Einmal Weltall retour, bitte!

Einmal in seinem Leben das Gefühl der Schwerelosigkeit erleben und unseren blauen Planeten von aussen bewundern. Von einem solchen Erlebnis träumen einige Weltallbewunderinnen und -bewunderer. Lange Erfahrung, regelmässiges Training und ein grosses Wissen über unser Universum wären allerdings notwendig, um den Traum in die Realität umzusetzen. Mit dem Aufkommen des Begriffs «Weltalltourismus» scheint der Traum einer Reise ins All in greifbare Nähe zu rücken. Oder doch nicht?
„First Moon Flights Club“
Es war Ende der 60er-Jahre als die US-Fluglinie Pan American die Idee hatte, Menschen in das Weltall zu schicken. Unwissend, wie viele Leute sich melden würden, erstellten sie eine Warteliste unter dem Namen: „First Moon Flights Club“. Fast 100‘000 Interessentinnen und Interessenten meldeten sich und konnten ein Ticket ergattern. Gleichzeitig befanden sich die USA und die Sowjetunion in einem Wettrennen, wer es zuerst auf den Mond schaffen würde. Kurze Zeit später, an einem warmen Sommertag im Juli 1969, war es endlich so weit: Mehrere Milliarden Menschen rund um den
Globus verfolgten gespannt, wie die USRaumkapsel Apollo 11 auf dem Mond landete. Die Kapsel öffnete sich langsam und Astronaut Neil Armstrong setzte den ersten menschlichen Fussabdruck auf unseren Erdbegleiter. «Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gigantischer Schritt für die Menschheit» hörte man aus dem TV erklingen. Kurze Zeit später trat auch sein Kollege Buzz Aldrin aus der Kapsel auf die Mondlandschaft. Ein Moment, der viele Menschen träumen liess.
Ausgestattet mit Foto- und Videokamera flog er ins «Paradies», wie er das Weltall nach seiner Reise beschrieb. Seine Reise gilt noch heute als der Ursprung des sogenannten Weltalltourismus.
Battle of the Billionaires
Für Dennis Tito wurde der Traum einer Reise ins All zur Realität: Er konnte am 28. April 2001 als erster Tourist an Bord der „Sojus T-32“ seine Traumreise antreten. Ausgestattet mit Foto- und Videokamera flog er ins «Paradies», wie er das Weltall nach seiner Reise beschrieb. Seine Reise gilt noch heute als der Ursprung des sogenannten Weltalltourismus. Auch heute, im Jahr 2022, ist es für viele noch ein Traum, eine Reise ins unendliche Weltall anzutreten. Während für viele Menschen dieser Traum wohl nie wahr wird, ist es für die Reichsten schon eine Realität geworden. Richard Branson, Milliardär und Gründer von Virgin Galactic hatte genau diese Vision in seinem Kopf. Eine Vision, sich selbst ins Weltall zu schiessen und viele Menschen nach ihm auch.
Zur selben Zeit in einer Villa in Beverly Hills, schoss Jeff Bezos genau dieselbe Vision durch den Kopf. Auch er möchte mit seiner Firma Blue Origin so weit weg wie möglich, ins Weltall.
2‘500 Kilometer weiter, in Austin, Texas spielte auch Elon Musk mit der Idee, einen Ausflug ins All zu wagen. Somit hat erneut ein Wettlauf der Superreichen begonnen: Wer zuerst erfolgreich mit seinen Raumfahrtunternehmen eine Rakete starten kann. Gewonnen hat dieses Rennen Richard Branson.
Es war Sonntag, 11. Juli als Branson mit seiner fünfköpfigen Crew an Board der „VSS Unity“ den Weg ins Unendliche wagte. Gestartet wurde im Weltraumbahnhof im US-Bundesstaat New Mexico. In 14 Höhenkilometer wurde das Raumschiff vom Mutterflugzeug getrennt und stieg und noch weitere 66 Höhenkilometer mit einer Geschwindigkeit von 3‘700 km/h. Angekommen in der Schwerelosigkeit
richtete sich Branson per Video an seine Zuschauer: „An die nächste Generation von Träumern: Wenn wir das hier können, stellt euch vor, was ihr alles erreichen könnt.“ Einige Minuten später traten sie bereits den Rückflug an und landeten eine Stunde nach Start wieder in New Mexico. Den obligaten Champagnerregen und die Auszeichnung durch das Astronautenabzeichen liessen sich Branson und seine Crew natürlich nicht entgehen. Ob Branson dieses Abzeichen wirklich verdient, ist jedoch unter Experten strittig, da die Grenze zum Weltraum je nach Definition unterschiedlich ausfällt. Genau neun Tage später erreichten auch Milliardär Jeff Bezos und seine Crew diese Grenze. Im Raumschiff „New Shepard“ flogen er und seine dreiköpfige Crew ins All, darunter gleichzeitig die jüngste und die älteste Person, die je im Weltraum waren. Der Flug war jedoch auch von kurzer Dauer, lediglich 10 Minuten waren Bezos und seine Crew in der Schwerelosigkeit, ehe sie wieder sicher auf der Erde landeten.
Viel länger war der Flug des Raumschiffes von SpaceX, der Firma von Elon Musk. Obwohl er selbst nicht mitflog, setzte Musk einen bedeutenden Meilenstein im Weltalltourismus. Ganze drei Tage ging die Mission „Inspiration4“ mit den vier Crewmitgliedern. Speziell an diesem Flug war nicht nur das Fehlen von professionellen Raumfahrtpiloten, sondern auch die Höhe des Flugs. Das Raumschiff soll eine Höhe von fast 600‘000 Kilometer erreicht haben, was sogar weiter ist als die Raumstation ISS. Auf gigantischer Höhe waren auch die Kosten dieser Raumfahrt: Rund 200 Millionen Dollar kostete der ganze Flug, für jeden Normalverbraucher also nicht vorstellbar.
„An die nächste Generation von Träumern: Wenn wir das hier können, stellt euch vor, was ihr alles erreichen könnt.“

Multiplanetare Gesellschaft
Während die meisten Experten kritisch auf eine solche Entwicklung reagieren, gibt es auch einige positive Stimmen. Astronaut Claude Nicollier, zum Beispiel, findet eine solche Chance gut. Er würde gerne seine Erfahrung im All mit den Menschen teilen und so hätten sie die Möglichkeit dazu. Auch die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti möchte, dass mehr Menschen die Schönheit des Universums erleben. Doch nicht nur für das Vergnügen, sondern auch für die Forschung kann der Weltalltourismus von grosser Bedeutung sein. Unter anderem werden Raketen von Privatfirmen, wie SpaceX auch für staatliche Aufträge gebraucht. So hat zum Beispiel die Bundesbehörde NASA

festgestellt, dass sie auf Dauer auf solche Privatfirmen angewiesen sind, um die forschende Raumfahrt noch betreiben zu können und nicht mehr finanziell vom Staat abhängig zu sein. Doch nicht nur die staatliche Raumfahrt könnte von diesen Privatfirmen profitieren. Schenkt man Visionen von Milliardären, wie Musk und Bezos Glauben, könnte die Lösung des Klimawandelproblems neue Impulse bekommen. Bezos möchte die umweltverschmutzende Schwerindustrie in das Weltall verfrachten, um so der Zerstörung der Erde vorzubeugen. Musks Vision den Mars zu besiedeln und eine multiplanetare Gesellschaft aufzubauen, klingt noch einen Schritt futuristischer, wenn auch nicht ganz abwegig, denkt man daran, dass auch die Sonne einmal ein Ende hat.
Ein Langstreckenflug von 10‘000 km stösst etwa 150 Tonnen C02 aus. Demnach entspricht ein Raketenstart ungefähr 2 Langstreckenflügen.
Stichwort Klimawandel
Wie schon erwähnt, gibt es auch einige kritische Stimmen.
So wäre der wichtigste Punkt der Klimawandel. Zurzeit hat der Weltraumtourismus noch keinen signifikanten Einfluss auf das Klima, da sich die Anzahl der privaten Raumfahrten noch in Grenzen hält. Diese Anzahl wird voraussichtlich ansteigen und so könnte es ein Problem für unsere Umwelt werden. Klar ist, dass Raketenstarts die Ozonschicht schädigen, die unsere

Erde schützt. Hinzu kommt der überhebliche Ausstoss an CO2. Ein Raketenstart stösst ungefähr 300 Tonnen CO2 aus. Zum Vergleich: Ein Langstreckenflug von 10‘000 km stösst etwa 150 Tonnen C02 aus. Demnach entspricht ein Raketenstart ungefähr 2 Langstreckenflügen. Dabei muss man bedenken, dass in einer Rakete weniger Passagiere Platz haben. Schnell wird es einem klar, welche Auswirkungen der Weltraumtourismus auf die Umwelt haben kann. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sicherheit der Passagiere. Nicht einfach so müssen professionelle Astronauten ein monatelanges Training hinter sich bringen, um erfolgreich
ins Weltall fliegen zu können. Es wäre demnach fahrlässig Touristen ins All zu schiessen, ohne geprüfte Sicherheitsmassnahmen. Nur Superreiche werden sich in naher Zukunft den Weltraumtourismus leisten können: Ein Ticket bei Virgin Galactic oder Blue Origin soll ab 2022 rund 450‘000 US-Dollar kosten. Will man jedoch noch weiter ins All fliegen, ist man bei SpaceX besser aufgehoben. Der Preis für ein Ticket ist bei 55 Millionen Dollar „nur wenig teurer“.
Klar ist, im Weltraum gibt es keine Grenzen und so offenbar auch für Milliardäre auf unserer Erde. Der Weltraumtourismus wird sich definitiv noch weiterentwickeln, auch wenn er nur Mittel zum Zweck ist, private Raumfahrtunternehmen zu finanzieren.
Die Autorin
Geraldine Gantert studiert Multimedia Production an der Fachhochschule Graubünden. Eine Faszination für das Universum hatte sie schon immer und verspürt oft den Reiz, selbst auch einmal ins Schwerelose zu reisen. Allerdings nahm dieser Reiz stark ab nach der Recherche.
