kult! 19 (1-19)

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Ähnliches gilt für viele der Themen, über die in diesem Heft zu lesen ist. Da werden nicht nur (liebe und wertvolle) Erinnerungen wach und nostalgische Gefühle geweckt, sondern es wird auch an Traditionen erinnert, die in bewegten, ja teils wilden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zeiten die Möglichkeit zum Innehalten und Nachdenken eröffnen. Oder aber auch einfach nur ein Lächeln des Erinnerns ins Gesicht zaubern. Egal, ob es um TV- oder Kinofilme geht, Autos, Innovationen wie das Transistorradio oder um Alltags" aufheller" wie Comics, Süßigkeiten, Bücher oder Parfüms. Oder die ins Gedächtnis rufen, dass auch die guten alten Zeiten nicht nur aus einer heilen Welt bestanden: Man erinnere sich nur an die legendären Schach-Schlachten eines Bobby Fischer. Ich hoffe, dass wir auch diesmal mit kult! für kurzweilige Momente bei Ihnen sorgen! Viel Spaß beim Schmökern und Erinnern wünscht

Neu

Titelfoto:

Olivia Newton John: Pressefoto Weiterverwendung aller in GoodTimes kult! erschienenen Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc. nur mit der Zustimmung des Herausgebers gestattet. Gerichtsstand: Stuttgart Bei Bestellungen und Teilnahme an Verlosungen werden Ihre Daten zur Vertragserfüllung und Kundenbetreuung verarbeitet und gespeichert. Ihre Daten können zu den genannten Zwecken an Dienstleister weitergegeben werden. Ausführliches zum Datenschutz und zu den Informationspflichten finden Sie unter www.goodtimes-kult.de/datenschutz

kult!

ie Alten können’s noch! Was vielleicht etwas despektierlich klingen mag, ist als Kompliment gemeint. Die Rede ist von Erfolgs-Songschmied und -Sänger Michael Holm, der vor kurzem seinen 75. Geburtstag gefeiert hat und immer noch ebenso würdevoll auf der Bühne steht (mit der Schlagerlegenden-Tour noch bis zum 4. November) wie auch Truck Stop, die Cowboys von der Waterkant. Die feiern dieses Jahr ihr 45-jähriges Bestehen ebenfalls konzertant – und sind wie Holm seit Jahrzehnten eine Konstante der deutschen Musikszene. Interviews mit beiden sind in dieser – mittlerweile auch schon 19. – Ausgabe von kult! zu lesen. Gerade solchen (nicht nur musikalischen) Konstanten jedoch kommt in unserer alternden, zugleich aber immer schnelllebigeren Gesellschaft eine wichtige Rolle zu: Sie stehen für noch längst nicht überholte Werte, ermöglichen eine gewisse Orientierung – und machen deutlich, dass man auch gut über die Runden kommen kann, ohne auf jeden Trend aufzuspringen.

Fabian Leibfried -Herausgeber/Chefredakteur-

Edition Fußballer erscheint am 25.1.2019

amam 26.4.2019 erscheint 20.4.2018 kult! Nr.Nr.2018erscheint GoodTimes

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kult! 60er · 70er · 80er

Ausgabe Oktober 2018 1/2019 (Nr. 19)

INHALT RUB RIKE N

24

3 Editorial/Impressum 4 Inhaltsverzeichnis 5 Meine 3 Lieblings-Kult-Musikfilme

12

Mitarbeiter & Prominenz

6 News from the past

Altes neu ausgepackt

46 kult! Abo-Bestellschein 47 kult! Shop 106 kult! Preisrätsel 47 Grease / Status Quo

88

Riesenposter

12 Alltags-Kult

66

14

Süßes vom Kiosk

14 Tütensuppen & Tiefkühlkost

Mehr Freizeit durch Fertiggerichte!

18 Kung Fu

94

Ein Troublemaker als Friedensstifter

20 Camelot

Artus, Merlin und die Ritter der Tafelrunde

64 Kultbücher

Geschätzt, geliebt, gelobt

22 Stephen King

Meister des Makabren

66 Edel-Seifenopern der 80er Jahre – Serie (Teil 5) California Clan

24 Volvo P1800

Simon Templar und Schneewittchensarg" "

70 Drei Haselnüsse für Aschenbrödel

200 Jahre – Zurück in die Zukunft

32 Das Interieur der 80er Jahre – Serie (Teil 3)

72 Duftträume der Mädchen in den 70er und 80er Jahren

36 Schwermetall

74 Truck Stop

Weihnachten kann kommen!

26 A–Z Science-Fiction

Kiefernholz und klare Kanten

Blumige Noten von durchdringender Feinheit

Die faszinierende Geschichte eines Comic-Magazins

Cowboys von der Waterkant

36

38 TV-Charaktere – Serie (Teil 7)

76 Das Jahr 1978

Magnum

40 Superman

59

80 Jahre – Mann aus Stahl

Drei Papas habemus, Disco-Fieber allerorten und Tagesthemen für politisch interessierte Nachteulen

102

80 Michael Holm

42 Star Wars

Der Grandseigneur des deutschen Schlagers

Fan-Clubs made in Germany

82 Kino-Bösewichte – Serie (Teil 7)

44 Traumfrauen der 70er Jahre

Basil Rathbone

Ein Fest für Auge und Herz

84 Grease

48 Dinner For One

Alle Jahre gerne wieder!

50 Heino

40 Jahre – Grease Is The Word

40

88 Asterix

50 Jahre – seit 1968

The Godfather Of Haselnuss

59 Lucky Luke

90 Transistorradios

44

In Paris

Als die Popmusik tragbar wurde

92 Dinokult vor Jurassic Park

60 Bobby Fischer

Faszination Urzeit!

Präzise wie eine Schachuhr

94 Nick der Weltraumfahrer

62 Halbinsel Dingle

Deutschlands Antwort auf Sputnik 1 feiert Geburtstag

Wo Robert Mitchum & die Jedi-Ritter leb(t)en

96 Der kleine Vampir

Mein Freund, der Langzahn

80

98 Telly Savalas

Ein Glatzkopf kommt selten allein

100 Ufos

Fliegende Untertassen beflügeln die Fantasie

102 Nutella

Viel mehr als nur ein Brotaufstrich!

84

104 Filmprogramme

Wünsche, Träume und Sehnsüchte auf der Leinwand

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kult!

Meine 3 Lieblings-KultMusikfilme 1. School Of Rock

1. 24 Hour Party People

1. Paint Your Wagon

2. Quadrophenia

2. Slade In Flame

2. Amadeus

3. Straßen in Flammen

3. Made In Sheffield

3. West Side Story

Andreas Kötter

Fabian Leibfried

Roland Schäfli

1. Die fabelhaften Baker Boys

1. Can A Song Save Your Life?

2. Wie im Himmel

2. Walk The Line

3. La La Land

3. Die Kinder des Monsier Mathieu

Andrea Leibfried

Matthias Bergert

1. The Rocky Horror Picture Show 2. West Side Story 3. Purple Rain Thorsten Schatz

1. Comedian Harmonists

1. Amadeus

1. O Brother, Where Art Thou?

2. Yellow Submarine

2. Fantasia

2. High Fidelity

3. Quadrophenia

3. School Of Rock

3. Almost Famous

Nicolas von Lettow-Vorbeck

1. The Rocky Horror Picture Show

Ulrich Schwartz

1. Yeah! Yeah! Yeah! (A Hard Day’s Night)

1. Coyote Ugly 2. Rock Of Ages

2. Hair

2. The Blues Brothers

3. Sister Act

3. Mary Poppins

3. The Greatest Showman

Kathleen Müller

Kathrin Bonacker

Christian Simon

1. The Rocky Horror Picture Show

1. Memories Of Matsuko 2. Ziegfeld Girl

1. Gib Gas, ich will Spaß 2. Yellow Submarine

2. Cabaret

3. Die Commitments

3. Dalida

3. Hi - Hi - Hilfe Hans-Joachim Neupert

Susanne Buck

1. The Lost Boys 2. The Rocky Horror Picture Show 3. Grease Petra Czerny

Daniel Stroscher

1. Mamma Mia

1. Walk The Line

2. The Wall

2. The Runaways

3. Rock Of Ages

3. School Of Rock Alan Tepper

Markus Nöth

1. The Doors

1. Amadeus

1. Footloose

2. Hair

2. The Wall

2. Mamma Mia

3. Diva

3. 8 Mile

3. Grease

Michael Fuchs-Gamböck

Andrea Zagmester

Jörg Palitzsch

1. Amadeus

1. The Rocky Horror Picture Show

2. Leningrad Cowboys Go America

Peter Illmann

2. Hair

3. Anna And The Apocalypse

1. Cabaret - Liza Minelli ist umwerfend! 2. Die Kinder des Monsieur Mathieu - hat mich wirklich bewegt! 3. The Greatest Showman weil er etwas untergegangen ist und gut war!

3. Flashdance Sven Rachner

Thorsten Hanisch

1. Dancer In The Dark

1. The Blues Brothers

2. Wie im Himmel

2. This Is Spinal Tap

3. Once

3. Tommy Philipp Roser

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© HarryStahl.com

Horst Berner

Michael Klein

Mitarbeiter & Prominenz


Bücher & Comics ART OF MOPAR

LEGENDÄRE MUSCLE CARS

Von Tom Glatch und Tom Loeser 2018, Motorbuch Verlag ISBN 978-3-61304-069-4 224 Seiten; 49,90 Ð

Waaahnsinn! Mit diesem auf hochwertigem Papier gedruckten Prachtband entführen die Autoren den Leser in die Zeit der sogenannten US-Muscle-Cars, also der aufgemotzten Schlitten, die alle das Prädikat kultig" ver" dient haben – Chrysler, Plymouth und Dodge. Das war tatsächlich noch Ingenieurskunst verbunden mit einem heißen Design, bei dem der Kunde ernstgenommen wurde. Der 1969 Dodge Daytona Charger, der 1970 Plymouth Superbird oder der 1972 Plymouth Road Runner GTX werden bei den großartigen Fotos schnell zu Objekten der Begierde. Zusätzlich präsentieren die Autoren neben den technischen Details (was waren das für PS-Protze und Benzinschlucker!) Infos zur zusätzlichen Ausstattung (und den damaligen Preisen dafür) sowie eine Einschätzung des Verkaufserfolgs. Ein informativer und zugleich wunderschöner Band, der seinem Preis mehr als gerecht wird.

APOLLO

DER WETTLAUF ZUM MOND Von Zack Scott

2018, Droemer ISBN 978-3-42627-757-7 168 Seiten; 28,00 Ð

Das Apollo-Programm lief von 1961 bis 1971 und hat bis heute noch eine unvergleichliche Strahlkraft. Das liegt nicht nur am legendären und brisanten Wettlauf zwischen den damaligen Supermächten, sondern auch an den technologischen Errungenschaften innerhalb kürzester Zeit. In einem gebundenen Hardcover-Band erläutert der amerikanische Autor Zack Scott die wesentlichen Aspekte der Unternehmungen. Zuerst widmet er sich den Raumschiffen, Raketen und der Bodenausrüstung, gefolgt von einer Darstellung der Missionen Apollo 1 bis Apollo 17 und angrenzender Projekte. Nach Kurzporträts der zwölf Astronauten, die den Mond betraten, überzeugt Scott mit Detailwissen wie Statistiken und Fakten, die auch einem Laien anschaulich nahegebracht werden. Eines der besten Bücher zum Thema.

N from the past FLASH GORDON

AUF DEM PLANETEN MONGO – DIE SONNTAGSSEITEN 1934–1937 Von Alex Raymond

2018, Hannibal Kult ISBN 978-3-85445-659-9 208 Seiten; 35,00 Ð

Wer erinnert sich nicht gerne an den schaurigschönen-schrägen Film Flash Gordon" aus " dem Jahr 1980, zu dem Queen den Soundtrack beisteuerten? Die Story basiert auf steinalten Comic-Strips, die ab 1934 in den USA und Großbritannien im Rahmen der sogenannten Sonntagsseiten von Zeitungen erschienen. Der Schöpfer Alex Raymond gehört neben Hal Foster ( Prinz Eisenherz") zu den Urgesteinen der " Comic-Zeichner und sorgte besonders durch seine ideenreichen Storys und plastisch an" fühlbaren" Zeichnungen für Furore. Raymond erzählte und zeichnete die Abenteuer von Flash Gordon, seiner Geliebten Dale Arden und dem Wissenschaftler Dr. Zarkov, die auf dem fremdartigen Planeten Mongo landen, wo sie gegen Ming, den Unbarmherzigen, kämpfen müssen. Fabelwesen, bizarre Landschaften und eine gehörige Portion Science-Fiction wirken auch nach über 80 Jahren (!) noch. Die bibliophile Ausgabe mit ausführlicher Einleitung ist in einer wunderschönen HardcoverEdition lieferbar, die farblich den in den 30er Jahren erschienenen Sonntagsseiten angepasst wurde, im Gegensatz zu früheren Ausgaben, die je nach dem damals aktuellen Geschmack in poppigeren Farben auf den Markt kamen. Ein kultiger Comic und zugleich eine Zeitreise in die Prä-Golden-Age-Ära.

PIERRE-BRICE-EDITION

ÜBER NACHT WAR ICH WINNETOU Von Hella Brice

2018, Karl-May-Verlag ISBN 978-3-78023-101-7 224 Seiten; 39,00 Ð

Über Nacht war ich Winnetou" ist für alle " Pierre-Brice- und Karl-May-Fans ein wahrer Schatz: Drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes zeigt Hella Brice über 50 Jahre lang gehütete und zum Großteil unveröffentlichte private Fotos und Dokumente des berühmtesten Film-Winnetous aller Zeiten. Am Rande der Dreharbeiten drückte Pierre Brice oft selbst auf den Auslöser und fotografierte seine Kollegen wie Lex Barker, Marie Versini oder Karin Dor. Und auch sie machten Fotos von ihm – zum Seite

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Teil waren diese noch nicht einmal entwickelt, als Hella Brice sie im Nachlass entdeckte. Dazu kommen noch persönliche Briefe und Postkarten, die Pierre Brice an seine Mutter, Freunde oder auch an den Produzenten Horst Wendlandt schickte. Ferner werden Verträge und weitere Abmachungen erstmals veröffentlicht, ebenso viele Plakate zu anderen Filmen des Kult-Stars.

HERZ RASEN

DIE WELTMEISTERSCHAFTEN SEIT 1954 Von Ulrich Homann

2018, Klartext Verlag ISBN 978-3-8375-1972-3 162 Seiten; 14,96 Ð

Was für eine schöne Fußballwelt. Fernab von der Blamage in Russland, wo die deutsche Mannschaft erstmals in ihrer Geschichte schon in der Gruppenphase ausschied, fernab von Videobeweis und Trainerwechseln, gibt das Fußballbuch Herz Rasen" ein heimeliges " Gefühl von Sieg, Stolz und Ehre. Garniert mit vielen Bildern und statistischem Material. Es sind nicht die trockenen Funktionäre, sondern die Fans, die sich in diesem Buch an die Weltmeisterschaften seit 1954 erinnern. Selbstverständlich geht es immer noch um das Jahrhundertfinale 1966 in England, bei dem mit dem Wembley-Tor" einer " der berühmtesten und umstrittensten Treffer der Fußballgeschichte fiel. Natürlich war der Ball nicht drin", sagt heu" te noch der ehemalige Kölner Abwehrspieler Wolfgang Weber. Aber es hilft ja nicht weiter, weil Fußball, und dies zeigt dieses Buch wunderbar auf, ein sich immer drehender Kosmos von Interpretationen ist, an deren Ende ein Sieg stehen muss. Und Deutschland hat viele Fußballsiege davongetragen. Außer in Russland, aber diese Weltmeisterschaft fehlt im Buch.

STAN

Von John Connolly 2018, Rowohlt ISBN 978-3-49800-946-5 208 Seiten; 24,00 Ð

Über die beiden Jahrhundertkomiker Dick und Doof" sind " bereits zahlreiche Werke der Sekundärliteratur erschienen, doch einen Roman, noch dazu eine semifiktionale Arbeit, hat es bislang nicht gegeben. Der Bestsellerautor John Connolly erzählt die Geschichte von Stan Laurel und seines besten Freundes Oliver Hardy (Babe) und lässt dabei


NEWS die 20er und 30er Jahre wiederauferstehen, eine Zeit, in der der Humor und der Witz der beiden Comedians tatsächlich die Welt zum Lachen brachte. Connolly erzählt aber auch von den Schattenseiten wie gescheiterten Ehen, übermäßigem Alkoholkonsum und Auseinandersetzungen mit Produzenten, wobei er fiktionale Elemente gekonnt in den Text einwebt. Unterhaltsam und aufschlussreich, wenn man sich an den abgehackten Schreibstil gewöhnt hat, der einen schnellen Leserhythmus vorgibt.

THE REAL EIGHTIES

AMERIKANISCHES KINO DER 80ER JAHRE: EIN LEXIKON Von Lukas Foerster

2018, Synema-Gesellschaft ISBN 978-3-90164-471-9 224 Seiten; 22,00 Ð

Die Systema – Gesellschaft für Film und Medien gibt seit 2005 in regelmäßigen Abständen eine Reihe von absolut sammelnswerten Bänden zu den verschiedensten Filmthemen heraus. In Band 31 widmet sich eine Reihe wie immer erlesen ausgesuchter Autoren, die die Bandbreite von Filmwissenschaft bis Fanbeschäftigung abdeckt, dem amerikanischen Kino der 1980er Jahre. Das Buch versteht sich dabei keinesfalls als Lexikon im herkömmlichen Sinne, sondern als eine Art alternativer Blick auf die Filmgeschichte. Die thematische Vielfalt ist dabei sehr groß: Von Aufsätzen, die sich der eher unbekannten Seite des legendären Studios Cannon Films widmen, über feinsinnige Betrachtungen zum Thema Klassenverhältnisse" bis hin zu " klugen Lobpreisungen von berüchtigten Slashern wie The Prowler" findet sich allerhand " Stoff zur Horizonterweiterung.

chend schöne Sammlung und Geschichte der Sportwagen, die nur selten im Tagesverkehr zum Einsatz kamen. Der Austin Healey 100S, ein Sunbeam Tiger, die Chevrolet Corvette C1 und C2 (was für heiße Untersätze) oder Raritäten wie der Marcos 3-Liter GT bestechen durch Optik und formvollendeten Geschmack. Hier zeigt sich noch eine Ingenieurskunst, die man heute vermisst.

BULLI-FOREVER-BOX

LIEBESERKLÄRUNG AN EIN LEBENSGEFÜHL Von Jamie Tinney

2018, Delius Klasing ISBN 978-3-66711-157-9 132 Seiten; 29,95 Ð

Der legendäre Bus von VW, der seit rund 70 Jahren auf den Straßen der ganzen Welt gefahren wird, ist meist mehr als nur ein Transporter für seine Besitzer. Der Liebe zwischen Mensch und Bulli hat Autor Jamie Tinney diesen besonderen Bildband gewidmet. Über 70 Farbfotos, begleitet von Zitaten berühmter Personen, laden zum Träumen, zum Schwelgen ein. Der Fokus der Bilder liegt auf den beiden ersten Modellreihen T1 und T2, die zwischen 1950 und 1979 gebaut wurden und mit ihrer rundlichen Form einfach Beson knuffig wirken. Besonderes Highlight der aufwendig gestalteten Box ist außerdem das exklusiv lackierte 1:38-DieCast-Modell des VW Transporter-Kombi T1 von 1961 in der Lackierung des Titelmotivs. Das macht diese Bulli-Box zu einem Unikat und zu einer perfekten Geschenkidee für alle Fans!

ART OF CLASSIC SPORTS CARS

55 JAHRE BUNDESLIGA

Von Stuart Codling und James Mann

2018, Delius Klasing ISBN 978-3-66711-326-9 264 Seiten; 14,90 Ð

ANMUT, STIL UND ELEGANZ 2018, Motorbuch Verlag ISBN 978-3-61304-104-2 208 Seiten; 49,90 Ð

Die beiden Autoren Stuart Codling und James Mann haben nicht nur einen faszinierenden Bildband mit vielen Detailinformationen abgeliefert, sondern sicherlich auch einen immensen Recherche-Aufwand betrieben, denn die hier zu sehenden Originalmodelle befinden sich größtenteils im Besitz von Privatpersonen – und diese mussten zuerst um Erlaubnis gebeten werden, um die Flitzer ablichten zu können. Das Resultat ist eine beste-

DIE EMOTIONALSTEN MOMENTE Von Matthias Brügelmann

Die berühmtesten Elfmeter, die spannendsten Spiele, die peinlichsten Patzer: Zum 55-jährigen Jubiläum der Bundesliga veröffent licht der Bielefelder Delius Klasing Verlag in Ko operation mit Europas größter Sportzeitschrift Sport Bild" das Buch 55 Jahre Bun" " desliga". Mit über 1600 Fotos dokumentiert dieser Bildband die Geschichte der ersten Liga, liefert neben der Geschichte der höchsten deutschen Spielklasse aber auch immer wieder die spannendsten, emotionalsten und

01. Nov Kiel Kieler Schloss 02. Nov Osterholz-Scharmbeck Stadthalle 03. Nov Rheine Stadthalle 04. Nov Hitzacker Verdo 06. Nov Borken Stadthalle 07. Nov Wilhelmshaven Stadthalle 09. Nov AMO N Madgeburg 10. Nov Emden Nordseehalle 11. Nov Paderoborn Paderhalle 12. Nov Mannheim Capitol 13. Nov Tutttlingen Stadthalle 15. Nov Kempten BigBox 16. Nov Stadtallendorf Stadthalle N Bad Orb 17. Nov Konzerthalle 18. Nov Rastatt Badner Halle 20. Nov Plauen Festhalle 21. Nov Gerau Stadthalle 22. Nov Cottbus Stadthalle 23. Nov Coswig Börse 24. Nov Wittenberge

Kultur- und Festspielhaus

25. Nov N Torgau 27. Nov Bad Neustadt 28. Nov Erding 29. Nov Neu-Isenburg 30. Nov Loenbert 01. Dez Olpe

Kulturhaus Stadthalle Stadthalle Hugenottenhalle Stadthalle Stadthalle

Bookends perform

27. Mar Lübeck Kolesseum 28. Mar Oldenburg Kulturetage 29. Mar Kiel Kiel Schloss 30. Mar Hameln Weserberglandzentrum 31. Mar Hamburg Kulturkirche Altona 02. Apr Bad Langensalza Kulturzentrum 03. Apr Rennerod Stadthalle 04. Apr Langen Neue Stadthalle 05. Apr Uhingen Uditorium 06. Apr Tauberbischofsheim Stadthalle 07. Apr Heidenheim Konzerthaus 09. Apr

Neunburg vorm Walde Schwarzachtalhalle

10. Apr 11. Apr 12. Apr 13. Apr 14. Apr 16. Apr 17. Apr 18. Apr

Hof Coburg Hilden Werl Oer-Erkenschwick Wolfenbüttel Hoyerswerda Potsdam

06. Feb Kiel 07. Feb Lübeck 10. Feb Magdeburg

Festsaal Kongress Stadthalle Stadthalle Stadthalle Lindenhalle Lauritzhalle Nicolaisaal

Kieler Schloss Kolosseum AMO

www.hypertension-music.de Studio Hamburg - Jenfelder Allee 80 -22039 Hamburg tel.: 040 476993 mail info@hypertension-music.de


lustigsten Anekdoten von 1963 bis heute. Franz Beckenbauer ist der größte Spieler der Bundesliga-Historie, Karl-Heinz Charly" " Körbel der treueste, Gerd Müller erzielte die meisten Tore, Uwe Seeler, Jürgen Klinsmann und Klaus Fischer schossen die spektakulärsten. Oliver Kahn, Mehmet Schwein Scholl, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Frank Ribéry und Udo Lattek sind Rekordmeister, nicht zu vergessen zwei der größten Spaßvögel der Liga, Sepp Maier und Willi Ente" Lippens. Natürlich hat die Bun" desliga in 55 Jahren noch viel mehr Typen hervorgebracht, war Lieferant für unendlich spannende, dramatische, lustige, schöne, aber auch peinliche und traurige Geschichten. Diese liefert das großformatige Buch auf 264 Seiten, vom ersten Tor – von dem es immer noch kein Foto gibt –, vom Pfostenbruch 1971, vom wohl bis heute berühmtesten Elfmeter 1986, vom dümmsten Abstieg 1999, vom tragischen Vier-Minuten-Meister 2001, vom Rekordmeister und Seriensieger Bayern München, vom gestürzten Liga-Dino Hamburger SV. Saison für Saison nimmt Herausgeber und Sport Bild"-Chefredakteur " Matthias Brügelmann die Leser mit durch 55 bewegende Jahre, liefert neben den emotionalen Geschichten natürlich auch sämtliche wissenswerten Fakten, von den jeweiligen Torjägern über die teuersten Transfers und der Top-Elf der Saison bis zu den immer wieder höchst interessanten Tops & Flops des Jahres. Hat man hier den ersten Blick ins Buch geworfen, kommt man so leicht nicht mehr davon los.

ERIC IDLE

ALWAYS LOOK ON THE BRIGHT SIDE OF LIFE 2018, Hannibal ISBN 978-3-85445-657-5 324 Seiten; 23,00 Ð

Wer erinnert sich nicht an die schwarzhumorige Szene im Film Das Leben des Brian", " in der die Gekreuzigten den zwangsopti" mistischen" Song anstimmen, den einer der wichtigsten Comedians aus Großbritannien als Titel seiner brüllend komischen, hintersinnigen, bescheidenen und schillernden Autobiografie auswählte. Neben zahlreichen Anekdoten aus der Anfangszeit mit der bahnbrechenden Komiker-Chaotentruppe Monty Python berichtet Eric Idle auch von seiner

N from the past Freundschaft zu George Harrison und den Filmaufnahmen zu den Kultstreifen und Einzelsketchen. Darüber hinaus bietet er auch Einblicke in sein Privatleben und gibt frei von Starallüren eigene Charakterschwächen und -defizite zu. Die Einsicht, dass der Erfolg eine Laune des Schicksals sein kann, beweist er mit der Zustimmung zu einem Zitat von George Harrison, der sagte: Hätten wir ge" wusst, dass aus uns mal die Beatles würden, dann hätten wir uns mehr angestrengt."

1966

DIE ERSTE BUNDESLIGA-SAISON VON FORTUNA DÜSSELDORF Von Norbert Arndt und Tom Koster 2018, Eigenverlag, degfan84@aol.com 180 Seiten; 24,50 Ð

Im Jahr 1966 wird Fortuna Düsseldorf westdeutscher Fußballmeister, gewinnt die Aufstiegsrunde und zieht somit erstmalig in die wenige Jahre zuvor gegründete Bundesliga ein. Obwohl die Düsseldorfer dort nur ein kurzes Gastspiel gaben, war es für Norbert Arndt Grund genug, ein komplettes Buch über diese Zeit zusammenzustellen. Gespickt mit seltenen Fotos und Zeitungsausschnitten, aufgelockert durch zahlreiche Spieler-Interviews und Anekdoten wird die Saison 1966/67 so detailliert, so unterhaltsam, so fachkundig präsentiert wie zuvor wohl noch nie eine einzelne Saison eines Fußballvereins. Vor allem, wie sich hier der Fußballsport mit dem typischen Esprit der 60er Jahre vermischt, wie man sehnsuchtsvoll die alten Bilder von Leder-bemäntelten Stadionsprechern vor ihren Mikrofonen, handbedienten Anzeigetafeln und aus heutiger Sicht schon fast historischen Trikots (und Trainingsanzügen!) betrachtet, macht dieses Buch ohne Frage zum Thema für kult!. In welcher Tiefe sich der Autor dieser Saison widmet, ist einzigartig, nicht nur die Vorgeschichte des Aufstiegs wird hier akribisch in Wort und Bild dokumentiert, sondern auch jedes einzelne Liga- und Pokalspiel sowie die Einschätzungen der damaligen Spieler aus heutiger Sicht. Was 1966 – Die erste " Bundesliga-Saison von Fortuna Düsseldorf" aber weit über eine trockene Dokumentation hinaushebt, sind die zahllosen Abbildungen von Fan-Utensilien wie Mützen, Fahnen und Kugelschreibern, dazu Eintrittskarten und Ähnliches sowie immer wieder die herrlichen Bilder vom alten Düsseldorf. Eine wirklich außergewöhnliche Reise zurück in eine Zeit, als der (Fußball-)Sport selbst auf höchster deutscher Ebene noch weitaus lokaler verwurzelt war, als dies heute der Fall ist. Seite

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OTTO WAALKES KLEINHIRN AN ALLE

2018, Heyne ISBN 978-3-45320-116-3 416 Seiten; 22,00 Ð

Der Vorzeige-Friese Otto Waalkes hat wichtige Beiträge zum deutschen Comedy-Gut abgeliefert, angenehm pro provoziert und mittlerweile ein beachtliches Werk kreiert, das zwar nicht immer gefallen mag, aber stets durchdacht ist und in der Regel über dem Niveau der Konkurrenz liegt. In seiner unterhaltsam geschriebenen Biografie beweist er nicht nur Witz, sondern plaudert leben lebendig und selbstkritisch über sein Leben und lässt dabei auch dunkle" Abschnitte nicht " außen vor. Otto erzählt über seine Hamburger WG-Zeit, die immens populären Platten, Fernsehauftritte und die zahlreichen Filme, aber erläutert auch immer den politischen und sozialen Hintergrund der jeweiligen Epoche, wodurch seine Bio auch als Spiegel deutscher Geschichte gelesen werden kann. Ein warmherziges Buch, das auch zeigt, welch harte Arbeit Otto leisten musste, bis er zum Entertainment-Establishment gehörte. Eigentlich ein unangebrachter Begriff, da der Künstler immer zwischen den Stühlen sitzen wird und will.

TINA TURNER

MY LOVE STORY – DIE AUTOBIOGRAFIE

2018, Penguin Verlag ISBN 978-3-32860-059-6 320 Seiten; 28,00 Ð

Liebe hat mein Leben " gerettet. Davon will ich erzählen", sagt Tina Turner, mit über 200 Millionen verkauften Tonträgern eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt. Sie hat sie aufgeschrieben, ihre ganze Geschichte" – bald wird sie 80 " Jahre alt, und die Geschichte ihres Lebens ist lang. Aus der Enge ihrer Kindheit in Nutbush, Tennessee, auf die großen Bühnen dieser Welt. Ein Weg, der nicht immer einfach war. Harte Zeiten mit Ike Turner, ein Karriereknick und dann ein grandioses Comeback – auch in der Liebe ... Mit Ehemann Erwin Bach durfte sie schließlich das langersehnte persönliche Glück erleben. Er half ihr auch, eine lebensbedrohende Krankheit zu überstehen. Diese Autobiografie ist eine Liebeserklärung an das Leben und zugleich die zutiefst bewegende Überlebensgeschichte einer starken,


NEWS from the past mutigen Frau, die so energiegeladen ist wie ihre Musik. Das Buch enthält zudem viele bisher unveröffentlichte Fotos aus Tina Turners Privatbesitz.

gibt seine ganz persönlichen Einblicke dazu. Dieser Geburtstagsband ist definitiv sein Geld wert – das Training der Lachmuskeln gibt es gratis dazu!

GARFIELD

UNSER FAMILIENALBUM

Von Jim Davis

Von Maren Schürmann und Georg Howahl

2018, Egmont Comic Collection ISBN 978-3-77044-013-9 288 Seiten; 25,00 Ð

2018, Klartext Verlag ISBN 978-3-83751-971-6 120 Seiten; 14,95 Ð

DAMALS – ALS WIR JUNG WAREN

40 JAHRE LACHEN & LASAGNE: HAPPY BIRTHDAY TO ME

Wer in den 80er Jahren aufgewachsen ist und ein Faible für die sanften Stubentiger hatte, kam an den liebenswerten Comics von Garfield, der für den Genuss einer Lasagne zu allem bereit ist, nicht vorbei. Nach Erscheinen der Zeichentrickserie und den beiden Filmen, die im Kino mit großem oran Erfolg gelaufen sind, hat sich der dicke orangefarbene Fellball eine rasant gewachsene Fangemeinde gesichert. Seit dem ersten, im Jahr 1978 erschienenen Comic-Strip, werden Garfields Besitzer Jon – der eher als Dosenöffner und Lasagnekoch bezeichnet werden müsste – sowie Mitbewohner Hund Odie von dem frechen Kater auf jede erdenkliche Art drangsaliert. Dies aber nur in der raren Zeit, in der er nicht damit beschäftigt ist, zu fressen, zu schlafen und fernzusehen. In diesem Jubiläumsband hat der Garfield-Schöpfer Jim Davis, der mit 25 Katzen aufgewachsen ist, aus jeder Dekade die charakteristischsten Strips zusammengestellt. Im Laufe von 40 Jahren veränderte sich dabei die äußere Erscheinung Garfields von einem fettleibigen, dickgesichtigen Kater mit kleinen, runden Augen hin zu einer dank einer Diät abgespeckten Version mit größeren Augen, die nur noch auf zwei Beinen läuft. Jim Davis präsentiert am Ende des Buchs seine 40 Lieblings-Comics und

Diese Zusammenstellung von alten Fotos aus Familienalben steht stellvertretend für das Zeitgeschehen des vergangenen 20. Jahrhunderts. Mit Sicherheit erleben die meisten ein Déjà-vu beim Betrachten dieser Aufnahmen und fühlen sich in die eigenen guten alten Zeiten zurückversetzt. Manches, wie zum Beispiel die damalige Mode, Haarschnitte und Wohnungseinrichtungen, lässt schmunzeln und an eigene Erlebnisse denken. Zu den Fotos gehören jeweils Lebensgeschichten, die kurzweilig erzählt sind und in denen sich der eine oder andere wiederfinden kann. Die beiden Autoren ermöglichen mit diesem Buch eine Zeitreise der besonderen Art!

IM BULLI AUF DEM HIPPIE-TRAIL Von Heiko P. Wacker

2018, Delius Klasing ISBN 978-3-66711-250-7 192 Seiten; 22,90 Ð

Wer meint, dass sich hinter diesem Titel nur ein weiteres Fanbuch zum Kultbus von VW verbirgt, wird bald eines Besseren belehrt. Der Bulli spielt hier zwar eine Schlüsselrolle, aber im Mittelpunkt stehen die Reisen des OberHippies Jürgen Schultz, der ab den frühen siebziger Jahren über 80 Länder bereist hat, die es heute so zum Teil gar nicht mehr gibt.

Seine Reiseberichte sind absolut authentisch, weil er tatsächlich alles genau so erlebt hat. Frei nach dem Motto Man " muss nur den Zündschlüssel rumdrehen und losfahren. Alles andere findet sich von selbst", ist Jürgen Schultz den legendären Hippie-Trail nach Goa und Nepal sogar zweimal abgefahren – mit seinem Bruder als treuem Begleiter. Dass sich dazu in Nepal auch ein Hund gesellte, ist eine von vielen Geschichten. Diese grenzenlose Freiheit, die es heute in diesem Maße nicht mehr gibt, lässt einen fast wehmütig werden. Es tröstet jedoch, dass es Schultz mit seinen Erzählungen und den zahlreichen Originalfotos gelingt, dem Leser dieses Lebensgefühl zu vermitteln und ihn – zumindest gedanklich – mit auf seine Reisen zu nehmen.

DER HORROR DER FRÜHEN MEDIZIN Von Lindsey Fitzharris 2018, Suhrkamp ISBN 978-3-51846-886-9 276 Seiten; 14,95 Ð

Die Geschichte der Medizin wird aus der Retrospektive heraus meist als schaurig und mit einem Anflug von Unglauben wahrgenommen. Der Untertitel Joseph Listers " Kampf gegen Kurpfuscher, Quacksalber & Knochenklempner" des hochinforma hochinformativen und lesenswerten Buches deutet schon auf den Inhalt hin, Fitz den die Autorin Lindsey Fitzharris – sie promovierte zum Thema Medizingeschichte – niveauvoll und nachdrücklich visuell erzählt. Sie entführt den Leser in das London Mitte des 19. Jahrhunderts, wo der Chirurg Joseph Lister die Geschicke seiner Disziplin und allgemein

HANNIBAL PROUDLY PRESENTS: DER VERLAG DER STARS www.hannibal-verlag.de

ROGER MOORE 007 – Live And Let Die Die Filmtagebücher 272 Seiten; 18 € GoodTimes

ERIC IDLE Always On The Bright Side Of Life Eine Art Autobiografie 1/2019 Seite 23 9€ 324n Seiten;

FLASH GORDON – Auf dem Planeten Mongo Die Sonntagsseiten 1934 –1937 Bibliophile Ausgabe; 208 Seiten; 35 €


N from the past der Medizin nachhaltig veränderte. Vor seiner Zeit glich eine Operation einem Glücksspiel, nach Listers Studien, die mit wissenschaftlicher Akribie durchgeführt wurden, zumindest einer nachvollziehbaren und auf Grundlagen basierenden Methode. Eine "abenteuerliche" Zeitreise für Leser mit entsprechender Nervenstärke.

für die Detailliebe des Autors. Besonders die Titelseiten-Inschriften in Cirth und Tengwar sowie verschiedene Schutzumschlagentwürfe stehen dann für den Perfektionismus Tolkiens. Ein gelungener Einblick in eine ganz eigene Welt.

ROGER MOORE

DIE SCHÖNSTEN MODELLE AUS DER SPIELZEUGKISTE

007 – LIVE AND LET DIE DIE FILMTAGEBÜCHER 2018, Hannibal

ISBN 978-3-85445-653-7 232 Seiten; 18,00 Ð

Als Roger Moore die schwierige Aufgabe meistern musste, Sean Connery als JamesBond-Darsteller abzulösen, verdonnerte" ihn " die Produktionsfirma zum Führen eines Tagebuchs, in dem er alle 84 Drehtage von dem in Deutschland unter dem Titel Leben und ster" ben lassen" bekannten Streifen dokumentieren sollte. Die nun erstmalig in deutscher Sprache erschienenen Filmtagebücher bieten nicht nur einen Blick hinter die Kulissen der zahlreichen Schauplätze, sondern zeichnen auch das Porträt eines intelligenten, selbstironischen und sprachlich versierten Mannes, der sich sprachlich – ganz im Gegensatz zu heute – nicht immer politisch korrekt ausdrückt. Aber meine Güte, es waren die Siebziger, und da pfiff man noch einer Frau hinterher, rauchte ständig und trank während der Arbeit auch mal ein Bier. Eine wunderschöne Erinnerung an einen der ganz Großen der Leinwandgeschichte. Empfehlung.

DIE KUNST DES HERR DER RINGE VON J.R.R. TOLKIEN Von Wayne G. Hammond und Christina Scull 2018, Klett Cotta ISBN 978-3-60898-102-5 240 Seiten; 30,00 Ð

J.R.R. Tolkien ist vor allem als Autor und Sprachgenie bekannt. Nur seine Fans wissen etwas über seine künstlerischen Fähigkeiten als Zeichner und Kalligraf. In diesem auf edlem Papier gedruckten Hardcover-Buch, das in einem Hardcover-Schuber erscheint, werden die wenig bekannten Leidenschaften Tolkiens mit Abbildungen seiner Arbeiten, Skizzen und erklärenden Texten dargestellt. Landkarten des Auenlands in diversen Vollendungsstadien, Inschriften wie zum Beispiel die der Türen von Durin oder Zeichnungen des vermeintlich zerstörten Buchs von Mazarbul sind Beispiele

LIEBLINGSAUTOS Von Ulrich Biene

2018, Delius Klasing ISBN 978-3-66711-400-6 160 Seiten; 29,90 Ð

Die späten 50er bis frühen 80er Jahre gelten als die goldenen Jahrzehnte des Automodellbaus. So gut wie jedes Kind hatte damals eines der beliebten Modelle von Firmen wie Märklin, Siku oder Matchbox auf dem Wunschzettel stehen. Wenn damals eventuell nicht alle Wünsche in Erfüllung gingen, so kann man sie mit diesem liebevoll gestalteten Bildband heute noch einmal nachempfinden. Ulrich Biene kennt sich in der Modellbauszene bestens aus und präsentiert auf 160 Seiten die schönsten und prägendsten Modellautos der großen Jahre. Ohne Frage lassen sie auch heute noch jedes Sammlerherz höher schlagen: Vom 600er Benz über den 411er Unimog bis zum Buick Regal werden die kleinen Stars aufwendig in Szene gesetzt und in über 200 Farbfotos und Abbildungen porträtiert, dazu gibt es interessante Hintergrundinformationen über alle Marken, Modelle und Originale. Dabei finden nicht nur die Klassiker ihren Platz im Buch, auch die damals vielfältige Modellauto-Landschaft der deutschen Spielwarenläden – heutigen Generationen kaum noch bekannt – wird ausgiebig beleuchtet. So bietet der Bildband Jung und Alt, Eltern wie Kindern einen faszinierenden Ein- und Rückblick.

DIE REVELL-STORY

BAUANLEITUNG ZUM ERFOLG

Von Ulli Taubert und Andreas A. Berse 2018, Delius Klasing ISBN 978-3-66711-399-3 176 Seiten; 29,90 Ð

Ob es detailgetreue Miniaturausgaben von Rennautos, Flugzeugen, Schiffen oder Zügen sind, kaum eine Freizeitbeschäftigung begeistert Jung und Alt so sehr wie der Modellbau. Gemeinsam wird dabei gebastelt, gebaut, getüftelt und am Ende des Tages das fertige Produkt bewundert. Dabei ist ein Name von den Wunschzetteln kleiner und großer Fans dieses Hobbys nicht wegzudenken: Revell. Seit über 60 Jahren finden sich die Bausätze Seite

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der Firma aus dem nordrhein-westfälischen Bünde in Kinderzimmern und Hobbykellern in aller Welt. Vor allem die Liebe zur Perfektion noch in den kleinsten Details sorgte dafür, dass Revell bei Fans zu einem magischen Namen wurde. Von Modellautos über Flugzeuge bis hin zum gigantischen modernen Kreuzfahrtschiff findet hier jeder in maßstabsgetreuer Umsetzung, was sein Modellbauerherz begehrt. Die Revell-Story" liefert nun die " Geschichte einer großen Leidenschaft, die im Jahr 1947 mit einem maßstabsgetreuen Modellauto aus Kunststoffteilen begann. Als Kenner und Liebhaber der Modellauto- und Modellbauszene nehmen die beiden Autoren die Leser mit auf eine ebenso spannende wie lehrreiche Zeitreise durch mehr als 60 Jahre Bauen im Miniaturformat.

DVDs + BLU-RAYs STAR TREK DISCOVERY

Trekkies aus aller Welt können sich freuen: Endlich kehrt Star Trek", eine der weltweit " einflussreichsten Kult-Serien, zurück auf den Bildschirm. Am 22. November 2018 erscheint die erste Staffel des TV Phänomens "Star Trek: Discovery" auf Blu-ray, DVD und im limitierten Blu-ray-Steelbook! Die Fans erwarten 15 Episoden rund um die intergalaktischen Missionen der Sternenflotte, exklusive Special Features und viele unveröffentlichte und erweiterte Szenen. Die Handlung spielt im Jahr 2256 und damit zehn Jahre vor Kirk, Spock und Co. in Raumschiff Enterprise". " Ein komplett neues Schiff und neue Charaktere gehen auf Sternenreise, um unbekannte Welten und Lebensformen zu entdecken. Was diese Mission aus der Crew macht und welche Abenteuer auf sie warten, füllt nicht nur einen gemütlichen Fernsehabend. (Paramount/Universal Pictures Germany)

9 ½ WOCHEN Der Erotikklassiker mit Kim Basinger und Mickey Rourke kann durchaus als Vorgänger von Fifty Shades Of Grey" gelten, hatte er " doch damals in den 80er Jahren schon einen ähnlichen Hype ausgelöst. Gut gemachte Erotikfilme sind nach wie vor ein Kassenschlager. Und 9 ½ Wochen" ist definitiv Kult in diesem " Genre. Die erotischen Spiele von John und


NEWS from the past Elizabeth im New York der 80er Jahre sind ebenso ungewöhnlich wie aufregend und gefährlich. Beide fallen in einen Strudel psycho-erotischer Extravaganzen und erleben eine Leidenschaft, die kein Tabu kennt. Das Wechselspiel zwischen Beherrschen und Gehorchen, Demütigung und willenloser Unterordnung wirkt auf der aktuell erschienenen Blu-ray in ungeschnittener Fassung so mitreißend wie nie zuvor. (FilmConfect Home Entertainment)

THEO GEGEN DEN REST DER WELT Marius Müller-Westernhagen als Theo. Der unbeugsamen Loser, dem sie seinen 17 Meter langen Volvo-38-Tonner-Turbodiesel, an der Motorhaube rechts und links mit Fuchsschwanz ausgestattet, gestohlen haben. Westernhagen spielt Trucker Theo schnoddrig leicht, unter Schlafentzug leidend und mit Schlaghosen, die ständig rutschen. Er gibt der Figur mit seinem flapsigen Wortwitz und staubtrockenem Charme jene romantische Tiefe, die Herz und Tränendrüsen rühren. Ein rasantes Roadmovie von 1980, das durch ganz Europa führt. Eine Irrfahrt, in der auch die Nebenrollen, allen voran Guido Gagliardi als Enno und Claudia Demarmels als Ines Röggeli, zur Geltung kommen. Das Trio, verfolgt von einem Geldeintreiber der Universal Kredit, sucht den Lastwagen unter anderem in Lüttich und macht einen Abstecher in die Schweiz zu Röggelis, wo sich Theo und Ines erstmals küssen. Dann geht es weiter über Frankreich nach Mailand und Genua. Als Extra gibt es auf der DVD neben dem Trailer auch ein Interview mit Regisseur Peter F. Bringmann. (Studio Canal)

DRESSED TO KILL Vor genau 38 Jahren hat dieser Thriller von Brian De Palma die Kinosäle aufgeheizt. Nun bringt FilmConfect Entertainment die ungeschnittene Fassung plus Bonusmaterial auf Blu-ray in die heimischen Wohnzimmer. Angehaucht von Hitchcocks Psycho" bietet " Dressed To Kill" alles, was " einen guten Psychothriller ausmacht. Gelangweilt von ihrer Ehe flüchtet sich Kate in Tagträume voller Erotik und Gewalt. Ihr Psychiater Dr. Robert Elliott rät ihr, diese

Fantasien auszuleben. Das nimmt jedoch ein schreckliches Ende: Kate wird nach der Begegnung mit einem Unbekannten mit einem Rasiermesser ermordet. Einzige Zeugin der Tat ist die Edelprostituierte Liz, die sich gemeinsam mit Kates halbwüchsigem Sohn auf die Suche nach dem Mörder macht. Und hier kommt Dr. Elliott wieder ins Spiel ... (FilmConfect Home Entertainment)

LUCKY LUKE

DIE KOMPLETTE SERIE – EXTENDED EDITION Mit seinem cleveren Pferd Jolly Jumper und seinem einfältigen Hund Rantanplan jagt der erhabene Cowboy Lucky Luke schon seit über 70 Jahren das Böse im Wilden Westen. Und dies nicht nur in der ComicSerie, sondern auch im erfolgreichen Kinofilm Daisy " Town" mit Terence Hill in der Hauptrolle. Als frisch ernannter Sheriff muss er hier die kleine Westernstadt von einigen Ganoven befreien, unter denen sich auch die üblen Daltons befinden. Die danach entstan entstandenen acht TV-Episoden bieten ebenfalls beste Unterhaltung für Jung und Alt. Erstmals sind nun alle Verfilmungen komplett und ungekürzt auf Blu-ray in bester HD-Qualität im Handel erhältlich. Der Cowboy, der schneller zieht als sein Schatten, ist ungekrönter König seines Genres und garantiert großen Western-Spaß für alle Generationen! (3L)

Musicals THE 50TH ANNIVERSARY TOUR Als sich vom 15. bis 17. August 1969 rund 400.000 Menschen auf den Weg machten, um ein Rockfestival im amerikanischen Bundesstaat New York zu besuchen, da ahnte wohl keiner, dass der Name des Ortes auch 50 Jahre später noch als Inbegriff der Hippiekultur gelten würde, dass man auch heute noch sofort an Love & Peace" denkt, sobald der Name " Woodstock fällt. Zum 50-jährigen Jubiläum des Rockfestivals geht Ende März nächsten Jahres Woodstock – Das Rockmusical" auf " Tour durch Deutschland, macht Halt in neun Städten quer durch die Republik. Auf der Bühne eine ebenso bunt gemischte wie hochklassige Truppe, Leadsänger ist der holländische Rocksänger Martin van der Starre, der schon in Jesus Christ Superstar" und „We " Will Rock You" brillierte. Unterstützt wird er von Sänger und Gitarrist Thomas Meeuwis 1/2019

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kult!

Unsere Gewinner der Verlosung aus kult! Nr. 18 – 2/2018 Lösung: DAS WAR SPITZE Blu-ray Grease": " Dieter Wolf, Marienberg Jürgen Pflanz, Ludwigshafen Movie Collection Grease": " Angelika Drees, Witten Hans-Jürgen Kothe, Wetter Ruhr Blu-ray Bettgeflüster": " Alexander Wechsel, Bremen Martina Lüddecke, Essen

WOODSTOCK – DAS ROCKMUSICAL

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sowie Muriel te Loo, der Janis Joplin der Niederlande. Die sechsköpfige Liveband unter der Leitung von Matthijs van Noort liefert dazu den authentischen Sound der 60er und 70er Jahre, natürlich sorgen auch das Bühnenbild und die Kostüme dafür, dass man sich als Zuschauer mitten hineinversetzt fühlt in dieses legendäre Festival. Über drei Stunden mit Musik von Jimi Hendrix, Janis Joplin, Joe Cocker, Santana, Jefferson Airplane, Crosby, Stills, Nash & Young, Sly & The Family Stone und Creedence Clearwater Revival, eine kultige Reise zurück in die wilde Flower-Power-Zeit, die man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.

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Blu-ray Ein Pyjama für zwei": " Klaus Genschmar, Clingen Harry Nemeth, Dreis Blu-ray Schick mir keine Blumen": " Wolfgang Frei, Heidelberg Bernd Ortner, Oberursel Fritz-Lang-DVD-Box: Robert Frischkorn, Nidderau DVD & Blu-ray Kameradschaft": " Dirk Jahn, Offenburg Franz Lothar Strasser, Augsburg DVD & Blu-ray Westfront": " Udo Meinetsberger, Nürnberg Claudia Kühn, Schafflund

Herzlichen Glückwunsch!


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Süßes vom Kiosk S

chon in der Kindheit spürte man: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Dieses Gefühl beschlich uns unwillkürlich, wenn wir unser meist überschaubares Taschengeld beim Kiosk um d ie Ecke in süße Leckereien umwandeln wollten. Da die präsentierten sich uns auf mehreren Ebenen in runden oder eckigen Behältnissen die verführerischsten Köstlichkeiten. Lakritzschnecken, Weingummi-Vampire, Mäusespeck und unzählige weitere Süßigkeiten übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf uns aus. Die preislich zwischen 5 und 30 Pfennig „teuren" Objekte der Begierde waren ein fester Bestandteil unserer Kindheit und trugen in einem nicht unbeträchtlichen Maße zu unserer Lebensfreude bei – Grund genug, sich bei jeder sich ergebenden Gelegenheit mit ihnen einzudecken.

Um die „Hürde" des „Selbst-Auswählen-Müssens" zu umgehen, bestellten wir eine bunt gemischte Tüte und hatten lediglich die Entscheidung zu treffen, ob diese mit oder ohne Lakritz sein sollte – die übrige Zusammenstellung überließen wir der Zufallsauswahl der Verkäuferin oder des Verkäufers. Auf diese Weise wurde das anschließende Öffnen der Tüte zu einem magischen Ritual mit Überraschungseffekt – hofften wir doch, dass der individuell bevorzugte Favorit dabei sein würde. Wurde diese Erwartung nicht erfüllt, nahmen wir uns fest vor, beim nächsten Mal eine bis an den Rand mit dem gegenwärtig fehlenden Highlight gefüllte Tüte zu bestellen. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben jedoch so gut wie nie – denn spätestens beim nächsten Besuch im „Schlaraffenland Kiosk" lockte wieder die Riesenvielfalt wunderbarer Glücklichmacher. In Bezug auf Süßes waren nicht nur die bunt gemischten Tüten der Grund für unsere Stammkundentreue – Esspapier, Brausepulver, Lollies, Eiskonfekt, Kaugummi oder Waffelbruch ersetzten nicht selten eine Seite

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ganze Mahlzeit. Das mühselige Entfernen der Folienverpackung einer 30 Zentimeter langen Waffel mit zuckrig-klebriger Füllung vermochte uns ebenso in einen süßen Rausch zu versetzen wie das geduldige Auslecken einer Plastikmuschel, deren Inhalt aus einem mit künstlich-grellen Farbstoffen eingefärbten Bonbon bestand. Ein netzförmig gegossener Karamellriegel mit Schokoladenüberzug namens Leckerschmecker half uns dabei, uns schneller von unseren schon lockeren Milchzähnen zu befreien. „Saure Zungen", welche durch extremes Sauersein reizvoll und gleichzeitig nahezu ungenießbar waren, machten uns glücklich. Wer das nicht aushielt, wählte „Saure Gurken", die ihrem Namen nicht gerecht wurden, da diese süßen Fruchtgummis noch mit einer üppigen Portion Zucker bestreut waren. Unsere M&Ms hießen damals Bonitos und hatten lustige Gesichter, Raider hieß noch nicht Twix, und es gab Treets, die Erdnüsse in Schokolade schmolzen laut Werbung im Mund und nicht in der Hand. Esspapier war besonders lecker, wenn es in Form einer fliegenden Untertasse und mit Brausepulver gefüllt genossen werden konnte. Den zuckersüßen rosa Riesenkaugummi Bazooka kauften wir hauptsächlich wegen der Sammelbildchen mit den Comics von Schleck und seinen Freunden, und wir tauchten den Swizzelstick in Brausepulver namens Double Dip. Aus kleinen Plastikkelchen löffelten wir eine Schokocreme, und fruchtige Bonbonlippenstifte färbten unsere Lippen stundenlang rot. Ja, so war das damals, und wer das Glück hatte, seine Kindheit in den Siebzigern oder Achtzigern verleben zu dürfen, der wird sich gern an diese „süßen" Zeiten erinnern. Daniel Stroscher

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Tütensuppen & Tiefkühlkost

Mehr Freizeit durch Fertiggerichte!

Von Kathrin Bonacker

Wer jemals von Hand Kartoffelknödel zur Weihnachtsgans zubereitet und das Reiben von Unmengen roher Kartoffeln für eine große Familie in Erinnerung hat, der weiß: Das kleine Werbe-Engelchen der Firma Pfanni traf 1956 absolut den Nerv. Als schönstes Geschenk für die " Hausfrau" brachte es eine dampfende Servierplatte voll mit den arbeitsintensiv herzustellenden Klößen. Klar war, dass der Braten trotzdem genug Aufwand verlangte, aber das Zeitalter der Fertiggerichte war endgültig angebrochen. Bis zur heutigen Vollmahlzeit für die Mikrowelle fehlten nur noch ein paar kleine Schritte ...

garantieren. Sie brauchten allerdings immer noch wenigstens etwas (wie heißes Wasser) zum Anrühren.

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ie Erfindung der hermetisch abgeschlossenen Dosen zum Transport unverderblicher Lebensmittel wurde, wie so vieles, zunächst vor allem für die Armee genutzt. „Rehse's Universal-Conserven" pries die Firma 1903 als „unentbehrlich für Manöver, Jagd, Sport, Touristik, Sommerfrische etc." an. Eine sogenannte Vollkonserve (üblicherweise in einer innen mit Kunststoff überzogenen Weißblechdose) hat heute unbegrenzte, mindestens aber zweijährige Haltbarkeit.

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954 bot Niebel Fleischkonserven (in Bad Oeynhausen hergestellt) „Geschmorte Leber mit Zwiebeln" oder „Schinken in Burgunder" an: „Dose öffnen, heiß machen und servieren, das ist die ganze Arbeit", hieß es dazu. Hier war also dem Fleisch schon Würze zugefügt, die eine weite weitere Zubereitung des Produkts überflüssig machte. Aber erst die 60er Jahre boten die Voraussetzung für den Durchbruch der Fertiggerichte im Privathaushalt: Immer mehr Frauen gingen arbeiten, und der klassischen Hausfrauenarbeit kam ständig weniger Zeit zu. Die Dosenmahlzeit wurde salonfähig und in den Familienalltag inte integriert. Den Inhalt einer Blechdose in einen Topf geben und diesen erwärmen konnten

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wei Briten eröffneten 1813 die erste Konservenfabrik, in Frankreich hatte gleichzeitig die Konservierung in Glasgefäßen große Fortschritte gemacht. Seither haben immer mehr und ganz verschiedene Lebensmittel den konservierten Weg zum Verzehr genommen. „Teilfertigprodukte", zum Beispiel Liebigs Fleischextrakt von 1852, die 1867 von Johann Heinrich Grüneberg erfundene Erbswurst oder der klassische Brühwürfel gingen den heutigen Fertigprodukten voraus und sollten vor allem die Haltbarkeit und Verfügbarkeit der pulverisierten oder gepressten Nahrung Seite

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sogar ungeübte Köche. Und das zeigt die FertiggerichtWerbung seither unermüdlich.

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ehr auffällig ist das überproportional häufige Auftreten von Männern, die in der Nahrungsmittel-Reklame sonst nicht ganz so oft zu finden sind. Jeder Mann, der bei der Bundeswehr war, hat zwar Fertiggerichte ohnehin als Teil der sogenannten EPA („Einmannpackung") kennengelernt, die als Notfallproviant für Soldaten immer zwei Fertiggerichte à 300 g enthält, nicht selten darunter auch Ravioli oder Erbseneintopf. Bei der Wehrmacht hieß das Konservenpaket übrigens „Eiserne Ration", und auch ein Angehöriger der preußischen Armee hatte bereits Erbswurst für den Notfall im Gepäck. Aber im Normalfall geht es ja eher um die häusliche Nahrungszubereitung, die eben durchaus alleinstehende, von der Hauswirtschaft einer Frau gerade nicht versorgte oder gar emanzipierte Männer per Dosenmahlzeit selbstständig bewältigen können, wie es die Werbung verspricht. Vielleicht dann, wenn sie eine kleine „Zwischenmahlzeit" nach „Gutsherrenart" neben ihrer Axt im Wald aufwärmen?

Nahrung rasch erkannt" hätten. „Nicht etwa, weil Adam progressiver als Eva wäre – nein, er ist nur bequemer und erkennt Zeitgewinn sehr rasch. Eine Zeit, die heute kostbarer ist denn je – zum Basteln, für den Sport, für die Familie und für viele andere schöne Dinge – und sei es nur für die schöpferische Faulheit" (vgl. Klaus Rüstig im Vorwort).

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in frecher Kochbuch-Autor schrieb 1972 ganz im Ernst, dass es ja Männer seien, „die den Vorteil industriell vorbereiteter

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as bietet denn nun aber die FertiggerichteIndustrie? Die Antwort ist heute klar: Inzwischen gibt es alles, was je in einem Kochbuch stand. Die Tiefkühltruhe in Kombination mit der Mikrowelle ermöglicht von der Vorsuppe bis zur sahnig dekorierten Torte alles – bis auf die klassische Rohkost (also Salat und Obst) –, und das sogar hübsch fürs Auge. In den 60er Jahren dagegen waren Dosengerichte nicht unbedingt ansehnlich, die obenauf angerichtete frische Petersilie musste dann eben (wie in den Katzenfutter-Reklamen

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heute!) den dekorati dekorativen Schliff geben. Von einem Eintopfgericht wurde aber auch in dieser Hinsicht nicht viel erwartet, es sollte sättigen und schmecken. Scharfe oder nicht so scharfe Gulaschsuppe, Allerlei mit Kartoffeln und Hülsenfrüchte-Eintopf mit mehr oder weniger Speck waren die Grundvarianten.

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as aber mit der Zeit alles ging, war oft ein Mysterium für diejenigen, die die Gerichte bisher in mühevoller Kleinarbeit von Hand zubereitet hatten, und es war sicher schwer für manch eine erfahrene Köchin oder manch einen Koch zuzugeben, dass ein Fertiggericht genauso gut schmecken konnte wie das hausgemachte Original. (Die Diskussionen über Geschmackverstärker, künstliche Aromen und Farbstoffzusätze wurden erst viel später richtig laut). Denn das war das Ziel der Produktion: die haltbare, einfach und schnell erwärmbare Kopie eines Gerichtes herzustellen, das sich jemand auf den Teller wünschte.

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nd weil es um Schnelligkeit ging, war es auch nicht abwegig, Ende der 60er Jahre Sportler wie Franz Beckenbauer, den Radrennfahrer Rudi Altig oder den Skirennläufer Toni Sailer als Propaganda-Männer für Tütensuppen einzusetzen: Wenn diese Helden der Geschwindigkeit zum Probieren von Knorrs Frühlings-, Fleischklößchen- oder Tomatencreme-Suppe aufriefen, konnte das ja so verkehrt nicht sein!

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n der RatgeberLiteratur fanden sich seit den 60er Jahren als Tipps für Gastgeber beim Umgang mit Über raschungsgästen immer auch Hinweise auf die notwendinotwendi ge Vorratshaltung: „Fertigsuppen in Würfeln oder Dosen sind auch am ehesten im Vorrat einer Küche zu finden. Wird ohnehin eine Suppe Seite

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gegessen, so kann sie in den meisten Fällen auch dann verlängert werden, wenn dieselbe Geschmacksrichtung ausgegangen ist. Gulaschsuppe lässt sich ohne weiteres durch Ochsenschwanz- oder Pilzsuppe ‚strecken'. helEbenso sind unter den hel len Suppen Spargel-Creme, Sellerie und Blumenkohl bis zu einem gewissen Grade umtauschbar", hieß es zum Beispiel 1966 unter der Überschrift „Gastgeber als Zauberkünstler". Und Roland Gööck schrieb 1968 eine „Vorschlagsliste für Ihren Notvorrat" mit ver verschiedenen Rubriken. Unter „Fleisch" wurde „je eine Dose Büchsenschinken, Würstchen, Gulasch und Ragout Fin" empfohempfoh len, für „Suppen" lau lautete der Rat, „je eine Dose Ochsenschwanz-, Hühnercremeund Schildkrötensuppe" anzu anzuschaffen: „Vor allem deshalb, weil überra überraschende Gäste oft die Eigenschaft haben, nach Ladenschluss oder am Sonntagnachmittag aufzutauchen, man also nicht rasch um die Ecke zum Feinkosthändler gehen kann." Die dadurch ermöglichte Spontaneität war also ein ganz großer und bis dato nicht gekannter Vorteil der neuen Art, mit Dosen zu kochen.

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ine andere Motivation fürs Fertiggericht auf dem Teller war der Wunsch, etwas nachzukochen, das bisher nicht zum Rezeptschatz der deutschen Familie gehört hatte: In den 50er und 60er Jahren boomte nicht nur der Italien-Urlaub, sondern in dessen Folge auch die kulinarische Mittelmeer-Sehnsucht. Die Lebensmittelindustrie kam diesen Wünschen nach, indem zum Beispiel Maggi ab 1958 Dosenravioli anbot, die als „Nassfertiggericht" nur in ihrer Soße erwärmt werden mussten. Italienische Pasta hielt Einzug in Deutschlands Küchen und brachte Bella Italia direkt auf den Tisch. Die Firma Kraft machte sich ab 1961 in Deutschland mit den ersten Mirácoli-Packungen auf einen jahrzehntelangen Siegeszug, obwohl auch sie ja nicht einmal richtige Vollkonserven sind. Dennoch geht es einfach: Packung auf, Nudeln in kochendes Wasser, Tomatensoße mit Gewürzmischung verrühren und erhitzen ... fertig! Zu Beginn bot die Mirácoli-Serie auch noch

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ein Reisgericht „mit Oliven, Pilzen, Fleischsoße", aber das setzte sich nicht durch, und selbst die Maccaroni konnten mit den Spaghetti nicht konkurrieren. In der sogenannten DreiKronen-Serie gab es 1977 Cannelloni von Maggi „tellerfrisch versiegelt", und nicht nur hier erschien das Stereotyp des italienischen Ristorante. Allüberall fanden sich auch die liebenswerte Mamma Mirácoli oder Mama Rosetta, bei der es sich so herrlich Lasagne essen ließ: „Buon appetito!", hieß es.

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er erwähnte Kochbuchautor Rüstig schrieb dazu, Marktforscher hätten herausgefunden, warum Pizza und Lasagne zu Beginn der 70er Jahre schon beinahe zum deutschen Alltagsgericht geworden seien: „Kochen nach südländischer Art ist ‚Nachvollzug' von Urlaubserlebnissen – und nicht nur von kulinarischen." Auch ihre „Go"-Pizza bewarb zum Beispiel Pfanni demgemäß 1972 als „die Echte aus Italien": „Alle Zutaten für den Teig und das Obendrauf sind fix und fertig vorbereitet", hieß es weiter – nur das individuelle Garnieren blieb als Eigenleistung. Und natürlich das Auswählen von Margherita, Riviera oder Napoletana. Heute hat die Tiefkühlpizza als „Ein-Komponenten-Mahlzeit" der Backmischung aber längst den Rang abgelaufen. Tiefkühlgerichte aus der Gefriertruhe gibt es auf dem deutschen Markt seit dem Ende der 50er Jahre (es begann mit Spinat und Fischstäbchen), und das Angebot hat sich seither vom simplen eingefrorenen Gemüse zur auftaubaren Komplettmahlzeit immer weiter ausdifferenziert.

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ine besondere Form des Fertiggerichts ist übrigens die Babynahrung. Zunächst Muttermilch und dann zermantschte Erwachsenenkost, bis die Zähnchen bisstauglich waren, so sah es früher aus. Die Herstellung von Milchpulver machte Erstere zum ersetzbaren Naturprodukt (und lange Diskussionen darüber folgten bis heute), die Entwicklung der Breikost in kleinen Portionsgläschen erschuf eine weitere riesige Industrie.

einjährige Kleinkinder dürfen dann sogar schon MakkaBasilikumpesto mit Makka roni essen (oder andere Gerichte, die klangvolle Namen tragen, als kämen sie aus der 5-Sterne-Küche). Baby-Vollmahlzeiten gibt es von Hipp, Alnatura, Bebivita und diversen anderen Firmen, und es ist ein offe offenes Geheimnis, dass auch viele Erwachsene beson besonders nach Zahnoperationen gerne mal auf ein solches Gläschen zurückgreifen. Nahezu ballaststofffrei rutscht die Gaumenfreude vom Plastiklöffel und ver versetzt das Dentistenopfer in glückliche Kleinkindertage zurück. Ein Alete-Spot für Babynahrung wurde übrigens durch Komikergenie Otto Waalkes noch populärer: 1983 persiflierte er in seiner Bühnenshow „Alete für das Kind" und sang fröhlich seinen Pseudo-Jingle „Alete kotzt das Kind!" – eine Version, die langfristig wohl fast noch erfolgreicher war als der ursprüngliche Werbesong selbst.

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estimmte Werbeslogans sind sicher wenigstens allen Fans von Suppen im Ohr geblieben: Zur Gulaschsuppe von Maggi ertönte 1981 das anheimelnde „Etwas Warmes braucht der Mensch", das in aller Munde war und immer wieder zu allen möglichen abwegigen Scherzen ein einlud. Und der 1987 gesungene Slogan „Die Fünf --- MinutenTerrine --- von Maggi --- 'ne tolle Idee!" wurde als Radiound Fernseh-Jingle ein klassischer Ohrwurm. Der geniale Minisong, eine Auskopplung aus dem 20er-Jahre-Broadway-Hit "Yes! We Have No Bananas" (im Deutschen „Ausgerechnet Bananen"), machte die Fertigsuppe im Plastikpöttchen im Nu populär, waren doch die magischen fünf Minuten, die als kurze Zeitspanne oder Pause in der hektischen Umwelt für alles reichen sollen, auf diese Weise plötzlich positiv besetzt! Die überall auf aufbrühbaren Fertigsuppen in der leichten, auf aufreißbaren Wegwerftasse hatten damit ihren Gattungsnamen weg: „5-Minuten-Terrinen" heißen sie, ob von Maggi oder nicht, bis heute.

Literatur:

Holger Hofmann: Der perfekte Gastgeber – Feste feiern will gelernt sein Heyne Verlag, München 1966 Roland Gööck: Der gute Gastgeber Bertelsmann Ratgeberverlag, Gütersloh 1968 Klaus Rüstig: Das große Schnellkochbuch für Feinschmecker – Fertiggerichte und Tiefkühlkost Südwest Verlag, München 1972

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lete bietet heute für Babys „ab 8. Monat" eine Mediterrane Kartoffel pfanne oder ab dem sechsten Monat „Süßkartoffel-Karotte mit Rind", GoodTimes

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Ein Troublemaker als Friedensstifter Von Roland Schäfli

Wer Mitte der 70er Jahre den für heutige

Verhältnisse

riesigen

Knopf

direkt

am Fernseher betätigte, der hatte gute Chancen, dass

Kung Fu" lief. Denn Kung " " Fu" war zu jener Zeit überall: in Comics.

Im Kino. In Martial-Arts-Schulen. In den Handkanten der Jungen auf dem Schulhof. Und vor allem: im Gespräch.

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ls David Carradines Agent anrief, er schicke ihm ein Script für ein TV-Movie, wollte Carradine gerade Fernsehpause machen. Er hatte schon die Serie „Shane" hinter sich gebracht und plante, endlich in die schauspielerischen Fußstapfen des bekannten Kinodarstellers John Carradine zu treten, seines Vaters. In der Schauspielerdynastie der Carradines hatte David noch nicht viel aufzuweisen. Sein Agent insistierte jedoch: „Lies erst mal das Script!" Auf der Titelseite stand „Kung Fu". Die Rolle des Kwai Chang Caine sollte David Carradines Leben prägen. „Ich wusste, wo ich hingehen musste, um mich selbst in Caine zu finden." Carradine war ein Hippie, schlief im Freien, am liebsten auf seiner Strohmatte. Er lebte außerhalb des Hollywood-Systems. Er war überaus belesen, schrieb Songs, schätzte teuren Wein (Filmfestivals besuchte er in erster Linie wegen der kostenlosen Drinks). Er liebte seine Gitarren (obwohl er sie manchmal irgendwo liegen ließ) und seine Autos (obwohl er sie regelmäßig zu Schrott fuhr). Einmal hatte er sich die Mähne kurzentschlossen abrasiert und fuhr glatzköpfig, als die Highway Police ihn stoppte. Hertz hatte seinen Leihwagen als gestohlen gemeldet, weil er ihn so lange nicht zurückgebracht hatte, und seinem Aussehen entsprechend hielt man ihn für den Autodieb. Kurz: Carradine genoss Seite

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zu jener Zeit den Ruf, ein schwieriger Typ zu sein. Außerdem hatte er sich schon einmal mit dem TV-Sender von Warner Brothers angelegt. „Ich konnte nicht glauben, dass das Network ausgerechnet mich anheuern wollte." Das war tatsächlich, als würde man bewusst einen Troublemaker einstellen. Bald kam David Carradine aber dahinter, dass das Fernsehbusiness keine Ressentiments kennt, solange man für ein neues Projekt gebraucht wird.

Buddhistischer Mönch in Wildwest Der Kontrakt hatte einen Haken: Bei Erfolg würde eine ganze Serie angehängt. David wollte nur den Pilotfilm machen – denn das Script war stark –, wollte aber nicht für fünf Jahre zum Lohnsklaven werden. Die Show würde in jeder Hinsicht ungewöhnlich: ein Chinese als Hauptperson, barfuß und unbewaffnet, pazifistische Weisen predigend, und die damals noch ungewöhnlichen Slow-Motion-Aufnahmen würden von psychedelischer Musik unterlegt – das konnte, so beruhigte er sich, gar keine Aussicht auf Erfolg haben! Also schlug Carradine ein. „Dabei sah ich meine eigentliche Mission beim Fernsehen darin, die Zuschauer dazu zu bringen, das Ding abzustellen und ihr Leben zu leben!"

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nicht geändert: Während der Dreharbeiten wurde er wegen Einbruchs festgenommen, er stand unter dem Einfluss von Peyote, als er nackt im Laurel Canyon wandelte. Nach drei Jahren nahm die Qualität der Scripts ab, „Kung Fu" wurde nachlässig. Einmal bedankte Produzent Jerry Thorpe sich persönlich bei Carradine dafür, „diese dummen Dialoge gut klingen zu lassen". Das Network schob den Sendeplatz hin und her. „Wir hatten keinen Spaß mehr", meinte ein frustrierter Carradine, „und beschlossen, den Laden zuzumachen." Der Sender warnte vor der Konsequenz des Vertragsbruchs. Carradine seinerseits erinnerte daran, dass er gar keinen Vertrag habe. Am 5. Februar 1975 wanderte „Grasshopper" („Grünschnabel" in der deutschen Synchronisation) zum letzten Mal in den Sonnenuntergang. Carradine nahm Caines Kostüm an sich.

Am ersten Drehtag wies der Chef der Transportabteilung auf dem Warner-Gelände ihm einen Parkplatz zu und versprach, das Schild werde noch geändert: Da stand „Lorne Greene", und als Carradine das Atelier betrat, verstand er: Die Kulisse der Ponderosa-Ranch wurde gerade abgebaut, „Bonanza" war überraschend eingestellt worden, und „Kung Fu" war die große Nachfolgehoffnung. Im Dezember 1971, während eines Kälteeinbruchs, wurde dann 28 Tage in der Umgebung von Los Angeles gedreht. Auch sonst wurde gespart: Der Shaolin-Tempel, wo Caine seine Lehrjahre verbringt, war tatsächlich das Schloss des Musicals „Camelot".

Was ist Kung Fu? Durchaus ein Handicap hätte werden können, dass Carradine absolut keine Erfahrung in der Kunst waffenloser Selbstverteidigung besaß. „Ich hatte die Worte Kung Fu bis dahin erst zweimal gehört." Das erste Mal während der Dreharbeiten zu „The Violent Ones", als Co-Star Tommy Sands ihn zum Duell aufforderte und warnte, er werde Kung Fu anwenden. „Ich ging einfach weg." Das zweite Mal war während des Drehs von „The Ballad Of Johnny Pot": Der Choreograf erwartete eine bestimmte Bewegung aus dem KungFu-Repertoire. „Klang in meinen Ohren griechisch." Carradine erfand deshalb ganz einfach viele der Moves, stützte sich auf seine Erfahrung als Tänzer. Tatsächlich waren die Kampfszenen überschaubar, denn die Zensur hatte ein Auge auf die Gewaltdarstellungen.

Caine ging einfach nicht weg

Keye Luke spielte die Rolle von Caines blindem Lehrmeister mit speziellen Kontaktlinsen.

Die Öffnung Chinas Kurz vor Weihnachten war der erste „Kung Fu"-Film im Kasten. Noch ahnte niemand, „dass wir eine Explosion auslösen würden". Am Neujahrsabend zeugte Carradine – er war sich dessen sicher – seinen Sohn, den er Free nannte (er änderte seinen Namen später in Tom). In der Zwischenzeit war die Mundpropaganda für den Buddhisten im Wilden Westen so gut, dass das Network den Piloten ein zweites Mal ausstrahlte – und dieses Mal schien ganz Amerika vor dem Fernseher versammelt. China war soeben in aller Munde. Richard Nixon hatte Mao die Hand geschüttelt und Rot-China in den Vereinten Nationen begrüßt. Carradine resümierte: „Wir waren bemerkenswert in sync mit den Ereignissen der Welt." Selbst überrascht vom Erfolg, orderte der Sender vier Episoden in Stundenlänge, die monatlich – nicht wöchentlich – ausgestrahlt werden sollten. Carradines Berater verlangten, Warner Brothers müssten für 26 Serienfolgen bezahlen. Schließlich sagte der Schauspieler zu allem Ja und Amen. Doch mittendrin beschloss man aufgrund der ersten Erfolge, die Serie auf 15 weitere Episoden auszuweiten. Zurück an den Verhandlungstisch! Warner verlangten fünf Jahre. Carradine bot ihnen drei. Zu einer Vertragsunterzeichnung kam es nie.

© Pressefotos

Nackt auf Droge Erst jetzt wurde ein Martial-Arts-Spezialist beigezogen, Kam Yuen, der die Kämpfe choreografieren würde. Carradine verbrachte so viel Zeit mit ihm, dass schließlich vieles von Yuens ruhigem und konzentriertem Wesen in die Rolle des Kwai Chang Caine einfloss. Carradine selbst hingegen hatte sich GoodTimes

In den Jahren darauf lieh Carradine sich an mehr als eine fragwürdige Produktion aus, um sich über Wasser zu halten. Er wollte mit brutalen B-Movies wie „Death Race 2000" auch ganz offenkundig das „gute" Image des Kwai Chang Caine zertrümmern. „Nicht einmal ich habe alle meine Filme gesehen", bewarb er in Talkshows ohne Reue diese Dutzendware. Er war Alkoholiker, dann Abstinenzler. Dann wieder Alkoholiker. Doch während Carradine abstieg, stieg Caine auf. Denn nun wurde „Kung Fu" international ausgewertet, obwohl keine neuen Folgen mehr hergestellt wurden. Wo er auch hinkam, Carradine wurde auf Caine angesprochen. „Jeden Tag kommen mindestens sechs Menschen auf mich zu, die sagen, Kung Fu hat mein Leben verändert." Die Serie hatte der Sportart zum weltweiten Durchbruch verholfen. Erst jetzt fing er an, sich ernsthaft mit orientalischer Philosophie zu befassen und schrieb das Buch „Spirit Of The Shaolin".

Die Rückkehr von Caine Schließlich war eine Fortsetzung unausweichlich. „Caine kam zu mir zurück, als wären wir nie getrennt gewesen." Er besaß noch immer das Kostüm. Und schlüpfte mühelos zurück in die Haut des Kwai Chang Caine. 1986 traf Caine in „Kung Fu: The Movie" auf seinen Sohn, gespielt von Brandon Lee, dem Sohn von Bruce Lee. Bis heute hält sich die Legende, Lee habe das Konzept von „Kung Fu" entworfen und sei dann ausgebootet worden. Carradine bestätigte, Lee sei für die Rolle im Gespräch gewesen. „Bruce war der Yang, ich war der Yin", sagte er später über ihren zeitgleichen Aufstieg zu Martial-Arts-Ikonen. Zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Originalserie nahm man den Faden mit „Kung Fu: The Legend Continues" wieder auf, Carradine spielte in 98 Folgen quasi seinen eigenen Enkel, Caines Nachkommen. Selbst seine spät erneuerte Popularität durch „Kill Bill" hatte der Figur des Caine viel zu verdanken. In der Altersrolle als „Bill" war Carradine wie ein böser Zwilling des Pazifisten – der auf derselben Bambusflöte spielt. Die Rolle, die er ursprünglich nicht haben wollte, in der Serie, die er keinesfalls machen wollte, war zur Lebensaufgabe geworden. Eine seiner Redensarten fasst den vielschichtigen Mann, der „Kung Fu" verkörperte, treffend zusammen: „Wenn du kein Poet sein kannst, sei ein Gedicht." 1/2019

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Die fa szinie renden My the n von Camelot Von Malte Ristau

Artus, Merlin und die Ritter der Tafelrunde Eine nette Anekdote ist durch eine 800 Jahre alte Klosterchronik überliefert. Ein pädagogisch bewanderter Abt untereingeschlabrach seine Predigt, über der die Zuhörer sanft eingeschla fen waren, mit den Worten: Einst gab es einen " König Artus ..." Schlagartig waren alle Mönche wach und spitzten die Ohren, weil sie eine spannende Geschichte erwarteten. Viele Babyboomer lernten den bemerkenswerten König über einen populären Comic kennen. Prinz Eisenherz" stellte damals in " Westdeutschland Pflichtlektüre für jeden dar, der beim Thema Ritter mitreden und mitspielen wollte. Der erste Buchtitel der Reihe, In den Tagen König " Arthurs", verkündete, dass es um eine ferne Epoche ging, die ein namhafter König prägte.

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ie Tafelrunde ausgezeichneter Ritter, Burg Camelot und Stonehenge, der Magier Merlin Clive Owen und der Schurke Mordred, das als Artus Schwert Excalibur und der Heilige Gral bildeten einen wunderbaren Fundus. Dabei hat die Story keinen sicheren Platz in der Geschichte. Die Substanz der Überlieferung verbirgt sich im Nebel Britanniens. Eine eigentümliche Historie der Insel schrieb ein Gelehrter aus Oxford, Geoffrey von Monmouth, um 1135 nieder und pries darin Artus' Taten nachdrücklich. Abschriften dieses Textes verbreiteten sich binnen weniger Jahrzehnte über Europa bis ins ferne russische Nowgorod. Berühmte mittelalterliche Dichter wie Wolfram von Eschenbach form formten den Stoff im Geiste des Minnesangs. Jede Epoche drückte die Mythen rund um Artus medial neu aus. Richard Löwenherz außer behauptete, das außerordentliche Schwert von Artus zu führen. Spätere Seite

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englische Könige suchten ihr Ansehen dadurch zu steigern, dass sie ihre Herkunft von Artus herleiteten oder spektakuläre Funde entdecken und ausstellen ließen. So wurden Artus' Gebeine im Kloster Glastonbury bestattet, und Schloss Winchester die angebliche Tischplatte der Tafelrunde schmück schmückte das königliche Schloss in Winchester. Königin Elisabeth I. pflegte den Artus-Kult ebenso wie der Sonnenkönig Ludwig XIV. von Frankreich oder Queen Victoria. Zu Zeiten des US-Präsidenten John F. Kennedy wurde sein Amtssitz, das Weiße Haus, als das „neue Camelot" bezeichnet. Ungeachtet vieler fiktiver Elemente bestätigen Wissenschaftler einen histo historischen Kern im frühen Mittelalter. Nach dem Abzug der römischen Truppen brachen in Britannien die „dark ages" mit internen Fehden und Invasionen der Sachsen an. In einer Chronik berichtete um 540 der Mönch Gildas über zwölf für die Briten erfolgreiche Schlachten. Jene Briten ope operierten von Festungen aus, die eher Westernforts als Burgen glichen. Militärisch ausschlaggebend für 40 ruhige Jahre, so die Historiker, war eine möglicherweise von Artus geführte Reitertruppe, die später als Tafelrunde veredelt wurde. Einen herausragenden Heerführer namens Artus jedenfalls nannte der Mönch Nennius in einer späteren Chronik um 830. Einen in diese Zeitumstände passenden Artus präsentierte 2005 der bislang letzte Kinofilm, „King Arthur", mit Clive Owen als römischem Ex-Offizier in der Titelrolle und Keira Knigthley als Guinevere. Überhaupt haben über 80 Kinofilme und Fernsehserien die modernen Vorstellungen maßgeblich beeinflusst.

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Das Genre des Ritterfilms gab in den Keira Knigthley als Guinevere Verschiebung hin zur Aufmerksamkeit von Erwachsenen. Nicht von ungefähr verkör verkör-1950er Jahren Hollywood Gelegenheit zur perte der altersweise Sean Connery 1995 Prachtentfaltung in Technicolor. Eine ungemein einen ebenfalls gereiften Artus in dem erfolgreiche Version des Stoffes beeindruckte Film „Der 1. Ritter". 1953 mit Robert Taylor und Ava Gardner in Neben vielen Büchern für Kinder, den Hauptrollen. Im Mittelpunkt stand das Jugendliche und Erwachsene hat der Dreiecksverhältnis von Artus, Lanzelot und König auch im generationstypischen Königin Ginevra, das den Medium der Babyboomer, den Comics, Schurken Mordred stärk stärkseine Spuren hinterlassen. Neben der te und schließlich zum großartigen und immer noch fortgesetz fortgesetzTod Artus' führte. Von ten „Eisenherz"-Saga lassen sich andere vielen weiteren Filmen Comics nennen, die kult! -Leser schätzen. So bleibt eine Handvoll erwähnenswert. Als erstes ist „Prinz Eisenherz" von 1954 zu nennen. Der erschien 1956 in der Reihe „Illustrierte Klassiker" junge Titelheld wird am Ende von Artus aner anerals Band 24 „Die Ritter der Tafelrunde". Dieses Heft kennend zum zählte zu den wenigen Titeln, denen geschla Ritter geschlabis 1972 sechs Auflagen mit 720.000 gen. Der Film Exemplaren vergönnt waren. Eine erreichte eine unglaubliche Popularität ab 1976 auch in Deutschland mehrfach neu aufgelegte nicht nur in den USA, wo, ihm folgend, Reihe stellte mit dem Titelhelden einen zusätzlichen 4000 Clubs gegründet wurden. Die Helden, Roland Ritter Ungestüm, ins vertraute mit mitSpielzeugindustrie griff die Motive auf, telalterliche Dekor. Ganz anders spielte ein Album der in Deutschland mit Elastolinfiguren, Reihe „Gentlemen GmbH" mit der Motivik. Angesiedelt Elastolinfiguren die bis 1982 hergestellt wurden. in der Jetztzeit kümmern sich in der Nummer 4 aus Als Nächstes erzielte ein Animationsfilm aus dem Hause Disney dem Koralle-Verlag die hohen Zuspruch. Mit comicbunten und einfach gestrickten Charakteren Gentlemen-Gauner um ein allseits begehrtes Das Schwert ausgestattet, stellte der Film " Wunderschwert, nämim Stein" „Das Schwert im Stein" (auch: „Die Hexe und der Zauberer") lich Excalibur. einen noch sehr jungen Artus Mit genehmer Lekvor. Ein gänzlich anderer türe im Gepäck lässt Zugang fand 1960 ein großes sich auf den Spuren von Publikum, als mit „Camelot" Artus trefflich durch Glastonbury die zeittypische Plakat zum Musical Südengland reisen. Die Abtei Glastonbury wird seit Form eines Musicals gewählt wurde. Richard Burton Jahrhunderten mit der Feen-Insel Avalon gleichgesetzt, spielte den Artus in einem Londoner Theater, und Jackie wohin der todwunde Artus angeblich gebracht wurde. Von Kennedy trällerte im Weißen Haus die eingängigen dort, so wird erzählt, werde er wiederkommen, wenn große Songs. Ein Kinofilm knüpfte 1967 an den weltweiNot Britanniens es erfordere. Tatsächlich ist in Glastonbury ten Erfolg des Bühnenstücks an. Im Jahrzehnt darauf die Grabstätte zu besichtigen, die auf Artus ausgezeichnet stellten Romane von Mary Stewart, ist. Scharen von Touristen pilgern in den Ort, darun darunGillian Bradshaw und Marion Zimmer ter viele Esoteriker, die Bradley Fantasy-Elemente heraus. auch Merlin im nahen Der Letzteren packende Version „Die Stonehenge suchen. Nebel von Avalon" geriet 1979 zum Einen wahrscheinlichen Bestseller, weil sie die Geschichte Ort für die berühm berühmerstmals aus Sicht einer Frau, der Fee te Burg Camelot hat Morgana, erzählte. Das Mysterium vom Heiligen der Archäologe Leslie Alcock 1970 Gral hat in diesem Roman einen besonders benannt. Nach seinen Ausgrabungen hohen Stellenwert, den 2001 Bernd Eichinger zugeschüt Tintagel wurde leider alles wieder zugeschütverfilmte. tet. So entpuppt sich Cadbury Castle zwar als ein angeneh angenehSehr weit weg von den ritterlichen mes Ausflugsziel, ist aber doch nur noch ein bewachsener Ursprüngen der 1950er entfernt präHügel. sentierte sich 1975 mit traditionelle Demgegenüber erweist sich der angebliche Geburtsort Fans verstörenden Albernheiten eine von Artus, die Burg Tintagel in Cornwall, als malerische Parodie der Komiker Monty Python, ver Ruine hoch über steilen Klippen. Der windumtoste Ort ver„Die Ritter der Kokosnuss". Klirrende mag tatsächlich eine Stimmung zu schüren, in der Artus so Schwerter und schimmernde Rüstungen zur realen Gestalt herkömmlicher Art sowie die obligatowird, wie sein rische Liebesgeschichte bot dann 1981 des Mentor Merlin, deserneut, aber mit deut deutsen Höhle unterhalb der Burg lichen Brechungen, gleichfalls beeindruckt. Wie eine bemerkenswerte schon in den Vorstellungen Verfilmung. Gemeint ist im Mittelalter verschmelzen „Excalibur" mit Nigel Wirkliches und Erdachtes Merlin-Höhle Terry und Helen Mirren angesichts solcher Eindrücke. Letztlich hat sich das gesicherte Wissen in den Hauptrollen. seit dem 12. Jahrhundert nicht grundlegend verändert: „Es gibt nur Selbst Merlin kann kein eine vage Ahnung", urteilt der Historiker Jürgen Wolf in einer lesensHappy End mehr her herwerten Bilanz von 2009. Und es wäre uns wohl auch gar nicht recht, beizaubern. Ein solcher wenn es anders wäre. „Es ist wahr oder sollte doch wahr sein", so hatte Zugang bedeutete eine der große Winston Churchill über den Mythos befunden ... GoodTimes

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Meister des Makabren Er ist der erfolgreichste Schriftsteller der Horrorliteratur, und die Filmindustrie stürzt sich auf seine literarischen Vorlagen. Stephen King gründete seinen Erfolg ab Mitte der 1970er Jahre auf drei Bücher, die nicht nur Horrorfans das Grauen lehrten: Carrie", Brennen muss Salem" " " und Shining". Die Bilanz des Kult-Autors: Bis heute hat er 54 " Romane und 200 Kurzgeschichten veröffentlicht, weltweit über 350 Millionen Bücher verkauft, die in 50 Sprachen übersetzt wurden.

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er den Meister des Makabren verstehen will, muss in seine düstere und dunkle Welt hinabsteigen. Stephen King, im Zeichen der Jungfrau am 21. September 1947 in Portland, Maine, geboren, hat ganz spezielle Vorlieben. Zu seinen Lieblingsfilmen zählen „Rosemaries Baby" von Roman Polanski, „Frenzy" von Alfred Hitchcock und „Alien" von Ridley Scott. Drei Filme, die von 1968 bis 1979 das Horrorgenre auf der Leinwand zum Aufblühen brachten. Stephen Kings Begeisterung für Bücher der Horrorliteratur ist für das Verständnis seines komplexen Gesamtwerkes ebenso interessant. Als Favoriten nennt er „Der Herr der Fliegen" von William Golding, „Das Böse kommt auf leisen Sohlen" von Ray Stephen King Bradbury und „Geisterstunde" von Peter Straub, einem Schriftsteller, mit dem King 1984 zusammen den Fantasyroman „Der Talisman" veröffentlicht hat. In diesen Filmen und Büchern gerät alles aus den Fugen: Da tauchen schreckliche Monster auf, der Teufel gibt sich ein Stelldichein, die Welt von Jugendlichen auf ihrem Weg zum Erwachsensein zerbricht in tausend Teile, und es kommt zu Mord und Totschlag. Alles Elemente, die in einem Großteil der ins Deutsche übersetzten Bücher von Stephen King auch vorkommen, in allen schauerlichen Varianten ausgekostet und am Ende manchmal mit einem Schimmer Hoffnung. Übrigens tauchen diese Elemente auch in den Büchern von Richard Bachman auf, einem Pseudonym von King.

es nur wenige, die dort Platz nehmen dürfen. William Shakespeare, William Faulkner und William Butler Yeats zählen dazu. Würde es für Horrorschriftsteller eine Pyramidenspitze geben, würden dort neben Stephen King auch Edgar Allan Poe und Bram Stoker Platz finden.

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arrie", 1974 das erste veröffentlichte Buch von King, war wie eine starke Eruption. Das Manuskript warf King, der seine Geldsorgen „im Alkohol ertränkte, 1972 zunächst in den Papierkorb. Seine Frau Tabitha zog die Seiten wieder heraus – und legte so den Grundstein für seine Karriere. Schon ein Jahr vor der deutschen Übersetzung kam 1976 der gleichnamige Film mit dem deutschen Titelanhang „Des Satans jüngste Tochter" von Brian De Palma in die Kinos. Carrie lebt auf Erden wie in der Hölle. Von ihrer strenggläubigen Mutter wird sie drangsaliert und mit ihrer beginnenden Pubertät alleingelassen. In der Schule ist sie Opfer von Hohn und Spott, als sie ihre telekinetischen Kräfte entdeckt. Beim Abschlussball sind die Mitschüler dann besonders gemein, und Carrie entfesselt übermenschliche Kräfte.

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er Film, in den Hauptrollen Sissy Spacek und John Travolta, zeichnet sich durch viele Eigenheiten aus. Die Bedrohung kommt nicht von Werwölfen, Vampiren oder von Grusel-Aliens aus dem All, auch ist Carrie nicht die Tochter Satans. Die Bedrohung geht vielmehr von einem einsamen, geschundenen Mädchen aus, das sich plötzlich zum Bösen hinwendet. Dies geschieht nicht auf einen Schlag, sondern schleicht sich langsam in die Geschichte hinein, bis zu ihrem blutigen Ende.

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ür Stephen King, seit Jahrzehnten Teil der amerikanischen Popkultur, ist die Begabung für kreatives Schreiben wie auf einer Pyramide verteilt. Die untere Basis wird von schlechten Schreibern gebildet, mit denen er sich nicht lange beschäftigt. Die nächste Stufe ist nur einer geringfügig kleineren Gruppe vorbehalten, die großherzig neue Mitglieder aufnimmt: die talentierten Schriftsteller. Die Spitze der Pyramide ist jedoch klein, und für Stephen King gibt Seite

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as gleiche Grundmuster liegt „Shining" zugrunde. Der Roman erschien 1977. Auf Deutsch 1980, zeitgleich mit der Verfilmung von Stanley Kubrick. Darin bewirbt sich der Schriftsteller Jack Torrance (Jack Nicholson) um einen Hausmeisterjob für die winterliche Schließzeit im Overlook-Hotel. Als Jack mit seiner Frau Wendy und Sohn Danny eintrifft, werden sie von Koch Dick Hallorann durchs Hotel geführt. Dieser erkennt, dass Danny wie er selbst das „Shining" besitzt, die Fähigkeit zur außersinnlichen Wahrnehmung. Der Koch warnt den Jungen vor Zimmer 237 und erzählt, der frühere Hausmeister Grady habe Frau und Töchter getötet. Jack reagiert im weiteren Verlauf immer aggressiver auf seine Familie, eine Glanzrolle für Nicholson. Im Ballsaal trifft er auf einen imaginären

Barkeeper names Lloyd. Von ihm wird er aufgefordert, seiner Frau „eine Lektion" zu erteilen. Jack attackiert Wendy und Danny und tötet anschließend Hallorann, der ins Overlook zurückgekehrt ist, um zu helfen. Als Torrance seinen Sohn im verschneiten Heckenlabyrinth verfolgt, kann der entkommen und mit seiner Mutter in einer Schneeraupe fliehen. Jack erfriert im Irrgarten.

1970er und 1980er Jahren geschrieben hat. Etwa in „Cujo", 1986 auf Deutsch erschienen. Darin wird ein Bernhardiner durch den Biss einer Fledermaus mit Tollwut infiziert. Der Hund entwickelt sich nach und nach zu einer Bestie, die Donna Trenton und ihren Sohn Tad, die in einem Auto auf einem einsamen Hof festsitzen, töten will.

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ährend „Cujo" die brutale Veränderung eines sonst liebenswürdigen Hundes beschreibt, steht „Christine", 1983 veröffentlicht und im selben Jahr von Kult-Regisseur John Carpenter verfilmt, deutlich für den Kontrollverlust des Menschen hinsichtlich der Technologie und als Kritik an Aufrüstung und Wirtschaftswachstum. Im Buch erzählt King, wie sich Arnie einen alten roten Plymouth Fury kauft, Baujahr 1958, mit 315 PS und einer V8-Maschine ausgestattet, der ein mörderisches Eigenleben entwickelt. Als Arnie bedrängt wird, schlägt das Auto zum ersten Mal zu, am Ende muss eine ganze Gang dran glauben. „Christine" verhält sich wie ein weibliches Wesen und spielt Rock'n'Roll, wenn „sie" Arnie ihre Liebe beweist und ihn beschützt.

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ür Stephen King, der auch in Bands Musik macht, war der Rock'n'Roll eine Bewusstseinserweiterung. „Es war damals, als würde die Sonne aufgehen, es war die Zeit, in der ich anfing, wirklich zu leben, die Zeit, in der ich mein erstes Auto haben wollte."

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tephen King, ohne Zweifel der erfolgreichste Horrorautor der Welt, beschreibt jene Eigenart der Menschen, sich (böse) Dinge anzueignen, und die Fähigkeit, diese wieder loszuwerden. Jeder, so Kings Botschaft, trägt ein Geheimnis in sich, das er verdrängt, beim Therapeuten offenlegt oder es mit ins Grab nimmt. Während sich die Schriftsteller und Lyriker der sogenannten Hochliteratur an den alltäglichen Themen, wie etwa dem Älterwerden, enttäuschter Liebe und Einsamkeit, in ganz rationalen Geschichten abarbeiten, greift der Mann aus Maine seit Mitte der 1970er Jahre beharrlich auf die Schreckgespenster menschlicher Albträume zurück. Es sind

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equenzen aus „Shining" haben sich unauslöschlich ins kollektive Gedächtnis aller Horrorfans eingebrannt: Wie Danny mit seinem Dreirad durch die Hotelgänge flitzt und plötzlich die ermordeten Töchter Gradys auftauchen; wie Danny mit roter Farbe „Redrum" an eine Tür malt, was sich andersherum als „Murder" liest; wie Jack unzählige Male den Satz „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen" in seine Schreibmaschine trommelt; wie Jack mit der Axt eine Tür einschlägt, seine Frau samt Sohn dahinter Todesängste ausstehen und durch ein Fenster fliehen können, und wie er schließlich mit irrem Blick – Showdown – sein Ende im meterhohen Schnee findet.

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ährend bei „Carrie" das Blut in Strömen floss, wurde bei „Shining" fast ganz darauf verzichtet. Es ist allein der morbide Fortgang der Filmstory, der die Cineasten voller Schrecken in die Kinosessel drückte. Dieses Muster, bei dem sich eine kleine Unstimmigkeit in einer auf den ersten Blick funktionierenden Umwelt zu einer großen Katastrophe ausweitet, findet sich in vielen Büchern wieder, die Stephen King zu Beginn seiner rasanten Karriere in den GoodTimes

die Geister und die Untoten, die in der Nacht durch Häuser und Vorgärten schleichen, denen er ein Gesicht und eine Geschichte gibt … Jörg Palitzsch 1/2019

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Die Volvo-Baureihe P1800

Von Andreas Kötter

Volvo steht schon immer für Solidität. Und für nordisches und damit kühl-klares Design. So waren zum Beispiel die legendären Limousinen der Baureihen 140 und 240 so designt, wie Kinder bis heute Autos zeichnen: drei Kästchen aneinandergereiht, und das mittlere doppelt so groß wie die beiden anderen. Aber Volvo konnte auch damals schon anders. Aufregend, emotional und – wenigstens ein bisschen – feurig. Wie beim legendären P1800.

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er P1800 war überhaupt erst das zweite Coupé der schwedischen Marke und wurde von 1961 bis 1972 gebaut. Ein Auto im Geiste der wunderbaren italienischen „Gran Turismo"-Modelle von Ferrari, Lancia und Maserati, also von 250 GT, Aurelia und 3500 GT – und damit so ganz anders als alles, was Volvo bis dahin auf die Straße gebracht hatte. Bei genauerem Hinschauen aber erklärt sich das italienische Flair durchaus. Pelle Petterson, damals als Designer und später auch als Segelsportler und Segelboot-Konstrukteur eine große Nummer (unter anderem Bronze bei den Olympischen Spielen von Tokio 1964, Silber bei den Spielen von München 1972), hatte den P1800 bereits 1957 im Auftrag von Volvo entworfen. Zu jener Zeit stand er im Dienst von Pietro Frua, dessen Turiner Designschmiede buchstäblich Seite

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verantwortlich zeichnete für viele aufsehenerregende Autos. So wurden dort etwa der Maserati Mistral, der Maserati High Speed 375S, der wunderbare Renault Floride und auch der deutsche Glas V8 entworfen. Durchaus interessant aber ist nicht nur die Entstehungs-, sondern auch die Produktionsgeschichte des P1800. So wurde das Coupé zunächst nicht in Schweden, sondern in England bei Jensen Motors montiert. Dort hatte man Erfahrung mit schnellen Sportwagen wie dem Jensen 541 und dem Jensen C-V8 (später sollte der Jensen Interceptor folgen). Wirklich von Erfolg gekrönt aber war die schwedisch-englische Zusammenarbeit nicht. Schon 1963 war Schluss, zeigten sich die Schweden doch mit der gelieferten Qualität alles andere als zufrieden und mussten häufig nachbessern.

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kehrt, wenn ein Nostalgie-Sender die feine Serie hin und wieder ins Programm nimmt.

Der P1800 S – eine Ikone, aber nicht der schönste Volvo "Simon Templar" machte den P1800 bekannt

Also verlegte man die Produktion nun dorthin, wohin sie eigentlich ohnehin gehörte, ins Volvo-Stammwerk im Göteborger Stadtbezirk Lundby. Um das neue Qualitätsversprechen auf den ersten Blick deutlich zu machen, lautete die Modellbezeichnung nun P1800 S – „S" für Schweden, versteht sich. Gleichzeitig steigerte man die Leistung des 1,8-LiterReihenvierzylinders von 90 auf 96 PS. Selbst für damalige Verhältnisse war das aber nicht gerade üppig für einen Sportwagen, so dass der Volvo 1968 einen völlig neuen Motor bekommen sollte. Der verfügte jetzt zunächst über einen Hubraum von zwei Litern sowie eine Leistung von 105 PS. Aber wiederum schon ein Jahr später wurde aus dem P1800 S der P1800 E, da man nun, um die strengen Abgasvorschriften auf dem US-Markt zu erfüllen, erstmals eine Einspritzanlage verbaute. Die Leistung war mittlerweile zwar auf 124 PS angewachsen, dennoch überzeugte der P1800 E-Motor eher durch seine Robustheit als durch überlegene Sportlichkeit. Robustheit hin, Sportlichkeit her – längst war der P1800 jedoch eine Berühmtheit. Und das nicht zuletzt dank einer britischen TV-Serie. „The Saint", die Krimiserie um den smarten Privatdetektiv Simon Templar (so auch der deutsche Titel), gönnte ihrem Protagonisten einen ähnlich exklusiven (Auto-)Geschmack, wie man ihn bald schon bei James Bond bewundern konnte. Dass der spätere 007, Roger Moore, als Simon Templar in einem P1800 (Kennzeichen selbstverständlich ST1) und damit in einem schwedischen Automobil auf Gangsterjagd ging, hatte allerdings eher wenig zu tun mit der kosmopolitisch angelegten Ausrichtung der Serie. Eher schon zeichnete dafür ausgerechnet Jaguar verantwortlich. Die Marke mit der Großkatze als Symbolund Kühlerfigur hatte sich geweigert, der Produktion von „The Saint" ein Exemplar ihres E-Type zur Verfügung zu stellen. Der gilt heute bekanntlich als das schönste je gebaute Automobil, war 1962 in England aber bereits so populär, dass es manch einem beinahe ein wenig langweilig wurde. Volvo dagegen hatte offensichtlich schon früh verstanden, wie Product Placement funktioniert, und zierte sich nicht. Geschadet hat es nicht. Wer die Gnade der frühen Geburt erfahren durfte, der denkt heute unweigerlich an „Simon Templar", wenn er im Straßenbild einmal einen der insgesamt 39.407 gebauten P1800 zu sehen bekommt – und natürlich umgeGoodTimes

Apropos Nostalgie: In Zeiten, in denen modernen Autos häufig schon nach 30.000 Kilometern die Steuerkette reißt, hat der P1800 S schon vor einem halben Jahrhundert seinen Beitrag geleistet zum Ruf der Marke Volvo, nahezu unkaputtbare Autos zu bauen. So ist der Amerikaner Irvin Gordon, der sich 1966 einen P1800 S gekauft hatte, mit seiner automobilen Liebe gleich bis ins „Guinness Buch" der Rekorde gefahren. Der frühere Lehrer aus New York brachte es – Stand 2013 – mit seinem P1800 S auf mehr als drei Millionen Meilen (4,8 Millionen Kilometer). Und dies mit ein und demselben Motor und ohne größere Reparaturen, wie Gordon immer wieder betont hat. Eine automobile Ikone – das ist der P1800 S also ohne Frage. Der schönste Volvo aller Zeiten ist er nicht. Wenigstens gehört der Platz ganz oben auf dem Siegerpodest einem engen Verwandten. Dieser Ruhm gebührt dem P1800 ES, hierzulande dank eines findigen Motorjournalisten beinahe besser bekannt als „Schneewittchensarg". Der zwischen 1971 und 1973 nur 8077 Mal gebaute Sportkombi huldigte eindrucksvoll dem damaligen Trend nach einem sogenannten Shooting Brake, einem Coupé mit Steilheck, das mit seiner Heckklappe eher einem Kombi als einem klassischen Gran Turismo ähnelt. Heute ist zum Beispiel der Ferrari GTC4Lusso ein solches Auto. Dass dem PS 1800 ES die Rolle als Blaupause für einen Shooting Brake zukommt, das verdankt der „Schneewittchensarg" dem damaligen Volvo-Chefdesigner Jan Wilsgaard. Der war mit seiner eleganten und luftig leicht, ja beinahe filigran wirkenden Dachkonstruktion und der gläsernen, rahmenlosen Heckklappe vor allem bei den US-Amerikanern auf großes Interesse gestoßen. Und trotz eines üppigen Preises von (in Deutschland) 25.000 Mark – das übertraf sogar den Kaufpreis für einen Porsche 911 – rissen sich die Amis 1973 geradezu um die letzten Exemplare, nachdem bekannt geworden war, dass Volvo die Reihe im Herbst auslaufen lassen würde. Strengere Sicherheitsbestimmungen in den USA, die mit einem hohen finanziellen Aufwand für Volvo verbunden gewesen wären, bedeuteten nach einer nur rund zwei Jahre währenden Produktionszeit das Aus für den P1800 E und den P1800 ES. Heute muss man schon etwas länger suchen, um einen wirklich top erhaltenen „Schneewittchensarg" zu finden. Wer endlich erfolgreich ist, muss ungefähr den damaligen Kaufpreis in Euro einkalkulieren. Viel Geld einerseits. Andererseits aber auch nicht, wenn man dann eines der schönsten Autos überhaupt sein Eigen nennen darf. 1/2019

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Zurück in die Zukunft

Von Thorsten Schatz

1818 erschien Mary Shelleys Buch „Frankenstein" – ein HorrorKlassiker, aber auch der Prototyp aller folgenden Erzählungen der Science-Fiction, die damit 2018 ihr 200-jähriges Jubiläum feiert. Grund genug für kult!, einen Blick zurück in die Geschichte der Science-FictionVisionen zu wagen.

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as ist Science-Fiction? Darüber wurde und wird trefflich diskutiert. Der kleinste gemeinsame Nenner ist: Science-Fiction (dt.: wissenschaftliche Dichtung) beschreibt in Erzählungen, wie sich Naturwissenschaft und Technik, ausgehend vom aktuellen Forschungsstand, zukünftig entwickeln könnten. Dabei werden diese futuristischen Innovationen wissenschaftlich erklärt. Der erste überlieferte Vorläufer der Science-Fiction (kurz: SF oder Sci-Fi) ist das indische Nationalepos „Ramayana" (ca. 4. Jahrhundert v. Chr.), in dem fliegende Maschinen Städte auslöschen. Danach ziehen sich Ideen wie Wolkenschiffe, Roboter und Automaten durch Erzählungen rund um den Globus. Das gilt auch für die deutsche Literatur, in der Johannes Keplers Mondreise in „Somnium" (dt.: „Der Traum", 1634) das früheste Beispiel ist und später etwa die künstlichen Menschen bei E. T. A. Hoffmann (u.a. „Die Automate", 1814) dazukamen. Zu diesen technischen Fantasien kamen Zukunftsvisionen von idealen Staatsformen wie zuerst in „Über den besten Staat und über die neue Insel Utopia" (1516) des Briten Thomas Morus. Science-Fiction sind die danach benannten Utopien aber nicht, weil technische Neuerungen fehlen, was auch für reine Horror- und Fantasy-Storys mit ihren unerklärlichen, magischen Elementen gilt. Dennoch vermengen sich diese Genres oft mit ScienceFiction, wie in Mary Shelleys „Frankenstein", in dem Horror vorkommt, im Zentrum aber das – erklärte – wissenschaftliche Experiment der künstlichen Erschaffung eines Menschen steht. Das war so klar nie zuvor in der Literatur zu finden, was „Frankenstein" 1818 zum Prototyp von Science-Fiction-Storys machte. Als das Buch herauskam, entwickelten sich Naturwissenschaft und Technik im Zuge der von Großbritannien ausgehenden industriellen Revolution in schnellem Tempo. Das förderte den Glauben an die Wissenschaft – genauso wie die Angst davor. Beides beschrieb und beschreibt Science-Fiction weltweit. So avancierten im 19. Jahrhundert der Franzose Jules Verne (z.B. „20.000 Meilen unter dem Meer", 1870) und der Brite H.G. Wells (u.a. „Die Zeitmaschine", 1895) zu den erfolgreichsten SF-Bestsellerautoren ihrer Zeit. Seite

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Seit den 1920er Jahren übernahm dann die US-Literatur die ScienceFiction-Vorreiterrolle, als Hugo Gernsback die „Amazing Stories", das erste von diversen Pulp-Magazinen mit SF-Kurzgeschichten, herausbrachte (1926–2014) und 1929 dem noch unbenannten Genre einen Namen gab: Science-Fiction. Die Pulp-Storys waren zuerst knallige Weltraum-Western, Space Operas genannt, mit Helden wie „Buck Rogers" (seit 1928) und „Flash Gordon" (seit 1934). Doch John W. Campbell Jr. sorgte ab 1937 als Herausgeber des Pulps „Astounding Stories Of Super-Science" für anspruchsvollere, realistischere, wissenschaftlich fundierte Storys, die geprägt waren vom Glauben an technische Problemlösungen. Die Autoren waren u.a. die „großen Drei" der englischsprachigen Science-Fiction: Isaac Asimov, Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein. Die Pulps waren, speziell bei US-Teenagern, äußerst beliebt, ähnlich wie SF-Comics, Radio-Hörspiele und im Kino „Flash Gordon"-Matinees (seit 1936) sowie Langfilme wie „Der Unsichtbare" (1933). Das Genre entwickelte sich nirgendwo auf der Welt so erfolgreich wie in den USA, auch in der deutschen Science-Fiction nicht. Die begann mit dem einflussreichen, wissenschaftskritischen Kurd Laßwitz, der den ersten deutschen SF-Roman „Auf zwei Planeten" (1897) über den Kontakt von Marsianern und Erdlingen schrieb. Ihm folgten Bernhard Kellermann („Der Tunnel", 1913) und Bestsellerlieferant Hans Dominik (u.a. „Die Macht der Drei", 1922). Daneben entstanden Heftroman-Serien im Space-Opera-Stil („Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff", 1908–1911, unbekannter Autor) und „Jan Mayen" von Lok Myler (1935–1938). Aber auch das deutsche Kino bot ScienceFiction, etwa in Filmen wie Hans Werckmeisters Horrorstreifen „Algol" (1920), dem Fritz-Lang-Meisterwerk „Metropolis" (1927), „Frau im Mond" (1928), ebenfalls von Lang, „F.P.1 antwortet nicht" (1932) und „Gold" mit Hans Albers (1934), beide von Karl Hartl. Doch dann stoppte die Entwicklung wegen der Nationalsozialisten, die die deutsche Kultur erstickten, und wegen des Zweiten Weltkriegs, der sich auch in den USA auf die SF-Szene auswirkte. Dort (und in vielen Ländern) entfachten die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki 1945 mehr denn je Ängste vor dem technischen

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Fortschritt, speziell einem Atomkrieg und der Atomenergie. Das griffen US-Autoren auf, etwa Pat Frank, der in „Mr. Adam" (1946) erzählt, wie Atomenergie global Männer unfruchtbar macht, oder wenn in „Dunkle Schatten" von Judith Merril (1950) Atombomben auf New York fallen. Dazu kam in den USA während des Kalten Krieges eine Paranoia vor einer Kommunisten-Invasion, was sich deutlich im ScienceFiction-Kino wiederfand. So thematisierten vielgesehene Alien-Streifen wie „Der Tag, an dem die Erde stillstand" (1951) und „Die Dämonischen" (1956) die Angst vor Invasoren. Die Angst vor Atomwaffen beschäftigte auch deutsche Literaten wie Karl Herbert Scheer, der in „Stern A funkt Hilfe" (1948) davor warnte. Er war einer der wenigen westdeutschen Autoren, der kurz nach dem Krieg Sci-FiRomane schrieb. Zwar erschienen von 1945 bis 1950 60 SF-Romane, die waren aber meist übersetzte US-Importe, die wegen des Fortschrittsoptimismus als kitschig verrissen wurden. Genauso mangelte es im BRD-Film an eigenen SF-Produktionen. Geboten wurde wenig Überzeugendes wie die Satire „Der Herr vom andern Stern" (1948) von Heinz Hilpert mit Heinz Rühmann oder 1959 der SF-Horrorstreifen „Die Nackte und der Satan" von Victor Trivas mit Horst Frank. Ähnlich dürftig sah es in Ostdeutschland aus. Bis 1959 kamen nur die SF-Komödie „Chemie und Liebe" von Arthur Maria Rabenalt (1948) und das Weltraumabenteuer „Der schweigende Stern" (1959) von Kurt Maetzig ins Kino, dazu gab es 15 Romane und Heftstorys. Ihre Inhalte: der Sozialismussieg, die Verteufelung von US-Atomwaffen, das Lob des technischen Fortschritts in „Betriebsromanen" und SF-Krimis (z.B. „Betatom", 1957, von H.L. Fahlberg). Doch entflammte in den 1960er Jahren global das Interesse an Science-Fiction wegen des Wettrennens der USA mit der UdSSR um die Eroberung des Weltalls, in der westlichen Welt genauso wie in Japan und im Ostblock. Dort erlebten Autoren wie der bedeutende polnische Erzähler Stanislaw Lem (u.a. „Solaris", 1961) oder die erfolgreichen russischen Brüder Arkadi und Boris Strugazki (u.a. „Ein Gott zu sein ist schwer", 1964) ihren Durchbruch. Viele von ihnen wagten kommunismuskritische Inhalte, während Mitte der 1960er Jahre im Westen Schriftsteller wie Robert Zelzany und Frank Herbert („Der Wüstenplanet", 1965) die Genregrenzen aufbrachen und sich von Großbritannien ausgehend eine neue literarische SF-Richtung bildete: die New Wave (u.a. mit G. Ballard, John Brunner), die in den USA und Europa die Science-Fiction-Literatur mit experimentellen Reisen in die Innerlichkeit prägte. Der Film zog mit. Das Kino brachte das psychedelischphilosophische Meisterwerk „2001: Odyssee im Weltraum" (1968) von Stanley Kurbrick und Perlen wie „Lautlos im Weltraum" (1972) von Douglas Trumbull hervor, in dem Umweltzerstörung thematisiert wurde. Und im US-TV startete „Star Trek" (1966–1969) mit seinen pazifistischen und humanistischen Untertönen (s. kult! Nr. 15). Auch die deutsche Science-Fiction war im Aufwind. In den 1950er Jahren waren neben SF-Jugendmagazinen, -Taschenbüchern und -Comics die beliebten HeftromanReihen gestartet (zuerst „Utopia Zukunftsroman", 1953–1968, Pabel), von denen eine alle anderen in den Schatten stellte: „Perry Rhodan" (seit 1961, Pabel-Moewig). Sie wurde die bis heute weltweit erfolgreichste Heftroman-Reihe, die selbst erwachsene Leser begeisterte. Genauso verschafften Bestseller-Romanciers wie der populärste deutschsprachige SF-Autor Herbert W. Franke (u.a. „Zone Null", 1970), der sich mit einer durchtechnisierten Gesellschaft beschäftigte, dem oft als jugendgefährdenden Schund angesehenen Genre größeres Ansehen und Erfolg. Den hatten auch bundesdeutsche Sci-Fi-Filmproduktionen: im TV die Kult-Serie „Raumpatrouille" (1966) und im Kino der gruselige SF-Krimi „Scotland Yard jagt Dr. Mabuse" (1963) von Paul May. Science-Fiction etablierte sich, was ebenso für die DDR gilt. Dort widGoodTimes

meten sich die Literaten nun differenzierter und psychologisch anspruchsvoller (z.B. „Die andere Welt" von Herbert Ziergiebel, 1966) weiter dem Weltraum-Klassenkampf, kommunistischen Utopien und warnten vor einem Atomkrieg. Ähnliche Inhalte transportierten die DDR-Filmemacher seit den 1970er Jahren erfolgreich ins Kino (z.B. „Im Staub der Sterne", 1975) von Gottfried Kolditz, „Besuch bei Van Gogh" (1985) von Horst Seemann, der Kinderfilm „Blumen für den Mann im Mond", 1975, von Rolf Losansky) und ins TV (z.B. „Besuch aus der Vergangenheit", 1975, von Günter Meyer). Auch die BRD-Produzenten waren in dieser Zeit fleißig und brachten – im Schatten von US-Blockbustern à la „Star Wars" – mäßig erfolgreiche, aber originelle SF-Filme in die Kinos, etwa die Komödie „Der große Verhau" (1971) von Alexander Kluge, die Dystopie „Operation Ganymed" (1977) von Rainer Erler und später „Das Arche Noah Prinzip" (1984) von Roland Emmerich. Im West-TV liefen neben vielen US-Importen wie dem KinoHit „Barbarella" (1968) und Serien wie „Raumschiff Enterprise („Star Trek")" (1972–1974) wenige SF-Eigenproduktionen. Dazu gehörten die Dystopie „Telerop 2009" (1974, Regie: Eberhard Itzenplitz und Michael Kehlmann), „Die Mädchen aus dem Weltraum" (1976, mit wechselnder Regie) mit Pierre Brice und „Welt am Draht" (1973) von Rainer Werner Fassbinder über die Gefahren virtueller Welten. Dieses ungleiche Verhältnis bot auch der ComicMarkt: Einer Importschwemme (u.a.: aus den USA „Enterprise", 1975, Koralle, oder aus Frankreich „Mark DeVille", 1979, Condor Verlag) standen rare westdeutsche Comics wie „Satelliten" (1971, Banemann & Groth) und „Terry Star" (1989–1992, Verlag Hutterer & Förster/ Comic Club Hannover) gegenüber. Auch in der DDR gab es neben der längsten und populärsten Reihe „Karl Gabels Weltraumabenteuer" (1955– 1979, Eulenspiegel Verlag) kaum eigene SF-Comics. Umso produktiver waren dort Science-FictionRomanciers mit hochklassigen, erfolgreichen Werken (z.B. „Der Irrtum des Großen Zauberers", 1972, von Johanna und Günter Braun), die immer systemkritischer gerieten (etwa Gerhard Branstners „Der astronomische Dieb", 1973), was sich in den 1980ern deutlich verstärkte (z.B. „Pulaster", 1986, von Angela und Karlheinz Steinmüller). Nach der Grenzöffnung verschwand die ostdeutsche SF-Literatur weitgehend in der Versenkung. Dagegen eroberten sich in der Bundesrepublik seit den 1980er Jahren lesenswerte Science-Fiction-Autoren wie Thomas Ziegler, Jörg Weigand und Horst Pukallus ihre Nische beständig, obwohl übersetzte angloamerikanische Romane 90 Prozent des SF-Buchmarktes ausmachten. Die USA prägten weiterhin weltweit die Science-Fiction, in der von Anfang der 1980er bis in die 1990er Jahre eine neue Strömung dominierte: der Cyberpunk. Der ging von Literaten wie Bruce Sterling, Rudy Rucke und William Gibson („Neuromancer", 1984) aus. Er tauchte auch im Kino („Blade Runner", 1982, von Ridley Scott), in Mangas („Akira", 1982, von Katsuhiro Otomo), im TV (die britische Reihe „Max Headroom", 1984) und als Hörspiel (etwa die deutsche Serie „Der letzte Detektiv", 1984) auf. Cyberpunk warnte in SF-Dystopien vor der Kontrolle durch Großkonzerne, Umweltzerstörung, Gentechnologie, den Gefahren der Informationstechnologie bis hin zur heutigen Terrorgefahr. Er hat sich wie das gesamte Genre ScienceFiction in viele Facetten bis in die Gegenwart rund um den Globus ausdifferenziert. Von ambitionierten, komplexen Erzählungen bis zu kommerzieller Action-Oberflächlichkeit wird alles geboten. Dabei haben die SF-Kino-Blockbuster die Genreliteratur in die Ecke gedrängt. Doch sie wird überleben, denn packende Geschichten, die der Welt zeigen, wie düster oder wie hoffnungsvoll die Zukunft aussehen könnte, werden immer wieder dringend gebraucht. 1/2019

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D wie Dick, Philip K.

A wie Asimov, Isaac

Der russisch-amerikanische Autor, Herausgeber und Biochemiker Isaac Asimov (1920–1992) ist einer der „großen drei" Schriftsteller (s. unter C und H) englischsprachiger Science-Fiction. Er wollte einem großen Publikum wissenschaftliche Erkenntnisse leicht verständlich vermitteln. Asimov schrieb Short-Storys, 500 Bücher in Millionenauflagen (Romane, Sachbücher, ca. 1600 Essays, Krimis). Die wichtigsten Werke: der „Foundation"-Zyklus (1940–1991), die Roboter-Storys und -Romane (1940–1985), in denen er die berühmten „Drei Gesetze der Robotik" (1942) zur Absicherung der Menschen beim Einsatz von Robotern formulierte.

Philip Kindred Dick (1928–1982) war ein produktiver US-Autor von Science-Fiction-Romanen (u.a. „Die drei Stigmata des Palmer Eldritch", 1965, „Ubik", 1969), -Kurzgeschichten und Gedichten sowie ein Hauptlieferant für Filmstoffe (z.B. „Blade Runner", 1982, „Total Recall", 1990, „Minority Report", 2002, „Matrix", 1999). Dicks Geschichten, in denen er sich mit Drogen, Religion, Philosophie, Psychoanalyse, Zeitreisen, Aliens u.a. beschäftigt, durchzieht die Erkenntnis seiner Helden, wie wahnwitzig die Realität ist.

E wie " Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt"

Der amüsante Streifen (1933) mit Harry Piel in der Hauptrolle, der auch Regie führte, ist eine frühe, harmlose deutsche SF-Komödie. Die Story: Taxifahrer Harry sorgt durch ein zufällig gefundenes Gerät, das ihn unsichtbar macht, für Aufregung.

B wie Bradbury, Ray US-Autor Ray Bradbury (1920–2012) schrieb mit übersprudelnder Fantasie und Fabulierkunst Science-Fiction-, Horror-, Fantasyund Kriminalgeschichten. Er verfasste Short-Storys, Gedichte, Romane und Drehbücher. Er schrieb u.a. die SF-Klassiker „Die Mars-Chroniken" (1950) und „Fahrenheit 451" (1953).

F wie Fandom

C wie Clarke, Arthur C. Der Brite Arthur Charles Clarke (1917–2008) ist ein weiterer der „großen Drei" (s. unter A und H). Er schrieb SF-Short-Storys, -Romane und wissenschaftliche Artikel. Als studierter Physiker und Mathematiker entwickelte er die Satellitentechnik weiter. In seinen Geschichten thematisiert er naturwissenschaftlich-technische Fragen und die Evolution des Menschen, wie in seinem erfolgreichsten Roman „2001: Odyssee im Weltraum". Der entstand aus dem mit dem Regisseur Stanley Kubrick verfassten Drehbuch des gleichnamigen SF-Filmklassikers, der auf einer Kurzgeschichte Clarkes („The Sentinel", 1948) beruhte. Von ihm stammen die für das Genre bedeutenden „Clarke'schen Gesetze" über Wissenschaftsgrenzen. Das bekannteste: „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden." Seite

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Das Science-Fiction-Fandom (=Fan-Gemeinde) besteht seit den „Amazing Stories" (ab 1926) von Hugo Gernsback (s. unter G). Die Fans sind in Clubs organisiert (zuerst die Science Fiction League in den USA, 1934) und heutzutage in Internet-Communitys. Sie verleihen Leserpreise (der wichtigste: der Hugo Award, seit 1953) und versammeln sich auf „Cons", wo Diskussionen, Lesungen, Performances u.a. stattfinden. Die weltweit größte ist die Worldcon (World Science Fiction Convention, seit 1939). In Deutschland existieren seit den 1950er Jahren SF-Fanclubs. Auch Cons gibt es: u.a. die DORT.con in Dortmund (seit 2001), die Elstercon in Leipzig (seit 1992) und die FedCon (das größte europäische „Star Trek"- und SF-Event, seit 1992).

G wie Gernsback, Hugo Hugo Gernsback (1884–1967) war US-Verleger, Erfinder, SF-Autor und Herausgeber des ersten Science-FictionPulps „Amazing Stories". Er taufte 1929 das bis dahin nicht benannte Genre „ScienceFiction". In seinem Pulp richtete er eine

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Rubrik für Leser ein, deren Adressen er veröffentlichte – der Start für die Fan-Vernetzung und des Science-Fiction-Fandoms (s. unter F). Er gründete auch die erste Fan-Organisation Science Fiction League (1934–1943). Der wichtige Leserpreis Hugo Award (ab 1953) wurde nach Hugo Gernsback benannt.

H wie Heinlein, Robert A. Der erfolgreiche US-Schriftsteller Robert Anson Heinlein (1907–1988) gehört zu den „großen Drei" (s. unter A). Der sechsmalige Hugo-Award-Preisträger (s. unter G) schrieb Science-Fict ionKur zgeschichten und -Romane. Die wichtigsten: „Starship Troopers" (1959, verfilmt 1997) und „Fremder in einer fremden Welt" (1961). Die Texte durchziehen die Ideen des Libertarismus, der die Freiheit von inneren und äußeren Zwängen propagiert. Vorgeworfen wurde Heinlein eine Neigung zum Militarismus, faschistische Ideen und eine sehr lockere Sexualmoral.

I wie " Ikarie XB 1" Der Schwarz-Weiß-Film

(1963) ist spannendes tschechisches ScienceFiction-Kino. Jindř ich Polák (der „Pan Tau"-Mit-Erfinder) verfilmte den Roman „Gast im Weltraum" (1955) von Stanisław Lem (s. unter L) um das Forschungsraumschiff „Ikarie XB 1", dessen Besatzung auf dem Weg zu einem erdähnlichen Planeten WeltallGefahren und dem psychischen Druck der Raumschiff-Enge ausgesetzt ist.

J wie " ... Jahr 2022 ... die überleben wollen"

Der erfolgreiche US-Science-FictionKino-Klassiker (1973) von Richard Fleischer (nach Harr y Harrisons Roman „New York 1999", 1966) dreht sich um einen New Yorker Polizisten (Charlton Heston), der ein schockierendes Geheimnis entdeckt. Der Film ist eine bedrückende Öko-Dystopie, die Umweltverschmutzung kritisiert und vor Überbevölkerung warnt.

K wie Künstliche Intelligenz Die Erschaffung künstlicher Intelligenz beschäftigt die Wissenschaft seit dem Spätmittelalter und hielt Einzug in die Literatur: E. T. A. Hoffmann beschrieb humanoide Automaten („Der Sandmann", 1816), Karel Čapek („R.U.R", 1920) und Isaac Asimov (s. unter A) Roboter. Dazu kamen im Kino u.a. ein hinterhältiger Bordcomputer (HAL in „2001: Odyssee im Weltraum", 1968), philosophierende Bomben („Dark Star", 1974) und virtuelle Realität erschaffende Maschinen („Matrix", 1999).

(z.B. die virtuelle Realität, Nanotechnologie, neuronale Netze). Sein Hauptmotiv: Probleme der Menschen mit technischen Innovationen wie Androiden, Gentechnik, künstliche Intelligenz (s. unter K), die er u.a. in den „Die Sterntagebücher des Weltraumfahrers Ijon Tichy" (1957), „Eden" (1959), „Solaris" (1961) oder „Kyberiade" (1957–1971) beschrieb.

M wie " Metropolis" Der deutsche Stummfilm

(1927) von Regisseur Fritz Lang und Drehbuchautorin Thea von Harbou mit Brigitte Helm als Maria/ Maschinenmensch in der Hauptrolle bot nie gesehene Spezialeffekte, war immens teuer und aufwendig produziert. Er warnte vor der Arbeiterausbeutung, die Technikinnovationen in der Industrie mit sich bringen könnten – entgegen der damaligen Fortschrittseuphorie. Daher floppte der Film beim Publikum und bei der Kritik. Heute gilt „Metropolis" als ästhetisch und inhaltlich richtungsweisendes expressionistisches SF-Meisterwerk.

N wie New Wave Mitte der 1960er Jahre entstand in Großbritannien die literarisch ambitionierte, experimentelle, politisch linke New Wave in der Science-Fiction, die sich gegen den Technikoptimismus der PulpÄra aussprach. Sie ging vom Verleger Michael Moorcock und dem Autor J.G. Ballard aus und dominierte die SF in den USA und Europa bis in die 1980er Jahre. Autoren wie Brian Aldiss, John Brunner, Samuel R. Delany, Judith Merril, Ursula K. Le Guin schrieben über Tabuthemen wie Sex, Drogen und das Eintauchen in das eigene Ich.

O wie " Operation Ganymed"

„Operation Ganymed" (1977) von Rainer Erler (u.a. mit Horst Frank und „Matula" Claus Theo Gärtner) ist ein gelungener, hochgelobter westdeutscher ScienceFiction-Streifen, der die Raumfahrt entglorifiziert. Der Inhalt: Raumfahrer kehren 1991 vom Jupiter auf eine menschenleere Erde zurück und greifen sich im Überlebenskampf gegenseitig an.

P wie " Perry Rhodan" Mit einer Auflage, die die Milliardengrenze

überschritten hat, ist „Perry Rhodan" weltweit die erfolgreichste Science-Fiction-HeftromanReihe (Verlag: Pabel-Moewig). Der von Karl-Herbert Scheer und Clark Darlton (aka Walter Ernsting) erfundene KultSpace-Held „Perry Rhodan" startete am 8.9.1961 seine bis heute ununterbrochenen wöchent lichen Abenteuer. Eine Heerschar deutscher Autoren errichtete ein „Perryversum", das größte SF-Universum überhaupt, mit etlichen Spin-Offs, Comics, Büchern, Computerspielen und Filmen.

L wie Lem, Stanislaw -

Der polnische Autor, Philosoph und Essayist Stanisław Lem (1921– 2006) war einer der welt weit bedeutendsten, erfolgreichsten und humor vollsten ScienceFic t ion-Er zähler. Er erdachte v iele später realisierte Technologien GoodTimes

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V wie Vieweg, Heinz Der Dresdner Heinz Vieweg (geb. 1920) schreibt Jugendbücher und Science-Fiction (u.a. „Ultrasymet bleibt geheim", 1955, „Die zweite Sonne", 1958). Vieweg ist einer der ersten DDR-Science-Fiction-Autoren. Er steht der technischen Zukunft optimistisch gegenüber, warnt aber, dass die Menschlichkeit nicht dem Fortschrittsglauben geopfert werden dürfe.

W wie " Welt am Draht" Überschwängliche

Professor Bernard Quatermass ist die von wechselnden Darstellern verkörperte Hauptfigur einer erfolgreichen Reihe von Science-FictionTV-Serien, -Fernseh- und -Kinofilmen und -Radiosendungen (1953– 2005). „Quatermass" war die erste britische SF-TV-Serie überhaupt. Der Inhalt: Ein Wissenschaftler der britischen Raumfahrtbehörde bekämpft feindliche Aliens.

Lobeshy mnen bekam Rainer Werner Fassbinder für seinen T V-Zweiteiler „Welt am Draht" (1973) mit Klaus Löwitsch in der Hauptrolle. Fassbinder nahm den SF-Roman „Simulacron-3" von Daniel F. Galouye (1964) als Vorlage und warnte in einer komplexen Story über eine Simulationswelt hellsichtig vor virtuellen Realitäten und Video-Überwachung.

R wie" Raumpatrouille"/ " Raumschiff Orion" Die Abenteuer von Kommandant Cliff Allister McLane (Dietmar

X wie Xaver und sein " außerirdischer Freund"

Q wie Quatermass

Schönherr) und seiner Crew im Raumschiff Orion starteten am 17. September 1966 als erste deutsche Science-Fiction-TV-Serie. Mit bahnbrechender Tr i c k t e c h n i k , teurer Ausstattung und f utur ist ischer Optik inszenierten Theo Mezger und Michael Braun in sieben Episoden den von Rolf Honold erdachten Straßenfeger, der auf bis zu 56 Prozent Einschaltquoten kam und Kultstatus erreichte.

S wie Soft-Science-Fiction / Hard-Science-Fiction Soft-SF beschäftigt sich mit gesellschaftlichen, psychologischen und philosophischen Fragen und beschreibt oft Utopien oder Dystopien. Futuristische Technik ist hier nur Beiwerk (z.B. bei Philip K. Dick, s. unter D). Die steht dagegen im Mittelpunkt der Hard-ScienceFiction, in der naturwissenschaftliche Entwicklungen und technischer Fortschritt dargestellt werden (z.B. bei Isaac Asimov, s. unter A).

T wie " Titanus"

„Titanus" war die erste westdeutsche Sc ience-Fict ionComicreihe (1954– 1955, Gerstmayer Verlag). Nach einem Roman von Claus Eigk zeichneten erst Helmut Nickel, nach Heft 3 Hansrudi Wäscher die Abenteuer um den US-Weltraumpiloten Terry Star. Nach Heft 5 wurde die Serie mangels Erfolg eingestellt.

U wie " Utopia-Magazin" Aus der ersten westdeutschen ScienceF ic t ion-Hef t romanr e i he „Utopia Zukunftsroman" (1953–1968, Pabel) ging das erste deutsche SF-Magazin hervor: das „Utopia-Magazin" (1955–1959, Pabel). Der Inhalt: US-Short-Storys namhafter Autoren (u.a. Asimov, Bradbury, Clarke, s. unter A, B, C), Buchrezensionen, wissenschaftliche Artikel und Leserbriefe. Herausgeber war „Perry Rhodan"-Miterfinder Clark Darlton (s. unter P). Seite

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Diese derb-humorige erfolgreiche Low-Budget-Mischung aus Heimatfilm und Science-Fiction, die Werner Possardt 1986 in oberbayerischer Mundart inszenierte, dreht sich um einen auf der Erde gestrandeten Alien, der von Bier nicht genug bekommen kann.

Y wie " Yogis galaktische Abenteuer" Yogi Bär gibt es als erfolgreichen US-Cartoon seit 1958. Er stammt aus den Hanna-Barbera-Studios (u.a. „Familie Feuerstein”), die ab 1961 eine eigene Serie („The Yogi Bear Show”) und mehrere T V-Spin-Offs mit ihm produzierten, u.a. „Yogis galaktische Abenteuer” („Yogi's Space Race”, 1978, in Deutschland 1994 auf RTL). In den 13 Episoden ist Yogi Bär als Weltraumpolizist unterwegs.

Z wie " Zurück in die Zukunft" „Zurück in die Zukunft" ist ein vergnüglicher und gelungener ZeitreisenBlockbuster. Die erfolgreiche Trilogie (1985, 1989, 1990) von Robert Zemeckis dreht sich um den Teenager Marty McFly (Michael J. Fox) und den verschrobenen Erfinder „Doc" Brown (Christopher Lloyd). Aus gehend vom Jahr 1985, reisen die beiden mit der Zeitmaschine Doc Browns zwischen 1885, 1955, 1985 und 2015 hin und her, um in falsche Bahnen gelaufene Zeitverläufe wieder auf die richtige Spur zu bringen.

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Interieur der

Von Kathrin Bonacker

80 er

Kiefernholz und klare Kanten Glasflächen und Metallstangen, schwarze und bunte Kunststoffbeschichtungen: Das Mobiliar der 1980er Jahre bot den Blümchenstoffen und Cordbezügen der 1970er Paroli. Neue-Deutsche-Welle-Texte machten klar, dass im "Tretboot in Seenot" ins Abendrot zu treiben oder "Monotonie in der Südsee" vollkommen okay war, wenn der passende Drink stilvoll serviert wurde: Gemütlichkeit gehörte nicht mehr unbedingt zu den Zielen der Generation, die sich irgendwo zwischen Punks und Poppern einsortieren musste. Allein die Ökos" setzten dem " etwas entgegen.

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n den frühen Achtzigern bestimmte bei den meisten jungen Leuten vor allem das Kiefernholzsortiment von Ikea die Grundausstattung. Erst wer ordentlich eigenes Geld verdiente, konnte sich mit StahlrohrEquipment und schwarzem Leder in coolerem Stil einrichten. Dreh- und Angelpunkt war sowieso die Ausstattung mit den neuesten technischen Errungenschaften. Das dunklere Holz der 70er Jahre wich um 1980 herum den helleren Nadelhölzern, mit denen Wände und Decken verschalt wurden, und Ikeas Hit war damals das „Sten"-Regal, das aus simpel verschraubten Brettern bestand, die mit einem dünnen Metallkreuz im Rücken noch ein bisschen mehr Stabilität gewannen. Ebenfalls nicht mehr wegzudenken war „Billy", seit 1979 auf dem Markt und Publikumsliebling bis heute. Im Regal fanden sich vielleicht die „Nebel von Avalon" von Marion Zimmer-Bradley neben Tolkiens hellgrüner „Herr der Ringe"-Ausgabe im Schuber Seite

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und der orangefarbenen Version von „Das letzte Einhorn". Überhaupt standen Fantasy-Bücher sehr hoch im Kurs, und das Filmposter zum „Herr der Ringe"-Trickfilm, der 1978 in den USA produziert worden war, schmückte so manche Wand. Der Journalist Florian Illies beschreibt in seinem höchst erfolgreichen zeitdiagnostischen Werk über die „Generation Golf" allerdings auch alternative Dekorationen: „Ich besuchte (...) nachmittags gerne Mädchen, bei denen andere Sachen an der Wand hingen als Poster von Eintracht Frankfurt. Bei Katja war die Kombination am unglaublichsten. Und nur meine große Liebe ließ mich offenbar darüber hinwegsehen, dass sie eine hellblaue Tapete mit weißen Möwen hatte, auf der zwei Poster von Pierrots mit Tränen klebten." Clowns und Pierrots waren, unter anderem dank der Popularität des Circus Roncalli, eine Art heimliche Helden der 80er Jahre, die es auch als Keramikfiguren und Puppen gab. Illies vergleicht neiderfüllt das weibliche Ambiente mit dem männlichen: „Lagen bei den Mädchen wenigstens noch ein paar Bärchen oder ein Monchichi auf der Bettdecke, war sie bei den Jungen leergeräumt, die einzige Sentimentalität, die wir uns gestatteten, war ein Kim-WildePoster über dem Schreibtisch."

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Wer übrigens Ikeas „Sten" nicht als Bücherregal nutzte, hatte es wenigstens im Keller für die Einmachgläser, den traditionellen Weihnachtsschmuck, die abgenutzte Spielesammlung, die im Wohnzimmerschrank „Trivial Pursuit" hatte weichen müssen, und Omas unmoderne Vasen. Vieles Alte wanderte in diesen Jahren aber auch unsortiert in die Mülltonnen, die häufig von Waschbetonquadern versteckt waren. Erste Biomüll-Trennverfahren gab es 1981 in Würzburg und 1983 in Witzenhausen, und auch das Altpapier und Altglas wurde vielerorts gesammelt. Die Weißblechindustrie startete die geniale „Ich war eine Dose"-Werbekampagne, die lauter Alltagsobjekte aus Recycling-Metall zeigte, aber bis sich die Mülltrennung durchsetzte, musste erst einmal 1990 der „Grüne Punkt" das Ganze mit den entzückenden Gelben Säcken ergänzen. In den Achtzigern flogen Plastikverpackungen und Kartoffelschalen, die vermaledeiten Zellofanhüllen von Musikkassetten (die nie einfach so abgingen, sondern zehn Minuten Knibbelarbeit erforderten), Zigarettenstummel und Hühnerknochen in aller Regel noch gemeinsam auf die Halde. Wer irgendwo ankam, hatte in diesen Jahren aber schon die Chance, nach dem Klingeln über eine leicht scheppernde Sprechanlage nach Namen und Begehr befragt zu werden. Telefonische Kontakte wurden inzwischen nicht mehr per Wählscheibe angerufen, sondern elegant auf einer satt blauen, bordeauxroten oder dunkelgrünen Tastatur eingetippt, das Gerät hing allerdings immer noch an einer viel zu kurzen gekringelten Schnur, mit der es sich bei langweiligen Gesprächen ganz gut spielen ließ. Außerdem konnten fachkundige Menschen sich gegebenenfalls (und nicht unbedingt ganz legal) ein Modem dazwischenschalten, um einen Heimcomputer zu installieren! Die passenden Bildschirme brummten laut und beanspruchten etwa so viel Tiefe wie Breite auf dem Schreibtisch. Farbfernseher hatten sich weitestgehend durchgesetzt, und manch einer konnte darauf sogar Videospiele („Telespiele") laufen lassen, bei denen sich per Fernbedienung verschiedene Striche (Männchen) bewegen ließen, die beispielsweise ein Tennismatch (wie „Pong" von Atari) simulierten. Im Jugendzimmer war aber die Stereo-Anlage der Nabel der Welt – wer brauchte schon mehr als ein Bett, einen Stuhl, einen Kleiderschrank und einen Schreibtisch darüber hinaus? Der Stuhl konnte sich vielleicht jetzt drehen oder war dem des Elternteils im Büro sehr ähnlich: Metallgestänge und womöglich kippbare Rückenlehne, im edelsGoodTimes

ten Fall schwarzes Leder zu Chrom. Eine passende Aktentasche (mit Sicherheitsschloss und auch oft als Vateru n d -S o h n - M o d e l l ) sowie die metallene digitale Uhr mit Stretchleder-Armband setzten diesen Auftritt außer Haus fort. In der Außenwelt blieb dann der Heranwachsende mit seinen Freunden vor dem Elektrogeschäft stehen und fachsimpelte über die größten Boxen und deren besten Klang, bevor er sich Zigaretten aus einem Automaten zog, der die Sorten aus einzelnen metallenen Schubkästen anbot, die sich nach Geldeinwurf (zwei Mark) aufziehen ließen. Metallene Schubkästen waren auch bei Möbeln sehr beliebt, neue Techniken wie die P ul ver beschicht ung machten lackierte Objekte obendrein günstiger. Selbst bei Pflanzen standen nun die mit den großen, glatten Blättern (also zum Beispiel Gummibäume und Yuccapalmen) höher im Kurs als Farne oder kleinblütige Topfblumen. Nach der Dominanz von Orange, Hellgrün und Braun in den 1970er Jahren setzte sich das Grundfarbentrio bei den Möbeln der 80er Jahre durch, und vor allem starke Kontraste beher rschten die Szenerie. Die allseits beliebte, weil extrem einfach handhabbare Raufasertapete wurde zum Standard und ließ sich in allen Farben streichen. Farbpsychologie war in aller Munde. Loriot machte sich 1988 in seinem Film „Ödipussi" genau da rüber in einer unschlagbaren Szene lustig: Möbelberater Paul Winkelmann (gespielt von Loriot selbst) und die DiplomPsychologin Margarethe Tietze (dargestellt von Evelyn Hamann) versuchen, einem älteren Ehepaar einen neuen Bezugsstoff für ihr Wohnzimmersofa zu empfehlen. Und während sie ein frisches Gelb 1/2019

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und ein Apfelgrün empfiehlt, zeigt Herr Winkelmann ihnen eine „Kollektion" von 28 Grautönen „in jeder Qualität. Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau, Steingrau, Bleigrau, Zementgrau ...". Und schließlich entscheiden sich die Kunden, ohne eine Miene zu verziehen: „Wir hätten gern das Aschgrau." Klar, dass das Ehepaar Mälzer der Antityp der 80er Jahre war: spaßbefreit und farblos. Alles, was in diesen Jahren neu war, zeigte sich mit Glanz und Lack, gerne auch Strass und Glitzer, in den Diskos strahlten weiße T-Shirts bei Schwarzlicht, bunte Lichtorgeln gehörten dort zum Standard. Der Küchenfußboden aus PVC durfte rot-weiß-kariert sein, die Küche weiß und die passenden Klappstühle knallrot. Selbst die Armaturen im Bad waren nicht selten in Tomatenrot gehalten. Wer mochte, hatte auch große schwarz-

weiße Karos auf dem Fußboden oder als Fliesen im Badezimmer. Die Rustikalität der 1970er Jahre mit den heimeligen Ecken in dunklem Holz machte einer Lichtdurchflutung Platz, die sowohl kippbaren, leichten Lamellen-Rollos vor den Fenstern als auch dem Einbau von Glastüren geschuldet war. Gerade ehemals dunkle Flure bekamen so eine neue Freundlichkeit. Parallel zur Großraumbürogestaltung verlor sich damit allerdings auch immer ein bisschen traditionelle Privatsphäre, was die einen als Befreiung, die anderen als Verlust erlebten.

Berliner WG-Küche 1987

fand sich bei der Weißware im Haushalt genauso wie bei den Musikanlagen: Plötzlich gab es nicht mehr nur vier, sondern womöglich ein Dutzend Varianten, den Kühlschrank oder Herd einzustellen, dicke Glasscheiben gewährten Transparenz beim Garprozess, und Kinder konnten jetzt dem Verlaufen des Käses beim Überbacken mit Spannung zusehen. Besser Betuchte hatten wohl auch eine Küche in Marmor (womöglich mit einer Art Messing-„Reling"), im Treppenhaus ließ sich der kostbare Stein weiter verbauen, und wer es ganz besonders edel wollte, ließ sich

Die ersten Mikrowellen machten Furore, und die Technikbegeisterung

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Wer sich aber einzelnen Möbelstücken zuwandte und das bequeme und oder auch gesunde Sitzen wichtig fand, konnte sich in diesen Jahren vor Novitäten kaum retten: Der Kniestuhl, der zur Stärkung des Rückens gänzlich auf eine Lehne verzichtete, war dabei der Höhepunkt. Allerdings war es nicht üblich, eine Gruppe von Menschen in zwangloser Unterhaltung auf mehreren dieser Objekte zu sehen, außer vielleicht bei Krankengymnastik-Tagungen. Sie blieben dann doch therapeutische Einzelstücke, während sich der Durchschnittsmensch eher ein starkfarbiges Designersofa von „Ligne roset" erträumte. In den Kinderzimmern gab es Lego oder Playmobil, später „Risiko" oder „Cluedo" zur Vergnügung. Erwachsene spielten am spiegelnden Glastisch und im wahren Leben „Life-Style", tranken Cocktails aus „Leonardo"-Gläsern, bräunten sich im HeimSolarium und sehnten sich vom Wannsee nach Sylt. Währenddessen ergänz ten die jungen Leute ohne Glastisch ihre Kiefernmöbel um Strickkörbe aus We ide ngef le cht und konnten bei Ikea große B a u m w o l l ü b e rwürfe für ihre Betten erwerben. Auf dem Schreibtisch fanden sich hier Blöcke aus ungebleichtem „U m w e l t p a p i e r ", und aus Papier waren auch die passenden runden Hängelampen. Sie hängten ihre Anti-Atomkraft-Plakate aus den Fenstern und pinnten Politposter von Klaus Staeck an die Wand: „Wir haben diese Erde von unseren Kindern nur geborgt!" oder „In gutem Zustand zurückzugeben" stand dann bei Bildern von unserem blauen Planeten. Auf dem Klo lag die „Titanic" neben dem Flyer der Mitfahrzentrale, und im Zweifel war immer ein zusammengerollter Schlafsack bereit für die nächste Tour.

für seine Champagnerpartys auch gleich ein Marmor-Bad einrichten. Die West-Berliner Band Ideal textete 1980 dazu sehr ironisch: „Totaler Luxus beruhigt meine Nerven, ich will mit Geld nur so um mich werfen. Totaler Luxus kann mich retten: Luxus ist wie Vitamintabletten." Dieser Lebensentwurf stand natürlich im krassen Gegensatz zum gelebten Alltag der Durchschnittsbevölkerung, und die durchgelegene Matratze auf dem selbst gebauten Lattenrost, der auf Backsteinen thronte, war kein seltener Anblick in WG-Zimmern von Azubis oder Studierenden. An Stühlen, Tischen und Schränken wurde genutzt und bunt angestrichen, was auch immer ererbt werden konnte.

Interessant wurde es übrigens dann, wenn Ende der 80er Jahre beim Zusammenziehen jemand aus der Glastisch-Fraktion seine MetallbeinStühle zum Kieferntisch aus der Öko-Ecke stellen wollte ... Im „Harry und Sally"-Film von 1989 kommt es über einen Couchtisch beinahe zum Zerwürfnis eines Paares, bevor der Besitzer des umstrittenen Möbelstückes es aufgibt, weil jede der beiden Parteien den guten Geschmack auf ihrer Seite glaubt. Die Autorin des Films, Nora Ephron, wusste ganz sicher, wovon sie sprach!

Schwer vereinbare Wohn-Ideen

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Das war Schwermetall – Band 1: 1980–1988

Die faszinierende Geschichte eines Comic-Magazins

Die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass man irgendwann in seinem Leben einmal – eventuell sogar, ohne es wirklich realisiert zu haben – mit einer Ausgabe des Schwermetall"-Magazins in Berührung gekommen ist. Das zwischen 1980 und 1999 " publizierte Comic-Magazin war maßgeblich für die Etablierung von ErwachsenenComics hierzulande verantwortlich und, ganz profan gesagt, die zahlreichen, prägnanten Cover, auf denen sich sehr oft schöne halb- oder ganz nackte Frauen tummelten, stachen beim Stöbern am Kiosk einfach ins Auge. Man musste schon völlig blind sein, um Schwermetall" nicht " zu bemerken. Von Thorsten Hanisch Doch trotz hohen Erotikfaktors handelte es sich bei dem Magazin keinesfalls um ein Schmuddelblättchen: Es wurden erstmals wichtige und einflussreiche Künstler wie Philippe Druillet oder Moebius hierzulande veröffentlicht, weswegen sich die inhaltlich wild wuchernde Mischung aus Fantasy, Science-Fiction und Humor oftmals auf überraschend gehobenem Niveau bewegte. Achim Schnurrer war zwischen 1985 und 2000 dort Chefredakteur und rollt in seinem reichhaltig bebilderten Buch kleinteilig – er geht auf tatsächlich jede Ausgabe ein – die Geschichte des Magazins auf. Das ist aufgrund der irrsinnigen Fülle an Informationen ungemein interessant, allerdings verliert sich der Autor mit seinem Plauderstil auch immer mal wieder in Rand-Anekdoten, die nicht unbedingt zur Erhellung beitragen und das Ganze zuweilen etwas mühsam zu lesen machen. Ebenso sorgt der stark persönlich geprägte Tonfall des Buchs für gelegentliche Irritationen: Man möchte fast meinen, dass Schnurrer eine persönliche Rechnung mit Verleger Raymond Martin begleichen will, so oft wie Martin hier unter Beschuss genommen wird, und gewisse Formulierungen wie „Einige Feministinnen werden zwar aufheulen" kommen – gerade in Kombination mit der massiven Ansammlung an entsprechenden Covern – im „MeToo"Zeitalter natürlich gewagt vor. Andererseits ist es aber auch gerade die herrlich unverblümte Art, die dem Buch noch einen zusätzlichen Reiz verleiht – Autoren, die es jedem Achim Schnurrer recht machen wollen, gibt es mittlerweile mehr als genug. Alles in allem jedenfalls eine gelungene Veröffentlichung, die verdammt viel Bock auf eine ordentliche Ladung Schwermetall macht!

– Interview mit Achim Schnurrer – Was ich an Das war Schwermetall – Band 1" erstaunlich finde, ist die Offenheit" Verleger Raymond Martin wird ja öfter sehr scharf kritisiert – hat und Ehrlichkeit. aber trotzdem ein Vorwort beigesteuert ...? Wow! Gab es da im Vorfeld keine Bedenken? Weiß er überhaupt, was im Buch steht, oder hat ihm die Edition Alfons eine Alternativversion geschickt? Nun, Raymond Martin ist ja nicht ganz uneitel. Das heißt, diese Chance dürfte ihn schon gereizt haben. Ihm wurde die Vorablektüre des Textes Seite

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angeboten, er hat aber meines Wissens nur den Anfang gelesen. In einem Parallel-Universum hätte er sicher einen Alternativtext bekommen.

Ihr Buch ist wirklich unheimlich detailliert, es finden sich Infos ohne Ende – wie lang hat die Arbeit an diesem Projekt gedauert? Das Schreiben, Redigieren, Lektorieren etc. hat tatsächlich „nur" sechs Monate intensiver Arbeit gedauert. Allerdings gab es einen längeren Vorlauf, den ich zeitlich nicht mehr so genau überblicke, in dem bereits Vorarbeiten, Recherchen etc. stattfanden.

Wenn man Ihr Buch durchblättert, fallen vor allem die vielen schönen, meist halb- oder auch ganz nackten Frauen auf den Covern der Magazine auf. Darf man daraus schließen, dass die Zielgruppe zu 99 Prozent männlich war? Oder gab es tatsächlich auch weibliche "Schwermetall"-Fans?

Das ist ein größeres Thema, das ich mir für den zweiten und abschließenden Band vorgenommen habe. Dort werde ich auf die Leserschaft, ihre Struktur, die zahlreichen an Pin-ups erinnernden Cover und generell auf die heute ja nicht ganz unheiklen Fragen wie die Sexismus-Vorwürfe, Erotik im Comic, Pornografie im Comic usw. eingehen, soweit sie im weiteren Sinne „Schwermetall" betreffen. Natürlich kann ich nicht dafür garantieren, dass meine Versuche, hier Antworten zu finden, jeden zufriedenstellen werden. Sagen wir's mal so, das ist eher unwahrscheinlich.

Zum Schluss noch etwas ganz anderes: Sie haben 2017 das Buch Schnaps-Führer Fränkische Schweiz" veröffentlicht!" Wie kommt man denn auf so eine (tolle) Idee? Die Arbeit an dem Projekt hat mit Sicherheit großen Spaß gemacht, oder?

Das war ein großes Vergnügen. Besonders die Recherche-Reisen, die ich mit Fotografin Christiane Richter unternommen habe. Das Thema hat mich, seit ich 1980 nach Franken gezogen bin, interessiert, einfach weil es hier vor meiner Haustüre sehr viele kleine Brennereien gibt und in Köln, wo ich herkomme, hauptsächlich Korn getrunken wurde, jedenfalls damals, als ich noch dort gelebt habe. Während man hier in der Fränkischen Schweiz eine kaum überschaubare Vielzahl von Destillaten bekommen kann. Meerettich-Schnaps, um nur einen Exoten zu nennen.

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– Teil 7 –

Von Andreas Kötter

Unvergessene TV-Charaktere

Thomas Magnum ("Magnum") Mit Thomas Magnum, dem Privatdetektiv, hatte ich zunächst so meine Schwierigkeiten. Zwar waren geschmackliche Irrungen und Wirrungen in den 80er Jahren, der Dekade der großartigen Musik und der absurden Mode-Erscheinungen, nicht nur geduldet, sondern sogar gesellschaftsfähig. Aber Schnauzer plus Hot Pants plus ins Kraut schießendes Brusthaar, das war dann doch mehr, als ich ertragen konnte.

Gästehaus und eben jenem Ferrari für den Schriftsteller Robin Masters verwaltete. Trotz der bisweilen verschiedenen Ansichten über gesellschaftliche Konventionen stand Higgins im Zweifelsfall aber doch fest an Magnums Seite. Nicht zuletzt, weil auch er dem Detektiv tief in die treue Seele geblickt hatte. Denn das war Magnum ohne jeden Zweifel, eine treue Seele. Und Magnum hatte (weitere) gute Freunde, nicht zuletzt, weil er diesen selbst ein guter Freund war. Seine „best buddies", das waren der Hubschrauberpilot Theodore „T.C." Calvin und der Nachtclub-Besitzer Orville „Rick" Wright. Zusammengeschweißt durch die gemeinsame Zeit in Vietnam und einen Krieg, der in die Geschichte eingegangen ist als erster, der auch im TV stattgefunden hat, passte zwischen diese drei Männer meist nicht einmal das berühmte Blatt Papier. Nach ihrer Rückkehr hatten sich die Freunde auf Hawaii niedergelassen, um in dieser Bilderbuchidylle das Grauen des Krieges zu vergessen. Dass aber selbst das hawaiianische Aloha, dieses einzigartige Gefühl aus Liebe, Zuneigung, Nächstenliebe, Mitgefühl, Freundlichkeit und Sympathie nicht jeden Schrecken überdecken konnte, auch davon erzählten Magnums Abenteuer. Bisweilen tat sich hinter dem pittoresken Vorhang aus Hawaiihemdenseide und Blumenkränzen ein tiefer Abgrund auf, der die Männer mit ihrer Vergangenheit konfrontierte. Dann konnte die ansonsten eher fröhlich gefärbte Tonalität umkippen in eine dunkle, grüblerische Atmosphäre, in der es nicht nur einmal galt, schmerzliche Verluste zu akzeptieren. Das Wetter mochte zwar stets himmlisch sein auf Hawaii, ein bloßer Schönwetter-Charakter aber war Thomas Magnum nie. Und gerade auch diese Ambiguität machte ihn für mich schließlich doch noch interessant und liebenswert.

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© Pressefotos

Foto: Bildarchiv Hal lhub

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nd vom typischen Hawaiihemd, dem Ausdruck überbordender, wenn auch häufig durch nichts gerechtfertigter Lebensfreude, war noch nicht einmal die Rede. In der Rückschau aber war dieses erste Urteil ein Stück weit wohl meiner Eifersucht geschuldet. Eifersucht, weil dieser Thomas Magnum, gesegnet mit dem Körper einer griechischen Statue (irgendwie erinnerte er mich optisch immer ein wenig an den deutschen Zehnkämpfer Jürgen Hingsen), dank seines Späte-70er-JahrePornodarsteller-Sex-Appeals ungeheuren Schlag bei den Frauen hatte. Zudem verbrachte der Mann seine Lebenszeit dort, wo unsereins damals nicht einmal für ein paar Tage hätte Urlaub machen können: auf Hawaii, dem paradiesischen PazifikEiland, das bekanntlich der 50. Bundesstaat der USA ist. Dass Magnums Zuhause obendrein auf einem Luxusanwesen verortet war und er beinahe, wann immer er wollte, auf einen Ferrari als Dienstwagen zurückgreifen konnte, war nur noch das Tüpfelchen auf dem i meiner Eifersucht. Erst einige Jahre später, und wohl ein paar Jota klüger, begann ich zu verstehen, welch liebenswerter und durchaus vielschichtiger Charakter Thomas Magnum war. Magnum beherrschte seinen Chandler’schen Philip Marlowe aus dem Effeff, ohne aber ein bloßes Plagiat zu geben. Vielmehr paarte er Marlowes toughe Coolness und dessen desillusionierten Existenzialismus mit einer feinen Portion Selbstironie. Er war ein edler Freigeist, ähnlich wie die vielen anderen geliebten oder bewunderten Private Eyes der Kino- und TV-Geschichte wie (Dashiell Hammetts) Sam Spade, wie Jim Rockford oder Frank Cannon. Was Magnum unterschied: Im Gegensatz zu Rockford und Co. konnte er sich dieses Laissez-faire wirklich erlauben. Denn seine besondere (An-)Stellung bewahrte ihn stets davor, von der Hand in den Mund leben zu müssen. Eher schon fanden die wöchentlich abzuarbeitenden Fälle ihn, als dass er sie hätte finden müssen. Ganz ohne Zugeständnisse aber kam auch der Modellathlet nicht aus. So war der Ferrari eben doch nicht immer verfügbar, weil Jonathan Quayle Higgins III, kurz „Higgy" genannt, glaubte, Magnum aus dem einen oder anderen Grund sanktionieren zu müssen. Higgins war ein ebenso prinzipientreuer wie spleeniger Brite, der das Anwesen mit Villa, Pool,

Foto: Bildarchiv Hallhuber

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Der Mann aus Stahl Seit acht Jahrzehnten kämpft Superman in unzähligen Comics, im Kino, Fernsehen und im Radio gegen das Böse. Generationen von Fans weltweit haben ihn dabei begleitet und verfolgen auch heute noch seine Abenteuer. kult! gratuliert zum Jubiläum und fliegt mit dem Mann aus Stahl durch seine spannende Geschichte.

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upermans Schöpfer waren der Autor Jerry Siegel (1914– 1996) und der Zeichner Joe Shuster (1914–1992). Die beiden US-Amerikaner brauchten drei Anläufe zur Entwicklung der Figur. Die erste Version erfand Siegel 1933 für die von Shuster illustrierte Kurzgeschichte „The Reign Of The Superman". Der Protagonist war ein glatzköpfiger Schurke mit telepathischen Fähigkeiten und Weltherrschaftsanspruch. Sie erschien in Siegels Fanzine „Science Fiction". Das floppte jedoch, so dass er und Shuster mit der Story „The Superman" 1934 in den Comic-Markt einsteigen wollten. Darin wurde aus dem Bösewicht ein normaler Haudrauf-Detektiv, ein Held also, der sich als solcher besser verkaufen sollte. Die Verlage winkten jedoch ab.

1935 steuerte der Zeichner Russell Keaton Ideen zur Superman-Story bei und brachte Siegel und Shuster auf die bis heute bestehende Version: Der Planet Krypton explodiert. Um ihren dreijährigen Sohn Kal-El zu retten, senden der Wissenschaftler Jor-El und seine Frau Lara ihn in einer Raumkapsel zur Erde. Sie selbst sterben. Auf der Erde adoptiert das Ehepaar Kent Kal-El und zieht ihn als Clark Kent groß. Der entwickelt Superkräfte und kämpft, nachdem er erwachsen ist, als „Superman – The Man Of Steel" für die Menschheit. Gleichzeitig hat er eine weitere Identität als ängstlicher Reporter. Seine Kollegin Lois Lane ist von Superman hingerissen, Clark Kent interessiert sie aber nicht. Im Laufe der Geschichten werden Lois und Superman dann ein Paar. Als Inspirationen dienten Siegel und Shuster Sagenhelden wie Samson, Herakles, Siegfried oder Robin Hood, Comic-Figuren wie Popeye und Heroen aus Pulp-Magazinen mit übermenschlichen Kräften wie John Carter oder Zorro mit seiner Doppelidentität. Bei den Zeichnungen orientierte sich Joe Shuster an Filmstars wie dem Komiker Harold Lloyd, dem Heldendarsteller Douglas Fairbanks und Kino-Tarzan Johnny Weissmüller. Den muskelbepackten Körper und den Dress übernahm der Zeichner von Kraftathleten, das S-Emblem auf der Brust von Sportlertrikots, den Umhang von Pulp-Magazin-Helden. Diesen Superman boten Siegel und Shuster nun dem Verlag Detective Comics (ab 1940 kurz DC) an. Der sagte zu und brachte die erste Superman-Story in der Nummer eins seiner neuen Reihe „Action Comics" am 18. April 1938 heraus. Sie wurde ein überwältigender

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Verkaufserfolg – wegen Superman, der ab 1939 eine eigene, millionenfach abgesetzte Heftserie bekam und als ComicStrip in Zeitungen erschien. Dazu kamen ab 1940 Radiosendungen, dann im Laufe der Jahre Kino- und TV-Zeichentrickfilme, Bücher, Kino-Realfilme, TV-Real-Serien, Theaterstücke, ein Musical, Videospiele und etliche Merchandising-Produkte. Der Superheld tauchte als Werbefigur auf, in Vergnügungsparks, als Parodie und in Popsongs. Superman avancierte zu einem weltweiten Erfolg, der die Comic-Welt veränderte, denn er begründete das Superhelden-Genre (siehe dazu kult! 2/2017). Er wurde zum Archetypus für alle ihm folgenden Superhelden, von denen einige seine Mitstreiter wurden, wie seit 1941 Batman, ab 1959 seine Cousine Supergirl und seit 1960 das Superhelden-Team „Justice League". Nicht zu vergessen die vielen Supergegner, allen voran seit 1940 der geniale glatzköpfige Schurke Lex Luthor als sein größenwahnsinniger Erzfeind. Gegen sie kämpft Superman mit durch Sonne und Schwerkraft entstandenen Superkräften wie Superstärke, -schnelligkeit, -intelligenz, Flugfähigkeit, (weitgehender) Unverwundbarkeit, Röntgenund Hitzeblick. Seine Schwächen: Magie und das fiktive Mineral Kryptonit, das ihn tötet. Diese Grundzüge blieben bis heute bestehen, obwohl Jerry Siegel und Joe Shusters Nachfolger Superman zeitgemäß veränderten. So startete er 1938 als manchmal todbringender Verbrecherjäger. Doch Ende der 40er Jahre wurde er, um der Zensur wegen zu viel Gewalt zu entgehen, zum freundlichen, selbstlosen, gesetzestreuen Helden, der Todesstrafe, Selbstjustiz und Waffenlobby ablehnt. Er kämpfte im Lauf der Zeit gegen skrupellose Unternehmer und Politiker, den Ku-KluxKlan, Antisemitismus und Rassenhass. Superman wurde zum „All American Hero", den man auch progagandistisch gegen Nazis und die japanische Armee antreten ließ. Im Kalten Krieg erschienen als patriotische Überlegenheitsgesten gegenüber dem Ostblock die amerikanische Flagge und der Weißkopfadler als US-Wappentier auf einigen Covern, und der Held sprach sich für die amerikanische Lebensart aus. Diese konservative Richtung gefiel den vor allem jungen Lesern aber nicht, also verschwanden politische Botschaften seit den 60er Jahren. Übrigblieb Supermans schablonenhafter Kampf gegen Supergegner, bis DC 1986 sein Superhelden-Universum modernisierte und seitdem die Figur komplexer ausformulierte. Superman ist nun ein die Welt rettender Kosmopolit, aggressiver, hat Selbstzweifel und fühlt sich wegen seiner Andersartigkeit als Alien einsam.

„Supermann" in Deutschland

Diese Entwicklung konnten deutsche Comic-Fans nicht vollständig miterleben, weil es dem Mann aus Stahl hierzulande anfangs schwer gemacht wurde. So verboten die Nationalsozialisten SupermanGoodTimes

Comics. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels wetterte 1942: „Superman ist ein Jude!" Er meinte damit, dass dessen Schöpfer beide jüdischen Glaubens waren. Hinzu kam, dass Superman 1940 in einem Comic Hitler und Stalin vor das Weltgericht zerrte und bis 1945 stetig gegen die Nazis kämpfte. Nach Kriegsende versuchte der Supermann Verlag 1950, eine Comic-Reihe mit eben Supermann (deutsch geschrieben) einzuführen. Doch die wurde nach drei Ausgaben mangels Erfolg eingestellt. 1953 brachte der Aller Verlag Supermann in der Comic-Reihe „Buntes Allerlei" unter. Er kam auf das Cover des Heftes, das er sich mit anderen Figuren teilte. Von 1953 (Nr. 42) bis 1954 (Nr. 1–14, 16) war er ohne großen Erfolg dabei und verschwand dann aus dem Comic-Eintopf. Der Grund für den Flop war, dass im westdeutschen Bürgertum der 50er Jahre Comics als Schund galten, der Kinder und Jugendliche kriminell, gewalttätig, dumm und unzüchtig werden ließ. Eine entsprechende „Schmutz und Schund"-Kampagne geriet ins Rollen, Comics wurden verbrannt und ein Verbot gefordert. Ab 1954 überwachte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Sittenwidrigkeit und Gewalt in Comics. Die großen Verlage weigerten sich, Comics herauszubringen. Das übernahmen Kleinverlage, wie der Aller und der Supermann Verlag, deren Marketingkapazitäten aber zu dürftig waren, so dass „Supermann" an den Kiosken verkümmerte. In der DDR erging es ihm ähnlich. Superman war wie alle Comics des kapitalistischen Westens als jugendgefährdender Schund verboten; ein Verbot, das die Comic-Fans aber mit illegal beschafften Heften unterwanderten. Die Lage änderte sich, als die Popkultur Protestjugend der Protest jugend in den 60er Jahren allmählich anerkannt wurde, also auch Comics. So etablierten seit 1966 diverse Verlage Superman (in Originalschreibweise) auf dem westdeutschen Markt: Ehapa (1966–2000), Incos (1971), Nostalgic Comic (1986), Hethke (1989–1992), Carlsen (1989–2000), Dino (1995–2001) und Panini (ab 2001).

80 Jahre Weltenretter

Auch 2018 besitzt Superman in Deutschland Fans wie überall auf der Welt. Er hat alles überlebt, sogar das Schrumpfen des Comic-Marktes zum Nischendasein. Dort kämpft er weiter, hat aber das größte Publikum seit den 2000er Jahren in weltweiten Kinohits (zum Beispiel „Justice League", 2017). Die Gründe für seine Popularität sind unverändert: Superman erfüllt als bekanntester Superheld seit 1938 den Wunsch nach einem Weltenretter – und danach, Kräfte wie er zu haben, um individuelle Probleme bewältigen zu können. Mit anderen Superhelden geht das auch, aber mit keinem so gut wie mit Superman. Er ist nun mal der Stärkste – super eben. 1/2019

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FAN-CLUBS MADE IN GERMANY

Das Internet ist eine unerschöpfliche Quelle an Informationen, ohne die so mancher heute nicht mehr leben kann. Egal, ob man etwas über den letzten Klatsch und Tratsch in Erfahrung bringen möchte oder aber nur schnell nach den Lottozahlen sucht: Man wird fündig. Die Dinosaurier unter uns wissen allerdings nur zu gut: Das war nicht immer so!

Von Marco Frömter

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rinnern wir uns an die Zeiten, als gerade wir in Deutschland ewig auf Filmpremieren warten mussten, die erst durch die FSK geprüft wurden. Auch die Synchronisation von ausländischen Filmen dauerte eine Weile. Fast neun Monate mussten die deutschen Filmfreunde auf das neue Weltraumabenteuer namens „Star Wars" warten. Als im Mai 1977 ganz Amerika auf dem Kopf stand, weil die Leute mit Luke Skywalker im Kino mitfieberten, gab es bei uns höchstens „Raumschiff Enterprise" im Fernsehen zu bestaunen. Auch die Zeitschriften und Rundfunkanstalten hielten den Ball noch ziemlich flach. Denn selbst die Redakteure der einschlägigen Medien hatten noch keinen blassen Schimmer, was da bald über den großen Teich schwappen würde. „Star Wars"-Fans der ersten Stunde hatten es deshalb besonders schwer. Selbst als in der Bundesrepublik endlich Sammelbilder, Comics und Spielwaren zum Thema erschienen, war die Nachfrage nach „mehr" sehr groß. Doch woher nehmen, wenn es nicht einmal etwas zum Stehlen gab? Eine kleine Gruppe von Fans machte es sich also schnell zur Aufgabe, eigene Publikationen zu veröffentliFanzine "Time" – erste chen. Dadurch entstanden sogenann- Ausgabe des ESWFC 1982 te Fanzines (Fan-Magazine), die von Fans für Fans hergestellt wurden. Selbstverständlich nicht offiziell und immer am Rande der (Lizenz-)Legalität. Und: Die deutschen Fans waren hierbei besonders aktiv und fleißig. Von ihrer Kreativität ganz zu schweigen. Es wurden nicht nur Seite

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regelmäßig erscheinende Fanzines gedruckt, sondern auch selbst verfasste Geschichten und Comic-Hefte. Einer der ersten Fan-Clubs überhaupt war German Jedi aus Bochum. Bereits im Dezember 1978 veröffentlichte der Club sein erstes Prachtwerk namens „Corellian Chronicles". Auf 100 Seiten verschrieben sich die Mitglieder einzig und allein einem Thema: „Star Wars" pur. Auch der Club Empire Munich ließ mit seinem „Skyhopper"-Magazin nicht lange auf sich warten. Und die „Star Wars"-Fan-Association mit Sitz im damaligen West-Berlin informierte mit dem „Skywalking"-Magazin allumfassend. Viele Clubs folgten über die Jahre, und das Fantreiben erreichte mit der Premiere von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter" im Jahr 1983 seine absolute Blütezeit. In den renommierten Filmzeitschriften, wie „Cinema" oder der „Ufa Filmillustrierten" wurden Anzeigen geschaltet, um möglichst viele Mitglieder anzuwerben. Was auch gelang. Die deutsche Fanbase war sogar so gut organisiert, dass Lucasfilm 1983 einen offiziellen „Star Wars"-Fan-Club in Deutschland formieren wollte. Aus diversen Gründen kam es aber erst viel später zu diesem Schritt. Die Fanzines waren damals sehr liebevoll gestaltet. An Computer war Fanzine der German Jedi 1978 nicht zu denken, und so opferten die Hobbyredakteure damals jede freie Minute, um an der Schreibmaschine neuen Lesestoff zu tippen. Bildmaterial wurde aus amerikanischen Genremagazinen organisiert, die meist für viel Geld am Bahnhofskiosk zu haben waren. Mit Schere, Kleber, Korrekturband und Tuschestift kümmerte man sich dann wochenlang um ein anschauliches Layout.

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Bis in die späten 90er Jahre waren Fanzines fester Bestandteil des „Star Wars"-Fandoms. Erst der Einzug des Internets hat diese kleinen Kunstwerke vom Markt verdrängt. Übrigens: Aus dem inoffiziellen europäischen „Star Wars"-FanClub aus Augsburg wurde 1995 der durch Lucasfilm anerkannte „Offizielle Star Wars Fan-Club". Und dort werden heute noch Magazine gemacht, trotz Internet.

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Star Wars" Lexikon und Han Solos Abenteuer made in Germany" "

Ein Jahr, nachdem „Die Rückkehr der Jedi-Ritter" über die Leinwände geflimmert war, ließ die erste „Star Wars"-Trilogie eine Vielzahl an Abkürzungen, Namen und Begriffen zurück, denen mit irdischen Erklärungen kaum gerecht zu werden war. Fachmänner waren also gefragt – und die saßen im Fan-Club. Es gab viele Begriffe zu erklären: wie AT-AT, T-16 und Dutzende fiktionaler Namen. Was lag also näher, als ein „Star Wars"-Lexikon zu verfassen? Den Anstoß hierfür gab letztendlich Knud Kindler, der sich zusammen mit Andreas Lipka an die Arbeit machte und Hunderte von „Star Wars"-Begriffen sammelte. Damit war es natürlich nicht getan, denn diese Begriffe mussten auch erläutert werden. Ein Malheur machte ihnen obendrein einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Als die Hobbyredakteure wieder einmal den Bleistift spitzten und am Lexikon arbeiten wollten, waren alle Unterlagen plötzlich spurlos verschwunden. 200 Begriffe gehörten damit der Geschichte an, da diese versehentlich ihren Weg in den Papierkorb gefunden hatten. Jetzt hieß es schnell reagieren und noch einmal anfangen. Das Resultat war gigantisch, denn nun brachten die Schreiberlinge gut 800 Begriffe zu Papier, wovon es letztendlich 600 in das Endprodukt schafften. Die Sache hatte nur noch einen Haken: Die Begriffe waren nicht alphabetisch sortiert. Zum Glück war man 1984

Sonderband Han Solo Comic

nicht mehr ganz EDV-los, und so wurde ein kleines Programm gebastelt, welches die ungeordneten Daten binnen einer langen Nacht sortierte. Danach sind die Begriffe innerhalb der Fan-Redaktion verteilt worden, und der ErklärungsMarathon konnte beginnen. Nach dem Weihnachtsfest wurde mit dem Layout der einzelnen Seiten begonnen, so dass im darauffolgenden Januar schon 400 Exemplare verschickt werden konnten. Ein weiterer Meilenstein in der Reihe „FandomSonderbände" ist zweifelsohne der Comic-Band „Han Solo und der Schatz von Bandaru". Dieser selbst " und "Star Wars -Lexikon gezeichnete Comic entstand frei nach Achim Dörr. Acht Jubiläumsausgabe Europ. SW Fan Club D-Mark kostete das 40-seitige Werk, das als zweiter Sonderband auf das „Star Wars"-Lexikon folgte. Dabei begleiteten die Leser den Raumschmuggler Han Solo und seinen Co-Piloten Chewbacca fernab der Filme. Die beiden hatten in dieser Geschichte ernsthafte Probleme und machten sich Gedanken, wie sie aus ihrer Misere herauskommen könnten. Schließlich musste das „Star Wars"-Duo schnellstmöglich die Raumhafengebühren begleichen. Durch Zufall stießen die beiden Piraten auf eine heiße Spur, die zu einem Schatz führte. In diesem Abenteuer gesellte sich dann auch noch eine junge Lady zu Han und Chewbacca. Das Trio war perfekt. Zwei weitere ESWFCFanzine Europ. SWFC 1984 Sonderbände haben im Rahmen des deutschen Fantreibens ebenfalls Geschichte geschrieben. Die Rede ist vom ersten Storyband „Rebellen Antragsformular des Odyssee" von Banshee Offiziellen Deutschen Star-Wars-Fan-Club C’ay, der hierfür nicht nur die Idee und den Text lieferte, sondern auch die Illustrationen. Die Geschichte des 80-seitigen Romans beginnt relativ zeitnah zum Ende von „Krieg der Sterne" (Episode IV) hin: Der Todesstern ist vernichtet, doch die Rebellen erkennen sehr schnell, dass sich das Imperium diesen vernichtenden Schlag nicht sehr lange gefallen lassen würde ... Diese und viele andere Relikte der aktiven deutFanzine "Skyhopper" München schen Fan-Club-Zeiten sind heute leider nur noch sehr 1982 schwer zu bekommen – und wenn doch einmal etwas auftaucht, wird es nicht billig!

Sonderband Han Solo Comic Innenteil

Sonderband Stories

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Traumfrauen der 70 er Jahre

Ein Fest fur Auge und Herz Sie waren Freuden unserer Jugend, verdrehten massenhaft Männern und auch Frauen den Kopf durch Ausstrahlung, Aussehen, Mode, Wesen, Haltung und Persönlichkeit und spiegelten den Zeitgeist wider oder gingen ihm ein Stück weit voraus. Blicken wir zurück auf Augenweiden, die uns in den 70er Jahren zum Schmelzen brachten.

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rühe Tode können dem Nachruhm förderlich sein, erfreulicherweise muss das Ableben nicht unbedingt real stattfinden. Gleich zu Beginn der 70er Jahre rührte das Kinopublikum ein Film zu Tränenströmen, der zuerst eine hoffnungsvolle, amüsante Liebesgeschichte und anschließend ihr sinnloses Ende erzählte. Auch Männerherzen brachen reihenweise, denn in „Love Story" trennt der Tod die Liebenden, und das ist umso schlimmer, als Ali MacGraw die Rolle der sterbenden Jennifer Cavalleri mit solcher Anmut und Sanftheit, zugleich aber auch mit Biss und erotischer Ausstrahlung spielt, dass die Absurdität ihres Endes umso stärker wirkt. Glücklicherweise trennten sich Rolle und Schauspielerin in ihrem Schicksal, und so verkörperte Ali MacGraw wenig später die hinreißend attraktive, selbstbewusste Brünette in einem weiteren Kinohit, Sam Peckinpahs „Getaway". Ali MacGraw

Zu dieser Zeit lief auch die Schauspielerin Geneviève Bujold zu großer Form und internationaler Bekanntheit auf. Sie entging u.a. 1974 einem (Film-) „Erdbeben", feierte als „Schwarzer Engel" (1976) Wiederauferstehung, fand sich im Thriller „Coma" (1978) über illegalen Organhandel unter Leichen wieder und bezauberte in jeglicher Rolle und Bedrängnis sowohl durch schauspielerisches Können wie auch durch ihre grazile, rehäugige Schönheit und eine sensibel-liebenswerte Persönlichkeit, in der sich Verletzlichkeit und Energie harmonisch vereinten. Geneviève Bujold

Die Siebziger waren ein ausgesprochen freies Jahrzehnt, die Errungenschaften der dynamischen 60er Jahre wurden in konkrete Verbesserungen gemünzt. So frei wie die Zeit war, so gern verschenkte sich das jugendliche, elastische Herz. Die Serie „Eine amerikanische Familie" sah man sich eigentlich nur wegen der charmanten Blondine Meredith BaxterBirney an und war enttäuscht, wenn sie in Episoden gar nicht vorkam – was leider recht häufig geschah. Der beste Grund, die amerikanische Sitcom „Drei Mädchen und drei Jungen" zu gucken, war der, Maureen McCormick als Marcia Brady immer schöner und erwachsen werden zu sehen. Und zur Riege der attraktiven Blondinen zählten in der zweiten Hälfte der 70er Jahre auch zwei Popstars mit unterschiedlichen Ausrichtungen: zurückhaltend AbbaGirl Agnetha und später Debbie Harry, die nicht nur ein Herz aus Glas Seite

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Britt Ekland

zeigte, sondern bewusst auch erotische Attribute. Waren die 60er Jahre ein Triumph der natürlichen, unbeküm unbeküm-merten Sexyness, so wurde vor allem in den späten Siebzigern mit den Mitteln der Verführung provozierend und ausgebuff ausgebuffter gespielt. Und in Deutschland? In den letzten Wochen des Jahres 1969 konnte man in einem Kinofilm sehen, wie ein gesetzter Herr in stau- Meredith Baxter-Birney nender Bewunderung das Erblühen einer jungen Schönheit miterlebte – und der Zuschauer teilte seine Faszination. Es war nicht die erste Rolle von Susanne Uhlen, die in Wolfgang Liebeneiners Bestsellerverfilmung „Wenn süß das Mondlicht auf den Hügeln schläft" die junge Mädchenblüte spielte, wohl aber die erste, die den Liebreiz zur Geltung brachte, mit dem sie etliche Filme und Fernsehfilme der 70er Jahre veredeln würde. Wann immer es galt, von junger Schönheit und romantisch-großer Liebe zu erzählen, lag ihre Besetzung auf der Hand. Monika Lundi fiel zunächst als Model in Werbe-Anzeigen und danach in Fernsehfilmen und -serien auf. Und Maureen McCormick schon in ihren frühen Rollen sah die junge Iris

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Berben nicht nur gut aus, sondern personifizierte in Stil, Freiheitsdrang und Klamotten die Coolness dieser Zeit. Nastassja Kinski riss in der Rolle einer 17-jährigen Schülerin, die sich in ihren Lehrer verliebverlieb te, 1977 in der „Tatort"-Folge „Reifezeugnis" mit, sie wurde ihr Sprungbrett auf dem Weg zum internationalen Debbie Harry Star. Dazu, dass diese Folge ein solch fabelhaftes Prunkstück der Reihe wurde, trug allerdings auch Judy Winter bei, deren Charme und Spiel sie zu einer der gefragtesten Schauspielerinnen des Jahrzehnts machten. Susanne Uhlen

ist es besonders charmant und willig, kann es für den männ männlichen Helden in Sachen Überleben eng werden (aus nahelie naheliegenden Gründen mehr aber auch nicht). Britt Ekland, Jane Seymour, Maud Adams, Barbara Bach, Lois Chiles – die Reihe der 70er-Jahre-Bond-Girls liest sich wie ein Who is who charismati charismatischer Frauen. Als BeziehungsWellness-Traum ist das BondGirl natürlich zwiespältig, denn nie kann man sicher sein: Ist es Freund oder Feind? Unerschrockene Popstars ließen sich nicht abschrecken und angelten Britt Ekland und Rod Stewart sich Bond-Girls für Zuhause, Britt Ekland wurde Rod Stewarts langjährige Begleiterin, und Ringo Starr fand in Barbara Bach seine Traumfrau.

© ZDF

In dieser Zeit, in der man sich Apropos gefährliche Frauen: Gegen Ende der 70er Jahre neben anderen zeigte das ZDF drei Schönheiten als Detektivinnen auf Bevormundungen Verbrecherjagd. Den männlichen Protagonisten, den auch vom Diktat der der Titel der Fernsehserie – „Drei Engel für Charlie" Mode emanzipierte, – vermuten lässt, wurde eine ganz "Drei Engel für Charlie" gab es zwar nicht, andere, eigene Welt zur Modewelle. Die 70er und frühen dafür aber leuchte leuchte80er Jahre waren die Blütezeit des Fotografen David te die Präsenz der Hamilton. Seine verklärten Bilder von jungen, schönen, Engelchen umso der Welt sinnlich-sinnend Monika Lundi Agnetha Fältskog mehr. Man wäre entrückten Frauen voll gerne zum Verbrecher geworden, unschuldiger und romantischer Sinnlichkeit um sich von ihnen jagen zu lasüberschwemmten in Form von Postern, sen, wenn man nicht zu jung Kalendern, Postkarten, Büchern und gewesen wäre. Zeitschriftenbildstrecken Iris Berben Zwar wurde in Riesenauflagen förm förmmehr Geld für die Mode der Heldinnen ausgege ausgegelich das ganze Land. ben als für die Drehbücher (was man auch merkt), Seine sanft-ätherischen doch die ungemeine Strahlkraft vor allem von Schönheiten bildeten Farrah Fawcett-Majors, aber auch Kate Jackson einen eigenen Traum Traumund Jaclyn Smith, ließ die Serie sowohl in den USA frauen-Typus und schie schiewie auch international zum Erfolg werden. Die nen nicht von dieser Welt zu stammen. Hamiltons US-Produzenten erzählten später allerdings gerne, typischer Weichzeichnereffekt war ein damals wie schwierig es war, die Fernsehanstalten vom neues künstlerisches Ausdrucksmittel, das durch Konzept der Serie zu überzeugen. „Drei Frauen? den Erfolg und die Verbreitung seiner Bilder freiAber wer soll die denn retten, wenn sie in Gefahr lich rasend schnell zum Massenphänomen unter sind?" Antwort: „Das machen sie selbst." Angeblich Hobbyfotografen wurde. Die Hamilton-Welle erreichwar das Mitte der Siebziger für den Mainstream noch te ihren Zenith (und überschritt diesen zugleich), als hochverwegen und erntete regelmäßig Verwirrung er seine Ästhetik auch auf Filme wie „Bilitis" (1977), beim Gegenüber: „Das geht doch nicht." „Die Geschichte der Laura M." (1979) oder Zumindest nicht, wenn man das Rollenbild der Männer aus dem Film „Zärtliche Cousinen" „Die Frauen von Stepford” hat. Eine der attraktivsten Schauspielerinnen (1980) übertrug. der Spät-60er und -70er Jahre, Katherine Ross, Die Filme benötig benötigbegegnete darin bereits 1975 der Vision der ten so etwas wie Traumfrauen der Zukunft: In schrecklichem Erzählhandlung, und Thrill sieht sie sich einer Roboter-Version ihrer diese brachte das selbst gegenüber – die Augen zwar tot und lebästhetische Feenreich los, der Rest freilich lebensecht und anziehend. doch immer wieder Nastassja Kinski in "Reifezeugnis" Das Handlungsmotiv: Männer leben in einer idyl idylrecht holpernd auf lischen Welt und ersetzen den Boden unserer bekannten Realität zurück Fotografie von David Hamilton ihre Frauen durch dienst dienstund geriet gefährlich in das Fahrwasser nur mehr barere künstliche Modelle. Katherine Ross leicht kultivierter Softsex-Klischees. Damals eine kühne Science-Fiction-Spekulation, bald in greifbare Nähe gerückt. Ewig jung, In den 70er Jahren wurde man auch auf eine makellos schön, anschmiegsam, willenlos und andere besonders anziehende Spezies Frau auf– chipgesteuert, das ist sie, die Traumfrau der merksam, die es zwar schon vorher gab, die jedoch Zukunft. Dank modernster Technik können wir erst jetzt, nach etlichen Filmproduktionen, als uns also in nicht allzu ferner Zeit zumindest das eigene, in der Ausgestaltung vielfältige Gattung Äußere unserer Traumfrauen nach Hause holen: erkannt werden konnte: das Bond-Girl. Eine „Ich hätte gerne einmal Geneviève Bujold und exzellente Verlockung als Gespielin, ist es freilich zweimal Susanne Uhlen, für mich und einen Freund. Einmal bitte als nicht selten auch eine gefährliche Rivalin, es changiert in der ganzen Geschenk einpacken." Michael Klein Bandbreite zwischen attraktiv-erotisch und leibhaftig-gefährlich und GoodTimes

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Dinner For One The same procedure " as every year." Dieser Satz erinnert unwillkürlich an einen 90. Geburtstag – den wohl bekanntesten und populärs ten 90. der Filmgeschichte. Der elfminütige Sketch des englischen Komikers Freddie Frinton und seiner Partnerin May Warden verzaubert viele Menschen seit 1963, und das nicht nur an Silvester, da aber irgendwie besonders! Von Markus Nöth

Alle Jahre gerne wieder! G

enaugenommen feiert „Dinner For One" ja schon bald seinen 100. Geburtstag, denn Laurie Wylie (†1951) hatte das Stück bereits in den 1920er Jahren geschrieben. Auf die Bühne kam es jedoch erst Jahrzehnte später. 1948 feierte es im Londoner Theater Duke Of Yorks offiziell Premiere, in Deutschland erst 1963. Doch das vom NDR aufgezeichnete Stück entwickelte sich erst einmal zum Ladenhüter, bis es ab 1972 ins S i l ve s t e r p ro g ra m m übernommen wurde. Seitdem gehört der Schwarzweiß-Spaß für viele irgendwie zum alljährlichen Ritual am 31.12. Und selbst die obligatorische Neujahrsansprache kann da in der Zuschauergunst nicht mithalten – 1997 sahen mehr Deutsche den Sketch (insgesamt 11,93 Millionen) als die traditionelle Neujahrsansprache von Kanzler Helmut Kohl.

Sherry, Weißwein, Champagner und Portwein. James nimmt seine Rolle sehr ernst und trinkt alle Gläser bei jeder Servierrunde pflichtbewusst aus, was jedoch auf Kosten seiner würdevollen Haltung geht. Die unzähligen Varianten seines Einschenkens gipfeln nach mehr oder weniger 15 ausgetrunkenen Gläsern (in zehn Minuten!) mit einer Blumenvase und dem Spruch: „I will kill that cat." Die „dritte" Hauptrolle bei „Dinner For One" spielt ohne Zweifel das ausgelegte Tigerfell. James stolpert insgesamt elfmal über dessen Kopf – und als zusätzliche Pointe läuft er einmal sogar komplett daran vorbei. Unvergessen auch der grazile Sprung übers Fell am Schluss des Films. Apropos Tiger: In der Originalfassung war dieser Gag noch gar nicht existent. Erst als Frinton eines Tages im Rahmen einer Theateraufführung über eine Requisite stolperte und sich das Publikum dabei halb tot lachte, wurde er dauerhaft eingebaut.

The same procedure as every year!

Die Story – und jede einzelne Szene – hat sich in den Köpfen eingenistet wie wohl keine andere Klamotte, und trotzdem will man sie immer und immer wieder sehen. Und darum geht’s: May Warden (†1978) als Miss Sophie feiert ihren 90. Geburtstag und hat dazu vier ihrer Freunde eingeladen: Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy und Mr. Winterbottom. Da alle bereits das Zeitliche gesegnet haben, übernimmt Freddie Frinton (†1968) als Butler James ihre Rollen. Zum Essen gibt es Mulligatawny-Suppe, Schellfisch, Hühnchen und Obst zum Nachtisch – dazu ausgewählte Getränke: Seite

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Doch wer waren May Warden und Freddie Frinton? Warden wurde 1891 in Leeds als Tochter eines fahrenden Schauspielers geboren. Da die Familie durch den Beruf des Vaters zeitlebens keinen festen Wohnsitz hatte, konnte sie nie eine Schule besuchen. 1915 heiratete Warden den Komiker Silvester Stewart. Ihre gemeinsame Tochter Audrey ehelichte ebenfalls einen Künstler, Len Howe, und führte mit ihm in den 1950er Jahren

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„Dinner For One" auf. 1954 übernahm Freddie Frinton dann den Part von Howe, und Audrey überließ ihrer Mutter die Rolle von Miss Sophie. May Warden starb 1978 im Alter von 87 Jahren.

Frinton hingegen kam 1909 in England als uneheliches Kind einer Näherin zur Welt und musste schon als 14-Jähriger in einer Fischfabrik schuften. Die Arbeit war so eintönig, dass er seine Kollegen mit Parodien unterhielt und prompt gefeuert wurde: der Startschuss für seine Karriere als Sänger und Komiker. Neben „Dinner For One" wurde Frinton dank der 40-teiligen Serie „Meet The Wife" zum britischen Fernsehstar. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere jedoch erlitt er 1968 einen Herzinfarkt und starb im Alter von nur 59 Jahren.

1968 war eine Farbaufzeichnung des Sketches geplant, die aufgrund des plötzlichen Todes Frintons jedoch nicht mehr realisiert werden konnte. 1988 schaffte es „Dinner For One" dafür auch in Schwarz-weiß ins Guinness-Buch der Rekorde, als die am weltweit häufigsten wiederholte TV-Produktion. Und den geringsten Zuschaueranteil dürften dabei ausgerechnet die Briten haben! Denn in England, wo das Stück das Licht der Welt erblickte, kennt es bis heute kaum jemand. Dafür ist es in Ländern wie der Schweiz, Österreich, Finnland, Norwegen, Schweden, Südafrika, Estland, Australien, Dänemark und Luxemburg ähnlich wie hier DAS Kult-Ereignis am Silvesterabend. Die Schweden störten sich jedoch zunächst am übermäßigen Alkoholkonsum im Stück, und die Ausstrahlung im heimischen TV war daraufhin für ganze sechs Jahre verboten. Erst 1969 wurde es freigegeben und das, obwohl in den 15 Bechern natürlich nur Saft war. Die im Hintergrund besonders laut zu vernehmenden Lacher gehören übrigens der NDR-Mitarbeiterin Sonja Göth. Sie bekam während der Aufzeichnung des Sketches einen Lachanfall und ist seitdem quasi Teil der Geschichte. Frinton selbst soll sich „witzigerweise" während der Aufführung von dem Lachen gestört gefühlt haben. Vielleicht verging ihm die gute Laune ja aber auch im Hinblick auf die „Höhe" der Gage – denn Frinton und Warden erhielten für ihren Auftritt exakt 4150 DM. Tantiemen für Wiederholungen indes wurden nicht vereinbart, das war damals noch nicht üblich. Sonderbriefmarke zum 50-jährigen Jubiläum

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HEINO

The Godfather Of Haselnuss Einer der bekanntesten, markantesten, imageträchtigsten, schillerndsten und garantiert überaus kontrovers behandelten Sänger Deutschlands feiert am 13. Dezember seinen 80. Geburtstag: Heino. Der Mann bietet jede Menge Reibungsflächen: Für die einen ist er unangreifbare Kult-Figur, Figur, einer der originärsten deutschen Schlagerstars aller Zeiten, gerade mit all den Häutungen, die er im Laufe seiner etliche Jahrzehnte dauernden Karriere durchgemacht hat. Von Michael Fuchs-Gamböck

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übertrieben. Etwa auf dem 1980 erschienenen Doppelalbum DIE ür jemanden wie HipHop-Star Jan Delay hingegen ist der Entertainer SCHÖNSTEN DEUTSCHEN HEIMAT- UND VATERLANDSLIEDER, schlicht ein „Nazi". Zumindest hat er Heino in einem Interview mit das auch Stücke enthält, die im „Liederbuch der SS" standen. Heino der österreichischen Zeitung „Die Presse" im April 2014 genau so betiverwies nach medialen Angriffen darauf, dass jede von ihm intotelt. Was der Hamburger Schnodder-Schnauze eine Anzeige einbrachte: nierte Komposition der Prüfung von Historikern standgehalten habe Delay wurde dann in dem außergerichtlich gelösten Rechtsstreit zu und einige davon durch die Nationalsozialisten missbraucht worden Schadensersatz in Höhe von 20.000 Euro verdonnert. seien. „Was kann eine schöne Weise dafür, wenn sie von den falschen Jan Delay zahlte die Strafe zähneknirschend. Und völlig zu Recht. Menschen gesungen wird", gab er zu bedenken. Denn ganz offensichtlich hat er diese Ikone namens Heino und ihren Dass Heino definitiv kein grimmiger Rechter ist, stattdessen ein Habitus nicht verstanden. Heino ist vielschichtig. Trotz seiner vorderMensch mit hohem Humor-Potenzial, hat er mehrfach bewiesen. So gründigen Offenheit letztlich undurchdringlich. Man muss sich dazu goutierte er den Fake-Auftritt seiner Person in der Komödie von nur den Schlingerkurs seiner Karriere (und seiner in der Öffentlichkeit „Otto. Der Film", in dem Otto Waalkes sein "Schwarzbraun ist die begangenen „Taten") vor Augen führen. Haselnuss" zum Beat von Michael Jacksons "Thriller" Geboren in Düsseldorf, absolvierte Heinz-Georg parodierte. Und in der ARD-Satire „Willkommen bei Kramm, so sein bürgerlicher Name, bereits ab dem den Honeckers" aus dem Jahr 2017 hatte er einen kur13. Lebensjahr eine Handwerkslehre zum Bäcker und zen Cameo-Auftritt, in dem er sich selbst persiflierte. Konditor. Mit Erfolg, er bekam nach Abschluss der Überhaupt scheint der Mann mit zunehmendem Lehre den Gesellenbrief ausgehändigt. Daneben brannAlter an Humorwürze zu gewinnen. 2013 erschien te Heino stets für die Musik. 1961 stieg er zum ersten das Album MIT FREUNDLICHEN GRÜSSEN, das Mal auf eine Bühne, mit dem Trio OK Singers. So gut zwölf Coverversionen bekannter deutschsprawie keine Resonanz gab es auf diese Combo, trotz chiger Pop-, HipHop- und Rockstücke enthält. Es publizierter Schallplatte 1965. Im selben Jahr allerdings enterte die Nummer 1 der Charts. Im selben Jahr wendete sich das Blatt, nachdem Heino mit seiner war Heino Überraschungsgast des Metal-Festivals damaligen Gruppe Comedien Terzett anlässlich einer „Wacken Open Air", gab auf der Bühne ein Duett mit Modenschau vom legendären Sänger, Komponisten Schlagergötter unter sich: Heino & Rammstein. Apropos Rammstein: Heinos nächstes und Produzenten Ralf Bendix entdeckt wurde, der ihn Wolfgang Petry 2018 Werk, SCHWARZ BLÜHT DER ENZIAN, bei dem er im Anschluss zwei Dekaden lang unter seine Fittiche seine eigenen frühen Hits im brachialen Metal-Stil neu interpretierte, nahm. In jener Ära entstanden Evergreens wie "Jenseits des Tales", nahm starke Soundanleihen bei den Schock-Rockern. "Schwarzbraun ist die Haselnuss" oder "Blau blüht der Enzian". Ende November erscheint UND TSCHÜSS: Wie der Titel verrät, soll es In dieser Zeit wurde Heino auch zum optischen Markenzeichen. Heinos Abschiedsalbum sein, gepaart mit einer Tournee im Frühjahr Bei ihm war auf Grund seiner hervortretenden Augen die Krankheit 2019. Auch diese Platte hat es wieder faustdick hinter den Ohren: Morbus Basedow diagnostiziert worden. Was zur Folge hatte, dass Zu hören gibt es etwa Covers von Xavier Naidoos "Dieser Weg" oder Heino seither eine sehr dunkle, das Licht extrem absorRammsteins "Engel", den Brecht/Weill-Klassiker "Mack The Knife" bierende Sonnenbrille in der Öffentlichkeit tragen oder Trios "Da Da Da". Und schließlich noch das Duett "Ich atme" mit muss. Glück im Unglück für den Mann, dass exakt Schlagerkönig Wolfgang Petry. Jedes Lied im mittlerweile ikonenhafdieses überdimensionale Accessoire bis heute als sein ten „neuen" Heino-Stil. Markenzeichen für die Ewigkeit taugt, neben der Der Unverwüstliche mit der Sonnenbrille und der markanten Frisur: semmelblonden Frisur, von der Heino all die Dekaden auch nach bald 60 Jahren Bühnenpräsenz und mehr über niemals abgelassen hat. als 60 Millionen verkauften Tonträgern voller Witz, Heino steht zu seinem Faible für Volkslieder, Saft und Kraft. Mal schauen, ob er sich mit UND verpackt ins Gewand der Schlagermusik. TSCHÜSS tatsächlich selbst in Rente schickt. Oder Gelegentlich hat er es allerdings mit dem vielleicht ja doch unsterblich ist …? darin teilweise enthalten Nationalstolz auch Seite

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„I'm a poor lonesome cowboy and a long way from home ...” Von Horst Berner

in Paris Mit mehr als 300 Millionen verkauften Alben und Übersetzungen in 29 Sprachen zählt die 1946 vom belgischen Comic-Künstler Morris (1923–2001) kreierte Serie „Lucky Luke“ – die René Goscinny (1926–1977) einst mit extravaganten Szenarien veredelte – als ein Megaseller des Genres. Neue Geschichten mit dem glorreichen Westernhelden zeichnet bereits seit 2003 der Franzose Hervé Darmenton alias Achdé (*1961) nach Textvorlagen diverser Autoren. Wie es scheint, hat er nun mit Landsmann Jul (*1974) einen Partner an seiner Seite, der mit ausgefallenen Ideen das gute alte „Lucky Luke“-Feeling wieder aufleben lässt.

© Lucky Comics / © Egmont Ehapa Media GmbH

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n der Serie, deren deutsche Ausgabe bei Egmont Ehapa Achdé gegenwärtig 82 von 15 bis 96 durchnummerierte Bände umfasst, hat Jul, der mit bürgerlichem Namen Julien Berjaut heißt, bisher jedoch nur eine Story verfasst. Allerdings ließ er mit dem 2017 veröffentlichten, höchst amüsanten Abenteuer „Das gelobte Land" sein Können und Einfühlungsvermögen in das illustre Wild-West-Universum gewaltig auf- Jul blitzen. Von ungefähr kommt das nicht, denn Jul machte in Frankreich schon früh als Cartoonist, Autor und Comic-Zeichner von sich reden. Sein Album „Le Guide du moutard pour survivre à 9 mois de grossesse" wurde 2007 mit dem Prix René Goscinny ausgezeichnet, während seine Erfolgsserie „Silex and the City" seit September 2012 auch in dreiminütigen Trickfilm-Adaptionen im Programm von Arte läuft. Vom Erzähltalent Juls, der vor Jean-Yves Ferri (*1959) als möglicher Szenarist für „Asterix" gehandelt wurde, profitiert aber nicht nur die Serie „Lucky Luke", sondern auch Achdé, der sich im erwähnten Album routiniert und in bester Zeichenlaune präsentiert. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den neuen „Lucky Luke", der am 8. November 2018 als Band 97 in den Handel kommt und „Ein Cowboy in Paris" betitelt ist (Ein Schelm, wer dabei an Vincente Minnellis Musicalfilm „Ein Amerikaner in Paris" aus dem Jahr 1951 denkt).

Das erste gemeinsame Album von Jul und Achdé

Der einsame Cowboy kreuzt darin die Wege des französischen Bildhauers Frédéric-Auguste Bartholdi (1834– 1904), dessen bekanntestes Werk die Freiheitsstatue zum 100-jähGoodTimes

rigen Jubiläum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1876 auf Liberty Island ist. Eingeweiht wurde die Gedenkstätte zwar erst am 28. Oktober 1886, nachdem etliche Hindernisse, darunter Geldmangel, überwunden werden mussten, aber wo ein Lucky Luke ist, da ist auch ein Weg. So sehen es jedenfalls Jul und Achdé in ihrem humorvollen Comic, der den untadeligen Westernhelden erstmals auf Das neue Abenteuer den europäischen Kontinent führt von „Lucky Luke“ und in Paris agieren lässt. Dort wurde die kolossale Statue einst im Sommer 1884 montiert, und dann, zerlegt und verpackt in 200 Kisten, an Bord eines Schiffes als Geschenk des französischen Volkes an ihren Zielort befördert. „Ein Cowboy Mon Dieu! Bartholdi, Luke und Jolly Jumper kommen am Bahnhof Saint-Lazare in Paris an in Paris" rankt sich einmal mehr mit einem Augenzwinkern um ein historisches Ereignis – ein seit Goscinnys Tagen typisches und gern gesehenes Motiv in der Serie – und spult das Geschehen aus dem ironischen Blickwinkel des Mannes ab, der bekanntlich schneller schießt als sein Schatten. Dazu kommen, quasi als Zugabe, Begegnungen mit Ingenieur Gustave Eiffel, dem impressionistischen Maler Claude Monet, dem Schriftsteller Victor Hugo und sogar Gustave Flauberts Romanfigur Madame Bovary. Fürwahr eine irre Westernkomödie, die die beiden Autoren da ausgebrütet haben. Kurz gesagt: erstklassige Unterhaltungsliteratur!

Noch mehr Lektüre: Jubiläums-Bildband „Auf den Spuren von Lucky Luke“ (2016), Band 28 der „Gesamtausgabe“ (2018) und für Neuleser der Sammelband „Die Männer, die versuchten, Lucky Luke zu erschießen“ (2018) 1/2019

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BOBBY FISCHER Von Jörg Palitzsch

Präzise wie eine Schachuhr Vor 75 Jahren kam Robert James "Bobby" Fischer in Chicago, Illinois, zur Welt. Mit sechs Jahren brachte er sich das Schachspielen selbst bei, 1972 entriss der 30-Jährige dem russischen Weltmeister Boris Spasski die Schachkrone. Damit wurde Fischer zu einem Teil der globalen Popkultur.

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obby Fischer war verrückt – verrückt auf das Spiel mit den 16 weißen und 16 schwarzen Figuren. Er ordnete schon in jungen Jahren alles dem Schachspiel unter und sorgte für Aufsehen. Carmine Nigro, Präsident des Brooklyn Chess Club, wird auf den erst Achtjährigen aufmerksam und lädt ihn ein, im Club zu spielen. Damit waren die Grundlagen für seinen kometenhaften Aufstieg gelegt. 1957 siegte der 14-Jährige bei der US-JuniorenMeisterschaft, nur ein Jahr später wurde er der jüngste amerikanische Schachmeister. Der schlaksige Teenager war nicht nur kampfeslustig, er wollte mehr. „Am wohlsten fühle ich mich, wenn ich sehe, wie sich mein Gegner im Todeskampf windet", verkündete er selbstbewusst in der „Bob Hope Show". In den Zeiten des amerikanischen Antikommunismus war der Gegner eindeutig ausgemacht. Als Fischer 1962 bei einem Kandidatenturnier in Curacao Vierter hinter den Sowjets Tigran Petrosjan, Paul Keres und Efim Geller wurde, kannte die Verachtung des 19-Jährigen keine Grenzen. Seite

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Er bezichtigte das Trio in einem Artikel für „Sports Illustrated" der Absprache und schimpfte: „Eher den Tod, als gegen einen Russen zu verlieren." Für Bobby Fischer wurde Schach Krieg auf dem Brett, er spielte ohne Fehler, schnörkellos und mit aggressiver Eleganz. Schon früh hatte Fischer Marken gesetzt, die seinen Ruf als Schachmaschine untermauerten. Ab 1959 widmete er sich ganz dem Spiel und verließ die Schule ohne Abschluss. 1960 erzielte er bei der Schach-Olympiade in Leipzig am 1. Brett das beste Ergebnis, drei Jahre später verzichtete er allerdings auf eine Teilnahme an den Qualifikationsturnieren zur Weltmeisterschaft. Dann tauchte er nochmals beim Interzonenturnier im tunesischen Sousse auf und lag dort in Führung. Dies war ihm allerdings egal: Nach Streitigkeiten mit dem Veranstalter reiste er wieder ab. Von 1968 bis 1970 zog sich Fischer ganz vom Turnierschach zurück. Was wie ein Abschied wirkt, kann auch als schöpferische Pause gedeutet werden. Bobby Fischer stand noch vor seinem größten Erfolg: Der US-Amerikaner war als Schachspieler auf dem Weg, zu so etwas zu werden wie Elvis Presley für die Fans des Rock'n'Roll. 1970 betrat Fischer die internationale Schach-

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die Teilnahme an dem Match bat und bühne wieder, stärker als je zuvor. Er nahm am Wettkampf der britische Millionär Jim Slater das „UdSSR gegen den Rest der Welt" in Belgrad teil und Preisgeld deutlich erhöhte, reiste der Amerikaner an. besiegte Ex-Weltmeister Petrosjan deutlich mit 3:1. Dem Die erste Partie begann am 11. Juli. Boris Spasski machte schloss sich kurz danach in Palma de Mallorca der Sieg beim mit Weiß seinen ersten Zug, und die ganze Welt blickte Interzonenturnier an. Fischer spielte ab Anfang der 1970er gebannt nach Reykjavik. Bobby Fischer kam zehn Minuten Jahre das beste Schach seiner Laufbahn, er hatte nur ein später, um seinen Antwortzug mit Schwarz auszuführen. Ziel vor Augen: die Tabellen anzuführen. Die Klarheit seiner Er verlor die Partie, und die folgenden Begegnungen waren Partien, seine Wachsamkeit, sein Blick für komplexe Stellungen im Vorfeld von den Protesten und sein ausgeprägter Fischers geprägt. Zur zweiten Wille zum Sieg wurden Partie trat er erst gar nicht an, seinen Gegnern zum weil ihn die Kameras störten, Verhängnis. Er domiein kompletter Spielabbruch nierte sein Gegenüber des Weltmeisterschaftskampfes am Schachbrett vollkommen und lag in der Luft. Die dritte stellte einen Rekord auf: Der Partie wurde dann in einem Amerikaner siegte 1971 in Folge kleinen Raum hinter der gegen 20 Weltklassespieler und Bühne gespielt. Immer wieschloss die Kandidatenwettkämpfe der mussten Unstimmigkeiten mit einem schwindelerregenaus dem Weg geräumt werde Gesamtergebnis von 18,5:2,5 Fischer (rechts) gegen Spasski: Nervenkrieg in Reykjavik den. Einmal glaubte Fischer, Punkten ab. So etwas war angeer werde durch chemische sichts des hohen Standes der Substanzen beeinflusst, einSchachtechnik und -theorie bis mal passte der Stuhl nicht, dahin undenkbar. Fischer zeigte einmal störte ihn das Licht, einmal der ganzen Welt seinen Willen, war es ihm zu laut – was Spasski nach der Schachkrone zu greiwegen seiner Schwerhörigkeit fen, und qualifizierte sich als nicht störte –, und einmal wurde Herausforderer des sowjetischen eine Stinkbombe geworfen. Weltmeisters Boris Spasski. Trotz allem nahm das Match Dieser Wettkampf wurde um die Weltmeisterschaft dann unter Leitung des deutschen doch richtig Fahrt auf. Der Schiedsrichters Lothar Schmid Herausforderer gewann die fünfte in der isländischen Hauptstadt und sechste Partie. Diese endete Reykjavik ausgetragen – mit ganz mit Standing Ovations und ließ unterschiedlichen Auswirkungen. die Stimmung zugunsten Fischers kippen. Das Die Weltpresse, mit über 100 Reportern Schachidol zeigte seine ganze Genialität, und vor Ort, zeigte von Anfang an großes die Welt lag ihm zu Füßen. Die Entscheidung Interesse und schrieb dem Match eine fiel schließlich in der 13. Partie. Nach einer hohe politische Bedeutung zu. Fischer und unglaublichen Abwehrschlacht machte Spasski verkörperten zwei Weltmächte, die Spasski im 69. Zug einen Fehler. Die sich im Kalten Krieg erbittert gegenüberfolgenden sieben Partien endeten remis, und die 21. Partie standen. Auch wurde dem charismatischen gab Spasski ohne Wiederaufnahme auf. Bobby Fischer war Amerikaner zugetraut, die Sowjets, seit Jahren an der Spitze, in ihre Weltmeister! Er hatte die Vormachtstellung der Sowjets, die Schranken zu verweisen. Kapitalismus stand gegen Sozialismus – mit den Weltmeistern Michail Botwinnik, Wassili Smyslow, nie wieder nahmen Medien das Schachspiel so sehr in ihren Fokus. Michail Tal, Tigran Petrosjan und Boris Spasski von 1948 bis Schon vor Beginn der ersten Partie löste die Begegnung in den USA 1972 andauerte, gebrochen. und Westeuropa einen bis dahin nie da gewesenen Schachboom aus. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft zog sich Fischer Innerhalb kürzester Zeit waren Schachbretter und -figuren ausverkauft, zurück und spielte keine einzige Turnierpartie mehr. 1975 Schachclubs erhielten Zulauf in kaum geahnten Größenordnungen. verlor er seinen Titel kampflos an den Russen Anatoli Bobby Fischer schlugen im Vorfeld nicht nur positive Reaktionen Karpow. Bis 1982 verschwand er unauffindbar, dann entgegen. Weil er seine Teilnahme in Island mit hohen finanziellen tauchte eine Schrift von ihm auf, in der er berichtete, dass Forderungen verknüpfte, wurde er als geldgieriger Egozentriker darer von der Polizei in Pasadena misshandelt und zehn gestellt. Spasski war dagegen der Publikumsliebling, angesichts seiner Tage in einer Zelle festgehalten worden sei. Längst Bilanz gegen den Amerikaner galt er als Favorit. Schließlich hatte er war aus dem Idol ein Mythos geworden. noch keine Partie gegen Fischer verloren, aber drei gewonnen, bei zwei 1992 dann die Sensation: Fischer trat in der Zeit Remis. Nach und nach änderte sich dies aber, und eine regelrechte des jugoslawischen Bürgerkrieges in Sveti Stefan Fischer-Manie griff um sich. Die Zeitungen rückten die Geschichten und Belgrad nochmals zu einem Rückkampf gegen über den anstehenden Weltmeisterschaftskampf immer weiter nach Spasski an. Er gewann 10:5, da er aber die amerikavorne und präsentierten der Leserschaft ausführliche Porträts des nischen Embargobestimmungen gegen Jugoslawien Herausforderers. verletzt hatte, riskierte er bei der Rückkehr in die Am 1. Juli 1972 sollte der Kampf um die Schachkrone beginUSA seine Verhaftung. Bobby Fischer tauchte wienen, und zur Eröffnung versammelten sich alle: die Vertreter des der unter und fiel fortan nur noch durch antisemiSchachweltverbandes, die Spitzen der isländischen Regierung und tische Verschwörungstheorien auf. Als Island ihm Weltmeister Boris Spasski. Allein Bobby Fischer war nicht anwesend. schließlich die Staatsbürgerschaft anbot, übersieDer blieb in New York, stritt mit den Organisatoren um Geld delte er nach Reykjavik. Dort starb das und drohte, gar nicht nach Island zu kommen. Sein größte Schachgenie des Jahrhunderts Boykott wurde in der Öffentlichkeit mit großer am Ort seines größten Erfolges am Enttäuschung zur Kenntnis genommen. Erst 17. Januar 2008 mit 64 Jahren nachdem Henry Kissinger, ab 1973 amerikaan Nierenversagen. nischer Außenminister, Fischer persönlich um GoodTimes

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Halbinsel Wo Robert Mitchum & Dingle die Jedi-Ritter leb(t)en Von Roland Schäfli

Die neuen "Star Wars"-Folgen waren kaum abgedreht, da strömten die Fans bereits heran wie die Atlantik-Flut. Auf der Dingle-Halbinsel wurden sogar Ferngläser aufgestellt, mit denen Star Wars Locations" zum Greifen nah sind. Von der Anhöhe namens Clogher Head zum "Beispiel ist der Blick frei auf die schroffe Landspitze von Ceann Sibéal (Sybil Head). Auf dem äußersten Zipfel im Westen Europas leben die Jedi-Ritter. Natürlich nur im Film.

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ntdeckt hat die irische Küste aber nicht ein JediMeister, sondern der Meister einer ganz anderen Zunft. Eddie Fowley hatte 1969 von Regisseur David Lean den Auftrag erhalten, steile Küsten für dessen Film „Ryans Tochter" zu suchen. Leans Gewährsmann hatte ihm schon die Sanddünen von „Lawrence von Arabien" und die verschneiten Steppen für „Dr. Schiwago" präpariert. Als Fowley vom Hügel auf das Hafenstädtchen Dingle herabblickte, entstand gerade das Skellig Hotel. Und er glaubte an Vorsehung: „Dieses Hotel wird für uns gebaut!" Heute ist das Skellig eines der besten Hotels am Platz, mit blitzschnellem Service und dem „Catch Of The Day" immer frisch aus der Bay. Es war die jahrelange Dauerwerbung dieses Films, die aus dem 1300-Seelen-Dorf einen Hotspot für Reisende an der irischen Westküste machte. Zur Insel-Legende geworden ist Robert Mitchum. Während „Ryan's Daughter" bewohnte er das Milltown-Haus – und zwar die gesamten elf Zimmer. Da sich die Dreharbeiten ein volles Jahr hinzogen (Lean verlangte auch von den Wolkenformationen nichts weniger als Perfektion), spielte Mitchum in der Freizeit die selbst gewähl- Perfektionist David Lean setzt te Rolle als mürrischer Naturschönheiten in Szene. Hausherr und Telefonist, der Reservationsanfragen mit „Hier ist das DingleBordell!" beantwortete. Sehr weit von der Wahrheit entfernt war das nicht, denn Party-Animal Mitchum beherbergte Seite

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gerne Starlets, sobald seine Ehefrau abgereist war. 1970 50 Die Klippen wurden von Fahan, Prozent des heute privates gesamten Shivas-Whiskeys im Land an Land. dieser Hotelbar konsumiert. Die gerahmte Signatur des trinkfesten Haudegens hat einen Ehrenplatz über dem Tresen – neben einer Flasche Shivas. Hinter dem Haus soll „Mitch", der lokalen Legende zufolge, Marihuanastauden angepflanzt haben. Zum häufigen Eigengebrauch. Die Dorfrowdys forderten ihn ein ums andere Mal auf, sein Image als Tough Guy unter Beweis zu stellen. Seine Eskapaden haben dem Ruf des Gästehauses (das ein ausgiebiges irisches Frühstück serviert) langfristig nicht gescha geschadet. Die heutigen Betreiber sind mit Mitchums Familie gut bekannt. Der frühere Besitzer ver veräußerte den Betrieb mit der Begründung: „50 Jahre wurde ich jeden Tag gefragt, in welchem Zimmer Robert Mitchum geschlafen habe – ich konnte einfach nicht mehr!" Wenn Mitchum seine Bleibe verließ, verschlug es ihn meist an die Bierquelle Ashes Bar. Die Welt ist klein: Diese irische Familie Spaziergang am ist verwandt mit Gregory Peck! Eines schöInch Strand nen Tages stand der Weltstar unangemeldet

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auf der Matte und reklamierte seine Verwandtschaft (seine Großeltern waren von Dingle in die Neue Welt aufgebrochen, eine typische irische Auswanderergeschichte). Peck bemühte sich erfolglos um die Rolle, die dann Mitchum zufiel. Peck blieb Dingle aber bis zu seinem Tod 2003 eng verbunden und inspirierte das jährliche Filmfestival. Als Sarah Miles, die Titelfigur aus „Ryans Tochter", den Festivitäten kürzlich einen Besuch abstattete, gab sie sich einerseits freudig überrascht, welchen ökonomischen Wandel die Filmproduktion

Der Strand von Coumeenoole gilt dank seiner zerklüfteten Buchten als Fotografen-Traum.

hätte profitieren können. Doch die Bauern, die den verrückten Filmleuten ihr Land für 15 Pfund vermietet hatten (als die Dreharbeiten sich hinzogen, verlangten sie 75 – und bekamen sie), konnten sich nicht einigen, wer für den Unterhalt aufkommen sollte. So fuhren die Bulldozer auf. Wie die zeitgenössische Kritik bissig anmerkte, bläst der lyrische Film eine simple Dreiecksgeschichte auf drei Stunden Laufzeit auf. Doch selbst die schärfsten Kritiker mussten „Ryan" zugestehen, dass

Pilgerort für Frauen, die sich Ryans Tochter nahe fühlen wollen: das Schulhaus, für den Film aus Stein gebaut.

bewirkt hatte (die Produzenten gaben er magische Bilder von Irland eine fette Million Pfund im ärmlichen geschaffen hatte, die noch heute Dingle aus). Andererseits kritisierte sie die irischen Tourismusbeauftragen die Behörden, der Verbauung durch verzücken (die Fotografie wurde Bungalows Vorschub zu leisten. mit dem Oscar ausgezeichnet). Die Dies hatte selbst der umsichtige Grafschaft Kerry wurde darauf auch Eddie Fowley nicht bedacht, als er schon mal als „schönster Ort der sich damals dachte, Gott brauche sich Welt" bezeichnet. nur um Natur und Wetter zu kümDer unbestrittene Star des Epos mern, „den Rest machen wir". Vom – das tosende Meer, das an die „Rest" ist noch heute einiges übrig. irische Westküste klatscht – lässt Das Schulhaus, zum Filmzweck aus sich weiterhin bewundern. An den robustem Granit gebaut, trotzt den kilometerlangen Sandstränden salzigen Atlantik-Winden bis heute, ragen die schroffen Klippen auf Was von einer ganzen Filmstadt übrigblieb: das auf der Klippe von Cillgubnait. wie Monumente. Tatsächlich setzt Kopfsteinpflaster, mitten auf der Schafweide. Von hier aus erstreckt sich der der Strand im Film sich aus drei Panoramablick schier endlos, über die Insel Great Blasket zur Linken Stränden der Umgebung zusammen: dem Inch-Strand (weil Sarah und – dieser Name ist besonders treffend gewählt – den Sleeping Miles dort auf dem fester gebackenen Untergrund in ihren hochhackiGiant zur Rechten. Die Insel hat die Konturen eines im Wasser treigen Stiefeln nicht einsank), dem Barrow Beach (die weite Einstellung benden Riesen. Der Pilgerort des Schulgebäudes, so wissen die des ersten Zusammentreffens von Mitchum und Miles wurde vom Einheimischen, Tralee Golfplatz wird besonaus aufgenomders von Frauen men, genaubesucht, die er: wo heute sich mit der Am Clogher das 2. Tee ist) „Tochter" des Head ist zur Orientierung der Films identiStar Wars"-Fans " eine Plakette fizieren – eine installiert Geschichte um worden. unerfüllte Sehn- Mark Hamill (Luke Skywalker) auf den Spuren von Ryans Tochter. süchte. Wer von hier aus den Hügel Carhoo hinaufsteigt und sich und schließlich dem Strand von von Weidezäunen nicht abhalten lässt, der stößt oberhalb des Coumeenoole, wo Lean um ein Haar Dorfs Dunquin auf den Anachronismus eines 100 Meter langen zwei seiner Hauptdarsteller in den Fluten Kopfsteinpflasters, das in diesen einsamen Schafgründen eigentlich verloren hätte (er hatte die Warnung der nichts verloren hätte. Hier finden sich die Grundmauern der fiktiven Einheimischen vor der tückischen See in Stadt Kirray. Die Filmemacher hatten 30 solide Bauten aus dem Boden den Wind geschlagen). Dort errichteten die gestampft, komplett mit Pub und katholischer Kirche. Bei Drehschluss Dörfler einen Gedenkstein mit Widmung Dingle wäre das ein Geschenk an die Region gewesen, der Filmtourismus an die Filmschaffenden. GoodTimes

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kult!

Bücher

Von Alan Tepper

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Kultbücher – geschätzt, geliebt, gelobt

irtschaftsberichte aus der Buchbranche bringen Erschreckendes zutage. Die Zahl der verkauften Bücher befindet sich in einem permanenten Sinkflug. Das wird niemanden überraschen, der eine "Ich starre ständig auf mein Smartphone"-Jugend beobachtet oder sich selbst in den Verstrickungen der schönen neuen digitalen Welt verfangen hat. Die Lektüre eines guten Buches ist nicht nur ein Mittel

zum Wissenszuwachs, sondern bietet auch die Möglichkeit zur Entschleunigung, zum Rückzug aus einem hektischen Alltag. Vor allem regt sie aber die Fantasie an, jene bewundernswerte Gabe, die einen Menschen über sich selbst hinauswachsen lässt. Statt sich mit überflüssigen Fakten oder unnötigen Informationen vollzustopfen, wäre doch eine kleine Traumreise nicht schlecht. Oder?

Emma Cline – Girls" "The ie in Kalifornien aufgewachsene Emma Cline (geb. 1989) hat mit

A. E. van Vogt – Expedition der Space Beagle" "Die er Kanadier Alfred Eton van Vogt (26. April 1912

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ihrem Debüt einen Kult-Roman erster Güte verfasst, da sowohl die Thematik wie auch der historische Hintergrund fesseln. Sie erzählt von der 14-jährigen Evie, die in einer verschlafenen kalifornischen Kleinststadt aufwächst und wie alle Teenager in ihrem Alter Träumen hinterherhängt und nach Orientierung sucht. Sie begegnet Suzanne und ihren Freundinnen, die den Gegenentwurf zum Spießbürgertum darstellen, ein freies Leben mit Alkohol, Drogen und Sex führen. Durch sie gerät Evie auf eine Farm, auf der der charismatische Russel die sinnsuchenden Mädchen in seinen Bann und zugleich in eine Spirale der Gewalt zieht. Natürlich hat Emma Cline als Vorlage die „Familie" von Charles Manson genommen, die durch den Mord an Sharon Tate einen düsteren Schlussstrich unter die Sechziger zog. Aufschlussreich und faszinierend ist die Beschreibung von Evies Gefühlswelt und der wachsenden Abhängigkeit von einem psychopathischem „Guru". Wertvoll.

bis 26. Januar 2000) gehört zu den Science-Fiction-Autoren, die trotz ihres voluminösen Werks und der Tatsache, dass ihre Ideen von folgenden Schriftstellern aufgegriffen wurden, mittlerweile in Vergessenheit geraten sind. Der auf Kurzgeschichten basierende Roman schildert die Abenteuer der Besatzung des Raumschiffs Space Beagle (Anklänge an Charles Darwins Erkundungsschiffs HMS Beagle sind durchaus beabsichtigt), die die Milchstraße durchquert und auf fremden Planeten anderen Lebensformen begegnet, die ihr meist feindselig gesinnt sind. Neben Wissenschaftlern besteht die Crew aus Militärangehörigen, die sich in einem ständigen Konflikt befinden. Ausgleichender und vermittelnder Charakter ist der Nexialist Elliot Grosvenor, der disziplinübergreifend denkt und handelt, wodurch Vogt schon im Erscheinungsjahr 1950 ein universelles Denken forderte. Ein spannender Roman, der nicht nur neue Perspektiven ermöglicht, sondern auch angenehm unterhält.

Siri Hustvedt – Illusion der Gewissheit" "Die ie amerikanische Autorin Siri Hustvedt

Harald Gilbers – "Totenliste" it seinem aktuellen

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(geb. 19. Februar 1955), Frau von Paul Auster, hat in der Vergangenheit durch warmherzige fiktionale Veröffentlichungen von sich reden gemacht, geprägt von einer feinfühligen Beobachtungsgabe. In den letzten Jahren hat sie sich, auch aufgrund ihrer eigenen gesundheitlichen Probleme – sie leidet an einer ausgeprägten Migräne – mit den Neurowissenschaften auseinandergesetzt. Das führte sie zum aktuellen Buch, für das ein Leser viel Geduld aufbringen muss, denn das ist wahrlich kein leichter Stoff. Hustvedt stellt die Frage nach den Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist und erkundet unterschiedlichste Disziplinen, was immer wieder durch kurze autobiografische Episoden aufgelockert wird. Von der Medizin über die Psychologie bis hin zur Literatur und Philosophie präsentiert sie verschiedenste Ansätze, die nicht immer ausgeführt, sondern als Denkanstöße vorgestellt werden. Ein hochinteressantes Werk, das bildet, aber die nötige Denkarbeit voraussetzt. Seite

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Roman hat Harald Gilbers (geb. 1969) eine Fortsetzung der so genannten Oppenheimer-Reihe vorgelegt, einer Krimiserie, die nicht nur in Deutschland Erfolge feiert – er erhielt den Friedrich-Glauser-Preis –, sondern auch in Frankreich, wo der Autor mit dem Prix Historia ausgezeichnet wurde. Nicht vergessen darf man die Tatsache, dass seine Werke in sieben Sprachen übersetzt wurden, was einem Qualitätssiegel gleichkommt. Exakte und akribische Recherche, gepaart mit einem Gespür für niveauvollen Nervenkitzel, kennzeichnet seine Werke. Nach „Germania", „Odins Söhne" und „Endzeit" führt Gilbers den Leser erneut ins Berlin der 40er Jahre, wo der jüdische Kommissar Oppenheimer von dem sowjetischen Offizier Aksakow den Auftrag erhält, einem mysteriösen Mord nachzugehen. Als weitere Personen umgebracht werden, erkennt Oppenheimer ein Muster, denn es handelt sich bei den Opfern um NS-Verbrecher. Doch wer steckt hinter den Gräueltaten? Schnell, atmosphärisch dicht und spannend bis zur letzten Seite.

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Franz Kafka – "Das Schloss" er in Prag geborene Schriftsteller Franz

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Kafka (3. Juli 1883 bis 3. Juni 1924) zählt ohne Zweifel zu den ganz großen Autoren der Weltliteratur. Zahlreiche Verfilmungen, die direkt oder indirekt auf sein Werk anspielen, belegen das ebenso wie auch Adaptionen der Romanvorlagen – zum Beispiel „Der Prozess" mit Orson Wells (1962) – und zugleich die vielen Hörspiele, Theaterstücke, Opern und literarischen Querverweise. Zudem hat das von ihm abgeleitete Adjektiv „kafkaesk" zur Beschreibung einer unwirklichen, surrealen Situation sogar Einzug in den Duden gefunden. Tragischerweise kannte kaum jemand diesen großartigen Schriftsteller zu Lebzeiten. Autoren wie Hermann Hesse oder Robert Musil lobten zwar das bis dato veröffentlichte Werk, doch mit Beginn des Nationalsozialismus verschwanden Kafkas Werke. Er stand auf der Liste der verbotenen Autoren, seine Bücher wurden verbrannt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg fand eine Kafka-Renaissance statt, woraufhin Texte wie „Die Verwandlung" oder „In der Strafkolonie" bzw. Romanfragmente wie „Der Prozess" auf großes Interesse stießen. Der zu Lebzeiten unvollendete Roman „Das Schloss" erzählt die Geschichte des Landvermessers K., der in einem Dorf ankommt und sich seiner Tätigkeit als Bediensteter des Schlosses widmen will. Allerdings scheint zuerst niemand seinen Angaben zu glauben, woraufhin K. sein Möglichstes versucht, um die gräfliche Anerkennung zu erhalten. Im Dorf darf er zwar als Schuldiener arbeiten, doch er muss ständig gegen die Bürokratie ankämpfen, die etwas Geheimnisvolles im Schilde zu führen scheint. Auch die Bewohner verhalten sich gegenüber K. unwirsch und mysteriös. Das Romanfragment bricht mit einer rätselhaften Unterhaltung ab. Wer die irreale Stimmung des 606 Seiten langen Texts der Neuauflage (inklusive eines erläuternden Nachworts) intensiv empfunden hat, wird schnell verstehen, was der Begriff „kafkaesk" bedeutet.

C.G. Jung – "Archetypen" er unter seinem Kürzel C.G. Jung

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bekannte Schweizer Carl Gustav Jung (26. Juli 1875 bis 6. Juni 1961) gehört zu den Begründern der Psychologie als Wissenschaft, hat ein beachtliches Gesamtwerk hinterlassen und die Tiefenpsychologie etabliert. Als die Psychoanalyse und im Grunde genommen die „Entdeckung der Psyche" um 1900 den geistigen Horizont immens erweiterten, hätte noch niemand ahnen können, dass Namen wie Sigmund Freud, Wilhelm Reich und C.G. Jung zuerst durch den Nationalsozialismus – oder im Fall von Reich der Kommunisten-Hetzjagd in den USA – in den Hintergrund gedrängt würden. Spätestens seit den 60er Jahren erlebte die Psychoanalyse der frühen Jahre jedoch eine wahre Renaissance. Heutzutage gehören Begriffe wie Archetypen und Synchronizität sprachlich zum Allgemeingut. Welch gedankliche und intellektuelle Höschstleistungen notwendig waren, lässt sich am Beispiel von C.G. Jung belegen, der nach einer jahrelangen Freundschaft mit Freud eigene Wege ging und Theorien sowie Ansätze formulierte, die sogar Themen wie Spiritualität, Astrologie und Alchemie mit einbezogen, was der medizinisch geprägten Psychologie ganz und gar nicht gefiel. Im Patmos-Verlag erscheint aktuell eine Reihe, die der von Lorenz Jung bei dtv herausgegebenen elfbändigen Edition entspricht. Im konkreten Fall ist es der sechste Band. Hier definiert Jung das kollektive Unbewusste, zeigt Beweise für seine Theorie auf und erläutert das an einem Beispiel aus der Praxis. Es folgen eine Erklärung des Archetypus, exemplifiziert am Anima-Begriff, und eine lange Abhandlung über den Mutterarchetypus und den Kindarchetypus. Von besonderem Interesse ist eine Abhandlung über die Tricksterfigur, auch landläufig als Schelm oder Narr bekannt. Anspruchsvoll und höchst komplex? Ja, auf jeden Fall, aber ein ergiebiges Lesevergnügen.

Der Klassiker von Simon ROCCA und Jean-Yves MITTON endlich als Gesamtausgabe!

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»Ich war Teil jener Welt, ich lebte in jener Zeit, unter jenen Menschen, die sich anmaßten, die Herren der bekanntenWelt zu sein. Die stolzesten unter ihnen hatten sich an ihre Spitze gesetzt… Ich bekämpfte sie… Manche liebten mich… Ich bin Amber. Und ich wurde von einer Sklavin zur Königin.«

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Seite ISBN 65 978-3-946722-49-6, € 29,95

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Edel-Seifenopern der 80er Jahre FOLGE 5 Von Thorsten Hanisch

Einst geliebt, heute mit Liebe erinnert! Seite

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I. Langsamer Abschied Im vorletzten Teil unserer kleinen Reihe über die EdelSeifenopern der 80er Jahre wollen wir so langsam Abschied vom „Edel" in „Edel-Seifenopern" nehmen; soll heißen, die nun noch folgenden Shows sind auf ihre Weise immer noch (ein wenig) edel und auf alle Fälle vorstellens- und reinschauenswert, aber halt nicht mehr ganz so üppig produziert, nicht mehr ganz so interessant besetzt, und man muss wesentlich mehr Zeit mitbringen. Schlugen die bisher vorgestellten Serien mit 200 bis 350 Episoden bereits ordentlich zu Buche, zapft "California Clan" mit 2137 Episoden schon deutlich mehr Lebenszeit ab. Natürlich werden sich das vermutlich die Wenigsten auch nach diesem Artikel alles nachträglich reinschaufeln, zumal die Serie – eine Auswertung im Homevideo-Bereich steht bis heute aus – ohne größere Umstände gar nicht komplett greifbar ist. Unbedingt erwähnenswert ist die Show dennoch, zumal sich die ein oder andere kuriose Anekdote findet – zum Beispiel versuchte 2011 ein deutscher Fan, den Clan aus Kalifornien vor der Vernichtung zu retten ... aber der Reihe nach:

II. Worum geht's überhaupt? War schon bei den bis jetzt vorgestellten Titeln eine halbwegs sinnvolle Zusammenfassung der Handlung eine Herausforderung, wird’s jetzt erst recht schwierig, deswegen mal ein ganz grober Abriss:

Das Geschehen dreht sich aber nicht nur um die Capwells, sondern ebenso um die Nachbarn, die Lockridges – bestehend aus der Witwe Minx Lockridge, die mit Sohn Lionel und Schwiegertochter Augusta unter einem Dach lebt. Letztere kostet ihr Luxusleben total aus, die Hunde tragen Diamantencolliers als Halsbänder, aber sie langweilt sich auch gar schrecklich, und da kommt der frisch aus dem Knast entlassene Joe Perkins gerade recht, der von der angeödeten Frau in der Hoffnung auf reichlich Sex als Gärtner angestellt wird … In den folgenden Jahren schlug die Serie allerhand Kapriolen und erwies sich dabei oft alles andere als geschmackssicher: Gerade die Figur der Augusta geriet bereits zu Anfang ins Kreuzfeuer der Kritiker, denn sie tötet in einer Episode die heißgeliebte Taube ihrer Tochter Laken und serviert sie der Familie als Vorspeise – für die Presse die geschmackloseste Szene des Jahres! Aber die Macher tobten sich munter weiter aus: Die beliebte Figur Mary Duvall wurde durch ein herabstürzendes „C", einen der Leuchtbuchstaben auf dem Dach des Capwell-Hotels, aus der Serie geschrieben, eine weitere Figur raubt CCs auf der Samenbank deponiertes Flüssiggold, befruchtet sich selbst damit und bringt am Weihnachtsaband im Büro einer Tierklinik (!) ein Baby zur Welt, und einem Charakter wird während eines Besuchs beim Zahnarzt (!) der Samen eines toten Prinzen (!!) eingepflanzt. Für Kontroversen sorgte auch eine Story, in der Eden vergewaltigt wird und danach herausfindet, dass es sich beim Angreifer ausgerechnet um ihren Gynäkologen handelte, der sie nach der Tat untersuchte. Selbst dem Darsteller des Täters, Leigh McCloskey, war die Episode unangenehm, da laut seiner Aussage ohnehin schon so viele Frauen sich beim Gang zum Frauenarzt nicht wohlfühlten. Es gab aber ebenso fantastische Geschichten wie zum Beispiel Hommagen an „Zurück in die Zukunft" oder „The Twilight Zone", außerdem lieferten Eden und ihr Verlobter Cruz als Nikolaus-Gehilfen die Geschenke aus. Man kann über das Langzeit-Epos sagen, was immer man will, aber wirklich öde wird es nur selten, die Autoren waren mitunter ganz schön am Freidrehen. Doch die Serie zeichnet sich nicht nur durch sporadische Geschmacklosigkeiten aus, sondern ebenso – bei Soap Operas verhältnismäßig selten anzutreffen – durch Humor. Als einer der Pluspunkte diesbezüglich erweist sich der Schauspieler Lane Davies, der in der Rolle des Mason Capwell für so manch trockenhumorigen Moment sorgt, was durchaus an seinem für solch ein Umfeld überdurchschnittlichen Schauspieltalent liegt – es gab in der Historie des Genres mit Sicherheit nicht ganz so viele Mitwirkende an Fließband-Soaps, die sich in den Drehpausen einen Namen als ShakespeareDarsteller am Theater machmach ten.

Der Patriarch und seine Töchter

CC Capwell ist Chef des Unternehmens Capwell Enterprises und hat fünf erwachsene Kinder, drei Söhne (Mason, Ted und Channing) und zwei Töchter (Eden und Kelly), zu denen er ein distanziertes Verhältnis hat. CCs erste Frau Pamela ist Masons Mutter, danach folgte Ehefrau Nummer zwei, Sophia, mit der er Channing, Eden, Kelly und Ted bekam. Sophia verschwand allerdings nach 16-jähriger Ehe bei einem Bootsunfall und wird seitdem von der Familie für tot gehalten. Für die Familienbelange und den Haushalt sind die älteste Tochter Eden und das Hausmädchen Rosa verantwortlich. Im Jahr 1979 geschah allerdings ein schreckliches Verbrechen, das gleichzeitig den Startpunkt der Serie und den Basisplot bildet, um das die folgenden Episoden kreisen: Channing Capwell wurde während einer Party im Arbeitszimmer der Capwell-Residenz tot aufgefunden – da der Tat ein Streit mit Kellys Verlobtem Joe Perkins vorangegangen war, wird dieser eingebuchtet. Die Handlung setzt fünf Jahre nach Channings Tod ein: Perkins ist wieder auf freiem Fuß, will sich rehabilitieren und unbedingt seine Unschuld beweisen, zur selben Zeit taucht auch ein mysteriöser GoodTimes

Ein weiteres komödiantisches Highlight sind Justin Deas als Staatsanwalt Keith Timmons und seine On/Off-Geliebte Robin Mattson als ständig von Geldnöten geplagte Gina Blake De Mott Capwell Timmons, die beide ein so dermaßen herrlich durchtriebenes Antagonisten-Pärchen abgeben, dass die Seifenoper nicht selten in Sitcom-Gefilde abdriftete. 1/2019

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Die Sendung heißt in der Originalversion „Santa Barbara" – mit dem „deutschen" Titel „California Clan" wollte man hierzulande vermutlich Assoziationen zum erfolgreichen „Denver-Clan" herbeiführen – und spielt dementsprechend in der gleichnamigen kalifornischen Stadt. Im Mittelpunkt stehen, wie bei so vielen anderen Soaps dieser Zeit, zwei Familien, die Capwells und die Lockridges, beide natürlich super-mächtig, mega-reich und selbstverständlich von Tragödien geplagt (streng genommen gibt es noch die Andrades und die Perkins, aber beide verschwinden schon innerhalb kürzester Zeit aus der Serie).

Fremder mit Namen Dominic in der Stadt auf, der großes Interesse an den Capwells zeigt und sich zu aller Überraschung als die totgeglaubte Sophia entpuppt, die sich zudem als die wahre, wenn auch versehentliche Mörderin ihres Sohnes herausstellt, womit der Fall allerdings noch lange nicht abgeschlossen ist, denn mit der Aufklärung kommen weitere Dinge ans Tageslicht …


III. Fakten, Fakten, Fakten

ging, weil das Epos dem Sender Prestige fürs Nachmittagsprogramm einbrachte (hinsichtlich der Quoten schaffte man es nie über den „California Clan" beziehungsweise „Santa Barbara" feierte am 30. Juli zehnten Platz hinaus). Das Geld ging vor allem an die namhafte 1984 in den USA Premiere. Der Sender NBC setzte große Hoffnungen Soap-Besetzung (unter anderem Jed Allan und Nicolas Coster), auf die Produktion, nicht zuletzt, weil man mit Bridget und Jerome irgendwann wanderte jeder auch nur halbwegs bekannte Dobson zwei legendäre SoapSeifenpromi mal durch die Kulissen, weswegen mancherorts Drehbuchautoren engagiert hatte, schon gespöttelt wurde, dass Seifenopern-Darsteller nie stür stürdie zuvor bereits mit „General ben, sondern beim „Califonia Clan" landeten. Hospital" Quotengeschichte geschrieben hatten (Bridget ist Apropos Besetzung: Wer zuvor nur Erfahrung mit Primetimedes Weiteren auch die Tochter Soaps wie „Denver-Clan" hatte, wird sich beim „California Clan" der „General Hospital"-Erfinder umstellen müssen, denn wie bei vielen amerikanischen Soaps Frank und Doris Hursley) und wurden bestimmte Charaktere (das betrifft vor allem CC und daraufhin „Springfield Story" und Kelly) über die Jahre von verschiedenen Darstellern gespielt, „Jung und leidenschaftlich" zu gerade in diesem Fall handelt es sich aber um einen besondebesonde neuen Höhen verhalfen – kurz: ren unruhigen Kandidaten – die einzigen Konstanten waren Die Dobsons waren die damaliEden, Cruz, Lionel und Augusta, und selbst diese Figuren gen Daytime-TV-Könige, und aus waren nicht bis zum Ende der Serie zu sehen. Gerade diese diesem Grund versprach man sich Wechselhaftigkeit war den Quoten zum Schluss alles andere als auch von „Santa Barbara" so einizuträglich. ges (passenderweise wohnte das Ehepaar tatsächlich in Santa Barbara). Die Gebete A Martinez als Cruz Castillo Die Soap Opera wurde 1985 erstmals in Frankreich stießen allerdings zumindest im Heimatland eher & Marcy Walker als Eden Capwell erfolgreichs auf taube Ohren – die Sendung wurde zwar zu – das Taumpaar im California Clan ausgestrahlt und entwickelte sich zur erfolgreichsten Primetime-Serie, weswegen die Macher eine einem in 48 Ländern ausgestrahlten (in Japan war komplette Geschichte in Paris spielen ließen. Ein die Show die allererste amerikanische Soap Opera gut betuchter französischer Fan war sogar so sehr im Fernsehen), teilweise sehr großen Erfolg, aber in von der Serie fasziniert, dass er sein Haus nach den USA selbst kam man quotentechnisch erst nach dem Vorbild des Capwell-Anwesens umgestalten drei Jahren halbwegs in die Gänge (die Kritiken war ließ – da jedoch das Badezimmer nie zu sehen war, zudem anfänglich absolut vernichtend), stürzte ließ er eigens den Setdesigner der Serie einfliegen, allerdings bereits Anfang der 1990er Jahren wieder da dieser ihm helfen sollte, ein Bad zu gestalten, ab. Dafür kassierten die Macher aber zahllose Preise das so aussah, wie Clan-Patriarch CC Capwell es und Nominierungen, unter anderem konnte man in wohl eingerichtet hätte. nur sieben Jahren satte 23 Mal den Emmy mit nach Hause nehmen. So glanzvoll sich die Serie nach außen hin gab, hinter dem Vorhang brannte die Hütte: Die Lunte brachte Bridget Dobson zum Brennen, denn sie feuerte Hauptautorin Anne Howard Baily, worüber allerdings die Mitproduzenten NBC und New World alles andere als glücklich waren und deshalb Dobson den Zutritt zu den Studios verwehrten und sie zudem auf 25 Millionen Dollar Schadensersatz verklagten, da der Rauswurf ihrer Meinung nach dem Ruf der Serie schadete und sich die Autorin zudem vertragsbrüchig verhalten habe. Dobson antwortete mit einer 200-Millionen-Dollar-Gegenklage, allerdings fanden die Parteien schlussendlich zu einer außergerichtlichen Einigung, im Zuge derer Dobson eine Abfindung erhielt und zusammen mit ihrem Mann zur Serie zurückkehrte. Sie nahm allerdings keine Vertragsverlängerung in Anspruch, blieb aber trotzdem als Beraterin bis zum Ende (konnte aber die stetig sinkenden Quoten auch nicht retten). „California Clan" kann es, wie anfangs bemerkt, in Sachen Schauwerte mit Vorgängern wie „Dallas" und vor allem „DenverClan" nicht aufnehmen. Die Serie leidet – gerade aus heutiger Sicht – deutlich unter ihrer, trotz gelegentlicher Außenaufnahmen, sterilen StudioAtmosphäre. Billig war die Angelegenheit trotzdem nicht: Mit einem Budget von 30 Millionen Dollar pro Jahr war die Produktion eine kostspielige Angelegenheit, die vor allem deshalb in die Verlängerung Seite

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IV. Die russische Liebe zum kalifornischen Clan

In Russland schlug der am 2. Januar 1992 mit Episode 217 ein- und am 17. April 2002 mit der letzten Folge wieder ausreisende Clan aus Kalifornien besonders heftig ein: Russland war im absoluten „Santa Barbara"-Fieber, was vor allem darin begründet lag, dass die Serie eine Gegenwelt zum tiefgrauen, deprimierenden, bescheidenen Alltag nach dem Niedergang der Sowjetunion anbot. In den ersten Jahren liefen sogar dreimal die Woche neue Episoden, das Verpassen einer Folge war unverzeihlich; es gab zudem „Santa Barbara"-Cafés, -Restaurants, -Hotels, -Striplokale und vieles mehr. Der Name wurde zu einem Synonym für Exklusivität, Klassen- und Modebewusstsein. "Santa Barbara" war das erklärte Wunschziel Nummer eins bei einer Amerika-Reise, eine Popband veröffentlichte den Superhit „Santa Barbara", ein Liebesgeständnis an Mason Capwell; zahlreiche russische Katzen und Hunde wurden nach den Capwell-Abkömmlingen benannt, und auch die Stars des heißgeliebten Straßenfegers reisten mehrfach nach Russland und tingelten durch Magazine und Fernsehkanäle. Natürlich gab es ebenso Kritik an der Serie, vor allem, dass nie in irgendeiner Form ein Buch auftauchte, war dem ein oder anderen ein Dorn im Auge, aber der Widerspruch verhallte: Was scherte schon ein mangelndes Literaturbewusstsein angesichts der sonstigen Herrlichkeiten, die die Serie präsentierte? Angesichts all dieser gutaussehenden, reichen, wohlerzogenen Menschen, die an einem jederzeit sonnigen, warmen Ort lebten? Wie bei allen Serien verschwand auch das Interesse an dieser mit der Zeit, im April 2002 wurde die letzte Folge ausgestrahlt. Dennoch hat „Santa Barbara" Russland nie ganz verlassen; während sich hierzulande nur noch eingefleischte Fans daran erinnern, werden dort immer mal wieder in Tageszeitungen längere Artikel über die Serie publiziert, ebenso wird die Show im Fernsehen und online in regelmäßigen Abständen thematisiert.

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In Deutschland strahlte RTL (damals noch RTL plus) die Serie vom 4. Januar 1988 bis zum 28. März 1988 weitgehend unbemerkt im Vorabendprogramm unter dem Originaltitel aus. Erst bei einer weiteren Ausstrahlung ab dem 4. Januar 1989 im Nachmittagsprogramm unter „California Clan" kletterten die Quoten nach oben. Bis zum 17. Oktober 1997 strahlte der Sender 2123 Episoden aus, verschiedene Weihnachtsstorys und die komplette Geschichte, in der Gina und Keith bei der Spielshow „Wheel Of Fortune" mitwirken (entspricht der damaligen Sat.1-Show „Glücksrad") fielen unter den Tisch. Der 2001 eingestellte „Frauensender" tm3 wiederholte 1998 ein paar Folgen – der letzte TV-Einsatz der Soap hierzulande, seitdem ist Sendepause, offenbar nicht nur hier, sondern weltweit. 2011 wurde dann auch klar, wieso, denn es kam zum kuriosen Versuch einer Rettungsaktion: Keiner der Sender verfügte mehr über Ausstrahlungsrechte, zudem hätten die Sender alle Lizenzen für die verwendeten Musikstücke neu verhandeln müssen (ein bekanntes Problem, das sich ebenso auf so manche Homevideo-Veröffentlichung bekannter Serien ausgewirkt hatte, man denke nur an „Eine schrecklich nette Familie", die auf DVD plötzlich ohne das charakteristische Titellied von Frank Sinatra auskommen musste). Jedenfalls wäre das bei einer Serie mit über 2000 Folgen ein Aufwand gewe gewesen, den die zu erwartenden Zuschauerzahlen mit großer Sicherheit nicht gerechtfertigt Lane Davies als Mason Capwell hätten. Da aber ohne abseh abseh& Nancy Lee Grahn als Julia baren Verwendungszweck die Wainwright Capwell dauerhafte Lagerung einer Serie (vor allem einer dermaßen umfangreichen) letztendlich sinnlos ist, beschloss RTL, die deutsch synchronisierten Folgen in absehbarer Zeit zu vernichten, was wiederum den beinharten Fan Thorsten Lehmann auf den Plan rief, der ein großes Fanbuch zur Serie ankündigte und dem Sender die Folgen aus diesem Grund abkaufen wollte. Um die hohen Kosten von rund 1500 Euro zu stemmen, wurde eine Facebook-Aktion ins Leben gerufen – alle, die sich mit Spenden beteiligten, sollten im Buch genannt und zudem eine Kopie der 2137 Folgen erhalten. Wie genau die Sache weiterging, konnte leider nicht nachvollzogen werden, denn abgesehen von damals veröffentlichten Ankündigungen in diversen Internetportalen findet sich keine weitere Info – da aber bis heute kein Fanbuch zur Serie erhältlich ist, darf man wohl mit gutem Gewissen von einem Misserfolg ausgehen.

VI. Darsteller Auch wenn der eine oder andere Superfan jetzt vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wird, aber so richtig erwähnens erwähnenswert sind eigentlich nur Judith Anderson als Minx Lockridge zwei Namen: Zum einen die großartige Dame Judith Anderson, die in der Serie für 59 Episoden als Minx Lockridge zu sehen ist und eigentlich viel zu schade für eine Soap war, sich im fortgeschrittenen Alter (sie war zum Drehstart zarte 87 Lenze jung) aber offenbar noch mal einen Wunsch erfüllen wollte – sie war GoodTimes

emsiger „General Hospital"-Fan, mit dem Werk der Dobsons also vertraut, und aus diesem Grund durchaus angetan, als das Rollenangebot der Macher eintrudelte. Anderson wurde am 10. Februar 1897 in Adelaide, Australien geboren und stand schon als Teenager auf der Bühne. 1918 kam sie nach Amerika, spielte an Theatern am Broadway, tourte mit einer Theatergruppe durchs Land und landete so im Laufe der Zeit auf allen Bühnen des Landes, wo sie besonders mit Darbietungen in „Hamlet" und „Macbeth" nicht nur auf sich aufmerksam machte, sondern im Laufe der 1920er Jahre zu einem Superstar am Theater wurde und das die nächs nächsten Jahrzehnte auch blieb. 1933 landete sie beim Film, allerdings waren ihre Einsätze auf Nebenrollen beschränkt, dafür aber in Klassikern w ie „Rebecc a" (1940, Regie: Alfred Hitchcock), „Laura" (1944, Regie: Otto Preminger) oder „Die zehn Gebote" (1956, Regie: Cecil B. Mille). 1960 wurde ihr von der englischen Königin der Titel „Dame" verliehen. Im selben Jahr, Robin Wright als Kelly Capwell als sie bei den Dobsons einstieg, war sie übrigens auch in „Star Trek III: Die Suche nach Spock" (1984, Regie: Leonard Nimoy) zu sehen – man merkt, die Dame hatte keinerlei Berührungsängste! Eines der heutzutage mit Abstand bekanntesten Gesichter des „California Clan" dürfte die Darstellerin der Kelly Capwell, Robin Wright, sein. Wright hatte bereits während ihrer Zeit in Santa Barbara mit „Die Braut des Prinzen" (1987, Regie: Rob Reiner) einen ersten Kino-Erfolg, der 1988 zu ihrem Abschied aus der Serie führte. Danach konnte sie weitere Karriere-Höhepunkten wie „Forrest Gump" (1994, Regie: Robert Zemeckis), „Message In A Bottle – Der Beginn einer großen Liebe" (1999, Regie: Luis Mandoki) oder „Wonder Woman" (2017, Regie: Patty Jenkins) verzeichnen, beschäftigte aber dank ihrer 1989 eingegangen Beziehung zu und 1996 erfolgten Heirat mit Schauspieler Sean Penn jahrelang die Klatschpresse, denn das Pärchen trennte sich einige Male, kam aber immer wieder zusammen, bevor 2010 dann endgültig der Ofen aus war. Die wahrscheinlich bekannteste Rolle spielte Wright allerdings nicht auf der Leinwand, sondern für den Streaming-Anbieter Netflix: Seit 2013 ist sie als intrigante, eiskalte Claire Underwod im Serienhit „House Of Cards" zu sehen – eine Rolle, die sie außerdem mit einer geschätzten halben Million Dollar pro Episode zu einer der bestbezahlten Schauspielerinnen der USA machte.

VII. Heute noch sehenswert? Tjaaaaaa … wie bereits geschildert – ein grundsätzliches Problem dürfte erst mal sein, aller neun Staffeln habhaft zu werden (bei der Gelegenheit gleich eine Warnung: Es existiert eine FacebookSeite, die „California Clan" und weitere Soaps auf DVD anbietet – es handelt sich hierbei um reinen Nepp!). Dann stellte sich noch die Frage, ob man tatsächlich gewillt ist, sich für über 2000 Folgen an eine Serie zu binden, die mit ihrer sterilen Atmosphäre, den größtenteils eher mittelprächtigen Schauspielern und den (zu) häufigen Umbesetzungen von Charakteren hinter den bis bisherigen, älteren Kandidaten in dieser Reihe ordentlich zurückzurück stecken muss? Die Show ist dank der launigen Drehbücher nicht ohne Reiz und immer noch besser als heutige Endlos-Soaps wie „Sturm der Liebe", aber es ist in der Tat die Frage, wie viel Einsatz man bringen will – „mal reinschauen" geht allerdings immer. 1/2019

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V. Auswertung in Deutschland


Drei Haselnüsse für Aschenbrödel

Weihnachten kann kommen! Es war einmal und wird in diesem Falle immer bleiben. Zumindest, solange Fernsehprogramme und die Weihnachtszeit existieren. Der TV-Streifen "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" ist fester Bestandteil der Märchen-Historie in unserem Kulturkreis, selbst wenn er es von Alters wegen nicht mit den Texten etwa der Gebrüder Grimm oder Hans-Christian Andersens aufnehmen kann. Und doch, inhaltlich und dank ihres Zaubers reiht sich diese Produktion nahtlos ein, was Magie und kaum beschreibbaren Charme betrifft. "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" kann man immer wieder genießen, selbst wenn jeder Satz mitgesprochen wird, weil dieser Film mehr als eine Geschichte erzählt. Von Michael Fuchs-Gamböck ie bei allen unsterblichen Märchen ist die Geschichte dahinter rasch erzählt: Da gibt es ein hübsches, fleißiges, auch verträumtes, auch kesses junges Mädchen, das von allen nur Aschenbrödel genannt wird. Sie ist ein Waisenkind, die herrische Stiefmutter hat den Gutshof des Vaters an sich gerissen, erniedrigt samt ihrer leiblichen Tochter Dora die Ungeliebte pausenlos, hat sie zur Magd degradiert. Dann haben wir da als Gegenpart den Prinzen, ein wenig unbedarft, aber durchaus sympathisch. Er ist auf Brautschau, dazu angehalten vom Vater, der um die Thronfolge besorgt ist. Der Königssohn geht lieber jagen und freut sich über Dumme-JungenStreiche. Bis ihm das Aschenbrödel immer mal wieder begegnet: im Wald, auf der Jagd, schließlich unerkannt beim Hofball. Ein geradezu erotisches Katzund-Maus-Spiel. In all seiner Unschuld. Schließlich ist das hier eine auch für Kinder kompatible Angelegenheit. Um die Story auf den Punkt zu bringen: Nein, es gelingt der skrupellosen Stiefmutter nicht, ihre dämliche Tochter an den Mann, Seite

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also Prinzen, zu bringen. Dem Plan steht ein verlorener Schuh im Weg, welcher dem Trampel nicht passt. Sondern ausschließlich der Angebeteten. Am Ende reiten Aschenbrödel und Prinz auf einem Pferd über die verschneiten Felder zum Schloss. Jetzt sind die Tränendrüsen des Zuschauers respektive der Betrachterin sehr weit geöffnet. Und wenn sie nicht gestorben sind … Erstvorlage für den Plot lieferten die eingangs erwähnten Gebrüder Grimm mit ihrer Mär vom „Aschenputtel", veröffentlicht 1819. Die eigentliche Vorlage allerdings findet sich bei der tschechischen Autorin Bozena Nemcová (1820 bis 1862). Die Tochter eines österreichischen Kutschers und eines tschechischen Dienstmädchens wurde bereits mit 17 an einen wesentlich älteren Finanzbeamten verheiratet. Die Ehe verlief unglücklich. Der Gatte war gewalttätig, die gemeinsamen vier Kinder ließen Nemcová kaum Zeit für Privatleben. Dennoch tauchte die junge Frau regelmäßig in die Welt des Schreibens ein, zwischen 1842 und 1845 etwa entstanden etliche Märchen

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und Gedichte. Eine Erzählung aus jener Ära ist das genannte „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Ab 1845 publizierte die Autorin vorrangig Reisebilder sowie Eindrücke ihrer Kindheit in Böhmen. Vor allem damit wurde sie zu einer der wichtigsten Autorinnen der tschechischen Nationalliteratur. Und dennoch, der Nachwelt über die Grenzen ihrer Heimat hinaus bleibt Bozena Nemcová erhalten dank „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Eine kurze

Sondern inzwischen als dessen Vater, dem so bestimmenden wie nachdenklichen König. kult! traf den nach wie vor jungenhaft wirkenden Lebemann beim Set zur Show. Das Interview fand in voller KostümMontur statt. Mal ehrlich, wann hat man schon die Möglichkeit, sich mit einem (Märchen-)König zu unterhalten?

Geschichte, die ihren Reiz niemals verlieren wird.

Bei Märchen kommt es in meinen Augen darauf an, dass die Geschichte einfach ist, leicht nachvollziehbar. Sie soll von Jung wie Alt gleichermaßen verstanden werden, wenn vielleicht auch von jedem anders interpretiert. Und ein Märchen muss romantisch sein, meinetwegen sogar kitschig. Bei den „Haselnüssen" funktioniert diese Symbiose ganz ausgezeichnet.

Herr Trávnicek, warum funktioniert diese Geschichte nach 45 Jahren immer noch, ist längst ein Klassiker?

–Interview –

Als die Dreharbeiten zu „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" 1973 begannen, war Pavel Trávnicek gerade mal Anfang 20. Der am 26. Oktober 1950 im tschechischen Konice Geborene sah sich ganz frisch im Schauspielmilieu angekommen, nachdem er zuvor Musik studiert hatte. Gerade mal eine Produktion konnte er nachweisen, den frivolen Film „Trügerische Liebesspiele". Dort war er in einer Nebenrolle zu sehen.

War es nicht merkwürdig, dass Sie bei Aschenbrödel" als Prinz in die Film" historie eingingen und jetzt auf der Theaterbühne als König agieren?

Doch bereits mit dem Nachfolger wurde (Lacht) Ich bin froh, dass man mich der Akteur unsterblich. in meinem gesetzten Alter bei diesem Pavel Trávnicek war für die männliche Stück überhaupt noch mitwirken lässt! Hauptrolle von „Aschenbrödel" rekrutiert Aber Spaß beiseite: Ich bin stolz, den worden, er mimte den Prinzen. Was nicht Generationen-Kelch weitergegeben zu nur an seinen darstellerischen Künsten haben. Und die Rolle des Regenten in lag, sondern auch an seinem umwerfenseiner Zerrissenheit birgt auch eine ganze den Aussehen mit Poster-Boy-Qualität. Menge Spannung in sich. So etwas gefällt Kein Wunder, dass der Charmeur aktuell mir als Schauspieler natürlich sehr. in vierter Ehe verheiratet ist: Er hatte Was gefällt Ihnen so an der Aschen" seit jeher einen Schlag bei Frauen, und brödel"-Geschichte? von dieser Ausstrahlung hat er bis heute Sowohl Film wie Musical besitzen ein nichts verloren. Den Mimen, der sich über unvergleichliches Image. Mir kommt das die Jahrzehnte hinweg auch einen Namen Geheimnisvolle, auch Liebevolle sehr entals Synchronsprecher gemacht hat (er intonierte unter anderem gegen. Denn ich bin bereits seit meiner Jugend ein großer, auf Tschechisch die Stimmen von Steve Guttenberg, Alec ziemlich sentimentaler Romantiker. Baldwin oder Jeff Goldblum) hat seine „Prinzen-Rolle" Wie sehen Sie mit Blick auf Aschenbrödel" das Frauen" niemals losgelassen. Alleine schon deshalb nicht, weil er bild von damals wie von heute? in der Öffentlichkeit immer wieder von sentimentalen wie Als der Film Anfang der 70er Jahre entstand, war die begeisterten Fans darauf angesprochen wird. junge Dame beinahe eine Emanze. Heute sieht das etwas 2017 wurde die „Haselnüsse"-Filmgeschichte zu einer anders aus, es hat sich durch den Feminismus viel getan. imposanten Musicalshow umgeschrieben (zu bestaunen Ich bin mir dennoch sicher, dass Aschenbrödel nach zwischen November 2018 und Februar 2019 in verschiedewie vor kein Heimchen am Herd ist, unterdrückt von der Pavel nen Städten Deutschlands auf der Bühne). Pavel Trávnicek royalen Männerwelt. Sie ist eine Schwärmerin, auch eine Trávnicek war rasch mit an Bord bei der Besetzungsliste. Allerdings Träumerin. Aber mit ganz eigenem Kopf. Ich liebe nicht mehr, seinem Alter entsprechend, als leidenschaftlicher Prinz. dieses Mädchen jedenfalls sehr! GoodTimes

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 Duftträume der Mädchen in den 70er und 80er Jahren 

Mitte der 1970er Jahre gründeten Steve Jobs, Steve Wozniak und Ron Wayne im fernen Los Altos, Kalifornien, die Computerfirma Apple. Dieser wegweisende Schritt wurde jedoch nur von wenigen Menschen zur Kenntnis genommen. Schon gar nicht von den weiblichen Teenagern in Westdeutschland, die bei Äpfeln höchstens an Respond Grüner Apfel Shampoo dachten. Und während sie sich begeistert den Duft frischer grüner Äpfel ins Haar wuschen, nahte eine weitere Innovation: Mit Janine D. von Muelhens (Hersteller und Gralshüter der Marke 4711) zog die erste Parfümserie für junge Mädchen in die heimischen Alibert-Schränke ein. Von Susanne Buck

Blumige Noten von durchdringender Feinheit A

uch den eher konservativen Marketing-Fachleuten von Muelhens war endlich klar geworden, dass sie sich nicht ewig auf Damendüfte wie Tosca und Echt Kölnisch Wasser verlassen konnten. Ein Parfüm für die kommende Generation musste her. Und zwar nach amerikanischem Vorbild. Drei Jahre vorher hatte Revlon in den USA einen Duft namens Charlie herausgebracht, der preisgünstig in Drugstores erhältlich war. In Werbe-Anzeigen für das herbe Duftwässerchen waren junge, selbstbewusste Frauen in Hosen zu sehen, und in Fernsehspots lief der Song ”There's A Fragrance That's Here Today, And They Call It – Charlie!" In einigen Spots trat die Schauspielerin Shelly Hack aus der Serie „Drei Engel für Charlie" in Erscheinung. Die Kampagne war ein Riesenerfolg, Charlie wurde eines der meistverkauften Kosmetikprodukte in den USA und fand weltweit große Resonanz. Muelhens lehnte sich bei der Kampagne für Janine D. eng an dieses Konzept an. Auch in deutschen Illustrierten und auf Plakaten erschienen sportliche Hosenträgerinnen, und im Fernsehen dudelte der Ohrwurm „Hallo, Janine D., du bist wie die Mädchen von heute. Dein Duft, dein Stil gehört zu deiner Welt". Auch bei den Händlern hatte das Unternehmen eifrig die Werbetrommel gerührt. Zum Probefläschchen im apfelgrünen Karton mit topSeite

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modischer Leinen-Optik bekamen sie eine umfangreiche Broschüre mit der Überschrift: „Der Markt ist reif für Janine D." überreicht. „Jede Generation hat ihre Ideale und Lebenseinstellungen. Heute sind es die modernen, selbstbewussten, aktiven jungen Verbraucherinnen. Für sie wurde Janine D. geschaffen. Wir kennen sie, denn wir haben viel geforscht und haben sie gefunden. Sie kommen auch zu Ihnen – und Janine D. – das ist ihr Duft." Trotzdem wäre Janine D., das laut Hersteller „Akkorde von Jasmin und Iris, blumige Noten von durchdringender Feinheit, harmonisch verbunden mit anregend würzigen Tonarten", enthielt, wohl nie so erfolgreich geworden, hätte nicht zur selben Zeit die Geburtsstunde der großen Drogerie-Discounter geschlagen. Drei clevere Jungunternehmer, Anton Schlecker, Dirk Rossmann und Götz Werner, hatten die Zeichen der Zeit erkannt. Sie waren überzeugt, dass der Tresenverkauf für DrogerieArtikel keine Zukunft hatte, und eröffneten ab 1972 die ersten Selbstbedienungs-Drogeriemärkte in Deutschland. Anders als in den bisherigen Fachgeschäften konnten Kundinnen und Kunden nach Lust und Laune selbst in den Regalen stöbern und nach Schätzen suchen. Nicht lange danach fielen auch die Preise in den neuen Discountern. Lange Zeit hatte für Drogerie-Artikel eine Preisbindung

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gegolten, bei der die Hersteller den Verkaufspreis diktierten. Diese Regelung wurde 1974 für unwirksam erklärt. Sehr zum Unwillen vieler Drogisten, die nun in WerbeAnzeigen ihre unverzichtbaren Kompetenzen betonten. Im „Ratgeber für Haus und Familie" erschien zum Beispiel kurz vor Weihnachten eine Anzeige des Drogistenverbandes, die vor dem eigenmächtigen Parfümkauf im Discounter warnte: „Einen Duft auszuwählen, braucht Ruhe. Und jemanden, der in Ruhe probieren lässt. Nicht nur die bekanntesten Düfte, sondern auch die neuesten und aktuellsten. Jemand, der die großen Namen nicht nur kennt, sondern auch anbieten kann. Für Begriffe wie Eau de Toilette, Eau de Parfum, Emulsion, Preshave (...) keine Fremdwörter sind. Kurz – jemanden, der nicht nur freundlich kassiert, sondern auch freundlich berät. Dieser Jemand ist Ihr Drogist." Der Appell verhallte unerhört. Stattdessen strömten genau die Frauen und Mädchen in die Filialen von Schlecker, DM und Rossmann, die die „großen Namen" und Düfte nicht mochten - geschweige denn bezahlen konnten - und nie auf den Gedanken gekommen wären, den Fuß in eine altehrwürdige Parfümerie zu setzen. Für diese Frauen waren unkomplizierte Düfte wie Charlie, Janine D., Inspiré – ein weiterer grüner Duft von 4711 – und eine ganze Reihe neuartiger Parfüm-Deodorants wie Limara und Impuls die ideale Einstiegsdroge ins Land der Düfte. Vom kleinen Taschenflakon bis zur großen Geschenkbox mit Seife, Badeschaum und Körperlotion war für jeden Anlass und Geldbeutel etwas Passendes dabei. Die meisten Parfümflaschen hatten damals noch keinen Zerstäuber. Wer top-modisch sein wollte, füllte sein Parfüm in eine Mini-Flasche ab, die mit einer Kette als dekorativer Duftanhänger um den Hals getragen wurde. Erst an seinem dritten Geburtstag bekam das apfelgrüne Janine D. ernsthafte Konkurrenz. Mit My Melody brachte Muelhens ein Parfüm, speziell für Schulmädchen auf den Markt, das noch erfolgreicher wurde. My Melody war nicht sportlich, sondern blumig und schwamm mit seiner verspielten Verpackung und vielen bunten Blümchen von Anfang an auf der Nostalgiewelle, die mit der Ausstrahlung der Fernsehserie „Unsere kleine Farm" nach Deutschland geschwappt war. Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer nahmen von 1976 bis 1985 Anteil am Schicksal der amerikanischen Farmerfamilie Ingalls, das sich vor der Kulisse des ausgehenden 19. Jahrhunderts abspielte. Dem Look der IngallsTöchter Laura, Mary, Carrie und Grace – rüschiges Patchwork-Kleid bis zum Knöchel, Zöpfe, bauschige Haube, Blümchenschürze und derbe Schnürschuhe – entsprachen auch die Sarah-Kay- und Holly-Hobbie-Puppen, die sich bald rudelartig in den Zimmern halbwüchsiger Mädchen ausbreiteten. Flankiert von ihren gezeichneten Pendants auf Briefpapier, Postern und Bettwäsche. Und genau in dieses Szenario passte der süße Blumenduft von My Melody perfekt. Wer in dieser Zeit zur Schule ging, stellte oft fest, dass Janine D. und My Melody die Mädchenwelt in gegensätzliche Lager spaltete: eine sportlich nüchterne und eine verträumt romantische Fraktion. My Melody hielt sich länger auf dem Markt und bekam im Laufe der nächsten Jahre Flanker in Orange, Grün und GoodTimes

Rosa. Mit dem orangefarbenen My Melody Moschus begleitete Muelhens seine halbwüchsigen weiblichen Fans durch die Pubertät. Wer diese Phase überstanden hatte, griff im Anschluss zu Extase Moschus (ebenfalls aus dem Hause 4711) oder stürzte sich auf das Skandalparfüm Opium, mit dem Yves Saint Laurent 1977 eine Ära opulenter und lauter Damendüfte einläutete. Just zu diesem Zeitpunkt erschien jedoch in Frankreich der Designer-Duft, der bis heute am meisten mit Jugend und mädchenhafter Romantik in Verbindung gebracht wird: Anaïs Anaïs von Cacharel. Schon bei seiner Premiere 1978 war der Duft, der unschuldig in einem weißen Opalglas-Fläschchen mit aufgedruckten Lilien daherkam, eine Sensation. Dafür sorgten nicht nur die florale Rezeptur mit hellen Blüten und einem tüchtigen Schuss Weihrauch und Sandelholz, sondern auch die geschickt in Szene gesetzte Werbekampagne mit Bildern der französischen Fotografin Sarah Moon. Auf den in Fettlinsen-Optik aufgenommenen Fotos waren nicht nur die fließenden Blumenstoffe von Cacharel zu sehen, sondern auch hübsche junge Frauen, die miteinander turtelten. Die Macher von Anaïs Anaïs loteten hierbei geschickt die Grenzen von jugendlicher Unschuld, romantischer Träumerei, erwachender Sexualität und weiblicher Selbstbestimmung aus. Und auch der Name war bestimmt kein Zufall, denn das Parfüm kam unmittelbar nach der Veröffentlichung der erotischen Kurzgeschichten von Anaïs Nin auf den Markt. Lassen sich Düfte wie My Melody heute als olfaktorische Antwort auf „Unsere kleine Farm" und Sarah-Kay-Bildchen lesen, weckt Anaïs Anaïs Assoziationen an die gesofteten Erotik-Filme von David Hamilton wie „Bilitis" und „Zärtliche Cousinen". Filmplakate und Poster von David Hamilton mit extrem jungen Frauen hingen sogar in vielen Mädchenzimmern, ohne dass die pädophilen Aspekte dieser Kitschbilder Anstoß erregten. Erst 20 Jahre später sollte Hamilton dafür in die Kritik geraten, aber das ist eine andere Geschichte … Das Parfüm Anaïs Anaïs jedenfalls war ein sagenhafter Erfolg und gehört bis heute weltweit zu den meistverkauften Düften. Nach wie vor begeistert er vor allem Jüngere, laut Statistik wird über die Hälfte der weißen Opalglas-Flakons an Frauen unter 25 verkauft. Janine D. und My Melody hingegen verschwanden irgendwann still und heimlich vom Markt. Wer sein Gedächtnis partout auffrischen möchte, kann bei Internetauktionen alte Flakons zu oft horrenden Preisen erwerben. Ob sich diese Ausgabe wirklich lohnt? Vielleicht ist es besser, in schönen Erinnerungen zu schwelgen als enttäuscht festzustellen, dass man den in der Teenagerzeit geliebten Duft heute gar nicht mehr so schön, womöglich sogar ganz schrecklich findet. Heute erscheinen jährlich rund 4000 neue Düfte; nur ein Bruchteil von ihnen überlebt die ersten fünf Jahre, und noch viel weniger halten sich länger am Markt. Zu den Drugstore-Klassikern, die noch immer erhältlich sind, gehört Charlie. Inzwischen trägt er den Nachnamen Blue, denn mit Charlie Red, Charlie Gold, Charlie White kam eine ganze Reihe von Geschwistern in unterschiedlichen Duftrichtungen hinzu. Sie finden Charlie Blue in einschlägigen Drogerie-Discountern. Und genau wie damals zum Taschengeldpreis. 1/2019

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* Teddy Ibing

Sie sind seit 45 Jahren das Aushängeschild der deutschsprachigen Country-Musik: Truck Stop, die Cowboys von der Waterkant. Nach dem Tod der Gründungmitglieder Burkhard † † "Lucius" Reichling ( 2012) und Günter "Cisco" Berndt ( 2014) ist die Gruppe seit ein paar Jahren in einer "2000.0-Besetzung" unterwegs, wie es Schlagzeuger Wolfgang "Teddy" Ibing, das letzte verbliebene Gründungsmitglied, nennt. Truck Stop 2018, das sind neben dem Trommler Andreas Cisek (Gesang, Gitarre), Knut Bewersdorff (Pedalsteel, Gitarre, Dobro), Chris Kaufmann (Gitarre, Mandoline), Uwe Lost (Bass) und Tim Reese (Fiddle, Banjo, Gitarre). Derzeit arbeitet die Band an einem Album, das im Frühjahr 2019 erscheinen soll, hat die Aufnahmen aber für eine Tournee zum "krummen" Jubiläum bis Anfang Dezember unterbrochen. Teddy Ibing blickte für kult! zurück und nach vorne. Teddy, wie läuft das Songschreiben heute bei Truck Stop?

Andreas Cisek, unser neuer Frontmann, schreibt viel. Außerdem haben sie zu dritt viele Titel verfasst, und zwar Chris Kaufmann, unser Gitarrist aus Südtirol, und Tim Reese, der Geiger aus Kiel. Andreas und Tim sind nach Bozen gefahren, wo Chris ein kleines Studio hat. Da haben sie sich einige Sachen ausgedacht.

In Fankreisen gab und gibt es heftige Diskussionen darüber ... Ja, das sind die Ewiggestrigen, für die alles so sein muss wie früher. Aber wir haben uns ja auch weiterentwickelt, die Musik ebenso. Wir sind auch darauf angewiesen, wieder jüngeres Publikum ranzukriegen – die Alten sterben ja langsam weg (lacht).

Hat man das im Hinterkopf, wenn man neue Songs macht?

Foto: © NikMa Verlag

(Lacht) Über YouTube. Wir hatten ja eine Zeit lang Dirk Schlag, der zehn Jahre bei uns war, ehe er immer mehr zu Santiano abwanderte. Er sagte, er habe auf YouTube einen Gitarristen gesehen, der passen würde. Wir haben Chris angerufen, er kam hoch – das hat keine halbe Stunde gedauert, dann war klar: Das isses. Auch vom Typ her, das ist ja auch wichtig, dass du keine Stinkstiefel in der Kapelle hast. Das muss auch menschlich passen, denn man hockt ja mehr mit den Kollegen zusammen als mit der Familie.

Und das seit mittlerweile 45 Jahren, oder?

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Truck Stop 1978

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© Pressefoto

Lucius mussten wir uns ja neu erfinden, weil wir einfach weitermachen wollten.

Wie kommen die Cowboys von der Elbe zu einem Südtiroler Gitarristen?

Ja. Ich bin ja der letzte Mohikaner. Uwe Lost kam 1978 dazu, 1984 dann Knut. Nach dem Tod von Cisco und

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Cowboys von der Waterkant

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Ja, klar. Wir haben zum Beispiel auf dem neuen Album, an dem wir gerade arbeiten, einen Titel, der total nach Johnny Cash klingt. Das ist der Spagat, der uns gelingen sollte, die Alten mitzunehmen und Neue dazuzugewinnen. Es ist auch ein Titel dabei, "Helden", in dessen Text Cisco und Lucius vorkommen. Wenn wir im November auf Tour gehen, lassen wir bei je einem Lied die Originalstimmen von Lucius und Cisco vom Band kommen und wir spielen live dazu. Das beschränkt sich aber auf die Konzerte. Wir feiern ja 45 Jahre Truck Stop, und das wird sich auch im Liveset widerspiegeln: Wir spielen alte Kamellen, aber auch die neuesten Lieder – einmal querbeet.

Was hat euch damals eigentlich so in die

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Country-Ecke gezogen, als ihr 1973 angefangen habt?

Lucius, Cisco und Erich (Doll) haben damals als Einzelkünstler in der Blockhütte auf der Großen Freiheit gespielt, gleich neben dem Grünspan. Sie hatten die Idee, eine Band zu machen. Ich wohnte mit Lucius in einer musikalischen studentischen Verbindung, wo ich mit meinem jetzigen Hausarzt und damaligen Schulfreund gejazzt habe. Sie brauchten einen Trommler, Lucius hat mich bearbeitet: „Wir suchen einen festen Trommler, haben bis jetzt keinen gefunden – mach doch so lange mit, bis wir einen festen Trommler haben." Darauf warte ich heute noch (lacht)! 45 Jahre Aushilfstrommler!

Ihr habt zu Anfang vier englischsprachige Alben gemacht?

Es fing ja in seiner Sendung an mit der Frau Zindler. Er wollte dann ein Lied daraus machen und merkte, dass das wie ein Country-Song war. Er rief uns an, ob wir nicht Lust hätten, mitzumachen, denn wenn Country, dann Truck Stop. War eine geile Zeit!

Ihr habt für die TV-Vorabendserie "Großstadtrevier" den Titelsong "Große Haie, kleine Fische" beigesteuert ...

Wir waren bei einem Benefiz-Fußballspiel für die Deutsche Krebshilfe in Harburg dabei, mit der Uwe-Seeler-Elf, Wolfgang Overath und den ganzen alten Stars. Wir sollten dann hinterher Musik machen, haben auch mitgespielt – ich im Tor (lacht)! Stadionsprecher war der Regisseur Jürgen Roland („Stahlnetz"). Der sagte, er sei dabei, eine neue Serie zu machen, ihm fehle noch ein Titelsong. Den haben wir gemacht, Roland schnappte sich das Demo – die haben all die Jahre das Demo gespielt, das noch gar nicht fertig produziert war.

Foto: © NikMa Verlag

Ja, so haben wir angefangen. Das waren zum Teil Coverversionen, Cash-Lieder und so weiter, dazu ein, zwei eigene. Die Platten wurden immer besser, die Verkäufe immer schlechter. Mitte der 70er Jahre haben Macht ihr solche Sachen öfter? wir uns überlegt, Udo Lindenberg macht Nein, das waren Zufälle. Wir haben mal so Rock auf Deutsch, da gab es diese ganzen Werbedinger gemacht, für dpd, MAN, die Krautrocker, alle versuchen es auf Deutsch Lkw, aber das ist eher die Ausnahme. – da haben wir gesagt: Jetzt machen wir Wie sieht Country-Deutschland eiTruck Stop 1982 noch einen Versuch, wir versuchen es mit gentlich aus, seid ihr vor allem im Country in Deutsch – wenn das nicht funktioniert, hören wir auf! Und Norden unterwegs? dann ging es richtig ab (lacht). Wir spielen 90 Prozent südlich von Kassel. Im Norden läuft CountryIhr seid dann in dieser Country-Schublade festgesteckt – Musik sehr schlecht. Nach dem Krieg waren bis Kassel hoch die Amerikaner, und da lief AFN, American Forces Network, der Radiosender. welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht? Da kannte die Bevölkerung natürlich Johnny Cash und das ganze Ja, im Grunde stecken oder steckten wir die ganze Zeit in dieser Zeug. Hier im Norden waren die Engländer, da lief keine Schublade, wo zum Beispiel die Medien nicht so recht wussten, wohin Country-Musik. Und nach dem Mauerfall ging's im Osten mit uns – in die volkstümliche Ecke, in die Schlagerecke? Im Grunde los, dort auch in den südlichen Regionen, in Sachsen und haben wir auch alles mitgemacht, vom „Musikantenstadl" bis „Carmen in Thüringen. Im Norden tun wir uns schwer (lacht). Da Nebel". Wir sind immer so ein bisschen anders (lacht), das finde ich aber unten gibt's mehr Feste, früher diese deutsch-amerikaauch gut! Wir haben unsere Ecke, die wir behaupten. Wie kam es 1999 eigentlich zum "Maschendrahtzaun" mit nischen Freundschaftsfeste und Western-Clubs – das Philipp Roser gab es hier oben alles gar nicht. Stefan Raab?

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DAS LETZTE ALBUM VON HEINO! AB 23.11.18 ÜBERALL. GoodTimes

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Das Jahr 1978

Drei Papas habemus, Disco-Fieber allerorten und Tagesthemen für politisch interessierte Nachteulen Von Matthias Bergert und Michael Fuchs-Gamböck So viel Papst bzw. Päpste gab es nie wie 1978, nämlich stolze drei am Stück. Da war zunächst der selig entschlummerte Paul VI., nach dessen Tod Johannes Paul I., der nach nur 33 Tagen Amtszeit unter bis heute mysteriösen Umständen verstarb, und schließlich Johannes Paul II., der den Katholiken und der Welt mehr als ein Vierteljahrhundert als Oberhaupt erhalten blieb. Ansonsten wippte die vor allem junge Menschheit stramm im Disco-Takt. Große Anführer dieser rhythmischen Bewegung waren musikalisch die Bee Gees und als lebendes, äußerst attraktives Gummiknochen-Gestell der Schauspieler John Travolta, der

Zeitgeschehen

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Zum Jahresbeginn werden Großbritannien, Irland und Dänemark Vollmitglieder der EG. *** Am 6.1. gibt US-Außenminister Cyrus Vance mit einer Delegation des US-Kongresses in Budapest die ungarischen Kroninsignien mitsamt der Stephanskrone zurück. Die Insignien und die Krone waren seit Ende des Zweiten Weltkriegs in amerikanischem Besitz gewesen. *** Das Ost-Berliner Büro des Nachrichtenmagazins Spiegel" wird am 10.1. auf Anordnung des DDR-Außenministeriums " geschlossen. Auslöser war ein Bericht über die Opposition in der DDR. *** Nordrhein-Westfalens Finanzminister Friedrich Halstenberg (SPD) stolpert am 17.1. über die Poullain-Affäre. Am selben Tag verliert Ludwig Poullain (zurückgetretener Vorstandsvorsitzender der Westdeutschen Landesbank Girozentrale) seinen Job, weil er einen Beratervertrag hatte. *** Verteidigungsminister Georg Leber (SPD) tritt am 2.2. nach Bekanntwerden einer Abhöraktion des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) zurück. *** In Israel werden am 11.3. bei einem Anschlag der PLO 37 Menschen getötet ( Küstenstraßen-Massaker"). Daraufhin " wird die „Operation Litani" gestartet, bei der 25.000 israelische Soldaten in den Libanon einmarschieren. *** Italiens Ex-Ministerpräsident Aldo Moro wird am 13.3. von der Terrorgruppe Rote Brigaden entführt und später ermordet. Aldo Moro *** In Pakistan wird dagegen am 18.3. der frühere Ministerpräsident Zulfikar Ali Bhutto zum Tode verurteilt. *** Am 27.4. findet in Afghanistan ein Militärputsch gegen Mohammed Daoud Khan statt Seite

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im Vorjahr mit dem Streifen Saturday Night Fever" und 1978 mit " Grease" endgültig zum Film-Superstar avancierte. Scheinbar " hatte auch Dauer-Grummler Bob Dylan in jenem Jahr etwas vom Disco Fever" mitbekommen, denn bei seiner ersten Deutschland" Tournee überhaupt trat er nicht im Holzfällerhemd, sondern im Glitzergewand auf. Ansonsten erlebte 1978 die erste Ausgabe der Tagesthemen", bis heute die relevanteste Nachrichtensendung " für politisch interessierte Nachteulen. Und auch das US-SklavenDrama Roots" zog Millionen von TV-Zuschauern gebannt vor den " Bildschirm. Wie immer war es ein buntes Jahr … („Revolution vom 7. Saur 1357"), woraufhin die Demokratische Republik Afghanistan ausgerufen wird. Neuer Präsident wird Nur Muhammad Taraki. *** Das Schloss Versailles wird am 26.6. durch einen Sprengstoffanschlag stark beschädigt. Verantwortlich sind bretonische Separatisten. *** Militärputsch in Mauretanien: Staatspräsident Mokhtar Ould Daddah wird am 10.7. gestürzt. *** Eine Woche später wird Ali Abdullah Salih Präsident der Jemenitischen Arabischen Republik (Nordjemen). Nach der Vereinigung von Nordjemen Alice Schwarzer und Südjemen amtiert er von 1990 bis 2012 als Präsident der Republik Jemen. *** Niederlage für Alice Schwarzer: Ihre Sexismus-Klage gegen die Zeitschrift „Stern" wird am 26.7. vom Landgericht Hamburg abgewiesen. *** Der baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) tritt am 7.8. zurück. Auslöser war das Bekanntwerden vierer Todesurteile, die er als Marinerichter 1943 und 1945 beantragt oder gefällt hatte. Nachfolger von Filbinger wird Lothar Späth. *** Am 19.8. wird ein Brandanschlag auf ein Kino in der iranischen Stadt Abadan verübt. 430 Menschen sterben. Initiiert wurde der Anschlag von schiitischen Geistlichen um Ruhollah Chomeini. *** Dramatische Szenen spielen sich am 22.8. in Nicaraguas Hauptstadt Managua ab. Ein FSLN-Kommando stürmt den Nationalpalast und nimmt Parlamentarier, Minister und Familienangehörige des Diktators Anastasio Somozo Debayle als Geiseln. 60 Gefangene werden daraufhin freigelassen. *** Zwei DDR-Bürger entführen am 30.8. ein polnisches Flugzeug. Die Piloten werden in Tempelhof (West-Berlin) zur Landung

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gezwungen – 9 der 62 Passagiere nutzen daraufhin die Möglichkeit zur Flucht aus der DDR. *** Unruhen im Iran: Am 8.9. kommt es infolge von Demonstrationen gegen Schah Mohammed Rezi Pahlavi zu Ausschreitungen. 64 Demonstranten sterben. *** Am 17.9. wird das Camp-David-Abkommen geschlossen, um den Frieden im Nahen Osten zu sichern. Unterzeichner sind Ägyptens Präsident Anwar asSadat, Israels Ministerpräsident Menachem Begin und US-Präsident Jimmy Carter. *** Pieter Willem Botha wird am 29.9. Ministerpräsident von Südafrika. Er bleibt bis 1984 im Amt und ist danach bis 1989 Staatspräsident der Republik Südafrika. Unter seiner Regierung kommt es zu einer Verschärfung der Apartheid-Gesetze und einer zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft. *** Habemus papam: Am 16.10. wird Johannes Paul II. zum Papst gewählt. Sein Vorgänger Johannes Paul I. war nach nur 33 Tagen Amtszeit gestorben. Johannes Paul II. fungiert dagegen mehr als 26 Jahre als Oberhaupt der katholischen Kirche. *** In Österreich gibt es am 5.11. eine Volksabstimmung gegen das erste und einzige kommerzielle Kernkraftwerk Zwentendorf. Mit 50,47% der Stimmen wird dessen Inbetriebnahme abgelehnt. Kurz darauf tritt das Atomsperrgesetz in Kraft (Dezember 1978) – demnach dürfen in Österreich auch in Zukunft keine Kernkraftwerke ohne Volksabstimmung gebaut werden. *** Am 6.11. wird Franz Josef Strauß (CSU) als Nachfolger von Alfons Goppel zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt. *** Am 23.11. tritt der Genfer Wellenplan in Kraft. Ziel ist die Neuordnung der Senderfrequenzen der Franz Josef Strauß Radiosender im Lang- und Mittelwellenbereich. Zuvor war es aufgrund der Vielzahl der Sender vermehrt zu gegenseitigen Störungen gekommen. *** In Kurdistan wird am 27.11. die kurdische Arbeiterpartei PKK gegründet. *** Am 25.12. marschieren vietnamesische Truppen in Kambodscha ein.

Sport

1978

Der ehemalige Fußballnationalspieler Günter Netzer wird einen Tag nach Neujahr zum Manager des Hamburger SV berufen. Der charismatische Ex-Nationalspieler behält diese Position bis 1986 und verändert das Team nachhaltig und zu dessen Vorteil. *** Im schweizerischen Les Diablerets gewinnt die österreichische Skiläuferin Annemarie Moser am 13.1. nach zwei Jahren Rennpause die Weltcup-Abfahrt. *** Die Nationalmannschaft der BRD wird am 5.2. mit einem knappen 20:19-Erfolg über Olympiasieger Sowjetunion HandballWeltmeister der Herren beim Turnier in Dänemark. Das Team erringt dabei seinen zweiten WM-Titel, den ersten gab es 1938. *** In Daytona Beach (US-Bundesstaat Florida) siegt am 5.2. der bundesdeutsche Fahrer Rolf Stommelen auf Porsche gemeinsam mit seinem holländischen Teamkollegen Toine Hezemans sowie dem Briten Peter Gregg souverän im 24-Stunden-Rennen. *** Am 14.2. gibt der Fußballspieler Johan Cruyff öffentlich seinen Rücktritt aus der holländischen Nationalmannschaft bekannt. Der Kapitän des Teams war knapp vier Jahre zuvor eine der schillerndsten Figuren bei der WM, seine Elf schaffte es bis ins Finale, musste sich dort allerdings am 7.7.1974 Deutschland geschlagen geben. *** Im Hilton Hotel in Las Vegas (US-Bundesstaat Nevada) erringt der junge amerikanische Boxer Rolf Stommelen Leon Spinks am 15.2. völlig überraschend einen Punktsieg über seinen Landsmann Muhammad Ali. Dadurch wird er Weltmeister aller Klassen. *** Der Deutsche Fußballbund schließt Franz Beckenbauer am 14.4. als Spieler von der Teilnahme der WM in Argentinien aus. Er hatte von seinem damaligen Verein Cosmos New York keine Freigabe zu den WM-Lehrgängen erhalten. *** Einen Tag später siegt der 1. FC Köln in Gelsenkirchen beim Finale im DFBVereinspokal gegen den ewigen Rivalen Fortuna Düsseldorf mit 2:0. Nur zwei Wochen später werden die „Geißböcke" dank eines 5:0-Siegs über den FC St. Pauli auch noch Deutscher Fußballmeister, übrigens zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte. *** Am 13.5. läuft in Seattle im US-Bundesstaat Washington der kenianische Leichtathlet Henry Rono mit 8:05,4 Minuten Weltrekord über 3000 Meter Hindernis. *** Am Tag darauf wird das sowjetische Team nach einem 3:1-Sieg über Titelverteidiger CSSR Weltmeister bei der Eishockey-WM. GoodTimes

Größte Schmach für die Verlierer: Das Finale findet ausgerechnet in der tschechischen Hauptstadt Prag statt. *** Am 18.5. erklärt der belgische Jahrhundert-Radrennfahrer Eddy Merckx bei einer Pressekonferenz seinen endgültigen Rücktritt vom Leistungssport. *** Am 1.6. eröffnet der argentinische Staatspräsident (bzw. Diktator) Jorge Rafael Videla im River-Plate-Stadion von Buenos Aires die 11. FußballWeltmeisterschaft. Im Eröffnungsspiel tut sich Titelverteidiger Deutschland schwer, das Team erreicht gerade mal ein 0:0 gegen Außenseiter Polen. *** 24 Tage später wird das Gastgeberland Argentinien Fußball-Weltmeister nach einem 3:1-Erfolg über die Niederlande. *** Durch einen Sieg über die favorisierte US-Amerikanerin Chris Evert gewinnt die Exil-Tschechoslowakin Martina Navratilova am 7.7. das Damen-Einzel der offenen englischen Tennismeisterschaften in Wimbledon. Es ist ihr erster Triumph in der englischen Tennis-Kultstätte und gleichzeitig der erste von insgesamt 18 Einzeltiteln bei Grand-Slam-Turnieren. *** Einen Tag später gewinnt auf demselben Platz der schwedische Björn Borg Tennisspieler Björn Borg das Herren-Einzel gegen den US-Amerikaner Jimmy Connors. Dieser revanchiert sich am 10.9., als er Borg beim Finale der US Open in New York besiegt. *** Nach seiner schweren Niederlage im Box-Europameisterschaftskampf gegen den Briten Alex Minter (19.7.) fällt der italienische Mittelgewichtler Angelo Jacopucci ins Koma. Der Italiener stirbt am nächsten Tag an seinen schweren Verletzungen. *** Die Italienerin Sara Simeoni stellt bei einem Sportfest in Brescia (4.8.) mit 2,01 Metern einen neuen HochsprungWeltrekord auf, den sie am 31.8. bei der Leichtathletik-EM in Prag egalisiert – und damit die Goldmedaille gewinnt. *** Zwischen den beiden US-Amerikanern Danny Price und Randy Nunes beginnt am 20.8. eine Rekord-Tischtennispartie, die mit einer Gesamtdauer von 132 Stunden und 31 Minuten in die Geschichte des Sports eingeht. Das Duell wird auch ins Guinness-Buch der Rekorde" aufgenommen. " *** Kurz nach dem Start kommt es beim Automobilpreis von Italien im Autodrom von Monza am 10.9. zu einer Massenkarambolage. Dabei geht der Wagen des schwedischen Fahrers Ronnie Peterson in Flammen auf. Am Tag darauf erliegt er seinen Verletzungen. *** Bei der Leichtathletik-WM in Gettysburg (US-Bundesstaat Pennsylvania) wird der deutsche Gewichtheber Rolf Milser am 8.10. Weltmeister im Mittelschwergewicht. *** Der Deutsche Sportbund teilt am 11.10. öffentlich mit, dass die Leichtathleten der BRD bei internationalen Veranstaltungen in Zukunft unter der Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland" starten werden. Bis dahin waren sie unter dem Signet „Deutschland" ins Rennen gegangen. *** Im entscheidenden sechsten Duell gewinnt Schach-Ass Anatoli Karpow aus der Sowjetunion am 18.10. die Partie gegen den Exil-Russen Viktor Kortschnoi. Dadurch sichert er sich den Weltmeister-Titel. Es ist die bis dahin längste Schach-Schlacht aller Zeiten. *** Bei einem Länderspiel gegen Ungarn (15.11.) verabschiedet der DFB im Frankfurter Waldstadion Christa Kinshofer den bisherigen Nationaltrainer Helmut Schön. Das Match wird auf Grund dichter Nebelschwaden beim Stand von 0:0 nach 60 Minuten abgebrochen. *** Im französischen Val d’Isère gewinnt die gerade mal 17-jährige deutsche Skifahrerin Christa Kinshofer am 18.12. das Weltcup-Rennen im Riesenslalom.

Funk & Fernsehen

1978

Gleich zu Beginn des Jahres, am 2.1., startet das ARD mit der fulminanten Nachkriegsserie Magere Zeiten". 16 Episoden lang sitzen " Millionen von Zuschauern gebannt vor dem Bildschirm. Erzählt wird eine Story der Jahre 1945 bis 1948: Ein Tieffliegerangriff hat den Bus eines Frontkabaretts getroffen. Die Reihe zeigt, wie sich die Überlebenden der Gruppe wieder hochrappeln und gemeinsam versuchen, ein besseres Leben zu führen. Hauptdarsteller sind renommierte TV-Mimen wie u.a. Karin Anselm, Wolfgang Völz oder Walter Buschhoff. *** Am selben Tag zeigt der Konkurrenzsender ZDF die erste Folge der Kriminalserie SOKO " 5113". Was diese Serie auszeichnet, ist die Realitätsnähe der gezeigten Fälle, ohne dass der Humor dabei verlorengeht. „SOKO 5113" existiert auf der Mattscheibe bis heute, aktuell sind mehr als 40 Staffeln mit über 1/2019

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600 Folgen abgedreht. Ein Ende ist nicht abzusehen. *** Am 2.1. startet noch eine dritte Sendung, deren Einführung einer kleinen Revolution gleichkommt: Das ARD-Nachrichtenmagazin Tagesthemen" löst " die Spätausgabe der „Tagesschau" ab. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten entwickelt sich die Sendung zu einem noch heute gern gesehenen Dauerbrenner für politisch interessierte Nachteulen. *** Zehn Tage späSOKO 5113" ter gibt sich, ebenfalls auf ARD, der " Agent John Steed (gespielt von Patrick Macnee) in der Neuauflage von Mit Schirm, Charme und Melone" die Ehre. Ganz in britischer " Manier werden meist skurrile Fälle aufgeklärt, insgesamt werden 26 Episoden gezeigt. *** Vom 9.2. an zeigt ARD die Talkshow Bio’s " Bahnhof" – Gastgeber ist Alfred Biolek, ein Gentleman durch und durch. Während der Live-Übertragung lässt Biolek sowohl Stars als auch Amateure zu Wort kommen, und selbst das Publikum wird ins Geschehen mit einbezogen – es „menschelt" angenehm, und „Bio" entlockt seinen Gästen gerne überraschende Anekdoten. Bis 1982 werden 30 Ausgaben ausgestrahlt. *** Nachdem die achtteilige US-Serie Roots" im Vorjahr in ihrer Heimat für 130 Millionen Zuschauer pro " Folge sorgte und mit neun Emmys und 135 weiteren Preise prämiert wurde, entwickelt sie sich ab dem 26.2. auch in Deutschland zum Straßenfeger. Erzählt wird die Geschichte der amerikanischen Sklaverei anhand einiger Protagonisten, deren Entwicklung man eindrucksvoll mitverfolgen kann. *** Am 2.4. wird auf dem US-Fernsehsender CBS die erste Folge von Dallas" ausgestrahlt. Es " wird eine der erfolgreichsten und beliebtesten TV-Serien aller Zeiten, die in den nächsten "Dallas" Jahren beinahe überall auf der Welt zu sehen ist. Vor allem der gerissene Öl-Magnat J.R. Ewing (gespielt von Larry Hagman) ist bis heute Kult. *** Am 6.5. wird die letzte Folge der wöchentlichen Hörfunkreihe Wo uns der Schuh drückt" vom Sender Freies Berlin ausgestrahlt. " In dieser Sendung spricht der jeweilige Regierende Bürgermeister von Berlin direkt und ohne redaktionelle Begleitung zur Bevölkerung. *** Am 12.7. wird in der vor allem bei jungen Hörern populären Ö3-Sendung Die Musicbox" eine von Wolfgang Kos und Joachim Riedl gestaltete " Sendung unter dem Titel Rockmusik und Faschismus" ausge" strahlt. Auslöser dafür ist das – zum Teil bewusste – Kokettieren der frühen britischen Punkbewegung mit Tabuthemen wie Faschismus und Holocaust. Ausführlich zu Wort kommen dabei Stars wie David Bowie, The Stranglers oder Bob Geldof. *** Am 30.8. beginnt der Schweizer Radiosender DRS mit der Ausstrahlung seines Programms zumindest teilweise in Stereo. *** Ab dem 30.9. sitzen Jung und Alt vor der Glotze, um sich im ZDF die 26 in England produzierten Episoden von Fünf " Freunde" anzuschauen. Die Serie entstand nach den gleichnamigen Kinderbüchern der Bestsellerautorin Enid Blyton (1897–1968). Sie ist spannend, aber nie brutal, witzig, aber nie plump. Dank des großen Erfolges Fünf Freunde" " werden 1995 weitere Abenteuer der vier Jugendlichen und des schlauen Hundes Timmy fürs TV verfilmt. *** Ebenfalls von Jung und Alt heiß geliebt wird das vierteilige Marionettenspiel Jim Knopf und die Wilde 13", welches die ARD " ab dem 26.11. ausstrahlt. Das poetisch-witzige Skript stammt von KultAutor Michael Ende („Momo", „Die unendliche Geschichte"). Inszeniert wird die Geschichte von der legendären Augsburger Puppenkiste. *** Zum ersten Mal – und bis heute – lässt das ZDF am Nachmittag des 31.12. das Jahr mit dem Silvesterkonzert" ausklingen. Für die musi" kalische Gestaltung zuständig sind die Berliner Philharmoniker.

Film

1978

Bei den westdeutschen Filmproduktionen von 1978 sind mehrere Streifen zu nennen, die zwar kein Millionenpublikum anziehen, aber zumindest in Fachkreisen sehr gut ankommen. Hierzu zählen der von elf Regisseuren (u.a. Rainer Werner Fassbinder und Volker Schlöndorff) inszenierte Episodenfilm „Deutschland im Herbst", der die turbulenten Ereignisse des Jahres 1977 aufgreift und heute als einer der wichtigsten Seite

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deutschen Filme gilt. Daneben ist auch Hans W. Geißendörfers Film „Die gläserne Zelle" zu nennen, der auf einer Vorlage von Patricia Highsmith basiert. Auch Alf Brustellins „Taugenichts" (nach Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts") und Peter Handkes Regiedebüt „Die linkshändige Frau" sorgen bei Filmkennern für Begeisterung. *** Unter den Defa-Produktionen aus der DDR ragt vor allem Günter Reischs Filmkomödie „Anton der Zauberer" heraus, der die jüngere DDR-Vergangenheit ironisch aufs Korn nimmt und dennoch nicht beim Regime aneckt. Außerdem herausragend: „Ich zwing dich zu leben" (über die letzten Kriegstage im Erzgebirge) und „Das Versteck" (mit Jutta Hoffmann und Manfred Krug). Für junge Zuschauer werden weiterhin Indianerfilme produziert, wie „Severino", doch das Genre hat zu diesem Zeitpunkt keine Zukunft mehr. *** Von den internationalen Filmproduktionen haben sich einige bis heute als Dauerbrenner erwiesen. An erster Stelle ist hierbei George Lucas’ Science-FictionKultklassiker „Krieg der Sterne" zu nennen, der in den USA schon 1977 anlief. Die Hauptdarsteller Mark Hamill, Harrison Ford und Carrie Fisher schaffen mit diesem Film den Durchbruch. Apropos Durchbruch: John Travolta spielt im Musikfilm „Grease" an der Seite von Olivia Newton-John und festigt seinen Ruf als Teenieschwarm, den er sich wenige Monate zuvor durch den Tanzfilm „Saturday Night Fever" (dt.: „Nur Samstag Nacht") erarbeitet hatte. Enorm populär ist auch Sam Peckinpahs Trucker-Film „Convoy", in dem Kris Kristofferson einem korrupten Sheriff (gespielt von Ernest Borgnine) den Kampf ansagt. Spannende Unterhaltung verspricht auch die Agatha-ChristieVerfilmung „Tod auf dem Nil", in der der unnachahmliche Peter Ustinov den belgischen Meisterdetektiv Hercule Poirot verkörpert. Eher auf das junge Publikum zugeschnitten sind drei Filme mit dem schlagkräftigen Bud Spencer: „Plattfuß in Afrika", „Sie nannten ihn Mücke" und „Zwei sind nicht zu bremsen" (letztgenannter mit Spencers langjährigem Schauspielerkumpel Terence Hill). Alle genannten Filme landen 1978 in der Jahres-Top-10 und locken jeweils mehr als drei Millionen Zuschauer ins Kino – die Spitzenplätze belegen dabei „Zwei sind nicht zu bremsen" (5,3 Mio.), „Grease" (4,9 Mio.) und „Krieg der Sterne" (4,6 Mio.). *** Die 50. Oscar-Verleihung findet am 3.4. im Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles statt. Die großen Abräumer sind „Krieg der Sterne" (zehn Preise), Steven Spielbergs „Unheimliche Begegnung der dritten Art" (acht Preise) sowie Woody Allens „Der Stadtneurotiker" und Herbert Ross’ „Der Untermieter" (je fünf Preise). Der Abend ist für Ross somit zumindest halbwegs erfolgreich, denn sein anderer Film „Am Wendepunkt" geht trotz elf Der Stadtneurotiker" Nominierungen leer aus. „Bester Film" " wird „Der Stadtneurotiker", und als beste Hauptdarsteller werden Richard Dreyfuss und Diane Keaton ausgezeichnet. *** Bei den 31. Internationalen Filmfestspielen von Cannes (16.–30.5.) erhält „Der Holzschuhbaum" (Regie: Ermanno Olmi) die „Goldene Palme". Als beste Schauspieler werden Jon Voight („Coming Home") sowie Jill Clayburgh („Eine entheiratete Frau") und Isabelle Huppert („Violette Nozière") geehrt. *** Bei der 28. Berlinale (22.2.–5.3.) gewinnt José Luis García Truchas den Goldenen Bären für „Las Truchas". Den Preis als beste Hauptdarsteller nehmen Craig Russell („Ausgeflippt") und Gena Rowlands („Opening Night") entgegen. Als Jury-Präsidentin fungiert in diesem Jahr Patricia Highsmith. *** Abschließend gibt es noch zwei Kuriositäten zu vermelden, die im Filmjahr 1978 für Aufsehen sorgen: Zum einen wird am 2.3. Charles Chaplins Sarg von zwei osteuropäischen Automechanikern gestohlen. Zum anderen veröffentlicht der US Supreme Court am 3.7. eine Liste von obszönen Worten, die in Film und Fernsehen sowie im Radio nicht gesagt werden dürfen: shit, piss, fuck, cunt, cocksucker, motherfucker und tits. Das Verbot wird im Jahr 2010 aufgehoben.

Musik

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Am 16.2. wird der Dokumentarfilm Abba – The Movie" (1977 " von Star-Regisseur Lasse Hallström gedreht) erstmals in deutschen Lichtspielhäusern gezeigt. Im Laufe des Jahres finden sich mehr als fünf

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Millionen Besucher in den Kinos ein. *** Im Frühjahr wird die DDR-Band Silly ins Leben gerufen. Zunächst als eher alberne „Neue-DeutscheWelle-Gruppe des Ostens" belächelt, avanciert die Formation um die charismatische Sängerin Tamara Danz (1952–1996) rasch zu einem Aushängeschild der DDRRockszene. *** Nach nur drei Jahren lösen sich im Frühjahr die Punkpioniere The Silly 1978 Sex Pistols auf. Während einer Tournee durch die USA zerstreitet sich Sänger Johnny Rotten heillos mit Manager Malcolm McLaren und steigt spontan aus. McLaren hält die Band ohne den Frontmann noch wenige Monate zusammen, dann ist es vorbei. Die Gruppe bringt es auf gerade ein Studio-Album – und besitzt dennoch bis heute Ikonen-Status. *** Bob Dylan kommt im Juni/Juli zum ersten Mal auf Deutschland-Tournee. Der legendäre Singer/Songwriter präsentiert seine Folkhymnen jedoch nicht wie erwartet spartanisch, sondern mit zwölfköpfiger Band. Ebenfalls überraschend: Der Maestro selbst zeigt sich auf der Bühne wie ein Las-Vegas-Entertainer im Glitzergewand. *** Ab dem 4.9. findet eine Änderung hinsichtlich des Zeitraums der Chartveröffentlichungen statt. Die Hitparaden werden ab sofort wöchentlich und nicht mehr nur halbmonatlich am 1. und 15. publiziert. *** Nicht nur in den deutschen Kinos ist das verfilmte Musical Grease" ein Abräumer – auch der am 28.9. in deutschen " Landen erschienene Soundtrack, bei dem die beiden Hauptdarsteller Olivia Newton-John und John Travolta selbst zum Mikro greifen, wird zum Chartbuster. Er kann sich bis auf Position 3 der Jahres-Charts vorhangeln. *** Die deutsche Gruppe Boney M., international extrem erfolgreich, absolviert am 14.12. ihr erstes Konzert in Moskau im Rahmen einer Sowjetunion-Tournee – ebenfalls Boney M. extrem erfolgreich! Ihr Mentor und Erfinder, Produzent Frank Farian, freut sich diebisch. *** Obwohl bereits am 12.11. des Vorjahres erschienen, hält sich der Bee-Gees-Soundtrack zum Film Saturday Night Fever" satte 24 Wochen an der Spitze " der US-Albumcharts. Insgesamt bleibt der Musikstreifen gut zwei Jahre in der Hitparade, verkauft sich alleine in den Vereinigten Staaten 16 Millionen Mal. *** Die großen Single-Hits des Jahres 1978 könnten nicht unterschiedlicher klingen, beweisen aber gleichzeitig, dass die Disco-Welle auch zwei Jahre nach ihrem Entstehen längst nicht abgeklungen ist. Boney M. belegen mit "Rivers Of Babylon" unangefochten die Pole Position, auf Rang 4 platzieren sich John Travolta & Olivia Newton-John mit dem Tanzbodenfeger "You’re The One That I Want", gefolgt von den Bee Gees mit "Night Fever" und La Bionda mit "One For You, One For Me", auf Rang 9 schließlich Luv’ mit "You’re The Greatest Lover". *** Für Schlager-Interpreten sieht es 1978 hingegen nicht allzu gut aus in den Singlecharts: Lediglich Vader Abraham kann sich mit seinem skurrilen "Das Lied der Schlümpfe" samt seinen kleinen blauen (Comic-)Freunden auf die Nummer 2 in den Jahres-Charts schieben. *** Bei den Bravo-Otto-Wahlen zur „Band des Jahres" können sich gerade mal zwei nationale Formationen unter die Top 10 schieben, die Teens (3) und Boney M. (5) – und singen bezeichnenderweise auch noch auf Englisch. Sie müssen sich den Siegern Smokie, Abba (2) und den Bee Gees (4) geschlagen geben. Immerhin haben die beiden Gruppen Größen wie Status Quo, die Bay City Rollers oder Sweet hinter sich gelassen. *** Die etwas dumpfe Witzigkeit zieht in die deutschen Charts ein: Johanna von Koczian besingt als brave Hausfrau "Das bisschen Haushalt", Helga Feddersen und Didi Hallervorden gehen planschen, obwohl ja: "Die Wanne ist voll", und die Gebrüder Blattschuss machen sich auf, endlose, alkoholhaltige "Kreuzberger Nächte" zu bestaunen. Witzigkeit kannte offenbar schon damals keine Grenzen …

Vermischtes

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Bei einer Flugzeugexplosion in Bombay sterben am Neujahrstag alle 213 Insassen. *** Die Hamburger Staatsoper feiert am 2.1. das 300-jährige Bestehen. *** Am 7.1. kommt auf dem antarktischen Kontinent das erste Kind zur Welt. Kurios dabei: Die Mutter von Emilio Palma wird in die Nähe von Hope Bay gebracht, damit Argentinien Ansprüche auf einen Anteil des antarktischen Kontinents anmelden GoodTimes

kann. *** Vor der bretonischen Küste bricht am 17.3. eine Ölpest aus. Der US-amerikanische Öltanker Amoco Cadiz hatte 223.000 Tonnen Öl verloren. *** Die Volkswagen AG eröffnet am 10.4. in den USA als erster ausländischer Autoproduzent ein Montagewerk in Westmoreland County, Pennsylvania. *** Am 3.5. versendet DECMitarbeiter Gary Thuerk per Computer 400 Werbemitteilungen. Damit ist er der erste Spammer seit Erfindung des Computers. *** Der Südtiroler Extrembergsteiger Reinhold Messner und sein österreichischer Kollege Peter Habeler besteigen als erste Menschen den 8848 Meter hohen Mount Everest ohne Sauerstoffgerät. *** Jordaniens R. Messner & König Hussein I. ehelicht am 15.6. die P. Habeler US-Amerikanerin Lisa Halaby. Sie wird seine vierte Ehefrau. *** In der Schweiz findet am 24.6. der erste Christopher Street Day statt, und zwar in Zürich. *** Am 11.7. ereignet sich das Tanklastunglück von Los Alfaques an der spanischen Küste. 271 Menschen sterben, über 400 werden verletzt. *** In London wird am 25.7. das erste Retortenbaby geboren. Das erste deutsche Retortenbaby kommt allerdings erst 1982 zur Welt. *** Am 18.8. kommt es auf der Île de Cavallo (Korsika) zu einem tragischen Zwischenfall: Italiens früherer Kronprinz Viktor Emanuel von Savoyen erschießt wegen eines vermeintlichen Bootsdiebstahls Dirk Hamer, den unbeteiligten Sohn des umstrittenen deutschen Arztes Ryke Geerd Hamer. Für diese Tat wird er erst 1991 verurteilt – und auch nur zu sechs Monaten Haft auf Bewährung. *** Am 26.8. fliegt Sigmund Jähn als erster deutscher Raumfahrer in den Weltraum, und zwar zusammen mit dem Russen Waleri Bykowski („Mission Interkosmos"). *** Vom 26.8. bis 8.10. wird in Turin erstmals das Turiner Grabtuch öffentlich ausgestellt. Angeblich wurde Jesus von Nazareth in diesem Tuch begraben. *** Am 16.9. sterben bei einem Erdbeben im Iran ca. 15.000 Menschen. *** Bei einem Flugzeugzusammenstoß über San Diego sterben 160 Personen (25.9.). *** In Jonestown, Guayana, kommt es am 18.11. zu einer Tragödie. Jim Jones (Gründer des Peoples Temple) fordert seine Anhänger zum Selbstmord durch Einnahme von Zyankali auf. 900 Menschen sterben, darunter ca. 270 Kinder und Jones selbst. *** Am 22.12. schließen die BRD und Israel ein Kulturabkommen. *** Kurz vor Jahreswechsel kommt es am 28.12. zur Schneekatastrophe in Norddeutschland. Aufgrund von meterhohen Schneeverwehungen kommen der Straßen- und Eisenbahnverkehr zum Erliegen. Obendrein sind viele Orte sowie die Insel Rügen von der Außenwelt abgeschnitten. Auch eine Versorgung aus der Luft ist aufgrund des starken Sturms nicht möglich. *** Nicht zuletzt veröffentlichen 1978 die Entwickler der C-Sprache (Brian Kernighan und Dennis Ritchie) ihr Buch „The C Programming Language". *** Geburten-Mix 1978: Politikerin Katja Kipping (18.1.), Skispringer Martin Schmitt (29.1.), Schauspieler Ashton Kutcher (7.2.), Schauspielerin Julia Jentsch (20.2.), Moderatorin/Autorin Charlotte Roche (18.3.), Schwimmerin Franziska van Almsick (5.4.), Schauspieler James Franco (19.4.), Sänger/Gitarrist Matt Bellamy (9.6.), Fußballer Miroslav Klose (9.6.), Schauspieler Daniel Brühl (16.6.), die Basketballspieler Dirk Nowitzki (19.6.) und Kobe Bryant (23.8.), Rapper Bushido (28.9.), Schauspielerin Katharina Wackernagel (15.10.), die Fußballspielerinnen Sonja Fuss (5.11.) und Nadine Angerer (10.11.), Hollywood-Star Katherine Heigl (24.11.), Sängerin Nelly Furtado (2.12.), Schwimmerin Antje Buschschulte (27.12.) *** Verstorben 1978: Rundfunkpionier Alfred Braun (3.1., 89 Jahre), Mathematiker/ Logiker Kurt Gödel (14.1., 71 Jahre), Nationalökonom/Kultursoziologe Alfred Müller-Armack (16.3., 76 Jahre), Jazzmusiker Larry Young (30.3., 37 Jahre), Sängerin Sandy Denny (21.4., 31 Jahre), Komponist Aram Chatschaturjan (1.5., 74 Jahre), Entertainer Louis Prima (24.8., 77 Jahre), Adidas-Gründer Adolf Dassler (6.9., 77 Jahre), Schlagzeuger Keith Moon (7.9., 32 Jahre), Schauspieler/Regisseur O.E. Hasse (12.9., 75 Jahre), Flugzeugkonstrukteur Willy Messerschmitt (15.9., 80 Jahre), Film/Theaterschauspielerin Lina Carstens (22.9., 85 Jahre), Maler/ Illustrator Norman Rockwell (8.11., 84 Jahre), Schauspieler/Regisseur Theo Lingen (10.11., 75 Jahre), Jazzmusiker Lennie Tristano (18.11., 59 Jahre), Politikerin Golda Meir (8.12., 80 Jahre). 1/2019

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MICHAEL HOLM "Mendocino", "Tränen lügen nicht" – diese beiden Lieder kommen einem augenblicklich in den Sinn, wenn der Name Michael Holm fällt. Doch der Mann, der am 29. Juli 1943 als Lothar Bernhard Walter in Stettin seinen ersten Ton auf dieser Welt von sich gab und in Erlangen aufwuchs, hat in seiner langen Karriere sehr viel mehr erlebt als diese beiden Erfolge. Er hat für zahllose Kollegen komponiert und vor allem getextet – und besteht auch mit 75 Jahren immer noch locker auf der Bühne, wie er gerade mit den " Schlagerlegenden auf Tour" gemeinsam mit Peggy March, Ireen Sheer, Lena Valaitis und Graham Bonney bewiesen hat. Holm blickte vor dem Aufbruch zu dieser Konzertreise mit 16 Auftritten für kult! zurück, als ihn unser Mitarbeiter Philipp Roser in seinem schmucken Heim im oberbayerischen Weilheim besuchte.

Herr Holm, wie haben Sie es geschafft, so fit zu bleiben und immer noch so ein Programm wie in diesem Jahr zu bewältigen? Das Programm kann man ja nur bewältigen, wenn eine Nachfrage da ist. Ich denke, dazu wären auch andere in meinem Alter in der Lage. Ich bin mit einigen Kollegen, die in den 1970er Jahren auch sehr erfolgreich waren, unterwegs – mit dem Orchester Otti Bauer, also Livemusik. Graham Bonney ist dabei, Ireen Sheer, Lena Valaitis, Peggy March und meine Wenigkeit. Das machen wir jetzt das dritte Jahr, es läuft hervorragend, die Leute sind begeistert – und die Kollegen sind ja nun auch keine 16 mehr. Vielleicht bin ich etwas fitter als mancher, weil ich mich gerne bewege, gerne hier durch die Gegend radle und laufe. Und ernährungsmäßig begeistere ich mich fürs Frische und Einheimische.

Sind solche Tourneen auch so etwas wie eine Art Klassentreffen? Klassentreffen, na ja – es gibt natürlich viele aus der Klasse, die nicht mehr unter uns sind, Drafi Deutscher, Roy Black, Rex Gildo, Chris Roberts, Jürgen Marcus, Gunter Gabriel. Aber so ist der Gang der Zeit, wir sind, auch wenn wir im Musikgeschäft tätig sind, nicht unsterblich (lacht).

Beim Namen Michael Holm fallen einem die Hits "Mendocino" und "Tränen lügen nicht" ein. Sie waren und sind aber auch als Songschreiber und Verleger erfolgreich, haben mit dem Instrumentalduo Cusco in den 1980er und 1990er Jahren Welterfolge gefeiert ... Seite

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Ja, aber der Welterfolg war in Japan, in Südkorea und Amerika. Die Welt ist ja noch ein bisschen größer. In Deutschland hat es mal ein wenig gezuckt, das waren 85.000 Alben für APURIMAC 1985, und dann plätscherten noch vier, fünf andere dahin. Cusco wurde im Bayerischen Rundfunk, der mich sonst nicht gerade gut behandelt hat, eifrig gespielt. Jahrelang war das die Titelmelodie der bayerischen Charts, der „Schlager der Woche". Da kann ich mich wirklich nicht beschweren – als Sänger schon, da wurde ich zu allen Zeiten vernachlässigt. Aber es ist, wie es ist, das muss man nehmen. Es gibt ja Gegenden, wo man mich sehr verwöhnt, nach wie vor. Eine Zeit lang war ich sehr geliebt im WDR – mindestens die Hälfte meiner Auftritte ist in Nordrhein-Westfalen. Warum? WDR IV spielt sehr viel deutsches Repertoire und zwar sowohl meine neuen als auch alten Titel. Das wirkt sich auf die Popularität oder das Interesse an Konzerten aus. Aber insgesamt spielen die deutschen Sender kaum deutsche Copyrights. Das ist ein Skandal, der niemanden stört. In Frankreich hat man eine klare Maßregel, da sind 50 Prozent der Coyprights französischen Ursprungs.

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Der Grandseigneur des deutschen Schlagers


Fühlen Sie sich nicht manchmal auf diese beiden Hits reduziert?

hatte mich vorher ein Veranstalter wegen "Alle Wünsche kann man nicht erfüllen" gebucht, in der Holledau in den Hopfenversteigerungshallen. Ich kam dort an, und da waren in der Halle, in die 1500 Leute reinpassen, 3000 Leute drin! Das war mit Birth Control als Begleittruppe (lacht). Also deutscher Underground vom Allerfeinsten, damals auf dem Spiegelei-Label – und die haben das toll gemacht. Hugo Egon Balder am Schlagzeug. Das waren wilde Zeiten, ich habe da viele Dinge ausprobiert. Das meiste habe ich sehr gerne gemacht, auch die kleinen Irrungen und Wirrungen, die gehören dazu im Leben. Ich hatte meine Hochs und Tiefs – jeder hat mal eine Chance, die muss man dann halt auch ergreifen. Manchmal habe ich's getan, manchmal nicht. Was soll ich sagen? Wenn man 75 wird, schaut man ja doch auf ein paar Jahre zurück und stellt fest: Es hätte schlimmer kommen können.

Nein. Die Antwort ist ganz klar nein. Auch wenn vielleicht nicht unbedingt so bekannt ist, dass ich für viele andere Kollegen geschrieben habe – nicht nur Texte, auch Kompositionen, von Rex Gildo über Roy Black, Peter Alexander und Peter Maffay, Peter Kraus, Peggy March, Mary Roos, Martin Mann, Siw Malmkvist, Howard Carpendale, Erik Silvester. Ich habe die Breite der erfolgreichen Interpreten bedient mit Titeln, großen Hits, kleinen Hits. Manche waren auch Flops, wie das so ist im Leben.

Sie sind in einer klassisch geprägten Familie aufgewachsen, haben Blockflöte und Querflöte gespielt und mit 14, 15 die Rockmusik für sich entdeckt ...

Sie haben in Ihren Hoch-Zeiten körbeweise Fanpost bekommen – wie sieht das heute aus?

Noch ein Wort zu "Tränen lügen nicht" – das Lied hat ja eine besondere Entstehungsgeschichte, oder?

Das war der Zeit geschuldet. Damals gab es für junge Leute kaum etwas anderes als Musik und Sport. Heute mit dem Internet und dem Daddeln – sogar unsere Nationalmannschaft hat bei der Weltmeisterschaft, wie man lesen durfte, bis morgens um vier Uhr gedaddelt – gibt es sehr viel mehr Ablenkung und Beschäftigungsmöglichkeiten. Vieles, was heute viele Menschen fasziniert, gab es zu meiner Zeit nicht, also in den 70er Jahren als der Zeit, in der ich erfolgreich war, in den zehn Jahren ab 1969, als es mit dem großen Erfolg anfing, bis 1982, als es aufhörte. Das waren meine besonders erfolgreichen Jahre als Interpret. Was ich ansonsten im musikalischen Bereich gemacht habe und mache, ist ja nicht so spektakulär. Da schreibe ich halt, produziere und habe da noch andere Interessen.

Ich weiß noch genau, wie ich am 17. Juli 1974 zum Geburtstag meines Vaters von München nach Erlangen gefahren bin. Da spielte ein gewisser Jörg auf Radio Luxemburg „Hits aus aller Welt" – das war ein Kollege, den ich kennengelernt hatte, als ich in den 60er Jahren immer SommerDJ bei Radio Luxemburg war. Der spielte in seiner Sendung, die ich gerade auf der Fahrt zum Geburtstagsfest meines Vaters hörte, diesen Titel "Soleado", eine Melodie aus dem Mittelalter, von irgendeinem Mönch geschrieben, dann von Ciro Dammicco unter dem Pseudonym Zacar – so hieß wohl dieser Mönch, Zaccarolus – als Instrumentalwerk produziert. Ich habe dem Ganzen einen Text verpasst. "Tränen lügen nicht" ist dann wirklich der Wurf gewesen – und mit einem für den damaligen Zeitgeist sehr untypischen Text: Haltet zusammen, dreh dich um, begreife, du findest nichts Besseres mehr als deine Liebe. Der Zeitgeist damals besagte ja: Wer dreimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment. Das war damals schon eine recht oberflächliche Zeit, was Beziehungen anging. Die Pille war gerade voll durchgezogen, Love Peace & Rock’n’Roll war das Motto der damaligen Zeit, und die Botschaft von "Tränen lügen nicht" ist eine ganz andere. Aber die hat funktioniert, und die funktioniert heute noch.

Fotos: © Bildarchiv Hallhuber/Zill

Aber noch mal zu der Fanpost – Autogrammwünsche landeten damals bei Ihren Eltern, deren Erlanger Adresse in der ZDF-Hitparade eingeblendet wurde, oder?

Ja, die Gleiwitzer Straße 22. Das ist heute unvorstellbar – im Haus meiner Eltern war ein Zimmer bis oben voll! 50 Kubikmeter Post. Nach dem Erfolg von "Mendocino" kamen am Tag zwei, drei Postsäcke. 800.000 Briefe – abenteuerliche Zahlen! – mussten da abgearbeitet werden. Meine Mutter hat dafür vier Studenten engagiert, die die Briefe geöffnet und eine Autogrammkarte in die Rückcouverts gesteckt haben.

Aus jener Zeit haben Sie auch eine spezielle Erinnerung an die Rockband Birth Control?

Ja, das erste Mal, als ich alleine mit Band auf eine kleine Tour ging – das war 1969 oder 1970 – nach dem "Mendocino"-Großerfolg, da GoodTimes

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Alles, was englisch war, war Rock, und alles, was deutsch war, war Schlager. So war die Einteilung damals. Der Erste, den ich gut fand, war Ted Herold. Der hatte 1959 Sie sind in der Branche bekannt dafür, dass Ihre Vorstellungen einen Titel, der mir damals unheimlich gefallen hat, den ich heute nicht immer deckungsgleich waren mit denen der Musikindusnoch gerne höre, "Carolin", ein guter, richtig schön rollender Song. Ich trie. So mussten Sie in Ihren Anfangsjahren zwangsweise mit Bert bin dann, zum Bedauern meines Vaters, den Weg mehr in die Pop-, Berger beim Duo Die Missouris singen ... Rock-, Schlagermusik gegangen, auch wenn ich die Klassik nach wie Das war die Idee eines Produzenten; sicher gut gemeint, aber es hat vor liebe. Aber als ich eine Gitarre erworben hatte, faszinierte mich, nicht funktioniert. Man muss auch mal akzeptieren, dass etwas nicht wie Harmoniefolgen laufen, und auf diese Harmoniefolgen sind mir funktioniert. Aber es hat mir dann ja nicht groß geschadet. Aber ja, ich Melodien eingefallen – mit 14 Jahren. Und da ich nie nur lalala singen habe mich das eine oder andere Mal auf die Hinterfüße gestellt. Das wollte, habe ich dann angefangen, Texte zu schreiben, ohne irgendeinen sollte jeder machen, wenn es um seine tieferen Überzeugungen geht. Hintergrund-Ehrgeiz. Denn Erlangen, wo Dann muss man auch mal nein sagen und ich aufwuchs, war in den 1950er Jahren, kämpfen, Widerstand aushalten. Ich habe Entschuldigung, am Arsch der Welt. Platten mich zum Beispiel ganz bewusst nie bei wurden aus Erlanger Sicht auf dem Mond Facebook oder dergleichen eingegroovt. Ich hergestellt, aber nicht in der Nähe, für mich bin gar nicht vorhanden (grinst). erreichbar. Ich habe es aus Spaß gemacht. Der Zulauf bei Ihren Live-Auftritten sagt Dass es dann mehr wurde, hat sich so ergeetwas anderes! ben, als ich in Berlin als Jurastudent jobte, Ich meine die digitale Präsenz, aber eben beim berühmten Verlag Meisel Kaffee nicht in diesen neuen Medien – das machen kochte und Post wegtrug. Da fragte mich meine Kinder, aber das ist nicht mehr adäquat Meisel eher rhetorisch, ob ich schon etwas für mich. Ich habe eine Webseite, www.lucilgeschrieben hätte. Ich sagte ja, 200, 300 le.de. Da kann man sehen, was an Auftritten Michael Holm als Dauergast in der ZDF-Hitparade Titel. Dann habe ich ihm etwas vorgespielt, ansteht. Das reicht mir aber auch an medialer und auf einmal hatte ich einen Vertrag. Am nächsten Tag hat man mir Aufmerksamkeit. In den 1970er Jahren hat man mehr auf seine Diskretion den Kaffee gebracht – ist ja schon mal ein kleiner Fortschritt. gegeben, also das Gegenteil dessen, was heute erwünscht ist.


Kino-Bösewichte: 7 Basil Rathbone

Der elegante Halsabschneider mit der scharfen Klinge

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Foto: Bildarchiv Hallhuber

ein Bleistift-Schnurrbart war ebenso scharf geschliffen wie sein Florett. Legendär, wie er als Sheriff von Nottingham Robin Hood zusetzte. Mit seinen 1,87 Metern war er ein Gegner, der einen viel kleineren Tyrone Power als „Zorro" von oben fixieren konnte wie ein Falke auf der Jagd sein Opfer. Seine Schurken waren indessen nie dumm, ihre wichtigste Waffe war ihre Intelligenz, ihr Antrieb war grenzenlose Boshaftigkeit, die nur noch vom Machttrieb übertroffen wurde. Durch seine natürliche Eleganz und das britische Understatement war Basil Rathbone der ideale Darsteller literarischer oder mittelalterlicher Finsterlinge.

Eine Kindheit wie ein Filmplot

Seine Kindheit war nicht weniger abenteuerlich als die Handlung vieler seiner Filme: Basil war vierjährig, als seine Eltern 1895 aus Johannesburg flüchten mussten – sein Vater war von den Buren verdächtigt worden, ein britischer Spion zu sein (ob er das tatsächlich war, hat Rathbone nie herausgefunden). Seine Mutter träumte, das Schiff werde sinken, und überzeugte ihren Mann, auf das nächste zu warten. Und das erste Schiff ging tatsächlich unter. Die Rathbones jedoch erreichten England sicher. Hier ging Basil zur Schule, wo er früh in Kontakt mit dem Fechtsport kam. Der Degen interessierte ihn mehr als die Schreibfeder. An der Schule entdeckte er auch seine Leidenschaft fürs Theater, doch der Vater ließ nicht zu, dass Basil den Weg zum Schauspieler einschlug. Der junge Rathbone beherzigte den Rat und nahm eine Stellung als Buchhalter einer Versicherungsgesellschaft an. Ein Jahr hielt er das aus. Dann nutzte er die „Vetternwirtschaft": Sein Cousin war Schauspieler mit Kontakten zur Shakespeare-Truppe in Stratfordupon-Avon. Ab 1911 durfte Basil dort erste Kleinstauftritte absolvieren – und schnell besetzten ihn die Regisseure als jugendlichen Ganoven. Seite

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Prägende Kriegserfahrungen

1915 unterbrach der Erste Weltkrieg den vielversprechenden Karrierestart. Rathbone diente in einem schottischen Bataillon im Nachrichtendienst, wo er bald als Fechtchampion der britischen Armee auftrumpfte. In einem Brief von der Front schrieb er: „Hier draußen begegnen wir dem Tod jeden Tag. Wir stehen neben ihm, während wir unseren Tee trinken. Trauer scheint in dieser Situation lächerlich. Morgen könnte ich an der Reihe sein, und ich möchte nicht, dass jemand um mich trauert." Bei einem besonderen Einsatz wurde er für Tapferkeit ausgezeichnet. Später spielte er seine Leistung herunter: „Alles, was ich tat, war, mich als Baum zu tarnen. Wirklich, als Baum. So konnte ich das Niemandsland überqueren, um hinter den deutschen Linien eine Information zu beschaffen. Seither wurde ich nie wieder als Baum besetzt."

Immer wieder gegen Flynn

Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst 1919 kehrte er in die Arme von Shakespeare zurück. Londons Bühnen erwarteten ihn. Der Broadway folgte bald darauf und ebenso schnell sein Filmdebüt: 1921 erblickte Basil Rathbone in „Innocent" das Licht der Leinwand. Nach sporadischer Rückkehr zur Bühne blieb er dem Filmmedium treu. Die Filmregisseure entdeckten – ebenso wie vor ihnen die Bühnendirektoren – den Bösewicht in ihm. Mit Beginn des Tonfilms reihte sich Rathbone alsbald in die Galerie von Halsabschneidern ein. In „Captain Blood" („Unter Piratenflagge") verlor er 1935 als arroganter Freibeuter sein erstes Fechtduell gegen Errol Flynn. Denkwürdig die Aufnahme, wie die Gischt des Meers den niedergestochenen Besiegten umspült. Erstaunlicherweise trat er in jenem Jahr gleich in mehreren Klassikern auf: als grausamer Stiefvater von David Copperfield, als rücksichtsloser Marquis (gleich noch eine Dickens-Verfilmung) in „A Tale Of Two Cities" („Flucht aus Paris"), als Greta Garbos eifersüchtiger Ehemann in „Anna Karenina". 1938 stand er Flynn erneut gegenüber: in „The Adventures Of Robin Hood" („Robin Hood, König der Vagabunden") war der üble Sheriff von Nottingham ein Bilderbuch-Bösewicht – das American Film Institute listet ihn heute als einen der Top-Schurken der Filmgeschichte. Im selben Jahr trat Rathbone in einem weiteren Flynn-Spektakel, „The

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Foto: Bildarchiv Hallhuber, Anna Karenina" "

Er kreuzte die Klingen mit Robin Hood, Zorro und Captain Blood. Und unterlag immer. Obwohl er als bester Fechter Hollywoods galt: Basil Rathbone, der Halsabschneider, der auftrat wie ein Gentleman.

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Foto: Bildarchiv Hallhuber, Der grauenvolle Mr. X" "

Foto: Bildarchiv Hallhuber, Der Henker von London" "

1939 war für ihn in vieler Hinsicht ein wichtiges Jahr. In Europa brach der Krieg aus, und Rathbone bot seine Dienste umgehend dem britischen Kriegsministerium an. Er wurde wegen seines Alters allerdings abgelehnt. Hollywood hingegen wusste, was es an ihm hatte: Beginnend mit „Tower Of London" („Der Henker von London", 1939) wurde er in Hauptrollen befördert, im Vorspann noch vor Frankenstein-Darsteller Boris Karloff genannt. Als Herzog von Gloucester meuchelte er in diesem Kostümdrama alle Thronfolger. In Erinnerung bleibt, wie er bei jedem gelungenen Mord aus dem Puppenhaus, das das Königshaus darstellt, eine kleine Figur entfernt, bis nur noch seine eigene übrigbleibt. Seine neue Heimat hatte seine schauspielerischen Qualitäten erkannt. George Cukor, einer seiner ersten Regisseure, hatte ihm schon 1936 mit der Rolle des Tybalt in „Romeo And Juliet" („Romeo und Julia") zur ersten Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller verholfen. 1940 wurde Rathbone erneut für diesen Preis vorgeschlagen, wiederum für einen Kostümfilm, als König Louis IV in „If I Were King" („Wenn ich König wär"). Beide Male verlor er den Oscar an Walter Brennan.

Festgelegt

Foto: Bildarchiv Hallhuber, Sherlock Holmes" "

Und dann trat ein englischer Detektiv in sein Leben, der anfangs Segen, später Fluch sein sollte: Sherlock Holmes. Sieben Jahre lang spielte Rathbone die Rolle, in 16 Filmen und über 200 Radiohörspielen. Längst hatte er da erkannt, dass der vermeintli vermeintliche Karrierehöhepunkt ein Karriereknick war: Andere Angebote blieben aus, zu sehr wurde er zu jener Zeit mit Holmes identi identifiziert. „Wenn du zum Charakter wirst, den du porträtierst, ist das dein Ende als Schauspieler." Er griff nach den weni wenigen Gelegenheiten, dem Tweed-Cape zu entkommen. Etwa als Finsterling in „The Mark Of Zorro" („Im Zeichen des Zorro"), der 1940 einen Höhepunkt des Mantel-und-Degen-Genres markierte. Unnötig zu erwähnen, dass Rathbone von der Hand Zorros nach furiosem Duell stirbt. Über seinem blutigen Körper ist das „Z", das Zeichen des Zorro, in die Wand geritzt.

Seine eigene Parodie

Um Holmes hinter sich zu lassen, kehrte er an den Broadway zurück – und erspielte sich 1948 prompt den Tony Award als bester Schauspieler. Doch die Filmrollen wurden weniger. Er fand nun Arbeit im GoodTimes

Foto: Bildarchiv Hallhuber, Der Hofnarr" "

Hauptrollen

aufkommenden Fernsehmedium. Wiederum als klassischer Bösewicht, etwa als „Scrooge" in einer weiteren Dickens-Adaption. 1954 war Basil Rathbone endlich zu seinem eigenen lebenden Filmzitat als Edelschurke von Kostümdramen geworden: Er durfte sich selbst parodieren und die Klinge gegen die größten Komiker jener Zeit führen: in „Casanova’s Big Night" („Der Schürzenjäger von Venedig") gegen Bob Hope und in „The Court Jester" („Der Hofnarr") gegen Danny Kaye. Damals war Rathbone 63, die Persiflage seiner vielen Degenduelle sollte sein letzter Zweikampf sein. Obschon weitere Rollen als Übeltäter auf ihn warteten: „We’re No Angels" („Wir sind keine Engel", 1955) gehört heute zum festen Bestandteil des weihnachtlichen Programms. Humphrey Bogart und Peter Ustinov befördern den verachtenswerten Geizhals verdienterweise mittels einer Giftschlange ins Jenseits. Für die zweite Karriere im Horrorgenre hatte er schon in seinem betriebsamen Jahr 1939 den Grundstein gelegt: Als Baron Wolf von Frankenstein erweckte er damals in „Son Of Frankenstein" („Frankensteins Sohn") das Monster Boris Karloff zum Leben. Nun wurde seine Filmlaufbahn revitalisiert durch die Auftritte in Gruselfilmen, die allerdings meist nicht über mittelmäßiges Niveau hinauskamen. 1962 sah man ihn in „Tales Of Terror" („Der grauenvolle Mr. X") von Schnellfilmer Roger Corman, eine von vielen routinierten Produktionen, wobei routiniert in diesem Fall für „billig" steht. Dieses Schicksal teilte er mit einem anderen großen amerikanischen Charakter- und Schurkendarsteller: John Carradine. Die Ironie wollte es, dass sie in Rathbones letztem Film noch gemeinsam auftraten: „Autopsia de un fantasma". Dieser mexikanische Film mit hanebüchener Story wurde 1968 über ein Jahr nach Rathbones Tod veröffentlicht.

Beliebter Privatmann

Unerwartet war er am 21. Juli 1967 im Alter von 75 in seinem New Yorker Apartment an einem Herzinfarkt gestorben. Mit seiner zweiten Ehefrau Ouida hatte er über vier Jahrzehnte eine für HollywoodVerhältnisse vorbildliche Ehe geführt. Sie waren in der Filmhauptstadt beliebte Gastgeber; so legendär waren ihre Partys, dass Bob Hope 1940 in „The Ghost Breakers" den Insiderwitz riss, die Rathbones würden wohl gerade ein Fest veranstalten, als draußen ein lauter Sturm aufzog. Ganz im Gegensatz zu seinen Filmschurken galt Basil Rathbone als freundlicher Zeitgenosse, der sich bis zu sechs Hunde hielt, Mitglied des Cricket-Clubs von Hollywood war und ausgezeichnet mit Kindern umgehen konnte. Bis zu seinem Tod äußerte er sich kritisch zu seiner Identifikation mit der Holmes-Rolle. Sie sollte ihn tatsächlich überdauern: Gut 20 Jahre nach seinem Ableben, 1986, wurde die Trickfilmfigur „Basil, der große Mäusedetektiv" nach ihm benannt. Vielleicht hätte die Ehrung ihn dennoch erfreut. Denn in einem seiner eigenen Zitate riet er dazu: „Bereue nie etwas, das du mit ehrlicher Bewunderung getan hast. Nichts ist sinnlos, wenn es von Herzen kam." Roland Schäfli Foto: Bildarchiv Hallhuber, Sherlock Holmes" "

Dawn Patrol", als rücksichtsloser Kommandeur einer Fliegereinheit auf. Und Gary Cooper machte der Vielbeschäftigte in „Adventures Of Marco Polo" („Die Abenteuer des Marco Polo") das Leben schwer.

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len Überraschungserfolg in den Kinos. 1978 avancierte die Musical-Verfilmung "Grease" zum globa Popstar Olivia Newton-John in den Hauptrollen Die 50er-Jahre-Hommage mit Tanz-Ikone John Travolta und Jahre Grease" – Grund genug für kult!, wurde zum Kult und begeistert bis heute das Publikum. 40 " auf Rock'n'Roll-Zeitreise zu gehen.

Von Thorsten Schatz

Grease Is The Word G

Man erkannte die meist in Jeans und Leder gekleideten männlichen rease" ist die gemeinsame Idee des Werbetexters Jim Jacobs Greaser (es gab auch weibliche) vor allem daran, dass sie sich die Haare und des Highschool-Kunstlehrers Warren Casey. Die beiden mit Pomade und Vaseline einschmierten (schmieren, ölen, fetten = to kannten sich seit Beginn der 1960er Jahre durch eine Amateur„ grease) und zurückkämmten, etwa wie Elvis. Sie liebTheatergruppe. Ein paar Jahre später stellten sie auf ten Rock’n’Roll, Rockabilly und Doo Wop, alte Autos, einer Party fest, dass sie beide Fans von Doo-WopMotorräder und Autorennen. Einige fanden sich zu Songs wie "Sh-Boom" von den Chords (1954) oder Motorradclubs und zu Straßengangs zusammen. Die "In The Still Of The Night" der Five Satins (1956) bürgerlichen Milieus entwickelten schnell Vorurteile, so und genauso des frühen Rock’n’Roll der 50er Jahre zum Beispiel, dass die Greaser gewalttätig seien. waren. Sie vermissten diese Zeit und ihre Musik und In der Popkultur tauchten die Greaser seit den beschlossen, darüber ein Musical für die Theaterbühne 1950er Jahren auf: etwa 1957 in Leonard Bernsteins zu schreiben. „West Side Story", 1967 im Roman „The Outsiders" Im Mittelpunkt sollten die sogenannten Greaser von Susan Hinton – und dann kamen Jim Jacobs stehen, zu denen Jacobs selbst als Teenager gezählt und Warren Casey, die ihr gemeinsam geschriebenes hatte. Die Greaser bildeten eine Jugendkultur, die vom Musical „Grease" nannten und es am 5. Februar 1971 Ende der 1940er bis in die 1960er Jahre in den USA in Chicago zum ersten Mal aufführten. bestand. Sie waren Jugendliche und junge Erwachsene Es wurde ein voller Erfolg, der „Grease" 1972 an den oft italienischer und mexikanischer Herkunft aus ärmlichen Arbeitermilieus. Frustriert darüber, dass sie "Grease"-Erfolg am Broadway Broadway hievte. Auf Anhieb bekam das Stück 1972 drei wichtige Theaterpreise: den Tony Award, den Theatre World Award nicht am ökonomischen Boom in den USA dieser Zeit teilhaben konnund den Drama Desk Award. Ein Jahr später wurde „Grease" im internaten, flücheten sie sich in ihre Greaser-Szene. Seite

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Die Pink Ladies nehmen Sandy auf

jahrmarkt in einem sexy Look. Danny ist hingerissen, und die beiden werden wieder ein Paar. Am Ende fliegen Danny und Sandy in einem Roadster in den Himmel.

Der Krähenfüß e-Test: die Besetzung

Der Plot stand, und die drängendste Frage war nun: Wer sollte Danny und John Travolta als obercooler Rock'n'Roller Sandy spielen? Paramount schlug für die Rolle des Danny Zuko Henry Winkler vor, der durch die beliebte 50er-Jahre-Sitcom „Happy Days" (1974–1984) bekannt geworden war. Aber der mochte die Figur nicht. Dann kam John Travolta ins Spiel. Mit dem damals 23-jährigen Star Cooler Danny, des TV-Hits „Welcome Back, Kotter" (1975–1979) hatte Allan Carrs brave Sandy: Co-Produzent Robert Stigwood gerade einen Vertrag über drei Filme Die Grease -Filmstory abgeschlossen. Der erste war abgedreht: „Saturday Night Fever" (s. Die Filmhandlung ist diese: Danny Zuko, ein charmanter Macho, kult! 18). Jetzt sollte der nächste folgen. Das konnte „Grease" sein, Mädchenschwarm und Mitglied der Rock’n’Roll-Gang T-Birds erlebt was sich anbot, zumal Travolta bereits die Nebenfigur Doody in einer in den Sommerferien 1959 in den USA eine Strandromanze mit Sandy Bühnenversion des Musicals gespielt hatte. Außerdem hatte Travolta Olsson, einem naiven, braven, schüchternen Mädchen aus Australien. schon mit Regisseur Kleiser das TV-Drama „The Boy In The Plastic Sie reist wieder in ihre Heimat, kehrt jedoch zurück, als ihre Eltern in Bubble" (1976) gedreht. Also bekam er den Zuschlag. die USA umsiedeln. Sie kommt an die Rydell Highschool, auf die auch Die Besetzung von Sandy war schwieriger. Allan Carr und Randal Danny geht. Kleiser sahen sich 1977 einen Film von Noch tanzen sie zusammen: Sandy und Danny beim Tanzwettbewerb Sandy schließt sich der Mädchen-Gang Kleisers Freund George Lucas an: „Star Pink Ladies an. Deren Anführerin ist Betty Wars". Sie überlegten: War „Prinzessin Rizzo, die mit dem T-Birds-Chef Kenickie Leia" Carrie Fisher für die Rolle geeiganbandelt. net? Aber sie waren unsicher, ob Fishers Betty stellt Sandy und Danny einander Schauspiel- und Gesangsfähigkeiten zu vor, doch der gibt sich unnahbar, weil er vor „Grease" passten. Danach dachten sie an seiner Gang den coolen Typen spielen will. Susan Dey, die in der populären TV-Serie Daraufhin macht Sandy ihn durch einen „The Partridge Family" (1970–1974) spielFlirt mit dem muskelbepackten Footballte. Die wenig bekannte Schauspielerin

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spieler Tom Chisum eifersüchtig. Danny will Sandy zeigen, dass er genauso sportlich ist und versucht sich als Langstreckenläufer. Sandy freut das, und die beiden nähern sich wieder an. Allerdings gefällt das den Pink Ladies und den T-Birds nicht. Sie trennen das Paar bei einem Schultanzwettbewerb und stellen Danny seine Ex-Freundin ChaCha als Tanzpartnerin an die Seite. Die beiden gewinnen den Wettbewerb. Sandy rennt enttäuscht aus dem Saal. Danny will sich mit einer Einladung ins Autokino entschuldigen. Er gibt ihr dort einen Ring als Zeichen ihres Zusammenseins. Sie freut sich, doch dann wird Danny zudringlich. Empört springt sie aus dem Auto. Danny wird klar, dass er Sandy liebt, er will sich ändern und nur noch dem Schulsport widmen. Kurz darauf fordert die Gang Scorpions die T-Birds zu einem Wagenrennen heraus. T-Birds-Boss Kenickie soll das Rennen bestreiten, aber er verletzt sich kurz davor und kann nicht fahren. Danny springt für ihn ein und gewinnt das Rennen. Sandy will Danny zurückerobern und beschließt, dafür mehr aus sich herauszukommen. So erscheint sie am Schuljahresende auf dem Abschluss-

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tional bekannten Londoner Theaterviertel West End aufgeführt und breitete sich in der ganzen Welt aus. Allan Carr, ein reicher Theater-, TV- und Marketing-FilmProduzent (u.a. für den „Saturday Night Fever"-Produzenten Robert Stigwood) sah die Broadway-Produktion von „Grease". Sofort erkannte Carr darin das Potenzial für einen Kinofilm. Er kaufte für 200.000 US-Dollar die Filmrechte und ging mit dem Projekt zu Paramount Pictures. Hauptgeschäftsführer Barry Diller war „Grease" zwar zu kitschig, doch widerwillig gewährte er sechs Millionen Dollar für die Produktion. Damit musste Allan Carr auskommen. Der engagierte für die Inszenierung den 30-jährigen TV-Regisseur und Kinoneuling Randal Kleiser, der auf dem College ein Zimmerkollege des „Star Wars"-Erfinders George Lucas war. Und er holte den Autor Bronte Woodard ins Boot, der die MusicalGeschichte zu einem Drehbuch umschrieb. Das war nicht einfach, weil Produzent Allan Carr meinte, das Mainstream-Publikum verlange nach einer Liebesgeschichte mit Zuckerguss, netter Popmusik, Tanzeinlagen und Autorennen. Die Originalstory dagegen war im rauen Klima des Arbeitermilieus angesiedelt. Sie erzählt von zehn Teenagern, die 1959 die erfundene Rydell Highschool besuchen. Themen wie Gruppenzwänge, politische Entwicklungen, Klassenkonf likte, Rebellion, Freundschaft, Liebe, erster Sex und eine Teenagerschwangerschaft tauchten in der Handlung auf. Die Musik dazu war früher Rock'n'Roll und Doo Wop die Inszenierung anfangs eine rohe, schmutzige, aggressive und vulgäre Show. Sie wurde in späteren Produktionen entschärft – was vor allem für die Filmfassung gilt, denn Produzent Allan Carr wollte das Raue, Derbe des Milieus nicht. Tatsächlich nahm Bronte Woodward das aus der Ursprungsgeschichte heraus, und Carr bekam seine ZuckergussStory für die „Grease"-Verfilmung geliefert.


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Deborah Raffin und die Countrysängerin Marie Osmond, die zur erfolgreichen singenden OsmondFamilie gehörte, waren weitere Kandidatinnen. Osmond war die Wunschbesetzung, doch ihr passte die Verwandlung der braven Sandy zum „Bad Girl" nicht, sie sagte ab. Dann lernte Allan Carr auf einer Party die australische Popsängerin Olivia Newton-John kennen. Carr war begeistert von ihr und wollte sie für die Rolle der Sandy haben. Doch Olivia Newton-John hatte Bedenken, weil sie erst einen Film gedreht hatte, „Tomorrow" (1970), einen Science-FictionMusical-Streifen, der nur eine Woche im Kino gelaufen war. Einen weiteren Totalflop dieser Art wollte sich die Sängerin nicht leisten, weil sie Angst hatte, dass so etwas ihre ausgezeichnet laufende Musikkarriere torpedieren könnte (ihre Top-Hits der frühen 70er Jahre: "Banks Of The Ohio", "I Honestly Love You", "Sam"). Auch Kleiser war skeptisch. Wie sollte sich die nette Balladensängerin in einen sexy Vamp verwandeln? John Travolta jedoch war fasziniert von ihrer Stimme und setzte sich dafür ein, dass sie die Rolle bekam. Aber die Australierin hatte weiterhin Einwände: Sie könne den amerikanischen Akzent nicht sprechen. Und sie sei doch mit 28 zu alt an der Seite des 23-jährigen Travolta. Doch Allan Carr schrieb kurzerhand das Drehbuch um und machte aus Sandy eine Australierin. Und Kameramann Bill Butler setzte weiche Linsen ein, damit das wirkliche Alter des Popstars nicht zu erkennen war. Die letzten Zweifel wischte ein Probedreh beiseite, weil das Zusammenspiel mit John Travolta traumhaft gut funktionierte. Sie sagte zu. Die weiteren Rollen der Schüler-Gangs wurden mit Mimen besetzt, die zwar das nötige Talent mitbrachten, aber alle zu alt für Teenager-Rollen waren (z.B. Stockard Channing [„Betty"], 33 Jahre, Jeff Conaway [„Kenickie"], 27 Jahre). Damit das nicht auffiel, achtete Regisseur Kleiser beim Casting darauf, dass die Bewerber für die Schülerfiguren keine Krähenfüße um die Augen hatten, die das Alter verrieten. Die restlichen Nebenrollen besetzte man mit etlichen US-TV-Stars der 50er Jahre. So spielte etwa Sänger Frankie Avalon, ein ehemaliger Teenie-Schwarm der 50er Jahre, den „Teen Angel".

4O Grad: ein heißer Dreh

Im Juni 1977 begannen die Dreharbeiten an der Venice Highschool in Los Angeles im sonnigen Kalifornien. Das missbilligte „Grease"Erfinder Jim Jacobs, der die Handlung in der rauen Wirklichkeit grauer Industriestädte angesiedelt hatte. Aber Carr setzte sich durch und drehte los. Meist hatte die Crew großen Spaß. Aber es gab auch Probleme. So wurden die fünftägigen Innenaufnahmen in der Venice Highschool zur Tortur, weil in den Räumen eine grausame Hitze von fast 40 Grad herrschte und Michael Tucci (seine Rolle: T-Bird Sonny) eine Ohnmacht e inbr achte. Und einmal stoppte man den Dreh, weil Regisseur Kleiser Olivia-Newton John wird zum sexy Vamp

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sich durch verdrecktes Wasser eine Infektion geholt hatte. John Travolta stand im Mittelpunkt des Geschehens, und dies umso mehr, als ihn „Saturday Night Fever", der während des „Grease"-Drehs im Dezember 1977 herauskam, zum Superstar machte. Allerdings trauerte er immer noch um seine große Liebe, die Schauspielerin Diana Hyland, die im Frühjahr in seinen Armen an Brustkrebs gestorben war. In schlaflosen Nächten telefonierte er deswegen oft mit Randal Kleiser. Travolta erklärte später, dass die Arbeit an beiden Filmen ihm geholfen habe, den Verlust zu verarbeiten. Olivia Newton-John hatte ein ganz anderes Problem: Würde sie die Verwandlung der schüchternen Sandy zur Sexbombe schaffen? Doch sie merkte dann, dass es ihr gelungen war, als sie mit wilder Frisur, engem, schwarzem sexy Leder-Outfit und High Heels vor die Kamera trat, um mit John Travolta "You’re The One That I Want" zu singen – und der Filmcrew vor Staunen die Münder offen standen.

Globaler Erfolg: Grease ¨ ¨ wird zum Hit

„Grease" startete am 16. Juni 1978 in den USA und wurde von dort aus weltweit zu einem phänomenalen Erfolg. Dass einem Musical-Highschool-Film das gelingen würde, war eine echte Überraschung. „Grease" spielte in den ersten 19 Tagen in den USA und Kanada 40.272.000 Dollar ein. Weltweit schaffte er bis heute fast 395 Millionen Dollar. Damit wurde „Grease" damals der erfolgreichste Musical-Film überhaupt, ein Rekord, der bis 2008 hielt, als „Mamma Mia!" herauskam. Heute ist „Grease" hinter „Beauty And The Beast" (2017), „Les Misérables" (2012) und „Mamma Mia!" der vierterfolgreichste Musical-Film der Kinohistorie. Das Publikum war begeistert – die Kritiker damals nicht. In den USA zerrissen sie „Grease" als billiges, dilettantisches Popcorn-Kino mit schrecklicher Musik. Allerdings war „Grease" 1978 immerhin mehrfach für den Golden Globe nominiert, u.a. als bester Musical-Film und John Travolta und Oliva Newton-John als beste Musical-Filmschauspieler. 1979 wurde der Streifen bei den People’s Choice Awards zum beliebtesten Film sowie Musical-Film und Stockard Channing („Betty Rizzo") zur beliebtesten Nebendarstellerin gekürt. Heute gilt „Grease" bei Kritikern und Zuschauern wegen der nahezu perfekten Mischung aus 50er-Jahre-Pop, mitreißenden Tanzszenen, schrägem Humor und dem Zusammenspiel von John Travolta als machohaftem Charmebolzen und Olivia Newton-John als zur Sexbombe mutierenden braven Schönheit als Musical-Kult-Film. „Grease" packt das Publikum als berauschende, spaßige, knallbunte, humorvolle Rock’n’Roll-Romanze.

¨You' re T he One T hat I Want :̈ Der Grease ¨-Soundtrack ¨ 20 Originalsongs, von denen zehn für Die Broadway-Show umfasste

den Film zu Hintergrundmusik verarbeitet wurden. Vier Lieder kamen hinzu: zuerst das Titelstück "Grease" (mit der RefrainZeile: „Grease Is The Word"), geschrieben von Bee Gee Barry Gibb und gesungen von Frankie

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Zurück in die 5Oer: Nostalgie-Boom in den USA

Besonders in den USA war „Grease" ein überwältigender Erfolg. Der Grund war die Sehnsucht nach der „unschuldigen" Ära des Rock’n’Roll. Als Jim Jacobs und Warren Casey „Grease" schrieben, steckten die USA durch den Vietnam-Krieg, Kennedys Ermordung, die Bürgerrechtsbewegung und die Jugendproteste in einer Phase tiefgreifender Umwälzungen. Als das Musical herauskam, beunruhigten der WatergateSkandal, die steigende Inflation und die Ölkrise das Land. Dies alles weckte den Wunsch nach einer Flucht aus der Gegenwart, zurück in das nicht lang zurückliegende Rock'n'Roll-Zeitalter. So wurden in den USA die 50er Jahre wieder modern, was Filme wie „The Die RetroLords Of Flatbush" (1974), TV-Sitcoms Rock'n'Roll-Band Sha Na Na wie „Happy Days" (1974–1984), populäre R&R-Coverbands wie Sha Na Na zeigten – und eben „Grease".

Schmiere: Grease ¨ in Deutschland

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Auch vielen anderen Ländern der westlichen Welt bescherten wirtschaftliche Probleme eine herbe Krisenstimmung. Für den Mainstream der Jugendlichen und jungen Erwachsenen war in dieser Situation vor allem die Disco-Welle eine willkommene Möglichkeit zum Abtauchen vor der Alltagsrealität in das Partyleben. „Grease" passte mit seiner Liebesgeschichte mit Happy End, der tanzbaren Musik, dem frischen Humor und John Travolta und Olivia Newton-John als attraktiven Sehnsuchtszielen für ein Teenager-Publikum, das der Film besonders ansprach, exakt zum Partylebensgefühl der Disco-Kids. Und so flüchteten sich die Teens und Twens ins Kino und die Tanztempel, wo sie aus sich herausgehen, Spaß haben und sich berauschen konnten, sei es zum Disco-Sound oder den „Grease"-Hits. Das gilt auch für die Bundesrepublik, wo „Grease – Schmiere", so der deutsche Titel, und seine Musik ebenfalls für volle Kassen sorgten. Nach dem Kinostart am 28. September 1978 sahen über drei Millionen westdeutsche Zuschauer (in der DDR wurde „Grease" nicht gezeigt) die Musical-Verfilmung. Sie bescherten „Grease" 1979 eine Goldene Leinwand. Der Soundtrack verkaufte sich über 1,25 Millionen Mal und kam genauso auf Platz 1 der westdeutschen Charts wie "You’re The One That I Want". "Summer Nights" erreichte Rang vier, "Sandy" Platz 26. Didi Hallervorden und Helga Feddersen brachten mit "Du, die Wanne ist voll" eine Ulkversion von "You’re The One That I Want" heraus, die 1978 auf Platz vier der deutschen Hitliste landete. GoodTimes

Grease 2: der Fortsetzungs-F lop

Nach dem globalen „Grease"-Erfolg wollte Produzent Allan Carr einen zweiten Teil mit dem Titel „Summer School" drehen. Im Mittelpunkt sollte die Hochzeit von Kenickie und Betty Rizzo stehen. Ein Nachfolger mit dem Titel „Grease 2" kam dann 1982 tatsächlich heraus, allerdings mit einer anderen Handlung: Ein weiblicher Greaser trifft einen Bücherwurm, und sie verlieben sich. In den Hauptrollen: die damals unbekannte Michelle Pfeiffer, die später zum HollywoodStar (u.a. mit „Die Hexen von Eastwick" [1986] und „Die fabelhaften Baker Boys" [1989]) wurde, und der brititsche Jungmime Maxwell Caulfield, der sich mit „Grease 2" die große Karriere zerstörte und auf die Nebendarsteller-Schiene abrutschte. Das Resultat war ein uninspirierter Aufguss von Teil eins, der bei Kritik und Publikum floppte. Er spielte weltweit nur 15 Millionen US-Dollar ein, bei einem Budget von 13 Millionen Dollar. Maxwell Caulfield Der Soundtrack (ohne die und Michelle Hitschreiber Barry Gibb und Pfeiffer im Flop Grease 2" John Farrar) schaffte einen " schwachen Platz 71 in den USA und die Single "Back To School Again" mit den Four Tops ebenfalls nur Rang 71 in den US-Charts. John Travolta und Olivia Newton-John waren nicht dabei, hatten mit ihren Filmkarrieren aber ebenfalls kein Glück. Beide landeten Flops, auch, als sie in „Two Of A Kind" (1983) erneut zusammen spielten. Aber Olivia Newton-John hatte noch ihre Gesangskarriere. Ihr gelangen in den 80er Jahren Welthits (z.B. "Xanadu" [1980], "Physical" [1981]), und sie avancierte zum internationalen Popstar. John Travolta erlebte eine lange Durststrecke. Er stieg erst in den 1990er Jahren mit „Kuck mal, wer da spricht" und dem Kult-Streifen „Pulp Fiction" (1994) erneut zum Kinostar auf. „Grease" lag hinter ihnen, doch der Kult um das Musical setzt sich bis heute fort.

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Valli, dem Sänger der in den 60er und 70er Jahren erfolgreichen US-Pop-Formation The Four Seasons. Dazu kam John Travoltas von Louis St. Louis und Scott Simon komponierte Schmachtnummer "Sandy". Und Olivia Newton-Johns langjähriger Songwriter John Farrar schrieb für sie "Hopelessly Devoted To You" und das Duett "You’re The One That I Want”. Das Soundtrack-Album verkaufte sich prächtig. Allein 1978 gingen 13 Millionen Alben über die Ladentische, bis heute gar 38 Millionen. GREASE steht gegenwärtig in den Top 10 der meistverkauften Soundtracks, hinter THE BODYGUARD (1992, 42 Millionen) und SATURDAY NIGHT FEVER (1977, 40 Millionen). Das Album war weltweit ein Nr.-1-Erfolg (u.a. USA, GB, Schweiz) und warf sechs Hitsingles ab: "Grease" mit Frankie Valli (USA: #1, GB: #3), die Travolta/Newton-John-Duette "You're The One That I Want" (USA #1, GB #1), "Summer Nights" (USA #5, GB #1), "Hopelessly Devoted To You" mit Olivia Newton-John (USA #3, GB #2) und "Sandy" (GB #2) sowie "Greased Lightnin'" (USA #47, GB #11) mit John Travolta.

4O Jahre Grease¨: Die Party geht weiter

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Nach der Absetzung von „Grease" in den Kinos blieb die Begeisterung für das Musical zumindest auf den Bühnen dieser Welt erhalten. Bis heute waren über 123.000 verschiedene millionenfach gesehene Produktionen in der ganzen Welt zu erleben, die die „Grease"Euphorie immer wieder neu befeuerten. Dazu gehörten seit 1979 Bühnen-Revivals an renommierten Theatern im Londoner West End, in Madrid, Oslo, am Broadway und Tourneen durch die USA und Europa, was sich bis heute fortsetzt. Auch die deutschsprachigen Fans wurden beglückt: 1994 öffnete sich für die deutschsprachige Erstaufführung in Wien der Vorhang. 1995 ging diese Produktion nach Frankfurt/ Main und Zürich, 1996 nach Düsseldorf. Seit 2001 schlossen sich Tourneen an. Doch auch ins Kino kehrte „Grease" zu den jeweiligen Jubiläen zurück – als Sing-AlongFassung mit Untertiteln. Genauso werden die Filmsongs von unterschiedlichen Popacts alle paar Jahre in neuen Remix- und Coverversionen herausund in die Charts gebracht. Und so wird es spätestens in zehn Jahren zum nächsten runden Jubiläum wieder rund um den Globus heißen: „Grease is the word." 1/2019

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„Beim Jupiter! Hinter der Kraft dieser Gallier muss ein Geheimnis stecken!“

Von Horst Berner

Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist " von den Römern besetzt ... Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die römischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum liegen ..." Mit diesem anregenden, längst allseits geläufigen Prolog veröffentlichte der Ehapa Verlag zum Jahresende

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m 7. Dezember 1968 brachte der damals noch in Stuttgart (seit 2001 in Berlin) ansässige Ehapa Verlag das legendäre erste Abenteuer, „Asterix der Gallier", als „Großer Sonderband I" heraus. Bereits ein gutes Jahr vorher, am 14. Oktober 1967, debütierte „Asterix" auf den Seiten des hauseigenen Magazins „MV Comix", das bis 1977 und zu der Geschichte „Obelix GmbH & Co. KG" die Gallier-gegenRömer-Episoden vorabdruckte. Obwohl sich rasch zeigte, dass die geistreich gemachte Serie um den listigen Krieger Asterix und seinen Haudrauf-Kumpel, Hinkelsteinhändler Obelix, bei den Lesern sehr gut ankam, gab es doch gewisse Startschwierigkeiten bei der Zweitauswertung in dem zu jener Zeit noch „Asterix der Gallier“ (1968) relativ neuen Albumformat. Der damalige Herausgeber Adolf Kabatek (1931–1997) äußerte sich dazu später wie folgt: „Ein ganz großer Schlager, der am Anfang überhaupt kein Schlager war, das war ‚Asterix'. Den wollten wir nach einigen Monaten einstellen, weil er nicht ging. Wir haben mit 50.000 Exemplaren angefangen und zwei Bände gemacht. Leider hatten wir die im Dezember produziert, und so war natürlich bis Jahresende davon in der Bilanz nicht viel zu sehen. Wir Heft 49 von „MV Comix“ hatten bloß vom 7.12.1968 Bestände, aber fast keine Umsätze. Unsere dänischen Kapitaleigner sagten daraufhin, das hat doch keinen Zweck, machen wir Schluss. Ich bin sehr stolz und glücklich darüber, dass ich das gebremst habe. Ich habe denen gesagt, das wäre Seite

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1968 den ersten Asterix"–Band in Deutschland. Heute, " 50 Jahre später, liest sich die Texteinleitung zu jedem Abenteuer noch immer gleich. Auch der Verlag ist derselbe geblieben, nur dass er mittlerweile als Egmont Ehapa Media GmbH firmiert. Genauso bekannt ist, was aus dem pfiffigen Gallier wurde: eine publi publizistische Erfolgsgeschichte in Sachen Comics, die grandiose Dimensionen angenommen hat.

ja ein Wahnsinn, wenn man nur so und so viel Tage Verkaufszeit hatte. Dann ist es eben nicht drin, dass man schon die ganze Auf lage verkauft hat. Und tatsächlich, dann stieg die Auf lage, 80.000, 100.000, 150.000 Exemplare, und es stellte sich heraus, wir müssen nachdrucken. Das steigerte sich dann in sich selbst." Zu Beginn der 70er Jahre waren im Land der Goten dann aber alle Zweifel am etwaigen Erfolg des Galliers verflogen. Galt die Serie zunächst als ein Geheimtipp in der Studentenschaft, ließ sich spätestens ab 1971 und mit Erscheinen des zehnten Bandes „Asterix als Legionär" – gedruckte

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Werbung in „MV Comix“ für „das erste große ‚Asterix‘Buch“


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ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2018 LES EDITIONS ALBERT RENE / GOSCINNY – UDERZO

weltweiten Triumph konnte selbst der frühe Tod des geni geniErstauflage eine Million Exemplare alen Szenaristen Goscinny nicht stoppen. Von Band 25, „Der – auch das breite Publikum von große Graben" (1980), bis Band 34, „Asterix & Obelix feiern den Helden aus dem wohlbeGeburtstag" (2009), führte Uderzo die Serie im Alleingang wei weikannten gallischen Dorf verzauter, ehe er die Verantwortung in jüngere bern. Leser wie Kritiker taumelHände legte. Seit 2013 haben Texter Jeanten im „Asterix"-Fieber, und die Yves Ferri (*1959) und Zeichner Didier Zeitschrift „pardon" resümierte Conrad (*1959) drei Alben realisiert – unter der Überschrift „Der spinnt, „Asterix bei den Pikten", „Der Papyrus der Goscinny: Wie ein unpolitides Cäsar" und „Asterix in Italien" –, in scher Humorist mit einem 2000 denen die Saga schwungvoll fortgesetzt Jahre alten Knirps aktuelle Satire wurde. Doch nicht nur in den Comics, macht": „Asterix, der gezeichneauch in bewegten Bildern ist „Asterix" ein te Oberzwerg aus dem antiken Garant für gute Unterhaltung. Neben den Gallien, hat die Welt erobert. Sein Adolf Kabatek brachte „Asterix“ vier Realfilmen „Asterix und Obelix gegen Boom […] hat entscheidend mitnach Deutschland. Cäsar" (1999), „Mission Kleopatra" (2002), Das Kult-Buch zur Kultbewirkt, dass Comic-Lesen nicht Serie: André Stolls „Asterix bei den Olympischen Spielen" (2008) mehr genierlich ist. An den Wortspielen und „Im Auftrag Ihrer Majestät" (2012) gibt „Asterix“-Buch von 1974 seines Schöpfers René Goscinny, der es die acht abendfüllenden Zeichentrickfilme „Asterix der Gallier" ihn gemeinsam mit dem Zeichner (1967), „Asterix und Kleopatra" (1968), „Asterix erobert Rom" (1976), „Sieg über Cäsar" (1985), „Asterix bei den Briten" (1986), „Operation Hinkelstein" (1989), „Asterix in Amerika" (1994), „Asterix und die Wikinger" (2006) sowie die beiden computeranimierten Streifen „Asterix im Land der Götter" (2014) und „Asterix und das Geheimnis des Heft 4 des Satireblatts Z aub e r t r ank s", „Pardon“ vom April 1974 der am 14. März 2019 in den Albert Uderzo entwickelt deutschen Kinos hat, kann man sich sowohl starten wird. harmlos erheitern als auch politisch entrüsten. Anwürfe des Ungeachtet desvom Rassisten bis zum Zwei Szenen aus „Asterix der Gallier“ in der Version von 1968 und 2018 sen bleiben die Résistancekämpfer treffen Nummer 531 von originell gestalteten Comics die Basis für den vielgereisten Franzosen nicht. Einen Spaß will er sich machen. die Erfolgsgeschichte. 37 Bände (plus einige „Pilote“ vom 8.1.1970 Sagt er." Spätestens da war der von viel Witz, Ironie und Parodie Sonderbände) umfasst inzwischen die „Asterix"-Kollektion. Zudem durchdrungene „Asterix" nicht mehr länger ein Comic unter vielen, hat Egmont Ehapa im Lauf der Jahrzehnte eine Reihe von weisondern galt als kulturhistorischer Klassiker, den man gelesen haben teren Publikationen herausgebracht, unter denen besonders die musste – der Titelheld wurde zur Kult-Figur. lateinische Fassung der „Asterix"-Geschichten, die „Asterix-Werkausgabe", ausgewählte Abenteuer in „Mundart"-Versionen, die g roßfor matige „Ultimative Edition" sowie die „AsterixGesamtausgabe" zahlrei zahlreiRené Goscinny und Albert Uderzo che Liebhaber gefunden haben. Am Anfang ste steAn diesem Fakt hat sich bis in die Albert Uderzo mit dem neuen „Asterix“-Team: hen freilich die 52 Seiten Didier Conrad und Jean-Yves Ferri Gegenwart nichts geändert. Im von „Asterix der Gallier", die bereits Gegenteil: Laut einer Umfrage ist „Asterix" für 99 Prozent aller viele Aspekte anklingen lassen, die Deutschen ein Begriff. Kein Wunder, die hiesige Leserschaft hat in sich in der Folge zu gern den 50 Jahren seit dem erstmaligen Erscheinen von „Asterix der Jubiläumsausgabe von gesehenen Ritualen Gallier" ein Drittel der weltweiten Gesamtauflage von sagenhaften „Asterix der Gallier“ entfaltet haben: 370 Millionen Alben gekauft und sprichwörtlich verschlungen. Ein Zauber trank, Wildschweinjagd, Prügeleien, verlegerisches Phänomen, das seinesgleichen sucht. Wortspiele r eien, lateinische Phrasen dreschende Legionäre und so weiter und so Angefangen mit „Asterix" hat übrigens alles am 29. Oktober fort. Vor nunmehr 50 Jahren, im Dezember 1959 im französischen Jugendmagazin 1968, löste dieser Band das „Asterix"-Fieber „Pilote", zu dessen Gründervätern in Deutschland aus. Zum festlichen Anlass René Goscinny (1926–1977) und präsentiert Egmont Ehapa den Lesespaß am Albert Uderzo (*1927) zählten. 4. Oktober 2018 im Handel als Sonderedition Bis zur Nummer 708 vom 31. in broschierter und gebundener Ausgabe – Mai 1973 bot das wöchentlich mit Glanz und Gloria und acht Zusatzseiten, erscheinende Blatt die Bühne die dem Phänomen „Asterix" auf den für die hinreißenden Großtaten Grund gehen. der antiken Widerständler. Den


Mein kleines Transistorradio Von Jörg Palitzsch

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Als die Popmusik tragbar wurde

Vor 60 Jahren eroberten die ersten Transistorradios den deutschen Markt. Zehn Jahre zuvor, 1948, war von den drei US-Physikern John Bardeen, Walter Brattain und William Shockley das kleine Bauteil erfunden worden. Das Trio erhielt für diesen technologischen Durchbruch den Nobelpreis, ohne Transistoren wäre der Siegeszug der Popmusik nicht so beeindruckend ausgefallen.

ie US-amerikanische Countrysängerin Connie Smith veröffentlichte 1965 den 2:30-Minuten-Song "Tiny Blue Transistor Radio", geschrieben von Bill Anderson. Darin besingt sie, verpackt in ein schmachtendes Liebeslied, die Vorzüge von Transistorradios. Ein solches kleines blaues (tiny blue) Radio hatte sie zum Geburtstag von ihrem Freund geschenkt bekommen, gemeinsam lauschte das Liebespaar der Musik, und der Moderator erzählte von Jimmy und seinem Mädchen. „Wir küssten uns sanft, als wir zuhörten", singt Connie Smith. Ein Jahr später ist es aus, während der Moderator immer noch von Jimmy und seinem Mädchen erzählt. „Ihre glücklichen Augen glänzen, während mein trauriges Herz lauscht", so die alleingelassene Countrysängerin. Dieses Lied ist eine Hommage an das tragbare Transistorradio, das 1965 bereits auf dem Markt eingeführt war. Es hatte nach und nach die größeren Röhrenradios abgelöst, um die sich Familien am Abend zu Hörspielen und Reportagen wie um ein Lagerfeuer versammelten. So war das Radiowesen in den USA und Europa schon seit den 1920er Jahren, also lange vor der Erfindung des Transistors, gut entwickelt. Nur: Mitte der 1950er Jahre verfügten Jugendliche Seite

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jenseits der 78er-Schellackplatten und der aufkommenden Musiktruhen mit ihren 10-Platten-Wechslern für die Singles der Eltern über keine eigenen Plattenspieler. So war es für sie schwierig, außerhalb des Dunstkreises elterlicher Kontrolle eigene Musik zu hören. Wobei die deutsche Popmusik der 1950er im Prinzip wie die der 1940er klang: melodienselig, in der Regel zum Mitsingen, mit sanften Harmonien und Orchester, in denen die Streicher die musikalisch dominierende Rolle spielten. Wer deshalb selbst Platten oder gar ein mobiles Radio besaß, wurde von seinen Altersgenossen hoch geschätzt. Ein Vorläufer der sogenannten Volltransistorradios waren Kofferradios, in die in den 1950er bis Anfang der 1960er Jahre in einer Entwicklungsphase neben den Transistoren vielfach noch Röhren eingebaut wurden. Für zusätzliches Gewicht sorgten die mitzuführenden Batterien. Dementsprechend schwer und groß waren diese Geräte. Solche Radios zählten zur Ausstattung der „Halbstarken" in Amerika, Jugendliche mit Jeans, offenem Hemd und Lederjacke, wie es Marlon Brando in dem Film „The Wild One" und James Dean in „Rebel Without A Cause" vormachten. Sie spürten etwas von der Kraft, die ihnen die Popmusik bot: provozieren, stören, spalten, erregen und verändern.

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Asterix® - Obelix® - Idefix® / © 2018 Les Éditions Albert René

Die Halbstarken standen mit ihren Radios an der Straßenecke, pfiffen den Mädchen hinterher, warfen Mülleimer um und wurden gegenüber älteren Menschen auch handgreiflich. Aus ihren Radios ertönte amerikanische Rockmusik, sie verehrten Elvis Presley und Bill Haley, der Rock'n'Roll war ihre Hymne. „Kofferradios haben es in sich", titelte die Firma Blaupunkt in einer Anzeige. Der Schritt vom Röhrenempfänger zum Transistorradio vollzog sich in den USA Ende 1954, als die bislang eingebauten Elektronenröhren im Zuge der Weiterentwicklung Schritt für Schritt durch Silizium-Transistoren ersetzt wurden. Ihr Vorteil: Sie schalteten und verstärkten wie Röhren, nur schneller. Vor allem auch sparsamer, weil viel kleiner und ohne Glaskolben, die hätten zerbrechen können. Das erste Volltransistorradio für den Massenmarkt trug den Namen Regency TR-1. Damit wurde mit dem kleinen, leichten und tragbaren Gerät, verpackt in einem zwölf Zentimeter großen Plastikgehäuse, auch die Regency Popmusik tragbar, wie TR-1 etwa die ersten Songs der Beatles. Bei der Verbreitung von Transistorradios taten sich in Deutschland vor allem die Firmen Telefunken, Siemens, Grundig, Blaupunkt und Nordmende hervor, die die Elektronik der Geräte, ganz im Sinne der Endverbraucher, immer weiter vorantrieben. Die Transistoren waren lange nicht so schwer wie die Röhren, 9-VoltBatterien sorgten für eine weitere Gewichtsreduzierung. Niedrige Preise, der geringe Strombedarf sowie die sehr gute Qualität beim Empfang sorgten vor allem bei Jugendlichen dafür, dass sich das Transistorradio in den 1960er Jahren schnell zu einem Statussymbol entwickelte – das „Radio für unterwegs" zählte in dieser Zeit zum Straßenbild. Befeuert wurde dieses Lebensgefühl durch ein zielgerichtetes und einfaches Werbe-Argument: Transistorradios waren praktisch und konnten überallhin mitgenommen werden. Musikalisch wurde den kleinen tragbaren Weltempfängern 1975 von der deutschen Band Kraftwerk auf ihrem fünften Studio-Album RADIOAKTIVITÄT mit dem Lied "Radioland" ein Denkmal gesetzt. „Drehen wir am Radiophon, vernehmen wir den Sendeton. Durch Tastendruck mit Blitzesschnelle erreichen wir die Kurze Welle. Nach Feineinstellung mit der Hand lauschen wir dem Morseband. Elektronenklänge aus dem Radioland", heißt es in dem Text über die Einstellungen an einem Transistorradio. Als Rudolf Rock & die Schocker 1981 ihren belanglosen Schlager "Mein Transistorradio" veröffentlichten, war seit zwei Jahren schon der Walkman auf dem Markt. 1982 sorgte dann die Firma Sony mit ihrem ersten CD-Spieler für eine neue Möglichkeit tragbarer Popmusik. Im selben Jahr kam Nordmende, einst einer der Marktführer bei Transistorradios, wirtschaftlich unter die Räder und meldete Konkurs an. Die Konkurrenz aus Fernost setzte bei den Abspielgeräten der Zukunft neue Maßstäbe.


Dinokult vor J „ urassic Park

Von Nicolas von Lettow-Vorbeck

Faszination Urzeit! Wer in den Neunzigern Kind war, der kam einfach nicht an den Dinosauriern vorbei. Spätestens nach dem Start von Jurassic Park" im Jahr 1993 grassierte weltweit ein bei" spielloses Dinofieber, das mit Sicherheit vielen Zeitgenossen noch lebhaft in Erinnerung ist. Damals bevölkerten die Dinos Spielzeugläden und Kinderzimmer, prangten auf T-Shirts und Federmäppchen, wurden als Fruchtgummis und Kuscheltiere feilgeboten. arüber kann man leicht vergessen, dass Dinosaurier und andere Urzeitwesen bei Kindern auch in früheren Jahrzehnten eine wichtige Rolle gespielt haben. Bereits 1864 veröffentlichte Jules Verne sein berühmtes Werk „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde": Im Roman besteigen ein eigensinniger Professor, sein junger Assistent und ein Eiderentenjäger einen isländischen Vulkan und finden auf dem K r at e r b o d e n den Eingang zu einer Höhle. Sie gelangen auf diesem Wege ins Erdinnere und stoßen dort, neben anderen Wundern, auf eine Vielzahl ausgestorbener Tiere. Der im Buch beschriebene dramatische Kampf zwischen einem Ichthyosaurus und einem Plesiosaurus ist einer der Höhepunkte des Buches.

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angeschaut. 1925 kam mit „Die verlorene Welt" ein Saurierstreifen in die Kinos, der es auf eine Länge von 104 Minuten brachte. Er basiert auf dem äußerst lesenswerten Roman „Die vergessene Welt" des britischen Sherlock-Holmes-Erfinders Arthur Conan Doyle. Erzählt wird die Geschichte einer Expedition, die im abgelegenen Amazonas auf einige überlebende Dinosaurier trifft. Die Spezialeffekte setzten damals Maßstäbe, im Jahre 2007 wählte die renommierte Visual Effects Society den Streifen unter die 50 einf lus s r e ichs te n Filme in Bezug auf ihre visuellen Effekte.

Vor gut 100 Jahren schafften die Dinos auch den Sprung auf die große Leinwand. „Gertie The Dinosaur" war 1914 ein echter Hit in den Stummfilmkinos. Der zwölfminütige Film stammt aus der Feder des Karikaturisten und Comic-Zeichners Winsor McCay. Der Hauptteil besteht aus handgezeichneten Sequenzen, in denen der weibliche Langhalsdino Gertie diverse Kunststücke vorführt. Auch für uns moderne Menschen ist dieser Meilenstein des frühen Kinos noch erstaunlich unterhaltsam: Über 320.000 Mal wurde er bisher auf YouTube Seite

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Ebenfalls in dieser Liste taucht „King Kong" von 1933 auf. Saurier spielen hier zwar nur eine kleine Rolle, aber der Kampf zwischen dem Riesenaffen Kong und einem Tyrannosaurus Rex ist ohne Zweifel einer der wichtigsten Momente des Films. Interessanter weise nannte Ste ven Spielberg in Interviews immer wieder „King Kong" als große Inspiration für seinen Blockbuster „Jurassic Park". So ist es dann auch kein Wunder, dass 1/2019


das riesige hölzerne Tor aus „Jurassic Park" das ebenso gewaltige Tor aus „King Kong" zitiert. 1940 ermöglichte Walt Disney den Dinos eine weitere denkwürdige Nebenrolle in seinem abendfüllenden Werk „Fantasia". Der gesamte Zeichentrickfilm wird von klassischer Musik begleitet, zu den Klängen Igor Strawinsky wird unter anderem die Geschichte des Lebens auf der Erde erzählt. Die Epoche der Dinosaurier – in „Fantasia" sehr düster und brutal dargestellt – darf dabei natürlich nicht fehlen. Der nächste Dino-Impuls kam 1954 aus dem fernen Japan – „Godzilla" gilt bis heute als Meilenstein des Monsterfilms. Die Story: Atomversuche wecken das Jahrmillionen alte Untier Godzilla aus seinem Schlaf, und bald nimmt der Koloss zerstörerischen Kurs auf Tokio. Um dies möglichst realistisch zu inszenieren, steckte man zwei Schauspieler abwechselnd in ein 100 Pfund schweres Gummikostüm. In „Godzilla" wird auch das japanische Trauma der amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki verarbeitet. Bis heute ist das Reptil sehr erfolgreich, die Riesenechse amerikanischen Filmen spielte bislang in 29 japanischen und zwei US US-amerikanischen die Hauptrolle. 1955 wurde mit „Reise in die Urzeit" der nächste Saurier-Meilenstein veröffentlicht. Der tschechoslowakische Fantasyfilm kann auch heute noch begeis tern und berichtet von vier Jungen, die eine geheimnis volle Höhle entdekken. Auf einem Ruderboot folgen sie dem Fluss, der in die Höhle führt, und reisen so viele Millionen Jahre in der Erdgeschichte zurück. In jeder geologischen Epoche begegnen ihnen die entsprechenden Tiere und Pflanzen dieser Zeit. Um die ausgestorbenen Wesen zum Leben zu erwecken, Technik und kombinierte diese bediente man sich der Stop-Motion-Technik mit Zeichentrickeffekten. Obwohl aus dem damaligen Ostblock stammend, schaffte es „Reise in die Urzeit" sogar in die Lichtspielhäuser der Vereinigten Staaten! Danach passierte in Sachen Dinos und Film lange Zeit erstaunlich wenig, die uralten Echsen stampften lediglich als stumpfsinnige Monster über die Kinoleinwände. Optisch sticht hierbei „Gwangis Rache" aus dem Jahr 1969 heraus. Der seltsame Western-Fantasy-Film handelt von Cowboys, die um die Jahrhundertwende GoodTimes

ein Tal entdecken, in dem – wenig originell – Dinosaurier überlebt haben. Die Geschichte ist nicht der Rede wert, aber die fabelhaften Animationen von Altmeister Ray Harryhausen sind auch heute noch bemerkenswert. Da er oft im deutschen Fernsehen wiederholt wurde, dürfte so manchem damaligen Kind auch der britisch britisch-amerikanische Film „Caprona – Das vergessene Land" von 1975 in Erinnerung geblieben sein. Handlung: Im Ersten Weltkrieg wird ein US-Schiff von einem deutschen U-Boot versenkt. Die Überlebenden retten sich auf eine geheimnisvolle Insel, wo – ebenfalls wenig originell – zahlreiche Dinosaurier das Aussterben am Ende der Kreidezeit auf wundersame Weise überlebt haben. „Ein pittoreskes Stück Science-Fiction-Kino mit zum Teil beachtlichen Tricks", urteilt anerkennend das „Lexikon des internationalen Films". Auf das visuell ansprechende Werk folgte 1977 sogar eine (deutlich schwächere) Fortsetzung. 1985 wurden die Dinosaurier dann endlich einmal nicht als Monster besetzt, sondern von Disney als niedliche, schutzbedürftige Wesen dargestellt. In „Baby – Das Geheimnis einer verlorenen Legende" kümmern sich zwei Wissenschaftler liebevoll um ein Dinobaby und verteidigen es gegen Soldaten und einen skrupellosen Forscher. Man merkt deutlich, wie die Themen Umweltzerstörung und Artensterben diesen Film beeinflusst haben. Der Dinosaurier wandelt sich langsam vom Symbol für das Bedrohliche schlechthin zur verletzlichen, auf menschliche Hilfe angewiesenen Naturrarität. 1988 bereitet der US-Kassenschlager „In einem Land vor unserer Zeit" langsam die Dinowelle der Neunziger vor. Der Zeichentrickfilm von Don Bluth erzählt von fünf sehr unterschiedlichen Saurierkindern, die von ihren Eltern getrennt werden und sich gemeinsam zu neuen Nahrungsgründen durchschlagen müssen. „In einem Land vor unserer Zeit" besticht durch seinen wunderschönen, detailverliebten Stil. Seit seinem Erscheinen hat der Film Generationen von Kindern begeistert, er ist ein zeitloses Märchen über Freundschaft, Mut und Toleranz. Die Dinos sind hier stark vermenschlicht dargestellt, sie fungieren als Vorbilder für Kinder. Spätestens da wird klar, wie facettenreich das Genre des Dinosaurierfilms ist. Über die Jahrzehnte traten die Urtiere in den unterschiedlichsten Rollen auf und spiegelten stets die Hoffnungen und Probleme ihrer Zeit wider. Ohne jeden Zweifel werden die Urtiere auch die nächsten Jahrzehnte äußerst vital durch die Film- und Literaturgeschichte trampeln. Ausgestorben zu sein ist in der Welt der Fantasie zum Glück nur eine relative Größe. 1/2019

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DER WELTRAUMFAHRER

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Am 4. Oktober 1957 versetzte ein piepsendes Signal aus dem Weltraum die Welt in Aufregung. Der Sowjetunion war es als erster Nation gelungen, einen Satelliten ins Weltall zu schießen. Mit Sputnik 1 begann das Zeitalter der Raumfahrt. In vielen Ländern erschienen daraufhin entsprechende Serien in Rundfunkprogrammen und Zeitschriften; Science-Fiction-Filme, -Bücher und -Comics hatten Hochkonjunktur. Auch der geschäftstüchtige Hannoveraner Verleger Walter Lehning hatte das Ereignis im Fernsehen verfolgt und wollte, dem Zeitgeist gemäß, ebenfalls eine Weltraumserie in seinem Comic-Programm haben. Gleich am nächsten Arbeitstag stürmte er auf seinen Hauszeichner Hansrudi Wäscher zu und verlangte von ihm schnellstmöglich eine utopisch-fantastische Serie. Wäscher zögerte nicht lange und hatte sogar schon den Titel parat: Sputnik? … Nick!

m 7. Februar 1958 erschien das erste Piccolo-Heft einer neuen Abenteuerserie mit dem Serientitel „Nick – Der Weltraumfahrer". Die Hefte waren im Streifenformat 17 cm x 7,5 cm gehalten, enthielten 32 schwarz-weiße Comic-Seiten sowie ein ansprechend farbiges Titelbild und kosteten damals 20 Pfennig. Das erste Heft mit dem Titel „Sputnik explodiert" entführte den Leser exakt 50 Jahre in die Zukunft. Im Vorspanntext wurde erklärt, dass die Menschheit infolge einer schrecklichen Katastrophe erkannt habe, welchen Irrsinn das atomare Wettrüsten bedeute, und deshalb eine Weltregierung gebildet worden sei. Die Menschen lebten in Frieden und Wohlstand, der Mond war längst erobert und wurde wirtschaftlich genutzt. Das nächste Ziel stellte nun die Erforschung der Venus Seite

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dar. Bis September 1960 erschienen ganze 139 „Nick"-PiccoloHeftchen. Aber es gab zudem auch noch die Großband-Serie: Ab Januar 1959 erschien diese parallel zu den Piccolos unter dem Titel „Nick – Pionier des Weltalls", ganz in Farbe und alle 14 Tage zum Preis von anfangs 50 Pfennig. Die Handlung dieser Serie ist zeitlich nach den Piccolo-Abenteuern einzuordnen. Die Hefte sind extrem fantasiereich gehalten und spannend gestaltet: Nick muss gegen Piraten und Diktatoren kämpfen und reist anschließend in ein Paralleluniversum. Als er von der großen Forschungsreise mit dem Sternenschiff ins heimatliche Sonnensystem zurückkehrt, sind auf der Erde mehr als zehn Jahre vergangen und die sogenannten Herren der Galaxis haben die Erde erobert ...

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Abb.: © Becker / Wäscher

1963 stellte der LehningVerlag alle Piccolo-Serien ein, und wenig später wurde dann auch die GroßbandSerie um Nick mit Nr. 121 recht überstürzt abgebrochen: Hansrudi Wäscher, der den Band bereits zu Ende gezeichnet hatte, musste die letzten fünf Seiten neu zeichnen – Nick hatte die Erde wieder einmal vor einer Invasion gerettet! Nachdrucke früher Nick-Abenteuer brachte der Lehning-Verlag noch selbst heraus. Von Februar 1964 bis Ende 1965 erschienen die ersten 90 „Nick"-Piccolos in der sogenannten Piccolo-Großband-Serie. Für die Neuveröffentlichung zeichnete Wäscher neue Titelbilder. Im März 1966 erschien noch einmal ein „Nick-Sonderband" mit Wiederholungen der ersten beiden Großbände und acht von Wäscher neu gezeichneten Abschluss-Seiten. Zwei Jahre später ging der Verlag in Konkurs, und von Nick hörte man anschließend zehn Jahre lang nichts mehr. 1976 erst brachte der Abi-Melzer-Verlag Nachdrucke der „Nick"-Großband-Serie wieder an die Kioske. Allerdings war die Druckqualität miserabel, und mit Band 20 wurde die Serie erneut eingestellt. Der Rechte-Inhaber druckte auch die kompletten „Nick"-Piccolos für eine Zielgruppe in kleiner Auflage nach, aber bei diesen Heften ließ die Qualität ebenfalls zu wünschen übrig. Dann erwarb der Comic-Fan, Sammler, Händler und Verleger Norbert Hethke die Rechte an allen WäscherSerien. Ab 1979 publizierte der umtriebige Verleger nach und nach die beliebten Heftserien sowohl in Form von Faksimile-Nachdrucken als auch liebevollen Neuausgaben mit von Hansrudi Wäscher neu gestalteten Titelbildern. 1986 erschien das erste neue „Nick"Abenteuer in der „Sprechblase" Nr. 70, und es sollten weitere folgen. Die Leser waren einmal mehr vom „Nick-Fieber" befallen, und der Hethke-Verlag veröffentlichte ab 1997, beginnend mit der Nr. 140, neue „Nick"-Piccolos. Diese Abenteuer schlossen inhaltlich an Hethkes Sonderband Nr. 11 aus dem Jahr 1996 an. 2007 starb Norbert Hethke, und seine „Nick"-PiccoloSerie wurde mit der Nr. 398 eingestellt. Aber „Nick" war noch lange nicht tot. Im Januar 2010 startete der neugegründete IngrabanEwald-Verlag aus Lübeck eine dritte „Nick"Piccolo-Serie. Der Verlagsinhaber schreibt selbst die „Drehbücher" zu den Comics. Die Geschichten entwickelt er im Laufe der Sommermonate beim Schwimmen in der Ostsee und beim Wandern. Der Verleger besitzt die erstaunliche Fähigkeit, alles Erdachte in seinem Kopf abspeichern zu können. Er macht sich während dieser schöpferischen Phase keinerlei Notizen. Nicht eine einzige Idee wird schriftlich festgehalten. Erst wenn die Tage kürzer werden, setzt sich der begnadete Geschichtenerzähler spät in der Nacht an seinen Schreibtisch und bringt seine Gedanken zu Papier. Der Text geht dann per E-Mail an den Zeichner Jürgen Speh. Der wiederum liefert dann termingerecht das GoodTimes

komplette Heft mit Titelbild und vollständig „gelettert" in der Redaktion des kleinen Verlages ab. Inzwischen sind bereits über 110 Hefte erschienen, und ein Ende der Serie ist nicht abzusehen. Sogar die Großbände mit Nachdrucken der Piccolos (drei pro Heft) werden seit 2010 vom Heinz-Mohlberg-Verlag fortgeführt und erfreuen sich großer Beliebtheit. Ende Januar 2013 erschien pünktlich zum 55-jährigen Jubiläum der „Nick"-Serie auch der erste Roman des beliebten Welt raumhelden: Die Romanhandlung stellt eine exakte Adaption der ersten 15 PiccoloHefte der ersten Serie dar. Diese Reihe wird laufend fortgesetzt. Die erste Auflage ist klein (99 Exemplare), der Preis entsprechend hoch. Die Texte werden von Achim Mehnert sehr spannend und behutsam im Sinne von Hansrudi Wäscher geschrieben und auch noch durch einige Wäscher-Zeichnungen aufgelockert. Der 1961 in Köln geborene Autor ist seit 2003 als freiberuflicher Schriftsteller tätig und hat bis heute über 100 Romane veröffentlicht. Nur sehr wenige Menschen hatten bis heute das Glück, an einer Reise in den Weltraum teilnehmen zu dürfen. Comic-Held Nick, der Pionier des Weltalls, aber hat auf seine Weise tatsächlich an einer realen Weltraummission teilgenommen, und das bereits vor rund 25 Jahren: Am 26. April 1993 wurde die zweite deutsche SpaceShuttle-Mission D-2 vom Kennedy Space Center aus gestartet. Mit an Bord des Raumschiffs Columbia war der deutsche Astronaut Ulrich Walter. Zehn Tage lang umrundete das Space Shuttle in einer Umlaufbahn von 300 Kilometern 160 Mal die Erde. Mit Genehmigung der Nasa durfte jedes Crew-Mitglied auf dem Flug ins All nach strengen Regeln in einem PPK-Beutel bis zu 20 persönliche Gegenstände mitnehmen. Ein begeisterter Comic-Leser und Sammler von Wäscher-Heften überzeugte da seinen Freund Ulrich Walter von der Idee, ein „Nick"-Heftchen mit in den Weltraum zu nehmen. Walter war sofort einverstanden, wollte aber lieber eine neue Originalzeichnung. Im Mai 1992 willigte Hansrudi Wäscher ein, drei neue kleine „Nick"-Zeichnungen genau nach den entsprechenden Abmessungen für den Beutel anzufertigen, die Walter mit in den Weltraum nehmen sollte. Der Traum des WäscherFans wurde Realität! Am 4. November 1994 wurden diese Zeichnungen auf der Kölner Comic-Messe von Hansrudi Wäscher und Walter dann der Öffentlichkeit präsentiert. Später veröffentlichte der NorbertHethke-Verlag die Zeichnungen auch als Faksimile-Drucke ... Hans-Joachim Neupert 1/2019

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Der kleine Vampir

Mein Freund, der Langzahn Ein Rückblick auf einen unsterblichen Kinderbuchklassiker

Von Thorsten Hanisch

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eit März diesen Jahres ist die aktuellste Inkarnation der seit bald vier Jahrzehnten ungemein beliebten und erfolgreichen Kinderbuch-Reihe „Der kleine Vampir", die von der wunderbaren Freundschaft zwischen einem Menschen- und einem Vampirkind erzählt, auf Blu-ray und DVD zu haben. Dieses Mal in Form eines Animationsfilms, der beim Kino-Einsatz im Herbst 2017 auf verhaltene Resonanz beim Publikum stieß. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit aber trotzdem nicht verhindern, dass einem die beiden Hauptfiguren Anton Bohnsack und Rüdiger von Schlotterstein auch in Zukunft in der einen oder anderen Form über den Weg laufen, denn obwohl Schöpferin Angela Sommer-Bodenburg ihre Buchreihe 2015 mit dem 21. Band „Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen" endgültig auslaufen ließ, ist eines klar – Bodenburg hat einen zeitlosen Klassiker geschaffen, der mit seiner zutiefst humanistischen „Fürchte nicht das Fremde, sondern geh drauf zu!"-Botschaft gerade in heutigen, von Xenophobie geprägten Zeiten nicht aktueller wirken könnte. Im Folgenden ein Rückblick auf einen kleinen Vampir, der seine Schöpferin zur in über 30 Sprachen übersetzten Bestsellerautorin machte.

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ngela Sommer-Bodenburg wurde am 18.12.1948 in Reinbek bei Hamburg geboren und lebt mittlerweile in Silver City, New Mexico. Schon sehr früh fing sie an zu malen Angela Sommer-Bodenburg und zeichnen, etwas später entdeckte das künstlerisch begabte junge Mädchen mit Hilfe der neueröffneten örtlichen Bücherei ihre Liebe zur Literatur, was sich nicht nur in ausgiebigem Schmökern äußerte (schon zu diesem Zeitpunkt deutete sich an, wohin die spätere Reise gehen würde, denn fantastische Geschichten mit Vampiren, Werwölfen und Gespenstern gehörten zum bevorzugten Lesestoff), sondern auch im Wunsch, selbst Geschichten zu schreiben. Nicht nur das wurde in die Tat umgesetzt, Sommer-Bodenburg stellte auch ihre eigenen Bücher her, die sie illustrierte und mit Garn zusammennähte. Seite

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Bald darauf manifestierte sich dann ein naheliegender Berufswunsch: Schriftstellerin! Bestärkt wurde sie darin von ihrem Vater, einem leidenschaftlichen Freizeitautor, der die Veröffentlichung ihrer ersten beiden Bücher noch miterlebte, bedauerlicherweise kurze Zeit später jedoch starb.

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ber wie so oft bei Berufswünschen, die zwar künstlerische Erfüllung, aber nicht unbedingt „täglich Brot" versprechen, führte der Weg zum Ziel über einen großen Umweg: Die junge Frau wurde erst einmal Grundschullehrerin, hörte aber trotzdem nie zu schreiben auf und erreichte schließlich auch Veröffentlichungen in diversen Literaturzeitschriften.

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hr Job hatte maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung ihrer berühmtesten Schöpfung. Das erklärte Ziel der Lehrerin war es, alle ihre Schüler zu eifrigen Lesern zu machen, allerdings waren ein paar der Kinder einfach nicht dazu zu bewegen, ein Buch in die Hand zu nehmen, worauf sie im Gespräch mit dem Nachwuchs herausfand, wie ein Buch sein müsste, das auf Wohlwollen stößt: nämlich nicht belehrend, sondern lustig, spannend und ein bisschen gruselig. Daraufhin entstand das erste Kapitel von „Der kleine Vampir", und als selbst die größten „Bücherfeinde" beim Vorlesen aufmerksam zuhörten, wurde ihr klar, dass sie etwas ganz Besonderes kreiert hatte. Den Stoff an den Mann zu bringen, war allerdings trotzdem nicht einfach, denn viele Verlage äußerten bei der Kombination Kinder plus Vampire Vorbehalte, einzig Rwowohlt Rotfuchs (das Kinder- und Jugendbuchprogramm von Rowohlt) hatte Interesse. 1979 erschien allerdings nicht nur „Der kleine Vampir", sondern Sommer-Bodenburg konnte ebenfalls beim renommierten Suhrkamp Verlag den Gedichtband „Sarah bei den Wölfen" veröffentlichen, was einer literarischen Auszeichnung

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gleichkam. Allerdings wurden von Letzterem gerade mal 1000 Stück abgesetzt, „Der kleine Vampir" hin hingegen mutierte zu einem gigan gigantischen Erfolg. Allerdings einem Erfolg mit Schattenseite, denn die Schriftstellerin wird nur allzu gerne auf ihren Vampir-Dauerbrenner reduziert, das restliche – sehr umfangreiche und mindestens ebenso bemerkenswerte – Oeuvre oder ihre Arbeiten als Malerin stehen in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich hinten an.

Bruder Lumpi wurde zu seinem Cousin …) mit Abstand die gelungenste und auch ein prima Beispiel dafür, wie sehr man im damaligen Kinderfernsehen der jungen Zielgruppe noch auf Augenhöhe begegnete, denn die Serie trifft den emotional-humorvollen, aber durchaus auch dunklen Kern perfekt, was durch die wunderbar natürlich agierenden Kinderdarsteller und die großartig aufspielenden Nebendarsteller perfekt unterstrichen wird (unter anderem findet sich Hammerfilm-Veteran Michael Gough, der Onkel Theodor auf seine unnachahmliche Art und Weise genau die aristokratische Grandezza verleiht, die der Anführer eines Vampir-Clans benötigt; nicht zu vergessen natürlich auch Gert Fröbe als fanatischer Geiermeier, dem die Bösartigkeit aus allen Poren trieft). Die Serie fächert eine glaubwür glaubwürdige Welt mit lebendigen, der literarischen Vorlage relativ nahe kommenden Charakteren auf, die auch nicht von den mittlerweile durchschaubaren Tricks beschädigt wird. Ein Evergreen, dem selbst der Zahn der Zeit nicht viel anhaben konnte.

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arum „Der kleine Vampir" zu solch einem Hit wurde, ist nicht schwer zu erraten: Sommer-Bodenburg findet mit Anton Bohnsack, aus dessen Sicht die Erlebnisse geschildert werden, die ideale Identifikationsfigur für ihr anvisiertes Publikum. Ein normaler, aufgeweckter, neunjähriger Junge, der mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat wie so viele andere auch (grauer Alltag, anstrengende Eltern, erste zarte Gefühle für das weibliche Geschlecht etc.), die übernatürliche Vampir-Komponente wird mit leichter Hand eingeflochten: Rüdiger von Schlotterstein wirkt nur auf den ersten Blick anders, auf den zweiten entpuppt sich der Vampir als ebenso normaler Junge, der lediglich ein paar seltsame Angewohnheiten hat, mit denen man sich aber durchaus arrangieren kann. Auch Rüdigers Vampir-Sippschaft verliert mit der Zeit viel von ihrem anfänglichen Schrecken. Die weitaus größere Bedrohung kommt nicht vom Fremden, sondern vom Vertrauten, von einem Menschen aus Antons Welt, und zwar in Gestalt des verbiesterten Vampirjägers Geiermeier, dessen einziges Lebensziel darin besteht, die Vampire, das vermeintlich Andere, konsequent auszurotten, anstatt nach Möglichkeiten einer Annäherung zu suchen.

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er kleine Vampir" erzählt von einer Freundschaft, die Grenzen hinter sich lässt, verzichtet dabei aber auf den pädagogischen Zeigefinger und ist, ganz wie Sommer-Bodenburgs leseresistente Schützlinge das einst wollten, nicht belehrend, sondern eben lustig, spannend und ein bisschen gruselig. Ein weiteres Merkmal der Reihe ist auch ihr fast schon stures Korsett, das andererseits aber auch Vertrautheit vermittelt: Die Besetzung geht nur selten über das sich kaum verändernde Stammpersonal (Rüdiger, Anton, Antons Eltern, Rüdigers Sippschaft, Geiermeier etc.) hinaus, und bis Band 20 („Der kleine Vampir und die letzte Verwandlung") verweigerte sich Sommer-Bodenburg konsequent der Moderne: Smartphones und Tablets hielten erst mit dem letzten Band Einzug, zudem wird Anton urplötzlich zum Trennungskind! Es ist kaum verwunderlich, dass das Finale Gert Fröbe (Geiermeier) und heiß diskutiert wurde. Joel Dacks als Rüdiger von

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Schlotterstein

986 wurden die ersten beiden Bücher, „Der kleine Vampir" und „Der kleine Vampir zieht um" als 13-teilige Fernsehserie adaptiert, die hierzulande am 31.12.1986 in der ARD nicht nur Premiere feierte, sondern sich bis heute in die Herzen der mittlerweile ganz schön großen Kinder fraß, und das nicht zu Unrecht, denn die deutsch-kanadische, angenehm bedächtige Produktion ist – trotz kleinerer Änderungen gegenüber der Vorlage (Rüdiger und Anna sind Waisen, Rüdigers GoodTimes

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ie gut die erste Umsetzung geworden ist, wird besonders deutlich, wenn man sie mit der 1993 veröffentlichten zweiten Serie „Der kleine Vampir – Neue Abenteuer" vergleicht. Dieses Mal handelt es sich um eine rein deutsche Produktion, die mit einem Budget von über zehn Millionen DM rund zweimal so viel wie der Vorgänger kostete, aber von Menschen fabriziert wurde, die offenbar der Ansicht waren, dass Kinderfernsehen automatisch auch „extra debil" sein muss. In der von Christian Görlitz (u. a. „Fleisch ist mein Gemüse", „Der Kriminalist") gedrehten Serie, die teilweise völlig von den Büchern abweicht, findet sich absolut gar nichts von dem, was den Vorgänger so besonders macht, die neuen Abenteuer sind laut, grell, penetrant; die völlig überforderten Darsteller füllen ihre Rollen nicht ansatzweise mit Leben aus, Anton ist ein nerviger Klugscheißer mit Brille und Rüdiger ein viel zu laut und schroff auftretender Unsympath, dem man schon nach wenigen Minuten einen Pflock ins Herz wünscht (über die Nebencharaktere sei an dieser Stelle der Mantel des Schweigens gelegt), und obwohl die Effektszenen dank höheren Budgets etwas besser gelungen sind, torpediert man sich doch gleich wieder selbst: Während die beiden Kids im Vorgänger noch elegant durch die Nacht gleiten, wedeln deren Nachfolger nun überflüssigerweise mit den Armen, damit die Zielgruppe auch ja merkt, dass hier jemand fliegt – war schon damals für einen Lacher gut, heutzutage schämt man sich direkt ein bisschen fremd. Selbst Sommer-Bodenburg mag den zweiten Ableger nicht sonderlich – völlig zu Recht!

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ei den beiden Kinofilmen, der 2000 erfolgten Verfilmung von Uli Edel („Der Baader Meinhof Komplex") und der eingangs erwähnten animierten Version, nahm die Treue zum Werk noch weiter ab; es handelt sich um Adaptionen, die nur noch lose auf den Büchern basieren und demzufolge mit vielen Änderungen (Edels Film spielt in Schottland) und Neuerungen (unter anderem werden Vampir-Kühe eingeführt) aufwarten, allerdings – vor allem im Trickfilm – auch mit deutlich eindimensionaleren Charakteren aufwarten und um einiges effektbetonter sind. Der Vorlage auch nur annähernd gerecht wird keine der Leinwandvarianten.

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och das ist noch lange nicht alles: „Der kleine Vampir" wurde im Laufe der Jahre als Musical, Tanztheater oder Puppentheaterstück umgesetzt, es gibt Hörspiele und Comics (die anders als die Hörspiele allerdings keine Adaptionen der Bücher und außerdem von Petra Fohrmann geschrieben worden sind), Unterrichtsmaterialien, Computerspiele und vieles mehr – auch dieser Erfolg wurde gnadenlos ausgeschlachtet, was den Reiz der Vorlage aber keineswegs schmälert, denn die ist unsterblich und wird auch noch viele weitere Generationen von Leseunwilligen in ihren Bann ziehen. 1/2019

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TELLY SAVALAS

Aristotelis Telly" Savalas war wohl der entzückendste Skinhead Doch bis zu seinem Stern auf dem Walk Of Fame war es zu dieser " seiner Zeit. Zusammen mit seinem kreisenden Lolli und viel Zeit noch ein weiter Weg für Savalas. In den 50er Jahren arbeitete er zynischem Humor spielte er insgesamt 118 Mal den coolen und zunächst für das US-Innenministerium im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. liebenswerten Cop Kojak". Dass er davor in über 60 Filmen Hier konnte er für seine angestrebte TV-Karriere wichtige Kontakte " mitgewirkt hat und zeitweise sogar die Hitparaden als Sänger knüpfen. Den Anfang machte er bei der Fernsehgesellschaft ABC. Und stürmte, wissen dagegen nur die wenigsten. Sein Einsatz in so letztendlich half ihm der Zufall dabei, dass er dort schon bald als " Manhattan" aber ist und bleibt legendär und war die Rolle seiProduzent und Regisseur von Nachrichten und Sondersendungen zum nes Lebens – heute ist er Kult. Einsatz kam. Nach einigen kleineren TV-Auftritten bekam Telly Savalas 1960 dann eine Rolle in der Fernsehserie „The ls Sohn griechischer Einwanderer wurde Witness" und überzeugte mit der Figur des Savalas 1922 in New York geboren. Bereits Lucky Luciano in der gleichnamigen Episode. im Alter von acht Jahren musste er notgedrunDabei wurde auch Burt Lancaster auf den gen seinen ersten Job als Schuhputzer annehJungschauspieler aufmerksam und vermittelte men, um seine Familie zu unterstützen. Sein ihm 1962 eine Rolle in dem bis heute legenVater war zuvor mit einem eigenen Restaurant dären Film „Der Gefangene von Alcatraz". Der gescheitert, und der siebenköpfigen Familie Durchbruch war geschafft. Für seine überzeuging es mehr schlecht als recht. Viele weitere gende Verkörperung des Häftlings Feto Gomez dürftig bezahlte Jobs folgten dann in seiner erhielt Savalas seine erste Oscar-Nominierung. Jugendzeit, bevor Savalas 1941 zur Armee ging, In den 1960er Jahren drehte Savalas zahlum seinen Militärdienst im Zweiten Weltkrieg reiche Fernsehserien und Kinofilme, die bis abzuleisten. Zwei Jahre später erlitt er dabei so heute tief im Gedächtnis seiner Fans verschwere Verletzungen, dass ihn ein einjähriger ankert sind. 1965 spielte er den Pontius Krankenhausaufenthalt zur Ruhe zwang. In Der Gefangene von Alcatraz" Pilatus in dem Monumentalfilm „Die größdieser Zeit reifte sein Wille, Spracherziehung, " te Geschichte aller Schauspiel und Zeiten", 1967 den Re g i e -U nte r r ic ht Soldaten Maggott in zu nehmen, was er dem Kriegsfilm „Das auch erfolgreich dreckige Dutzend" zunächst im Armed und 1969 den Forces Institute und Bösewicht Blofeld im später, als seine Jame s-B ond-F i lm Kriegswunden ver„Im Geheimdienst heilt waren, an der Ihrer Majestät". Telly Savalas als Blofeld mit Diana Rigg im JamesColumbia University Das dreckige Dutzend" Bond-Film Im Geheimdienst Ihrer Majestät" Als Regisseur und umsetzte. " "

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D r ehbuchautor war Savalas dagegen weit weniger erfolgreich. Sein 1970 gedrehter Streifen „Beyond Reason", für den er sowohl das Drehbuch geschrieben hatte – Kojak – als auch die durfte zusammen mit Savalas ein paar Szenen drehen. Unvergesslich ist Titelrolle spielte, schaffte es nicht einmal bis in die US-Kinos. für mich, wo wir zusammen aus dem Flugzeug aussteigen. An diesem Weltweite Berühmtheit erlangte Savalas dann ab 1973 mit der Tag im August hatte es am Klagenfurter Flughafen locker um die 35 Krimiserie „Kojak – Einsatz in Manhattan". Als cooler Glatzkopf mit Grad im Schatten. Und so kam nicht nur Savalas gehörig ins Schwitzen, Herz und Lolli im Mund eroberte er seine Fans im Handumdrehen. sondern auch ich, nachdem wir einzelne Szenen bis zu zehnmal in Einen derartigen Cop hatte es bis dahin nicht gegeben, weder (wahrFolge wiederholen mussten, bis sie endlich im Kasten war. scheinlich) im realen Leben noch im Film. Die Mischung aus raubeiniUnvergessen auch der Friseursketch zusammen mit Rudi Carrell, gem, aber zugleich auch liebenswürdigem Polizisten kam gut an beim wo Savalas die „Haare" gemacht wurden. Telly erzählte dabei in Publikum. Savalas löste zwischen 1973 und 1978 in weit über 100 bester Laune, dass er sich immer einen Folgen so ziemlich jeden Fall Lolli genehmige, wenn ihm etwas in Manhattan und avancierte Unschönes widerfahre oder er etwas dadurch zu einem der berühmnicht gut finde. Friseur Carrell fragte testen Fernsehschauspieler der ihn daraufhin, wie er denn sein „Am 1970er Jahre. Unvergessen auch laufenden Band" gefunden habe – sein wohl berühmtestes Zitat in und Savalas zückte als Antwort seinen der deutschen Synchronisation Lolli. – das spöttisch-ironische „entNoch spezieller war da wohl nur zückend" bzw. „Ist es wahr?", sein Gastauftritt in der „Disco" bei was er häufig als Antwort Ilja Richter. Beim finalen Sketch fragauf die Kommentare seite Ilja ihn in einer Art Englisch viel ner Kollegen erwiderte. 1974 sprach man Telly Savalas den Savalas mit Söhnchen Nicholas Unsinn, worauf Savalas überraschend Großer Auftritt als Sänger und Frau(en) auf Deutsch antwortete: „Ich glaubei Seriendarstellern sehr begehrten Emmy-Award für seine Leistungen zu. Am laufenden be, ich spinne, mein Junge." Danach sang er zur " Band" mit Krönung auch noch "Ein Prosit der Gemütlichkeit" Was allerdings die wenigsten heute noch wissen: Rudi Carrell – mit einem Pappbecher! Savalas war sich eben für Savalas war auch als Sänger recht erfolgreich und nichts zu schade. brachte mehrere Platten auf den Markt. Sein 1980 Als Mann mit dem gewissen Sex-Appeal spielveröffentlichter Song "Some Broken Hearts Never ten für Savalas auch gerne einmal die Frauen die Mend" stürmte rasch die Hitparaden und erreichte Hauptrollen in seinem Leben. Ehe Nummer eins ging in Deutschland Platz 5 der Hitlisten. Erfolgreich war er 1948 mit Katherine Nicolaides ein. Die gemeiner aber auch schon fünf Jahre zuvor mit dem mehr same Tochter Christina kam 1950 auf die Welt. In gesprochenen als gesungenen Titel "If" gewesen, der zweiter Ehe war Savalas von 1960 bis 1974 mit 1975 in Großbritannien sogar auf Platz 1 kam. Schauspielerkollegin Marilyn Gardner verheiratet. Mit In der Zeit nach Kojak trat Savalas ab 1979 ihr hatte er die Töchter Penelope (geb. 1962) erneut als Schauspieler in Erscheinung – große und Candice (geb. 1963). Schon während seiKinorollen blieben jedoch aus. 1989 spielner Ehe war Savalas allerdings mit Sally Adams te er noch einmal in sechs Fernsehfilmen liiert: Die beiden hatten sich bei den Cop Kojak. In diesen TV-Movies in den Dreharbeiten zum bereits Spielfilmlänge verzichtete er allerdings auf genannten Bond-Film kennen sein Markenzeichen – den geliebten Lolli. Die und lieben gelernt. Aus dieamerikanische Zahnärzte-Vereinigung war zu ser Verbindung stammt der Ansicht gelangt, er sei damit ein schlechtes der gemeinsame Sohn Vorbild für Kinder ... Ein Schloß am Wörthersee" mit " Uschi Glas und Pierre Brice Nicholas. Seine drit1991 ging es für Savalas beruflich nach te und letzte Ehe ging der Schauspieler Österreich, genauer gesagt an den Wörthersee. Zwischen 1991 1984 mit Julie Hovland ein, die ihm und 1993 war er in der Rolle des Teddy in Sohn Christian (geb. 1985) und Tochter der deutschen Fernsehserie „Ein Schloss am Ariana (geb. 1987) schenkte. Wörthersee" zu sehen – und das gemeinsam 1994 spielte Savalas in seinem mit mir als Statisten! Doch hier spielte der letzten Kinofilm „Backfire – Die Zufall die Hauptrolle: Während meines damatotal verrückte Feuerwehr". Diese ligen Urlaubs am Wörthersee gesellte sich etwas überdrehte Klamotte war zufällig der Produzent der Serie, Otto Retzer, mit einer ganzen Reihe alternder beim Abendessen an unseren Restauranttisch. Stars wie Robert Mitchum und Schnell war meine Mutter Feuer und Flamme Shelley Winters besetzt, die sich allesamt für das Projekt, ihrem Sohn eine Rolle in der ordentlich verheizen ließen. Savalas erlag damals wohl beliebtesten deutschen TV-Serie zu kurz darauf am 22. Januar 1994 – nur einen vermitteln. Und da Otto Retzer nun schon mal Tag nach seinem 72. Geburtstag – seinem am Tisch saß, musste man diese Chance auch Prostatakrebsleiden. irgendwie nutzen. Gesagt – getan. Bereits am Markus Nöth nächsten Tag hieß es für mich „Film ab", und ich GoodTimes

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Ufos

Von Hans-Joachim Neupert

Fliegende Untertassen beflügeln die Fantasie Das Thema Ufos beschäftigt die Medien seit den frühen 50er Jahren immer wieder, und von offiziellen Stellen wird dann sofort eine natürliche Erklärung für geheimnisvolle Erscheinungen genannt, man kann aber auch sagen erfunden". Nach dem " Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf!" Der Mensch " ist schließlich das höchste und einzige" intelligente Wesen im " Universum, einmal abgesehen von Gott, dem Schöpfer. Also handelt es sich bei den Unbekannten Fliegenden Objekten" " um Luftspiegelungen, Himmelslaternen, Modellflugzeuge, Meteoriten, Trümmerteile von irdischen Raketenstarts – und neuerdings um sogenannte Drohnen, die es zurzeit noch in allen möglichen Varianten zu kaufen gibt. Sicher trifft das sogar auf 95 Prozent aller Ufo-Sichtungen zu, es verbleiben somit allerdings immer noch 5 Prozent, für die unsere Experten keine glaubhafte Erklärung finden können.

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as Phänomen der rätselhaften Flugscheiben geistert seit Juni 1947 immer wieder durch Presse, Rundfunk und Fernsehen. Damals berichtete der Pilot Kenneth Arnold einem Reporter von einer Begegnung mit neun blitzenden Objekten im Gebiet um den Mount Rainer im US-Bundesstaat Washington, die sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit am Himmel bewegt hätten. Arnold verglich die Flugobjekte mit Untertassen, und die Presse prägte deshalb den Begriff „Fliegende Untertassen". Bereits während des 2. Weltkriegs berichteten amerikanische Bomberbesatzungen immer öfter von sogenannten Foo Fighters, kleinen, sehr schnell fliegenden Scheiben, die im hellen Glanz leuchteten. Die Air Force vermutete hinter diesen Erscheinungen ein deutsches Geheimprojekt, wollte die Bomberbesatzungen keinesfalls beunruhigen und erklärte die Angelegenheit für streng geheim. Anfang Juli 1947 berichteten amerikanische Tageszeitungen vom Absturz einer „Fliegenden Untertasse" in Roswell, einer kleinen Stadt in New Mexico. Bereits Seite

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am nächsten Tag korrigierten die Militärbehörden ihren Bericht jedoch und sprachen nun lediglich von einem Wetterballon, der in der Wüste niedergegangen sei. Diese Angelegenheit ist dermaßen mysteriös, dass es sich höchstwahrscheinlich doch um eine echte Flugscheibe gehandelt hat, deren Technik nach und nach kopiert wird. Das würde u. a. eventuell auch die gewaltigen Sprünge auf dem Gebiet der Mikroelektronik erklären – und die totale Geheimhaltung der Area 51. Tragbare Computer, Flachbildschirme und neue Materialien sind bereits vor vielen Jahren angekündigt worden und wurden dann sukzessive eingeführt. Nur beim Antrieb hält man sich bedeckt. Höchst wahr scheinlich ist hier „Freie Energie" im Spiel, und deren Einführung lassen die Mächtigen dieser Welt natürlich nicht zu! Erfolgreiche Versuche in dieser Richtung hat es gegeben, aber das Ergebnis wurde von höchsten Stellen schnell dementiert … Woher jedoch kommen die Ufos, und was wollen sie hier? Vielleicht handelt es sich um kleine Landungsboote zur Planetenerkundung, die als Beiboote in riesigen zigarrenförmigen Mutterschiffen stationiert sind? Auch diese über 1000 Meter langen Objekte sind etliche Male von Piloten gesichtet und sogar fotografiert worden.

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Denkbar wäre aber auch eine Basis auf dem Meeresgrund oder aber im Inneren unseres Planeten, in der sogenannten Hohlwelt. Vieles scheint möglich ...

etliche Höhlensysteme sowie eine Ansammlung großer Monolithen. In

Steht unser Planet unter Quarantäne? Sind wir die Schöpfung einer außerirdischen Rasse? Werden wir systematisch seit Jahrtausenden von Aliens beobachtet, analysiert und gelenkt? Das alles sind Fragen, die man in Deutschland, anders als in den USA, nicht öffentlich diskutiert. Es sei denn, man möchte als verrückter Spinner abgestempelt werden, der zu viele „Nick"- und „Perry-Rhodan"Hefte konsumiert hat! Aber so ganz ohne Hintergrund sind diese Überlegungen nicht. Im September 1961 wurden angeblich erstmals Menschen durch Ufos entführt und medizinisch untersucht. Unter Hypnose erzählten Entführungsopfer später immer wieder von medizinischen Forschungen, und sie berichteten auch von einem merkwürdigen „Zeitverlust" von mehreren Stunden. Eines der ersten Entführungsopfer, Betty Hill, befragte die Fremden nach ihrer Herkunft, und sie präsentierten der Erdenfrau eine Sternenkarte, die Hill während der Hypnosesitzung nachzeichnen konnte! Experten wollen darauf unser Sonnensystem aus der Perspektive des Sternensystems Zeta Reticuli erkannt haben. Das Ufo-Phänomen ist allerdings nicht nur eine Erscheinung der Neuzeit. Berichte über seltsame Fahrzeuge am Himmel findet man in den Aufzeichnungen, Sagen, Mythen, Legenden und Religionen aller Völker auf diesem Planeten. Besonders in der indischen Mythologie stößt man auf ausführliche Berichte über die verschiedensten Luftfahrzeuge, „Vimanas" genannt, mit denen die Götter und ihre Söhne einst gereist sein sollen. In den uralten indischen Texten, dem „Mahabharata", werden die „Vimanas" exakt unterteilt in Luftfahrzeuge und Raumfahrzeuge. Auch ihre Ausstattung und die technischen Möglichkeiten werden ausführlich beschrieben und bringen die Verfechter der klassischen Archäologie in Erklärungsnot. Erstaunlicherweise lassen sich auch leuchtende, scheibenförmige Himmelskörper auf diversen Gemälden aus dem Mittelalter finden. Die ältesten Zeichnungen von seltsamen Wesen in modernen Raumanzügen sind sogar älter als 20.000 Jahre, und in Ägypten lassen sich eindeutig Hubschrauber, U-Boote und Kampfjets in uralten Bildsymbolen erkennen. Kann es sein, dass es sich bei den Ufos also gar nicht um Außerirdische handelt, sondern um Besucher aus unserer eigenen Zukunft? Denkbar wäre das, aber manchmal verschwimmen einfach die Grenzen zwischen Fakten und Fantasie. Es gibt unzählige Beweise dafür, dass die Menschheit seit vielen Jahrtausenden von Wesen, die den Menschen nicht unähnlich sind und eine sehr hohe technische Stufe erreicht haben, besucht wird. Bereits im 19. Jahrhundert wurde in der Ukraine, etwa 150 Kilometer nördlich der Halbinsel Krim, eine steinzeitliche Hügelanlage entdeckt, deren Alter von Archäologen auf rund 22.000 Jahre geschätzt wird. Die Anlage umfasst

alten Zeiten wurde sie „Bog-Gora" genannt, übersetzt bedeutet das „Gottesberg". In den Höhlen und Grotten fanden die Forscher unzählige Felszeichnungen, die an Flugobjekte verschiedenster Bauart erinnern. Für die Archäologen handelt es sich hierbei eindeutig um tierische Darstellungen! Was auch sonst? Neben den Flugobjekten gibt es jedoch auch Felsbilder mit seltsamen Gestalten, die scheinbar in einer Art Schutzanzug stecken. Eindeutig lassen sich zudem Details wie Sichtblenden am Helm und ein Beatmungsschlauch erkennen, der zu einem Tornister im Rückenbereich führt. Im frühmittelalterlichen Japan (700–850 n. Chr.) waren mysteriöse „Kappas" allgegenwärtig, von denen es zahlreiche Abbildungen gibt. Diese Wesen hausten an Flüssen und in Sumpfregionen. Auffällig ist ein rüsselartiger Auswuchs, der von Mund und Nase zu einem Kasten auf dem Rücken führt. Bereits vor etlichen Jahren hat der japanische Professor Kitamura in diesem Zusammenhang auf „Besucher aus dem Weltall" getippt. Und im Jahr 322 v. Chr. griffen fünf Flugscheiben, sogenannte fliegende Schilde, sogar aktiv in eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen zwei Völkern ein, als sie die unüberwindbaren Mauern von Tyros mit ihren Strahlwaffen zerstörten, so dass Alexander der Große die Stadt nach sieben Monaten der Belagerung endlich einnehmen konnte. In den Chroniken der Kirchenbücher wiederum wird davon berichtet, dass im Jahr 1697 über Hamburg und anderen norddeutschen Städten und Dörfern eine hell leuchtende Kugel am Himmel zu sehen war. Eine Vielzahl weiterer Belege für unerklärliche Erscheinungen am Firmament findet der Interessierte in der Literatur, im Internet und in unzähligen Fernsehdokumentationen. Zwei Bücher zum Thema möchte ich besonders empfehlen: „Enthüllt! Die Missionen des John Titor II", ein SF-Roman von John Titor, Bob Mitchell und Jason Quitt, erschienen im Amra-Verlag, sowie „Das Geheimnis der Schwarzen Dreiecke" von Frank Schwede, erschienen im All-Stern-Verlag, geben interessante Einblicke in die Thematik. Beide Titel stellen viele Fragen und warten mit schockierenden „Enthüllungen" auf. Für geneigte Leser allemal eine lohnende Lektüre.

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Viel mehr als nur ein Brotaufstrich!

Als der Konditor Pietro Ferrero 1946 damit begann, eine selbst kreierte Nougatmasse in seinem kleinen Turiner Laden zu verkaufen, konnte noch niemand erahnen, welch unglaublichen Erfolg seine "Giandujot" einmal haben würde. Der seit unserer Kindheit süchtig machende Brotaufstrich ist mittlerweile in über 160 Ländern weltweit präsent. Das Familienunternehmen Ferrero hat damit die Nase vorn: Rund 33.000 Mitarbeiter und über neun Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2016 sprechen für sich. Nuss-NougatCremes gibt es viele, doch nur eine ist Kult – Nutella.

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er 1898 geborene Konditor Pietro Ferrero senior hatte in den 1940er Jahren ein ehrgeiziges Ziel. Da Schokolade seinerzeit teuer und kaum erschwinglich, dafür aber umso begehrter war, kam ihm die Idee, aus den reichlich vorhandenen Haselnüssen seiner Region Piemont in Kombination mit Zucker, Fett und etwas Kakao eine Art SchokoNougat-Masse für seine Kunden anzubieten. In seiner Turiner Konditorei experimentierte das Küchentalent so lange an seiner Idee herum, bis er schließlich sogar den Kakao durch Kokosbutter ersetzen und so die Seite

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Herstellungskosten weiter drücken konnte. Ferrero formte seine Nougatmasse schließlich zu einem Laib, der in Scheiben geschnitten und auf Brot verzehrt werden konnte. Er nannte das Produkt „Giandujot" – inspiriert durch eine damals berühmte italienische Karnevalsfigur. Der süße und bezahlbare Snack für Zwischendurch sprach sich schnell herum, der Absatz stieg an. Den Erfolg des 1946 in Alba gegründeten Unternehmens Ferrero erlebte Pietro jedoch nur kurze Zeit – er starb 1949 und hinterließ seiner Frau Piera Cillario und dem gemeinsamen Sohn Michele den bis dahin noch kleinen Familienbetrieb. Auf dem Weg zum heutigen Weltkonzern gab es dann jedoch einige Hürden zu nehmen – den Anfang machte der Name: Ausgerechnet das italienische Parlament beschloss nämlich eines Tages, dass ein Wort wie „super" fortan nicht mehr als Produktnamen verwendet werden dürfe. Die seit 1951 so bezeichnete „Supercrema" wurde deshalb umbenannt in das Kunstwort „Nutella", zusammengesetzt aus dem englischen „nut" (Nuss) und der italienischen Endung „ella" (der weiblichen Verkleinerungsform), also „Nüsschen". 1956 kam Ferrero dann auch nach Deutschland. Im beschaulichen Stadtallendorf wurde ein deutsches Tochterunternehmen mit zunächst fünf Mitarbeitern gegründet. Diese schafften den Durchbruch in (West-)Deutschland bereits ein Jahr später, allerdings mit einem weiteren Produkt aus dem Hause Ferrero: der PiemontKirsche. 1957 schon stellte Ferrero rund 9000 Kilogramm Mon Chéri her – täglich. (Die „Piemont-Kirsche" ist übrigens ein reiner Marketing-Gag, angelehnt an die Herkunftsregion von Ferrero. Eine Kirschsorte aus dem Piemont hat es nie gegeben, die verwendeten Kirschen stammten seit jeher vom Oberrhein.) 1964 verbesserte Ferreros Sohn Michele das ursprüngliche SupercremaRezept nochmals: mit dem Resultat, wie man es bis heute kennt. Der wohl beliebteste Brotaufstrich, über Generationen hinweg, war geboren. Hinzu kam nun eine schicke Verpackung in einem ikonischen Designglas mit hohem Wiedererkennungswert. Eine unverkennbare Marke wurde so geschaffen. Und nicht nur die Kunden in Deutschland verlieb-

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ten sich Mitte der 1960er Jahre schnell in Nutella. Bereits 1966 kam auch Frankreich dazu. Die 1970er Jahre waren dann nicht zuletzt auch für mich geprägt von Zeichenschablonen als beliebten Zugaben im Nutella-Deckel. Meine Lieblingsbeschäftigung bestand zu der Zeit darin, meine Mutter damit zu nerven, mir alle Nutella-Gläser mit sämtlichen RömerSchablonen zu kaufen. Von Asterix bis Obelix, von Cäsar bis Kleopatra – ich wollte sie alle haben. Die beliebten Deckel-Promotions gab es immer nur zeitlich begrenzt mit Zeichenschablonen, Bügelbildern und Mini-Comic-Heftchen. Ein ungeheuerlicher Kaufanreiz, sicher nicht nur für mich. Von 1978 an expandierte Ferrero weiter. Der Erfolg kannte keine Grenzen mehr, und das Unternehmen kam bald auch im 14.000 Kilometer von Turin entfernten Australien an. In der Nähe von Sydney wurde die erste Produktionsanlage außerhalb Europas in Betrieb genommen. Die Nougatpaste eroberte die Welt. Weitere Produkte aus dem Hause Ferrero folgten in den 1970er Jahren: die Kinderschokolade, das Überraschungsei, Duplo, Hanuta, Rocher, Yogurette, Raffaelo, Ferrero Küsschen, Milchschnitte, um nur die wichtigsten zu nennen. 1990 wurde Nutella Sponsor und offizieller Lieferant des Deutschen Fußball-Bunds. In diversen TV-Spots strichen sich daraufhin die Spieler der Nationalmannschaft den leckeren Aufstrich aufs Brot. Bekannte Basketball- und Tennis-Profis folgten. Eine wirklich „sportliche" und stolze Leistung von Ferrero, bei einem Fett- und Zuckeranteil von zusammengerechnet über 70 Prozent in jedem Nutella-Glas, im Bereich Sport eine derartige Marketingkampagne zu platzieren! 2011 schließlich kam der höchst erfolgreiche Slogan „Der Morgen macht den Tag" mit der sympathischen Nutella-Familie ins TV: Sport war also gestern, heute erweckt Nutella seine Frühstücksfamilie zu neuem Leben. Weitere Experimente gab es bislang nur mit der Größe der Ver pack ung. 1993 kam das neue 750-Gramm-Glas zusammen mit den beliebten Nutella-Trinkgläsern auf den Markt. 2000 das limitierte 2000-GrammMillenium-Glas, 2001 das erste Aktionsglas mit 10 Prozent mehr Inhalt und 2007 das 1000-Gramm-Glas zusammen mit der Geburt des World-Nutella-Day. Dieser wird seitdem jährlich immer am 5. Februar gefeiert. Nutella-Chef P iet ro Ferrero starb 2011 bei einem Unfall. Der 47-jährige Enkel GoodTimes

des gleichnamigen Firmengründers verunglückte während einer Geschäftsreise in Südafrika. Wie bekannt wurde, erlitt er bei einer Radtour einen Infarkt und starb. Pietro Ferrero junior hatte sich bis dahin das operative Geschäft mit seinem Bruder Giovanni geteilt. 2017 eröf f nete in Chicago das erste Nutella-Restaurant von Ferrero: Es bietet allen Fans der Marke seitdem die einzigartige Möglichkeit, den geliebten Brotaufstrich „à la carte" im Cafe oder „to go" völlig neu zu erleben. Wie im selben Jahr dagegen eher zufällig bekannt wurde – Ferrero hat klammheimlich das Rezept geänder t, Nutella wurde heller. Der gestiegene Anteil an Magermilchpulver ging dabei auf Kosten des Kakao-Anteils. (Ein Thema, das Pietro Ferrero senior ja bereits 1946 beschäftigte, mit dem Unterschied, dass der Kakaopreis im Vergleich zu damals mittlerweile seit Jahren fällt). Stets gleich war und ist die Rezeptur ohnehin nicht. Je nach

Land bzw. Region ist sie stets in Konsistenz und Geschmack den lokalen Vorlieben angepasst worden: die südliche Variante eher glänzend, süßer und cremiger, die Nordvariante eher matt und bitterer. Heute hat Nutella 10.000.000 Facebook-Likes weltweit, 33.000 Beschäftigte, 22 Produktionsstätten, Unternehmensgruppen in 160 Ländern und einen Umsatz von über neun Milliarden Euro. Mit den jährlich gekauften Nutella-Gläsern könnte man etwa achtmal die Chinesische Mauer bestükken. Man sieht: Der Erfolg setzt sich fort, Nutella ist nach wie vor Kult! Markus Nöth 1/2019

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Die goldene Zeit der Filmprogramme Von Hans-Joachim Neupert

Das Kino ist ein Tempel, wo die Träume und Sehnsüchte der Menschen für ein paar Stunden auf der Leinwand quasi Realität werden. Einmal in der Woche ins Kino zu gehen war für die Bevölkerung in der Zeit vor Einführung des Fernsehens wie ein großes Fest. Und genau wie im Theater wurden bereits in den Tagen des Stummfilms zu vielen attraktiven Filmereignissen spezielle Hefte produziert, die man an der Kinokasse für wenig Geld erwerben konnte. Diese Begleithefte ermöglichten es dem Publikum, seine Träume gleichsam in die Tasche zu stecken und später noch einmal Revue passieren zu lassen, denn Filmprogramme waren die einzigen materiellen Erinnerungsstücke an die wundervollen Stunden im Dunkeln.

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n Deutschland erschien die erste große Filmprogramm-Serie unter dem Titel „Illustrierter Film-Kurier" ab 1919 bei den Vereinigten Verlagsgesellschaften Franke & Co. KG. Von dieser Serie sind weit über 3000 Hefte veröffentlicht worden. Bis zum Jahr 1944 konnte der Kinogänger die Beilage zu den jeweils aufgeführten Filmen käuflich erwerben. Die einzelnen Ausgaben entsprechen in etwa dem heutigen DIN A4-Format, haben einen Umfang von acht Seiten und enthalten eine Inhaltsangabe, eine Darsteller- und Crewliste sowie ausgewähltes Bildmaterial, allerdings in Schwarzweiß. Neben dem Informations-Charakter spielte auch immer der Souvenir-Gedanke eine wichtige Rolle, der letztendlich Inhalt und Gestaltung des Programmhefts diktierte. Die bekannteste und langlebigste FilmprogrammReihe, die „Illustrierte Film-Bühne" (IFB), war eine einmalige Dokumentation der Filmgeschichte im Spiegel der deutschen Nachkriegs-Kinogeschichte und wurde 1946 in München vom Verleger Paul Franke gegründet. Franke gilt als Pionier der Seite

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Kinopublizistik, denn er hatte schon vor und während des 2. Weltkriegs Kinoprogramme herausgegeben. Für die Herstellung der „Film-Bühne" bekam der Verlag von den Filmverleih-Firmen das Bildmaterial, die Inhaltsangabe, die Darstellerliste und alle wichtigen Daten des jeweiligen Films geliefert. Dann konnten sich die Grafiker an die Arbeit machen: Zur Auswahl standen Blau, Grün, Braun und Rot – die typischen Erkennungsfarben der „IFB" –, ansonsten hatte das Designerteam freie Hand. Ab 1952 gab es auch vereinzelt Ausgaben mit einem farbigen Titelbild. Da das entsprechende Hefts zudem mit einem einfarbigen Cover verkauft wurde, handelte es sich bei den farbigen Exemplaren vermutlich um Testausgaben. Die Auflagen der ersten Programme waren oftmals sehr niedrig. Hauptgrund hierfür war die permanente Papierknappheit in der Nachkriegszeit. Häufig bestand eine Ausgabe nur aus einem Blatt und wurde als „Notausgabe" bezeichnet. Es kam auch vor, dass man die Hefte nur im Tausch gegen Altpapier bekam. Anfang der 50er Jahre, als die

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Kinos generell gut besucht waren, stiegen dann auch die Auflagenzahlen der Filmprogramm-Hefte schnell bis in die Hunderttausende. Besonders erfolgreich verkauften sich die Programmhefte bei typisch deutschen Erfolgsfilmen jener Zeit, zu denen etwa die drei „Sissi"-Filme, „Der Förster vom Silberwald" und „Liane, das Mädchen aus dem Urwald" gehörten. Nun zeigte sich auch der Verlag großzügig und erweiterte den üblichen Umfang des Programms von vier auf sechs bzw. acht Seiten. Bis zum Jahr 1954 konnte man an der Kinokasse grundsätzlich ein Programm zum Film käuflich erwerben. Mit dem Aufkommen des Fernsehens begann jedoch der Niedergang der Filmprogramme. Zeitschriften für das Fernsehprogramm gelangten verstärkt an die Kioske und fanden bald immer mehr Käufer. Diese Hefte hatten allerdings nichts mehr vom Flair einer „Illustrierten Film-Bühne". Mit dem Fernsehboom setzte gleichzeitig die Kinokrise ein – und von da ab wurde im Vorstand des Verlages abgestimmt, ob es sich lohnte, noch ein Programmheft herauszubringen. Von 1963 bis 1969 erschien dann sogar wieder ein „Illustrierter Film-Kurier" als Sonderausgabe zur „IFB"Serie. Zu besonders erfolgversprechenden Filmen gab es insgesamt 288 Filmprogramme mit 12 bis 24 Seiten Umfang an der Kinokasse zu kaufen, zum Preis von 50 Pfennig. Parallel zur „Illustrierten Film-Bühne" existierte von 1950 bis etwa 1960 noch eine weitere Serie im Verlag von H. Klemmer als Konkurrenzprodukt zur „IFB": „Das neue Filmprogramm". Diese Reihe brachte es auf immerhin gut 5000 Titel und konnte sogar einige Programme zu Filmen aufweisen, zu denen keine „IFB" erschienen war. Die Auflagenzahlen indes gingen jedoch immer weiter zurück und lagen zuletzt gerade mal bei noch 4000 Exemplaren. Und selbst bei dieser geringen Auflagenhöhe wurde von den Kinos noch remittiert. Oftmals wurden acht Programmhefte von zehn von den Kinobetreibern wieder an den Verlag zurückgeschickt, und einmal im Jahr fand dann eine riesige Vernichtungsaktion statt. Da die „Illustrierte Film-Bühne" ein kommerzielles Unternehmen war und von den Verleihfirmen finanziell nicht unterstützt wurde, sah sich der Verlag 1969, nach 8069 Nummern, schließlich gezwungen, das Erscheinen der einst so beliebten Heftchen einzustellen. In Österreich wiederum erschienen bereits seit 1911 Filmprogramm-Hefte. Nach dem 2. Weltkrieg kamen in unserem Nachbarland gleich zwei Serien in die Lichtspielhäuser, die jedoch 1956 zur heute noch erscheinenden Reihe „Neues Film-Programm" (NFP) fusionierten. Bis heute sind mehr als 13.500 Ausgaben erschienen! Neben dieser größten FilmprogrammSerie aller Zeiten gibt es noch zwei weitere Reihen mit Filmprogrammen: „Filmindex" und „Neuer Filmkurier". Somit wird in Österreich bis zum heutigen Tag zu jedem in den Filmpalästen anlaufenden Spielfilm ein Kinoprogramm herausgegeben. Auch in der DDR erschienen sogar bereits zu Zeiten der sowjetischen Besatzung FilmprogrammHefte. Ab 1950 gab es dann die große Programmserie „Progreß Filmprogramm" (zuerst betitelt mit „Progreß Filmillustrierte"), die ab 1966 dann in „Film für Sie" umbenannt wurde. Die Reihe wurde erst 1979 eingestellt. GoodTimes

Selbstverständlich existierten auch im Ausland ähnliche Pub Publikationen. In Frankreich z.B. erschienen verschiedene Filmroman-Hefte, die eine ausführliche Filmhandlung nacherzählten, aber auch etliche Bilder aus dem Film enthielten. Allerdings fehlten oftmals die Darstellerlisten. Zu den bekanntesten Serien zählen „Film Complet" und „Mon Film". Neben den an der Kinokasse käuflich zu erwerbenden Filmprogrammen gibt es auch eine ganz spezielle Art von Heften, die nicht für das Publikum, sondern für die Kinobesitzer selbst gedacht sind, z.B. „AtlasFilmhefte", „TOP-Filmverleih" und „Rialto-Filmheft". Diese periodisch erscheinenden Publikationen werden sowohl von unabhängigen Verlagen als auch von den Filmverleihern selbst herausgegeben und enthalten relevante Informationen zu neuen Filmen, um den Kinobesitzern die Auswahl zu erleichtern. In Deutschland gibt es zwar seit 1970 an der Kinokasse nur noch ganz selten ein Programmheft zu kaufen – und dennoch erscheinen sie auch heute noch, liebevoll von Filmfans gestaltet. Sogar die größte deutsche Filmzeitschrift „Cinema" startete einst den Versuch, eine Filmprogramm-Serie am Markt zu platzieren: 1981 erschienen 33 Hefte des „Cinema Programm", 24 Seiten stark, mit sehr vielen Farbbildern, und dann gab es auch noch zwei großformatige „Special-Programme". Besonders schön sind auch die im DIN A5-Format und in herrlichen Farben von Werner Raab herausgegebenen vier- bis achtseitigen Hefte zu neuen und vielen alten Filmen aus der Serie „Neue Film-Bühne". Über 40 Filmprogramm-Serien wurden im Laufe des letzten Jahrhunderts von verschiedenen Verlagen herausgegeben. Für viele Filmfans sind diese Produkte der Filmwirtschaft von großer persönlicher Bedeutung: Sie illustrieren und dokumentieren den Film auf eine besondere Art und Weise und eignen sich deshalb ideal zum Sammeln. Und nicht zuletzt laden die Sammlerstücke auch zum Schwelgen in der eigenen filmischen Vergangenheit und den damit verbundenen persönlichen Erinnerungen ein. Die gute Nachricht zum Schluss: Es gibt sie alle noch käuflich zu erwerben! Fast auf jedem größeren Flohmarkt werden Filmprogramme, die meistens aus den 50er Jahren stammen und den deutschen Nachkriegsfilm dokumentieren, günstig angeboten. Und es gibt auch einen Preiskatalog für Filmprogramme. Die darin aufgelisteten Preise sind jedoch keineswegs verbindlich. Gelochte Programmhefte, die man relativ häufig findet, sind natürlich erheblich günstiger – und dennoch sammelwürdig. Einige wenige Programmhefte wiederum sind sehr selten oder werden von vielen Fans gesucht und kosten deshalb entsprechend viel. Gut beraten ist man im kompetenten Fachhandel: Es gibt Spezialgeschäfte für Filmartikel, insbesondere in Berlin, Hamburg und München. Und auch in vielen großen Comicläden wird man zu fairen Preisen fündig ... 1/2019

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Lösungswort kult! Nr. 18: DAS WAR SPITZE

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