Gerne katholisch Magazin Nr. 3

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gerne KATHOLISCH Magazin für einen frohen, bekennenden Glauben Nr. 3

„Viele Hoffnungszeichen“ 3 Fragen an Ute Eberl, Teilnehmerin der Weltbischofssynode zu Ehe und Familie

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Willkommen Ein Thema, das die kirchlichen Schlagzeilen Ende 2014 stark dominiert hat, war die „Familie“. Nicht nur, weil Papst Franziskus zur außerordentlichen Synode geladen hatte, sondern auch, weil brandaktuelle Fragestellungen momentan in der Gesellschaft diskutiert werden. In dieser Ausgabe unseres Magazins möchten wir uns ausführlich der Familie widmen. Besonders empfehlen darf ich Ihnen ein Interview mit Ute Eberl, der einzigen

Frau, die auf der Bischofssynode in Rom dabeisein durfte (S. 8). Sie spricht im Hinblick auf das vorläufige Ergebnis der Synode von „vielen Hoffnungszeichen“, die sie dort wahrgenommen hat. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Magazins und freue mich über Ihre Zuschriften an magazin@gerne-katholisch.de Gottes Segen für Sie und Ihre Familien!

Stefan-Rudolf Salzmann Für den Vorstand von Gerne katholisch e.V.

Inhalt Staunend auf nackten Sohlen davorstehen 4 3 Fragen an... Ute Eberl 8 Aus Staub gemacht - nach Gottes Bilde 12 „Heilige“ Familien 14 Die Familie - was sie vorgibt zu sein 17 schluss.punkt 20

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Ein spiritueller Begleiter durch das Jahr: Der „ewige“ Kalender von Gerne katholisch 12 ausgewählte Zitate aus Dokumenten des 2. Vatikanischen Konzils bilden einen geistlichen Impuls für jeden Monat.

Wer sind wir?

gerne-katholisch.de wurde 2010 von einer Gruppe Studenten an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/M gegründet. Wir möchten dazu anregen, über den Glauben nachzudenken und den Grund für den eigenen Glauben auch ins Wort zu bringen. Seit Mai 2012 sind wir in einem Verein organisiert. Dem Verein ist es ein Anliegen, dass Christen selbst wieder „Leuchttürme” werden, also Bekenner des Glaubens, damit wir als Kirche wieder neue Strahlkraft entfalten.

Impressum

V.i.S.d.P.: Gerne katholisch e.V. Offenbacher Landstr. 224 60599 Frankfurt / M.

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Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Gerne katholisch e.V. Nachdruck unter Angabe der Quelle „www.gerne-katholisch.de“ gestattet. Werden Sie Mitglied: Fax: 0355 28925 88 6328 Mail: info@gerne-katholisch.de Web: www.gerne-katholisch.de Magazine nachbestellen: magazin@gerne-katholisch.de

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Staunend auf nackten Sohlen davorstehen

Exerzitien auf der Straße sind eine ganz besondere Erfahrung, die existenziell berühren kann. Matthias Alexander Schmidt hat sie mitgemacht.

In den Exerzitien auf der Straße kann man sehen und hören lernen. Sie offenbaren das Paradox der Liebe Gottes, das die Dynamik des Exerzitienbuches des Ignatius von Loyola kennzeichnet. Dieses Paradox wird besonders der dritten Demutsweise (Exerzitien-Buch 165-167) deutlich. Im Kontext der Brüderlichkeit, Gastfreundschaft und Einfachheit der Wohngemeinschaft in der Berliner Naunynstraße nahmen die Straßenexerzitien ihren Anfang. Die erste Torheit bestand dabei darin, zu glauben, dass Exerzitien in einer solchen offenen Wohngemeinschaft ohne Einzelzimmer oder Rückzugsmöglichkeiten überhaupt möglich sein könnten. Die Idee dazu kam keineswegs von Christian Herwartz, der vielen heute als geistiger Vater oder gar als Erfinder der Straßenexerzitien gilt. Er konnte sich so etwas zunächst überhaupt nicht vorstellen

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– bis jemand immer wieder hartnäckig darum bat, dort Exerzitien machen zu dürfen. Nach einem ersten Versuch merkte er, dass es geht. Dann konnte er auf weitere Anfragen nicht mehr sagen, dass es nicht geht. Die zweite Torheit ist, zu glauben, dass Christus mir tatsächlich auf der Straße und nicht bloß in der Kirche oder im Meditationsraum eines Exerzitienhauses begegnen kann. Die Demut der Straßenexerzitien zeigt sich zunächst im Loslassen von Sicherheiten, die auch (aber nicht nur) in konkreten, physischen Einschränkungen bestehen können. Die Exerzitanden sind in einfache Unterkünfte eingeladen und schlafen dort mit Isomatte und Schlafsack. Kosten entstehen nur für die gemeinsam bereiteten Mahlzeiten. So ist die Teilnahme für jeden möglich. Am Anfang der Exerzitien steht


die Einladung, nichts mitzunehmen auf die Straße: kein Proviant, kein Geld, wenn nötig die Schuhe auszuziehen und offen zu sein für das, was einem auf der Straße begegnen kann (vgl. Lk 10,1-11). Diese Regeln „warnen uns vor blockierenden Interessen und befreien uns zum vorbehaltlosen Suchen“. Die Dynamik von Prinzip und Fundament (EB 23) und der Ersten Woche wird deutlich: sich physisch frei zu machen von Anhänglichkeiten, auf Gottes Gnade zu vertrauen und sich von ihm einladen zu lassen. „Straßen sind auch die gesellschaftlichen Ausgrenzungsräume für alle, die aus unterschiedlichen Gründen

ohne Wohnung nicht mehr zu den Sesshaften zählen.“ Wenn Jesus sagte, er selbst sei „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), bedeutet das in der Sprache der Straßenexerzitien: „Jesus ist die Straße“. Die Dynamik der Zweiten Woche, der konkreten Christusnachfolge, wird deutlich. Geradezu paradigmatisch für meine persönliche Erfahrung der Straßenexerzitien ist das Überschreiten von Grenzen geworden. Der dazugehörige biblische Text erzählt, wie „Mose im Exil […] in seiner Einsamkeit über eine lebensbedrohende Grenze [geht], weil er spürt, dass in seinem Leben noch eine entschei-

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„Jesus ist die Straße“ – Auch mitten im Trubel auf einer Straße in dende Frage nicht beantwortet ist. Irgendwie spürt er eine Berufung in sich.“ Mose geht in die zunächst lebensverneinende und gefährliche Wüste, weil er eine Sehnsucht in sich spürt. Dort begegnet er im Gewöhnlichen, einem brennenden Dornbusch, dem Außergewöhnlichen, nämlich der Liebe Gottes, die brennt und doch nicht verbrennt. Mose erfährt dort seine Berufung und die seines Volkes: Er soll das Volk aus dem Exil herausführen. Im Exil und in der Wüste findet er Heimat in Gott. Diese Szene beschreibt die paradoxe Grunddynamik der Exerzitien und von Berufung. Sie spiegelt den Prozess der Exerzitien, besonders auch den der dritten

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Demutsweise, der Berufung zu den eigenen Schwächen und die Heiligung der Grenzen wieder: sie besteht im Paradox der brennenden und doch nicht verbrennenden Liebe Gottes (vgl. Ex 3,1-22). Die Schuhe auszuziehen, wie Mose es am Dornbusch tut, bedeutet gleichsam, einen Schritt zurück zu treten, anzuerkennen, dass dort etwas ist, was ich vielleicht nicht verstehe und vor dem ich Ehrfurcht habe: Gott ist im Gewöhnlichen, Gewohnten, Alltäglichen und will sich dort zeigen, wenn ich denn hinsehe und hinhöre. Der Exerzitant ist bei den Straßenexerzitien eingeladen, offen zu sein für solche Orte in der Stadt, an denen Armut und Leid vorkommen. Die Straßenexerzi-


einer Großstadt lässt sich Gott suchen und finden. tien laden ein, nicht zu verurteilen, sondern respektvoll sehen und hören zu lernen. Analog zur offenen Tür der offenen Wohngemeinschaft in der Naunynstraße in Berlin-Kreuzberg, gilt es in den Straßenexerzitien, sich selbst zu öffnen für die Straße. Indem der Exerzitant die Schuhe auszieht (ob die echten oder im übertragenen Sinn) riskiert er, in Scherben oder Schmutz zu treten und sich zu verletzen. Auf diese Weise öffnet er sich für das nicht Machbare, für den Anruf Gottes und für seine Liebe: „Wenn wir staunend auf nackten Sohlen davorstehen, entdecken wir Überraschendes.“

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Die Zitate stammen, wenn nicht aus der Bibel oder aus dem Exerzitienbuch, aus folgendem Büchlein von Christian Herwartz, das jeder mit Freunden als kleine Anleitung nutzen kann: Brennende Gegenwart: Exerzitien auf der Straße, erschienen im Echter-Verlag, 86 Seiten, erhältlich ab 7,90 €. Mehr Informationen und Termine: www.strassenexerzitien.de


3 Fragen an... Ute Eberl

Wir haben mit der Referentin für Familien im Erzbistum Berlin und Auditrix (Gasthörerin) der außerordentlichen Bischofssynode zu Ehe und Familie im Oktober 2014 gesprochen.

Fotos in diesem Beitrag: Ute Eberlde

Gerne katholisch: Frau Eberl, wie würden Sie die Stimmung bei der Synode beschreiben?

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Ute Eberl: Papst Franziskus hat die Synode mit einem fulminanten Start eröffnet. Gleich zu Beginn hat er den Synodenvätern eingeschärft, sie sollten erstens frei und offen sprechen und zweitens einander gut zuhören. Er wolle nicht hören, dass nach der Synode dann einer sagt ‚eigentlich hätte ich ja noch gerne gesagt, aber...‘. Die Themen der Synode hatten und haben ja durchaus Brisanz: von unehelichen und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften über Geburtenkontrolle, Patchworkfamilien, Polygamie, Singles und Alleinerziehenden bis hin zur Frage der wiederverheirateten Geschiedenen und ihr Ausschluss von den Sakramenten reichte die Palette. Die Bandbreite heutiger Lebensrealitäten von Familien in- und außerhalb der

Kirche weltweit ist groß: Alles sollte auf den Tisch kommen. Erfahrene Synodenväter bestätigten mir: Das sind neue Töne, bei früheren Synoden hätte man sich eher gegenseitig bestätigt - jetzt durfte und sollte es auch kontrovers zugehen. Und da die Synodensprache nicht mehr Latein war, fiel das möglicherweise auch Vielen leichter. Manche sagten sogar, so müsse die Atmosphäre


beim II. Vatikanischen Konzil gewesen sein. Die Synode hat nicht erst im Oktober 2014 begonnen, sondern schon ein Jahr zuvor. Da wurden von Rom aus weltweit an alle Bischofskonferenzen Fragebögen verschickt mit der ausdrücklichen Bitte, die Fragen an die Gläubigen in den Pfarreien weiterzugeben: „Wir wollen wissen, was die Menschen denken und wie sie leben“, lautete die Ansage des Generalsekretärs der Bischofssynode in Rom, Erzbischof Lorenzo Baldisseri. Und die haben kräftig davon Gebrauch gemacht. Ein partizipatives Moment in der katholischen Kirche! Mit den Antworten der Gläubigen, die die Arbeitsgrundlage, das ‚instrumentum laboris‘, für die Synode bildeten, saßen die Familien sozusagen mit in der Synoden-

halle! Und damit ihr beherztes Katholischsein wie auch die Kluft zwischen der Lehre der Kirche und dem Leben vieler Gläubigen! Franziskus wollte eine ehrliche Diskussion, in der alle Positionen vorgetragen werden können. Er selbst hat sich aus den Debatten herausgehalten und ich glaube, genau dadurch hat er die offene Debatte ermöglicht. Die Stimmung in der Synodenhalle war geprägt von großer Ernsthaftigkeit und konzentriertem Arbeiten. Klar ging es da auch emotional zu! Denn - und das gilt für alle Synodenteilnehmer - jeder kam ja mit einer Sorge: Wie kann die Kirche Familien mit ihrem Schatz, der sie auf alle Fälle sind, mit ihren Fragen, Hoffnungen und auch mit ihren Brüchen im Leben ernst nehmen und ihnen helfen.

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Gk: Was waren dort für Sie Zeichen der Hoffnung, was fällt schwer mit Blick auf die Synode? Eberl: Als „Auditrix“ konnte ich mich ja hervorragend auf’s Hören konzentrieren. Das war wirklich ein Wechselbad: Manche Synodenteilnehmer haben dazu aufgerufen, nicht verkrampft, sondern mit Sympathie auf die Welt zu blicken. Weil nur so der Schatz zu entdecken ist, der in Familien, aber auch in Patchworkfamilien oder in EinEltern-Familien, bei Paaren, die nicht verheiratet sind oder die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, da ist. Werte werden auch außerhalb der regulären ‚katholischen Form‘ gelebt. Das gilt es wahrzunehmen und auch ins Wort zu heben! Andere warnten dagegen vor so viel Offenheit und sahen die Lehre der Kirche in Gefahr. Aus allen Erdteilen berichteten die Synodenväter, dass Partnerschaft und Ehe brüchig geworden sind und dass die zivile Wiederheirat eine Realität ist. Sie forderten deshalb, dass die Ehenichtig-

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keitsverfahren beschleunigt werden sollen. Manche haben sich auch sehr differenziert dafür stark gemacht, dass man wiederverheiratete Geschiedene nach Prüfung im Einzelfall zu den Sakramenten zulässt. Die einen sahen die Rettung der katholischen Familien in einer Intensivierung der Ehevorbereitung - wenn die Paare nur wissen worauf sie sich einlassen, wenn sie sich das Sakrament der Ehe spenden, dann können sie auch allen Herausforderungen standhalten. Andere hielten laut dagegen, das Sakrament der Ehe sei ein Sakrament der Verheißung und der Gnade - und kein Käfig! In der ersten Synodenwoche habe ich den Schwung erlebt, mit dem die Synodenväter die Situationen von Familien aus aller Welt in den Blick nahmen. Das brachte wirklich frischen Wind – und löste heftige Diskussionen aus. In der zweiten Woche ging es dann darum, die Synodenteilnehmer wieder alle unter einem Dach zu sammeln. Dazu waren Kompromisse nötig. Die offene Debatte, das gemeinsame Ringen um Antworten für


die konkrete Seelsorge vor Ort, hat für mich genau das verwirklicht, was Papst Franziskus kurz nach seiner Wahl - ja, soll ich sagen als Motto? - gesagt hat: „Und jetzt gehen wir gemeinsam diesen Weg.“ Das spürbare Hoffnungszeichen ist die Bewegung: sich bewegen lassen vom Geist Gottes, von den Erfahrungen der Gläubigen, von der Lehre der Kirche. Auch die Lehre der Kirche ist nicht in Stein gemeißelt, sie hat sich immer entwickelt und wird sich immer entwickeln. Für mich überwiegen die Zeichen der Hoffnung eindeutig! Gk: Warum sind Sie gerne katholisch? Eberl: Was antwortet ein Fisch auf die Frage, warum er gern im Wasser schwimmt? Ich bin gerne katholisch, weil mich Gott mit seiner Zärtlichkeit umarmt. Er drückt nicht zu fest

zu, er schenkt mir Freiheit und fordert mich heraus. Die Bibel ist mir dabei Richtschnur, meine ‚Komfortzone‘ immer wieder zu verlassen und mich zu fragen, was Gott mit mir vorhat. Die Kirche, ganz konkret in der Gemeinschaft der Gläubigen, gibt mir Halt: ich bin 52, also auch nicht mehr ganz jung, sitze aber in der Messe gern mitten unter den Senioren, Männern und Frauen, die schon viel mehr erlebt und mitgemacht haben in ihrem Leben als ich - gemeinsam Gott loben, das ist es!

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Papst Franziskus hatte die Bischöfe vom 6.-19. Oktober 2014 zu einer Außerordentlichen Bischofssynode eingeladen. Sie stand unter dem Thema: „Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung“. Ute Eberl war die einzige Frau, die als Gasthörerin dort zugelassen war.


Aus Staub gemacht nach Gottes Bilde Geistlicher Impuls von Kaplan Christian Fahl, Wetzlar „Wie wird einmal meine Zukunft aussehen? Werde ich einmal in einer glücklichen Ehe, in einer glücklichen Partnerschaft leben? Werde ich einmal Vater oder Mutter werden?“ Immer dann, wenn ich mit Jugendlichen über die Zukunft spreche, schwingen diese Fragen mit. Fragen, die nicht nur ganz junge Menschen beschäftigen. Sie spüren: Die Liebe und Geborgenheit einer glücklichen Familie schenkt eine große Stärke, auch selbst das Leben zu bestehen. Wer so aufgewachsen ist, möchte die empfangene Liebe auch selbst weitergeben. In einer gelingenden, glücklichen Familie lernen wir ganz viel über Gott und uns selbst. Dass Vater und Mutter sich bei aller Verschiedenheit ergänzen, sich gegenseitig beistehen, sich nach einem Streit wieder versöhnen, ja, miteinander und füreinander beten können, schenkt die Grundlage

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auch für eigenes Selbstbewusstsein, für Konfliktfähigkeit, für die Bereitschaft zur Versöhnung, aber auch dafür, dass niemand alles alleine kann, dass wir – auch als große Menschheitsfamilie – aufeinander angewiesen sind. Wenn Gebet und Versöhnung, Liebe und Geborgenheit daheim erfahren werden, wird schon zu Hause klar, was Glaube und Kirche bedeuten. Dass Vater und Mutter sich an ihren Kindern freuen und sie lieben, einfach weil sie da sind, unabhängig von Schulnoten oder äußeren Gegebenheiten, begründet erst das Urvertrauen, dass jeder Mensch von Gott geliebt ist, jeder und jede einzigartig ist. In was für einer Welt würden wir leben, wenn genau das jede und jeder erfahren könnte: Vorbehaltlos geliebt zu sein, einfach, weil er ist, nicht so sehr deshalb, wie er ist. Wie schön wäre das – doch wie viele Beziehungen scheitern, wie


viele Mütter oder Väter müssen ihre Kinder allein erziehen, wie viele Kinder und Erwachsene sehnen sich nach einer glücklichen Familie, teils, ohne sie selbst jemals erfahren zu haben? Wer jedoch wird seine Träume begraben, nur weil sie scheitern können? Gerade wir Christen glauben, dass Gott die Ehe segnet, weil er selbst die Quelle der Liebe ist. Wo sich zwei Menschen aufrichtig lieben, bereit sind, füreinander einzustehen, sich hinzugeben, auch Opfer zu bringen füreinander, wo miteinander gesprochen und gebetet wird, wo Versöhnung herrscht, wo immer wieder auf Augenhöhe ein neues Miteinander gesucht wird, da ist Gottes Segen beständig, da gelingt Familie auch heute. Die Liebe – sie verschenkt sich selbst, doch sie sucht immer auch die Menschen, die in Not sind, die Hilfe brauchen. Eine glückliche Familie wird gerade jenen beistehen, die gescheitert sind

und sich nach Hilfe, nach Versöhnung sehnen, die auf ihrem persönlichen Weg Geborgenheit und Verständnis so dringend suchen. Eine christliche Familie lebt und liebt nicht nur für sich, sondern verarztet und verbindet auch die Wunden des anderen. In einem Lied im neuen Gotteslob (Nr. 499) heißt es: „Gott, der nach seinem Bilde aus Staub den Menschen macht, hat euch seit je zur Freude einander zugedacht. Er fügt euch nun zusammen, lässt Mann und Frau euch sein, einander Wort und Treue, einander Brot und Wein. Und wie der Mensch die Antwort von Anfang an entbehrt, solange er nicht Liebe des anderen erfährt, so sollt auch ihr von nun an in nichts mehr ganz allein, vereint an Leib und Herzen, einander Antwort sein.“

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Zeichnung „Kain und Abel“ von Hermann Knaur (1811-1872) [Public domain]

„Heilige“ Familien

Die Familie und das kirchliche Bild von Familie sind spätestens seit der außerordentlichen Bischofssynode im Herbst 2014 in aller Munde. Aber was sagt eigentlich die Bibel dazu? Welches Familienbild wird im Alten Testament dargestellt? Und wie verhält es sich mit der „Heiligen Familie“? Von Bruder Johannes Roth OFM

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In der Heiligen Schrift gibt es viele Familiengeschichten, ja sogar ganze Familiensagas. Häufig sind es sehr große Familien - Familienclans. Besonders das Buch Genesis liest sich wie eine einzige große Familiengeschichte. Alles nimmt seinen Anfang bei Adam und Eva. Es gibt keine genaue Angabe darüber, wie viele Kinder die beiden insgesamt hatten. Aber die, die in die Geschichte eingingen, sind Kain und Abel. Wodurch wurden sie bekannt? Nicht dadurch, dass sie sich gut verstanden haben, sondern durch den Brudermord von Kain an Abel. Darauf folgt die nächste Familiengeschichte, die von Noah. Sie ist geprägt von dem Bau der Arche und der Sintflut. Die drei Söhne Noahs sind Sem, Ham und Jafet, von ihnen stammen alle Völker der Erde ab. Daran schließt sich eine ganze Familiensaga an, die mit Abraham, der von Sem abstammt, beginnt und mit vielen Turbulenzen aufwartet: Abraham und Sara können zuerst keine Kinder bekommen. Sara gibt ihren Mann für ihre Magd Hagar frei, so dass Abraham mit ihr ein Kind zeugen kann, seinen unehelichen Sohn Ismael. Er soll aber im Laufe der Bibel nicht das einzige uneheliche Kind bleiben. Schließlich wird Sara doch noch schwanger und bringt Isaak zur Welt. Die Folge ist, dass Hagar

und Ismael nach Streitigkeiten zwischen Sara und Hagar in die

Im Mutterleib fing der Streit schon an Wüste geschickt werden. Isaak hatte mit Rebekka zwei Söhne, Esau und Jakob. Bereits im Mutterleib fingen die Streitigkeiten der beiden Brüder an und sie zogen sich durch ihr ganzes Leben: Jakob luchst seinem Bruder zuerst für eine Mahlzeit das Erstgeburtsrecht ab und schließlich überlistet er mit Hilfe seiner Mutter seinen blinden Vater auf dem Sterbebett, indem er sich für Esau ausgibt, und erhält auch noch den Erstgeburtssegen, der eigentlich seinem Bruder zusteht. Erst Jahre später versöhnten sich die Beiden. Jakob hat sogar zwei Ehefrauen, die Schwestern Lea und Rahel, und insgesamt 12 Söhne und 1 Tochter, von vier verschiedenen Frauen, denn seine beiden Ehefrauen gaben ihm auch jeweils

Gott verweigert niemandem den Segen ihre Magd zur Frau. Immer wieder kommt es zu Streitigkeiten unter den 12 Brüdern und diese gipfeln schließlich darin, dass sie ihren Bruder Josef in eine Zisterne in der Wüste werfen und zusehen, wie er verschleppt wird. Das gan-

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ze Buch Genesis ist also eine reine Familiensaga, die meist nicht sehr harmonisch verläuft. Sie ist sehr stark geprägt von den einzelnen Brüderkonflikten. Es zeigt sich also sehr deutlich, dass diese biblischen Familiengeschichten nicht heil und heilig sind, sondern starke Brüche enthalten und auch durchaus Unmoralisches aus kirchlicher Sicht. Gott verweigert aber keinem seinen Segen und häufig versöhnen sich die Brüder wieder. Eine Ausnahme bildet Kain, der von Gott verflucht wird und durch seinen Mord an Abel ist eine Versöhnung zwischen den Brüdern ausgeschlossen. Im Alten Testament ließen sich noch viele weitere solcher Familiengeschichten finden. Das trifft wohl im Großen und Ganzen auch auf die „Heilige Familie“ zu. Ihre Geschichte verläuft auch nicht völlig konfliktfrei und harmonisch. Und rein von den Fakten her gesehen, wird Maria schwanger, noch bevor sie mit Josef zusammengekommen war. Josef wollte sie nicht bloßstellen und sich deshalb von ihr trennen. Es bleibt

Welcher Konflikt liegt hier in der Luft? Josef scheint auf diesem Gemälde von Raffael nicht sehr glücklich. (Die Heilige Familie, 1518)

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unklar, ob Josef und Maria noch weitere Kinder hatten und wie es mit ihnen als Paar weiterging. Josef wird nach der Kindheit Jesu nicht mehr erwähnt. Der biblische Befund über die Familien zeigt also auf, dass auch die Familien in der Heiligen Schrift nicht nur konfliktfrei und harmonisch zusammenlebten, sondern sich durchaus Situationen ergeben können, in denen es zum Bruch kommt. Gott lässt diese Menschen dann aber nicht fallen, sondern nimmt sich ihrer liebevoll an, so wie er sich beispielsweise Hagar und Ismael in der Wüste annimmt.

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Die Familie - was sie vorgibt zu sein In den Ohren vieler Zeitgenossen klingt das Wort „Familie“ nach Idylle, Frieden und Harmonie. Selbst in Zeiten steigender Scheidungsraten und ständig neuer Trennungsskandale um Stars, bleibt die Familie für viele ein großer Wert. Was aber verbindet man mit ihr? Alles nur Romantik? Ein Gastbeitrag von Moritz Hemsteg

Klassisch: Vater – Mutter – Kind Und zwar in der Reihenfolge. Wenngleich die Ehe als Massenprodukt eher ein Konstrukt des 19. Jh. ist, so gilt doch die Konstellation von Pater Familias, Hausfrau und Kind(ern) als das klassische Familienmodell. In katholischer Manier durch das unzertrennliche Band des Sakramentes sind Mann und Frau ehelich verbunden und halten ihre Partnerschaft offen für Nachwuchs. Traditionell gilt also die Zeugung als das höchste Gut, vor

anderen (wie etwa Stärkung des Glaubens) des Ehestandes. Das restliche Familienleben wird nun idealerweise – also im Denken dieses Ideals – untergeordnet. Der Einfachheit und Tradition halber nehmen die Ehepartner Rollen wahr, die sich am einfachsten mit „drinnen“ und „draußen“ charakterisieren lassen und dabei auf uranfänglichste Menschheitsgeschichte hinweisen. Dem Manne gehört die Welt, die Frau ist zuständig für das Häusliche. Die geschlechtlichen Pole ergänzen sich; so weit, so gut, so bekannt.

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Rollen geraten ins Wanken Nun ist es kein Geheimnis, dass die hier skizierten Rollen wahrscheinlich ein nie gefundenes Bild repräsentieren. In jeder größeren Familie erzieht nicht nur die Mutter, sondern auch die älteren Kinder helfen mit – zumal im Haushalt. Auch das Prinzip des „Alleinverdieners“ ist keineswegs allein gültig. Mitnichten: Besonders im ländlichen Bereich arbeitet ein bäuerlicher Haushalt durchaus profitabel, ob nun ein Großteil der familiären Finanzen durch die Arbeit des Mannes herbeigesteuert wird, oder nicht. Auch die Festlegung des Polaritätsmodells basiert mehr auf Konvention, denn auf Natur. Wer die Ergebnisse der PISA-Studien der letzten Jahre einigermaßen genau studiert, wird feststellen, dass kein signifikanter Unterschied zwischen Mädchen und Jungen feststellbar ist – zumindest keiner, der ein Geschlecht dümmer darstellen würde. Im Gegenteil: Lerntechnisch sind die Unterschiede innerhalb eines Geschlechts größer als zwischen Jungen und Mädchen. Die These, höhere Bildung und das weibliche Geschlecht passen nicht zusammen, jüngst wieder geäußert von

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Bischof Richard Williamson, ist nicht haltbar. Von der Lernfähigkeit lässt sich also keine natürliche Passivität der Frau ableiten. Familien zerbrechen, Hausfrauen haben das Nachsehen Seit 2008 trägt der Gesetzgeber den vermehrten „Brüchen und Neuanfängen“ der Lebenspartner Rechnung. Beim Unterhalt geht es nun weniger um den verwitweten Ehepartner – wobei das maskuline Geschlecht in diesem Satz den Tatsachen nicht gerecht wird – sondern um das Kindeswohl. Eine jahrelange Hausfrau hat das Nachsehen: Selbst wenn sie einen Studienabschluss hat, wird sie ihren Lebensstandard im Zweifel nicht halten können. Treffender als Frau Zypries („Einmal Zahnarztgattin, immer Zahnarztgattin – das gilt nicht mehr) hätte man es nicht formulieren können. Es gehört zur Normalität, dass Menschen sich trennen und dies öfter tun als in vergangenen Zeiten. Eine Ehe mit Kindern ist kein Garant für ein ewiges Band mehr – auch unter Katholiken nicht. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Menschen älter werden, sondern auch damit, dass Frau-


en seit Jahrzehnten eigene (auch partnerschaftliche) Präferenzen artikulieren und dass der Ehemann im Berufsleben von mehr und mehr gleich- und höherqualifizierten Frauen umgeben ist, die im Zweifel auch attraktiver sein können, als die ver- und angetraute Gattin. Was bleibt von der Familie Patchwork, Polyamorität, HomoEhe– all diese Tabus sind salonfähige Partnerschaften geworden. Auch ein nicht-ehelich geborenes Kind hat kein Nachsehen im Heranwachsen zu erwarten. Behörden erfragen auch in aller Regel nicht die „Eltern“, sondern die „Erziehungsberechtigten“ – vorsichtshalber gibt man in den Formularen für Einschulung et cetera auch am besten gleich zwei Adresszeilen an. Was also bleibt von der Familie? Zunächst einmal steht die nüchterne Erkenntnis im Raum, dass die heile Welt niemals ganz heil war. Und wenn der Ausnahmefall einer heil(ig)en Familie doch einmal zutraf, dann war der Vater im Zweifel alt, der Sohn starb kurz nach Beginn seiner Karriere und die Frau blieb Jungfrau.

Nichtsdestotrotz, innerhalb einer Familie wird Verantwortung gelebt. Wer sich gar entscheidet, zu heiraten, erhält zwar gemäß dem klassischen Modell steuerliche Vergünstigungen aufgrund der Splittingtabelle. Aber beide Ehepartner müssen Opfer bringen, wenn sie sich zum Kinderkriegen durchringen. Und nicht nur die Kinder kosten Aufwand. Auch an einer intakten Beziehung muss gearbeitet werden Und bei allem Spott über die klassische Familie müssen sich getrennt lebende und kinderlose Paare auch vielleicht von Zeit zu Zeit dem Gut der Nachkommenschaft zuwenden: Das Glück des Kindes ist abhängig vom Glück der Eltern und umgekehrt. Es ist sicher eine schönere Kindheit, wenn man weiß, auf wen man sich verlassen kann und zwar auf Vater und Mutter, die die Eltern sind und die zusammen mit den Kindern am gleichen Ort als Familie wohnen. Das ist natürlich sehr romantisch, aber vielleicht gerade deshalb wieder ein Ideal unter jungen Leuten.

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schluss.punkt

© Jorit Thoren Gøbel für Gerne katholisch e.V.

Dieses Magazin Wir erhalten viele positive Rückmeldungen, dass das „Gerne-katholisch-Magazin“ in Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen gut angenommen wird. Unser Anliegen ist es, das Positive des Glaubens in den Vordergrund zu stel-

len und zur Sprache zu bringen. Deshalb können Pfarreien unser Magazin auch in höheren Auflagen jederzeit kostenlos nachbestellen: magazin@gerne-katholisch.de


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