ÖCHSLE

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ochsle Das Lesebuch des Deutschen Weininstituts

Reisen & GenieSSen Alle deutschen Anbaugebiete im Überblick

Wein aktiv erleben

tipps für Freizeitsportler

Wissen über Wein Alles wissenswerte Vom Anbau bis Zimmertemperatur


In der Tat empfinde ich tiefe Demut in Anbetracht der Größe des Rieslings und der Arbeit etlicher Generationen von Winzern, die diese uns offenbart haben. David Schildknecht, The Wine Advocate, USA

Deutscher Wein ist heutzutage populär in meinem Land, wie überall in der Welt. Besonders der Riesling, der selbst in Italien als der feinste und dauerhafteste Weißwein der Welt betrachtet wird. Gian Luca Mazella, Weinjournalist, Rom

Wein ist die Nachtigall unter den Getränken. Voltaire

Wein ist Poesie in Flaschen. Robert Louis Stevenson


Deutsche Weine sind die Antithese dessen, was in Amerika produziert wird... Dankt Gott für deutsche Weine! Paul Grieco, Restaurant Hearth, New York

Mit ihrer erfrischenden Säure und ihrem intensiven, geradlinigen Stil passen deutsche Weine – insbesondere der einzigartige Riesling und der delikate Spätburgunder – ganz wunderbar und köstlich zu den unterschiedlichsten Speisen. Jeannie Cho Lee, MW, Hongkong

Die deutschen Weine und ihre Winzer haben die Chance, mit der verblüffenden Vielfalt an Stilen zu glänzen, zu denen nur sie allein fähig sind. Jancis Robinson, Das Oxford Weinlexikon

Kurt Tucholsky

nicht streicheln kann.

Schade, dass man Wein

In Deutschland ist ein Wunder geschehen. Vor einer Generation gab es zwar gute deutsche Weine, aber man musste unglaublich danach suchen, um ein paar aufzutreiben. Heute gibt es sie in Hülle und Fülle in jeder Preislage. Stuart Pigott, englischer Autor und Weinkritiker


Impressum Herausgeber Deutsches Weininstitut GmbH Gutenbergplatz 3-5 55116 Mainz www.deutscheweine.de TEXTREDAKTION www.genuesslich.com GESTALTUNG www.conceptfrankfurt.de DRUCK www.kunze-und-partner.de Erstauflage August 2011 Zum Titel: Was sich hinter dem Begriff “Oechsle” verbirgt finden Sie auf Seite 58.


I N H A LT

Inhalt Willkommen im Weinland Deutschland

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Deutschlands Weingeschichte im Zeitraffer

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Alle Rebsorten im Überblick

Die Biographie des Weins

Reb sor ten

50 Das Etikett

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Deutsche Weinanbaugebiete

macht 52 Wein Arbeit

56 60 Deutschland prickelt

Wein aktiv erleben

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Genuss mit Vergnügen

Weine und 70 Deutsche internationale Küche

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W I L L K O MME N I M W E I N L A N D D EU T S C H L A N D

Willkommen im Zeitgeist damals und heute: Weingut Lubentiushof in Niederfell, Mosel


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Weinland Deutschland

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W I L L K O MME N I M W E I N L A N D D EU T S C H L A N D

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1_ Weingut Schloss Wackerbarth, Radebeul, Sachsen 2_ Winzerkeller Sommerach, Sommerach, Franken 3_ Vinothek Divino, Nordheim, Franken 4_ Weingut am Stein, Würzburg, Franken 5_ Weingut Horcher, Kallstadt, Pfalz 6_ Weingut Carl Koch Erben, Oppenheim, Rheinhessen 7_ Weingut Julius, Gundheim, Rheinhessen 8_ Weingut Meintzinger, Frickenhausen, Franken 9_ Weingut Rebhof, Nonnenhorn, Württemberg 8_

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Foto 2, 3, 4, 8 und 9: Dieter Leistner, © LWG, Veitshöchheim Foto 6: Dieter Leistner Foto 7: © Raum + Architektur Christiane Jeromin

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Vor 200 Jahren hatten es die Winzer in Deutschland nicht leicht. Während einer Fahrt auf dem Rhein schrieb der Weltreisende Georg Forster − er hatte mit Captain James Cook die Welt umsegelt − über den deutschen Weinbauern: „Sechs Jahre behilft er sich kümmerlich oder antizipiert den Kaufpreis der endlich zu hoffenden glücklichen Weinlese, die gewöhnlich doch alle sieben oder acht Jahre einmal zu geraten pflegt; und ist nun der Wein endlich trinkbar und in Menge vorhanden, so schwelgt er eine Zeitlang von dem Gewinn [...] und ist im folgenden Jahr ein Bettler wie vorher.“ Ansichten vom Niederrhein, 1790, Kap. I

Das ist zum Glück lange her. Heute sieht die Wirklichkeit anders aus.

Moderne Dynamik

Seit rund 30 Jahren wird die deutsche Weinszene von einer zunehmenden Dynamik geprägt. Waren bis zu den 80er Jahren der Fußball und die Autos „made in Germany“ zwei wesentliche Dinge, von deren Qualität auch die kritischsten Deutschen selbst überzeugt waren, so hat sich der deutsche Wein auch im eigenen Land seitdem ein ebenbürtiges Ansehen erobert. Man muss nämlich wissen, dass in Deutschland lange Zeit unter Liebhabern allein Weine aus anderen Herkünften wie Frankreich und Italien als „schick“ galten. Dass Rheingauer Rieslinge einmal teurer als mancher Bordeaux verkauft wurden, war zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten. Heute sind Weine aus den deutschen Weinregionen wieder selbstverständlich auf den Weinkarten der Spitzengastronomie vertreten. Erfolge bei nationalen und internationalen Weinwettbewerben sorgen für große Aufmerksamkeit, in jeder Buchhandlung wer-

den Bücher und Führer auch über deutsche Weine angeboten. In Fernseh-Kochshows empfehlen kundige Sommeliers deutsche Weine. Und Urlaub beim Winzer liegt im Trend, in einer Zeit, da die Deutschen sowieso gerne im eigenen Land Ferien machen. Die Anbaugebiete haben das touristische Potenzial ihrer Landschaften und Produkte erkannt. Neue Genusskultur, neue Weine

Was ist passiert? In Deutschland setzte in den 80er Jahren ein wachsendes Interesse an feiner Küche – besonders nach französischem und italienischem Vorbild – ein. Gourmetzeitschriften verkündeten die Lehre vom trockenen Wein zum Essen. In den italienischen und französischen Spitzenrestaurants in Deutschland gab es ein großes Weinangebot aus diesen Ländern. Deutsche Weine waren damals häufig lieblich ausgebaut: „Zu süß“, wie die meisten Feinschmecker meinten. Kein Wunder, hatten sich die heimischen Weine bislang kaum einen Platz an der gehobenen Tafel erobern können. Hinzu

kam: In den klassischen Weinstuben waren Speisen meist nebensächlich. Nach deutscher Gepflogenheit machte man in Gesellschaft mit guten Freunden gerne eine Flasche Wein auf − ohne dazu zwangsläufig ein Menü zu servieren. Zu den deutschen Rebsorten existierten meist keine klassischen Speisekombinationen. Seitdem hat sich vieles geändert. Die Deutschen lernten auch auf ihren Urlaubsreisen, wie eng Wein zur mediterranen Lebens- und Esskultur gehört. So wie in Frankreich oder Italien wollten sie auch zu Hause Wein beim Essen genießen. Die Winzer bauten ihre Weine zunehmend trocken aus, und nicht wenige Pioniere wurden dafür anfangs von ihren Kollegen belächelt! Mit einer jungen Generation von Köchen bildete sich eine verfeinerte regionale Küche heraus. Seit den 90er Jahren boomen Kochshows im Fernsehen. Cocooning − das Leben im gemütlich gestalteten Heim, zu dem eine hochwertig gestaltete Küche für das gemeinsame Kochen mit Freunden gehört − ist seit Jahren im Trend. Deutscher Wein ist Teil dieses neuen Lebensgefühls. Aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst

Durch den vielfachen Generationenwechsel haben sich die Weine, aber auch ihr Auftritt verändert. Die jungen, exzellent ausgebildeten Winzerinnen und Winzer aus Deutschland haben sich in der Welt umgesehen und in Frankreich, Kalifornien, Australien und anderswo Erfahrungen gesammelt. Viele kamen nach Hause und räumten erst einmal den Keller auf: Moderne Edelstahltanks und Barriques wurden angeschafft, durch grüne Lese − das Abschneiden unreifer Trauben, um die Kraft des Rebstocks auf wenige verbliebene Trauben zu konzentrieren − die Erträge gesenkt. Nicht selten beobachteten dabei die Väter und Großväter mit Entsetzen, wie die Junioren im Weinberg gesunde Trauben einfach abschnitten! Doch die Weine zeigten sich in neuer, besserer Qualität.

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Viele Jungwinzerinnen und -winzer stellten ihr Sortiment komplett um, pflanzten neue Sorten, entwarfen moderne Etiketten und präsentieren ihre Weine in schicken, neuen Vinotheken.

Einigkeit macht stark

Auch die deutschen Winzergenossenschaften haben sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Es wurden große Investitionen in das Qualitätsmanagement getätigt, die sich heute auszahlen und auch schmeckbar sind. Davon kann man sich insbesondere dort überzeugen, wo die Genossenschaften die größte wirtschaftliche Bedeutung haben und rund 80 Prozent der Weine vermarkten: in Baden und Württemberg. Bundesweit gesehen wird übrigens rund ein Drittel der deutschen Rebfläche von Genossenschaftsmitgliedern bewirtschaftet. Neue Winzer hat das Land

Diese neue Handschrift kann man heute an vielen Weinen ablesen. So ist beispielsweise zum klassischen Weißherbst der Blanc de Noirs getreten, der aus weiß gekelterten Rotweintrauben gewonnen wird und sofort am Markt erfolgreich war. Barrique-Weine, die einst von den Prüfkommissionen bei der Qualitätsweinprüfung wegen mangelnder Typizität abgelehnt worden waren, stehen längst auf den Weinlisten fast aller Erzeuger. Die Dynamik lässt sich auch am wachsenden Segment der Weine aus Bioanbau ablesen. Wurden noch vor 20 oder 30 Jahren die Pioniere des Ökoweinbaus von vielen Weinliebhabern belächelt, tragen heute zahlreiche Weine aus Spitzenbetrieben das Ökosiegel.

Sie n e st us

schon?

In Monarchien ist die Königswürde erblich. Anders bei der Deutschen Weinkönigin, die jedes Jahr von einer großen Fachjury gewählt wird. Kandidieren dürfen jeweils die Weinköniginnen der 13 Anbaugebiete. Gewählt wird, wer mit Kompetenz, Geschick und Humor den deutschen Wein präsentieren und erklären kann, und das nicht nur in deutscher Sprache. Denn die Deutsche Weinkönigin repräsentiert während ihrer Amtszeit den heimischen Wein auch bei zahlreichen Terminen und Veranstaltungen von Kanada bis Japan. Seit 1949 organisiert das Deutsche Weininstitut die Wahl der Weinkönigin. Eine Krone trägt die Deutsche Weinkönigin auf offiziellen Anlässen immer noch, aber der einstige volkstümliche Dirndl-Look gehört der Vergangenheit an. Deutsche Weinköniginnen sind zeitgemäße, exzellent ausgebildete, junge Fachfrauen mit dem Talent, andere für den deutschen Wein zu begeistern.

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Wie w ird man Winzer? Der schönste Beruf der Welt? Winzer natürlich! Das beweisen zahlreiche Prominente, die sich irgendwann ihren Lebenstraum erfüllen und ein Weingut kaufen. Das reicht aber nicht, um gute Weine herstellen zu können, denn das ungemein vielseitige Winzerhandwerk muss man erst lernen. Übrigens wächst die Anzahl der Winzerinnen seit Jahren. Der Beruf ist schon lange keine Männerdomäne mehr! Deutsche Weinbauschulen, die Forschungs- und Lehranstalten, haben international einen sehr guten Ruf. In vielen Weingütern der Welt sind etwa „Geisenheimer“ tätig, also Absolventen der Hochschule Rhein-Main-Geisenheim im Rheingau. Eine andere bekannte Ausbildungsstätte ist die Hochschule Heilbronn. Die Fachhochschulen von Bingen, Kaiserslautern und Ludwigshafen bieten zusammen mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Neustadt an der Weinstraße einen Studiengang „Weinbau und Oenologie“ an.

Gute Weine entstehen im Kopf Ein Winzer in Deutschland ist heute ein Multitalent: Landwirt und Traubenanbauer, Geologe, Biologe, Mechaniker, Meteorologe, Oenologe, Kellermeister, Marketingexperte, Qualitätsmanager, Jurist, Entertainer und, neuerdings, Fachmann für nachhaltiges Wirtschaften − alles in einer Person! Solch ein Winzer weiß genau, welchen Wein er machen will; viel bleibt der Natur, aber nichts dem Zufall überlassen. Seine Kenntnisse hat er oft durch Praktika in anderen Ländern erweitert. Schon während der Ausbildung pflegen die angehenden jungen Winzerinnen und Winzer den Austausch, vergleichen die Weine ihrer Heimat mit anderen, verkosten und tüfteln gemeinsam. Dieser Blick über den Tellerrand erweitert den Horizont und stellt die Weine in den Wettbewerb mit anderen Herkünften.

Gute Verbindungen Auch nach der Ausbildung bleibt man in Verbindung. Davon zeugen die zahlreichen Gruppierungen, in denen meist junge Winzer ihre Weine gemeinsam entwickeln und vermarkten. Eine der ersten waren die „Leiwener Jungwinzer“, von denen einige längst die „Altersgrenze“ von 30 Jahren überschritten haben. Auch die „Fünf Freunde in der Südpfalz“ fanden viel Aufmerksamkeit in den Medien; ihre Weine


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wurden und werden von Kennern geschätzt. Andere Gruppierungen heißen „Message in a Bottle“, „Junges Schwaben“, „Next Generation“ oder „Südpfalz Connexion“. Viele Gruppierungen kreieren gemeinsam einen Wein oder Weintyp wie den „Rheingauer Leichtsinn“, einen sommerfrischen Perlwein, oder sie setzen sich für eine bestimmte Rebsorte ein wie die Gruppierung „Frank & Frei“, die in Franken dem Müller-Thurgau zu einem neuen Image

verholfen hat. Unter dem Motto „Generation Riesling“ sorgen Jungwinzerinnen und -winzer aus allen Anbaugebieten für Furore. Sie präsentieren den neuen Jahrgang gemeinsam, treten auf Messen auf und geben den Weinen aus den deutschen Anbaugebieten − nicht nur dem Riesling − ein modernes, junges Gesicht. www.generation-riesling.de

Höhepunkt des Weinjahres: die Lese

Reifemessung der Trauben mit dem Refraktometer

Während der Gärung wird die Maische regelmäßig umgerührt

Verkostung des neuen Weinjahrgangs

Facebook, Twit ter & Co. Längst sind die deutschen Winzer auch in sozialen Netzwerken, wie Facebook, Twitter & Co. zu finden. Es gibt zudem eine ganze Reihe von Weinblogs, wo sich Gleichgesinnte über deutsche Weine austauschen. Sie nehmen weltweit einen immer größeren Stellenwert in der Kommunikation für die Empfehlungen von deutschen Weinen ein.

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D e u t s chl a nd s W e in g e s chicht e

Deutschlands Weingeschichte i m

Ze i t r a f f e r

Vor den Römern

Mit der Eroberung Germaniens kam die Rebe an die Mosel und später an den Rhein. Die Mosel ist Deutschlands ältestes Anbaugebiet, Trier war als Augusta Treverorum Hauptstadt des weströmischen Reiches. Zahlreiche Ausgrabungen von Kelteranlagen (z.B. Piesport, Brauneberg, Erden) belegen die rege Weinkultur im Moseltal.

n Sie ste s u

schon?

Der älteste Weinkeller Deutschlands der Vereinigten Hospizien Trier wurde im Jahr 330 erbaut.

ca. 371 n. Chr.

Die Römer

ab 50 v. Chr.

Die alten Germanen tranken Met, Kreuzworträtselfans als „Honigwein mit drei Buchstaben“ bekannt. Wein aus Trauben: Fehlanzeige. Aber immerhin eine alkoholische Gärung! Die berauschende Wirkung war unseren Vorfahren jedenfalls bekannt, wenn auch nicht deren genaue Ursache.

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vor 50 v. Chr.

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„Sei gegrüSSt, Mosella“

Der römische Konsul und Dichter Decimius Magnus Ausonius beschreibt die Mosel und ihre steilen Weinberge in 483 Hexametern: „Mosella“. Die Römer transportieren Wein auf Schiffen. Das „Neumagener Weinschiff“, das Grabmal eines Weinhändlers aus dem 3. Jahrhundert, ist im Rheinischen Landesmuseum in Trier zu sehen − und Touristen können in Neumagen-Dhron auf einem 18 Meter langen Nachbau fahren!


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D e u t s chl a nd s W e in g e s chicht e

e schon? n Si e t s us

Der älteste noch flüssige Wein der Welt ist im Historischen Museum der Pfalz in Speyer zu sehen. Die Glasflasche mit ihrem gelblichen Inhalt wurde 1867 in einem Grab aus dem frühen 4. Jahrhundert gefunden.

Mönche, Nonnen, Kirchenfürsten

liegenden Rheinseite für den Weinbau erkannt haben, weil an den Hängen des Rheingaus der Schnee früher als anderswo taute. Vielfach gilt er als Begründer der Straußwirtschaften. Allein das Reichs- und Königskloster Lorsch an der Hessischen Bergstraße soll um das Jahr 850 rund 900 Weinberge besessen haben.

17.-18. Jhd.

Der Herrscher des Frankenreiches brachte den Weinbau in Schwung, der besonders durch Klöster betrieben wurde. Er soll von seinem Winterquartier, der Pfalz in Ingelheim, die Eignung der gegenüber

ab 1100

um 800

Karl der GroSSe

Klostergründungen wie die des Klosters Eberbach im Rheingau durch die Zisterzienser (1136), der Benediktinerinnenabtei St. Hildegard bei Rüdesheim durch die heilige Hildegard von Bingen oder das Augustinerinnenkloster Marienthal an der Ahr (1137) waren und sind für den Weinbau von großer Bedeutung. Die Mönche legten zahlreiche Weinberge an. Viele Lagenbezeichnungen erinnern noch heute daran, dass die Kirche Besitzer dieser Weinberge war: Prälat, Kirchenstück, Domdechaney, Abtsberg, Domprobst ...

Ein Zeichen der GröSSe

Nie war die Rebfläche in Deutschland größer als vor dem Dreißigjährigen Krieg (16181648). Doch danach waren viele Weinberge verwüstet und lagen brach. Trotzdem müssen die Herrscher einen Hang zum Gigantismus gehabt haben. Wie sonst erklärt sich das Heidelberger Riesenfass? Das Exemplar von 1751 fasst rund 220.000 Liter Wein, war allerdings nur dreimal gefüllt. Touristen bestaunen es noch heute.

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D e u t s chl a nd s W e in g e s chicht e

Der Spätlesereiter

Die Entdeckung der Spätlese war ein Zufall: Weil der Reiter mit der Leseerlaubnis des Fürstbischofs von Fulda mit 14 Tagen Verspätung zu den Mönchen auf dem Johannisberg im Rheingau zurückkehrte, konnte die Lese erst beginnen, nachdem die Beeren schon von (Edel-)Fäulnis befallen waren. „Solchen Wein habe ich noch nicht in den Mund gebracht“, staunte der Kellermeister. Warum der Bote sich verspätete, ist bis heute ungeklärt. Aber klar ist, dass die Spätlese bis heute einer der wichtigsten Weintypen des deutschen Weins ist. Übrigens geht auch die Bezeichnung Kabinett auf Mönche zurück. Die lagerten ihre besten Weine in einem Teil des Kellers, den sie Cabinet nannten.

Geburtsstunde des Eisweins

Der Geburtsort des deutschen Eisweins ist Dromersheim, ein Stadtteil von Bingen am Rhein. Vermutlich wurde dort der erste Eiswein Deutschlands am 11. Februar 1830 aus Trauben des Jahrgangs 1829 gelesen. Die Winzer ernteten die Trauben aufgrund ihrer schlechten Qualität nicht und pflückten sie dann doch noch im Winter, um sie als Viehfutter zu verwenden. Dabei stellten die Weinbauern fest, dass die gefrorenen Trauben einen sehr süßen, schmackhaften Saft mit hohem Mostgewicht hergaben. Sie pressten die Trauben aus und der Eiswein war geboren.

Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Sachsen

Der Kurfürst und Erzbischof von Trier hat als Weinkenner das Anbaugebiet Mosel entscheidend geprägt. Er verfügte nämlich, dass zur Qualitätsverbesserung innerhalb von sieben Jahren „schlechte“ durch Rieslingreben zu ersetzen seien. So entstand eines der größten Riesling-Anbaugebiete der Welt.

1868

1787

1830

1775

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Einigkeit macht Stark

Als „Winzer Verein zu Mayschoß“ bildeten 18 AhrWinzer die erste deutsche Winzergenossenschaft. Genossenschaften gibt es heute in allen Anbaugebieten. Sie bewirtschaften rund ein Drittel der deutschen Rebfläche. Große Bedeutung haben sie in Württemberg und Baden, wo es viele Nebenerwerbswinzer gibt.


D e u t s chl a nd s W e in g e s chicht e

Die Reblaus schlägt zu

Der aus Nordamerika eingewanderte Schädling sorgte in ganz Europa für eine Krise im Weinbau. In Frankreich waren schon seit 1865 große Teile der Rebflächen zerstört worden, dann tauchte die Reblaus bei Bonn, in Sachsen, Baden und an der Mosel auf. Vergebens versuchten die verzweifelten Winzer, den Rebenkiller mit Petroleum und anderen Mitteln zu bekämpfen. Erst 1872 stellte man fest, dass amerikanische Rebstöcke resistent waren. Seitdem werden in Europa die Reben auf amerikanische Unterlagen aufgepfropft. Nur noch wenige Weinberge in Deutschland haben „wurzelechte“ Rebstöcke. Vollständig besiegt ist die Reblaus indes nicht.

I n st i t u t f ü r d e n Wein

1903

ab 1872

Elisabeth Gies, geborene Kuhn, aus Diedesfeld in der Pfalz wird 1949 zur ersten Deutschen Weinkönigin gekrönt. Diese Amtswürde ist damit genauso alt wie die Bundesrepublik. Heute ist die Deutsche Weinkönigin während ihrer einjährigen Amtszeit eine kompetente und gefragte Botschafterin des Deutschen Weins im In- und Ausland. Sie ist viel unterwegs: Mehrere Hundert Termine stehen Jahr für Jahr auf ihrem Terminplan

Kontrolle ist besser

Schon im Mittelalter wurden Weinpanscher mit teils drakonischen Maßnahmen bestraft: 1471 war ein Winzer wegen Beimischung von Wasser eingemauert worden. Die erste königliche Verordnung gegen das Weinfälschen stammt von 1498. 1903 schuf der damalige Regierungsbezirk Pfalz die erste „Planstelle“ eines Sachverständigen als Weinkontrolleur. Weinkontrolleure gibt es heute überall. Sie überwachen die Produktionsbedingungen, die Einhaltung der Vorschriften und die sensorische Qualität von Fass- und Flaschenweinen durch Stichproben in den Betrieben sowie die korrekte Kennzeichnung auf den Etiketten.

1949

Königin für Deutschland

Ebenfalls 1949 erfolgt die Gründung des Deutschen Weininstituts, damals noch unter dem Namen „Deutsche Weinwerbung GmbH“. Das DWI mit Sitz in Mainz, das auch die Website www.deutscheweine.de betreibt, hält für den Verbraucher viele nützliche Informationen von Rebsorten über Anbaugebiete bis zu aktuellen Veranstaltungen und Publikationen bereit. Auch das Auslandsmarketing gehört zum Arbeitsbereich des DWI, das weltweit viele Informationsbüros unterhält.

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De s chl a nd s W e in g e s chicht e au s tEtik e tt

Wein schlägt Bier

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wächst die Anzahl der Anbaugebiete auf dreizehn. Hinzu kommen Sachsen und Saale-Unstrut.

1995

1990 N u n s c h l ä gt ’ s dr e i z e h n

Riesling Renaissance

Höhepunkte der Weinkultur

Dass der Riesling heute wieder als König der deutschen Weine gilt (Deutschland verfügt mit einem Anteil von über 60 Prozent über die größte Riesling-Anbaufläche der Welt), ist noch gar nicht so lange her. Die weltweit wachsende Nachfrage nach deutschem Riesling geht einher mit einem Wandel im Qualitätsdenken und der Konsumgewohnheiten. Immer mehr Winzer setzen auf Riesling.

Seit 2010 zeichnet das Deutsche Weininstitut „Höhepunkte der Weinkultur” aus: Orte, die Geschichte und Tradition des Weinbaus eindrucksvoll dokumentieren. Dazu gehören alte Weinbergslagen und Weinbaumuseen ebenso wie zum Beispiel historische Kelteranlagen oder traditionsreiche Weinbaugemeinden.

janssen-illustration.de

2001

Das Weingesetz von 1971 schafft die Grundlage des deutschen Weinbaus, wie er sich noch heute präsentiert: Die Anbaugebiete, Lagenund Großlagenbezeichnungen sind überwiegend heute noch gültig. Seitdem existieren auch klar definierte Güteklassen wie Qualitätswein und Prädikatswein. Grundlage des Gesetzes war die Schaffung der gemeinsamen Marktorganisation für Wein in der EU.

Der Anteil der Rotweinsorten steigt seit 1981 stetig, bis 2006 auf 36,9 Prozent. Grund: Bei Neupflanzungen entscheiden sich viele Winzer für Spätburgunder, Dornfelder & Co., weil die Deutschen immer lieber Rotwein trinken. Allerdings hat sich der Flächenanteil der roten Sorten seitdem wieder etwas verringert.

2010

Ein Gesetz nimmt Einfluss

R o tw e i n b o o m

2006

Die Deutschen geben erstmals mehr Geld für Wein aus als für Bier. Zwar nur knapp: Der Vorsprung liegt mit einem Anteil am Haushaltsbudget für alkoholische Getränke von 32,3 Prozent vor dem Anteil des Bieres (32,2 Prozent). Aber in einem Land, dessen Bierkonsum viel höher ist als der Weinverbrauch, dennoch ein historischer Moment. Mittlerweile ist der Vorsprung deutlich gewachsen.

1971

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ROTE Rebsorte

Weiße Rebsorte

Scheurebe

Gutedel

Dornfelder

Lemberger

Müller-Thurgau

Regent

SPÄTburgunder

Grauburgunder

Kerner

Silvaner

RIESLING

BACCHUS

Trollinger

Schwarzriesling

Weißburgunder

Gewürztraminer

Rebsorten

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Rebsorten

RIESLING der unangefochtene König

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Schon das Schnuppern an einem Riesling ist ein großes Vergnügen. Apfel-, Zitrus-, Pfirsich- oder Aprikosennoten steigen in die Nase. Diese klaren fruchtigen Aromen in Verbindung mit einem einzigartigen Fruchtsäurespiel machen den Riesling zu einer der ganz großen Rebsorten dieser Welt, die seit einigen Jahren international eine wahre Renaissance erlebt. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählten deutsche Rieslinge zu den teuersten Weinen der Welt!

Man darf getrost von Deutschland als der Heimat des Rieslings sprechen. Immerhin stehen mit über 22.000 Hektar rund 60 Prozent aller Rieslingreben der Welt in deutschen Weinbergen. Die Pfalz und die Mosel sind die beiden größten Riesling-Anbaugebiete der Welt. Eines der ersten verbürgten Dokumente, in denen hierzulande der Rieslinganbau erwähnt wird, ist eine Kellereirechnung aus Rüsselsheim vom 13. März 1435 an die Grafen von Katzenelnbogen über „seczreben rießlingen in die wingarten“. Durch den klösterlichen Weinbau hat die Sorte seit dem Mittelalter weitere weinkulturelle Akzente gesetzt. Nach dem Johannisberg im Rheingau, dem ältesten noch exis-

tierenden Rieslingweinberg der Welt, ist der in den USA gebräuchliche Name „Johannisberg Riesling“ benannt. Er verbreitete sich schnell in die deutschen Anbaugebiete – besonders in die Flusstäler, die dem Riesling wegen ihrer Wärme speichernden Fähigkeiten besonders gelegen kamen. Auch in andere Länder der Welt konnte er dank deutscher Auswanderer vordringen, so etwa Australien, die USA und Neuseeland. Der Charakter eines Rieslings hängt wie bei kaum einer anderen Rebsorte von dem Boden ab, auf dem er wächst. Schwere Lehmböden fördern eine zitrusfruchtige Ausprägung, Buntsandstein bringt Aprikosenaroma in die Weine, und Schieferböden sorgen für eine prägnante mineralische Note, die mitunter an Feuerstein erinnert. Rieslinge können wunderbar altern. Gereift zeigen sie oft einen edlen Petrolton, der dem Kenner höchsten Genuss verspricht. Eine große Rebe wie der Riesling spielt seine Stärken in allen möglichen Spielarten aus: Als Winzersekt, als leichter Kabinettwein, als edle Spätlese oder kostbarer Eiswein – egal, ob trocken, halbtrocken oder edelsüß ausgebaut. Der Riesling ist in dieser Vielfalt wunderbar erfrischend und passt als Speisenbegleiter besonders gut zu Fisch- und Geflügelgerichten mit hellen Saucen oder Gemüseragouts.

In der halbtrockenen Variante ist er der ideale Begleiter für die asiatische Küche. Und dann die süßen Schätze: Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen. Unvergleichliche, außerordentlich haltbare Genüsse, die eines gemeinsam haben: Durch die Edelfäule (botrytis cinerea) erfahren die Riesling-Aromen eine weitere Vervollkommnung. Der Riesling eignet sich ganz besonders für diese üppigen Spielarten, da er langsam und spät reift und der edle Pilz sich so mit aller Sorgfalt auf die Trauben setzen kann. Wenn das Herbstwetter dann noch mitspielt und es weder zu kühl noch zu trocken ist, steht dem edelsüßen Vergnügen nichts mehr im Wege. Das aus diesen mit der Hand einzeln ausgelesenen Beeren gewonnene Elixier liefert konzentrierte Aromen mit strahlender RieslingSäure. Trockenfrüchte, Honig, reife Ananas und gelbe Pfirsiche können da in die Nase steigen. Das sind wunderbare Aperitifs oder herrliche Partner zu fruchtigen Desserts oder kräftigem Käse. Riesling-Hochgenuss verspricht auch der Eiswein. Eisweine sind konzentrierte, hochfeine Tropfen mit brillantem Säurespiel, strahlenden Fruchtaromen und einer Traubensüße, die Mostgewichte von bis zu 250° Oechsle erreichen kann. Kein Wunder, dass Riesling-Eisweine zu den Wein-Pretiosen zu rechnen sind.


Rebsorten

der trendige Rote

Spätburgunder Spätburgunder ist zweifellos die beste Rotweinsorte in Deutschland. Er fühlt sich nur in allerbesten Lagen wohl. Hier entwickelt er die charakteristische komplexe Kirschfrucht, zarte Noten nach Rauch und Mandel und weitere feine, an rote Beeren erinnernde Fruchtnuancen.

Deutschland ist mit einer Rebfläche von mittlerweile mehr als 11.000 Hektar die weltweit drittgrößte Anbaunation für Spätburgunder nach Frankreich und den USA. Während Deutschlands wichtigste weiße Rebsorte, der Riesling, weltweit Erfolge feiert, ist die bedeutendste rote Rebsorte, die auch als Pinot Noir oder Pinot Nero bekannt ist, im Ausland noch immer ein Geheimtipp. Da die Nachfrage nach deutschem Spätburgunder im Inland ungebrochen hoch ist, wird er bisher noch kaum exportiert. Selbst Kenner im Ausland sind deshalb überrascht, dass es in Deutschland mehr Pinot Noir gibt als zum Beispiel in Australien, Neuseeland und Österreich zusammen. Der Spätburgunder gehört zu den Rebsorten, die schon sehr lange kultiviert werden. Man sagt, dass es König Karl III. (mit dem schönen Beinamen „der Dicke“) aus dem Geschlecht

der Karolinger war, der den Spätburgunder im Jahre 884 aus Burgund an den Bodensee brachte. Von hier aus verbreitete sich die Rebsorte in den folgenden Jahrhunderten weiter nach Norden. Spätburgunder stellt hohe Ansprüche an Klima und Boden. Einem der hervorragendsten Rotwein-Vertreter überhaupt sind die besten Lagen gerade gut genug. Als so genannte „Cool Climate“-Rebsorte ist der Spätburgunder – wie auch der Riesling – für den Anbau in Deutschland geradezu prädestiniert. Die im Vergleich zu südlichen Weinbaunationen deutlich längere Vegetationsperiode sorgt in unseren Breitengraden dafür, dass diese Sorten ihr individuelles Terroir, also Boden und Klima in dem sie gewachsen sind, sehr deutlich zum Ausdruck bringen. Dies macht sie so spannend für Weinliebhaber: Spätburgunder aus deutschen Anbaugebieten sind nicht austauschbar und der Weinfreund kann erschmecken, woher der Wein kommt. Von dem vollmundigen, meist trocken ausgebauten, edlen Roten gibt es zwei Hauptvarianten: den aus hochreifen Trauben gewonnenen Typ, weich, gerbstoffmild, rubinrot und filigran, und den moderneren Typ mit mehr Tanninen, weniger Fruchtsäure und mit kräftigerer Farbe. Eine wohldosierte Fasslagerung

bekommt beiden Typen ausgezeichnet. Rasch von seinen Schalen getrennt ergibt Spätburgundermost einen „Blanc de Noirs“, der je nach Herstellung blassrosa bis weiß ausfallen kann und mit seiner pikanten, aber dennoch leichten Art wunderbar zu Speisen aller Art passt und ein herrlicher Aperitif ist. Versektet wird aus Spätburgunder entweder ein ausgezeichneter roter Schaumwein oder ein perlender Blanc de Noirs. Baden baut mit rund 5.800 Hektar den meisten deutschen Spätburgunder an. In fast jedem Anbaugebiet spielt die edle Sorte jedoch eine Rolle. Die Hauptrolle sicher an der Ahr, deren Spätburgunder auch international Furore machen.

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Rebsorten

Die wichtigsten Rebsorten WEISSburgunder Stammt vom Spätburgunder ab und gedeiht überall dort ausgezeichnet, wo es dem Riesling zu heiß ist. Leichtfüßig, frisch und mit seiner gut eingebundenen Säure ideal zum Essen. Duftet und schmeckt nach Zitrusfrüchten, Birnen, Melonen, grünen Nüssen. Eignet sich ebenso gut zur Versektung wie zum Ausbau im Barrique und erreicht in Spitzenlagen eindrucksvolle Qualitäten.

R i e s l ing 2 2 , 1 % M ü l ler T h u rg au 1 3 , 3 %

Bu r S pätg u n de r 1 1 , 1 % Dor

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Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 31. 07. 2010 • © Deutsches Weininstitut GmbH

Gra % u BU RGUND E R 4 , 6 WEI S S BU RG UND E R 4 , 0 % P o rt u giese r 4 , 0 % % Kerne r 3 , 4

% T ro llin g e r 2 , 4 Schw a r zr iesling 2 ,2 % REGENT 2 ,0 % BAC CH US 1,9 % 1,7% LEMberg e r Sc heureb e 1 , 6 % GUTEDEL 1, 1% e r 0 , 8 % Gewürzt ra m in

Elbling 0,5%

Anteile der bestockten Rebflächen bei 102.197 Hektar Gesamtfläche in 2010.

GRAUburgunder Stammt vom Spätburgunder ab. Er heißt in der lieblichen Variante Ruländer, wird heute aber meist trocken ausgebaut. Ein ausgezeichneter Menüwein, dessen Aromen unter anderem an Birnen, Mandeln, Nüsse und Ananas erinnern. Eindrucksvoll die stilistische Vielfalt: Neben dem trockenen, frischen Grauburgunder, der auf der Terrasse oder beim Picknick viel Spaß macht, und dem erwähnten Ruländer-Typ gibt es auch gehaltvolle, im Barrique ausgebaute und edelsüße Vertreter. Wie der Weißburgunder sehr gut zum Versekten geeignet. Müller-Thurgau (AUCH: RIVANER) Anfang des 20. Jahrhunderts von Professor Hermann Müller aus dem schweizerischen Thurgau in Geisenheim gezüchtet, galt lange als Kreuzung aus Riesling und Silvaner (daher „Rivaner“). Dies wurde allerdings vor einiger Zeit durch genetische Untersuchungen widerlegt: Die wahren „Eltern“ sind die Sorten Riesling und Madeleine Royale. Der Typus: Unkompliziert, leicht zugänglich, milde Säure, feine Frucht mit typischer „Muskatnote“. Die in Deutschland am zweithäufigsten angebaute, früh reifende Rebsorte liefert frische, sommerliche Tropfen, die zu jeder Gelegenheit schmecken und auch als duftige Perlweine begeistern. Silvaner Entstammt einer natürlichen Kreuzung aus Traminer und Österreichisch Weiß und ist eine der ältesten Rebsorten. 1659 wurde sie hierzulande erstmals urkundlich belegt angebaut, und zwar in Castell (Franken). Franken hat heute den höchsten Silvaneranteil der Anbaugebiete, doch die größte Silvanerfläche der Welt ist in Rheinhessen zu finden. Er kann sein Terroir fast so gut ausdrücken wie der Riesling. Die Aromen erinnern oft an Blüten und Pflanzen, oder auch Melonen und Mirabellen und Äpfel. Mit seinen zarten, erdigen und fruchtigen Tönen und bekömmlicher Säure ist der Silvaner ein ausgezeichneter Menüwein, klassisch zum Spargel. Aber probieren Sie ihn auch mal zu Fisch. DornFELDER Die in den 1950er Jahren von August Herold in Weinsberg gezüchtete Sorte liefert heute einen der beliebtesten Rotweine in Deutschland. Der leicht zugängliche, von kirsch- und beerenfruchtigen Aromen wie Johannisbeeren sowie Wärme, sanften Tanninen und tiefdunkelroter Farbe gekennzeichnete Dornfelder ist auch im Anbau unkompliziert und schon jung trinkreif. Auch als Cuvéepartner und im Barrique-Ausbau hat Dornfelder seine Stärken.


Rebsorten

LEMberger Wahrscheinlich stammt die dort als Blaufränkisch bekannte Sorte aus Österreich und fand im 19. Jahrhundert hierzulande vor allem in Württemberg Verbreitung. Der aus Württemberg stammende Bundespräsident Theodor Heuss war ein großer LembergerLiebhaber. Der sanfte, dunkle, beerenfruchtige Lemberger erfreut sich zunehmender Beliebtheit, vom unkomplizierten Trinkwein für jeden Tag bis zum edlen Barriquewein für besondere Gelegenheiten. Die Aromen erinnern an reife schwarze Beeren, Pflaumen und Kirschen, je nach Typ kann er eine deutliche Tanninstruktur aufweisen. TROLLINGER Württembergs „Brot-und-Butter-Rotwein“ ist hellfarben, leicht, süffig und fruchtig. Die Herkunft der Rebsorte liegt südlich der Alpen, dort heißt sie Vernatsch. Nach Deutschland kam sie wahrscheinlich schon mit den Römern. Die duftigen Aromen erinnern an Blüten und Sauerkirschen. Schmeckt zur Jause oder Brotzeit (einem kräftigen Imbiss zwischen den Mahlzeiten mit Speck, Schinken und Käse) ebenso gut wie zu typischen Württemberger Spezialitäten. Leicht gekühlt servieren. PORTUGIESER Der unkomplizierte, frische Wein wird auch gern als Weißherbst (Rosé) ausgebaut. Die gerbstoffmilde Sorte ist die am dritthäufigsten angebaute rote Rebe in Deutschland. In Portugal ist der Portugieser übrigens völlig unbekannt! Wahrscheinlich stammt die Sorte aus Österreich oder Ungarn. Typische Aromen: rote Johannisbeere, Himbeere, Erdbeere. Bei reduzierten Erträgen sind Portugieser-Rotweine erstaunlich dicht und können mühelos im Barrique reifen. Gutedel Die Rebsorte wird seit rund 5000 Jahren angebaut und gilt damit als älteste Kulturrebe. In Deutschland ist sie fast nur im Markgräflerland im Süden Badens zu finden. Jenseits der Grenze, in der Schweiz, nennt man ihn auch Chasselas. Mit seiner milden Fruchtsäure passt der Gutedel vorzüglich zu leichten Speisen und ist ein herrlicher Sommerwein. Auch Sekt lässt sich aus ihm gut erzeugen. Elbling Seit etwa 2000 Jahren in Europa zu finden und wurde von den Römern wahrscheinlich „Vitis Alba“, weiße Traube, genannt. Wird heute in Deutschland fast nur noch an der Mosel angebaut. Leicht, säurefrisch und spritzig – ein Wein für den unkomplizierten Genuss, aus dem auch toller Sekt bereitet wird. An heißen Sommertagen gibt es kaum etwas besseres als einen trockenen Elbling! BACCHUS Die Sorte wurde in den 30er Jahren aus den Rebsorten (Silvaner x Riesling) x Müller-Thurgau gezüchtet. 2010 waren knapp 2.000 ha der Rebfläche mit Bacchus bestockt, hauptsächlich in Rheinhessen und Franken. Bacchusweine findet man häufig im Prädikatsweinbereich mit entsprechender Restsüße. Die Weine sind extraktreich, fruchtig, mit einem eigenständigen manchmal an die Scheurebe erinnernden Bukett. Weine mit sehr hohem Mostgewicht und noch ausreichender Säure können rieslingähnlich sein, sie sind blumig mit einem dezenten Muskatton. Bacchus eignet sich mit seinem feinwürzigen Aroma hervorragend zur asiatischen Küche und fruchtigen Desserts wie z. B. Obstsalat.

Schwarzriesling (Müllerrebe) Die alte Kulturrebe hat trotz ihres Namens nichts mit Riesling zu tun, sondern stammt aus der Burgunderfamilie. Der Name Müllerrebe weist auf die feinen weißen Härchen an den Blättern hin, die wie mit Mehl bestäubt aussehen. Macht als fruchtiger Tischwein viel Spaß und erinnert, kräftig ausgebaut, in Aromatik und Komplexität an den Spätburgunder. Er heißt in Frankreich Pinot Meunier und wird dort auch für die Herstellung von Champagner genutzt. In Deutschland findet man reinsortig ausgebaute Vertreter, besonders in Württemberg, wo die größte Anbaufläche liegt. Scheurebe Von Georg Scheu 1916 aus Silvaner x Riesling im rheinhessischen Alzey gezüchtet. Eine der bekanntesten Bukettsorten. Duftet charakteristisch und intensiv nach schwarzen Johannisbeeren (Cassis), auch nach exotischen Früchten. Wird oft edelsüß, vermehrt auch trocken ausgebaut. Zu asiatischen Gerichten und Käse perfekt, auch als anregender, erfrischender Aperitif- und Terrassenwein kaum zu schlagen. Gewürztraminer Traditionsreiche Bukettsorte mit charakteristischem Rosenblütenduft, ebenso sind Aromen von Akazienblüten, Bitterorangen, exotischen Früchten und Honig zu finden. Im pfälzischen Rhodt steht ein 400 Jahre alter Gewürztraminerweinberg noch im Ertrag. Wird in Deutschland wieder zunehmend an- und in allen Varianten ausgebaut. Besonders schmelzig und üppig fallen die edelsüßen Varianten aus, die zu den feinsten Dessertweinen und Käsebegleitern gehören. Kerner Säurefrisch und fruchtig ist die weiße Züchtung aus Trollinger und Riesling, die August Herold 1929 gelang. Kerner, benannt nach dem Weinsberger Dichter Justinus Kerner, ist ein saftiger Tropfen, gehaltvoll ausgebaut auch sehr gut zum Essen geeignet. Als süße Spätlese ein idealer Sommerwein für die Terrasse. Auch als Sektgrundwein und Cuvéepartner ist Kerner ideal. Die Aromen erinnern oft an grüne Äpfel, Birne und weiße Johannisbeeren. Regent Rebsortenzüchtung wird in Deutschland schon lange betrieben, einerseits um Sorten zu verbessern oder neue zu kreieren, andererseits um die Anfälligkeit für Krankheiten zu reduzieren. Natürlich sollen die daraus gewonnenen Weine auch schmecken! Beim Regent, einer Rotweinneuzüchtung aus (Silvaner x Müller-Thurgau) x Chambourcin, wird dies auf eindrucksvolle Weise erreicht. Die erst seit 1996 zugelassene Sorte erbringt dunkle, fruchtige und samtige Rotweine mit Aromen von Schwarzkirsche und Johannisbeeren mit gutem Tanningerüst. Da der Regent sehr widerstandsfähig gegenüber Pilzkrankheiten ist, findet man ihn sehr häufig im ökologischen Anbau. Seine Anbaufläche ist in nur einem Jahrzehnt von 70 auf über 2.000 Hektar gewachsen.

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Die Ah r ist mit rund 560 Hektar Rebfläche eines der kleineren Anbaugebiete Deutschlands. Seine Besonderheit: Mit 85 Prozent liegt der Anteil roter Rebsorten viel höher als in allen anderen deutschen Anbaugebieten. Vor allem Spätburgunder (Pinot Noir), Portugieser und Frühburgunder werden angebaut, bedeutendste weiße Sorte ist der Riesling.

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Ihren Namen hat die Region von dem gleichnamigen Fluss, der rund 40 Kilometer südlich der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn in den Rhein fließt. Die Hänge im malerischen Ahrtal sind oft günstig nach Süden ausgerichtet. Es regnet selten, die jährliche Durchschnittstemperatur ist recht niedrig. Dass es dem anspruchsvollen Spätburgunder dennoch an der Ahr so gut gefällt, hängt wesentlich vom Boden ab. Das Ahrtal ist Teil des Rheinischen Schiefergebirges. Und Schieferböden sind eine hervorragende Grundlage für Reben: Tagsüber speichern sie Wärme und geben diese nachts wieder ab − eine natürliche Fußbodenheizung! Auch der Fluss wirkt ausgleichend auf das Klima. Die Ahr hat sich in zwei Millionen Jahren durch das Schiefergebirge gegraben. Eng und steil sind

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Rebfläche: ca. 560 ha, Rotweinanteil 85 % Wichtigste Rebsorten: Spätburgunder, Portugieser, Riesling Weitere Informationen: www.ahrwein.de

Mayschoß: Wiege der Winzergenossenschaften Kloster Marienthal: Weinprobe im Gewölbekeller

Tal und Hänge, besonders an der Mittelahr. Das wildromantische Tal ist das botanisch artenreichste Gebiet des Rheinischen Schiefergebirges und Heimat seltener Tierarten. Hier sagen sich Wildkatze und Uhu gute Nacht. Rebsorten-Star an der Ahr ist unbestritten der Spätburgunder.

Eine der ersten Winzergenossenschaften der Welt und die erste in Deutschland wurde 1868 in Mayschoß gegründet. Das kam so: Missernten und drückende Zölle führten dazu, dass viele Winzerfamilien an der Ahr von ihrer Arbeit nicht mehr existieren konnten. Einige wanderten aus, andere schlossen sich zusammen, um gemeinsam einen Weinkeller zu betreiben. Eine Idee, die bis heute – nicht nur an der Ahr – funktioniert!

linke Seite: Weinberge an der Ahr kleine Fotos oben: Kloster Marienthal (li.), Winzergenossenschaft in Mayschoß

Er kam allerdings erst nach dem Dreißigjährigen Krieg in die Region. Weinbau wurde dort schon von den Römern seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. betrieben, allerdings mit ganz anderen Sorten. Vielleicht wegen dieser Tradition wurde der Spätburgunder einst wie ein Weißwein verarbeitet. Ganz blass war er und wurde „Ahrbleichert“ genannt. Heute sehen die Spätburgunder anders aus! Ahr-Rotweine sind elegant und vielschichtig und verfügen über ein gutes Lagerpotenzial.

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rechte Seite oben: Blick auf Meersburg und den Bodensee

Wichtigste Rebsorten: Spätburgunder, Müller-Thurgau, Grauburgunder, Weißburgunder, Riesling Weitere Informationen: www.badischerwein.de

Der Heilig-Geist-Torkel in Meersburg Reichenau – wo im Wasser Wein entsteht Das Große Fass im Heidelberger Schloss Vulkanfelsgarten Winklerberg in Ihringen

rechte Seite unten: Weinberge in Baden bei Durbach

Wer meint, das Wetter in Deutschland sei oft kalt und ungemütlich, sollte nach Baden kommen! Im Südwesten Deutschlands gelegen, zieht sich das Anbaugebiet von Tauberfranken im Norden über Heidelberg den Rhein entlang bis zum Bodensee. Mit knapp 16.000 Hektar Anbaufläche ist es das drittgrößte Anbaugebiet des Landes. Baden zeichnet sich durch ein besonders mildes Klima aus. Das liegt vor allem an der „Burgundischen Pforte“, einer Lücke zwischen den Felsformationen von Südvogesen und Jura. Durch sie strömt mediterrane Warmluft in die rheinische Ebene. Aus diesem Grund zählt Baden auch als einziges deutsches Anbaugebiet zur EU-Weinbauzone B. Diese umfasst die durchschnittlich wärmeren Gebiete Europas. Die Burgundische Pforte ist Programm: Baden ist Burgunderland, heißt es. Hier gedeihen Spät-, Grau- und Weißburgunder ganz besonders gut.

kleine Fotos unten: Hafen in Reichenau

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Rebfläche: ca. 16.000 ha, Weißweinanteil 56 %

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hervorragenden Weißweinen Badens findet man auch den „Klingelberger“. Hinter dieser in der Ortenau üblichen Bezeichnung verbirgt sich nichts anderes als der Riesling. Der Name kommt vom Klingelberg, einem Teil des Schlossbergs bei Durbach, wo der Markgraf Carl Friedrich von Baden, Herr über das Weingut Schloss Staufenberg, im Jahr 1782 Riesling anbauen ließ. Dass dieser Weinberg erstmals sortenrein bepflanzt wurde, war damals eine Neuerung.

• Heidelberg • Karlsruhe

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• Ihringen • Freiburg Meersburg Reichenau • •

Eine lokale Spezialität ist der roséfarbene Wein Badisch Rotgold, keine Rebsorte, sondern eine besondere Cuvée aus Grauburgunder und Spätburgunder (also ein „Rotling“). Das vielgestaltige Anbaugebiet Baden hat verschiedenste Bodenprofile zu bieten: Von Muschelkalk und Keuper im Kraichgau und an der Tauber über Kalk-, Ton- und Mergelablagerungen bis zu den reichhaltigen Löss- und Lehmböden, die an Kaiserstuhl, Tuniberg und im Markgräflerland vulkanische Einsprengsel enthalten. Bodensee, Markgräflerland, Tuniberg, Kaiserstuhl, Breisgau, Ortenau, Kraichgau, Badische Bergstraße und Tauberfranken gliedern Baden in neun Bereiche. In Deutschland scheint die Sonne am häufigsten auf den Kaiserstuhl. Der Vulkankegel zwischen Schwarzwald und Vogesen ist mit über 11 Grad Celsius durchschnittlicher Jahrestemperatur unbestritten einer der wärmsten Plätze des Landes.

Daher sind hier eine für Deutschland ungewöhnliche Flora und Fauna heimisch: 36 Orchideenarten sind am Kaiserstuhl daheim, ebenso wie 729 Schmetterlingsarten, der farbenprächtige Bienenfresser, die bis zu 40 Zentimetern lange zugewanderte grüne Smaragdeidechse und Gottesanbeterinnen. Der Name Kaiserstuhl rührt übrigens von Kaiser Otto III. (980-1002) her, der im dortigen Leiselheimer Gebiet „Gestühl“ – bis heute ein Weinlagenname – seinen Gerichtssitz hatte. Baden hat sich weit über seine Grenzen hinaus einen Namen für seine große Dichte an Gourmetrestaurants gemacht. In kaum einer anderen Region Deutschlands locken so viele Sterneköche in ihre Restaurants, was sich sogar bis ins französische Elsass herumgesprochen hat. Der kulinarische Tourismus über die Grenze, aber auch aus anderen Teilen Deutschlands und der Schweiz, nimmt immer mehr zu.


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„Mainfranken ist Weinfranken“ heißt es, und das zu Recht: Entlang des Mains und seiner Nebenflüsse wird der Frankenwein erzeugt. Dessen Erkennungsmerkmal war und bleibt der Bocksbeutel, eine flache, bauchige Flasche. Weshalb ausgerechnet in Franken diese Flaschenform verwendet wurde, ist noch immer ungeklärt. Allerdings fand man im fränkischen Wenigumstadt bei Ausgrabungen eine der ältesten Flachkugelflaschen überhaupt. Sie datiert von ungefähr 1400 v. Chr. und ist keltischer Herkunft. Ob sie eine Anregung war? Jedenfalls ist der Bocksbeutel durchaus praktisch: Er rollt keinen Abhang hinunter! Gut für ein Picknick in den sanft hügeligen Flusstälern Frankens.

Franken ist das einzige deutsche Anbaugebiet, das sich komplett in Bayern befindet. Auf rund 6.100 Hektar werden hier Reben kultiviert, die meisten finden sich rund um die Barockstadt Würzburg. Aber auch malerische Städte wie Iphofen oder Castell machen Franken zu einem Urlaubsparadies. In Franken dominieren mit 81 Prozent die weißen Rebsorten. Der Silvaner gilt als die klassische fränkische Rebsorte. In keinem Anbaugebiet ist der Anteil dieser Sorte im Rebspiegel höher. Erstmals gepflanzt wurde er am Schlossberg in Castell im April 1659. Sein Charakter wird oft mit dem der Franken selbst verglichen: ruhig und verhalten, aber von grundsolider Kraft. Er reift zwei Wochen früher als der Ries-

linke Seite oben: Landschaft bei Castell rechte Seite oben: Weinberge in Escherndorf Kleine Fotos unten: Der berühmte Bocksbeutel (li.), Der Hofkeller in Würzburg

ling und bringt gute Erträge, kann strengen Wintern allerdings nicht überall standhalten. Aus diesem Grund ist er auch nicht die meistangebaute Rebsorte Frankens. Um eine gewisse Ertragssicherheit zu erreichen, wurden viele Rebberge mit dem klimaresistenteren MüllerThurgau bestockt. Der weiße Bacchus, der vom süffigen Schoppenwein bis zur Auslese alles erbringen kann, ist den fränkischen Winzern

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ebenfalls ans Herz gewachsen. Eine rote Spezialität aus Franken ist die Rebsorte Domina. Das Klima in Weinfranken ist eher kontinental geprägt, doch wirkt der Main ausgleichend: Die Sommer sind warm und die Winter kalt. Die Rhön im Norden und der Spessart im Westen schützen Mainfranken vor zu starker Kälte und Nässe. Auch wenn im Sommer rund um Würzburg wenig Regen fällt: Die Luftfeuchtigkeit ist hier relativ hoch. In den Böden konzentriert sich aufgrund des geringen Niederschlags der Mineraliengehalt. Kein Wunder, dass mineralischerdige Noten als Haupteigenschaft des typischen Frankenweins gelten.

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berühmtesten Lagen Frankens und die älteste namentlich dokumentierte Weinlage Deutschlands ist der „Würzburger Stein“. „Steinwein“ war lange ein Synonym für Frankenwein. Ein 1540er Steinwein lagert noch heute im Keller des Bürgerspitals in Würzburg. Ein erklärter Liebhaber des Steinweins war Johann Wolfgang von Goethe. Der schrieb am 17. Juni 1806 an seine Frau Christiane: „Schicke mir doch einige Würzburger, denn kein anderer Wein will mir schmecken, und ich bin verdrüßlich, wenn mir mein gewohnter Lieblingstrank abgeht.“

Rebfläche: ca. 6.100 ha, Weißweinanteil 81 % Wichtigste Rebsorten: Müller-Thurgau, Silvaner Weitere Informationen: www. frankenwein-aktuell.de

Staatlicher Hofkeller Würzburg Bürgerspital zum Heiligen Geist Das Würzburger Juliusspital Castell und der Silvaner

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Die 436 Hektar Rebfläche des kleinsten deutschen Anbaugebiets erstrecken sich zum größten Teil längs des Rheines an den sanften Ausläufern des Odenwaldes. „Hier fängt Deutschland an, Italien zu werden“, jubelte Joseph II., als er im April 1766 als frisch gekrönter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation von Frankfurt her über die Bergstraße reiste. Main

• Darmstadt

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Kloster Lorsch • • Heppenheim • Mannheim • Heidelberg

Die BergsträSSer Orte haben meist alte Stadtkerne mit malerischem Flair. Dazu kommen die teils terrassierten Weinbergslagen − schön ist es hier nicht nur zur Obstblüte! Kennzeichnend für die Böden der Hessischen Bergstraße sind trockene, nährstoffarme, aber sich leicht erwärmende Flugsande und der feinkörnigere, tiefgründige, Wasser speichernde Löss. „König der Bergstraße“ ist der Riesling. Er macht knapp die Hälfte der angebauten Rebsorten aus und gedeiht wegen der langen Vegetationszeiten an der Bergstraße besonders gut. Die rest-

linke Seite: Weinberge bei Heppenheim kleine Fotos oben: Marktplatz in Lorsch (li.), Erlebnispfad “Wein und Stein”

Rebfläche: ca. 440 ha, Weißweinanteil 79 % Wichtigste Rebsorten: Riesling, Spätburgunder, Grauburgunder

lichen 53 Prozent der Rebfläche an der Bergstraße teilen sich verschiedenste Sorten, vom Müller-Thurgau über den Gewürztraminer bis zum seltenen Gelben Orleans. Seit einiger Zeit werden auch zunehmend rote Sorten angebaut wie Spätburgunder, Frühburgunder oder Sankt Laurent. Möglicherweise waren die Römer die ersten Weinbauern der Region, die das milde Klima nutzten. Für sie hieß die Bergstraße „via strata montana“ und war ein bedeutender Handelsweg. Der Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald ist eine von weltweit 77 von der UNESCO in das Global Network of Geoparks aufgenommenen Regionen. Auf 2.230 Quadratkilometern zwischen Rhein, Main und Neckar werden 500 Millionen Jahre Erdgeschichte sichtbar. Die Hessische Bergstraße mit ihrer Lage zwischen dem Oberrheingraben und dem Kristallinen Odenwald ist ein wichtiger Teil des Geoparks.

Weitere Informationen: www. bergstraesser-wein.de

Erlebnispfad “Wein und Stein” bei Heppenheim Kloster Lorsch und die Geschichte des Weinbaus

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hat eine „Insel“, nämlich die Odenwälder Weininsel. Das ist natürlich keine wirkliche Insel, sondern eine kleine Weinbauregion etwas abseits vom Rest der Hessischen Bergstraße um die Stadt Groß-Umstadt westlich von Darmstadt. Auf knapp 62 Hektar wird hier Wein angebaut. Nicht weit liegt die hessische Metropole Frankfurt am Main. Die verfügt sogar auch über einen Weinberg, den Lohrberg. Doch der zählt erstens zum Anbaugebiet Rheingau, und zweitens haben die Frankfurter eine ausdrückliche Vorliebe für einen anderen Wein, nämlich den aus Äpfeln, auch „Ebbelwoi“ genannt.

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In der Tat: Der Frühling hält hier in Deutschland mit am frühesten Einzug. An der Bergstraße gedeihen Feigen und Mandeln, Forsythien und Magnolien – und natürlich Reben. Bei klarem Wetter kann man bis zum Pfälzer Wald sehen. Das war sicher ein Grund für den Bau zahlreicher Burgen, welche die Bergstraße säumen.


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Rebfläche: ca. 460 ha, Weißweinanteil 85% Wichtigste Rebsorten: Riesling, Spätburgunder, Müller-Thurgau

Den romantischen Rhein kennt wohl jeder Tourist. Sogar mancher Tourist aus Japan oder Korea kann − im Gegensatz zu den meisten Deutschen − Heines Lied von der Loreley fehlerlos mit sämtlichen Strophen singen: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ...“ Für Weinfreunde bedeutet der Mittelrhein zunächst Riesling. Die Anbaufläche des Mittelrheins, 456 Hektar, erstreckt sich zwischen Bingen und dem Siebengebirge über rund 110 Kilometer entlang des Rheins bis vor die Tore der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. So kann auch das Bundesland Nordrhein-Westfalen 20 Hektar Reben sein Eigen nennen. Wer schon einmal mit dem Zug oder dem Auto diese Strecke gefahren ist, wird neben den vielen mittelalterlichen Burgen und malerischen Städtchen viele Weinlagen entdecken.

Weitere Informationen: www.mittelrhein-wein.com

Eine romantische Strecke, seit 2002 zwischen Bingen und Koblenz zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt!

Bopparder Hamm: die Weinschleife am Rhein

„Romantischer Wein“ würde es allerdings nicht ganz treffen. Die meisten Rebflächen befinden sich in Steillagen, die den Winzern schwere Arbeit abverlangen. Die Weine vom Mittelrhein lohnen die Mühe aber auch: Die vorherrschenden Schieferböden bringen mineralische, kernige Weine mit lebendiger Säure hervor.

Bacharach: Zentrum der Rheinromantik

rechte Seite oben: Blick auf den Rhein und Bacharach rechte Seite unten: Weinhänge bei Boppard kleine Fotos unten: Weinberge am Mittelrhein, St. Goarshausen

Der Strom sorgt für laue Lüftchen, der Hunsrück hält die kältesten Strömungen fern, dennoch sind Südlagen für die Spitzenweine unerlässlich. Sie finden sich vom Rheinknick bei Boppard bis St. Goarshausen vornehmlich am rechten Rheinufer, nördlich davon bis Rhens an beiden Ufern und südlich bis Trechtingshausen vor allem am linken Ufer und in seinen Seitentälern. Von der Gesamtfläche der Region sind über 300 Hektar mit Riesling bestockt. Spätburgunder, Müller-Thurgau, Blauer Portugieser und Kerner vom Mittelrhein werden meistens schon „vor Ort“ genossen und finden daher selten den Weg in den Handel.

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• Königswinter

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e schon? i S n Der Ort Bachaste s u rach verfügt über

mehrere markante Steillagen. „Zu Bacharach am Rhein wächst der beste Wein“, besagt ein alter Spruch, und Papst Pius II. ließ sich jedes Jahr ein Fass Bacharacher Wein nach Rom schicken. Aber es gibt auch einen sehr flachen „Weinberg“. Der liegt auf einer 680 Meter langen und 150 Meter breiten Insel mitten im Rhein und trägt die Lagenbezeichnung „Heyles‘en Werth“ nach dem früheren Besitzer Hans Heylesen. Heute wird die Weininsel von einer Bacharacher Winzerfamilie bewirtschaftet. Dafür braucht man nicht nur kräftige Beine wie die Steillagenwinzer, sondern auch muskulöse Arme, denn man kann die Insel nur mit dem Ruderboot erreichen.

Die beeindruckenden Burgen wurden einst als Verteidigungsbauten oder Zollstationen errichtet, verloren diese Bedeutung jedoch ab dem 15. Jahrhundert, als die Feuerwaffen aufkamen. Viele Burgen wurden verlassen. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und im Pfälzer Erbfolgekrieg (1688-1692) wurde so manche Zerstörung angerichtet − die mittelrheinische Burgenherrlichkeit schien vorbei zu sein. Doch viele der dicken Mauern überdauerten die Jahr-hunderte, wurden aus öffentlichen und/oder privaten Mitteln wieder hergerichtet und sind heute Sinnbild der Rheinromantik − zusammen mit den Rebbergen natürlich!


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Mosel R a s se

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Neben dem Rhein ist die Mosel sicher einer der bekanntesten deutschen Weinflüsse. Der prächtig mäandernde Fluss heißt in Frankreich La Moselle und in Luxemburg Musel, bis er bei Perl zur Mosel wird, und bei Koblenz in den Rhein mündet. Die älteste deutsche Weinbauregion − schon von dem römischen Dichter Ausonius besungen − erstreckt sich mit insgesamt fast 9.000 Hektar Rebfläche auch auf Anbauflächen an den Nebenflüssen Saar und Ruwer.

Der Wind kommt an der Mosel hauptsächlich aus Südwesten. Fluss und Böden speichern gleichermaßen tagsüber die Wärme, um sie nachts wieder abzugeben. Die steilen Felsen an den

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Moselhängen lassen die Sonne fast senkrecht auftreffen, insbesondere am Bremmer Calmont, der steilsten Weinlage Europas. An der Mosel sind Tiere und Pflanzen zu finden, die ein sehr mildes Klima brauchen und deren Auftreten nur ein paar Kilometer weiter in Eifel oder Hunsrück undenkbar wäre: Zwischen den Reben und an den Trockenmauern tummeln sich Apollofalter, Eisvogel und Smaragdeidechse, wachsen Mauerpfeffer und Schriftfarn. Nachweislich lieSSen sich bereits die Kelten an der Mosel nieder.

Besonders prägend für die Region, besonders auch für deren Weinbau, waren die Römer. Um 50 v. Chr. zog Julius Cäsar in den Krieg gegen Gallien und kam auf dem Weg dorthin durch

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das Moseltal. Um 15 v. Chr. gründeten die Römer Augusta Treverorum, das heutige Trier, das im 4. Jahrhundert sogar zum Regierungssitz des Weströmischen Reiches wurde und zur größten Stadt nördlich der Alpen heranwuchs. An der Obermosel zwischen dem deutschfranzösisch-luxemburgischen Dreiländereck bis zur Einmündung der Saar bei Konz herrschen Muschelkalk- und Keuperböden vor, die für Burgundersorten und den heimischen Elbling guten Untergrund bieten. Von Schweich bis Koblenz ist der Schiefer tonangebend: Hier hat sich die Mosel langsam und ausdauernd ihren Weg durch das Rheinische Schiefergebirge gegraben. Viele Lagennamen an der Mosel enden auf -lay und zeigen damit an, dass die Reben auf Schiefer stehen: Die uralte keltische Bezeichnung


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Mosel

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• Traben-Trarbach • Bernkastel-Kues

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„ley“ für Schiefer hat so die Zeiten überdauert. Charakteristisch sind neben den spektakulären, oftmals terrassierten Hängen rechts und links des Flusses, dessen zahlreiche Kurven und Schwünge. Auf den Schieferböden an Mittelund Untermosel gedeiht vor allem der Riesling vorzüglich, der hier tief wurzeln muss und so reichlich Mineralität und Finesse aus dem kargen Untergrund zieht. Mineralische Eleganz, eine fast verspielte Finesse und häufig eine delikate Restsüße zeichnen Moselrieslinge aus. linke Seite unten: Morgennebel in Bremm an der Mosel rechte Seite unten: Steillagen in Kröv kleine Fotos oben: Klettersteig auf dem Bremmer Calmont

Rebfläche: ca. 8.900 ha, Weißweinanteil 91 % Wichtigste Rebsorten: Riesling, Müller-Thurgau, Elbling Weitere Informationen: www.weinland-mosel.de Der bis heute teuerste Weinbergskauf fand im Jahre 1900 statt, als der Bürgermeister von Bernkastel 4.300 Quadratmeter der Lage „Doctor“ an einen gewissen Carl Wegeler verkaufte − für 100 Goldmark pro Weinstock. Das wären nach heutigem Geld 600 bis 700 Euro pro Stock. Die Investition war jedoch lohnend; die Lage gehört heute zu den weltberühmten und besten der Region. Der eigentümliche Name rührt daher, dass 1630 der erkrankte Erzbischof Bohemund von Trier nach einigen Schlucken des Weines überraschend gesundete und dem Weinberg zum Dank den „Doctortitel“ verlieh.

Die römischen Keltern von Piesport Weingut der Vereinigten Hospitien in Trier Weinbergssonnenuhren an der Mosel Traben-Trarbach Bremmer Calmont

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Nahe

Facettenreicher Diamant


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linke Seite: Blick auf die Nahe und den Rotenfels kleine Fotos unten: Freilichtmuseum Bad Sobernheim (li.), Die Klosterruine Disibodenberg

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• Bingen Schloß Böckelheim • • Bad Kreuznach • he Kloster Disibodenberg Na

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Bad Sobernheim •

Edelsteine sind klein, aber glanzvoll. Diese Beschreibung passt auch auf das knapp 4.200 Hektar große Anbaugebiet Nahe, das auch schon mal als „Schatzkästlein“ bezeichnet wird. Aber Verkleinerungsformen braucht die Nahe nicht. Man findet hier zahlreiche hervorragende Weine − eben keine „Weinchen“ − aus Sorten wie Riesling, Weiß- und Grauburgunder, Kerner, Müller-Thurgau und anderen. Nicht wenige Winzer gehören zu den deutschen Top-Erzeugern. Der Fluss Nahe entspringt im Saarland bei Nohfelden-Selbach und fließt bei Bingen in den Rhein. Die sechzig Flusskilometer vor der Mündung zählen zum Anbaugebiet. Dazu gehören auch die Täler der Zuflüsse Alsenz und Glan. Der Hunsrück bietet dem ruhigen, idyllischen Gebiet Regenschutz. Die Sonne scheint hier rund 1.750 Stunden im Jahr. Die Temperatur der steilen Felsen kann im Sommer bis zu 60 Grad Celsius erreichen − gut für die Reben, die in der Wachstumsphase gern warme Füße haben!

angebaut. Unter den Rotweinsorten beherrschen Dornfelder und Portugieser das Feld, doch wird auch Spätburgunder angebaut. Das ist wahrhaft eine Probierstube, die ein Abbild des deutschen Weins zeigt. Auf dem Disibodenberg an der Nahe lebte und wirkte Hildegard von Bingen (1098-1179). In ihrer bis heute aktuellen ganzheitlichen Heilkunde wies sie dem Wein eine wichtige Rolle zu. Der Disibodenberg wurde 2010 vom Deutschen Weininstitut als „Höhepunkt der Weinkultur“ ausgezeichnet. Hier stehen die ältesten Reben Deutschlands; der Weinbau auf dem Disibodenberg datiert bis mindestens ins 11. Jahrhundert zurück.

Rebfläche: ca. 4.200 ha, Weißweinanteil 75 % Wichtigste Rebsorten: Riesling, Müller-Thurgau, Dornfelder Weitere Informationen: www. weinland-nahe.de

Klosterruine Disibodenberg Die Schloßböckelheimer Kupfergrube Freilichtmuseum Bad Sobernheim

Die Weine von der Nahe sind früher als „Rheinweine“ bezeichnet worden. Der Charakter der Rieslinge erinnert auch durchaus an Weine vom Rhein und von der Mosel, sie haben dennoch einen unverwechselbaren „Nahe-Touch“. Als selbstständiges Anbaugebiet wurde die Nahe durch das Weingesetz von 1971 definiert.

Kein anderes Anbaugebiet bietet so viele verschiedene Bodentypen auf so kleinem Raum. Das Anbaugebiet liegt an den Schnittstellen von Rheinischem Schiefergebirge, Mainzer Becken und dem Hügelland der Saar. Hier finden sich Vulkangestein, Schiefer, Rotliegend, Quarzit, Ton, Löss, Buntsandstein und Basalt, um nur einige zu nennen. Ein variantenreiches Versuchsfeld also für die Winzer − und ein breites Genussspektrum für Weinfreunde. Riesling wird hier auf rund 27 Prozent der Rebfläche

Auch die Nahe hat eine Weinstraße − wie fast jedes Anbaugebiet. Aber die Nahewinzer arbeiten auch mit der Deutschen Edelsteinstraße zusammen, schließlich ist die deutsche Edelsteinhochburg Idar-Oberstein nicht weit. Jedes Jahr wird eine besondere Weinedition mit einer besonderen Schmuckflasche herausgegeben, der „Edelschliff“. Jede Flasche ist mit einem Edelstein versehen (2010 war es ein Epidot), und drin ist ein flüssiges Juwel: Jeweils ein ausgesuchter Wein von der Nahe!

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Rebfläche: ca. 23.500 ha, Weißweinanteil: 62 % Wichtigste Rebsorten: Riesling, Dornfelder, Müller-Thurgau, Portugieser, Spätburgunder Weitere Informationen: www.pfalz.de/wein-und-genuss

Das römische Weingut in Ungstein Rhodt unter Rietburg Deidesheim: kleiner Weinort – große Politik Weinmuseum in Speyer

rechte Seite oben: Weinberge vor dem Hambacher Schloss

Die schöne Pfalz mit ihrem sanften Klima liegt zwischen dem Pfälzerwald im Westen − der größten zusammenhängenden Waldfläche Deutschlands −, Rheinhessen im Norden, Baden jenseits des Rheinstroms im Osten und dem Elsass im Süden. Reben stehen im Südosten dieser Region an den Ausläufern des Pfälzerwaldes. Viele Reben: Die Pfalz ist mit einer Fläche von rund 23.500 Hektar das zweitgrößte Weinbaugebiet Deutschlands. Die 144 pfälzischen Weinbaugemeinden werden zum großen Teil von der Deutschen Weinstraße berührt. Diese älteste deutsche Weintouristikroute (1935 eröffnet) zieht sich über eine Länge von rund 85 Kilometer von Bockenheim im Norden nach Schweigen an der französischen Grenze, wo sie am Deutschen Weintor endet.

rechte Seite unten: blühende Mandelbäume kleine Fotos unten: Rhodt unter Rietburg

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Deidesheim • Neustadt an der Weinstrasse • • Rhodt unter Rietburg

Von höheren Standorten aus kann man bei dem hier häufigen schönen Wetter herrliche Ausblicke in die weite Rheinebene bis zum Kaiserdom in Speyer und − auf der anderen Seite des Rheins − Heidelberg genießen. Das fast mediterrane Klima an der Weinstraße lässt Mandeln, Feigen, Zitronen und Oliven blühen. Der Mandelblüte, die im Frühjahr die Weinstraße in leuchtendes Rosa taucht, gelten die ersten Feste der an Weinfesten nicht armen Region. Das liebste Kind der Pfälzer Winzer ist der Riesling, der hier oft kräftig und saftig ausfällt.

Die Deutsche Weinstraße führt durch viele typische Winzerdörfer mit Fachwerkhäusern, an denen sich Reben über die Straße ranken. Für den Durchgangsverkehr und für die Bewohner ist das nicht immer zweckmäßig, sodass inzwischen zahlreiche Umgehungen und Schnellstrecken existieren. Einmal im Jahr gehört die gesamte Deutsche Weinstraße den Fußgängern und Radfahrern: am Erlebnistag Deutsche Weinstraße am letzten Augustsonntag. Ein 80 Kilometer langes Weinfest mit über 300.000 Radlern, Wanderern und Skatern!

Die Pfalz besitzt die größte Rieslingfläche der Welt mit rund 5.500 Hektar. An zweiter Stelle steht der Dornfelder, der als süffiger Roter bekannt und beliebt ist. Daneben gedeihen viele andere Sorten. Besonders typische wie Weiß-, Grau- und Spätburgunder sowie natürlich Riesling werden, wenn ihre Weine

einem vorgegebenen Profil entsprechen, mit der Bezeichnung DC Pfalz vermarktet, was Districtus Controllatus bedeutet. In einer solchen Flasche steckt also ein typischer, auf seine Qualität hin kontrollierter Pfälzer. Ganz grob unterteilen lässt sich die Weinbauregion Pfalz in zwei Untergebiete: Der nördliche Teil reicht etwa von Neustadt an der Weinstraße bis ins Zellertal auf der Höhe von Worms und nennt sich Mittelhaardt. Hier sind die Böden leicht, also sehr wasserdurchlässig, die Reben müssen tief wurzeln. Riesling ist hier eine maßgebliche Sorte. An der Südlichen Weinstraße, von Neustadt bis Schweigen im Süden, gedeihen die Reben auf schwereren, lehmhaltigen Böden. Dort werden neben Riesling auch sehr gute Weine aus Burgundersorten sowie Rotweine erzeugt. Statistisch gesehen kommen in der Südpfalz auf einen Einwohner 600 Rebstöcke! Das größte Weinfest der Welt wird übrigens in der Pfalz gefeiert: der Dürkheimer Wurstmarkt. Seit dem 15. Jahrhundert war das Fest ein Markt für Pilger. Entsprechend der Pfälzer Gepflogenheiten wurde hier reichlich Wurst angeboten, zusammen mit Brot und Wein natürlich. Im Jahr 1832 wurde das Fest dann erstmals offiziell „Wurstmarkt“ genannt.


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Rheingau

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Königlicher Riesling

Der Rheingau erstreckt sich westlich von Frankfurt entlang des Rheins, der hier einer Laune der Natur folgt. Der sonst vornehmlich von Süden nach Norden fließende Fluss macht nämlich bei Mainz, ziemlich genau am 50. nördlichen Breitengrad, einen Knick und fließt vorbei an bekannten Orten wie Eltville, Oestrich-Winkel oder Rüdesheim bis Assmannshausen von Osten nach Westen. Die Hänge des Rheingaus sind also genau nach Süden ausgerichtet und nutzen die 1.600 Sonnenstunden im Jahr optimal aus. Die Berge des Taunus bieten Zum Rheingau zählt auch die Gemeinde Hochheim am Main. Dieser Weinort mit seinen berühmten Weinen ist der Ursprung der in England noch immer genutzten Bezeichnung „Hock“ für Rheinwein. Der Begriff fand vermutlich seine Verbreitung, nachdem Queen Victoria im Jahr 1845 in Hochheim zu Besuch war. Wegen des guten Geschmacks der Hochheimer Weine und der ihnen zugeschriebenen Gesundheitsförderlichkeit hatte sich schnell der Ausspruch „a good Hock keeps off the doc!“ etabliert. Weine aus dem Rheingau gehörten noch vor einem Jahrhundert, insbesondere auch in England, zu den teuersten Tropfen auf den Weinkarten der Welt.

einen natürlichen Schutz vor kalten Winden aus Norden und gegen allzu heftige Niederschläge. Unter den Rebsorten ist der Riesling der unbestrittene König. Die anspruchsvolle, spät reifende Sorte fühlt sich hier ganz besonders wohl, entwickelt charakteristische, mineralische Noten und ist von einer frischen Fruchtsäure geprägt. Der Spätburgunder gehört ebenso wie der Riesling zu den Edelreben und gedeiht vorzüglich bei Assmannshausen. Der Rheingau ist eine touristisch sehr beliebte Reiseregion, in der alte Klöster und Schlösser stimmungsvoll in die Weinlandschaft eingebettet sind. Auf 120 Kilometern führt die Rheingauer


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Kloster Eberbach •

Riesling Route durch die malerischen Weinorte. Unterwegs laden Gutsschänken und Straußwirtschaften zur Einkehr beim Rheingauer Wein ein und kulturhistorische Sehenswürdigkeiten warten am Wegrand. So etwa der im Jahr 1744 erbaute Oestricher Weinkran. Er ist der letzte erhaltene seiner Art am Rhein. Mit seiner Hilfe gelangten Rheingauer Weine auf den Fluss und von dort aus in alle Welt. Wer die markanten Aussichtspunkte des Rheingaus besucht, wie etwa das Niederwalddenkmal oder Schloss Johannisberg, sieht vor sich die historischen Zentren des Weinbaus liegen. Zu ihnen zählt die ehemalige Zisterzienserabtei Kloster Eberbach, eine der besterhaltenen mittelalterlichen Klosteranlagen Deutschlands. Der Johannisberg ist nicht nur bekannt für das gleichnamige Schloss, das aus den Ruinen einer Klosteranlage entstan-

den ist, sondern weinhistorisch auch als der Ort, an dem die Spätlese ihren Ursprung hat. Rheingauer Weingüter und Gastronomen bieten das ganze Jahr über weinkulinarische Erlebnisse auf hohem Niveau, wie das Gourmet- und Weinfestival im März, die Schlemmerwochen Ende April, das Rheingau Musik Festival über die Sommermonate und die Glorreichen Rheingautage im November. Ein einmaliges Erlebnis bieten auch die traditionellen Weinversteigerungen auf Kloster Eberbach. linke Seite unten: der Eltviller Steinberg rechte Seite unten: Weinberge unterhalb Schloss Johannisberg kleine Fotos oben: Kloster Eberbach

• Wiesbaden • Mainz

Main Rhein

Eltville Rüdesheim • • • Oestrich-Winkel

Rebfläche: ca 3.100 ha, Weißweinanteil: 85 % Wichtigste Rebsorten: Riesling, Spätburgunder Weitere Informationen: www. kulturland-rheingau.de

Kloster Eberbach Schloss Johannisberg Oestrich-Winkel

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Nirgendwo ist der Aufschwung des deutschen Weins in den letzten beiden Jahrzehnten so deutlich zu spüren wie im größten deutschen Weinbaugebiet Rheinhessen – sowohl was die Qualität, als auch was das Image der Weine anbelangt. Die rund 26.500 Hektar große Weinregion gilt heute als eine der „dynamischsten“, denn die Winzer, viele von ihnen gehören einer jungen, gut ausgebildeten Generation an, haben das Potenzial ihrer Weinlagen erkannt und mit viel Sachverstand in ihre Keller und Weinberge investiert. Die sanfte Landschaft Rheinhessens ist als „Land der tausend Hügel“ bekannt. Zwischen Mainz, Worms, Alzey und Bingen erstreckt sich das grüne, wellige Rebenmeer, in das sich malerische Örtchen schmiegen. Rheinhessen ist wegen der starken landwirtschaftli-

Die Landeshauptstadt von RheinlandPfalz ist zugleich die Hauptstadt Rheinhessens: Mainz. Sie ist seit 2008 stolzes Mitglied eines erlauchten Kreises, des Great Wine Capitals Global Network. Ihm gehören neun Städte in den wichtigsten Weinregionen der Welt an. Neben Mainz sind dies Bordeaux, Florenz, San Franchen Nutzung das am wenigsten bewaldete Ge- cisco, Christchurch, Bilbao, Mendoza, Porto und biet ganz Deutschlands. Kapstadt. Ziel der Vereinigung ist die Förderung von Tourismus und Weinkultur. Die Erde, ein Weinplanet − Deutschland und RheinDie Höhenzüge von Hunsrück, Taunus, Odenhessen gehören dazu. wald und Nordpfälzer Bergland schützen Rheinhessen vor kalten Winden und kräftigen Niederschlägen. Entsprechend zählt das Gebiet zu den trockensten und wärmsten ganz Deutschlands – gut für den Wein- und auch für den linke Seite oben: der rote Hang bei Nierstein Obstanbau. In Rheinhessen finden sich Quarzit, Porphyr, rechte Seite oben: Trullo (Weinbergshäuschen) Schiefer und Vulkangestein, außerdem charakbei Flonheim teristische Ablagerungen aus dem Tertiär. Kleine Fotos unten: Diese Bodenvielfalt wird durch das RotlieIdyllischer Winzerhof in der gend ergänzt, eine interessante GesteinsformaRheinhessischen Schweiz

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tion, die weit älter ist als die Ablagerungen des Tertiärs. Es findet sich im Osten am „Roten Hang“ um Nierstein und im Westen in der Rheinhessischen Schweiz. Der Rebsortenspiegel Rheinhessens ist dank der verschiedenartigen Böden und Kleinklimata vielfältig, sodass es vorkommt, dass ein einziger Winzer 30 oder mehr verschiedene Weine pro Jahrgang erntet und ausbaut. Das Verhältnis von Weiß- zu Rotweinsorten liegt bei 69 zu 31 Prozent. Die Traditionsrebsorte der Region ist der Silvaner, von dem Rheinhessen die größte Anbaufläche weltweit besitzt. Auch Riesling, Müller-Thurgau und Burgundersorten werden angebaut. Unter den Roten sind Dornfelder, Spätburgunder und Portugieser von Bedeutung. Der „Winzersekt“, ein nach strengen Kriterien in traditioneller Methode erzeugter Sekt b.A., wurde vor rund

30 Jahren in Rheinhessen aus der Taufe gehoben. In den rheinhessischen Weinbergen stehen mitunter Häuschen, die glauben lassen, dass man sich eher am Mittelmeer denn in Deutschland aufhält: die Trulli (Einzahl: Trullo). Oft sind sie strahlend geweißt, die kleinen runden Weinberghäuschen mit ihren Kuppeldächern. 30 bis 40 gibt es von ihnen in Rheinhessen. Vermutlich wurden die Häuschen schon immer als Schutzhütten für Winzer und Weinbergarbeiter benutzt. Die Zeiten überdauerten sie, weil sie im holzarmen Rheinhessen aus Stein gebaut wurden.

Rebfläche: ca.26.500 ha, Weißweinanteil: 69% Wichtigste Rebsorten: Müller-Thurgau, Riesling, Dornfelder, Silvaner, Portugieser, Spätburgunder Weitere Informationen: www.rheinhessen.de

Das Liebfrauenstift-Kirchenstück in Worms Die Niersteiner Glöck Kupferberg-Besucherzentrum in Mainz

• Mainz

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linke Seite: Weinberge an der Unstrut Kleine Fotos oben: Weinstube in Freyburg (li.), Sektkellerei Rotkäppchen

Im südlichen Sachsen-Anhalt um Freyburg und Naumburg, im nördlichen Thüringen um Bad Kösen und in einem Stückchen Brandenburgs südwestlich von Berlin liegen die 735 Hektar Rebflächen des Anbaugebiets Saale-Unstrut. Der rund sechs Hektar große Werderaner Wachtelberg, acht Kilometer westlich von Potsdam, ist der nördlichste Weinberg Europas, der von der EU für die Qualitätsweinbereitung zugelassen ist. Wir befinden uns dort in der Nähe des 51. nördlichen Breitengrades! Die Flüsse Saale und Unstrut ziehen sich durch eine alte Kulturlandschaft, die von Steilterrassen, Trockenmauern, Streuobstwiesen und Flussauen geprägt ist. Seit über 1.000 Jahren wird hier Weinbau betrieben. Die Schönheit der Landschaft hat zu allen Zeiten die Menschen angezogen. Wie alt diese Kulturlandschaft ist, zeigt sich zum Beispiel an der 1999 gefundenen bronzezeitlichen Himmelsscheibe von Nebra. Sie gilt als die älteste Himmelsdarstellung der Welt.

Der Weinbau ist an Saale und Unstrut seit 998 belegt: Es gibt eine Schenkungsurkunde des Kaisers Otto III., in der der Weinbau erwähnt wird. Die Durchschnittstemperatur ist in der Region vergleichsweise niedrig. Der hiesige Weinbau braucht also geschützte Lagen. Vor allem in den Flusstälern bilden sich Wärmeinseln, deren Mikroklima die Trauben wunderbar gedeihen lässt. Die klimatischen Bedingungen führen zu einer Art natürlicher Ertragsreduktion; die Erntemenge beträgt an Saale und Unstrut durchschnittlich nur 50 Hektoliter pro Hektar. Müller-Thurgau ist der Hauptvertreter der Rebsorten an Saale und Unstrut. Die vergleichsweise geringen Erträge verleihen den Weinen eine besondere Finesse, die auch Weißburgunder und Riesling, die am zweit- und dritthäufigsten angebaut werden, zugute kommt. Feingliedrig, spritzig, säurefrisch − diese Beschreibung kommt den feinen Weinen von Saale, Unstrut und dem Wachtelberg am nächsten. Probieren lassen sie sich am besten vor Ort; besonders die raren Rotweine kommen kaum in den bundesweiten Handel.

Saale

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Rebfläche: 740 ha, Weißweinanteil: 73 % Wichtigste Rebsorten: Müller-Thurgau, Weißburgunder Weitere Informationen: www. weinbauverband-saale-unstrut.de

Die Sektkellerei Rotkäppchen in Freyburg Die Weinbergshäuschen Das »Steinerne Bilderbuch« bei Naumburg

Entlang der Weinstraße SaaleUnstrut verlaufen die „Straße der Romanik“ sowie die „Himmelswege“. Burgen und Schlösser, wie die Neuenburg oder Rudelsburg, bedeutende Bauwerke wie der Naumburger Dom sowie mystische Stätten wie der Fundort der „Himmelsscheibe von Nebra“ erzählen von der kulturellen Geschichte des Landes. Als heimliche Weinhauptstadt gilt Freyburg an der Unstrut. Alljährlich am 2. Septemberwochenende findet hier das größte Winzerfest der Region statt. Auf dem sehr gut ausgebauten Rad-, Wander- und Wasserwegenetz macht die Erkundung des Anbaugebiets und seiner Weine, der Weingüter, Straußwirtschaften und Gutsschänken besonders viel Spaß. Der weitaus größte Teil des Weinbaugebiets befindet sich im Naturpark Saale-Unstrut Triasland.

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Nördlich und südlich von Dresden, etwa zwischen Meißen und Pirna, erstreckt sich das sächsische Weinbaugebiet. Mit rund 500 Hektar zählt es zu den drei kleinsten Anbauregionen Deutschlands und ist das nordöstlichste Anbaugebiet. Nach Polen ist es nur noch ein Katzensprung.

In Sachsen ist das Kontinentalklima bestimmend. Das bedeutet warme Sommer und kalte Winter. Der Wechsel von milden Tagesund kühlen Nachttemperaturen bekommt den Reben sehr gut. Die sächsischen Weine − vornehmlich Müller-Thurgau, Riesling und Weißburgunder − stellen das mit ihrer Feingliedrigkeit eindrucksvoll unter Beweis. Möglicherweise war es ein Bischof namens Benno, der im elften Jahrhundert nahe Meißen erste Reben setzte. Urkundlich erwähnt wurde der sächsische Weinbau im Jahre 1161, weshalb man 2011 in Sachsen das 850-jährige Weinbaujubiläum feierte. So ganz genau weiß man es also nicht − der sächsische Wein ist aber auf jeden Fall mehr als eine Feier wert!

Das blaue Band der Elbe zieht sich durch eine liebliche Landschaft, die von Weinbergsterrassen und historischen Orten geprägt wird. Dresden bildet das Zentrum des Weinbaugebiets und setzt mit seiner städtischen Schönheit das i-Tüpfelchen. Charakteristisch für die Region sind die Trockenmauern, die für Steillagen und Terrassen malerische Umrandungen bieten. Sie sind nicht nur hübsch, sondern bieten auch raren Pflanzen und Tieren Lebensraum. In Sachsen werden vorwiegend weiße Rebsor-

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ten angebaut. Das Verhältnis von weißen zu roten Sorten beträgt 81 zu 19 Prozent. Weniger als ein Prozent der gesamten deutschen Weinproduktion kommt von hier; kein Wunder, dass sächsischer Wein im Handel selten zu finden ist. Hier gilt also einmal mehr: Am besten hinfahren und an Ort und Stelle genießen! Besonders empfehlenswert ist eine autochthone Besonderheit: der Goldriesling, der auf 21 Hektar Rebfläche angebaut wird. Goldriesling wird jung getrunken, ist leicht und frisch mit zart würziger Note. Sogar der Pfarrer Kneipp empfahl ihn zu seinen Gesundheitskuren. Ein Grund mehr, ihn zu probieren!

linke Seite oben: Altstadt-Panorama Dresden rechte Seite oben: Weinbergsterrassen in Radebeul Kleine Fotos unten: Schloss Wackerbarth

Rebfläche: 480 ha, Weißweinanteil: 81 % Wichtigste Rebsorten: Müller-Thurgau, Riesling, Weißburgunder Weitere Informationen: www.weinbauverband-sachsen.de

Was den Franken ihr Bockbeutel, ist den Sachsen ihre Keule. Die eigentümliche Flasche, die an einen Bowlingkegel erinnert, wurde 1931 in der damaligen Weinbau-Versuchs- und Lehranstalt Hoflößnitz bei Dresden erfunden. Mit einem Museum, einer Weinstube und einem Weingut ist Hoflößnitz noch immer ein besuchenswertes Zentrum sächsischer Weinkultur.

Schloss Wackerbarth: Hoflößnitz und die Sachsenkeule

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• Meißen • Radebeul Dresden • • Pirna

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Rebfläche: 11.500 ha, Rotweinanteil: 71 % Wichtigste Rebsorten: Trollinger, Riesling, Schwarzriesling, Lemberger

– wie andernorts das Bier. Noch bis zum Ersten Weltkrieg war das kleinste in der Wirtschaft erhältliche Weinmaß ein Schoppen, also ein halber Liter. Der größte Teil der heimischen Produktion wird an Ort und Stelle konsumiert, besonders gerne in den gemütlichen Besenwirtschaften, den in der Sommersaison geöffneten Winzer-Ausschänken.

Weitere Informationen: www.wwg.de

Sektmanufaktur Kessler in Esslingen Burg Hornberg in Neckarzimmern Pfedelbach und das Fürstenfass

Dass zu jedem Wein ein passendes Glas gehört, wissen Sommeliers, Weinliebhaber und die Menschen in den Anbaugebieten. In Württemberg gibt es eine besonders merkwürdige Form, das Henkelglas. Das einzige Weinglas ohne Stiel hat seitlich einen praktischen Griff und wird meistens in den volkstümlichen Besenwirtschaften eingesetzt. Aus ihm werden Trollinger & Co. gerne „geschlotzt“, wie das genussvolle, schlürfende Trinken in der Region auch genannt wird, und zwar am häufigsten als „Viertele“ (0,25 Liter).

Das Bundesland Baden-Württemberg, von seinen Einwohnern liebevoll „Ländle“ genannt, beherbergt die beiden Anbaugebiete Baden und Württemberg, die jeweils ihren ganz eigenen Charakter haben. Mit rund 11.500 Hektar Rebfläche ist Württemberg das viertgrößte deutsche Anbaugebiet. Rote Reben überwiegen: Das Verhältnis von weißen zu roten Rebsorten beträgt hier 29 zu 71 Prozent. Und das liegt nicht nur am süffigen Trollinger: Auch Schwarzriesling, Lemberger und Spätburgunder gehören zu den Favoriten der Württemberger Winzer. Nicht zu vergessen ist der Riesling, der auf rund 2.000 Hektar angebaut wird und die wichtigste Weißweinsorte in Württemberg ist. Das Anbaugebiet Württemberg liegt am Neckar und an seinen Nebenflüssen Rems, Enz, Tauber, Kocher und Jagst, zwischen Reutlingen und Bad Mergentheim. Eine württembergische WeinEnklave umfasst auch die Weinlagen am bayerischen Bodenseeufer um Lindau.

Das Winzergenossenschaftswesen ist in Württemberg fest verankert. Viele Winzer oder Wengerter (Weingärtner), wie sie hier in Württemberg genannt werden, bauen nebenberuflich Trauben an und liefern diese bei den Genossenschaften ab. Natürlich gibt es auch viele selbstvermarktende Weingüter in der Region. Eine besondere Spezialität ist der Schillerwein. Im Gegensatz zu Weißherbsten und anderen Roséweinen wird Schillerwein aus einer Mischung von roten und weißen Trauben hergestellt, die aus einem Weinberg stammen müssen und schon vor der Gärung miteinander vermischt werden. Die Bezeichnung Schillerwein hat übrigens nichts mit dem großen Württemberger Friedrich Schiller zu tun, sondern stammt wohl schon aus dem Mittelalter.

Die Hügellandschaft entlang seiner Flüsse zeugt von der geologischen Vergangenheit Württembergs. Der vulkanische Ursprung so manchen Hügels lässt sich an seiner Kegelform ablesen. Fünf Kilometer östlich von Heilbronn liegt Weinsberg. Dort ist der Sitz der renommierten Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau. Wichtige Rebsorten wie Kerner, Dornfelder und Acolon wurden hier gezüchtet. Wein war in Württemberg lange Grundnahrungsmittel

rechte Seite: Blick von Burg Hornberg auf den Neckar Kleine Fotos oben: Flaschenlager im Sekthaus Kessler (li.) Fachwerkromantik in Niedernhall


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Die Biographie des Weins Wein und Mensch haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Biographie macht sie zu Individuen. Nicht nur Rebsorte und geografische Herkunft − Boden und Klima am Standort der Reben −, sondern auch die Verarbeitung im Keller sind entscheidende Faktoren, die jeden Wein prägen. Um beim Bild der Biographie zu bleiben (Kenner versichern übrigens, dass Wein „lebendig“ sei!): Der Kindheit im Weinberg folgt die Jugend im Keller. Ausgewachsen landet der Wein in der Flasche beim Konsumenten und mag vielleicht noch in dessen Weinkeller zu einem Senior heranreifen. Wie sieht also der Lebenslauf eines Weines aus?

Am Anfang war der Weinberg Jeder Gartenfreund weiß: Manche Pflanzen brauchen Sonne, andere bevorzugen schattige Standorte. Auch Rebsorten haben unterschiedliche Anforderungen an ihren Standort. In Deutschland, einem der nördlichsten Weinbauländer der Erde, eignen sich die Flusstäler besonders gut. Warum? Auf den meist steilen, nach Süden oder Südosten liegenden Hängen an den Ufern trifft die Sonne im optimalen Winkel auf. Das Wasser reflektiert die Strahlen und sorgt für ausgeglichene Temperaturen. Das manchmal zu Tage tretende Schiefergestein, etwa an der Mosel, speichert die Wärme des Tages. Dann dürfen die Nächte nicht nur ruhig kalt sein – kühle Nächte im Herbst sind sogar verantwortlich dafür, dass sich fruchtige Aromen in den Trauben und den späteren Weinen ausprägen können. Wachsen will gelernt sein Die Urform der Rebe war eine Waldpflanze, die sich an Bäumen empor rankte. Deshalb brauchen Reben eine Wachstumshilfe, meist Drahtspaliere oder einzelne Pfähle. Jedes Jahr treibt der Rebstock neu aus. Nur ein bis zwei Triebe lässt der Winzer stehen, um später nicht zu viele Trauben zu erhalten. Entscheidend für die Qualität des späteren Weines ist nämlich, wie viele Trauben ein Stock produzieren und damit ernähren muss. Faustregel: Je weniger, desto besser − weil sich die Kraft der Pflanze in wenigen Trauben stärker konzentriert. Ein Rebstock liefert je nach Art der Erziehung ein bis zwei Kilogramm Trauben. Der Winzer spricht vom Ertrag, der üblicherweise in Hektolitern pro Hektar angegeben wird. Eine wichtige Größe in der Biographie des Weines, weil der Ertrag die Qualität entscheidend beeinflusst! Um den Ertrag

zu reduzieren, schneiden qualitätsbewusste Winzer vor der Reife sogar überzählige Trauben heraus oder teilen sie in der Mitte durch. Ein Weinberg will gepflegt sein Damit die Trauben gesund heranwachsen, ist viel Arbeit erforderlich. Manche Winzer lassen zwischen den Zeilen Gras oder andere Pflanzen wachsen als Erosionsschutz und natürlichen Dünger. Da jeder Weinberg eine Monokultur und damit anfälliger für Schädlinge und Krankheiten ist, sind Pflegemaßnahmen nötig. Oft werden Schädlinge mit naturidentischen Pheromonen an der Fortpflanzung gehindert. Werden die Blätter zurückgeschnitten, kann die Luft besser zwischen den Reben zirkulieren; die Trauben trocknen schneller nach einem Regenguss und bekommen mehr Sonne ab. In einem Weinberg gibt es das ganze Jahr hindurch viel zu tun, sogar im Winter nach der Ernte − da werden die Ruten beschnitten, damit der Stock im Frühjahr neue Triebe bilden kann. Endlich lesen! Von der Blüte im Mai oder Juni bis zur Ernte im September oder Oktober reifen Trauben rund 100 Tage. Im günstigsten Fall war das Wetter in dieser Zeit nicht zu heiß, nicht zu kalt, nicht zu nass und nicht zu trocken. In den reifenden Trauben bilden sich Zucker, Säure und viele andere Inhaltsstoffe. Wichtig ist nun der Augenblick, in dem Zucker und Säure im optimalen Verhältnis stehen. Erfahrene Winzer probieren Tag für Tag ein paar Trauben oder messen mit dem Refraktometer den Zuckergehalt im Most, um diesen Moment zu bestimmen. Je nach Wetterlage kann es ganz schön spannend werden: Riskiert der Winzer noch ein, zwei


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Tage mehr Wartezeit? Der Zuckergehalt in der Traube entscheidet auch über die spätere Qualitätsstufe des Weins. Die Weinlese selbst gehört zu den romantischen Bildern, die jeder Weinfreund im Kopf hat. In steilen Weinhängen schneiden Erntehelfer die reifen Trauben ab und schütten sie in die Bütte oder Logel, mit der ein kräftiger Mann die Trauben auf dem Rücken aus dem Weinberg trägt. In flacheren Lagen werden oft Erntemaschinen eingesetzt, die möglichst schonend die reifen Trauben von den Rebstöcken rütteln. Nun schnell zum Keller! Dort werden die Beeren von den Stängeln getrennt (entrappt) und dann gekeltert. Durch das Entrappen können die Bitterstoffe aus den Stängeln nicht in den Wein gelangen. Wer darf auf der Haut liegen? Warum entsteht aus „weißen“ Trauben Weißwein und aus „roten“ (meist) Rotwein? Eigentlich sehen die Weißweintrauben grün und Rotweintrauben blau aus. Während der pure Saft bei allen farblos ist, sitzen in den Schalen der Beeren Farbstoffe, vor allem bei den blauen Trauben. Um die rote Farbe in den Wein zu bekommen, muss der Winzer den Saft eine Weile mit den festen Traubenbestandteilen, der Maische, stehen lassen. Schließlich beginnt die Maische zu gären und der entstehende Alkohol löst die Farbstoffe aus den Beerenhäuten. Das kann bis zu mehreren Wochen dauern, danach wird abgepresst und der Rotwein in Fässern zur weiteren Reifung gelagert. Wird der Most schon nach wenigen Stunden von der Maische getrennt, erhält man einen Roséwein. Weißweintrauben werden im Gegensatz dazu sofort gepresst und von der Maische getrennt. Wer mit Rotweintrauben genauso verfährt, erhält einen hellen Wein, einen Blanc de Noirs.

Die Gärung Nun setzt der Gärprozess ein. Hefen setzen den natürlichen Zucker im Traubenmost in Alkohol um und produzieren dabei Wärme und Kohlendioxid. Daher kommt das „Blubbern“ gärenden Mostes! Vollzieht sich die Gärung bei niedrigen Temperaturen langsamer und schonender, bleiben die fruchtigen Aromen besser erhalten. Deshalb haben die meisten Gärbehälter heute eine Kühlvorrichtung zur Temperaturkontrolle. Unter den natürlich vorkommenden Hefen gibt es viele, die unerwünschte Geschmacksstoffe bilden können. Um den Gärverlauf besser zu kontrollieren, gibt der Kellermeister in der Regel selektionierte Hefestämme zu. Manche Erzeuger verlassen sich aber wie früher auf die im Weinberg natürlich vorhandenen Hefen und lassen die Gärung von ihnen durchführen. Solch eine Spontangärung ist riskant, weil schwer zu kontrollieren, kann jedoch charaktervolle Weine hervorbringen. Eine Jugend im Keller Mit der Gärung hat die Jugend des Weines begonnen. Manche Weißweine lässt der Winzer längere Zeit auf der Hefe liegen, damit sie einen feineren Geschmack entwickeln. Die Hefe wird dann vom Wein getrennt (der „Abstich“). Nun braucht der Wein noch Zeit, um sich zu entwickeln. Manche, besonders rote Weine, werden in Holzfässer aus Eiche (Barriques) gefüllt, die ihnen im Lauf mehrerer Monate zusätzlich Struktur und gewisse Geschmacksstoffe verleihen. Während manche Weine schon wenige Wochen nach der Ernte angeboten werden, dürfen andere viele Monate im Keller des Winzers verbringen. Jung, frisch und fruchtig die einen, komplex, ausgereift und vielschichtig die anderen.

Was ist eigentlich ein Barrique Fass? Das traditionelle Barrique mit einem Fassungsvermögen von 225 Litern stammt aus Frankreich. Es ist ein kleines Fass, meist aus Eichenholz, in dem besonders Rotweine reichere Aromen und Strukturen entwickeln. Durch die Reifung im Barrique bekommen Weine meist auch röstige oder würzige Noten. Seit einigen Jahrzehnten bauen viele deutsche Winzer ihre Rot- und auch Weißweine im Barrique aus und erzielen hervorragende Ergebnisse. Andere Weine werden in Edelstahltanks oder in den klassischen großen Holzfässern ausgebaut. Sie haben dann keine oder fast gar keine Holzprägung.

Ab in die Flasche Die Abfüllung ist der Augenblick, in dem der Winzer seinen Wein als jungen Erwachsenen in die Welt entlässt. Nun kann er nichts mehr tun! Aber Wein ist lebendig, und auch in der Flasche laufen Prozesse ab, die für eine Veränderung des Geschmacks sorgen. Vor allem Sauerstoff bewirkt diese Entwicklung (Oxidation). Deshalb soll die Flasche möglichst luftdicht verschlossen sein. Andererseits: Ein wenig Sauerstoff ist bei komplexen Rotweinen durchaus erwünscht! Der Naturkork galt lange Zeit als idealer Verschluss, weil er beides gewährleistet: Dichtigkeit und eine gewisse Durchlässigkeit für Sauerstoff. Heute gibt es eine Reihe von Verschlusstypen wie Schrauboder Glasverschlüsse, die absolut „dicht halten“. Die Reifung eines Weins ist eine spannende Sache, ein Jahrzehnte alter Tropfen mit edlen Reifenoten kann ein großartiges Erlebnis sein. Aber auch die jungen Weine mit ihren frischen Fruchtaromen haben ihre Anhänger.

Wussten Sie schon? Während in anderen Ländern manchmal fertig vergorene Jungweine noch im Erntejahr vermarktet werden (Primeur), schätzt man in vielen deutschen Anbaugebieten sogar den noch gar nicht vollendeten Wein.

Je nach Region heißt diese Spezialität Federweißer, Roter Rauscher, Sauser, Brauser oder Bitzler. Und bitzeln tut er auch, der noch trübe, gärende Most, der etwa fünf Volumenprozent Alkohol und viel natürlichen Zucker

enthält. Die Flaschen dürfen nicht verschlossen sein, damit das Kohlendioxidgas entweichen kann. Köstlich schmeckt so ein prickelnd-süßes Glas Federweißer zu warmem Zwiebelkuchen! Man kann ihn beim

Winzer, aber auch in vielen Supermärkten kaufen oder bei Weinfesten am Stand genießen. Im weinreichsten Bundesland Rheinland-Pfalz werden jedes Jahr über zwei Millionen Liter Federweißer getrunken!

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Wein macht Arbeit W e in m a cht A r b e it

Es kann nur einen geben: nämlich einen Weinjahrgang. Eine zweite Chance bekommt der Winzer von der Natur nicht. Damit der Wein gelingt, muss das ganze Jahr über viel Arbeit getan werden. „Die Qualität wächst im Weinberg“ − diese Winzerweisheit klingt einfach, hat es aber in sich! Im Keller kann man zwar einen guten Wein verderben, aber niemals kann man einen schlechten Wein „verbessern“.


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Während im Keller die frisch gelesenen Weine gären und reifen, herrscht im Weinberg Ruhe. Ein paar Beeren hängen vielleicht noch und warten auf den ersten Frost, um als Eiswein geerntet zu werden. Die Reben haben ihren Wachstumszyklus beendet. Fröste machen den Rebstöcken jetzt meist nichts aus. Im Januar beginnen die Win-

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Die Ruten, aus denen die neuen Triebe wachsen sollen, werden gebogen und an den Drahtrahmen befestigt. Dafür muss es warm genug sein. Im April setzt meist der Austrieb ein: Die Reben bekommen erste Blätter. Der Winzer bearbeitet den Boden und sät zum Beispiel die Begrünungspflanzen zwischen den Rebzeilen aus. Im Mai wachsen die Triebe. Gefährlich sind jetzt Nachtfröste: Erfrierungsgefahr! Es bilden sich Blütenansätze, die Gescheine. Botanisch gesehen hat der Blütenstand die Form einer Rispe mit vielen kleinen Blüten. Erste

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zer, je nach Wetter, mit dem Beschnitt: Die alten Triebe werden abgeschnitten. Der richtige Rebschnitt entscheidet darüber, wie die Rebe später austreibt und wie hoch der Ertrag sein wird. Diese Arbeit im Weinberg kann mehrere Wochen dauern.

Maßnahmen zum Pflanzenschutz können nun notwendig werden. Überzählige Triebansätze werden entfernt. Meistens blühen die Reben Mitte Juni, in den heutigen Zeiten der globalen Erwärmung manchmal auch früher. Bei ungünstiger, feuchter Witterung während der Blüte kommt es zur unzureichenden Befruchtung (Verrieselung). Dann bilden sich nicht alle Beeren der Traube aus. Die Blüte selbst ist wenig auffällig. Von der Blüte bis zur Ernte vergehen je nach Jahrgang 100 bis 120 Tage.

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Nun ist durch „Laubarbeit“ dafür zu sorgen, dass die Laubwand die Nährstoffversorgung optimal erfüllt. Zu viel Laub ist nicht gut für die Durchlüftung der Rebzeilen, auch brauchen die reifenden Trauben Sonne. Geiztriebe, die nicht benötigt werden, werden entfernt. Bei feuchtwarmem Wetter ist die Gefahr von Pilzkrankheiten hoch. Reben sind wuchskräftige Pflanzen. Die Wuchsleistung beträgt bis zu drei Meter im Jahr! Die Reifung der roten Trauben kündigt sich mit dem Farbwechsel an. Überzählige Trauben werden herausgebrochen („grüne Lese“), um

Der Oktober ist Erntemonat insbesondere für Riesling und Spätburgunder! Die Blätter sind gelb oder rot verfärbt. Nun herrscht Hochbetrieb im Keller und in den Weinbergen. Der sprichwörtliche „goldene“ (sonnige und trockene) Oktober bringt die besten Qualitäten. In manchen Jahren muss wegen des Wetters sehr schnell gelesen werden.

die Qualität zu verbessern: Die verbliebenen Trauben profitieren von der vollen Kraft des Rebstocks. Früh reifende Sorten werden schon Ende August gelesen – oftmals auch für die Bereitung des ersten Federweißen des Jahres. Im September reifen die Trauben aus. Wichtig ist das optimale Verhältnis von Süße und Säure („physiologische Reife“). Der Winzer kontrolliert täglich den Reifeverlauf. Mitte bis Ende September beginnt die Hauptlese in der Regel mit dem Müller-Thurgau. Doch auch die Vögel haben Appetit auf frische Trauben. Sie müssen verjagt werden.

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Wichtig: Die Trauben müssen perfekt ausgereift, gesund und trocken sein. Kranke oder faule Beeren werden oftmals von Hand aus der Traube herausgeschnitten oder -gelesen. Mehrere Lesedurchgänge können erforderlich sein. In Flachlagen kann mit der Erntemaschine gelesen werden. In Hang- und Steillagen ist meist nur Handarbeit möglich.


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ÖkoWeinbau

Genau genommen ist Öko- oder Biowein ein Wein aus ökologisch angebauten Trauben. Bei der Arbeit im Weinberg muss der Ökowinzer strenge Auflagen beachten. So dürfen keine Mineraldünger oder bestimmte Pflanzenschutzmittel gegen Krankheiten und Schädlinge verwendet werden. Erlaubt sind ausschließlich die für den Ökoweinbau zugelassenen Mittel. Die Begrünung zwischen den Rebzeilen, einst Erkennungsmerkmal eines Bio-Weinbergs, wird heute allerdings auch von vielen konventionell oder integriert wirtschaftenden Winzern praktiziert. Die Umstellung vom konventionellen auf den ökologischen Anbau dauert drei Jahre. Derzeit werden rund 5.000 Hektar, das entspricht etwa fünf Prozent der deutschen Rebfläche, ökologisch bewirtschaftet, Tendenz steigend!

Der größte Verband ökologisch wirtschaftender Winzer, Ecovin, wurde 1985 gegründet und hat inzwischen über 200 Mitgliedsbetriebe, die etwa 1.200 Hektar bewirtschaften. Außerdem gibt es noch die Verbände Demeter, Naturland und Bioland. Der biologisch-dynamische Anbau (Biodynamie) ist eine besondere Form des Ökoweinbaues, die sich an den Theorien des Anthroposophen und Begründers der Waldorfpädagogik, Rudolf Steiner, orientiert. Dabei wird der Boden mit bestimmten Stärkungs-Präparaten versehen, und der Winzer versucht, die Einflüsse des Mondes und der Planeten mit zu berücksichtigen und zu nutzen.

Auch konventionell arbeitende Winzer versuchen, den Einsatz synthetischer Mittel ganz oder so stark wie möglich einzuschränken. Dass ein gesundes Bodenleben die Reben widerstandsfähiger und die Weine vielschichtiger macht, hat sich herumgesprochen. Statt auf Schädlingsbekämpfungsmittel gegen den gefürchteten Traubenwickler setzt die Mehrheit der Winzer mittlerweile auf die umweltschonende „Verwirrungsmethode“ mit Pheromonen. Ist die Konzentration dieses Sexuallockstoffs des Traubenwicklerweibchens im Weinberg zu groß, finden die Männchen ihre Weibchen nicht mehr. So kann sich der hierzulande wichtigste tierische Schädling nicht mehr vermehren. Ganz neue Wege gehen Winzer mit den so genannten PiWis, d.h. pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Das sind Züchtungen, die weniger anfällig für bestimmte Krankheiten sind und deshalb Pflanzenschutzbehandlungen überflüssig machen. Gerade für Ökowinzer sind diese resistenten Rebsorten interessant. Die erfolgreichste dieser Neuzüchtungen ist die Rotweinsorte Regent, die heute schon auf mehr als 2.000 Hektar angepflanzt wird. Wichtige Frage der Weinliebhaber: Schmecken Ökoweine besser als andere? Darauf antwortet der Verband Ecovin: „In der Regel schmecken Ecovin-Weine nicht anders als qualitativ gleichwertige Weine aus konventionellem Anbau.“ Sie erfüllen jedoch das Bedürfnis nach einem Produkt, das soweit wie möglich im Einklang mit der Natur hergestellt wurde.

Wussten Sie schon? Die Klimaerwärmung bleibt nicht ohne Einfluss auf den Wein. Die Durchschnittstemperatur während der Vegetationsperiode ist beispielsweise im Rheingau in den letzten 20 Jahren um rund ein Grad Celsius gestiegen. Bis dato zählen die deutschen Winzer noch zu den Gewinnern des Klimawandels. Jahre, in denen sie – wie noch bis zu den Achtzigern – um die Vollreife bangen mussten, sind vorüber. Sie können nun den optimalen Lesezeitpunkt abwarten. Insbesondere die Rotweine haben von den wärmeren Temperaturen profitiert.

Der Gefahr, dass die Weißweine zu alkoholreich werden und ihre typische, rassige Fruchtigkeit verlieren, kann bei Bedarf durch eine geänderte Rebenerziehung begegnet werden. Es gibt aber auch negative Folgen der Klimaerwärmung, wie etwa die verstärkte Einwanderung bisher unbekannter Schädlinge aus wärmeren Regionen (z.B. Zikaden) sowie die Zunahme extremer Wetterphänomene wie Starkregen, Starkhagel und ausgeprägte Trocken- oder Feuchtperioden.

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Das Etikett Die

Vi siten k a r te

de s

Wei n s

Das Etikett verrät, was in der Flasche ist. Manchmal befinden sich Angaben auch auf dem Rückenetikett. In jedem Fall dienen die Angaben Ihrer Information und dürfen daher nicht irreführend sein. Was in welcher Form auf dem Etikett stehen darf und stehen muss, ist deshalb durch das Weinbezeichnungsrecht genau geregelt.

haltbar. Beerenauslesen können nicht in jedem Jahr geerntet werden.

Sie müssen auf jedem Etikett stehen! Zu ihnen gehören die Nennung der Güteklasse (Deutscher Wein, Landwein, Qualitäts- oder Prädikatswein) und gegebenenfalls die Prädikatsstufe (Kabinett, Spätlese etc.), die Angabe des Alkoholgehalts (in %Vol.) sowie des Nennvolumens. Bei Qualitäts- und Prädikatsweinen muss auch die Amtliche Prüfnummer aufgeführt sein. Bei Qualitätsbzw. Prädikatsweinen sowie Sekten bestimmter Anbauregionen (b.A.) ist das Anbaugebiet zu nennen – bei Landweinen das entsprechende Landweingebiet. Ferner muss der Abfüller aufgeführt sein. Seit 2005 muss auch ein Hinweis auf enthaltene Sulfite auf dem Etikett stehen.

E i swe i n : Wird aus im gefrorenen Zustand geernteten und gekelterten, idealerweise gesunden Trauben gewonnen (Temperatur unter minus 7 Grad Celsius), sehr hoher natürlicher Zuckergehalt. Nur in besonderen Jahren gelingt eine Eisweinlese. Eisweine haben ein außergewöhnlich langes Lagerpotenzial und können viele Jahrzehnte reifen.

Die Pflichtangaben

Die mit Abstand häufigste Güteklasse wird gerne als „QbA“ abgekürzt. Jeder Qualitätswein muss eine analytische und sensorische Prüfung bestehen, was durch eine amtliche Prüfnummer auf dem Etikett vermerkt wird. Die Trauben eines Qualitätsweins müssen zu 100 Prozent aus dem angegebenen Anbaugebiet stammen. Weitere Voraussetzungen, um als QbA zugelassen zu werden, betreffen das Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete

Mindestmostgewicht (siehe S. 58) bzw. den natürlichen Mindestalkoholgehalt. Erfüllt ein Wein strengere als die für die Güteklasse QbA Prädikatswein geltenden Anforderungen, kann er als Prädikatswein angeboten werden. Das Prädikat ist auf dem Etikett aufgeführt und gibt Aufschluss über den Weintyp. Es wird oft in Verbindung mit einer Rebsorte genannt, z.B. in Form von „Riesling Spätlese“ oder „Müller-Thurgau Kabinett“. In aufsteigender Folge nach dem jeweils geforderten Mindestmostgewicht heißen die Prädikate: K a b i ne t t : Leichter, eleganter Wein mit

niedrigem Alkoholgehalt.

S pät lese : Eleganter, kräftiger Weintyp mit ausgeprägten Fruchtaromen, wird aus Trauben gewonnen, die später geerntet wurden. Au slese : In der Regel süße, besonders

feinfruchtige Weine aus vollreifen Trauben.

Bee r enau slese : Wird aus überreifen Trauben gewonnen, die durch die Edelfäule (Botrytis) eine höhere Zuckerkonzentration im Most aufweisen; Süßwein-Typ; sehr lange

Trockenbeerenauslese: Hocheleganter,

extrem lagerfähiger Süßwein aus rosinenartig eingeschrumpften Beeren, sehr hoher natürlicher Zuckergehalt; die Aromen erinnern an Honig und exotische Früchte, die Konsistenz ist oft nektarartig.

Die Qualitätsweinprüfung wird in jedem Anbaugebiet von einer amtlich bestellten, unabhängigen Prüfkommission durchgeführt. Die Weine werden von Experten “blind” beurteilt. Sie müssen fehlerfrei, sorten- und gebietstypisch sein. Mit bestimmter Punktzahl und dem Bestehen der chemisch-analytischen Untersuchung wird die Amtliche Prüfnummer erteilt. Man spricht deshalb davon, dass die „Qualität im Glase“ entscheidet, nicht etwa eine bestimmte Weinbergslage oder gar der Name des Erzeugers.

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Was ist eigentlich das Mostgewicht? Je reifer die Traube, desto mehr Zucker enthält der Saft. Die Messung des Mostgewichts (des Zuckergehalts) erlaubt daher den Rückschluss auf die Reife der Trauben. Gemessen wird hierzulande in Grad Oechsle. Ein Grad Oechsle bedeutet, dass ein Liter Most 1 Gramm schwerer ist

als ein Liter Wasser. In manchen Jahren haben Trockenbeerenauslesen mehr als 200 Grad Oechlse! Der größte Teil des natürlichen Zuckers wird bei der Gärung in Alkohol verwandelt. Je reifer die Trauben, desto mehr Alkohol kann gebildet werden. Zucker, der nach der Gärung im

Wein verbleibt, wird Restzucker genannt. Der Name Oechsle stammt von dem aus Pforzheim stammenden Goldschmied und Erfinder Christian Ferdinand Oechsle (1774-1852), der die Mostwaage zur Bestimmung des Mostgewichts entwickelte. werden. Mit maximal 13 g/l Restzucker sind sie eher der trockenen Geschmacksrichtung zuzuordnen. Diese Weine müssen auch eine zusätzliche sensorische Prüfung bestehen. Außerhalb des Rheingaus werden diese trockenen Spitzenweine (auch aus anderen, in ihren Anbaugebieten typischen Rebsorten) nach dem Klassifikationsmodell des Verbands der Deutschen Prädikatsweingüter (VDP) als Großes Gewächs bezeichnet. Auf dem Etikett sind sie an dem Kürzel „GG“ zu erkennen. Deutscher Landwein zählt zu den Weinen mit einer Landwein geografischen Angabe. Er ist ein umkomplizierter Wein, der typisch für seine Region ist. Landwein ist stets trocken oder halbtrocken. Seit dem 1. August 2009 sind in Deutschland insgesamt 26 LandweinGebiete gesetzlich festgelegt – dazu zählt seit Neuestem auch ein Schleswig-Hosteiner Landwein, denn im hohen Norden Deutschlands, wie etwa auf der Insel Sylt, wachsen mittlerweile auf rund zehn Hektar Reben.

Diese Bezeichnung wurde mit dem Jahrgang 2000 Classic eingeführt. Bei ClassicWeinen handelt es sich um Qualitätsweine aus gebietstypischen, klassischen Rebsorten, die immer harmonisch trocken schmecken. Es befinden sich daher keine weiteren Geschmacksangaben auf dem Etikett.

Im Anbaugebiet Rheingau findet man im TopSegment die Bezeichnung Erstes Gewächs auf dem Etikett. Für diese Weine gelten strenge Qualitätsrichtlinien wie geringe Erträge, Handlese und Rebschnitt, zudem sind die Weinberge, aus denen Erste Gewächse kommen dürfen, parzellengenau abgegrenzt. Nur aus den Rebsorten Riesling und Spätburgunder dürfen Erste Gewächse erzeugt Erstes und GroSSes Gewächs

„Deutscher Wein“ ohne nähere Herkunftsbezeichnung darf ausschließlich aus deutschem Lesegut sowie zugelassenen Rebflächen und Rebsorten stammen. In Deutschland werden im Vergleich zu anderen Anbauländern nur kleine Mengen dieser Qualität erzeugt. Zusammen mit dem Landwein machen sie etwa fünf Prozent der deutschen Weinproduktion aus. Deutscher Wein

Wussten Sie schon? Es gibt etwa 2.600 Einzellagen in den deutschen Anbaugebieten. Jede von ihnen ist in einem amtlichen Kataster, der Weinbergsrolle, erfasst. Ihre Größen schwanken beträchtlich. Die kleinste Einzellage Deutschlands ist die Walporzheimer

Gärkammer an der Ahr, die noch nicht einmal ein Hektar umfasst. Mit 85 Hektar ist die renommierte Lage Würzburger Stein die größte deutsche Einzellage. Aus dem Lagennamen kann der Weinkenner bisweilen bereits erste Rückschlüsse auf die zu

erwartende Typizität des Weines ziehen, gibt sie doch oft Auskunft über die Bodenart (Vulkanfelsen, Sandgrube, Kalkofen). Übrigens: der Begriff „Lay“, den man sehr oft in Lagenbezeichnungen an der Mosel findet (Rosenlay, Sonnenlay, Laurentius-


D a s Etik e tt

Auf jeder Weinflasche muss der Abfüller angegeben werden. Nicht immer ist dieser identisch mit dem Erzeuger der Trauben. Kellereien kaufen Trauben oder Weine, die sie weiter verarbeiten und beispielsweise unter einem Markennamen vermarkten. Die Kellerei ist der Abfüller. Genossenschaften und Weingüter sind in der Regel Erzeuger, da sie Trauben aus eigenem Anbau verarbeiten. Manchmal jedoch kaufen auch Winzer Trauben zu. Abfüller und Erzeuger

Wonach sucht der Käufer auf dem Etikett zuerst? Wahrscheinlich nach dem Jahrgang und der Rebsorte. Beides steht fast immer auf dem Etikett, jedoch ist die Angabe des Jahrgangs und der Rebsorte nicht verpflichtend. Klar ist, dass die Trauben (zu mindestens 85 Prozent) im angegebenen Jahrgang geerntet und aus der angegebenen Rebsorte gewonnen sein müssen. Übrigens: Bei Eisweinen kann es vorkommen, dass die Trauben erst im Januar geerntet werden. Es wird dann trotzdem der Jahrgang angegeben, in dem die Trauben gereift sind. Weitere Angaben auf dem Etikett

Ebenfalls erlaubt, aber nicht verpflichtend: Die Angabe der Lage, in der die Trauben gewachsen sind. Heute führen Winzer die Lage meist nur dann auf dem Etikett auf, wenn der Wein ihr in besonderem Maße seine Charakteristik verdankt. Die Lagenangabe besteht aus Orts- und Lagennamen, denn Einzellagen gehören immer zum Gebiet einer Gemeinde, wie zum Beispiel Forster Ungeheuer oder Bernkasteler Doctor. Lagenbezeichnung

Geschmacksstufe

Ein Stück Würfelzucker wiegt rund 3 Gramm. Unsere Zunge kann eine Konzentration von ca. 5 Gramm Zucker in einem Liter Wasser wahrnehmen (ausDie Geschmacksstufe wird probieren!). Cola enthält rund 106 Gramm Zucker bei trockenen und halb- pro Liter. Edelsüße Spezialitäten wie Eisweine trockenen Weinen so gut oder Trockenbeerenauslesen können natürliwie immer auf dem Etiche Restzuckergehalte von über 200 kett angegeben. Steht Gramm pro Liter aufweisen.

keine Geschmacksangabe auf dem Etikett, ist der Wein in der Regel lieblich bis edelsüß. Die Erzeuger können durch Steuerung der Gärung Weine in verschiedenen Geschmacksstufen anbieten. Wird die Gärung beispielsweise durch Kühlung unterbrochen, bevor der gesamte Zucker in Alkohol umgewandelt wurde, behält der Wein seine natürliche Restsüße. Die Geschmacksstufen sind hierzulande T ro c ken für Weine mit einem Restzuckgesetzlich festgelegt: ergehalt bis 4 Gramm pro Liter oder maximal 9 Gramm pro Liter, wenn die Säure höchstens 2 Gramm niedriger ist. H al b t ro c ken für Weine mit einem Restzuckergehalt bis 12 Gramm pro Liter oder maximal 18 Gramm pro Liter, wenn die Säure nicht mehr als 10 Gramm darunter liegt. L i e b l i c h sind Weine mit einem Restzuck-

ergehalt über dem der halbtrockenen Weine bis maximal 45 Gramm pro Liter.

S ü S S gilt für Weine über 45 Gramm pro Liter Restzuckergehalt.

lay) kommt aus dem Keltischen und bedeutet Schiefer oder Schieferfelsen. Manchmal gibt der Lagenname auch Hinweise auf die früheren Besitzverhältnisse (Klostergarten, Grafenberg, Kirchenstück). Eine vollständige graphische Übersicht

mit Luftbildern von allen Weinlagen bietet der Deutsche Weinatlas – zu beziehen über www.deutscheweine.de

Wie der Wein schmeckt, kommt sehr auf den Fruchtsäuregehalt des Weines an, da die Säure die Süße geschmacklich dämpft. Deshalb können dem Restzuckergehalt nach liebliche Weine trotzdem halbtrocken schmecken. Für solche Weine hat sich die Bezeichnung feinherb eingebürgert. Oft wird der Begriff feinherb, für den keine gesetzlichen Grenzwerte definiert sind, auch als Synonym für halbtrocken benutzt. Da Schaumweine Kohlensäure enthalten, die den Süßeeindruck ebenso dämpft wie die Fruchtsäure im Wein, liegen die Grenzwerte für die Geschmacksstufen bei ihnen anders..

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D e u t s chl a nd p r ick e lt

Winzersekt und Secco: Die deutschen Winzer sind Spezialisten für schäumende Weine. Und die Deutschen sind Weltmeister im Schaumweinkonsum! Ein Glas Sekt lässt uns den Moment genießen. Nicht nur, wenn es etwas zu feiern gibt! Nirgendwo auf der Welt wird mehr Schaumwein genossen als in Deutschland: rund 3,9 Liter oder 5,2 Flaschen pro Kopf waren es 2009. Kein Wunder also, dass in Deutschland eine große Schaumweinvielfalt existiert.

Wie kommen die Perlen in den Sekt? Bei der Sektherstellung werden Weine ein zweites Mal vergoren. Dabei entsteht Kohlensäure, die im Produkt verbleibt und das Charakteristikum des Schaumweins ausmacht. Die meisten Markensekte werden als Cuvées aus verschiedenen Grundweinen in großen Druckbehältern vergoren, was größere einheitliche Partien garantiert. Die Abfüllung in Flaschen erfolgt erst nach Abschluss des Gärprozesses.

Deutschla Qualitätsmerkmal für Sekt ist in erster Linie der Grundwein und in zweiter Linie das Herstellungsverfahren. Der Winzer schätzt in der Regel kleinere, individuellere Partien und wendet daher häufig die klassische Flaschengärung an. Hierbei erfolgt die zweite Gärung in der Flasche. Die einzelnen Flaschen werden solange „gerüttelt“, d.h. gedreht und dabei langsam aufgerichtet, bis sich die Hefe im Flaschenhals abgesetzt hat. Dann wird die Hefe entfernt, ohne dass der Sekt die Flasche verlässt.

Winzersekt ist eine Bezeichnung für einen nach dieser traditionellen Methode erzeugten Sekt aus eigenen, im Weingut vinifizierten Trauben eines Erzeugers. Er trägt den Zusatz b.A., wenn die Trauben aus einem bestimmten Anbaugebiet stammen. Die Bezeichnung wurde vor 30 Jahren in Rheinhessen kreiert. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die Bezeichnung Crémant in Deutschland zugelassen: Ganztraubenpressung, traditionelle Flaschengärung, Angabe eines Anbaugebietes, nur Trauben aus bestimmten zugelassenen Rebsorten. Winzersekte von Weingütern oder Genossenschaften − manche „Sektmanufakturen“ haben sich sogar darauf spezialisiert − werden im Fach- und Versandhandel oder im gut sortierten Lebensmittelhandel angeboten. Oder man kauft sie direkt beim Erzeuger!

SpaSS muss sein: perlender Secco Secco und Perlwein heißen Weine mit zugesetzter oder eigener Kohlensäure, aber etwas geringerem Innendruck. Die Bezeichnung Secco hat sich, inspiriert vom italienischen Prosecco, als eine Art Gattungsbegriff eingebürgert; die offizielle Bezeichnung lautet: Deutscher Perlwein. Perlweine oder Seccos sind sommerlich-fruchtige Erfrischungen, die viel Trinkvergnügen bereiten. Durch den Wegfall der Sektsteuer und das vereinfachte Verfahren sind sie in der Regel preiswerter als Sekte. Bei den Deutschen sind sie zunehmend beliebt.


D e u t s chl a nd p r ick e lt

nd prickelt Das Wort Sekt kommt von Shakespeare! Ein bekannter Schauspieler, Ludwig Devrient, bestellte um 1825 in der Berliner Weinstube „Lutter und Wegner“ (gibt es noch heute!) sein Lieblingsgetränk Champagner mit einem Zitat aus Heinrich IV: „Bring er mir Sect, Schurke − ist keine Tugend mehr auf Erden?“ (Akt II,4: “Give me a cup of sack, rogue. Is there no virtue extant?”) Shakespeare hatte Falstaff eigentlich Sack, also einen trockenen Sherry-Wein ordern lassen. Aber weil Devrient eben damit Schaumwein meinte, bürgerte sich der Ausdruck Sekt für perlenden Wein ein. 1925 wurde daraus eine amtliche Bezeichnung, weil der Begriff Champagner nicht mehr für deutsche Schaumweine benutzt werden durfte. Übrigens: 1779 übersetzte Johann Gottfried Herder den französischen Begriff Mousse für die Perlen im Sekt mit „Schaum“: Der Schaumwein war geboren!

Der Pikkolo Typisch für Deutschland ist der „Pikkolo“, eine kleine Sektflasche von 0,2 Liter Fassungsvermögen. Eigentlich ist Pikkolo ein eingetragenes Warenzeichen der Firma Henkell aus den 1930er Jahren für die Sektmarke Henkell trocken. Damals wurden auch junge Hotel- und Kellnerlehrlinge als Pikkolo bezeichnet, und ein gezeichneter „Pikkolo“ war eine Werbefigur für die Marke. Heute hat sich der Begriff auch für MiniSektflaschen anderer Fabrikate eingebürgert. Ein „Pikkolo“ geht immer!

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W e in a ktiv E r l e b e n


aktiv

W e in a ktiv E r l e b e n

Wein

erleben

Die 13 deutschen Weinanbaugebiete bieten neben hervorragenden Weinen auch äußerst abwechslungsreiche Möglichkeiten, Land und Leute zu entdecken. Wer sich direkt beim Winzer einquartiert findet beste Voraussetzungen für einen erlebnisreichen Genießerurlaub in authentischer Atmosphäre. Viele Erzeuger bieten hervorragende Übernachtungsmöglichkeiten an. Schienen & Rollen

Wassersport

Beschaulicher, aber auch mit Körpereinsatz lassen sich Anbaugebiete auf Schienen erkunden – auf Draisinen, die man mieten kann – eine echte Gaudi und zu haben in den Anbaugebieten Nahe und Pfalz. InlineSkater kommen im Rheingau und Mittelrheintal bei der Aktion „Rhineon-skates“ auf ihre Kosten: Im August wird die Bundesstraße durch das UNESCO-Weltkulturerbe auf 135 Kilometern einen Tag lang freigegeben; die Strecke geht von Rüdesheim nach Koblenz und zurück.

Wer das Fahrrad lieber mit dem Boot tauschen möchte, findet an der 217 Kilometer langen „Wasserwanderroute Mosel“ viele Verleihstationen und über 60 Anlegestellen für den Landgang zwischendurch. Sogar Wasserski lässt sich auf der Mosel bei Bullay fahren, Neoprenanzug inklusive. Auch an Saale und Unstrut gibt es schöne Wasserwanderwege. Das Nahe-Seitenflüsschen Glan eignet sich wie die Lahn bestens für Kanu- und Kajakfreunde.

Fahrradtouren

Hufe oder Motorbike

Die Ufer der Flüsse in allen Weinregionen eignen sie sich gut für Entdeckungstouren mit dem Fahrrad. Den Main kann der aktive Radler auf über 600 km Radweg von der Quelle bis zur Mündung begleiten und dabei romantische Weinlandschaften kennenlernen. An der Mosel gibt es, auf über 1000 km Radwegnetz, ausgearbeitete Tourenvorschläge für Rundreisende oder Streckenfahrer – Gepäcktransport auf Wunsch inklusive. Auch die Weinstraßen, zum Beispiel durch die idyllischen Täler von Tauber, Jagst, Kocher und Rems im Anbaugebiet Württemberg oder die Bocksbeutelstraße in Franken, bieten ganzjährig viel Abwechslung für das Auge und die Beine.

Wem es in der Luft zu unsicher ist, mag den Rücken eines Pferdes bevorzugen: In der Südpfalz gibt es Touren für Reiter zwischen Wein und Wald – oder man mietet sich einen Motorroller und erkundet damit die Weinberge! Geführte Biker-Touren werden auch an der Mosel angeboten, aber auch die Weinregion Baden bietet wundervolle Strecken gepaart mit kulinarischen Köstlichkeiten.

Wandern & Klettern Wunderbar Wandern lässt sich fast überall, wo Reben stehen. Im Rheingau und am Mittelrhein gibt es beispielsweise den 320 km langen Rheinsteig. Insbesondere das Teilstück von St. Goar bis Bacharach führt durch eindrucksvolle Rebhänge mit atemberaubenden Ausblicken auf das Rheintal. Ein Klassiker unter den Weinwanderwegen ist der Ahr-Rotweinwanderweg von Altenahr bis Bad Bodendorf. Kilometerweite Wanderwege durchziehen auch den Kaiserstuhl und Tuniberg in Baden. Wer es noch sportlicher möchte, dem bieten der steilste Weinberg Europas, der 378 Meter hohe Bremmer Calmont an der Mosel, oder der Rotenfels an der Nahe Herausforderungen, wobei letzterer allerdings nur für geübte Kletterer geeignet ist.

In luftigen Höhen Wer einmal abheben möchte, ist im Anbaugebiet Mittelrhein ebenfalls richtig. In Bad Ems an der Lahn kann man mit dem Gleitschirm Übungsflüge unternehmen. Über das sanft gewellte Rebenmeer Rheinhessens erheben sich bei schönem Wetter viele Heißluftballons – ein beliebter Trendsport der auch von der Südpfalz bis hinüber nach Baden und an die Hessische Bergstraße angeboten wird.

Golf Für alle die gern abschlagen ist beispielsweise die Pfalz ein ideales Reiseziel. Auf der mitten in den Weinbergen gelegenen Golfanlage Deutsche Weinstraße bei Dackenheim sind sogar die Spielbahnen nach Rebsorten benannt.

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Weinkauf beim Winzer Kaufen beim Winzer ist immer ein Erlebnis! Kein Wunder, dass viele Winzer, Genossenschaften und Kellereien ihre Verkaufsräume ausgebaut haben: Hier empfangen sie ihre Kunden. Es sind moderne Vinotheken geworden, architektonisch spannend gestaltet, wahre Lounges, in denen sich Wein wunderbar entspannt genießen lässt, während das Auge immer neue bauliche Details entdeckt. Rustikale, aber unbequeme Bauernstühle oder Barhocker, PlastikReblaub, alte Bütten und gehäkelte Tischdecken als Deko haben längst ausgedient. Nicht wenige dieser schick gestalteten Räume sind mit einem Architekturpreis ausgezeichnet worden. Zu kaufen gibt es übrigens nicht nur Wein, sondern auch vieles mehr: Weingelees, Feinkost, Schokoladen, Traubenkernöle, Essige, Obstbrände, Liköre, Gläser und andere Accessoires. Viele Winzer bieten Ihren Besuchern einen Kellerrundgang an. Da schlägt das Herz eines jeden Weinfreundes höher. In modernen Weingütern existieren oft romantische, alte Keller mit großen, verzierten Holzfässern neben beeindruckender High-Tech-Ausrüstung:

Foto: Dieter Leistner, @ LWG, Veitshöchheim

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pneumatische Traubenpressen, die das Lesegut besonders schonend verarbeiten, blitzende Edelstahltanks mit computergesteuerter Kühlung, klimatisierte Barrique-Keller und vollautomatische Abfüllanlagen. Oft wird die Schwerkraft in geschickter Weise ausgenutzt, um unnötiges Pumpen und damit mechanische Belastung des Leseguts oder Mosts zu vermeiden. Die häufig beträchtlichen finanziellen Investitionen haben alle ein Ziel: Noch bessere Qualität und zufriedene Kunden.

Zu Gast im Winzerhof Nicht selten werden in den Höfen während der Sommer- und Herbstmonate Tische und Bänke aufgestellt: Das Weingut wird zur Strauß-, Hecken- oder Besenwirtschaft. Diese in Deutschland und Österreich („Buschenschank“) typische Einrichtung soll auf Karl den Großen zurückgehen, der den Winzern erlaubte, ein paar Monate im Jahr ihre eigenen Weine und kleine Speisen anzubieten. Zum Zeichen, dass die Wirtschaft geöffnet sei, wurde ein Strauß oder Besen am Tor befestigt: Der Winzer hatte „ausgesteckt“. Der Besuch einer Straußwirtschaft ist an warmen Sommerabenden eine feine Sache und eine gute Gelegenheit, Weine aus dem breiten Angebot des Erzeugers zu probieren. Dazu gibt es typische Spezialitäten der Region aus frischen Produkten. Herz, was willst du mehr?


W e in a ktiv E r l e b e n

Wussten Sie schon?

Urlaub ist kostbar. Warum also Zeit mit Suchen verlieren? In den Weinregionen gibt es über 500 weinkompetente Gästeführer, die Urlaubern eine Vielzahl von Erlebnisangeboten rund um den Wein unterbreiten – von der Weinbergswanderung bis zu kulinarischen Weinproben. Die meisten Gästeführer arbeiten ehrenamtlich, alle haben eine spezielle Ausbildung absolviert und haben viel Freude daran, ihre Region vorzustellen. Informationen: www.tourismus.deutscheweine.de

Urlaub beim Winzer Wenn aus dem Weingutsbesuch eine ausgedehnte Weinprobe geworden ist − Winzer beantworten immer gerne Fragen interessierter Kunden −, liegt der Gedanke nahe: Könnte man nicht noch über Nacht bleiben? Gästezimmer oder auch Ferienwohnungen gibt es in vielen Weingütern, denn Urlaub beim Winzer ist beliebt geworden. Für ihre Gäste lassen sich die Winzer etwas einfallen: Kutschfahrten und geführte Wanderungen durch die Weinberge, Radtouren mit Gepäcktransport, Weinproben mit zur Saison passenden kulinarischen Themen, Kochkurse, Theateraufführungen und Konzerte. Langweilig ist ein Urlaub beim Winzer nie.

Was ist eigentlich eine Riesling-Lounge? Man könnte sagen: die Probierstube 2.0! In einer Riesling-Lounge können Fans Top-Weine (nicht nur Rieslinge) aus allen deutschen Anbaugebieten probieren und in lockerer Atmosphäre genießen. In verschiedenen deutschen Großstädten wurden solche Lounges mit Unterstützung des Deutschen Weininstituts eingerichtet: in Berlin (mesa Restaurant Grand Hyatt), Mainz (Hofgut Laubenheimer Höhe), München (RETTERs Feinschmecker), Frankfurt (Restaurant Zarges) und Köln (Excelsior Hotel Ernst). Eine Riesling-Lounge ist eine eigene Bar mit geschultem Personal.

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G e n u s s m it V e r g n端 g e n

Genuss mit Vergn端gen s T i p pm zu ang g U mm it en s t ch deueinen W


G e n u s s m it V e r g nü g e n

Learning by doing ist gut, aber es wäre schade, bei gutem Wein Genuss zu verschenken. Mit ein paar Faustregeln haben Sie beim Weingenuss von Anfang an das Vergnügen auf Ihrer Seite.

Sie brauchen nur...

... die richtige Temperatur

kräftigere, gehaltvolle Rotweine 16° bis 18° Celsius junge, fruchtige Rotweine 14° bis 16° Celsius reifere, kräftigere Weißweine 11° bis 13° Celsius Süßweine 9° bis 11° Celsius junge, leichte Weißweine, Rosé 9° bis 11° Celsius Schaum- und Perlwein 8° bis 10° Celsius

... das richtige Glas

Da sich aber kaum jemand die Mühe macht, tatsächlich die Temperatur des Weines zu messen, gilt die Faustregel: Sekt, Weißwein und Roséweine mindestens zwei Stunden vor dem Servieren in den Kühlschrank. Lieber etwas zu kühl einschenken, denn im Glas und bei Zimmertemperatur erwärmen sich die Weine sehr schnell. Bei heißen Außentemperaturen auf jeden Fall immer einen Tischkühler benutzen. Praktisch sind Kühlmanschetten, die zuvor im Gefrierfach lagen. Damit können Sie sogar auch einen zu warmen Wein kühlen. Bei Rotwein ist „Zimmertemperatur“ angesagt, allerdings auch hier lieber etwas kühler als zu warm.

Es sollte einen Stiel und einen tulpenförmigen Kelch haben. Für Rotweine sollte dieser größer und voluminöser sein. Es gilt: je dünnwandiger das Glas, desto eleganter und desto intensiver das Geschmackserlebnis. Schenken Sie das Glas nur bis zur breitesten Stelle ein. So kann sich der Duft im Kelch entfalten, und Sie können durch leicht kreisendes Schwenken die Aromen besser freisetzen. Die Farbe des Weins erkennen Sie am besten, wenn das Glas ganz klar und nicht farbig ist.

... den richtigen Korkenzieher

... die passende Begleitung

Haben Sie schon mal beim Picknick festgestellt, dass Sie den Korkenzieher vergessen haben? Den Korken aus der Flasche zu bekommen, kann eine schweißtreibende Arbeit sein, wenn man nicht das richtige Modell verwendet. Auch das Schweizer Taschenmesser ist nur bedingt tauglich (am besten noch als Behelf in der oben erwähnten Situation!). Einfach, aber wirkungsvoll sind so genannte Kellnermesser, die mit Hebelwirkung arbeiten, oder Modelle, die auf die Flasche aufgesetzt werden und den Korken einfach herausdrehen. Gut, dass immer mehr Weine mit einem Drehverschluss oder einem Glasstopfen verschlossen sind. Dafür benötigen Sie kein Werkzeug!

Hier sind nicht Ihre Freunde gemeint, obwohl die auch wichtige Genuss-Faktoren sind. Zum Weingenuss gehört ein gutes Wasser, etwa Selters. Auch etwas Brot ist sinnvoll. Und natürlich das passende Essen. Aber dafür gibt es ein eigenes Kapitel.

... etwas Zubehör je nach Situation Zum Beispiel eine Karaffe zum Dekantieren. Darunter versteht man das Umschütten eines Weines in eine Karaffe. Will man einen sehr reifen Rotwein von seinem Depot (Ablagerung in der Flasche) trennen, muss man dies sehr vorsichtig tun, damit das Depot nicht aufgewühlt wird. Wenn ein Wein Luftkontakt bekommen soll, damit sich seine Aromen besser entwickeln, kann man den Wein auch schnell dekantieren. Nicht jeder Wein muss dekantiert werden, aber es schadet fast nie. Übrigens: Bei Weißweinen finden sich manchmal kleine Kristalle in der Flasche, die auch ins Glas gelangen können: Weinstein. Sie bedeuten keinen Qualitätsmangel und beeinflussen den Geschmack nicht. Sie entstehen durch die Verbindung von Weinsäure mit Mineralien, die im Wein enthalten sind. Eher ein Zeichen für gute Qualität!

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Probieren geht über Studieren So sagt der Volksmund. Beim Wein ist es fast dasselbe, denn jeder Schluck ist eine Erfahrung mehr und erhöht Ihre Kennerschaft. Bei der Weinprobe geht es zunächst darum, ob und wie Ihnen ein Wein schmeckt oder welche geschmacklichen Unterschiede zwischen zwei Weinen bestehen. In zweiter Linie − bei Profiverkostern ein wichtiger Aspekt − soll ein Wein möglichst objektiv, also von anderen nachvollziehbar, beschrieben werden. Dafür gibt es eine Verkoster-Fachsprache („Nase“ für Duft, „Körper“ für ein kräftiges Mundgefühl und so weiter). Auch wenn Sie diese nicht gewohnt sind, können Sie beschreiben, wie ein Wein schmeckt − indem Sie einfach an Ähnlichkeiten denken: „Dieser Wein erinnert mich an frische Äpfel.“ Mit etwas Übung werden Sie daran Spaß haben, denn Wein ist wohl das einzige Genussmittel mit einer derart ausgefeilten „Genusssprache“. Freilich können Sie sich auf die lapidare Feststellung beschränken: „Der Wein schmeckt mir gut!“ Aber Sie werden feststellen: Weinfreunde wollen auch wissen, was an dem Wein wie schmeckt und warum.

Tipp: Organisieren Sie für Ihre Freunde eine kleine Weinprobe. Dazu brauchen Sie vier oder fünf verschiedene Weine. Welche? Hilfreich ist ein Thema, zum Beispiel Riesling − dann vergleichen Sie einige Rieslingweine, vielleicht aus verschiedenen Anbaugebieten. Oder Sie vergleichen mehrere Sorten miteinander: Spätburgunder, Portugieser, Dornfelder – alle aus einem Anbaugebiet. Reizvoll kann es sein, wenn die Teilnehmer zunächst nicht wissen, welchen Wein sie verkosten. Sie können die Flasche mit etwas Alufolie umwickeln oder fertig eingeschenkte Gläser servieren. Dieses Verfahren heißt Blindprobe und ermöglicht die Konzentration auf den Wein, ohne dass das Wissen über die Herkunft, Sorte oder den Erzeuger das Urteil beeinflussen kann. Auch spannend: der Jahrgangsvergleich. Zwei oder drei Jahrgänge des gleichen Weins eines Winzers zeigen sehr anschaulich, was Reifung bedeutet. Oft erweisen sich die gereiften Weine als die vielschichtigeren Tropfen, die den „Jungspunden“ überlegen sind! Und oft stoßen selbst die größten Weinkenner an ihre Grenzen, wenn sie plötzlich einen Wein beurteilen sollen, ohne zu wissen was auf dem Etikett steht.

Muss es Korken sein? Der Naturkork ist der traditionelle Weinverschluss (auch beim Sekt). Aber seit einigen Jahren setzen immer mehr Erzeuger andere Verschlusstypen ein, um die Gefahr eines Korkschmeckers auszuschließen. Beim Kunststoffstopfen bleibt wie beim Naturkorken der „Plopp“Effekt erhalten. Der Drehverschluss, mit dem mittlerweile jede dritte Weinflasche aus deutschen Kellern verschlossen wird, ist ebenfalls eine praktische Alternative. Auch der Glasstopfen, übrigens eine Erfindung aus Deutschland, macht optisch einen guten Eindruck und kann eine angebrochene Flasche auch wieder verschließen.


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Crash-Kurs Wein degustieren Vor das Trinken haben die Götter das Verkosten gesetzt − jedenfalls bei Weinliebhabern ist das oft so. Verkosten heißt, einen Wein zu probieren, aber nicht unbedingt zu trinken. Profi-Verkoster spucken den Probeschluck nämlich wieder aus, nachdem sie ihn ausgiebig im Mund bewegt haben. Nicht nur die Zunge, sondern fast alle Sinne sind beteiligt. Und so geht’s: 1. Das Auge Betrachten Sie die Farbe im Glas, möglichst bei Tageslicht und vor einem hellen Hintergrund. Farbe leuchtend und klar? Ein gutes Zeichen. Ein Wein darf nicht trüb sein. An den Rändern (Glas schräg halten) kann man manchmal erkennen, dass ein Wein gereift ist. Reife Rotweine haben bräunliche Ränder, junge eher violette.

2. Die Nase Riechen Sie am Glas, wobei Sie den Inhalt leicht kreisförmig schwenken können. Die Aromen verbinden sich so besser mit der Luft. Ist der Duft angenehm frisch, klar und reintönig? Erkennen Sie Fruchtaromen oder Blütendüfte? Junge Weißweine erinnern oft an Zitrusfrüchte, Äpfel oder Pfirsiche. Reife Weißweine können nach gelben Früchten oder Honig duften. Rotweine duften eher nach roten Früchten wie etwa Kirsche, Erdbeere, Brombeeren und Pflaumen.

3. Der Mund Bewegen Sie den Probeschluck im Mund hin und her. Wenn Sie dabei Luft einsaugen – das bekannte „Schlürfen“ der „Kenner“ –, werden die Aromen besser an die Riechorgane transportiert. Das Mundgefühl sollte intensiv, frisch, saftig und lebendig sein. Wie lange spüren Sie den Geschmack nach dem Hinunterschlucken oder Ausspucken des Probeschlucks? Je länger der „Abgang“, desto besser!

Ab in den Keller! Deutsche Weine verfügen über eine gute Lagerfähigkeit, die natürlich von der Rebsorte und der Machart des Weins ebenso abhängt wie vom Jahrgang. Beim Rotwein sind es die Gerbstoffe, bei Weißwein die Säure und die Süße, die den Weinen das verleihen, was der Fachmann „Lagerpotenzial“ nennt: die Fähigkeit, sich in der Flasche über einen längeren Zeitraum positiv zu entwickeln. Was passiert bei der Reifung? Reife Weine sind oft harmonischer und zugleich komplexer. Manche Aromen bilden sich erst nach einiger Zeit heraus. Während der Reifung verbinden sich bestimmte Moleküle, auch unter dem Einfluss des Sauerstoffs in der Flasche. Dass sich ein Wein chemisch verändert, erkennt man unter anderem auch an der Farbe. Die wird bei Weißweinen intensiver, bei Rotweinen dagegen oft etwas heller; sie kann von schwarzrot ins Bräunliche oder Ziegelfarbene wechseln. So lagern sie richtig Ideal ist die liegende Lagerung in einem vor Licht, Erschütterungen und starken Gerüchen geschützten Raum mit möglichst gleich bleibenden Temperaturen um 12 Grad Celsius. Wer keinen Keller hat, kann seine Weine auch im Schlafzimmer lagern, wo es selten zu warm ist. Weine mit anderen Verschlüssen als Naturkorken können auch stehen, da die liegende Lagerung lediglich verhindern soll, dass ein Korken austrocknet und luftdurchlässig wird.

Wie lange kann deutscher Wein lagern? Die meisten Weine, die im Lebensmittelhandel angeboten werden, schmecken im Jahr nach der Ernte am besten und sind nicht für eine mehrjährige Reifung gedacht. Je hochwertiger der Wein, desto eher ist eine Lagerung zu empfehlen. Spätlesen und Auslesen aus Riesling oder Burgundersorten von guten Lagen können in guten Jahrgängen ohne weiteres fünf bis acht Jahre reifen, ebenso gute Rotweine. Edelsüße Weine haben ein sehr großes Potenzial, das mehrere Jahrzehnte erreichen kann. Faustregel: Je mehr Alkohol, Säure, Süße oder Tannine ein Wein enthält, desto größer sein Reifepotenzial, denn diese vier Bestandteile wirken konservierend. Tipp: Zum Verschenken eines Weines – beispielsweise des Geburtsjahrgangs zur Volljährigkeit – eignen sich edle Trockenbeerenauslesen und Eisweine am besten. Schaumweine verbessern sich durch Lagerung nicht. Sekte und Perlweine sollten Sie deshalb direkt nach dem Kauf genießen.

Aromen erkennen und benennen − eine vergnügliche Herausforderung für jeden Weinliebhaber, die jedoch einige Übung verlangt. Ein gutes Hilfsmittel ist das Aromarad. Auf diesem sind − getrennt für Weiß- und Rotweine − die typischen Aromen deutscher Weine nach Gruppen sortiert übersichtlich angeordnet. Erdbeere, Himbeere oder doch eher Litschi in der Nase? Leder, Kaffee oder vielleicht Lakritze am Gaumen? Mit dem Aromarad haben Sie den Dreh schnell heraus! Im Online-Shop unter: www.deutscheweine.de


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D e u t s ch e W e in e u nd int e r n a tion a l e K üch e

Deutsche Weine & internationale Küche

Eine Liebesheirat Deutsche Weine sind wunderbare Tropfen zum Solo-Genießen, ob‘s der „Schoppen“ beim Sommerfest ist oder Unsere Weine passen ausgezeichnet zur asiatischen Küche. Das ist mittlerweile fast eine Binsenweisheit. Asiatische Küche ist allerdings ein weiter Begriff − von der von Kokosmilch geprägten Thai-Küche bis zu den höllenscharfen Gerichten aus der chinesischen Provinz Szechuan, von den klaren Aromen der japanischen zu den milden bis scharfen Curries der indischen Küche ... Aber für jede Spielart findet sich unter den Weinen aus den deutschen Anbaugebieten ein passender Begleiter!

das gepflegte Glas Rotwein zur aber auch anders. Riesling, Spätburgunder & Co. sind exzellente Begleiter zu Gerichten der modernen Küchen der Welt.

Viele Aromen und Schärfe Versuchen Sie einmal trockenen Muskateller zu Gerichten mit frischem Ingwer. Oder eine aromatische Scheurebe zu Curry mit Kokosmilch. Dazu passen übrigens auch gereifte Weine ausgezeichnet. Aber Achtung: Zu scharf sollten die Essenspartner zu kräftigen Weinen nicht sein. Alkohol wirkt auf Schärfe wie ein Verstärker, das kann dann schnell zu heftig werden. Zu scharfen Gerichten empfehlen sich eher alkoholleichte Weine mit spürbarer Restsüße. Zucker wirkt auf Schärfe besänftigend. Salzbetonte Speisen − dazu zählen auch in Sojasauce getauchte Sushi − mögen Weine mit lebhaftem Süße-Säure-Spiel, zum Beispiel Riesling.

Kleiner Aufwand, großer Genuss

winterlichen Kuschelstunde. Sie können Wenn man gar nicht groß aufkochen will, lässt sich schnell eine Genussrunde herrichten: Drei Käsesorten und zwei bis drei Weine: Das sind sechs bis neun Kombinationen, die jede Menge Gesprächsstoff bieten. Ein milder Weichkäse, ein pikanter Hartkäse, ein Blauschimmelkäse, dazu zum Beispiel ein Riesling und ein Spätburgunder, vielleicht noch eine Trockenbeerenauslese − und natürlich reichlich Brot! Was Süßes zum Schluss Trockener Kabinett, halbtrockene Spätlese, Trockenbeerenauslese, Eiswein, Winzersekt, alles aus einer Rebsorte, aber viele verschiedene Weine − das lässt sich in Deutschland oft schon in einem einzigen Weingut finden. Kein Problem also, die Begleitung eines mehrgängigen Menüs sogar mit nur einer einzigen Rebsorte zu bestreiten, die dann ihr vielfältiges Potenzial zeigen kann. Mancher Gast wird das nicht glauben − so unterschiedlich können die Weine ausfallen.

Eine Naschkatzenrunde lässt sich in einer ähnlichen Probe mit Schokolade beglücken. Faustregeln: Säurereiche Weine passen gut zu Schokoladen mit geringerem bis gar keinem Kakaogehalt (z.B. Riesling zu weißer Schokolade). Je höher der Kakaogehalt einer Schokolade, umso gerbstoffreicher darf ein Rotwein sein. Aromatisierte Schokoladen (mit Früchten oder Blüten) sind zusammen mit aromatischen Weinen (Gewürztraminer, Muskateller, Scheurebe) ein echtes Experimentierfeld: Manchmal passt es wunderbar, manchmal überhaupt nicht. Wenn Sie eine KnallerKombination entdecken: merken! Ein besserer Menü-Schlusspunkt lässt sich kaum denken.


Deutsche Weine und Speisen Gehalt / Aroma

Faustregel: Leichte (fettarme) Speisen zu leichten Weinen mit weniger Alkohol, zarte Aromen in den Speisen verlangen nach dezenten, eleganten Aromen im Wein. Zu fettreichen, schweren Speisen mit intensiven Würzungen sollten

Sahnegeschnetzeltes

Sie dagegen gehaltvolle, kräftigere Weine mit ausgeprägten Fruchtnoten, Barrique-Ausbau oder in bestimmten Fällen auch Süße stellen. Ausgesprochene Süßweine (Beerenauslesen, Trockenbeerenauslesen, Eisweine) sind

Müller-Thurgau Bacchus Scheurebe Gewürztraminer Grauburgunder Spätburgunder Lemberger

Spargel mit Sauce Hollandaise

Dornfelder

Muscheln, Hummer

Trockene Spätlesen von

Fettreicher Süßwasserfisch

Elbling

Riesling

Kalbsschnitzel

Trockene bis halbtrockene Kabinettweine von

Riesling Silvaner Elbling

Blattsalate mit Sauce Vinaigrette

Weißburgunder

Hausgeflügel

Weißburgunder

Trockene Kabinettweine von

Pochierter Fisch

Silvaner

gehaltvoll

Trockene Spätlesen / Auslesen von

Leicht

würzig

dezent

Asiatische Gerichte Wildgeflügel Schmorgemüse Nudelgerichte mit aromatischen Saucen

Gans, Ente Haarwild Gebratenes vom Rind oder Lamm Gehaltvoller Käse

köstliche Sonderfälle. Probieren Sie sie bevorzugt zu Desserts oder kräftigem Käse (Blauschimmelkäse). So weit die Theorie! Letztlich entscheidet jedoch Ihr Geschmack!


D a s Etik e tt

Herausgeber: Deutsches Weininstitut Gutenbergplatz 3-5 55116 Mainz info@deutscheweine.de www.deutscheweine.de


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