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Stadtsprachen

DAS STADTSPRACHEN-TEAM STELLT SICH VOR

Forschung an der Universität – was ist das eigentlich und noch viel wichtiger: Was macht man da? Obwohl die Forschung auch in den Geisteswissenschaften ein zentrales Feld darstellt, haben nur wenige StudentInnen eine Vorstellung vom Alltag eines/r Wissenschaftlers/in. Daher möchten wir vom Stadtsprachen- Team euch unser Projekt vorstellen und einen Einblick in unsere Tätigkeit geben.

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Text Lisa Höllebauer

Wer sind wir überhaupt?

Unser Team (5 wissenschaftliche MitarbeiterInnen und 3 studentische MitarbeiterInnen) um Univ. Prof.Dr. phil. Arne Ziegler erforscht im Projekt „Wien und Graz – Städteund ihre sprachlichen Strahlkräfte“ die deutsche Sprache in undrund um die Städte Graz und Wien. Wie vielschichtig die Spracheim städtischen Raum ist, welchen Einfluss Städte wie Wien undGraz aufeinander und auf umliegende Gebiete haben, aber auchwelchen Einfluss die Sprechsituation auf den Sprachgebrauchder SprecherInnen hat, soll dabei herausgefunden werden.Hierbei stellt der Sprachgebrauch in der Stadt mit all seinenFacetten nicht nur aus wissenschaftlicher, sondern auch ausgesellschaftspolitischer Perspektive einen ausgesprochen interessantenForschungsbereich dar.

Das Projekt ist ein Teilprojekt des Spezialforschungsbereichs (SFB) „Deutsch in Österreich. Variation – Kontakt – Perzeption“ (DiÖ), der vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) finanziert wird und sich mit der Vielfalt und dem Wandel der deutschen Sprache in unserem Land beschäftigt. Neben dem Projekt in Graz gibt es noch 8 weitere Projekte, die an den Universitäten Wien und Salzburg zur deutschen Sprache in Österreich forschen.

Einige unserer zentralen Forschungsfragen sind:

1. Welchen Einfluss üben gerade Städte wie Wien und Graz auf die Sprachlandschaft Österreichs und auch auf die Entwicklung bzw. Stabilisierung einer deutschen Standardsprache in Österreich aus?

2. Wie konstituiert sich der Sprachgebrauch in der Stadt und welche Unterschiede lassen sich zwischen Wien und Graz und den jeweiligen umliegenden Gemeinden feststellen?

3. Welche Korrelationen mit außersprachlichen oder situativ bedingten Faktoren können ermittelt werden?

Wo finden wir Antworten zu unseren Fragen?

Ein wichtiger Bereich unserer Arbeit ist das Führen von Interviews. Dabei unterhalten wir uns mit den Teilnehmenden über ihre persönliche Biografie, ihren Sprachgebrauch, den Wohnort und auch Freizeitbeschäftigungen. Neben Fragen wie „Was würden Sie machen, wenn Sie BürgermeisterIn in Ihrem Wohnort wären?“ oder „Gibt es etwas an dem Ort, das Sie ärgert?“, sind wir auch an den Einstellungen gegenüber dem Dialekt beziehungsweise einer Einschätzung eines möglichen „Sprachwandels“ in Österreich neugierig. Hat sich jemand für ein Gespräch gefunden, bemühen wir uns darum, jedem Terminvorschlag ungeachtet der Tageszeit oder des Wochentages nachzukommen. Ausgerüstet mit Aufnahmegerät und natürlich auch einem kleinen Geschenk für unsere/n GesprächspartnerIn lassen wir regelmäßig den Büroalltag hinter uns und machen uns auf den Weg zur Gesprächsaufnahme. Zusätzlich zu einem Interview mit einer Person aus dem Projektteam werden die TeilnehmerInnen gebeten, für eine weitere Aufnahme ein ungezwungenes Alltagsgespräch mit einem/ einer FreundIn oder Bekannten zu führen. Damit soll herausgefunden werden, ob und wenn ja, welche unterschiedlichen Formen des Deutschen (von Dialekt bis Standarddeutsch) in den verschiedenen Situationen verwendet werden.

Wen suchen wir eigentlich?

Vor allem die „Akquise“ von unseren potenziellen GesprächspartnerInnen stellt oftmals eine besondere Herausforderung dar. Um an Freiwillige zu kommen, nutzen wir daher nicht nur die Kontakte unseres Umfelds, sondern auch Social Media (wie Facebook), führen Telefongespräche mit Personen aus der Lokalpolitik, verbringen den ein oder anderen Nachmittag bei Seniorentreffen oder in Pfarrhäusern und inserieren auch von Zeit zu Zeit in Zeitungen (print und digital).

Gesucht werden immer noch ÖsterreicherInnen zwischen 20-30 oder ab 65 Jahren, die in den nachstehenden Gemeinden zu Hause sind. Wichtig dabei: Sie sollen schon immer in diesem Ort leben oder mindestens das letzte Drittel ihres Lebens und Deutsch als Muttersprache sprechen.

Für Graz werden Personen gesucht aus

• Waltendorf

• Gries

• Kalsdorf

• Weinitzen

• Thal

In Wien fehlen noch Personen aus

• Währing

• Rudolfsheim-Fünfhaus

• Mödling

• Baden

• Gerasdorf

Wie geht es im Forschungsalltag weiter?

Auf die Gesprächsaufnahmen folgt schließlich die arbeitsintensive Phase der Datenaufbereitung. In diesem Arbeitsschritt werden die einzelnen Aufnahmen mithilfe des Transkriptionsprogramms EXMARaLDA verschriftlicht, um nicht nur Audiodateien sondern auch Textversionen für die anschließende Analyse der Sprachdaten zur Verfügung zu haben. Hierbei kann je nach Beschaffenheit der Gesprächsaufnahme und Anforderung an das Transkript eine einzige gesprochene Minute auch für geübte Transkribierende bis zu 90 Minuten Zeit in Anspruch nehmen!

Science to Public und Science to Science

Um auf unser Projekt auch international aufmerksam zu machen und erste Forschungsergebnisse mit der wissenschaftlichen Community sowie einer breiteren Öffentlichkeit zu teilen, ist es für uns WissenschaftlerInnen ein wichtiger Teil unserer Arbeit, auf Tagungen präsent zu sein und uns mit ExpertInnen unseres Felds auszutauschen. Im Rahmen von Vorträgen oder Posterpräsentationen werden nicht nur Erkenntnisse aus der Forschung anderen ExpertInnen zugänglich gemacht, sondern man bekommt dabei auch jede Menge Input, Feedback und oftmals auch einen neuen Blickwinkel auf offene Fragen. Im letzten Jahr hat es uns dabei sogar bis nach Neuseeland verschlagen, wo ein Teil unseres Teams das Stadtsprachen-Projekt, aber auch eigene Dissertationsprojekte auf dem „Sociolinguistic Symposium“ in Auckland vorstellte. Das Symposium, welches bereits zum 22. Mal stattfand, zählt zu einer der wichtigsten soziolinguistischen Konferenzen. Unter dem Titel „Crossing Borders: South, North, East, West“ fand es 2018 das erste Mal außerhalb Europas statt.

Urban Language Research: Variation – Contact – Perception

Ein ganz besonderes Highlight für unser gesamtes Team war, dass wir an der Universität Graz eine eigene Konferenz zu unserem Projekt ausrichteten mit dem Titel „Urban Language Research:Variation – Contact – Perception“(siehe Foto S. 28). Von 31. Oktober bis 3. November 2018 begrüßten wir dazu circa 100 internationale ForscherInnen aus dem Bereich der Variations- und Soziolinguistik, die sich mit urbanem Sprachgebrauch beschäftigen. Besonders stolz waren wir, dass wir folgende renommierte WissenschaftlerInnen als PlenarsprecherInnen gewinnen konnten: David Britian von der Universität Bern, Sali A. Tagliamonte von der University of Toronto,Barbara Johnston von der Carnegie Mellon University, Paul Kerswill von der University of York und Evelyn Ziegler von der Universität Duisburg-Essen. Sie alle stellten in ihren Plenarvorträgen ihre aktuellen Forschungsergebnisse rundum das Thema sprachliche Variation in städtischer Kommunikation vor. Aber auch die anderen Forschungsprojekte,die im Rahmen der drei Tage präsentiert wurden, zeigten einmal mehr, dass man in der Forschung durchaus kreativ sein kann. So wurde unter anderem das Sprachverhalten auf einem Berliner Wochenmarkt, japanische Verbotsschilder und ihre englischen Übersetzungen oder finnische Grabschilder analysiert.Neben den Vorträgen gab es auch eine „Poster-Session“, bei der sich überweitere Projekte ausgetauscht werden konnte. Insgesamt hielten die drei Konferenztage für alle TeilnehmerInnen und Mitwirkenden besonders interessante und inspirierende Einblicke in diesem Forschungsbereich bereit.

ICH WILL MITMACHEN!

Du kommst aus einem der oben genannten Orte oder kennst jemanden, der/die in unser Muster passt? Dann schreibe ein E-Mail an stadtsprachen@uni-graz.at oder melde dich gerne unter 0316/380-2461. Wir freuen uns über jegliches Interesse!

NÄHERE INFORMATIONEN

Falls wir euer Interesse geweckt haben und ihr noch mehr Informationen zu uns und unserem Projekt haben wollt, laden wir euch herzlich ein, auf unseren Homepages vorbeizuschauen.

stadtsprachen.uni-graz.at dioe.at