Gerne katholisch Magazin Nr. 4

Page 1

gerne KATHOLISCH Magazin f端r einen frohen, bekennenden Glauben Nr. 4

Glaube und Unglaube Christsein in einer Welt, die der Kirche scheinbar den R端cken kehrt

www.gerne-katholisch.de


Willkommen Diesen Herbst wird unsere Initiative bereits fünf Jahre alt. In den vergangenen Jahren haben wir uns zunächst nur im Internet, später auch z.B. mit diesem Magazin darum bemüht, die Freude am Glauben zu vermitteln und Menschen zu motivieren, über ihren Glauben zu sprechen. Mit der vorliegenden Nummer 4 wollen wir nun den Dialog mit den Nicht-Glaubenden in den Vordergrund stellen. Was bringt Menschen dazu, nach einem Austritt wieder zur Kirche zurückzukeh-

ren? Wie können wir so leben, dass unser Glaube Ausstrahlung gewinnt und so unser Leben evangelisierend wirkt? Das alles sind Fragestellungen, zu denen Sie in dieser Ausgabe Artikel finden. Wir freuen uns wie immer über Ihr Feedback. Gerne können Sie Hefte nachbestellen, um sie in der Pfarrei oder im Freundeskreis zu verteilen. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen.

Diakon Stefan Salzmann für den Vorstand von Gerne katholisch e.V.

Inhalt Wahrheit im Dialog 4 Von Schafen und Hirten 7 3 Fragen an... Maria Herrmann 9 Was geht uns allen nahe? 12 Neuevangelisierung - unser Auftrag 17 schluss.punkt 20 www.gerne-katholisch.de

/gernekatholisch

blog.gerne-katholisch.de

/gernekatholisch /gernekatholisch.de

2


Wer sind wir?

gerne-katholisch.de wurde 2010 von einer Gruppe Studenten an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/M gegründet. Wir möchten dazu anregen, über den Glauben nachzudenken und den Grund für den eigenen Glauben auch ins Wort zu bringen. Seit Mai 2012 sind wir in einem Verein organisiert. Dem Verein ist es ein Anliegen, dass Christen selbst wieder „Leuchttürme” werden, also Bekenner des Glaubens, damit wir als Kirche wieder neue Strahlkraft entfalten.

Impressum Jede Woche ein Mini-Impuls kostenlos per WhatsApp.

V.i.S.d.P.: Gerne katholisch e.V. Diakon Stefan Salzmann, 1. Vorsitzender Obere Plötzgasse 3 56410 Montabaur

Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben unter CC0-Lizenz. Nachdruck unter Angabe der Quelle „www.gerne-katholisch.de“ gestattet.

Jetzt anmelden: www.kathlink.de/nachricht

Werden Sie Mitglied: Fax: 0355 28925 88 6328 Mail: info@gerne-katholisch.de Web: www.gerne-katholisch.de Magazine nachbestellen: magazin@gerne-katholisch.de

13


Wahrheit im Dialog

Warum das Christentum die Auseinandersetzung mit anderen Weltanschauungen braucht. Von Dag Heinrichowski

In Europa ist es schon seit langem nicht mehr selbstverständlich, dass die Mehrheit christlich oder gar katholisch ist. Im Alltag treffen wir auf Menschen verschiedener Kulturen und Religionen. Wir treffen auf Menschen, die die großen Fragen ihres Lebens nicht mit der Hilfe einer traditionellen Religion beantworten können oder wollen. Und auch für viele Christen sind die Antworten, die die Kirche gibt, nicht immer überzeugend. Vor allem wird deren Wert oft durch ganz andere Verhaltensweisen und Skandale innerhalb der Kirche untergraben. Als Christ kann man sich nun zurückziehen in die Zone der eigenen Gemeinde, des eigenen Kreises, in den Dunst der Gleichdenkenden und sich die guten alten Zeiten zurückwünschen, in denen es anders, ja scheinbar besser war. Zeiten, in denen

4

Glaube noch etwas zählte. Diese Darstellung ist natürlich überspitzt, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass Grundzüge davon tatsächlich immer wieder auftauchen.

Wahrheit verträgt Auseinandersetzung Dabei ist das Christentum eine Religion, die gerade den Dialog mit anders Denkenden sucht, die gemeinsam mit anderen nach der Wahrheit sucht. Wahrheit kann Auseinandersetzungen mit anderen ab und verträgt es in Frage gestellt zu werden. Am Ende wird sie bestehen. Eine weitere Tendenz, die ich beobachte, ist das Verlangen nach klar definierten Satzwahrheiten, Antworten und Handlungsanweisungen. Entweder etwas ist schwarz oder weiß, bloß keine


Begegnung unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen 2011 in Assisi.

Logos.“ (Joh 1,1). Christus ist also der Logos und von eben diesem Logos finden sich Samenkörner auch in profaner Philosophie, in anderen Religionen und Kulturen. Im Dialog mit diesen, in der Begegnung mit anderen Menschen, können wir diesem Logos, Christus selbst, begegnen. Der selige Papst Paul VI. schreibt: „Die Kirche muss zu einem Dialog mit der Welt kommen, in der sie nun einmal lebt. Die Kirche macht sich selbst zum Wort, zur Botschaft, zum Dialog.“ (ES 65)

Wahrheit geht alle Menschen an Die Welt in der wir Leben, die Menschen, die andere Überzeugungen haben als wir, stellen Fragen an uns, fordern unsere Wahrheit heraus. Sie sind so Prüfstein u und Reinigungsmöglichkeit für

Foto: Stephan Kölliker, „World-Day-of-Prayer-for-Peace Assisi 2011“ CC BY-SA 3.0

Graustufen. Etwas ist richtig und gilt, alles andere falsch und zu verwerfen. Die christliche Wahrheit ist eine Person, Jesus Christus, das fleischgewordene Wort Gottes. Unsere Offenbarung ist ein dialogisches Geschehen. Die Frage nach der Wahrheit ist eine Frage nach der Beziehung zu Jesus Christus. Eine Beziehung, die sich nicht über Fakten und Sätze definiert, sondern einen Dialog braucht. „Kommt und seht!“ (Joh 1, 39). Seit der frühen Kirche bis heute spricht die christliche Theologie und Philosophie von den Samenkörnern des Wortes (logos spermatikos). Logos ist ein schillerndes Wort der griechischen Sprache. Es kann u.a. mit Wort, Sinn, Vernunft, Rede übersetzt werden. Johannes schreibt in seinem Prolog: „Im Anfang war der


unsere Überzeugungen. Sie können uns helfen, die Wahrheit, die Christus ist, tiefer zu verstehen. Unsere Sprache, in die wir die Wahrheit kleiden, ist immer unzureichend, um diese voll zu fassen. Wahrheit ist immer etwas, was wir suchen müssen. Wahrheit ist etwas, das alle Menschen angeht. Ein Projekt für das wir den Dialog mit den anderen brauchen. Christen sollen in der Welt, aber nicht von der Welt sein (vgl. Joh 17, 15-16). Papst Benedikt XVI. hat das Wort der „Entweltlichung“ geprägt. In der Welt sein, das heißt auf die Fragen der Welt reagieren, mit ihr im Dialog stehen. Nicht von der Welt sein, das heißt dabei nicht in dieser Welt aufzugehen. Eine Umkehrung dieses Zitates ist für mich eine Definition des Begriffes „Säkularisierung“: Wenn etwas säkularisiert ist, dann ist es nicht in der Welt, aber von der Welt. So ein Glaube verliert seine Bedeutung in der Welt, hat nichts beizutragen, macht sich selbst überflüssig.

Wahrheit kann nicht aufgezwungen werden Als Christen sind wir zum Dialog gerufen. Mit einem Dialog beginnt unser Glaube. Unser Glaube ist dialogisch. Schließen wir nicht die

6

Augen, sondern nehmen wir die Herausforderungen an. Gehen wir mit Offenheit für den Anderen und gleichzeitig mit unseren Überzeugungen in einen Dialog mit der Welt, mit den Menschen, die anderes denken als wir und geben wir so ein Zeugnis für das Wort Gottes und lassen uns selbst überraschen von dem, was uns dieses Wort in der Begegnung sagen will. Benedikt XVI. schreibt: „Wir wissen sehr wohl, dass außerhalb Gottes die Wahrheit ‚in sich selbst’ nicht existiert. Dann wäre sie ein Götze. Die Wahrheit kann sich nur in der Beziehung zum anderen entwickeln, die auf Gott hin öffnet, der seine eigene Andersheit durch meine Mitmenschen und in ihnen zu erkennen geben will. So ist es unangebracht, in ausschließender Weise zu behaupten: ‚Ich besitze die Wahrheit’. Die Wahrheit ist niemals Besitz eines Menschen. Sie ist immer Geschenk, das uns auf einen Weg ruft, sie immer tiefer uns anzueignen. Die Wahrheit kann nur in der Freiheit erkannt und gelebt werden; denn wir können dem anderen die Wahrheit nicht aufzwingen. Nur wenn wir einander in Liebe begegnen, enthüllt sich die Wahrheit.“ (Ecclesia in medio oriente 27).

n


Von Schafen und Hirten Warum treten Menschen aus der Kirche aus? Viel spannender noch: warum treten sie wieder ein? Der ehemalige Leiter der katholischen Glaubensinformation Berlin, P. Bernhard Heindl SJ, berichtet.

„Aber an Gott habe ich immer geglaubt!“, beteuert mir die ältere Dame, die vor langer Zeit aus der Kirche ausgetreten ist und jetzt wieder eintreten möchte. Sie schaut mich freundlich an und doch ist eine Spur von Selbstbehauptung in ihren Worten nicht zu überhören. Es dürfte ihr auch nicht ganz leicht gefallen sein, zu einem Vertreter der Institution zu gehen, mit der man gebrochen hatte, um diesen Schritt rückgängig zu machen. „Schön, dass Sie wieder dabei sein wollen! Das freut mich, aber erzählen Sie doch mal: Was hat Sie denn damals bewogen, aus der Kirche auszutreten?“ Meist war es der

Ärger über einen Kirchenvertreter, sei es der Pfarrer vor Ort oder der Papst in Rom. Auch eine zu strenge katholische Erziehung, die zu viele lebenswidrige Vorgaben machte und von der man sich erst einmal lösen musste, um sein Eigenes zu finden, wurde immer wieder genannt. Nicht ansprechende Gottesdienste, die einen leer zurückließen, hatte ich erwartet zu hören, sie waren aber kein ausreichender Grund diesen gewichten Schritt zu tun, höchstens das I-Tüpfelchen. In Berlin kam noch die Mode dazu, alle seien „damals“ ausgetreten. Fehlt noch die Steuer. Sie u kam oft, aber nicht selten folgte

7


auf diese Begründung ein verlegenes Lächeln, als ob man dem eigenen Argument selbst nicht ganz Glauben schenken würde. Na ja, man sei jung gewesen und konnte jeden Pfennig brauchen, aber letztlich sei es nicht wegen des Geldes gewesen, man war an religiösen Fragen einfach zu wenig interessiert oder meinte dafür keine Institution zu brauchen.

„Der Austritt hat mich nicht weitergebracht“ „Ich habe gemerkt, ich bekomme das nicht alleine hin, an Gott glauben.“ Das ehrliche Eingeständnis verblüffte mich und rührte mich zugleich an. Ein vierzigjähriger Mann will wieder dabei sein und macht keinen Hehl daraus, dass sein Kirchenaustritt ihn nicht weitergebracht hat. Im Gegenteil, alles sei im wahrsten Sinne des Wortes immer unverbindlicher geworden und eine junge Frau meint: „Ich will einfach wieder ganz dazugehören. Wenn ich jetzt in einen Gottesdienst gehe, dann fühle ich mich, als ob ich mir etwas erschwindeln würde, es stimmt so einfach nicht!“ Ist erst einmal das Eis gebrochen, dann erzählen die Menschen aus ihrem Leben. Sie berichten daDer jetzige Spiritual am Priesterseminar des Erzbistums Hamburg, der Jesuit Bernhard Heindl, leitete von 2005-2011 die katholische Glaubens-

8

von, dass der Himmel bei der Geburt ihres Kindes spürbar gegenwärtig war oder, dass sie sich tief drinnen gehalten fühlten, selbst als der Arzt die befürchtete Diagnose aussprach. Sie erinnern sich an Stoßgebete, die Wirkung zeigten und erzählen von Fehlern, die lange zurückliegen, die ihnen aber immer noch nachgehen und die sie sich einfach nicht selbst verzeihen können, so sehr sie es auch versuchen. Zeit, um erneut die Gemeinschaft derer zu suchen, die fest an die Wirklichkeit Gottes glauben, die mit ihr rechnen und gemeinsam hoffen, dass diese Wirklichkeit je mehr Wirkung zeigen möge, im eigenen Leben, in der Welt. Schon erstaunlich, vor meiner Arbeit in der Katholischen Glaubensinformation in Berlin hätte ich gesagt, die Geschichte Jesu von dem einen Schaf, dem der Hirte geduldig nachgeht, stimmt doch nicht! Wo gibt es denn einen Hirten, der 99 Schafe stehen lässt, um dem einen verlorengegangenen nachzulaufen? Es gibt ihn und immer, wenn jemand wieder in die Kirche eintreten wollte, dann dachte ich mir: Da hat der Himmel viel Geduld investiert, jetzt vermassel das nicht!

information (KGI) in Berlin. Informationen über die Angebote der KGI finden Sie online: www.kathlink.de/info


3 Fragen an... Maria Herrmann

Neue Aufbrüche wagen - das will die ökumenische Initiative „Kirche2“. Wir haben mit der Referentin im Fachbereich missionarische Seelsorge im Bistum Hildesheim gesprochen. Frau Herrmann, mit dem Projekt „Kirche2“ suchen Sie u.a. nach einem Bild der Kirche der Zukunft. Welche Herausforderungen und Anfragen, aber auch Chancen stellt die heutige Kultur an die katholische Kirche und wie kann diese darauf reagieren? Zunächst einmal ist es möglicherweise an uns, dass wir uns unserer eigenen Katholizität wieder bewusst werden. Ich ahne, dass uns das auch ein bisschen davon entlasten wird, das eine Bild einer Kirche der Zukunft finden zu wollen, gerade dann, wenn sie kontextuelle Kirche ist – sei es vor Ort, sei es in einem Netzwerk oder Milieu, sei es in bestehenden oder erneuerten Strukturen. So zeigt sich von den Zeugnissen der biblischen Überlieferung, über die Kirchengeschichte hin zur heutigen Katholischen Weltkirche: Das eine Kirchen-Bild hat es nie gegeben und kann es nicht

geben, gerade das lässt uns eben katholisch sein. Und mit ein bisschen Glück auch gerne! Besonders dann, wenn wir uns wirklich auf die jeweiligen Kontexte einlassen und uns dort gemeinsam mit anderen von Gottes Mission überraschen lassen.

Die Herausforderung, aber vielmehr noch das Geschenk liegt darin, Kirche wieder als Sakra- u ment, als Mysterium verstehen

9


zu lernen: Das Verbindende, die Einheit in Vielfalt, die wir im Leib Christi begründen, verwandelt und immer wieder erneuert sehen. Gerade und vor allem über Kulturen und Gesellschaften hinweg und hindurch. Doch es fällt schwer uns darauf einzulassen, denn dieses Mysterium ist Gnade. Wir müssen darauf vertrauen. Es lässt sich von Menschenhand nicht machen, schaffen, erzeugen. Möglicherweise geht es also vielweniger um ein Agieren oder Reagieren auf Milieu, Kultur und Gesellschaft, sondern ein Teilhaben und Teilgeben an der gemeinsamen Sendung. An dem was sich in den unterschiedlichen Kulturen zeigt und wo wir gemeinsam Gott auf die Spur kommen dürfen. Denn: »So war es schon immer.« Im besten Sinn!

10

Wie kann die katholische Kirchen Menschen begegnen, die der Kirche fernstehen oder denen die Kirche fernsteht und sie von der Botschaft Jesu überzeugen? Papst Franziskus hat uns in „Evangelii Gaudium“ sein Bild von der Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute in eindrucksvollen Worten beschrieben. Weil ich gerne mit dem Medium Twitter arbeite, versuche ich mal sein inspirierendes missionarisches „wie“ tweetkompartibel, also kurz und prägnant zusammen zu fassen: »Mit Freude, in Demut und ohne Angst. Dort, wo man ist und notfalls mit Worten.« Bei all dem ist mir eines wichtig: Wir sind es nicht die überzeugen, erreichen müssen. Christus hat die Welt erreicht und erlöst, uns


den Geist gesandt, der uns jeden Tag an jedem Ort neu überrascht. Ich glaube daran, dass wir als Getaufte gemeinsam Anteil an der Sendung der Kirche, an der „Missio Dei“ haben. Jeder und jede auf die jeweils eigene Weise, mit dem eigenen Charisma. Und mehr und mehr bin ich davon überzeugt, dass wir uns darin üben sollten einen prophetischen Dienst zu tun – hervor zu sagen: Dort wo uns Hoffnung, Glaube und Liebe begegnen, wo wir leben, lernen und lieben gemeinsam mit anderen die Botschaft Jesu neu zu entdecken und ins Wort heben. Warum sind Sie gerne katholisch? Mir hat kürzlich jemand gespiegelt, dass es auffällig sei, dass ich vor allem in Fragen und Gegenfragen kommuniziere. Scheinbar stimmt das, denn auch hier bin ich versucht Ihre Frage zu dekonstruieren: Zu gestehen, dass es Tage gibt, an denen ich nicht gerne katholisch bin. Zu provozieren, dass ich mich viel mehr als christgläubig verstehe (so eben auch im Codex Iuris Canonici »christifidelis« und mit einem großen ökumenischen Herzen). Zu resignieren, dass ich ja als Säugling keine andere Wahl hatte, weil sich meine Eltern eben so entschieden haben. Ich bin Kind einer konfessionsverbindenden Ehe, muss man dazu wissen. All

das sind Facetten meiner Biographie und Realität. Eben weil ich in einem ökumenischen Projekt arbeite, ist es mir aber auch wichtig immer wieder darüber nachzudenken, was meine Katholizität ausmacht. Ich würde das an diesen Punkten festmachen: Ich habe gerne das große Ganze im Blick. Durch Zeiten und Räume. Ich vertraue darauf, dass Gott als Vater, Sohn, heiliger Geist mit uns Menschen und der Schöpfung Geschichte schreibt. Wir aus gemachten Erfahrungen und Geschichte lernen können und müssen. Zwischen, aus und in Tradition, Regeneration und Innovation. Gemeinsam mit Heiligen, Pilgern und Propheten. Ich hoffe auf die Kraft der Taufe, die erstaunlichen Geheimnisse der Kirche und den unbändigen Wandel zum Guten. Ich habe einen Sinn für Ästhetik und Rituale. Sinnenfältig und Partizipativ. Jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr. Wenn es mir geschenkt sein soll, ein Leben lang. Und ich beginne langsam, mich mit meinem Vornamen anzufreunden, der eigentlich ein zweifacher ist: Maria Elisabeth. Kirche2 auf twitter: twitter.com/kirchehoch2 Mehr Infos: www.kirchehochzwei.de


Was geht uns allen nahe? Wie Kultur spirituelle Leere erahnen macht. Von Judith Bรถsenecker und Rebecca Hafner

12


„Take me to church“ ruft der Ire Hozier im gleichnamigen Lied in die Menge und ein tausendstimmiges Echo folgt ihm in das symbolische Metapherngewimmel von der Kirche ins Schlafzimmer. Vor allem Eines wird dadurch deutlich: Wie säkular unsere mitteleuropäische Welt auch sein mag, sie ist doch immer noch reizbar, ja geradezu süchtig nach Provokation. Wo der Mensch unreligiös wird, bleibt er dennoch kultiviert. Was kein Ersatz für Religion ist, wird zumindest zur Schaubühne innermenschlichen Strebens nach mehr und dem, was uns umtreibt. Welche Rolle hat die moderne Theater-, Film- und Bühnenkultur für den Zugang zu Religiösität? Kultur als Spiegel menschlicher Seelenwünsche ist ebenso vielseitig wie letztere und umfasst das Wesentlichste der menschlichen Existenz. Die Weimarer Klassik mit ihren berühmten Hauptvertretern Goethe und Schiller geht soweit, die Kunst als Mittel zur Vervollkommnung des Menschen anzusehen. Es geht hier um das Ideal des „Guten, Wahren und Schönen“, auf das dieser zwar hin geschaffen ist, doch das erst durch die Bildung hin zur Humanität erreicht werden kann. Kunst fördert demnach unsere geistige Reife. Wie kommt es also, dass der Kunst oder im erweiterten

Sprachgebrauch der „Kultur“ die Fähigkeit zugesprochen wird, unser tiefstes Menschsein nach außen zu kehren? Ist es womöglich einfach das Wecken eines inneren „Bewusstseins“? Schließlich ist jede Form von Kunst ein eindeutiger Beweis für eine Metaebene innerhalb des menschlichen Intellekts, nämlich unser verstecktes Potenzial an Gefühlen und den Idealen, nach denen wir streben. In dem Bewusstsein um ein solches Potenzial in jeder und jedem von uns können wir unsere Eigenschaft als Kinder Gottes neu begreifen und akzeptieren lernen. Mit anderen Worten können Kunst und Kultur also als Brücke aus der Gottesferne und dem Agnostizismus über unsere Sehnsüchte hin zu Gott führen.

Kunst und Kultur können zu Gott führen Der im Januar erschienene Kinofilm „Wild- Der große Trip“ mit Reese Witherspoon in der Hauptrolle ist ein passendes Beispiel für dieses Phänomen. Eine junge Frau bricht auf – auf einen 1600 km langen Weg. Sie ist ganz alleine und im Wandern und Überleben in der Wildnis völlig unerfahren. Ihr Rucksack ist viel zu schwer, für den Campingkocher u führt sie das falsche Benzin mit


sich. Auf dem Weg begegnen ihr gefährliche Tiere und Menschen. Die nächtlichen Geräusche machen Angst, die Füße bluten und schmerzen. Aber sie gibt nicht auf. Sie geht immer weiter. Geht, weil sie gehen muss. Es gibt vieles, was sie verarbeiten, worüber sie nachdenken muss. Der traumatisierende Tod ihrer Mutter und seine Folgen: Drogenmissbrauch, ein hemmungsloses Sexualleben, die Scheidung von ihrem Mann. All das erscheint, wie der Rucksack, viel zu schwer für die kleine zierliche Frau, die gerade einmal 26 Jahre alt ist. Aber dennoch wird sie es am Ende schaffen und neu gestärkt aus ihrer Wanderung hervorgehen. Der US-amerikanische Film basiert auf der wahren Geschichte der Cheryl Strayed, die ihre Erfahrungen auf dem Pacific Crest Trail, einem Fernwanderweg im Westen der USA, in dem Buch

14

„Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst“ aufgeschrieben hat. Der Wunsch traumatische Erlebnisse aufzuarbeiten, Entscheidungen für das weitere Leben zu treffen oder einfach mal für eine Weile dem Alltag zu entfliehen, scheint heutzutage ein großer Antrieb zu sein, auf säkularen Wanderwegen oder auch religiös/spirituell geprägten Pilgerwegen zu gehen. Dies wird nicht zuletzt am großen Hype um den Jakobswegs spürbar.

War es wirklich das, was ich aus meinem Leben machen wollte? Von den Pilgerinnen und Pilgern früherer Tage wird oft berichtet, dass sie sich auf Pilgerschaft begeben haben, um eine Schuld abzutragen – die eigene, oder die eines Angehörigen. So geht


es auch Cheryl vor allem um das Aufarbeiten eines Schuldgefühls – ihrer Mutter gegenüber, ihrem Ex-Mann gegenüber, aber vor allem auch sich selbst gegenüber: „War es wirklich das, was ich aus meinem Leben machen wollte?!?“ Die Frage nach Gott taucht am Rande auch immer wieder auf. Cheryl bittet Gott um ein Wunder, er möge ihre totkranke Mutter retten. Im Gebet wendet sie sich an ihn. Doch das Wunder tritt nicht ein. Cheryl kann Gott nicht als in ihrem Leben gegenwärtig erfahren, ganz im Gegenteil, sie erlebt ihn als abwesend. „Als ob Gott das interessieren würde.“ Auf dem mehr als dreimonatigen Weg ist Platz für alle Gefühle. In einer auch für den Zuschauer befreiend wirkenden Szene schreit sie alle Wut und Verzweiflung hinaus. Den zweiten, zu engen Wanderschuh, wirft sie dem ersten gleich hinterher, der ihr gerade

einen steilen Abhang hinuntergestürzt ist. Danach geht sie weiter – mit Badeschlappen, die sie mit Hilfe von Tape an ihre Füße gebunden hat. „Scheiß drauf!“ Auch Tränen dürfen sein und manches muss man einfach auskotzen. Doch Cheryl ist nicht ganz allein auf ihrem Weg. Immer wieder begegnen ihr hilfsbereite Menschen und Freunde schicken ihr Pakete, ohne die sie wohl nicht den ganzen Weg geschafft hätte – auch wenn sie ihn alleine gehen muss. So bleibt auch Platz für Freude und Leichtigkeit. Die junge Frau findet sogar einige Bewunderer, die ihr auf ihrem Weg folgen und mit Begeisterung ihre Zitate lesen, die sie in jedes Logbuch auf dem Weg einträgt. Die Wanderung endet an der „Brücke der Götter“, der „Bridge of the Gods“ am Columbia River an der Grenze zwischen Oregon u und Washington. Auch das ein in-


teressantes Detail. Cheryl blickt auf ihren Weg zurück und kann ihre Vergangenheit akzeptieren. Sie weiß nicht, warum alles passieren musste, aber es hat sie zu diesem Punkt in ihrem Leben gebracht. Es hat sie zu der gemacht, die sie jetzt ist. Sie kann sich selbst vergeben und fühlt sich erlöst. “Man kann nicht wissen, was dafür sorgt, dass eine Sache passiert und nicht eine andere, was zu was führt, was zerstört oder was verursacht, dass was aufblüht oder stirbt oder einen anderen Lauf nimmt. Was, wenn ich mir selbst vergäbe? Was, wenn ich wenn es mir leidtäte, doch wenn ich in der Zeit zurück könnte, würde ich nicht eine einzige Sache anders machen. Was, wenn ich nicht gewollt hätte mit jedem einzelnen dieser Männer zu schlafen? Was, wenn Heroin mich etwas gelehrt hätte? Was, wenn all die Dinge, die ich getan habe, die Dinge waren, die mich hierher gebracht haben? Was, wenn ich niemals erlöst wäre? Was, wenn ich es schon bin?“ Wirft man einen Blick in die Bibel, so trifft man auf zahlreiche Weggeschichten: Abraham, der den Ruf Gottes hört, sich aufzumachen in ein neues Land; das Volk Israel, das 40 Jahre durch die Wüste wandern muss, bis es endlich eine neue Heimat findet; Tobias, der auf seinem Weg

16

vom Engel Rafael begleitet wird; Jesus, der 40 Tage in die Wüste geht. Neben einer Pilgerreise bieten Exerzitien immer wieder die Möglichkeit zur inneren Einkehr und Neuausrichtung. Eine Form von Spiritualität, die heute immer mehr auch kirchenferne Menschen anspricht. In dem Film „Wild“ wird eine Sehnsucht nach Vergebung, nach Erlösung und nach Heilung spürbar. Cheryl fühlt am Ende neues Leben in sich und merkt, dass da „mehr“ ist, auch wenn sie es vielleicht nicht benennen kann. Wir würden wohl „Gott“ dazu sagen. Und wenn man möchte, dann kann man Gott in ihrem Weg erahnen. Aber zurück zu Hozier. Zwar auf eine ganz andere Art ist er dennoch ein Unruhestifter für die Gemüter. Provokation funktioniert nur, wo wir Betroffenheit spüren und uns berührt fühlen. Vielleicht ist das Nachspüren und Aufgreifen von innerer Sehnsucht oder auch nur einer Ahnung von Unruhe ein Weg, wie wir den Menschen heute neu begegnen können.

n


Neuevangelisierung unser Auftrag Geistlicher Impuls von Jeremias M. Kehren O.Praem.

Im Matthäusevangelium heißt es an einer Stelle: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“ (Mt 7,21). Als gute Katholiken neigen wir oft dazu, selbstsicher zu sein, wenn es um den Willen des Vaters im Himmel: wir gehen in die Kirche, zahlen Kirchensteuer und haben ein Bild vom Papst an der Wand hängen. Doch tun wir wirklich den Willen Gottes? Warum sind unsere Kirchen dann sonntags immer noch so leer?

Zum Glauben gehört doch ganz wesentlich auch dessen Verkündigung dazu: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium“ (Mk 16,15)! Und jetzt mal ganz ehrlich: was tue ich für die Verkündigung des Glaubens? Gebe ich Zeugnis von meinem Glauben oder ist er nur meine Privatsache? Doch um den Glauben verkündigen zu können, muss ich mir erst noch die eigentliche Frage, stellen, die Papst Benedikt XVI. in einer Generalaudienz zu Beginn des u Jahrs des Glaubens vorlegte: „Ist

17


der Glaube wirklich die verwandelnde Kraft in unserem Leben, in meinem Leben?“ Um diese Frage affirmativ zu beantworten bedarf es „einer echten und erneuerten Umkehr zum Herrn, dem einzigen Retter der Welt.“ Diese Umkehr im eigenen Leben ist immer der erste Schritt auf dem Weg der Neuevangelisierung, denn es reicht nicht nur die Orthopraxie in der Kirche voranzutreiben, sondern mit ihr muss auch immer der tiefe Glaube an die christliche Lehre verbunden sein. Deshalb ist es unerlässlich, ohne Unterlass zu beten (vgl. 1 Thess 5,17), damit der eigene Glaube wachsen und gedeihen kann! Das zarte Pflänzchen des Glaubens muss aber auch genährt werden, v.a. in den Sakramenten von Eucharistie und Beichte, aber auch in der persönlichen Auseinander-

18

setzungen mit der Heiligen Schrift oder den Werken von bewährten Theologen. Dies ist das Rüstzeug Gottes, das wir als Christen anlegen müssen, um im Kampf zu bestehen (vgl. Eph 6,11-17). Doch diese Rüstung ist keine bloße Verteidigungswaffe, kein Elfenbeinturm, in den wir uns zurückziehen können, sondern es ist das Rüstzeug für unseren Einsatz in der Welt! Heute sind nicht irgendwelche „heidnischen“ Gegenden weitab von unserer Heimat, denen wir den Glauben bezeugen müssen, nein, der Glaube schwindet vor unseren Haustüren in beängstigender Weise. Deshalb hat schon der Heilige Papst Johannes Paul II. festgestellt: „Es ist mit Sicherheit notwendig, überall die christliche Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern. Voraussetzung dafür ist


aber die Erneuerung der christlichen Substanz der Gemeinden, die in diesen Ländern und Nationen leben.“ Aus dem Wesen der Kirche ergibt sich, dass eine schlagfertige Erneuerung nicht von irgendwelchen Einzelkämpfern ausgehen kann, sondern von den christlichen Gemeinschaften als solchen. So heißt es auch im nachsynodalen Schreiben Verbum Domini: „Da das ganze Gottesvolk ein ‚gesandtes‘ Volk ist, hat die Synode bekräftigt, dass ‚die Sendung, das Wort Gottes zu verkünden, Aufgabe aller Jünger Christi ist, infolge ihrer Taufe‘. Kein Christgläubiger darf sich von dieser Verantwortung entbunden fühlen, die der sakramentalen Zughörigkeit zum Leib Christi entspringt. Dieses Bewusstsein muss in je-

der Pfarrei, Gemeinschaft, Vereinigung und kirchlichen Bewegung neu erweckt werden.“ Der Aufruf zur Neuevangelisierung, zu einer Verkündigung des Evangeliums in jenen Ländern, denen das Wort Gottes schon längst gepredigt wurde, betrifft jeden und jede: Unser Glaube ist kein historisches Denkmal, kein Weltkulturerbe, sondern ein Auftrag an uns. Sowohl jeder Einzelne von uns, als auch die christliche Gemeinschaft als Ganze, ist zur Verkündigung des Glaubens aufgerufen. Wenn es uns gelingt, auf die Worte Jesu zu hören und danach zu leben und zu handeln, dann haben wir unser stattliches Haus des Glaubens wirklich auf Fels gebaut, wie es im eingangs zitierten Evangelium heißt (vgl. Mt 7,24-25).

n


schluss.punkt

© Jorit Thoren Gøbel für Gerne katholisch e.V.

Dieses Magazin Wir erhalten viele positive Rückmeldungen, dass das „Gerne-katholisch-Magazin“ in Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen gut angenommen wird. Unser Anliegen ist es, das Positive des Glaubens in den Vordergrund zu stel-

len und zur Sprache zu bringen. Deshalb können Pfarreien unser Magazin auch in höheren Auflagen jederzeit kostenlos nachbestellen: magazin@gerne-katholisch.de


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.