Gentelemen's Report No.8

Page 37

Die Ingenieure des Rennstalls betreten das Teamzelt hinter den Boxen und streifen ihre verschwitzten und schmutzigen Overalls ab. «Wer für die Formel 1 tätig ist, arbeitet hart und viel», kommentiert Teamchef Ross Brawn die Szene. Er selbst dagegen wirkt sehr entspannt, schliesslich muss er sich nichts mehr beweisen: Mit Ferrari hat der Brite Sieg um Sieg gefeiert und mit Michael Schumacher einen der grössten Formel-1-Fahrer überhaupt herangezogen. Allein das verdient gebührenden Respekt. «Er ist das Superhirn des Motorsports», wird uns versichert. Andere noch schneller Pilot Rosberg blickt zu Meister Brawn auf, dann wirft er einen Blick auf seine Uhr. Mit der Serviette wischt er seinen Mund sauber. «Noch zehn Minuten, dann muss ich wieder auf den Rundkurs.» Unter dem Overall lugt ein wuchtiger Chronograph von IWC hervor. «Meine erste Uhr bekam ich von meinem Vater zum Abitur geschenkt.» Auch eine IWC, erinnert er sich. «Allerdings war sie einen gewaltigen Tick kleiner als diese hier», schmunzelt er. Seine «Ingenieur Perpetual Calendar Digital Date-Month» aus der neuen Ingenieur-Kollektion misst satte 46 Millimeter. «Zum Fahren muss ich sie ablegen.» Im engen Cockpit seines Mercedes-Silberpfeils hat Rosberg keinen Bewegungsspielraum. Die Bestzeit muss er zum Glück auch nicht selber ermitteln; sie wird ihm per Funk übermittelt. 1 Minute, 22, 61 Sekunden. Fernando Alonso schaffte die Runde in 1 Minute und 21, 81 Sekunden.

Tatsächlich haben Motorsport und Uhrmacherei mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick erkennen mag. Beide investieren viel Mittel in Entwicklung, Service, Design und in Unterhalt. Standen die fünfziger Jahre noch im Zeichen des Magnetismus, tüfteln die Techniker in Schaffhausen heute vor allem mit neuen Materialien wie Kohlenfasern, Titan und Keramik. Wenn Martin Rohrbach aus der Abteilung Product Management bei IWC über Kohlenfasern zu sprechen beginnt, leuchten seine Augen. «Tasten Sie mal, wie glatt und leicht sie sich anfühlt.» Der 46 Millimeter breite und futuristisch geformte Zeitmesser mit der noch ungewohnten Bezeichnung «Carbon Performance» fühlt sich tatsächlich federleicht an. «Hier ist alles Handarbeit. Deshalb gibt es die Uhr auch nur hundert Mal.» Auch die Uhr von Rennfahrer Nico Rosberg ist alles andere als ein Schwergewicht, obschon die schiere Metallmasse dies erahnen liesse. Für das Gehäuse wurde die Legierung Titanaluminid verwendet. Der Werkstoff ist extrem leicht und sehr robust. «Diese Uhren aus der neuen «Ingenieur»-Familie sind das Resultat unserer Partnerschaft mit dem Mercedes AMG Petronas Formula One Team», fügt der Fachmann an. «Uns geht es dabei um Wissenstransfer. Das Branding steht nicht im Zentrum.» Kunden wünschten heute mehr Materialinnovationen und spannendere Werksfunktionen, sagt Rohrbach. Das haben die Ingenieure von IWC ernst genommen.

Team-Chef Brawn ist dennoch zufrieden. «Noch sind andere schneller als wir.» Er nippt an seinem Espresso. Der Motoringenieur aus Manchester beschäftigt in seinem Rennstall knapp 1100 Personen. Gegen 450 sind allein mit der Entwicklung des neuen Motors beschäftigt. «Der Entwicklungszyklus dauert bei uns 9 Monate». Zum Vergleich: Die Entwicklung eines neuen Uhrwerks dauert im Schnitt rund 60 Monate. Mit Getöse donnert Rosberg mit seinem Silberpfeil über die Zielgerade. Aus 2400 Kubikzentimetern Hubraum zaubert der Petronas Mercedes AMG bei 18 000 Umdrehungen pro Minute die unglaubliche Leistung von 800 PS. Wenn im nächsten Jahr die Boliden mit nur noch 6 statt wie bisher 8 Zylindern an den Start rollen, soll sowohl die Leistung als auch der Verbrauch «signifikant» verbessert werden, verspricht Brawn. Zwei, die sich mögen Innovation ist ein Attribut, welches die Uhrmacher aus Schaffhausen nicht erst seit der strategischen Partnerschaft mit dem Mercedes AMG Petronas Formula One Team gross schreiben. Bereits 1955 hat die Manufaktur am Rhein einen Zeitmesser entwickelt, der das Uhrwerk gegen Magnetfelder schützte. Die Ingenieure wendeten dafür einen simplen, aber wirksamen Trick an: Um den störungsanfälligen Mechanismus zu schützen, wurde das Uhrwerk in einen «Käfig» aus Weicheisen gepackt. Der Name der neuen Uhr war denn auch rasch gefunden: Die «Ingenieur» stand fortan für uhrmacherische Leistung und Savoir-faire aus der Ostschweiz. 1976 wurde der robuste Ticker vom Urvater aller Uhrengestalter überarbeitet. Gerald Genta verpasste ihm ein solideres Stahlgewand und ein kraftvolleres Aussehen. Statt aus Leder war nun auch das Armband aus rostfreiem Metall. Im Laufe der Jahrzehnte hat die «Ingenieur»-Familie an Massen und Zahlen zugelegt. Geblieben ist die DNA von Genta. Die charakteristischen fünf Bohrungen zur Befestigung der Lünette finden sich auch bei der «Royal Oak» von Audemars Piguet, die ebenfalls aus seiner Feder stammt. – Formel 1 35


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.