Thüringer Zustände

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VORWORT Dies ist die erste Ausgabe der »Thüringer Zustände«, die von ezra, MOBIT, KomRex und IDZ gemeinsam herausgegeben wird. Die ­Beteiligten haben sich das Ziel gesetzt, ­diese Publikation künftig im Jahresrhythmus fortzuführen, um der Aktualität und Dynamik der betrachteten Phänomene gerecht zu werden. Unser Titel ist an den Titel der zehn­ bändigen Buchreihe »Deutsche ­Zustände« angelehnt, die zwischen 2002 und 2011 erschienen ist und vor allem für ihre Beiträge zur ­Erforschung der »gruppenbezo­ genen Menschenfeindlichkeit« ­bekannt wurde (Heitmeyer 2011). Der Titel der Buchreihe verweist auf den Anspruch der Autor:innen, profunde empirische (d. h. daten­ gestützte) Analysen vorzulegen und zugleich eine kritische Einord­ nung der Befunde vorzunehmen. Für den Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer waren die von ihm und seinen Kolleg:innen in den »Deutschen Zuständen« nachge­ wiesenen Phänomene Symptome und Folgen eines gesellschaftlichen Desintegrationsprozesses, also des Zerfalls eines gleichberechtigten »Zusammenhalts«, der seine Ursa­ chen in der Konflikthaftigkeit und Widersprüchlichkeit der modernen Gesellschaft hat. Besorgniserre­ gend war dabei vor allem die Ver­ breitung von Abwertungseinstellun­ gen und autoritären Denkmustern in der deutschen Bevölkerung. Die Forschungsgruppe um Wilhelm Heitmeyer, Beate Küpper und ­Andreas Zick verfolgte den Ansatz einer öffentlichkeitswirksamen ­Sozialwissenschaft, die ihre Mit­

verantwortung in einer offenen, demokratischen Gesellschaft ernst nimmt und daher im besten Sinne Aufklärung betreibt: Gegenüber Ideologien der Ungleichwertigkeit, gruppenbezogener Menschen­ feindlichkeit, Diskriminierung, Hass, Gewalt und den antidemo­ kratischen Aktivitäten politischer Akteur:­innen kann es keine Neu­ tralität und keine Toleranz geben. Mittlerweile wurden u. a. »Berliner Zustände« (2020) und »Leipziger Zustände« (2021) veröffentlicht. Die herausgebenden Arbeitsgemein­ schaften, bestehend aus lokalen zivilgesellschaftlichen Institutionen und Akteur:innen, leisten damit wertvolle Beiträge zur Dokumen­ tation und Problembeschreibung, die auf ihre jeweiligen Stadtgesell­ schaften bezogen sind. Jenseits moralischer Appelle an Menschenwürde, Gerechtigkeit und Solidarität, an die umfassende Gleichstellung und Inklusion aller Menschen wird in dieser Gesell­ schaft unablässig Ungleichheit produziert und reproduziert sowie ideologisch gerechtfertigt. Men­ schen werden aus unterschiedlichen Gründen abgewertet, benach­ teiligt, ausgegrenzt, bedroht und


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