr wer vorbeiging und es mir sagte: Sie holen Menschen! Ganze Familien! Und nicht nur Deutsche, auch einheimische Rumänen und alle Mazedonier. Alle! Auch die wenigen rumänischen Familien bessarabischer Herkunft. Sieben Stunden gibt man ihnen Zeit, zu packen. Jede Familie bekommt einen ganzen Waggon- kann aus dem Haushalt das Nötigste mitnehmen: Möbel, Bettzeug, Geräte, Werkzeug, auch die Kuh und das Schwein, das Futter dazu und natürlich auch alle Lebensmittel. Einwaggonierung am Bahnhof von Gelu (Ketfel) - Entfernung fünf Kilometer. Schon in der Nacht, gleich nach der Ankunft, wiesen Offiziere mit Namenslisten ihre Trupps in Höfe ein, deren Besitzer aber nicht geweckt werden durften. Man mußte warten, bis die Leute von selbst aufstanden, den Arbeitstag zu beginnen. Als die Leute dann aus dem Haus traten, starrten sie auf Bajonette, die man ihnen entgegenhielt. Der Schock war ungeheuer. Frauen schrien auf, wurden zum Schweigen gebracht. Die Soldaten waren gut instruiert, es waren Kampftruppen der Staatssicherheit- Securitate. Als unsere Kinder aufstanden, damals 10 und 14 Jahre alt, wußten wir schon, wer von ihren Kameraden fort mußte. Aber auf das "Warum" unserer Kinder hatten wir keine Antwort. Männerund Frauen, vor zwei Jahren erst aus Rußland heimgekehrt, fürchteten nun, mit der ganzen Familie nochmals den bitteren Weg dorthin antreten zu müssen. "Warum, weshalb und wofür?" waren die bohrendsten Fragen, auf die niemand eine Antwort wußte. Auf dem Bahnhof von Gelu-Ketfel trafen sich Deportierte aus vier Dörfern: Aus Ketfel (Serben und Deutsche), aus Kleinsiedei (fast nur Deutsche), aus Kleinsanktpeter-Totina (69 Personen Deutsche und 60 Familien Mazedonier) und aus Baratzhausen (10 Familien mit 34 Personen Deutsche und 20 Familien Mazedonier). Die Einwaggonierung zog sich über mindestens zwei Tage hin, die Leute mußten im Freien übernachten, mit ihrer Habe und den Haustieren. Mich quälte die Frage, wieviele meiner Totinaer Landsleute es betroffen hatte, vielleicht aber auch Mitglieder meiner Familie? Wie aber in das Lager am Ketfeler Bahnhof zu kommen, war es doch vom Militär umstellt. Da zwei meiner Schüler aus der 4. Klasse unter den Deportierten waren, stellte ich ihnen die Zeugnisse aus, begab mich nach Ketfel zum Bahnhof und erklärte den Posten, daß ich diese Zeugnisse unbedingt zustellen müsse. Sie ließen mich in das Lager mit Hunderten von Menschen - und es währte nicht lange, bis ich meine beiden Schwestern mit Ehemännern und fünf Kindern, davon zwei Säuglinge, in ihrem Elend antraf, insgesamt 69 Deutsche aus diesem kleinen Ort. Und über allem die bohrende Frage: Wohin wird die Reise gehen? 257
In Totina gab es auch einen Selbstmord. Ein älterer Landsmann aus dem serbischen Banat, der die Tito-Vernichtungslager überlebt hatte, 1949 nach Rumänien entkam und von einer Witwe aufgenommen wurde, erhängte sich, als er den Befehl erhielt, sich für den Transport vorzubereiten ... Erst nach dem Abtrausport der Betroffenen erfuhren wir: Die Baragan-Steppe war das Reiseziel ... Schon vierzehn Tage nach dem Abtrausport rückten militärische Arbeitsbataillone in das westliche Banat ein und begannen, entlang der jugoslawischen Grenze, mit dem Bau von Bunkern und anderen Befestigungen - in drei Hauptlinien, bis hinunter zur Donau. Um diese Bunker "ungestört" erbauen zu können, mußten alle "unzuverlässigen Elemente" zwangsumgesiedelt werden. Das Leben der Verschleppten aus Baratzhausen ging auch im Baragan weiter: zwei Ehen wurden geschlossen, vier Kinder wurden geboren und eine junge Frau starb, kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes. Bald nach dieser Großaktion, die auch die Zurückgebliebenen erschüttert hatte, begann eine Kampagne zur Gründung der Kollektivwirtschaften. Es gab keinen Widerstand mehr, die Ängste vor ähnlichen Repressalien waren zu groß. Die Baraganverschleppung aus heiterem Himmel, sechs Jahre nach dem Ende des Krieges, schlug tiefe Wunden, die niemals heilten und das Bestreben, nach Deutschland auszuwandern, wachhielten.
Drei Generationen der Familie Wolf aus Triebswetter in Rachitoasa.
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Foto: Dr. W. Wolf
Brigitte Hehn
Der Baragan Betrachtungen aus der Sicht der jüngeren Generation Wenn unsere Großväter und Väter, die die beiden Weltkriege, die sibirische Verbannung und die Verschleppung in den Baragan miterlebt haben, um all das gebracht worden sind, was sie in ihrem Leben erstrebt und erhofft hatten, so hat man doch auch an uns, der Nachkriegsgeneration, ein Verbrechen begangen: wir sind um unsere eigene Geschichte betrogen worden. Die Geschichte Rumäniens gab's in mehreren Fassungen: mal als einfache Schilderung historischer Begebenheiten, mal umfangreich und detailliert dargestellt, zugeschnitten auf das Alter der Schüler, die damit konfrontiert wurden. Die Geschichte Rumäniens war aber lediglich die Geschichte der Rumänen. Die Banater Schwaben wurden, wie auch alle anderen Minderheiten, bloß beim Namen genannt, ohne näher besprochen zu werden. Wer sich also Gedanken über seine Vorfahren machte, der war auf sporadisch publizierte Zeitungsartikel oder Bücher angewiesen und auf das, was ihm seine Angehörigen zu erzählen wußten. So lernte ich denn die Schneestürme des Baragan schon in meiner frühen Kindheit kennen. Wenn Großmutter mir mit Vorliebe das Märchen vom Rotkäppchen erzählte, so wußte der Großvater viel Abenteuerliches aus den Kriegsjahren und der Baraganzeit zu berichten. Und irgendwie kam es dann, daß ich den Bombenangriff, den mein Großvater unter einem serbischen Apfelbaum überlebte, mit derselben Spannung und Ergriffenheit wahrnahm, wie den Augenblick, in dem der Wolf das Rotkäppchen verschlang. So erhielten denn auch Opas Berichte den Stellenwert fiktiver Geschichten, und als ich aus dem Märchenalter herausgewachsen war, der Großvater dennoch unermüdlich immer dieselben Begebenheiten erzählte, kam der Zeitpunkt, an dem ich ihrer so überdrüssig wurde, daß ich sie nicht mehr länger mit anhören konnte. Jahre später fand ich in einem alten Koffer auf dem Dachboden ein ziemlich vergilbtes Heft, mit einer mir unbekannten Handschrift. Es war ein Tagebuch aus dem Baragan. Ich las es, und plötzlich wurde mir klar, daß das, was ich da in den Händen hielt, ein Stück Banater Geschichte war. Großvaters Erzählungen fielen mir wieder ein, die jetzt gar keine mehr waren, sondern furchtbare Tatsachen, so greifbar nahe, als hätten sie sich eben erst ereignet ... Ich begriff, wie wertvoll dies alles für mich war. Aus diesem Tagebuch einen (gekürzten) Auszug:
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Brate~,
1955, Monat Mai "Unerwartet wurde unser friedliches, glückliches Familienleben in einer Stunde für immer zerstört, vernichtet; - wir aufgerafft, einwaggoniert und am Ende der Welt unter freien Himmel geworfen. Was war das für Entsetzen, als unsere Tochter zu Hause die erste Karte von uns erhielt, aus deren Poststempel sie herausbuchstabierte, in welcher Gegend wir sind, und zwar hinter Galati, neben dem Dorf Frumu~ita. Und welche Freude war es, als wir die erste Karte aus der Banater Heimat erhielten, und ich nach einer Woche- wie ein Wunder - ein Paket vom Postwagen herunterhob, dabei mich mein Mann sogar abfotografierte! Schon nach einem Jahr starb mein Mann, und ich blieb allein zurück. Für meinen Unterhalt mußte ich jetzt selber sorgen und so kam mir der Gedanke, als freiwillige Briefträgerin in ein oder zwei Gassen tätig zu werden. Morgens ging ich von Haus zu Haus und sammelte die Briefe ein, welche die Leute an ihre Angehörigen daheim senden wollten. Diese trug ich dann zum Postamt und warf sie ein, übernahm auch gleich die Briefpost, Zeitungen, Geldsendungen und Pakete alljener Landsleute, die vor lauter Arbeit dafür keine Zeit hatten. Die Leute haben sich sehr gefreut, wenn sie mich kommen sahen. Von weitem schon riefen sie mir entgegen: "Gibt es etwas?" Oft baten sie mich, auch dann bei ihnen einzukehren, wenn ich keine Post für sie hatte, das Erzählen war ihnen auch sehr wichtig, denn wie es so heißt, "vom Rasiererund vom Briefträger erwartet man die Tagesneuigkeiten." Die Leute haben mich in der Zwischenzeit so liebgewonnen, daß sie mir oft und gern etwas von ihren Lebensmitteln abgeben: ein Stück Brot, Kuchen, Eier, Milch oder Gemüse, so daß ich von einem Tag zum anderen leben kann. Vier Jahre lang arbeite ich jetzt schon als Briefträgerin: tagtäglich gehe ich, Sommer wie Winter, durch die Gassen, in der größten Hitze, bei Wind und Schneesturm, um die Leute zufriedenzustellen. Die Post allein verbindet uns doch mit der Heimat. Da beschloß auf einmal der "Sfat" einen Briefträger einzustellen, der pro Monat einen Lei pro Haus bekam. Meine Lage änderte sich dadurch aber nicht, denn ohne zu zögern hat dieser Briefträger mir meine Gassenpost und 15-20 Zeitungen überlassen. Ich trage sie aus und spare damit nicht nur ihm die Schritte, sondern bezahle ihm auch noch zwei Lei aufs Monat. Noch interessanter ist es, daß die Leute, obwohl sie ihm einen Lei bezahlen müssen, doch lieber sehen, wenn ich komme, denn er trägt die Post nur jeden zweiten oder dritten Tag aus, oder aber verteilt sie am Brunnen, was so viel bedeutet, daß jeder die Karte schon gelesen hat, bis sie endlich in die Hand ihres rechtmäßigen Besitzers kommt. Als Briefträgerin kann ich hier so manche Beobachtung und Erfahrung machen, die mir wichtig genug erscheint, so daß ich sie hier auf diesem Papier für immer festhalten möchte. Wir sind 700 Familien hier, es herrscht ein großer Postumsatz. In diesen vier Jahren sind von mir und von anderen hunderte und hunderte Briefe in die 260
Banater Heimat gesandt worden, hier angekommen und - sagen wir - nur wenige davon sind verlorengegangen. Soeben lese ich eine Notiz, die ich selbst geschrieben habe: "1951, der 9. August. Noch im Elend, noch immer im Freien, im Rohrgebiet. Bei so viel Elend und Leid vergeht einem die Lust und Ambition ins Tagebuch zu schreiben! Nur die Post könnte uns Freude bringen, aber auch damit klappt es nicht!" Ja, Ärger gibt es überall! Der "Factor" sagt öfters, das Altdorf kriegt in einem Jahr nicht so viel Post wie wir im Neudorf an einem Tag bekommen. Oft sind es bis zu 200 Briefe. Mit der Briefpost gibt es groß keinen Ärger, dafür aber mit den Geldsendungen. In einer Zeit haben viele Familien Geld von Großjetscha gesandt, aber keiner der Angehörigen hatte das Geld erhalten. Was steckte wohl dahinter? Irgendwann kam dann heraus, daß der Postangestellte in Großjetscha 17.000 Lei unterschlagen hatte. Ähnliche Betrügereien gab es noch viele. So übernahm einmal ein 14jähriges Mädchen Geld für seine Familie, das die Angehörigen aus dem Banat geschickt hatten. 150 Lei hätten ihm ausgehändigt werden müssen, aber nur 100 Lei hatte es erhalten. Die restlichen 50 Lei hatte sich der Postbeamte angeeignet. Schlimmeres noch erlebte eine Bekannte von mir: der Postbeamte hatte den gesamten erwarteten Geldbetrag in seine eigene Tasche gesteckt. Und dies sind keine Einzelfälle. Immer wieder kommt es vor, daß man erst nach einer Reklamation zumindest einen Teilbetrag des Geldes ausgehändigt bekommt, das einem zusteht. Noch mehr Ärger als mit den Geldsendungen gibt es mit den Paketsendungen. So hat eine junge Frau ihrem Mann, der bei den Soldaten war, einmal ein Päckchen mit Lebensmitteln geschickt, das jener aber nie erhalten hat. Der "Factor" und der neue Briefträger hatten sich den Schinken und den Speck gut schmecken lassen. Viele unserer Leute schickten am Anfang von hier Kistchen mit Marmelade heim, dort kamen aber bloß dicke, schwere Steine an. Auch vieles, was man hier nicht in diesem Staub und Regen aufbewahren konnte, wurde wieder heimgeschickt. Eine Bekannte wollte zwei Seidensteppdecken nach Hause schicken, es kamen alte Teppiche an. Meine Damasttischwäsche, die ich ebenfalls heimgeschickt habe, sollte meine Tochter nie mehr zu sehen bekommen, was sie erhielt, war ein altes Bettuch mit Blechknöpfen dran. Manchmal waren in den Paketen, die aus dem Banat kamen, statt Wurstwaren vom "Schlachten" Kartoffelschalen drin. 1955 zu Ostern war der Schwindel ganz groß. Fast die Hälfte der Pakete war aufgebrochen worden, in vielen waren statt der erwarteten Sendungen Kleie, Schrot oder Salz drin. Vielen Menschen kamen die Tränen, als sie feststellen mußten, daß auch sie den Räubern zum Opfer gefallen waren. Wer kann nur so gewissenlos sein, so unglückliche, arme Menschen auch noch zu berauben? Niemand von uns ist noch drauf gekommen, wo das geschieht: hier, auf dem Weg hierher, oder gar noch im Banat? Ich wüßte noch viel zu schreiben, daß einem das Papier drüber ausgeht und auch die Zeit. 261
Aber die zutreffenden Schlußworte sagte immerhin der "Factor": Als eine Frau feststellte, daß ein Paket, das sie soeben erhalten hatte, geplündert worden war, lief sie sogleich zur Post und drohte, sie würde den Fall der Securitate melden. Der Factor lachte und rief ihr laut zu: "Strenge dich doch nicht an, und bilde dir ja nicht ein, daß du das Stehlen in der Moldova abbringen wirst!" Ob das Stehlen in der Moldova mittlerweile schon abgekommen ist, weiß ich nicht zu berichten. Aber eine gesunde Entrüstung über alles, was ungerecht ist, verbunden mit dem Wunsch, diese unsere Welt um ein kleines Stückehen besser zu machen, ist bestimmt erstrebenswert. Davon angesprochen sollte sich vor allem die jüngere Generation fühlen. Aus dem Vergangenen sollten wir die nötigen Schlußfolgerungen ziehen und helfen, die Zukunft mitzugestalten. Wenn schon bald der Schlußstrich unter die Geschichte der Banater Schwaben auf dem Gebiete Rumäniens gezogen werden sollte, so stehen wir doch hier, in unserer neuen Heimat, wieder vor einer Reihe von Problemen. Der Wunsch nach einer möglichst raschen, nahtlosen Eingliederung, das Bestreben, nicht länger als Aussiedler aufzufallen, endet oft in einer perfekten Mimose: kaschieren wir nicht unser Anderssein, indem wir an der Oberfläche jene Veränderungen vornehmen, die darauf hinweisen, daß wir voll "im Trend der Zeit" liegen? Vom Haarschnitt über die Bekleidung bis hin zu den Automarken, die gerade "in" sind, "stylen" wir unser Leben so, daß vom Banater Schwaben fast nichts mehr zu sehen ist. Auch sprachlich vollziehen sich Veränderungen. Manch einer versucht erfolgreich, unser "Schwowisch" nicht etwa zugunsten der deutschen Hochsprache zu vergessen, sondern zugunsten der hier gängigen Dialekte. Warum diese krasse Selbstverleugnung? Sind wir denn erst dann eingegliedert, wenn wir uns selbst aufgegeben haben? Ich finde, Eingliederung ist die innere Bereitschaft, in der Geschichte des bundesdeutschen Volkes aufzugehen. Und diese Bereitschaft kann nur aus der Kenntnis und dem Bekenntnis zu unserer eigenen Geschichte resultieren. Eingegliedert sind wir erst dann, wenn wir den Mut behalten haben, unsere kleinen Eigenheiten, die uns unverkennbar machen, zu bewahren, und wenn wir uns noch gern an das erinnern, was in der alten Heimat war, auch an den Krieg und die Jahre im Baragan.
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Wilhelm Weber
Heitere Begebenheiten aus einer leidvollen Zeit Wie in jeder Lebenslage gab es auch während der Badgau-Deportation und danach im Zwangsaufenthalt Momente, die zur Aufheiterung der Betroffenen beitrugen und sie für einige Augenblicke ihr schweres Los vergessen ließen. Als wir am Billeder Bahnhof nach drei Tagen des Wartens, mit letzter Kraft, im größten Leid mit dem Einwaggonieren unserer Habseligkeiten beschäftigt waren und auf Umwegen erfahren hatten, daß der Baragan und nicht Rußland unser Endziel ist, sagte unser Nachbar, der Vetter Klos zum Vetter Peter: "Pheder hascht der a e Spate mitkhol?" "Jo", saat de Pheder, "for was dann?" "Na, dascht noch e Spatestich aus de Zimmre rausgrawe kannscht, daß doch unser hoche Schänk ningehn", saat de Klos. Anscheinend wußte unser Vetter Klos noch aus seiner Militärzeit, daß dort im rumänischen "Altreich" die Häuser klein und die Zimmer niedrig waren. Was hätte er wohl gesagt, wenn er noch am Billeder Bahnhof erfahren hätte, daß wir nicht in Häuser einquartiert werden, sondern auf einem Stoppelfeld, unter freiem Himmel ohne Schutz vor Hitze, Wind und Regen, eine gewisse Zeit wohnen müssen. In der Mehrzahl wurden solche Leute in die Baragan-Steppe deportiert, die viel arbeiteten, sich so hochwirtschafteten und sparsam mit ihrem Geld umgingen, daß sie sich es nicht gönnten ins Wirtshaus zu gehen. So ergab sich dieser rumänische Spruch: "Cine a strans ban cu ban a ajuns pe Baragan. Cine a dus bani la MAT'~ a ramas in Banat." *
MAT Abkü rzung fü r AlkoholmonopoL Im Volksmund gebräuchlich für Wirtshaus
Das heißt auf deutsch: "Wer sparte jeden Ban (Pfennig) kam in den Baragan. Wer aber trug sein Geld zur MAT blieb im Banat." Dieser Spruch kann aber nicht verallgemeinert werden, denn es blieben sehr viele fleißige und sparsame Leute in der Grenzzone im Banat zurück und in den Baragan wurden auch solche verschleppt, die ihr Geld nicht zusammenhalten konnten und es auch dort in der MAT vertranken. 263
Auf einem Bahnhof in der Baragan-Steppe, wo Banater Landsleute ausgeladen wurden, trug sich folgendes zu: Der erste Wagen war mit Möbelteilen und Hausrat beladen und der Vetter Jakob bereitete sich darauf vor, abzufahren, während die Weß Lissi im Waggon blieb, um auf die restlichen Sachen aufzupassen. Beim Anfahren rief sie noch dem Vetter Jakob nach: ,,Jokob, schau dascht e Haus findscht, was groß genuch is, daß unser Sach alles Platz hat." "Jo, Jo", saat de Vetter Jakob "du kannseht dich uf mich verlosse." Wie er zruckkumm is, froot die Weß Lissi: "Na hascht so e Haus gfun wu Platz genuch is?" Do saat de Vetter Jakob: "Jo, jo, dort is soviel Platz, meh wie derhem un sehen hell un luftig is es aa." Damit sagte er nur die volle Wahrheit, denn auf dem Stoppelfeld, wohin er alles abladen mußte, war es hell, luftig und war viel Platz.
Anna Kraus Moritzfeld- Ezerul (Cacomeanca Noua) Wir waren mit unseren Habseligkeiten unter freiem Himmel abgeladen worden. Jeder behalf sich so gut er konnte, spannte eine mitgebrachte Decke oder Teppich aus oder grub sich in die Erde. Es gab nur einen einzigen Brunnen im Tal und der gehörte dem Staatsgut. Erst nach drei Monaten wurden Brunnen gebohrt. Wasser brachte man uns ab und zu in großen Behältern. Wir waren unter Aufsicht, durften uns nicht fortbewegen und mußten Häuser bauen. Als die Lehmhäuser fertig gestampft waren, war uns klar, daß die Wände nun auch verputzt werden mußten, um nicht von der Witterung aufgelöst zu werden. Da fragten wir die Leute aus dem Altdorf Cacomeanca, wie das zu machen wäre. Die Antwort lautete: "In welcher Misere müßt ihr wohl gelebt haben, wenn ihr nicht mal Häuser schmieren könnt." Die hatten ja gar keine Ahnung in welch' prächtigen und geräumigen Steinbauten wir im Banat gelebt hatten. Also sammelten wir fleißig Pferdeäpfel und schmierten nach ihrem Rezept unsere Häuser.
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Briefe Stefan Diplieh Großkomlosch- Mazareni (Urleasca Noua) Urleasca Noua (bei Braila), 16. Juli 1951 Liebe Eli, liebe Kinder! Vor einem Monat hat man uns frühmorgens aus den Betten geholt und fünf Stunden Zeit gegeben, um alles zusammenzupacken und zum Bahnhof geführt zu werden. Dort stand für jede Familie ein Waggon bereit. Wir konnten alles mitnehmen, aber nur sieben Hühner und die Geiß. Nach vier Tage langer Fahrt kamen wir hier in Muntenien an. In einer Weizenflur wurden wir abgeladen, ein halbes Joch sollte uns gehören. Den Weizen mähten wir, aber ein Obdach fehlte uns. Ich hob eine Grube aus und nachdem wir die Weizenkörner aus den Ähren geklopft hatten, deckten wir die Grube mit dem Stroh. Dann machten wir Ziegel aus Lehm. Einen Brunnen haben wir selbst gegraben, aber das Wasser ist hart gesalzen. Besseres Wasser ist an der Bahnstation, vier Kilometer weit entfernt. Eine Straße kommt von Bulgarien, sie geht bis Arad. Sie wurde von den Deutschen gebaut, ist wie ein Tisch glatt, darauf darf kein Traktor fahren. Hier sind 17.000 Joch Feld, das einst den Bojaren gehörte, alles mit Weizen, Mais, Erbsen und Hirse bebaut. Das Feld wird von der Ferma mit Maschinen bearbeitet. Da wo man uns abgeladen hat, ist alles ausgemessen für ein Dorf mit geraden Straßen, gleichen Häusern, die entweder gestampft oder mit selbstgeschlagenen Lehmziegeln gebaut werden sollen. Unser Haus wird 8 m lang und4mbreit sein. Dazu braucht man 2.300 Stück Ziegel, die 38 cm lang, 20 cm breit und 12 cm dick sind. Die Mauer ist so dick wie die Länge der Ziegel. Der Volksrat, die Miliz, die Fürsorgestelle und die Genossenschaft sind in Bretterbaracken untergebracht. Dort kann man nur gegen Gutscheine einkaufen und diese erhält nur derjenige der baut, Ziegel schlägt für sein Haus zu bauen oder bei der Ferma arbeitet. Viele verkaufen ihre Pferde für 50.000 Lei an die Militärkommission. Hier ist guter Boden, nur wird er schlecht bearbeitet. Wir haben so vier Sack Weizen ausklopfen können, den können wir auf der Mühle mahlen. Sogar Backöfen haben wir schon gebaut, aber kein Fett, kein Öl. Das braune Brot kostet 50 Lei, das weiße 100 Lei das Kilo. Der neue Weizen kostet 3.000 Lei und man sagt, er soll nach der Druschzeit billiger werden. Die meisten arbeiten auf der Ferma, wo sie auch das Mittagessen bekommen, das jedoch sehr schwach ist. Natürlich fehlt es an allem. Manchmal kommt ein Wagen mit kleinen Aprikosen, 20 Lei das Kilo und Birnen 60 Lei das Kilo. Wir haben aber kein Gemüse und keine Kartoffeln. Es regnet hier viel zu wenig und der tägliche Ostwind und die große Hitze trocknet alles aus. Diese verursacht uns 265
großen Durst. Von Komlosehern hörten wir, was es zu Hause neues gibt, doch hätten wir gerne Post. Ich habe meinen Nachbarn gebeten, daß er sie mir sendet. Jetzt bitten wir auch Dich, liebe Eli, schreibe unseren Kindern (nach Deutschland), sende diesen Brief mit, da wir nicht wissen, ob es uns erlaubt ist, in die Zone zu schreiben. Wir hörten, daß Frau K. zwei Tage nachdem sie fort war, ihre Ausreisebewilligung erhielt. Wir sind an die 150 Familien, rumänische und deutsche hier. Unser Feld zuhause ist alles in die Kollektivwirtschaft übergegangen. Da wir nun eine Adresse haben, so sende ich sie Dir und bitte Dich, zu schreiben. Recht herzlichen Gruß an Deine Schwiegereltern, an Dich und die Kinder. Euer Vater
Königsgnader Landsleute aus Olaru zu Besuch bei Familie Panhartekin Pelican. Foto: J. Panhartek
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Elisabeth Stein, geb. Merschdorf Tschakowa- Vii~oara (Marcule~tii N oi) Bucu,22.Juni 1951 Lieber Willi! Wir sind heute Nacht um 1.00 Uhr hier angekommen. Unsere Reise führte über Lugosch, Diemrich, Karlsburg, Schäßburg, Stalinstadt, Sinaia, Plojescht, Urziceni, Slobozia nach Bucu. Um 8.00 Uhr wurden wir auswaggoniert und nun sitzen wir hier im Freien und warten auf den Wagen. Es heißt sechs Kilometer von hier, auf einem Staatsgut, sollen wir plaziert werden ... Es grüßt Dich Deine Schwester Liesl
Bucu, 4. Juli 1951 Lieber Willi! ... Es kamen Pferdefuhrwerke und Leute aus dem Dorf, die halfen alles auf den Wagen zu schmeißen ... Mit drei Wagen kamen wir an. Es war fast finster und wir warfen unsere Habe ins hohe Sudangras. Eine jede Familie bekam einen Hausplatz zugeteilt. Kannst Dir vorstellen, wie schwer es uns allen war, als wir sahen, wohin man uns brachte. Tata mähte Gras, wir stellten ein Bett auf und deckten es mit Gras zu, denn es fing an zu regnen. So schliefen wir alle im Freien. In den nächsten Tagen waren wir krank; sehr heiß war es tagsüber und wir hatten kein Trinkwasser. Kein Baum und kein Strauch ist zu sehen, es ist eine Steppe. Hans Geist, der seine Pferde hier hat, fährt so zwei bis drei Kilometer weit um Trinkwasser und teilt es aus ... Viele Reisfelder sind hier und viele Sträflinge die sie bearbeiten, bewacht von Soldaten ... So 700 Familien sind hier, aus Warjasch, Triebswetter, Deutsch-Stamora, Moravitz, German, Perkos, Gataja, Talwad und Tschakowa ... Jetzt haben wir so eine Art Hütte mit Möbeln (Schränken) und einem Teppich aufgebaut ... Sie wünschen wir sollen schon morgen anfangen Ziegel schlagen, so 2.500 bis 3.000 Stück braucht man angeblich für ein Haus . . . Wir haben einen Hausplatz in der C-Straße und die anderen Hausplätze wurden so verteilt ... In unserer Nähe, in einer anderen Straße haben die Ärzte Dr. Stollmaier, Dr. Papp und Dr. Löbl ihre Hausplätze ... Etwas weiter weg, am anderen Dorfrand sind die Perkoser. Darunter unsere Großeltern Josef und Magdalena Dutschak, geb. Kudler, unser Großonkel Andreas Dutschak (Prof. für Latein und Alt-Griechisch, Piaristenprior), dann Josef und Elisabeth Kudler, mit Tochter Anna, Michael und Katharina Kudler mit den Töchtern Katharina und Eva, unsere Verwandten ... Auch unsere Uroma Magdalena Kudler ist hier ... Von der Miliz werden wir ständig verhört und auch durchsucht ... Wir kochen auf unserem Petroleumkocher. Brot bekommen wir nicht, weil wir Mehl von zu Hause haben. Können aber kein Brot backen, weil keine 267
Hefe ist. Heute war die Miliz wieder kontrollieren wieviel Mehl wir haben. Wir denken, wenn wir kein Mehl mehr haben, werden sie uns doch eine Brotkarte geben ... Waschen gehen wir so zwei Kilometer weit in die Reisfelder . . . Sobald das Sudangras auf unserem Grundstück alle ist, haben wir für unsere Kuh kein Futter mehr ... Wo die anderen Tschakowaer sind, wissen wir nicht, angeblich gibt es noch 15 solch' guter Plätze. Wir wissen nicht, warum wir wie die größten Verbrecher behandelt werden. Unsere Bewachung meint, wir seien Ausbeuter gewesen und die anderen würden zu Tito halten ... Seit einigen Tagen können wir beim Staatsgut im Gemüsegarten arbeiten, bekommen etwas Geld und Gemüse. Dort arbeiten viele ehemalige rumänische Offiziere, die einer kommunistischen Säuberungsaktion zum Opfer gefallen sind ... Dies können wir alles schreiben, weil der Brief in Bucu von unserem Bekannten Aliman Costache in seinem Namen aufgegeben wird. Dieser Rumäne wohnte vor Jahren bei uns im Haus (in Tschakowa), als er seinen Militärdienst im Banat ableistete ... Bei einem eventuellen späteren Besuch kann er Dich auf Umwegen zu uns bringen. Jetzt aber auf keinen Fall, denn die Miliz fragt ständig nach Dir ... Es grüßt Dich Deine Schwester Liesl
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Ein Mann aus Tschakowa Tschakowa- Valea Viilor (Fete~tii Noi) Fete~tii
Noi, 29. Dezember 1952
Erst am 23. Juni 1951 kamen wir in Fete~ti an, wurden dann sechs Kilometer weiter auf einem Baumwollfeld abgeladen. Kein Baum und kein Wasser. Unser Kind weinte ständig vor Hitze und Durst. Eine Hütte konnten wir uns nicht bauen, da wir nur Baumwolle als Material zur Verfügung hatten. Darum haben wir die Schränke aufgestellt und den Teppich darauf festgenagelt. Am 24. Juli 19 51 regnete es zum ersten Mal. Da setzten wir das Kind unter den Tisch und wir standen mit unseren Sachen unter freiem Himmel, warteten bis der Regen aufhörte. Im ersten Jahr wurden wir oft von Miliz und Securitate verhört und bedroht. Unser Ort wurde "Valea Viilor" (Tal der Weingärten) benannt und zählt 658 Häuser. Die Leute stammen aus folgenden 20 Banater Dörfern: Alt-Beba, Alt-Beschenowa, Billed, Bobda, Dolatz, Gottlob, Groß-Sankt-Nikolaus, Johannisfeld, Keglewichhausen, Klein-Omor, NeuMoldowa, Obad, Petroman, Sackelhausen, Tolwad, Tschakowa, Tschebsa, Tschene, Walkan und Warjasch. Unsere Häuser hatten wir meist gestampft und mit Schilf gedeckt, welches wir aus der "Bald.", einer sumpfigen Insel zwischen der Donau und dem Donau-Arm Borcea, brachten. Das Wasser für den Bau lieferten Einheimische in Fässern aus der Borcea. Wir bezahlten 50 Bani für den Eimer. Im Dezember 1952 sind vom anhaltenden Sturmregen 27 Häuser geweicht und eingestürzt ... "
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Hans Holzinger Ostern- Schei (Stancuta Noua) Stancuta Noua, 20. Dezember 1951 Lieber Ota! Mit diesem Brief will ich Dir einiges über meine Zwangsumsiedlung aus der Technischen Baufachschule Temeschwar und über unser neu erbautes Haus auf dem zugeteilten Grundstück schreiben. Wie Du weißt, nachdem ich das Praktikum in Arad auf der Baustelle beendet hatte, kehrte ich nach Temeschwar in das Schulinternat zurück. Dank der Gutmütigkeit der Schulverwaltung hatte ich im Hinterhof in einem kleinen Zimmer Unterkunft bekommen. Tagsüber arbeitete ich auf der Baustelle, die mir Professor Hubert verschaffte. Mehrere Schüler und Studenten, deren Eltern in den Baragan verschleppt wurden, sie aber in Temeschwar in verschiedenen Schulinternaten untergebracht waren, hofften auch in diesem Schuljahr die Schulen zu besuchen. Der kommunistischen Partei und Miliz war dies nicht unbekannt und es erfolgten abends und nachts Razzien in den Schulen und Internaten. Die Gefaßten wurden in den Baragan zu ihren Eltern gebracht. Mich hatte man im Hinterhof nicht vermutet und so war ich auch nicht gefaßt worden. Es wurde mir aber klar, daß ich keine Chancen mehr hatte, um hier in Temeschwar an der Technischen Baufachschule den Unterricht fortsetzen zu können. So hatte ich mich entschlossen, in eine andere ähnliche Schule in die Nähe meiner Eltern, nach Buzau umzuziehen. Als ich meine Schriften im Schulsekretariat abholen wollte, um mit dem Zug nach Buzau zu fahren, erklärte mir der Sekretär, daß eine Frau Klein vom Unterrichtsministerium aus Bukarest hier ist und ich mit ihr sprechen soll. Man brachte mich in ein Nebenzimmer. Frau Klein wußte, ohne daß ich ein Wort gesagt habe, alles über mich. Sie fragte, ob ich noch Verwandte im Banat habe, die für meinen Unterhalt sorgen könnten. Erfreut von dieser Nachricht - "es sind meine Großeltern, die in der Gemeinde Ostern für mich sorgen könnten"- war meine spontane Antwort. Daraufhin sagte sie, ich müsse aber zur Regions-Miliz, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu verlangen. Freundlich und zuvorkommend während der Fahrt mit der Straßenbahn von der Josefstadt bis in die Innere-Stadt, hat mir Frau Klein auch noch die Straßenbahn bezahlt. Als wir dann ausgestiegen sind, mußten wir ein Stück zu Fuß gehen. Für einen Moment hatte ich Zweifel und stellte mir die Frage, wieso auf einmal soviel Mitgefühl, daß man mich die Schule weiter besuchen läßt. Als wir dann am Gebäude der Regions-Miliz ankamen, hatten wir nicht den Haupteingang, sondern im Hinterhof eine Außentür, die direkt in einen großen Saal führte, benutzt. In diesem Saal befanden sich schon einige Schüler und Studenten aus verschiedenen Schulen. Einige von ihnen kannte ich auch 270
persönlich. Frau Klein wurde von einem Milizoffizier höflich begrüßt, indem er sich bei ihr bedankte. Ich wollte sie nach ihrem Versprechen fragen, brachte aber kein Wort heraus. Sie verschwand durch eine Tür in den Korridor, der anscheinend in das Hauptgebäude führte, ohne ein Wort zu sagen. Bis zur Mittagsstunde wurden noch mehrere Schüler und Studenten von Leuteschindern in den Saal gebracht. Um Mittag waren es 36 und man teilte uns mit, daß wir zu unseren Eltern in den Baragan müssen. Da meine Sachen noch im Internat zurückgeblieben waren, wurde ich von zwei Milizmännern in Zivilkleidung begleitet, um meine Koffer abzuholen. Meine Schriften aus dem Sekretariat durfte ich nicht mehr abholen. Um 9.00 Uhr abends wurden wir alle 36 auf ein Lastauto verladen und auf den Bahnhof geführt. Acht Soldaten mit voller Ausrüstung und zwei Milizoffiziere begleiteten uns. Wir fuhren mit dem Schnellzug nach Bukarest ab. Die zwei Milizoffiziere hatten einen Waggon für uns von den Reisenden frei gemacht und am nächsten Tag kamen wir in Bukarest an. Vom Nordbahnhof aus mußten wir zu Fuß bis zur Regions-Miliz gehen, bewacht von den Soldaten und den zwei Offizieren. Dort angekommen, sperrte man uns zu den schon im Keller befindlichen Verbrechern. Eine Woche hielt man uns dort eingesperrt und des öfteren, nicht nur am Tage, sondern auch in der Nacht, wurden wir verhört. Die Frage war immer dieselbe: "Warum hast du dein ,domiciliu obligatoriu', deinen Zwangsaufenthaltsort verlassen?" Wie ich von einigen Schülern erfahren habe, waren welche von ihnen mit ihren Eltern schon im Baragan und kehrten auf unrechtmäßige Weise ins Banat zurück, um dort die Schule besuchen zu können. Nach acht Tagen aus dem Gefängnis der Miliz entlassen, wurde ich mit noch drei Schülerinnen mit Militärbewachung nach Braila gebracht. Von hier ging es weiter mit dem Autobus bis Insuratei, wo man uns der Rayons-Miliz übergab. Am nächsten Tag, am 24. Oktober brachte man mich in die neue Heimat nach Stancuta N oua. Dies war das Ende meiner Schulkarriere und dazu mußte ich auch noch erfahren, daß man auch hier alle Schüler, die die Aufnahmeprüfung in Braila bestanden haben, aus der Schule entlassen hat. Natürlich war auch Peter unter diesen. Wir beide arbeiten jetzt in einem Ochsenstall und machen abwechselnd die Ochsentour. Eine Woche bin ich der Ochsenknecht und die nächste Woche Peter. Im Frühjahr will ich es als Maurer auf einer Baustelle versuchen. In Deinem Brief fragst Du, ob wir noch vor Weihnachten nach Hause kommen. Das sind sogenannte Lagerparolen. Vor zwei Wochen hatte die Miliz in einer Nachtaktion mich und viele andere Frauen und Männer gezwungenermaßen auf ein Lastauto verladen und auf eine Baumwollplantage "Ferma Sima" gebracht. Hier mußten wir Baumwolle pflücken. Es wurden auch aus den umliegenden neuen Dörfern Leute herbeigebracht. Die Unterkunft hatte man so geregelt, indem man die Kühe und Ochsen aus ihren Stallungen ent271
fernte und uns in ihren Stall einquartierte. Es wurde Stroh über den Mist gestreut, der von unten als Wärmeerzeuger dienen sollte. Nachts unterwegs mit dem Lastauto, wurden wir beinahe bei einem Bahnübergang von einem Zug erlaßt. Nun will ich Dir über unser Grundstück und die darauf erbaute Hütte und das Haus schreiben. Auf der mitgeschickten Zeichnung ist zu sehen: Der Grundriß vom Haus, das Grundstück, Skelettbau von der Hütte, die bis zum Erbauen des Hauses als Wohnung benützt wurde und die Ansicht des Hauses von der Straße. Das Haus - die Wände sind mit ausgehobener Erde gestampft. Der Dachstuhl mit Rundholz aus dem Wald gezimmert. Das Dach mit Schilfrohr gedeckt. Der Rauchfang mit ungebrannten Ziegeln aufgemauert und mit Brettern eingepackt. Die Decke mit Rundholzbalken, mit Brettern verschalt und mit Lehm abgeschmiert. Nun schließe ich mein Schreiben und wünsche frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr. Gruß von Deinem Hans.
Herbert Filips Taufe in Zagna.
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Foto: K.A. Filip
Wilhelm Weber
Baragan-Thematik in der rumäniendeutschen Literatur Die Deportation in die Baragan-Steppe ist auch in die rumäniendeutsche Literatur eingegangen. So unglaublich es auch klingen mag, geschah das noch vor dem Revolutionsjahr 1989 und der großen Wende in Rumänien. In der Ceau~escu-Ära gab es Perioden, in welchen Schriftstellern und anderen Geistesschaffenden so manches zu schreiben erlaubt war, das, wenn es vor oder nach dieser "Tauwetterperiode" geschrieben worden wäre, zu Repressalien gegen die Autoren geführt hätte. Drei literarische Werke, davon zwei in Banater Mundart, entstanden in einer Zeit, in welcher sich die staatliche Zensur nachsichtiger zeigte und handelte. Meistens wurde sie nach einer solchen versöhnlicheren Zeit wieder verschärft und intoleranter. Das eine von den drei, schon an anderer Stelle genannten Werken, ist das von Stefan Heinz-Kehrer im Jahre 1979 verfaßte Theaterstück "Zwei Schwestern", eine schwäbische Passion in zwei Teilen. Die Uraufführung fand durch das Deutsche Staatstheater aus Temeschburg beim Wettbewerb der Bühnen der nationalen Minderheiten in Rumänien am 27. April 1980 in Sfintu-Gheorghe in Siebenbürgen statt. Das Stück, die Regie und die Darsteller erhielten den "Großen Preis" und damit die höchste Bewertung. Es konnte noch 44mal im Banat und in Siebenbürgen aufgeführt werden. Nachdem der Autor in der Bundesrepublik Deutschland blieb, mußten die Aufführungen eingestellt werden. 1990 wurde das Stück vom Autor neu bearbeitet und zum zweiten Mal am Deutschen Staatstheater in Temeschburg inszeniert. Die Premiere fand am 20. März 1991 statt. Seitdem wurde es noch 40mal in Rumänien, anläßlich der "Europäischen Kulturtage" am 7. April 1991 in Karlsruhe und auch am Theater in Baden-Baden aufgeführt. Nachher inszenierte das Theater von Baden-Baden dieses Stück und führte es zehnmal auf, doch mußte der Autor den Text aus dem Banatschwäbischen ins Hochdeutsche übertragen. Anläßlich einer Gastspielreise wurde es von diesem Theater in Temeschburg aufgeführt. Das folgende Fragment in der Originalfassung veröffentlichte die "Banater Post" am 20. Juni 1991.
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Stefan Heinz-Kehr er
Finef Johr vun meim Lewe (Fragment) Juli: For was mir selmols, im 51, "unverläßliche Elemente" gewen seile sin, de Michl un ich, des weeß ich heit noch net. Resi: Des weeß heit niemand meh. Juli: Awer so wors. Mir wore uf eemol nimmi wert, do derhem, im eigene Haus zu wohne un do zu arweite. Wu mir doch dort im Baragan aa nor des nämlich gemach han, wie do: gearweit! Net besser - awer aa net schlechter wie do! Vun frieh bis spot. Do uf der Ferma- dort uf der F erma. Gar ke U nerschied. De enzich U nerschied wor, daß mir do in eem Haus gewohnt han un dort- im e Eerdloch ... Was han mir verschuld? Oder, wer hat do Ängschtre ghat vor uns? Vor uns enfache Bauerschleit! Resi: Des wor selmols e politischi Sach. Do kann mer net ninschaue. Mir net. Juli: Ich versteh nix vun Politik. Wore mir dann ke Mensche meh? Mir han doch gsaat: Mir wille Ruh han un arweite! Resi: Drum bischt jo wieder hemkum. Wie die nix meh zu saan ghat han, was dich dorthin gschickt han. Juli: Awer- bis es soweit wor! Des wore finef Jahr vun meim Lewe! Un wan ich die Kriegsjahre un die schwere Anfangsjahrenohm Kriech derzuzähl, dann wore des fufzehn Johr vun meim Lewe! 1941 bis 1956. Sin des fufzehn J ohr? Resi: Fufzehn Johr. Genau ... Un jeder hat nor een Lewe ... Ja. Nor ens. Un wieviel han eres verlor in dene Johre! Denk mol an die alli. Mit wie wenich die zufriede wäre, wann se noch mollewe kennte. Juli: Mit wenich? Awer net so lang! So is de Mensch!- Mitte ufm freie Feld han se uns abgelad, dort im Baragan. Erdleeher han mer uns misse grawe.Un die Zeltticher han mer driwer ghong. Un dedrunner die phaar Mehl gstellt. E Tisch, phaar Stiel un a Kaschte. DieBetterhanke Platz ghat. Eng un heiß wors am Tach - un kiehl in der Nacht. Un Wind wor immer- e enziche Wind! Un mir han uns zammgestellt, so an die zehn Familje, un han an Heiser angfang. Maure gstampt, de ganze Tach. U n mir han wieder gelert, was mer in gute Zeite oft vergeß han ghat: Des Zammhalle! Naner helfe. Net meh jeder vor sich. Ja, un mir han zammghal. U n des wor scheen. U n mir sin vorwärts kumm. Unser Nochbre han e Kind in der Wie ghat. Un wiemolegroße Wolkebruch komm is un des Erdloch im Nu voll wor mit Wasser, is der Mann grad im letschte Moment gelaaf kumm un hat die Wie mitm Kind uf de Tisch ghob. Sunscht wärs versoff. Un die gstampte Maure vun de 274
erschte Heiser, was zu tief am flache Abhang wore, sin uner Wasser kumm- un sin dorchgewaicht- un zammgfall! Drei Täch hats gereent! Drei Täch! U n die ganzi Arweit wor umsunscht. N oher han mir uf de Anheh baue derfe. Un im November wor jeder in seimneue Haus! Derhem, im Banat, wor Kerwei, wie mir ingezoo sin. Resi: In selemJohr wor ke Kerwei! Juli: Ich weeß. Awer des wor de Tach geween. Des wor unser Kerwei- im eigene Haus -weit von derhem.
Im letzten Buch des dreibändigen Mundartromans "De Kaule-Baschtl" wird auf 80 Seiten die Baragan-Deportation, vom Tage der Verschleppung und bis zur Heimkehr, aufgearbeitet. Der Autor des Romans, der Publizist und Schriftsteller Ludwig Schwarz nennt ihn einen "Lewesroman, gschrieb vun ihm selwer, wie er uf die Weltkumm is, wie er gelebt, was er getun un geloßt hat, was em allerdehand passiert un wie im allgemeine oder iwerhaupt es Lewe schwer is". Der erste Band erschien 1977 im Facla-Verlag in Temeschburg. Der zweite Band folgte in 1978 und der dritte erschien im Jahre 1981. Es folgt ein Fragment des Romans, wie es in der "Banater Post" vom 20. Juni 1991 veröffentlicht wurde. Dieses Fragment trägt den Titel des 27. Kapitels, in welchem der Abschied von daheim, die Fahrt und die Ankunft an dem Zwangsaufenthaltsort behandelt wird.
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Ludwig Schwarz
Was mei Sophie in mei alte Militärkupfer ingepackt hat (Fragment) U n noh sin mir gfahr. Iwer des, was sich dort an dere Heidetaler Bahnstazion getun hat, iwer die Träne, die Kreischerei un des alles, iwer des will ich ke Werter verliere. Des war so schroo, daß ich seiwer gar nimmer dran denke mecht. Un so schroo wies war, so geger de Verstand wars aach. Mir han uns ingericht ghat im Waggon, so gut wie des schun gang is, awer im allgemeine hätt mer net klaae kenne. De Pheder, mei Schwoger, phessich wie er noch immer war, motterseelealleenich un mit dem bißl Sach, des wu er mitghol hat - was hätt der mit dem große Waggon, den wu er jo aach kriet hat, er war jo aach for a Familje gezählt wie alli anri - was hätt der mit dem anfange seile? Un so is er noh vielem Zurede endlich doch in unser Waggon kumm, hat aach sei Platz kriet for schlofe, hat mit uns geß, un in seim Waggon han mir noh unser Viech ghat: die Kuh, zwei Schwein, finf Gäns un die Hingle. Un zwei anri Familje aach. Un so hat mer doch net misse mitm Viech mitzamm in eem Waggon sin- mit kleeni Kiner iwerhaupt- un aach es Viech war gut versorcht, weil die Mannsleit sich immer abgewechslt han in unserem "Stallwaggon". Un so sin mir gfahr dorchs Land. Iwerall war die Frucht am Zeitichwere, hie un do hat mer schun a paar Gerschtekreize gsiehn stehn, un iwerall war de Hottar voll Leit: Ghackt is gin un gheiflt, die letschti großi Arweite vor em Schnitt. Un die Leit han uns zugewunk un gelacht, hat doch gewiß kener uner deni gewißt, wer daß mir eigentlich sin un wie daß mir dran ware. Nor in die Bahnstazione, wu mir als länger gstan han, dort sin noh die Soldate runer, for daß kener fortlaaft un for daß ke Fremder mit uns red, un dort han die Leit noh nor die Kepp gebeitlt, unmer hat gsiehn, daß se irgendwie Mitleid mit uns ghat han. Die Kiner han natierlich immer vore in der Tier gsitzt, un Kiner sin ewe- iwerhaupt bei die Rumäner, des han mir gsiehn- was Heiliches! Un manchi han sich wenich gephaddert um die Soldate, sin an de Zug kumm un han uns gin, was se ewe bei sich ghat han: zu Esse, Milich, Geld, un a altes Weib hat sogar a Kett vun ihrem Hals runerghol mit eem Kreiz dran un hat gsaat, mir selles mithole, des Kreiz wär weeß ich vun wu vun eem Heiliche Ort un des tät helfe in der greeschti Not. Un mir seile nor net verzweifle, mir were unser Heimat sicher wiedrum gsiehn. Awer es ware aach anri, die han uns allerderhand wischti Werter zugeruft, un so gut wie em des eeni getun hat, so weh hat em dann so was getun. Doch 276
weder des eeni hat uns gholf, noch des anri was gschad, unser Zug is weitergfahr immer geger Sunneufgang, dorch die Oltenia, dorch die Muntenia, an Bukarest voriwer. Un wie mir hiner Bukarest in eener Stazion a bißllänger gstan han, is a fremde Mann kumm un hat uns verzählt, daß er de Tach vorher in Fete~ti war- des is a Kleenstadt an der Donau, eigentlich an der Borcea, an eem Donau-Arm- un daß er dort gsiehn hat, wiese in der ganzi Umgewung mitte in die Baragan-Felder Derfer ausmesse; Hausplätzer, Gasse un so. Un daß er sich traut Gift druf hole, daß mir alli ufm Baragan angsiedlt were. Sogar Autos un hunnerti Wän hat er gsiehn mit Baumaterial fahre, un in die Stazione is aach schun alles vorbereit, for wann mir ankumme. Uf de Baragan aso! Aus der Schul hat mer jo so a bißl was gewißt dervun, daß des a großi Ebene is, noch greeßer als wie die Banater, un daß des aach so was wie a Kornkammer vum Land war. Des war noh awer aach alles. Was mir dort han seile un weg er was mir grad dorthin han misse, des war a F roch, uf die wu niemand a Antwort gewißt hat. Un dann hats gheeßt auslade. In Fete~ti. A allmächtich große Bahnhof, awer a ganz a kleenes Dorf newerdran, die Stadt Fete~ti, so hats gheeßt, die war zirka sechs Kilometer weiter an der Borcea gelee, awer dort han mir jo nix zu suche ghat, weil mir han uf Lateni misse, un unser neiches Dorf, des hat aach Latenii Noi heeße seile. "Unser neiches Dorf,- a neiches Wort! ... Awer dann ware schun mir an der Reih for an Ort un Stell fahre, un erseht dann han mir gsiehn, wie groß der Baragan eigentlich is. 18 Kilometer weit sin mir gfahr unsinderbei dorch ke enziches Dorf kumm! Nor rechter Hand, geger die Borcea halt, dort hat mer zwei kleeni Derfer gsiehn un a greeßeres linker Hand, sunscht nixwie nor Feld un Feld un wiedrum Feld. "Ja, do brauch mer Leit!" han die Leit gement, die wu gegweehnt ware uf so eener Streck es wenichseht dorch drei Derfer fahre un rechts un links noch so a vieri oder finfi gsiehn. Uf eemol is de Wech korz abgeboo, a großi "Puszta" war dort - a Gostat, wie mer uf dere Tafl ower der Einfahrt hat lese kenne es erseht a großi herrschaftlichi Kaschtell, dann Ställ, Magazin, Schepp, a allmächtich hoche, lange Mischthaufe, un noh is de Wech a bißl nuf gang. Un dort owe hat a Bretterbarackn gstan un a paar Zelte: Rotes Kreiz, Miliz un sogar a Sfat, aso a Gmeindehaus, un hinedran ingezeint Bauholz, Bretter, Tiere, Fenschtre un allerderhand anres BaumateriaL "Wieviel Persone?" hansemich gfroot, un ich han gsaat: "Finfi." "Sechsi!" ruft uf des de Pheder, mei Schwoger, un des wars erschtimol, daß er sich mit uns sozusaan in een un dieselwi Familje gezählt hat. Awer do war aach schun mei Sophie newer uns un es saat iwer den Mann: "Finfi sin mir nor! Er ist doch uf eener separati Lischt! Schaut mol seiwer noh, ob er net a anri Familje is!" Uf des hat de Pheder jo wille bees were, hat awer nor gement: 277
"Gut is, Schwester, wannseht net willseht ... " "Awer, sei doch net ungschickt, Pheder!" saat uf des es Sophie. "Do is doch gar ke Red vun net wille, do gehts ums Hausplatz. Un een Familje is een Hausplatz und zwei Familje sin zwei Hausplätzer. Gsiehscht dann du net, daß do schun alles fertich ausgerneßt is? Schaumol- iwerall Phähl! Un ich mißt mich arich teische, wann so a Platz net zirka a halb Joch groß wär. Nastell der mol vor: Zwei Plätzer, des sin es wenichseht dreiviertl Joch, wu mer for Garte verarweite kann, de Hof un es Platz for druf baue abgerechnt." Un net nor in dem hats recht ghat, mei Sophie, daß es do pro Familje a Hausplatz gin hat, sogar riebtich gschätzt hats ghat, weil uf finfunzwanzich Ar waredie Plätzer ausgerneßt geween, un des war doch nor um drei Ar wenicher, als wie a halwetes Joch. Un so wie wanns gspiert hätt ghat, was ich mir bei dem gedenkt han, hats noch eener Weil gement: "Na, ich soll des net schätze kenne! Seit daß ich kleenes Kind war, han mir jedes Johr zweimol finfunzwanzich Ar Thuwak gsetzt: finfunzwanzich uf der Sandflur, meischtns Garteblatt un hie un do Virginia, un finfunzwanzich in die Waldfelder, Banaterun spitzblättriche Sathmarer. Ja. Un a Garte - awer was han Mannsleit schun a Ahnung vun dem, was a Garte wert is? Vun so eem Garte kann a Familje zu der Not lewe!" Un ich weeß, in Gedanke hats schun angegärtlt, mei Sophie, un derbei han ich net mol gewißt, daß es mei alte Militärkupfer vollgemacht hat ghat mit allerderband Sämereie: Grienzeich, Gelruwe, Petersel, Zeller, Erbse, Bohne, Kerwus, un net mol de Patschkukruz hats vergeßt ghat ...
Das dritte literarische Werk, worin ebenfalls über das Tabuthema Baragan berichtet wird, passierte genauso wie die zwei anderen die kommunistische Zensur. Es ist das 70 Seiten umfassende, 1980 im Kriterien Verlag in Bukarest erschienene Poem "biographie ein muster" von Johann Lippet. Die Passage "neue erfahrungen" bezieht sich auf die Baragan-Deportation.
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Johann Lippet NEUE ERFAHRUNGEN das haus meiner urgroßmutter bewohnte außer uns noch jemand kalonisten wurden sie von den dorfleuten genannt und unsere hatten viele schafe die sie im winter im keller hielten und pferde und kühe derenstallerst frühjahrsausgemistet wurde weil die winter sehr kalt waren und einen großen schäferhund der abends niemand mehr herein ließ und wir hatten angst vor ihm weil er sich nicht streicheln ließ den muttervergiften wollte der aber fraß das brot nicht und auch das fleisch nicht in dem nadeln steckten der von einer hundehochzeit nicht mehr nach hause kam ich verstand sie nicht wenn sie abends auf den hund schimpften oder im stall fluchten er ihr die mistgabel nachwarf und diewörteraus seinemmundsprudelten vater sah ich öfter mit ihm reden und ich verstand weil vater und mutter darüber sprachen abends wenn die erinnerungen laut wurden über die vorratskammer des bauern in Österreich ich verstand daß vater ihm zu erklären versuchte daß wir so nicht wohnen können wtr sieben personen in einem zimmer daß er den hausgarten im frühjahrallein bebauen möchte und im frühj ahr dann die frau hatte ich nie sprechen gehört ich kannte ihre stimme nicht wurde ihnen ein anderes haus zugeteilt das noch leer stand
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weil die familie noch nicht aus dem baragan zurückgekehrt war ich kannte bis dahin drei ländernamen und zwei städtenamen Österreich wels ungarn budapest und rumänien und dann kam dieses fremdwart hinzu das die leute voller furcht aussprachen genau wie vorjahrendas andere wort und die erzählungen meiner mutter der nachbarn der dorfleute ähnelten so sehr den späteren erzählungen des nachbarn der dorfleute befehlsausgabe weinen und verzweiflung die kaum verklungen waren mit dem letzten weitkrieg gendarmerie verstecken in getarntenkellernaus der kriegszeit hinter über nacht entstandenen mauern in maisfeldern sammeln am bahnhof des nachbardorfes listen über listen durchgestrichen im letzten moment aufgeschrieben im letzten moment von zu hause weg im letzten moment waggons waggons waggons waggons ungewißheit fahren fahren fahren fahren fahren warum warum warum warum offenes feld maisfeld Stoppelfeld ausladen freier freier freierhimmel aufbau aufbau ganzer dörfer bis in den winter arbeitüber arbeit
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häuser bauen schulen arbeiten fürs tägliche brot und dann der winter der diesmal so heftig war daß die häuser ausgegraben werden mußten daß die leute zum schornstein hinausstiegen und sich einander halfen bloß schornsteine mit weißem rauch und schneestraßen und die sehnsucht nach zu hause und die hoffnung auf zu hause und die zeit die sich schleppte über frühlinge sommer herbste winter und die geburten hochzeiten begräbnisse und die briefe der alten von zu hause und die verzweifelten versuche zu verstehen die verzweifelten versuche der vielen zu verstehen und das nicht - sterben - aufgeben ganz aufgeben - endgültig glauben an die zustände - aufgeben der zukunft dann die besuche von zu hause die schwer zu erwirken waren die immer ein fest waren und es wird erzählt vom versuch alter frauen und man lächelt dabei kinder bei der rückreise mitzunehmen und wie sie erwischt wurden ihrer weiten röcke wegen ihrer Sonntagskleider wegen die sie um jeden preis anziehen mußten zurückgehalten drei tage eingesperrt sie glaubten das ende sei gekommen 281
und nach hause abgeschoben und dort im gefängnis so nennt es eine alte bekam sie wieder das wort zu hören s1e die ihr feld selbst bearbeiteten manche einen Stallknecht hatten feld pachteten um die hälfte bearbeiteten für ein nächstes joch sparten erschraken wieder vor dem wort die angst vor den wörtern die angst vor den bezeichnungen die man nicht mehr los wurde war nie so groß wie in jenen jahren und großmutter sagt daß bloß zwei reich waren bei uns in wiseschdia und sie betont jenes wort daß sie herren waren weil sie nicht arbeiteten daß sie dorthin hätten gehen müssen aber nicht gingen weil in der dorfverwaltung ihre bekannten saßen dann die nachricht mit dem einsetzen des mächtigen tauwetters aus dem osten nach hause wer will nach jahren für einige war der baragan fortsetzung gewesen und alle wollten sie obgleich schon häuser standen und geburten hochzeiten begräbnisse fast wieder zur Selbstverständlichkeit geworden waren dörfer wurden leer häuserblieben leer tote blieben dort geburtsarte die man nie wiedersehen wird und erinnerungen und erzählen erinnerst du dich noch als 282
weißt du noch als nein es war nicht so als was wißt ihr jungen davon wie später dann in unserer zeit suchten einige ihre erinnerungen dort auf und sie waren enttäuscht als sie nach hause kamen da sie nichts mehr vorgefunden hatten als weit und breit feld Stoppelfeld maisfeld und mein leben begann sich zu häufen sonnenaufgänge und -Untergänge kennenlernen all der leute
Familie Hans Welter aus Billed in Brate~. Foto: H . Weher
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Lotte Wilhelm
Die blaue Kerze Erinnerungen an Weihnachten in der Verbannung
Foto: L. Schwarz
Weiß! Weiß, so weit das Auge reichte! Gab es außer dem Himmelsblau oder -grau noch eine andere Farbe? Keine, abgesehen vom schwarzen Rauch, der aus den Schornsteinen qualmte. Er roch übel übers ganze Dorf hin, wenn die Luft drückte. Dung-, Schilf- und ein klein wenig Holzgeruch schwamm darmnen. Eigentlich ist der Ausdruck Dorf zu hoch gegriffen. Grabe~ti. Alles endet hier auf -e~ti: Bucure~ti, Fete~ti, Ploie~ti, Pite~ti ... doch das sind Städte, eine sogar die Hauptstadt. Daneben gibt es die kleinen -e~ti. Was es bedeuten könnte, dies -e~ti? Ihr -e~ti- gemeint das derBewohner-in Verbindung mit graba (Eile) könnte übersetzt Schnelldorf heißen. Nun ja, binnen weniger Monate stand es, eine Hüttensiedlung, strauch- und baumlos in gelber Steppe. Gelb war die erste Farbe, an die die Bewohner sich gewöhnen mußten: gelber Sand, gelber Löß, 284
gelbe Staubwolken, gelbe Grasspitzen, gelbe Halme, ja auch gelbe Sonne und gelbe Gesichter ... in manche hatte der Tod sich bald eingemalt in einem Gelb, das schließlich in Weiß überging. Doch durch den Namen war der Ort einbezogen in die Landschaft, unverkennbar einbezogen. Nicht einbeziehen ließen sich die Menschen, die in diesen Hütten wohnten. Ein inneres Widerstreben tobte in ihnen, eine Hoffnung lebte daneben, eines Tages entkommen zu können. Im Juni hatte man sie hierher gesetzt, einfach hergesetzt, wie den Bauern aufs Schachbrett, der hin- und herschiebbar ist, unbesonnen gebracht, nicht aber unbedacht! Jedoch, sie waren keine Figuren, sie waren Menschen. Wie alle anderen Bewohner dieses Landes: Menschen. Aus Lehm und kärglich zugeteiltem Baumaterial entstanden eiligst ihre Hütten. Bei allergrößter Wassernot für Mensch und Bau. Der September hatte noch genügend heißen Atem, die Hütten auszutrocknen. Der Oktober gewährte eine Verschnaufpause, um Brennmaterial beizuschaffen für die in Aussicht stehenden bitterkalten Wintertage. Stürme hatten die Schilfdächer des Dorfes zerzaust, sie mußten ausgebessert werden, man hatte immer wieder Schwachstellen gefunden. Derlei Hausbaumethoden lagen Jahrhunderte zurück. Woher sollten die plötzlich heimat-und obdachlos gemachten Leute sie kennen? Noch vor den ersten Herbstfrösten konnten die meisten Familien aus den Erdlöchern heraus in ihre Häuser ziehen. Wo einer nicht mitkam mit der Arbeit, halfen alle. Keine Minute länger, als das Gebet währte, durfte die Kerze brennen. Dann kam sie wieder in die Schachtel zu Sterbehemd und Sterbegewand, zu Rosenkranz und Kreuz und neben die langen, noch in den rosaroten Hüllen stekkenden Sterbekerzen. Dann kam eines Tages- oder vielmehr in einer Nacht- der Winter. Er kam mit Schnee und Wind. Überall den Mühen und Sorgen stand unverrückbar das Hoffen. Noch nie hatten sie samt und sonders soviel nach den Sternen des Himmels Ausschau gehalten wie in dieser Einöde. Nach einem, der größer und glänzender sein müßte als jeglicher, dererschaubar war. Da erschien er, doch nur dem inneren Auge sichtbar, der Weihnachtsstern. Die Urgroßmutter tat die blaue Kerze wieder in den Flaschenhals, die Mutter hatte Sternchen gebacken, die Nachbarin einen Rosmarinstock herübergebracht, der stand jetzt statt eines Tannenbäumchens auf dem Tisch. Ein Nachbar war mit der Mundharmonika gekommen. Drei Familien sangen beim Schein der blauen Kerze aus dem fernen Banat alte Weihnachtslieder. Eigentlich war diese Kerze aus dem noch ferneren Deutschland einst ins Banat gebracht worden, ein Zeichen der Verbundenheit aller Deutschen. Die Kerze 285
brannte mit steiler Flamme, still und ruĂ&#x;los. Als sie am VerlĂśschen war, sangen sie noch einmal wie zu Anfang: Es ist ein Ros entsprungen ... wischten die Augen und gingen lautlos auseinander.
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Lieder und Gedichte aus der Verbannung In der Barägan-Verbannung entstanden, ähnlich wie einige Jahre vorher in Zwangsarbeitslagern in Rußland, Lieder und Gedichte, in welchen die Betroffenen ihr Leid und ihr schweres Leben in Versform zum Ausdruck brachten. Eines der bekanntesten ist das Barägan-Lied, Lied vom Barägan, 0 Barägan oder nur mit Baragan betitelte Lied. Ein Betroffener, der einige seiner Jugendjahre im Barägan verbringen mußte, schrieb zu dem mir geschickten Text folgendes: "Eins möchte ich Ihnen noch bekanntmachen. Es ist das BÄRÄGAN-LIED, welches die Jugendlichen ab und zu abends sangen, wenn sie sich im Dorf trafen. Der Text, wie so mancher andere, ist im Barägan entstanden. Die Melodie wurde von dem Lied Argonnerwald um Mitternacht übernommen. Das Lied hat mich als Kind im Barägan immer sehr beeindruckt, denn ich lebte es ja täglich. Den Text habe ich so geschrieben, wie ich ihn von damals immer noch gespeichert habe." Mir ist der Text dieses Liedes in fünf Varianten und mit 4, 6 oder 7 Strophen zugeschickt worden. Die mir am gelungensten scheinende Variante ist die folgende:
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Baragan-Lied 0 Baragan, 0 Baragan, Jetzt sind wir in der Wüste dran. Der Wind weht kalt, der Staub fliegt hoch, Die Menschen hausen in einem Loch. Man setzte uns aufs freie Land, Wir gruben Löcher in den Sand. Ins Häuschen klein, mit Stroh gedeckt, Wo jeder Hab und Gut schnell reingesteckt. Wir leiden jetzt schon bittre Not Und stehen tagelang um Brot. Es ist dann meistens hart und alt, Doch schweigen wir und hoffen auf bessres bald. An Wasser fehlt's auch oft genug, Da laufen wir mit einem Krug, Oft kilometerweit ins Tal, Denn Brunnen gibt's nicht überall. Und trifft das Schicksal uns auch schwer, Wir Schwaben fürchten uns nicht mehr. Und wenn auch mancher von uns fällt, Wir gehen trotzdem aufrecht durch die Welt. 0 Baragan, 0 Baragan, Ein stiller Friedhof fängt hier an. In deiner kühlen Erde ruht, Gar manches wack're Banater Blut.
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Jakob Dietrich Grabatz- Mazareni (Urleasca Noua)
Wege im Baragan Wir wanken hin zur strohgedeckten Hütte nach Arbeitsschluß auf aufgeweichten Wegen, kein Fünkchen Freude drängt sich uns entgegen, das könnt beflügeln unsre müden Schritte. Ein Greis, der schreitet stumm in unsrer Mitte, schon tiefgebeugt von schweren Schicksalsschlägen, und immer tiefer drücket ihn der Regen, wie eine Ähre überreif zum Schnitte. So weint der Himmel, schüttet seine Tränen aus sorgentiefen Wolken auf uns nieder, als würde er um unser Schicksal flennen, das er vergeben anderem Gebieter. Ist denn umsonst das Warten, alldas Sehnen? Und gehn wir nimmer freie Wege wieder?
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Jakob Dietrich Grabatz- Mazareni (Urleasca Noua)
Wann? Ich grüße, teure Heimat, dich aus fernen, undankbaren Weiten, wohin das Schicksalsrad der Zeiten verbannt in Fesseln mich. Hier keiner Glocke Läuten klingt, nur ruhlos Sturmesrauschen dröhnt so wild durch Steppe, unversöhnt, der keine Freiheit winkt. Wann endet diese Marterplag? Und Tausend, die mit mir gefangen, sie sehnen, rufen und verlangen nach dir, du großer Tag.
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Jakob Dietrich Grabatz- Mazareni (Urleasca Noua)
Wege nach freien Ländern Es führen Wege wohl nach freien Ländern, was nützen sie, wir dürfen sie nicht gehen. Ist denn umsonst, vergebens unser Spähen? Ist niemand, der den unsernkönnte ändern? Verstreute Disteln stehn an seinen Rändern, sich traurig neigend tief im Windeswehen, als könnten sie das Lied, die Sorgen sehen, die abends spät noch mit uns heimwärts schlendern. So führst du hin, du Weglauf der Verbannten, ein Sorgenpfad zu düstern Arbeitsstätten, und schwere Tage, die das Elend kannten sich müde, endlos aneinanderketten. 0 Herr, o lasse uns nach freien Landen so langersehnte, freie Wege betten.
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Mathias Kandler Johannisfeld- Rachitoasa (Giurgenii Noi)
AnderDonau Baragan 1952 Mir is als tät' e Kraft aus Dir zu uns "Verschleppte" iwerspringe, wu Steppewind' in Dischtle singe, als tät Dei Wasser Botschaft bringe vun unsrem ferne Motterland. Stunnelang kennt ich dort lausche wann an Deim Ufer Welle rausche un mit mir vun Freiheit plausche. Es is de wunnerbarschte Sang. Tach un Nacht kennt ich dort träme, bei Dir vergeß ich Not un Gräme, bei Dir brauch ich mich net zu schäme, rinnt mol e Trän an meiner Wang.
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Margarethe Weber Billed- Dalga (Dalga Noua)
Warum führte man uns in den Baragan? Warum führte man uns in den Bäragan aufs freie Stoppelfeld, wer gibt uns darauf Antwort, was hat denn unser Volk verfehlt? Man raubte was uns heilig war die Heimaterde, unsre Freiheit, der Mutter Grab, das Vaterhaus das uns beschützte alle Zeit. Man pferchte uns in Viehwaggons bedroht von der Eskorte, als wären wir Verbrecher der allerletzten Sorte. Unter freiem Himmel ausgesetzt der Hitze, Wind und Regen, ganz ratlos waren alt und jung, was soll mit uns geschehen? Wir mußten dem Befehl gehorchen unsre Kraft und Stärke zeigen, Die Unterkunft für uns erbauen auch wenn wir tief im Herzen leiden. Wir sollten uns fortan gewöhnen an den Alltag der Verbannung, nur hielt das große Heimweh unsere Seele stets in Spannung. Es drückte uns der Arbeit Last dem Staat als Sklaven dienend, wir waren stets verfolgt vom Haß auf unsre Unterwerfung sinnend. Nach fünf Jahr'n war's dann so weit, daß man sich für uns setzte ein, wir wurden frei und kehrten heim und konnten wieder Menschen sein.
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Billeder Kinder in Brate~, die sich auch diese Frage stellten: "Warum muĂ&#x;ten wir in den Bariigan?" Foto: Ing. J. Pierre
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Margarethe Weber Billed- Dalga (Dalga Noua)
Frage der Enkel Ihr erzähltet an langen Wintertagen von euren Sorgen, euren Plagen. Wie man euch in Viehwagen einwaggoniert und in die Baragansteppe geführt, Warum? Ihr wurdet aufs freie Feld gesetzt, an Körper und Seele schwer verletzt. Sonne und Regen taten das Ihre dazu, ihr fandet Tag und Nacht keine Ruh. Warum? So bitter und schwer war der Entschluß, es gab keinen Ausweg, es war ein Muß! Das Ziegelschlagen war harte Schwerstarbeit, doch keiner hatte mit euch Mitleid. Warum? Unter Hitze und Durst littet ihr sehr, die Wassergefäße waren immer trocken und leer. Auch da ließ man euch mit eurer Sorge allein, es müßte doch wenigstens Wasser da gewesen sein! Warum? Dann habt ihr mit gemeinsamer Kraft, euch einen sehr tiefen Brunnen geschafft. Ihr habt gekämpft und habt geschuftet, weil ihr ja weitermachen mußtet. Warum? Mit Müh' habt ihr das Haus gebaut, aus eigner Stub' dann hinausgeschaut. Da gab es noch viel ringsum zu tun, man durft' nicht rasten und nicht ruh'n. Warum?
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Der Winter sagte eine neue Überraschung an, wenn er mit eisigem Wind und Schneesturm kam. Dann wart ihr bis übers Dach eingeschneit und wußtet nicht, ob jemand euch befreit. Warum? Im ganzen Jahr, an all den Tagen mußtet ihr euch bitter plagen. Dabei mußtet ihr auch verdienen das Brot, sonst wuchs noch größer diese große Not. Warum? So könnten wir immer noch weiter fragen und ihr hättet noch viel mehr zu sagen. Doch die richtige Antwort auf unser "Warum?" die könnt ihr nicht geben- die bleibt stumm.
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Margarete Grün Warjasch- Fundata (Perietii Noi)
Aus der Ferne kommen Grüße Aus der Ferne kommen Grüße, Sie eilen über Berg' und Flüsse, Zum lieben, teuren Heimatort, Zu den Lieben, die wir gelassen dort. Voll Sehnsucht denken wir vergangner Zeit, An Kindheit und Glück, ach es liegt so weit, Von Welt und Menschen sind wir hier getrennt, Voll Schmerz in uns allen das Heimweh brennt. Wir müssen hier viel Not und Leid ertragen, Und trotzdem dürfen niemals wir verzagen, Die Hoffnung alleine hilft hier zu überstehen, Gibt die Kraft, in der Not nicht unterzugehen. Die arme Hütte bauten wir aus Erde, Daß sie uns Schutz vor dem Schneesturm werde, Das Dach haben wir mit Schilfrohr gedeckt, Viel Tränen und Schweiß mit hinein gesteckt. Vier Jahr' sind gegangen schon ins Land, Seitdem man uns damals hierher verbannt. Vier Jahre voll Armut, Verzweiflung und Not, Wir haben oft nicht mal das tägliche Brot. Doch kehren wir einstens zur Heimat wieder, Im Garten vielleicht grade blüht der Flieder, Dann wollen das Leben wir neu beginnen, Auf seinen Wert uns neu besinnen. Wenn du, unser Gott, unser Schicksallenkst Und uns das Glück der Heimkehr schenkst, Dann wollen wir ewig dir dankbar sein Und täglich uns dieses Glückes freu'n.
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Margarete Grün Warjasch- Fundata (Perietii Noi)
Weihnachtsgruß aus der Verbannung Weihnacht so tönt es mit süßem Klang, Hell und heilig die Erde entlang. Weihnachtszeit, die Zeit der Liebe, Soll in die Herzen bringen Friede. Jed' Menschenherz möcht' zu dieser Zeit Seinen Lieben bereiten Glück und Freud. Vom Himmel herab kommts Christkind geschwind, Auf die Erd hernieder, beschert jedes Kind. Welch' heilige Freude, welch jubelndes Glück! Schöne Kindheit, o kehre nochmals zurück! Man träumt sich zurück ins Märchenland, Wo man selig als Kind unterm Weihnachtsbaum stand. 0 du glückliche, längst vergang'ne Zeit, Selige Kindheit, Traum ohne Leid. Aus diesem Traum hat mich das Leben geweckt Und mein Herz mit schweren Sorgen bedeckt. Denn, wir sind am heutigen Weihnachtsfest Verlassen, wie ein Vogel ohne Nest So heimatlos, voller Herzweh und arm. Christkind, erbarme dich unser, erbarm! Heut werden daheim die Glocken erklingen, Sie werden jubelnd ein Weihnachtslied singen. Sie rufen die Menschen zum Gotteskind hin Und erwecken zur Andacht Herz und Sinn. Doch hier in der Fremde ist's dunkel und leer, Keiner Glocke Klang tönt zu uns her. Kein Weihnachtsbaum schmückt die Stube heut'. Hier im Baragan ist nur Leidenszeit. Doch all dies Dunkel erhellt ein Licht: Das ist die Hoffnung, die Zuversicht! Sie sagt uns Armen: "Nach Nacht wird es Tag! Sei stark du Menschenherz, nicht verzag'!''
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Weihnachten in der Verbannung, in
L채te~ti.
Foto: L. Schwarz
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Margarete Grün Warjasch- Fundata (Perietii Noi)
Badiganweihnacht 1952 Versunken und einsam im Nebelmeer Liegt ein Dörflein, arm und verlassen. Es fallen die Schneeflocken, dicht und schwer Auf Gärten, Hütten und armselige Gassen. Weihnacht' ist heute in aller Welt, Die Glocken, sie künden es an. Heute, gewiss, in der ganzen Welt Nur hier nicht, im B:iragan. Hier hört man nie einen Glockenklang Sieht nie eine Blume blüh'n. Mein Herz ist schwer und sehnsuchtsbang Möcht' so gerne heimwärts zieh'n! Heut' brennen daheim die Kerzen Am Christbaum, mit hellem Schein. Stille Freude in allen Herzen Sollt' zu Weihnachten überall sein. Doch viel' Sorgen, Kummer und Leid Drückt so schwer uns're Herzen. 0 du gnadenreiche Weihnachtszeit Bring' Licht auch in unsere Herzen! Christkind, gib heute deinen Segen All' meinen Lieben, nah und fern! Gib ihn auf all' unser'n Wegen, Daß uns leuchte der Hoffnungsstern. Lass' im Lebenskampf nie uns untergeh'n Führ' zur Heimat uns wieder zurück! Gib bald uns ein frohes Wiederseh'n, Dies wär' mein Wunsch, dies wär' mein Glück. So will beten ich am Weihnachtsfest Wenn in der Heimat die Glocken klingen Damit uns Christkind nie verläßt, Uns, die wir damals in die Fern' gingen. 300
In Gedanken ziehet zur Heimat hin In der stillen, heiligen Nacht, mein Herz. Wenn dort am Weihnachtsbaum die Kerzen ergl체h'n Geht mein Beten hier himmelw채rts.
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Ottilie Tatutz Iablanita- Olaru (Ro~etii Noi)
Verbannt
Foto: 0 . Tatutz
Wir sind keine Vagabunden, wir sind ein Mädchen und ein Hahn. Wir sind beide treu verbunden, gehören jetzt zum Baragan. Weshalb und warum ist'ne Frage? Wir beide wissen es doch nicht. Es ist kein Märchen, keine Sage, niemand mit uns darüber spricht.
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Der heiße Sommer ist vorüber, der Winter ist längst nicht vorbei. Uns beiden wär es jetzt lieber für' n Hahn ein Korn, für mich ein Ei. Die Henne sitzt im Stall, ist krank. Sie gackert nicht und legt kein Ei, nach Mais sie immer mehr verlangt doch keiner bringt etwas vorbei. Der Hahn hebt ein Bein ins Gefieder, schaut mich mit einem Auge an. Ich frag mich, wann kommt Vater wieder? Er sorgt für uns im Baragan. Vor Kälte stehen wir ganz krumm. Kein Holz im Haus für ein Glas Tee. Wir fragen uns weshalb, warum tun Menschen anderen Menschen weh?
Irene Tatutz im Sorghum (Sirokpflanzen), die ausgesät wurden, um in der Winterzeit daraus Besen anzufertigen. Foto: 0. Tatutz
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Ottilie Tatutz Iablanita- Olaru (Ro~etii Noi)
Vertrauen zu Gott 1951 -1956 Es war 'ne warme Sommernacht, die Grillen sangen froh ihr Lied, da bin ich plötzlich aufgewacht, wie es des öftern so geschieht. Ich hörte Schritte nebenan im Wohnzimmer, ... des Nachts um zwei. Ich sah, mein Mann war nicht im Bett und dachte mir, daß er es sei. Da sprang die Tür so plötzlich auf und einer Lampe greller Schein traf mich direkt ins Augenlicht, ich machte mich im Bett ganz klein. Es stand vor mir 'ne Uniform, Ein Sekurist aus Fleisch und Blut, wie sie bekannt im ganzen Land, meist immer voller Haß und Wut. Er schrie mich an: "Wo ist dein Mann?" Ich sagte leis, das wüßt' ich nicht. Er wurde dabei grün und rot und zischte dann: "Er ist entwischt!" Ich freute mich im Innern mein, vielleicht es diesmal ihm gelang, entkommen konnte heute Nacht, bei diesem wilden Menschenfang. Doch meine Freude war umsonst, der sagte: "Ganz schnell pack ein, egal ob er jetzt mit dir geht, du gehst mit deinem Kind allein!" 304
"Und wehe ihm" ... er hob dabei die Pistol' in seiner Hand. "Wir zahlen es ihm haargenau, er ist uns ja so gut bekannt." Ich fröstelte, mir war unwohl, ich wußte nicht woran, wohin. Dann dachte ich: "Wie Gott es will!" Doch alles mir so trostlos schien. Mein Mann war in dem Häuschen grad', er härte was nun mir geschah. Wir sollten ohne ihn nicht weg, sofort war er zur Stelle da. In höchst zwei Stunden geht es los vernahm ich dann- "packt ein ganz schnell, nehmt alles mit was ihr auch wollt, ihr müßt hier weg, ehe es noch hell." "Und seid vernünftig, es ist kein Spaß fügt euch, niemand es ändern kann." Wir ahnten nicht, daß in zwei Tag' wir landen in dem Baragan. Mit Tausenden von Menschen hier die dieses harte Schicksal traf, verbrachten wir fünf volle Jahr mit Arbeit, Qual und wenig Schlaf. Im heißen Sommer ohne Wasser, ohne Haus und ohne Baum, in der großen Hitze schmelzen, schien alles uns ein böser Traum. Doch die Wahrheit blieb vorhanden wir schwitzten in der Sonne Strahl, uns're letzten Tropfen Wasser auf der Steppe überall. Bei der Arbeit gab's zu essen trockene Erbsen alt und hart, eine Schicht von weißen Maden war das Fleisch, sehr weich und zart. 305
In dem Käse als Gewürze waren Fliegen ganz zerfetzt, als hätt' man sie in kleinen Stücken diametrisch reingesetzt. Von der Wurst kann man wohl sagen die manchmal zu uns gelang, ein Geruch von Würz' und Frische, daß einem der Hunger gleich vergang. Einzig noch eßbar war das Brot, das so winzig klein erschien, eh' man es richtig angeseh'n mit zwei Happen war's dahin. Nur wer in dem Gemüsegarten eine Arbeit hier bekam, aß sich satt mit den Tomaten, Möhren, Gurken- ohne Rahm. Es quält' uns Durst und Hunger sehr, mit wenig Wasser, wenig Brot, so daß darauf die Typhuskrankheit befreite viele aus der Not. Wir lagen dann in kleinen Graben hinter Mauern stets herum. Endlich kamen Sanitäter spritzten uns und spielten dumm. Viele von uns krank und elend sprachen diese verzweifelt an: "Sagt uns doch warum und weshalb leiden wir hier im m.ragan?" "Sibirien war für euch bestimmt, seid froh und haltet euren Mund." Das hat man öfters uns gesagt, wir hatten Glück in dieser Stund'. Im Winter hier kam sehr viel Schnee, mit großer Kälte, ohne Holz. Mir taten alle Knochen weh, doch ich blieb wie immer stolz.
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Mit meinem Glauben an meinen Gott unendlich groß war diese Kraft, auch wenn es mal unmöglich schien, mit seiner Hilfe hab' ich's geschafft. Es ließ mich nie allein mein Gott, der zu uns armen Sündern spricht: "Vertrauet mir, ich bin mit euch, so bleibt auch ihr im Gleichgewicht."
Familie Tatutz vor ihrem Haus in Olaru 1952.
Foto: 0 . Tatutz
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Johann Funk Gottlob- Burnbäcari (Dude~tii Noi) Anmerkung des Autors: Dieses Gedicht entstand nach einer Reihe vergeblicher Versuche, mein Leben in der Verbannung erträglicher zu gestalten. Die vielseitigen Hindernisse, die mir in den Weg gelegt und die Erniedrigungen, die mir seitens der Behörden zugefügt wurden, hatten mich an den Rand der Verzweiflung gebracht. Das Gedicht ist vielleicht vergleichbar mit dem Aufschrei einer gequälten Kreatur, welche mit den gegebenen Ungerechtigkeiten anders nicht fertig werden konnte.
Gebet 0 Gott, hast du sie ganz vergessen die vor dir auf Knien lagen, die sonntags kamen in die Messen dir Freud' und Leid zu klagen? Die gläubig, still dir zugewendet am Altar gekniet, voll Zuversicht. Die manch Gebet zu dir gesendet, 0 Gott, vergiß uns nicht! Vater, der du dort im Himmel, hast du die Tränen nicht geseh'n? Hörst du nicht der Kinder Wimmern? Läßt du uns hier vergeh'n? 0 Gott, der Opfer waren es genug die dieses Volk gebracht. Der Krieg, der nahm das junge Blut, in Rußland's Fron der Rest zerbrach. Nun wir, verbannt in dieses Land wo Sonnenglut uns niederzwingt, wo manche Träne fällt auf heißen Sand und Schneesturm durch die Hütten dringt.
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0 Gott, uns stĂźrzt der Himmel ein und alles das was Heimat uns gewesen. 0 Vater sag' muĂ&#x; es so sein? Welche Schuld hast du uns zugemessen? 0 Vater, hĂśre uns in bitt'rer Not! Schenk' eine Heimat uns auf Erden. In banger Angst ruf ich dir zu: Hilf, o Gott, bevor wir sterben!
Vor der gemeinsamen Andacht an einem Sonntagmorgen in
U~te~ti.
Foto: L. Schwarz
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Mathias Kandler Johannisfeld- Rachitoasa (Giurgenii Noi)
Baraganfriedhof Sollseht du mol uf Giurgeni kumme, net such der Oma ihre Grab. Ke Friedhof meh, ke Kreiz, ke Blume, Nor windverwehtes Kukruzlaab. For sie war ke Glockeleite. Jetzt noch ke Ruh in der Erd. Bet mei Kinde Vaterunser, Unser Omas sin des wert. Such net no Gr채wer, net no Hiwle, Du findseht nix meh im Baragan. Verdorrt sin Ros' un Tulpezwiewle, Gehlieb is Leed, aus Menschewahn.
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Quellen- und Literaturverzeichnis Asociatia Fo~tilor Deportati in Baragan (Hrsg.). Fotomemoria unei deportari- Baragan 1951. Editura Mirton, Timi~oara 1995 (Verein der ehemaligen Baragan-Deportierten. Fotoerinnerungen einer Deportation- Baragan 1951. Mirton Verlag, Temeschburg 1995). Asociatia Fo~tilor Deportati in Baragan (Hrsg.). In memoriam Baragan 18 iunie 1951. Vernisajul expozitiei 19 iunie 1993. Muzeul Banatului Timi~oara (Verein der ehemaligen BaraganDeportierten. In memoriam Baragan 18. Juni 1951. Eröffnung der Ausstellung 19. Juni 1993. Banater Museum Temeschburg). Banater Zeitung. Wochenblatt für Temesch, Arad und Banater Bergland. Temeschburg 10. Juli 1996. Barcan, Monica und Millitz, Adalbert. Die Deutsche Nationalität in Rumänien. Kriterion Verlag, Bukarest 1977. Brusalinschi, Durnitro Prof. Deportati in Baragan. (In den Baragan deportiert), in: Romania Libera (Zeitung Freies Rumänien), in 6 Folgen vom 5.-9. und 12. Juni 1990. Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.). Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Band IV, Das Schicksal der Deutschen in Rumänien. Weltbild-Verlag, Augsburg 1994. Constantinescu, Emil. Rumäniens Präsident Constantinescu entschuldigt sich für kommunistisches Unrecht, in: Banater Post vom 10. Juli 1997. Das Neue Lexikon. Weltbild-Verlag, Augsburg 1987. Deutsche Volksgruppe in Rumänien (Hrsg.). Die Deutschen Siedlungen in Rumänien, nach der Bestandsaufnahme vom 3. November 1940. Mit einer Karte der deutschen Siedlungen in den Gebieten Banat, Bergland und Siebenbürgen. Verlag Krafft und Drotleff, Hauptverlag der Deutschen Volksgruppe in Rumänien, Hermannstadt 1941. Dokumente zur Geschichte der Donauschwaben 1944-1954. Donauschwäbische Beiträge, Heft 10. Donauschwäbische Verlagsges. mbH/Salzburg 1954. Drinovan, Gheorghe. Micromonografia Judetului Timi~. Timi~oara 1973 (Kurzgefaßte Monographie des Kreises Temesch, Temeschburg 1973) Eisenburger, Eduard und Kroner, Michael (Hrsg.). Sächsisch-Schwäbische Chronik. Beiträge zur Geschichte der Heimat. Kriterion Verlag, Bukarest 1976. Engelmann, Nikolaus. Der große Aufschrei blieb aus. Baragan-Deportacion der Banater Schwaben fand in der Weltöffentlichkeit kaum einen Nachhall, in: Banater Post vom 20. Juni 1991. Freihoffer, Heinrich. Sklaven im Baragan - Tatsachenroman mit dokumentarischem Anhang, Deggendorf 1981 . Geier, Christian. Baragan- Der rumänische Gulag, in: Banatica, Heft 3, Freiburg 1994. Geier, Luzian. In memoriam Baragan - Gedenkausstellung über die Deportation im Banater Museum, in: Der Donauschwabe vom 17. Oktober 1993. Geografia Romaniei. Manual pentru clasa a VIll-a. Editura Didactica ~i Pedagogica, Bucure~ti 1995 (Geographie Rumäniens. Lehrbuch für die 8. Klasse. Didaktischer und Pädagogischer Verlag, Bukarest 1995). Istrati, Panait. Die Disteln des Baragan. Verlag Reclam jun. Leipzig 1987. Landsmannschaft der Banater Schwaben (Hrsg.). Das Banat und die Banater Schwaben. Band 2. Der Leidensweg der Banater Schwaben im zwanzigsten Jahrhundert. München 1983. Lay, Heinrich. Die größte Tragödie unserer Geschichte- Die Zwangsverschleppung der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion, in: Banater Post vom 5. Januar 1995. Leber, Peter Dietmar. Der Deutsche Bundestag und die Baragan-Verschleppung der Banater Schwaben, in: Banater Post vom 8. Juni 1991. Marineasa, Viorel und Vighi, Daniel. Rusalii 51- Fragmente din deportarea in Baragan. Editura Marineasa, Timi~oara 1994 (Pfingsten 51- Bruchstücke aus der Baragan-Deportation. Verlag Marineasa, Temeschburg 1994).
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Marineasa, Viorel. Vighi, Daniel und Samanta, Valentin. Deportarea in Baragan, Destine Documente- Reportaje. Editura Mirton, Timi~oara 1996 (Die Deportation in den Baragan, Schicksale- Dokumente- Reportagen. Mirton Verlag, Temeschburg 1996). Milin, Miodrag und Stepanov, Liubomir. Golgota Baraganului pentru Sarbii din Romania 1951-1956. Editura Uniunii Democratice a Sarbilor ~i Cara~ovenilor din Romania, Timi~oara 1996 (Leidensweg Baragan der Serben aus Rumänien 1951-1956. Verlag des demokratischen Verbandes der Serben und Kraschowener aus Rumänien, Temeschburg 1996). Neuer Weg (Hrsg.). Rußland-Deportierte erinnern sich, Bukarest 1992. Rovinaru, Traian. Rubla, das verlassene Dorf in der Baragan-Steppe, in: Barrater Post Nr. 8/1963. Schmidt, Sepp. Die 2. Deportation von Barrater Schwaben - Baragan 1951-1956, in: Donauschwäbische Forschungs- und Lehrerblätter, Heft 3, München 1991. Severin, Adrian. Severin a cerut scuze Germaniei pentru deportarile comuniste. (Severin bat Deutschland um Entschuldigung für die von den Kommunsiten durchgeführten Deportationen.), in: Timi~oara (Zeitung) vom 2. Mai 1997, Temeschburg 1997. Südostdeutsches Kulturwerk München (Hrsg.). Heimatbuch der Donauschwaben- Der Hölle entronnen (Seite 229). Darrauschwäbischer Heimatverlag, Aalen!Württemberg 1960. Totok, William. Die Deportation in den Baragan- Aus dem archivalischen Nachlaß des rumänischen Stalinismus, in: Halbjahresschrift für Südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, Heft 2/1995. Vultur, Smaranda. Istorie traita- Istorie povestita. Editura Amarcord, Timi~oara 1997 (Erlebte Geschichte- Erzählte Geschichte. Amarcord Verlag, Temeschburg 1997). Berichte über die Baragan-Deportation aus folgenden Ortsmonographien: Alexanderhausen, Billed, Bogarosch, Deutschsanktmichael, Deutschstamora, Gertianosch, Gottlob, Grabatz, Großkomlosch, Großscham, Hatzfeld, Johannisfeld, Kleinbetschkerek, Kleinsanktpeter, Lenauheim, Lovrin, Marienfeld, Morawitza, Moritzfeld, Neubeschenowa, Neu- und Großsanktpeter, Perjamosch, Perkos (und Butin), Sackelhausen, Triebswetter, Tschakowa, Uivar, Ulmbach, Warjasch und Wiseschdia. Angaben von 64 Heimatortsgemeinschaften über die Baragan-Deportation aufgrundeiner Fragebogenaktion. Eigene Erlebnisse und Erfahrungen aus der Zeit des Zwangsaufenthaltes.
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Wilhelm Weber
Fotodokumentation Der Bildteil, eine umfassende Fotodokumentation, soll anband vieler Reproduktionen von sehr aussagekräftigen Fotos das mühevolle und entbehrungsreiche Leben in der Baragan-Verbannung auch visuell dokumentieren und in chronologischer Reihenfolge angeordnet alle von den Betroffenen durchlebten Phasen veranschaulichen. Es ist mir gelungen, Fotos zu beschaffen, die in ihrer Aussagekraft und der auf ihnen festgehaltenen Situation einmalig sind. Wer dachte damals am Tage der Aushebung schon daran und wer hatte den Mut dazu, sozusagen unter den Augen derBewacher zu fotografieren? Trotzdem wurde es gewagt, die mit Möbeln und sonstigem Gepäck beladenen Wagen, im Hof und auf der Straße mit einer Kamera festzuhalten. Wie konnte man unter freiem Himmel tagelang kampieren, bis man sich eine provisorische Unterkunft aus den verschiedensten Gegenständen errichtet und mit Teppichen, Decken, Reisig, Stroh oder Schilfrohr abgedeckt hatte? Wie war es möglich, in solchen primitiven Unterkünften monatelang zu hausen und dabei tagsüber schwer zu arbeiten? Sowohl der eigene Hausbau mußte vorangetrieben und beendet, wie auch auf den Feldern der Staatswirtschaften oder anderswo das tägliche Brot verdient werden. Wie sah das Dorf nachher aus, als die im wahrsten Sinne des Wortes aus der Erde gestampften Häuser in schnurgeraden Gassen, wie Soldaten bei einer Parade ausgerichtet, standen? Wie lebten die Verbannten, welche Feste veranstalteten sie und welchen Traditionen blieben sie auch während ihres Zwangsaufenthaltes treu? Wie und wohin gingen ihre Kinder zur Schule und wie sahen diese Schulen aus? Was geschah während der kalten und sehr stürmischen Wintermonate? Wie bahrte man die Toten auf, wie wurden sie beerdigt und wie sahen die Friedhöfe aus? Was geschah mit den Dörfern, den Häusern und mit den Friedhöfen der Deportierten, nachdem sie frei geworden waren und ins Banat heimkehren durften? Auf alle aufgezählten Fragen und darüber hinaus geben diese Bilder Antwort und veranschaulichen eindrucksvoller und nachhaltiger, als es die Erlebsnisberichte vermögen, das Leben in der Baragan-Verbannung, das auch unter den widerwärtigsten Bedingungen weitergelebt werden mußte. Doch waren nicht alle mir zugeschickten Fotos von brauchbarer Qualität. Sie mußten ausgesondert werden. Mit wenigen Ausnahmen hatten alle das damals übliche Format von 6 x 9 cm oder 6 x 6 cm und waren von Amateur313
fotografen mit einfachen Fotoapparaten, oft in aller Eile geknipst worden, weil das Fotografieren verboten war und man nicht erwischt werden wollte. Da in den allermeisten Fällen keine Negative mehr vorhanden waren, mußte ich sie reproduzieren und auf das Format von 9 x 13 cm vergrößern lassen. Dadurch büßten sie wieder etwas an Qualität ein, so daß es nicht immer der Druckerei mit fototechnischen Mitteln gelang, das Bild qualitativ zu verbessern, obwohl das bei jedem Foto versucht wurde. Da viele der mir eingesandten Fotos garnicht oder nur mangelhaft beschriftet waren und auch diesbezügliche Nachfragen keine Klärung brachten, blieb es mir überlassen, bei solchen Fotos den Bildtext zu formulieren. Die Namen der Fotografen konnten mir auch nicht immer mitgeteilt werden. In solchen Fällen stehen an deren Stelle die Namen der Einsender. An dieser Stelle möchte ichalljenen ein herzliches Dankeschön sagen, die mir Fotos zur Verfügung gestellt haben. Ich bedanke mich auch bei den Angestellten der Druckerei, die ihr Bestes gaben, damit die Bilder je mehr und je deutlicher die damaligen Zustände dokumentieren.
Im Hof der Familie Panhartek in Königsgnad werden nach der Aushebung die Wagen mit Möbel und Hausrat beladen, um zur Verladestelle zu fahren. Dieses Foto hat Seltenheitswert, weil damals das Fotografieren streng verboten war. Foto: J. Panhartek
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Auf diesem Foto wurde der Moment festgehalten, als nach der Aushebung im Hof der Familie Panhartekin Königsgnad die Pferde eingespannt wurden, um die mit Möbel und Hausrat beladenen Wagen zum Bahnhof zu ziehen. Foto: J. Panhartek
Auf der Straße in Königsgnad sammeln sich die mit Möbel und Hausrat beladenen Wagen, um zum Bahnhof zu fahren. Ein Bild von großer Seltenheit, das geknipst wurde, als der Bewacher noch im Hof war. Foto: J. Panhartek
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Es ist kaum zu glauben, wenn man es nicht selbst erlebt hätte. Nach der Empörung folgte die Resignation und man mußte sich diesem unmenschlichen Schicksal fügen. Über die Bettenden wurde ein Teppich oder eine Decke gespannt, um in der Nacht vor Wind und Gelsen und am Foto: Ing. J. Pierre Tag vor der Sonnenhitze halbwegs geschützt zu sein. Brate~ Juni 1951.
In dieser aus Möbeln, Teppichen, Schilfmatten und Schilfrohr errichteten Hütte lebte Familie Ing. J. Pierre ausBilledeinige Monate in Brate~, bis sie in ihr erbautes Haus einziehen konnte. Foto: Ing. J. Pierre
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Provisorische Unterkunft der Familie Josef Vastag aus Billed in Brate~ im Sommer 1951. Foto: Ing.]. Pierre
Die Familien Ludwig und Tendler aus Hatzfeld in Bumbacari vor ihrer ersten Unterkunft im Sommer 1951. Foto: A. Tendler
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Familie Stoffel aus Hatzfeld im Sommer 1951 in Dalga. Im Hintergrund die zum Trocknen aufgeschichteten Lehmziegel. Foto: A. Wilz, geh. Kolbus
Waschtag in Brate~, Sommer 1951. Weil das Haus dieser Billeder Familie noch gebaut wird, waschen und kochen die Menschen neben ihrem Zelt unter freiem Himmel. Foto: Ing. J. Pierre
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Ulmbacher Familie vor ihrer H端tte. U.te~ti 1951.
Deportierte Gertianoscher vor einer H端tte in
Brate~
Foto: L. Schwarz
im Sommer 1951.
Foto: N. Furier
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Kinder, Eltern und Großmutter von Dr. Klaus Günther aus Alt-Beba in der Baragan-Steppe vor ihrer Hütte. Sommer 1951.
Eine Familie aus Detta genießt vor ihrer Hütte die sommerliche Wärme, 1951 in Late~ti. Foto: HOG Detta
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Die Familien Johann und Jakob Thöress aus Billed in Olaru. Die erste Unterkunft im Juni 1951. Foto: J. Thöress
Erste Behausung der Familie Wagner aus Neubeschenowa in Movila Galdaului. Magdalena Wagner neben der Erdhütte. Foto: V. Wagner
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In den ersten Tagen nach der Ankunft. Die Familien Johann und Jakob Thöress aus Billed in Olaru. Juni 1951. Foto: J. Thöress
Hatzfelder Landsleute vor den Hütten der Familien Franz Quint und Peter Kolbus in Bumbacari im August 1951. Foto: F. Quint
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Speisezimmer unter freiem Himmel der Familie J. Thรถress aus Billed in Olaru, im Sommer Foto:J.Thรถress 1951.
Ulmbacher in U.te~ti.
Foto: L. Schwarz
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Viele Hände machen ein schnelles Ende. Nach diesem Sprichwort stampften sich die Lenauheimer in Rachitoasa ihre Häuser. Foto: E. Klein
Beim Häuserstampfen in Olaru, im Sommer 1951.
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Foto: J. Thöress
Häuserstampfen in Gemeinschaftsarbeit der Lenauheimer in Rächitoasa, 1m Sommer 1951. Zwischen zwei Hütten wird ein Haus gestampft. Foto: E. Klein
Brunnen in Rächitoasa. Links ein gestampfter Rohbau, daneben und rechts im Bild Hütten. Im Hintergrund die zum staatlichen Landwirtschaftsbetrieb gehörenden Bauten. Foto: E. Blaßmann
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Die H端tte als provisorische Unterkunft und daneben die noch nicht glattverschmierte Hauswand. Foto: Ing. J. Pierre
Dieselbe H端tte mit dem Rohbau und dem daraufgezimmerten Dachstuhl. Rechts eine K端che Foto: Ing. J. Pierre unterfreiem Himmel. Brateduni 1951.
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Ein Erinnerungsfoto aus einer unglücklichen Zeit. Zum Trocknen ausgelegte großformatige Lehmziegel. Kinder mußten mitansehen, wie sich ihre Mütter plagten, bis das Haus stand. Foto: A. Kupi
Familie Kraus aus Moritzfeld beim Lehmziegelschlagen in Ezerul. Sie werden zum Trocknen aufgestellt. Foto: A. Kraus
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Kollektivarbeit beim Ziegelschlagen in Dalga 1951. Darunter sieben Kolbus-Kinder aus Hatzfeld. Foto: A. Wilz, geh. Kolbus
Es freute sich jeder, wenn sein Hausbau schon soweit fortgeschritten war, obwohl an diesem Rohbau noch viel zu machen war. Foto: Ing. J. Pierre
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Die H체tte in M채z채reni, im August 1951. Daneben schon der Rohbau.
Foto: J. Dietrich
Neben einer provisorischen kellerartigen Unterkunft wird hier im Freien auf dem Petroleumkocher das Mittagessen zubereitet. Sommer 1951.
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Die erste Kochstelle unter freiem Himmel in Mazareni im August 1951.
Von Familie Kraus aus Moritzfeld gebauter Backofen in Ezerul.
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Foto:]. Dietrich
Foto: A. Kraus
Franz Quint aus Hatzfeld mit seinen Söhnen Franz und Erwin im August 1951 in Bumbacari. Kühe und Pferde, Stolz der Barrater Bauern, waren treue und nützliche Begleiter auch im Baragan. Foto: F. Quint
An einem gegrabenen Brunnen in Bumbacari. Eine Bekannte hält das Baby der Frau Tendler aus Hatzfeld. Sommer 1951. Foto: A. Tendler
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Neben dem Rohbau der Familien Ludwig und Tendler aus Hatzfeld in Bumbacari wird das Foto: A. Tendler entsprechende Holz f端r den Dachstuhl ausgesucht.
So sah nachher dieser mit Lehmziegeln aufgezogene Rohbau mit dem aufgesetzten Dachstuhl aus. Foto: A. Tendler
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Vor dem Rohbau der Familie Blaßmann aus Lenauheim in Rachitoasa. Sommer 1951. Foto: E. Blaßmann
Haus der Familie Blaßmann mit darauf gezimmertem Dachstuhl im Sommer 1951. Foto: E. Blaßmann
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Grabatzer Landsleute beim Dachbodenschlagen in Mazareni.
Foto: H. Dietrich
Die letzten Lehmziegel werden auf den Schornstein aufgesetzt. Mazareni, Ende August 1951. Foto: H . Dietrich
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Ein sogenanntes "Kleines Haus" der Familie Wagner aus Neubeschenowa in Movila Galdaului. Der anfangs offene Gang wurde hier schon zugebaut, um einen zus채tzlichen Raum zu schaffen. Foto: V. Wagner
Vor dem Haus der Familien Rausch und Lenhardt aus Giulwes in Brate~, 15. Januar 1955. Foto: HOG Giulwes
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Das "Kleine Haus" der Familie Jakob Thöress aus Billed in Olaru mit einer anderen Dachform. Foto: J. Thöress
Ein "Großes Haus" mit zwei Zimmern, der Küche und dem offenen Gang. Die Häuser unterschieden sich in der Dachform. Manche bauten mit Spitzgiebel oder wie hier auf dem Foto mit FlachgiebeL Foto: HOG Kleinsanktpeter
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Großes Haus der Familien Divo und Weber aus Billed in Dalga. Nach zwei Jahren war das Strohdach undicht geworden. Damit die Zimmerdecke nicht durchweicht und ins Zimmer herunterfällt, mußte das Regenwasser auf dem Dachboden mit Gefäßen aufgefangen werden. So sah das Haus 1953, ein Jahr vor demUmbau aus. Foto: W. Weber
Erst 1954 bekamen die Familien Divo und Weber die Genehmigung, ein Vorhaus anzubauen, das Dach mit Brettern als Unterlage und mit Teerpappe zu decken. Foto: W. Weber
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Neubeschenowaer Gasse in Movila Galdaului.
Foto: V. Wagner
H채userreihe in Movila Galdaului.
Foto: V. Wagner
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Das Haus der Familien Divo und Weber in Dalga vom Gartenende aus gesehen. Die Strohschober gehörten dem NachbarnJakob Muttar. Rechts vom Haus sieht man den Schwengelbrunnen und den weißgekalkten Backofen. Foto: W. Weber
Dasselbe Haus mit dem an die Rückwand angebauten Schuppen.
Foto: W. Weber
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Für Landsleute aus Ketfel und Kleinsiedei werden in Vii~oara mit der Kreissäge Bretter geschnitten. Foto: E. Wetzer
Ein Ochsengespann mit einem Wasserfaß zur Trinkwasserversorgung in Uite~ti. Foto: L. Schwarz
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Hermann Tullius und Hansi Kreppe! aus Gertianosch beim Wasserholen in Brate~, 1954. Foto: HOG Gertianosch
Wassertr채ger in Movila Galdaului, im Sp채therbst nach einem Regenwetter und aufgeweichten Wegen. Foto: V. Wagner
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Aus dem Hof des am Dorfrand von Dalga gelegenen Hauses der Familien Divo und Weber sah Foto: W. Weber man in die รถstlichen Weiten der Baragan-Steppe.
Elf Banaterinnen, die 1955 im Bucu-Garten bei Vii~oara arbeiteten.
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Foto: S. Schlupp
lstvancsek Michael aus Königsgnad als Glaser in Ezerul und in den umliegenden Dörfern. Foto: HOG Königsgnad Januar 1956.
Besuch bei Familie Klein aus Lenauheim in Rachitoasa. Rechts ist die Hütte zu sehen, die als Unterkunft im Sommer 1951 diente. Foto: E. Klein
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Nach einem Arbeitstag und 5 km FuĂ&#x;marsch kommen die zwei Angestellten der Maschinenund Traktorenstation von Fete~ti, Jakob Muttar aus Billed und Christoph Rothsching aus Tschene, in ihrem Wohnort Valea Viilor an. Foto: Ch. Rothsching
Franz Wansung aus Gottlob und Christoph Rothsching aus Tschene als Traktorfahrer in Valea Viilor, 1955. Foto: Ch. Rothsching
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Arbeiter aus Rächitoasa am Donauufer. Sie wurden täglich mit Kähnen und einer kleinen Fähre über den Fluß zur Feldarbeit übergesetzt. Ganz links eine Frau, die Donauwasser zum Kochen und Trinken holt. Foto: E. Blaßmann
Eine annehmbare Arbeitsstelle bot der Garten von Bucu bei ten.
Vii~oara
den dorthin DeportierFoto: R. Unger
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Arbeitspause w채hrend der Weinlese in den Weing채rten des Staatsgutes Perieti. Die Arbeitskr채fte stellte das Dorf Fundata. Foto: P. Christmann
Gute Laune bei Billedem und Einheimischen in Olaru.
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Foto:]. M체ller
Beim Brunnenausschachten in Late~ti.
Foto: L. Schwarz
Bew채sserungsvorrichtung, wie sie primitiver nicht sein konnte, am Borcea-Arm der Donau bei Late~ti. Foto: L. Schwarz
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Die FamilienGlassund Nikolaus Weber aus Billed in Olaru.
Foto: N. Gilde
Familie Kar! Gross aus Kleinschemlak in Rachitoasa.
Foto: K. Gross
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Schweineschlachten bei Familie Hans Follmer aus Gottlob in Schei.
Foto: E. Engel
Bei Familie Filip aus Nero ist das Schweineschlachten auch in Zagna ein freudiges Ereignis. Foto: K.A. Filip
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Lehrerin Olga Junker aus Marienfeld vor dem Eingang zur Siebenklassenschule in Olaru. Foto: 0. Junker
Lehrerin Olga Junker (1. von links) mit ihren Kolleginnen von der Unterstufe vor der Siebenklassenschule in Olaru. Foto: 0. Junker
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Kindergarten in Rachitoasa, Sommer 1953.
Foto: L. Renard
Lehrerin Erika Blaßmann aus Lenauheim mit ihren Schülern der 2. und 4. Klasse im Schuljahr 1955/ 56 in Rächitoasa. Foto: E. Blaßmann
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Lehrer Josef Trapp inmitten seiner Sch체ler der 1. bis 4. Klasse im M채rz 1955 in Vii~oara. Foto: K. Renard
Die Lehrerinnen Hermine Berwanger und Olga Junker (mit Akkordeon) mit der deutschen Tanzgruppe der 7. Klasse der Schule in Olaru. Foto: 0. Junker
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Die Tanzgruppe der Schule in Olaru mit der Lehrerin Hermine Berwanger.
Schwäbische Volkstanzgruppe in Rachitoasa. 1953.
Foto: 0. Junker
Foto: E. BlaĂ&#x;mann
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Deutsche Jugendtanzgruppe beim Bändertanz in Olaru unter der Anleitung der Lehrerinnen Olga Junker und Elfriede Willar. Foto: N. Neidenbach
Deutsche Volkstanz- und Theatergruppe in Rachitoasa, 1953.
354
Foto: E. BlaĂ&#x;mann
An Musikanten fehlte es nicht in R채chitoasa.
Foto: E. Klein
Kirchweihfest mit Jugendlichen aus mehreren Barrater Ortschaften in Olaru, 1954. Foto: R. Mayer
355
Kirchweihpaare mit Musikanten in Brate~ 1953.
Einladung zur Kirchweih in Brate~, 1953.
356
Die Kirchweihpaare in Brate~ marschieren mit dem RosmarinstrauĂ&#x; durchs Dorf.
Kirchweihzug durch Rachitoasa
Foto: M. Gross
357
Hochzeit in Rachitoasa, Sommer 1952.
Hochzeitsbild der Familie Filip aus Nero in Zagna, Mai 1955.
358
Foto: K. Gross
Foto: K.A. Filip
Mit dem T채ufling durch Zagna.
Auch so wurde im Baragan getauft.
Foto: K.A. Filip
Foto: D. Filip
359
Heilige Messe unter einem Schuppendach
Foto: J. Dietrich
Erstkommunion im Freien am 24. April 1955 in Fundata mit dem deportierten Pfarrer Buding aus Billed und dem Diakon Turi aus Deschandorf. Foto: P. Christmann
360
Gottesdienst mit Erstkommunion in Fundata, zelebriert an einem improvisierten Altar im Freien vom deportierten Pfarrer Buding, assistiert von Diakon Turi. Foto: P. Christmann
Die Kinder der Familie Braun aus GroĂ&#x;scham, Erstkommunikanten in Fundata. Foto: G. Braun
361
Familie Leni Rotaru, geb. Herzog aus Neubeschenowa mit ihren Kindern vor ihrem Haus in Dropia. Foto: M. Rotaru
In der Donau badende Kinder aus Rachitoasa. Sommer 1953.
362
Foto: E. BlaĂ&#x;mann
Die GroĂ&#x;eltern und die Tante sind sichtlich stolz auf den in Dalga geborenen Nachwuchs der Familie Weber. Foto: W Weber
Die Mutter Margarethe Weber und die Taufpatin Anna Divo freuen sich Ăźber den Familienzuwachs. Foto: W. Weber
363
Sommer 1955 in Dalga. Unsere Grete wurde ein Jahr alt.
Foto: W. Weber
Der Autor dieses Buches Wilhelm Weber, als Angestellter der IRCIA-Schweinem채sterei in Dalga. Foto: W. Weber
364
Frau Tendler aus Hatzfeld mit Sohn, Tochter und ihrem Fohlen in Bumb채cari. Sommer 1955. Foto: A. Tendler
Frau Elisabeth Pierre aus Billed besch채ftigt sich mit einer kleinen Landsm채nnin in Brate~. Foto: Ing. J. Pierre
365
Im H端hnerhof kann es auch in U.te~ti lustig zugehen.
Neugierde in
366
Late~ti.
Foto: L. Schwarz
Foto: L. Schwarz
Kurzer Spaziergang durch U.te~ti.
Foto: L. Schwarz
Martin Gross aus Kleinschemlak mit seiner Geige im Hausgarten in Rachitoasa. Foto: M. Gross
367
Die Temeschburger Großmutter war heimlich angereist, um das Enkelkind zu verwöhnen. Auf der Gasse vor dem Haus der Familien Weber und Divo in Dalga, 1955. Foto: W. Weber
Ein kleiner Mensch, in Dalga geboren, wußte nichts über unser hartes Schicksal fern der Banater Heimat. Im Hof der Familien Divo und Weber. Die zehn Obstbäume und die Weinreben Foto: W. Weber trugen zum ersten Mal Obst, Sommer 1955.
368
Elisabeth und Martin Grossaus Kleinschemlak vor der "Veranda" ihres Elternhauses in Rachitoasa. Foto: M. Gross
Sonntag im Baragan.
Foto: D. Filip
369
Bruno und Anni Christmann aus GroĂ&#x;scham vor ihrem Schulgebäude in Fundata, 15. Januar 1956. Foto: P. Christmann
Willi und Richard Renard aus Triebswetter im Februar 1954 in Vii~oara.
370
Foto: K. Renard
Oft sah man nur noch die D채cher der H채user. Alles andere war vom Schnee zugeweht. Foto: W. Weber
'
.
Nachbarn halfen der Familie Andreas Barwig aus Klopodia, ihr Haus in Olaru freizuschaufeln. Foto: A. Barwig
371
Das Haus der Familien Divo und Weber war in Dalga, wie viele andere H채user, vom Schnee ganz zugeweht. Nachher konnte man auf dem hart gefrorenen Schnee bis zum Schornstein hinaufgehen. Foto: W. Weber
Als ob man einen schneebedeckten Berggipfel bezwungen h채tte. Schnee war damals keine Mangelerscheinung in Fundata. Februar 1954. Foto: P. Christmann
372
Familie Friedmann aus KĂśnigsgnad muĂ&#x;te sich auf diese Weise behelfen, um aus dem eingeFoto: J. Friedmann schneiten Haus zu kommen. Winter 1954 in Olaru.
Familie lstvancsek aus Moritzfeld beim Freischaufeln ihres Hauses in Ezerul. Februar 1954. Foto: M. lstvancsek
373
Man konnte sich auch in Uite~ti der Schneemengen nicht erwehren.
Schneeverwehungen in Olaru.
374
Foto: L. Schwarz
Foto: J. Thรถress
Vor dem Haus der Familie Uizarescu aus Turnu-Severin in Olaru. Am Zaun Ottilie Tatutz mit Foto: 0. Tatutz der kleinen Heidi Fürbacher, 12. Dezember 1953.
Vom Schulgebäude in Olaru mußte der Schnee entfernt werden, ansonsten hätten diese Schneemassen das Dach eingedrückt. Foto: N. Neidenbach
375
Der Schnee war hart gefroren und muร te in Blรถcken abgestochen und weggeschaufelt werden. Hier in Dalga 1954. Foto: W. Weber
Endlich war es geschafft und das Haus vom Schnee freigeschaufelt. Familien Weber und Divo. Foto: W. Weber
376
Eine Winterlandschaft in Olaru.
Eine Dorfstraße in Dalga während der Schneeschmelze Ende März 1954.
Foto: H. Pilli
Foto: N. Gilde
377
Obwohl die Schneeschmelze schon begonnen hatte, blieb der Schnee noch viele Tage liegen. Auf dem Foto das Haus der Familien Seibert und Gilde in Dalga. Foto: N. Gilde
Klos mit seinem treuen Gef채hrten "Bubi" 1953 in Dalga, mit dem er viele Transporte als Fuhrmann nachte. Foto: N. Gilde
378
Dalga konnte zwei Fußballmannschaften aufstellen und hatte einen eigenen Fußballplatz. Foto: A. Wilz, geh. Kolbus
Die Fußballmannschaft von Rachitoasa.
Foto: E. Klein
379
DeportierteJugendliche aus Detta in Uite~ti, am 11. Dezember 1951.
Auf der Jalomitza bei Rachitoasa.
380
Foto: HOG Detta
Foto: Z. Kokai
Ein Foto zur Erinnerung an ihre Verbannung in Valea Viilor. An einem Sonntagnachmittag des Jahres 1955 ließen sich diese deutschen Jugendlichen aus sieben verschiedenen Banater Dörfern fotografieren. Foto: Ch. Rothsching
Ein bezauberndes Lächeln an der unberechenbaren Jalomitza bei
Cazane~ti,
August 1953 Foto: P. Christmann
381
An einem Sonntag in Schei. Gottlober Landsleute in der Verbannung.
Foto: E. Engel
Die Familien Krogloth und Gilde aus Billed in Olaru.
Foto: M. Gilde
382
F端nf Hatzfelderinnen und eine Billederin an einem Sonntagnachmittag in Dalga. Foto: A. Wilz, geh. Kolbus
Am Rande von Dalga.
Foto: E. Stoffel
383
Die Billeder Familien Glassund Nikolaus Weber in Olaru.
Foto: N. Gilde
Familie Egler aus Sackelhausen mit ihren Nachbarn in Brate~ am 24. Juli 1952.
Foto: M. Egler
384
Der J端ngste von den Klein-Geschwistern aus Lenauheim heiratete in Riichitoasa. Foto: E. Klein
Wildromantik an der Jalomitza bei
Cazane~ti,
August 1953.
Foto: P. Christmann
385
Jugendliche aus Uite~ti am Ufer des Donau-Armes Borcea.
M채dchengruppe in Brate~.
386
Foto: HOG Detta
Foto: S. Waldner
Jugendliche aus verschiedenen Ortschaften des Banats in Bratq.
Jugendliche aus Uiwar, Billed, Marienfeld, Dirnbach und Kรถnigsgnad an einem Sonntagnachmittag in Olaru, 1954. Foto: R. Mayer
387
Familie Ioan Albu, Nachbarn von Familie Christmann in Fundata.
Begräbnis in Rachitoasa.
388
Foto: P. Christmann
Foto: E. BlaĂ&#x;mann
Aufbahrung einer toten Frau im Baragan.
Foto: A. Kupi
Elli Becker aus Lenauheim trauert um ihren kleinen Reinhard 1953 in Rachitoasa. Foto: E. Klein
389
Aufbahrung der aus Lovrin deportierten Magdalena Wirs, geh. Lambrecht, die am 24. August 1954 in Zagna gestorben ist. Foto: F. Wirs
Abschied von der Toten Magdalena Wirs in Zagna, die danach auf den Friedhof von Braila 端berf端hrt wurde. Foto: F. Wirs
390
Beisetzung von Magdalena Wirs auf dem Friedhof in Braila am 25. August 1954, nachdem ein diesbez端gliches Ansuchen genehmigt wurde. Foto: F. Wirs
Grab des Hans Thees aus Moritzfeld, der am 8. August 1954 in Ezerul verstarb. Foto: J. Thees
391
Susanne Friedrich aus GroĂ&#x;sanktpeter am Grabe ihres Mannes in Bumbacari. Foto: H. Friedrich
Der Friedhof von Dalga. Im Vordergrund die Kreuze von Maria Seibert und Magdalena Seibert. Im Hintergrund ist der Dorfrand von Dalga sichtbar. Foto: N. Seibert
392
Außer einigen Häusern waren in Dalga 1968 die meisten zu Ruinen verfallen, wie es auf dem Foto zu sehen ist. In der Gegenwart aber ist Dalga wieder zu einer kleinen Gemeinde geworden. Foto: W. Weber
Obwohl das ehemalige Haus der Familien Divo und Weber in Dalga im Jahre 1968 von einem Feldhüter bewohnt war, sah es so vernachlässigt aus und der rechts vom Küchenfenster befindliche Schuppen war auch schon abgerissen. Foto: W. Weber
393
Ein Wiedersehen nach 13 Jahren. Margarethe Weber vor ihrem ehemaligen Haus in Dalga im August 1968, das von einem Feldh체ter bewohnt wurde. Die Obstb채ume waren gut gediehen, das Haus aber stark vernachl채ssigt. Foto: W. Weber
Am westlichen Dorfrand von Dalga stand 1968 noch dieser in Gemeinschaftsarbeit 1951 errichtete Bau, in welchem der Genossenschaftsladen untergebracht war. Margarethe Weber im Gespr채ch mit einem in Dalga gebliebenen Bessarabier namens Popescu. Foto: W. Weber
394
Die Verbannten sind ins Banat heimgekehrt und die Friedhöfe mit den Toten blieben verlassen zurück. Unkraut überwuchert die Gräber wie hier auf dem Friedhof des ehemaligen Dorfes Valea Calmatuiului. Foto: P. Schwarz
Wo einst das Dorf Zagna stand.
Foto: L. Nothof
395
Inhalt Jakob Laub Zum Geleit
7
Wilhelm Weber Einleitende Darstellung
9
Die Beweggründe zur Deportation. Das Leben im Zwangsaufenthalt in der Baragan-Steppe.
18
Alphabetisches Verzeichnis der von der Deportation betroffenen Banater Ortschaften (Gemeinden und eingemeindete Dörfer) . . . . . . . . . . .
40
Zahlenmäßige Auflistung der von der Deportation in die Baragan-Steppe betroffenen Ortschaften nach Gebieten, Kreisen und Rayons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Zahlenmäßige Auflistung der von der Deportation betroffenen Familien und Personen nach Gebieten, Kreisen und Rayons. . . . . . . . . . . . .
46
Zahlenmäßige Auflistung der in die Baragan-Steppe Deportierten nach Kategorien, wie sie die strenggeheime Direktive des Innenministeriums vorsah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Auswertung der Umfrage über die Anzahl der aus der ehemaligen Grenzzone in die Baragan-Steppe deportierten Deutschen und der dort Verstorbenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Archivbestände mit Informationen zur Baragan-Deportation.
54
Ein lang ersehnter Ministerratsbeschluß, der aber nicht hielt, was er versprach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Gesetzestexte und Ministerratsbeschlüsse zur Baragan-Deportation
65
Richard Weber (Übersetzer) Übersetzung zweier Richtlinien, eines Ministerratsbeschlusses und eines Dekret-Gesetzes aus dem Rumänischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Wilhelm Weber Der schwache Nachhall der Baragan-Deportation in der Weltöffentlichkeit, die Bemühungen der Landsmannschaft der Banater Schwaben und die Reaktion des Deutschen Bundestages
90
396
Die Rehabilitierung der Deportierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Banater-Baragan-Treffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Amtliche und private Schriftstücke, die das Leben der Deportierten beeinflußten und sie im Baragan-Zwangsaufenthalt begleiteten . . . . . . . . . . 107 Dorfpläne der 18 im Sommer und Herbst 1951 im Baragan neu erbauten Ortschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Häusergrundrisse und Zeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Engelhard Mildt und Friedrich Resch Protestaktion einiger Temeschburger Jugendlicher gegen die Baragan-Deportation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Erlebnis berichte:
Adam Bauer Baragan- Schreckenswort im Banat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 H elga Ritter 20. Januar 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 ]osef Anton Der Willkür der Partei zum Opfer gefallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Margarete Ehling Passion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Ernst Stoffel Endstation Dalga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Elisabeth Pierre Angst ohne Ende- Erinnerungen einer Mutter an die Baragan-Verschleppung 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Aus dem Manuskript" Tschakowa- Marktgemeinde im Banat" Die Baragan-Deportation.
188
Kar! Anton Filip Von Nero nach Vadenii Noi.
193 397
Margarethe und Wilhelm Weber Ein besonders leidvoller Weg in den Badigan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 ]ohann Funk 18. Juni 1951
203
Jakob Ballmann Fünf Jahre Baragan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Gottfried Braun Von Amts wegen unter die Verschlepper geraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Hans Pilli Zwangsaufenthalt in Olaru 1951 bis 1956 .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. 221 Anna Kraus Baragan und kein Ende- 12 Jahre verbannt .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. 226 Ottilie Tatutz Das Wasserfaß
230
Adelheid Wilz, geb. Kotbus Meine Jugend- und Schulzeit im Baragan
233
lrene Enea, geb. Tatutz und Ottilie Tatutz, geb. Werner Die Deportation aus der Sicht einer Schülerin und deren Mutter . . . . . . . . 246 Richard Weber Erinnerung an den Beginn der Baraganverschleppung
250
Meine heimlichen Besuche im Baragan
252
Stefan Heinz-Kehrer Ein Nichtbetroffener erlebt in Baratzhausen die Baraganverschleppung
256
Brigitte H ehn Der Baragan- Betrachtungen aus der Sicht der jüngeren Generation . . . 259 Wilhelm Weber Heitere Begebenheiten aus einer leidvollen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 398
Briefe: Brief aus Mazareni. (Stefan Diplich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief aus Vii~oara. (Elisabeth Stein, geh. Merschdorf) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief aus Valea Viilor. (Ein Mann aus Tschakowa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief eines Schülers aus Schei an seinen Großvater. (Hans Holzinger)
265 267 269 270
Wilhelm Weber Barägan-Thematik in der rumäniendeutschen Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
Stefan Heinz-Kehrer Finef Johr vun meim Lewe. Fragment aus dem Theaterstück "Zwei Schwestern". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
Ludwig Schwarz Was mei Sophie in mei alte Militärkupfer ingepackt hat. Fragment aus dem Mundartroman "De Kaule-Baschtl". . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
] ohann Lippet neue erfahrungen. Fragment aus dem Poem "biographie ein muster". . . . . 279
Latte Wilhelm Die blaue Kerze- Erinnerungen an Weihnachten in der Verbannung. . . . 284
Lieder und Gedichte über den Baragan-Zwangsaufenthalt: Baragan-Lied. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wege im Baragan. Qakob Dietrich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wann? Qakob Dietrich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wege nach freien Ländern. Qakob Dietrich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . An der Donau- Barägan 1952. (Mathias Kandler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum führte man uns in den Baragan? (Margarethe Weber) . . . . . . . . . . . . Frage der Enkel. (Margarethe Weber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aus der Ferne kommen Grüße. (Margarete Grün) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weihnachtsgruß aus der Verbannung. (Margarete Grün) . . . . . . . . . . . . . . . . . Baraganweihnacht. (Margarete Grün) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbannt. (Ottilie Tatutz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrauen zu Gott. (Ottilie Tatutz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebet. Qohann Funk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Baräganfriedhof. (Mathias Kandler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287 289 290 291 292 293 295 297 298 300 302 304 308 310
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Fotodokumentation- Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 399