Fukushima: Eine humanitäre Katastrophe (2013)

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Fukushima Eine humanit辰re Katastrophe

B端rger initiative Umweltschutz

L端chow-Dannenberg

Informationen 端ber die Geschehnisse in Japan, das Schweigen der Regierung und den Aufbau eines Gesundheitszentrums in Fukushima.


Interessiert an mehr Information? Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e. V. Rosenstraße 20 • 29439 Lüchow Mo, Mi, Fr: 9 - 16 • Di, Do: 9 - 18 Telefon: 05841 - 4684 buero@bi-luechow-dannenberg.de www.bi-luechow-dannenberg.de

Impressum Herausgeber: Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e. V. Redaktion: Lennart Müller Fotos: Lennart Müller Satz und Gestaltung: Andrea Hagen Druck: Saxoprint


Der Beginn einer Katastrophe Im März 2011 explodierten in Folge eines Erdbebens und dem damit verbundenen Tsunami im Nordosten Japans drei der sechs Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi. Es kam zu einer mehrfachen Kernschmelze. Reaktor 4 befindet sich noch immer in einem höchst kritischen Zustand. Die Katastrophe von Fukushima ist damit der bislang größte atomare Unfall in der Geschichte. Nur 26 Jahre nach Tschernobyl hat die Welt erneut auf erschütternde Weise erfahren müssen, dass Atomkraft nicht beherrschbar ist und die Wissenschaft mit ihrer Prognose, ein solcher Unfall würde nur alle 100 000 Jahre wahrscheinlich sein, falsch lag. Die japanische Regierung hat schon vor einiger Zeit verkündet: „Die Katastrophe von Fukushima ist beendet“. Doch die humanitäre Katastrophe beginnt gerade erst: In Folge der Havarie im AKW Fukushima Daiichi sind durch den atomaren Fallout weite Teile der Präfektur Fukushima kontaminiert worden. Insgesamt geht man von einer Fläche von über 2000 Quadratkilometern aus. Der angrenzende Pazifik ist durch austretendes Kühlwasser stark belastet worden und noch immer wird „kontrolliert“ radioaktives Wasser in den Ozean eingeleitet. Die größte Meeresverschmutzung der Menschheitsgeschichte.

Mit Baggern und Plastiksäcken gegen die Strahllung: Dekontaminierungsarbeiten in der Region Fukushima.


Perspektiven sind Mangelware Die Region Fukushima, zu Deutsch die Insel des Glücks, wird auf nicht absehbare Zeit unbewohnbar sein. Doch noch immer leben zwei Millionen Menschen in den verseuchten Gebieten, davon alleine 300 000 Kinder. Die Regierung hat nicht vor, diese Menschen zu evakuieren, im Gegenteil: Die Verantwortlichen möchten die verseuchten Gebiete so schnell wie möglich wieder besiedeln. Wer ohne Aufforderung seine Sachen packt und flieht, wird nicht als Flüchtling anerkannt und bekommt keine Unterstützung. Er wird stattdessen als Verräter bezeichnet. So bleiben viele und sind völlig auf sich selbst gestellt. Die Menschen bekommen keine ausreichenden Informationen über die Gefahren, die sie umgeben. Und diese wenigen Informationen sind oft falsch, oder es werden Gefahren heruntergespielt. Immer wieder werden Grenzwerte nach oben geschraubt, immer neue Rekordwerte werden für unbedenklich erklärt. Offizielle Stellen lassen verlauten, dass 100 Millisievert pro Jahr keine Gefährdung darstellen. Zum Vergleich: Vor der Katastrophe lag in Japan der Grenzwert für AKW-Arbeiter bei 20 Millisievert und für Normalbürger bei 1 Millisievert pro Jahr.

Noch immer sind in vielen Gebieten die Schäden des Tsunami nicht behoben.


Doch die Folgen der Strahlung sind jetzt schon spürbar. Bei einer statistischen Untersuchung ist festgestellt worden, dass über 30 Prozent der untersuchten 4000 Kinder auffällige Veränderungen an den Schilddrüsen zeigen. Eine erschreckend hohe Zahl. Auch in der Tier- und Pflanzenwelt sind erste Auswirkungen zu beobachten. So wurden zum Beispiel genetische Mutationen bei Schmetterlingen gefunden. Dies sind Phänomene, wie sie auch nach der Katastrophe von Tschernobyl zu beobachten waren. Allerdings scheint sich diese negative Entwicklung in Japan schneller zu vollziehen. Die Verantwortlichen in der Regierung wissen um diese Entwicklung und um die Gefahren, denen die Menschen von Fukushima und den angrenzenden Regionen ausgesetzt sind, und schauen tatenlos zu. Eltern haben die Möglichkeit ihre Kinder untersuchen zu lassen. Die Ergebnisse der Untersuchung erfahren sie indes nicht. Die einzige Auskunft, die sie erhalten: „Kommen sie in drei bis vier Jahren noch einmal wieder. Es gibt keinen Anlass zu Sorgen.“ An diesen Menschen wird geforscht, geholfen wird ihnen nicht. Menschen die offensichtliche Symptome der Strahlenkrankheit haben, (Nasenbluten, Haarausfall, Depressionen, Schlaflosigkeit und vieles mehr) werden von den Ärzten mit dem Hinweis nach Hause geschickt, dass ihre gesundheitlichen Probleme mit ihrem Lebenswandel zusammenhängen. Mit radioaktiver Strahlung habe das nichts zu tun.

Der letzte Kontrollpunkt: noch sechs Kilometer bis zum havarierten AKW in Fukushima


Die Regierung bleibt tatenlos Ein weiteres Problem ist die Ernährung: Weil es kaum Kontrollen gibt, können die Menschen nicht sicher sein, ob das, was sie zu sich nehmen, gesund für sie und ihre Kinder ist. Selbst in stark verseuchten Gebieten finden sich Reisfelder, die schon jetzt wieder bestellt werden. Dies entweder, weil die Menschen nicht ausreichend über die Gefahren der noch immer hohen Strahlung informiert sind, oder weil sie nicht wissen, wie sie sich und ihre Familien sonst ernähren sollen. So leben viele Eltern in ständiger Angst, ob das, was sie ihren Kinder zu essen geben, auch gut für sie ist. Rund 50 000 bis 60 000 Menschen leben heute in von der Regierung bereitgestellten Notunterkünften. Umgesiedelt aus stark verseuchten Gebieten, leben sie nun in kleinen Wellblechhütten mit 18 Quadratmetern Wohnfläche. Doch auch die Regionen, in denen diese Unterkünfte stehen sind zum großen Teil verseucht. Die Hütten bieten Platz für drei bis vier Personen. Viel zu klein für die Großfamilien, in denen die Menschen der Region oft leben. So werden Familien auseinander gerissen und warten darauf, dass ihnen geholfen wird. Warten auf eine Zukunft. Die Regierung hingegen sieht ihre Aufgabe mit der Umsiedlung als erledigt an. Weitere Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Wohnung oder neuer Arbeit gibt es nicht.

Die Zukunft der Kinder von Fukushima ist ungewiss.


Die Evakuierten sollen so schnell wie möglich in ihre alte Heimat zurück. Immer öfter wird von Betroffenen berichtet, die sich in dieser Lage das Leben nehmen. Der Drogenmissbrauch steigt, und manche Verzweifelte geben ihr letztes Geld beim Glückspiel aus.

Es gibt auch Hoffnung Immer mehr Japaner begreifen das falsche Spiel der Regierenden, werden aktiv, bilden Netzwerke und versuchen sich und andere auf eigene Faust zu informieren. Jeden Freitag gehen Menschen in Tokio auf die Straße, um gegen Atomkraft zu demonstrieren und die Verantwortlichen aufzufordern, endlich zu handeln. Es werden immer mehr! Auch in Fukushima versuchen viele Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie haben die „Mütter von Fukushima“ gegründet, eine Organisation, die sich vor allem für Kinder einsetzt. Doch sie kümmern sich auch um andere Dinge: So wurde in Fukushima-City ein kleiner Bioladen gegründet. Hier bekommt man frische Lebensmittel frei von Strahlung, und man hat die Möglichkeit, Informationen einzuholen über geplante Aktionen und die neuesten Entwicklungen in der Region. Es bewegt sich etwas, doch es fehlt auch noch an Vielem.

Der Bioladen wurde Anfang 2012 in FukushimaCity gegründet.


Es entsteht ein Gesundheitszentrum Anfang August 2012 wurde die Gründung eines unabhängigen Gesundheitszentrums durch die Organisation „The Fukushima Network for Saving Children from Radiation“ bekannt gegeben. Mutige Ärzte haben sich bereit erklärt, abwechselnd und ehrenamtlich für dieses Zentrum zu arbeiten. Hier sollen Menschen nicht nur medizinische Versorgung und Untersuchungen bekommen, auch bei der Suche nach einer neuen Arbeit, einer neuen Wohnung oder bei dem Wunsch, die Region zu verlassen, soll geholfen werden. Ein wichtiger Anlaufpunkt für die Betroffenen, denen es an Allem fehlt. Von den für den Bau des Gesundheitszentrums erforderlichen drei Millionen Euro sind bisher nur knapp 500 000 Euro zusammengekommen. Das war zwar genug, um Ende November 2012 den provisorischen Betrieb der Klinik aufnehmen zu können, doch fertig ist sie noch lange nicht. Es fehlt an Gerätschaften, Material und Mitarbeitern. Deshalb möchten wir sie bitten, zu spenden! Auch mit kleinen Beträgen helfen Sie den Menschen von Fukushima dabei, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e. V. Sparkasse Uelzen Lüchow-Dannenberg Kontonummer: 0044060721 BLZ: 25850110 Stichwort: „Japan“


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