Gendia Ausgabe 1'14 = April 2014

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Meine richtete, dass sie im Juni ihr erstes Kind – ein Mädel – auf die Welt brachte. Es kamen dann noch 4 Buben. Als der älteste Bub gerade mal 3 Jahre war, erzählte mir Frau K.: „Draußen war Hochwasser und ich schob meinem Buben einen Stuhl ans Fenster, dass er besser raus gucken konnte, da stockte mir fast der Atem, denn mein Bub sagte hocherfreut: „Guck mol Mama, ich lass gerade Fischle schwimme.“ Ich traute kaum meinen Augen, da schwamm doch tatsächlich mein Brautstrauß an mir vorbei, zerrupft. Den hatte ich getrocknet und in meiner großen Bibel aufbewahrt. Sie sagte ganz stolz: „Das war die erste übersetzte Auflage von Martin Luther. Es war ein sehr schweres Buch, es lag auf meinem Sekretär in einem anderen Zimmer, und ich weiß nicht wie der Bub daran gekommen war. Er hat unbemerkt den Strauß aus dem Fenster geschmissen. Das schmerzte schon sehr. Aber bei 5 Kindern, da erlebt man so manches. Das können sie mir glauben.“ Und somit endet die Geschichte. Frau K. hätte mir noch stundenlang erzählen können von anderen interessanten Dingen, aber, das kommt vielleicht das nächste Mal. SR SENIOREN-RESIDENZ HAUS BERGDORF Lang, lang ist es her! Meine Hochzeit war an einem eiskalten Wintertag – am 21. Dezember 1946. Es war ein Jahr nach der Bombardierung unserer Heimatstadt Pforzheim am 23.02.1945. Ich war eine sehr junge Braut, gerade mal 19 Jahre alt. Um der kleinen Schar unserer geladenen Gäste – Verwandte und gute Freunde - ein bescheidenes Festmahl vorsetzen zu können, radelten meine Mutter und mein späterer Ehemann Hans in nahegelegene Bauerndörfer zum „Hamstern“; das war damals dringend notwendig, um

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überhaupt ein vernünftiges, bescheidenes Hochzeitsmahl auf den Tisch zu zaubern.

Zum Glück hatte meine Tante Else in unserer Nähe Freunde, die einen Waschmittelgroßhandel betrieben. Sie stellten uns entsprechende Produkte zur Verfügung. Dadurch konnten wir Waschmittel gegen die äußerst knappen Nahrungsmittel wie Mehl, Eier, Butter, Milch, Rahm usw. eintauschen. Nun wurden Kuchen und Torten gebacken, ein saftiger Schweinebraten und handgeschabte Spätzle gemacht. Die Hochzeitstafel konnte mit diesen Köstlichkeiten den Gästen präsentiert werden. Es war trotz damaliger Not ein schöner, unvergesslicher Hochzeitstag, der alle Anwesenden satt und glücklich machte. Was heute nicht erwähnenswert scheint, war damals die große, erwähnenswerte Ausnahme. Auch an den Kauf von Möbeln war nicht leise zu denken. Meine Tante Ottilie, eine ältere Schwester meiner Mutter, hatte für Hans und mich zwei kleine Zimmer frei gemacht, die wir dann aus vorhandenen Beständen nach den gegebenen Umständen möblierten. Dieses, unser erstes eigenes „Nest“ war für uns ein wunderschönes Plätzchen, an welchem das Glück ein willkommener Mitbewohner war. Auch unsere Trauung in der Evangelischen Christuskirche in PforzheimBrötzingen war eine wunderschöne Feierlichkeit. Trotz großer Schwierigkeiten kam meine Mutter an Stoff für ein weißes Brautkleid. Selbst ein kurzer Brautschleier gehörte zu meiner Ausstattung. Einen schönen Braut-

strauß schenkte mir der jüngste Bruder des Bräutigams, er war Gärtner. Mein Brautkleid samt Schleier habe ich dann während der „mageren“ Jahre an vier teils bekannte, teils unbekannte Bräute ausgeliehen. Ich war glücklich geworden bei sehr kleinen Ansprüchen. Sollten sie es auch versuchen und werden! Als sich dann die Zeiten normalisiert hatten, bemühten wir uns um einen Besuch des Klapperstorches, der uns nach neunjähriger Ehe eine kleine Waltraud brachte. Lore Denk, Bewohnerin RESIDENZ AMBIENTE Gerda Fuchs erzählt: Wenn ich mir als junges Mädchen meine spätere Hochzeit vorstellte, so war das immer eine Amtshandlung mit Kirchenbesuch mit Brautkranz und Schleier und viel „Tam tam“ im feierlichen Rahmen. Doch es sollte einmal ganz anders kommen! Es war der Sommer 1944. Meine Freundin Lotte bekam als Auszeichnung für ihre besonderen Leistungen als Krankenschwester im Lazarett einen Urlaub genehmigt. So fuhren wir nach Traunstein. Das Elternpaar eines schwer Kriegsbeschädigten, den Lotte so gut versorgte, nahm uns in ihre Pension auf. Zum Mittagessen gingen wir in den Dorfgasthof. Dort lernten wir einen jungen Mann in Zivil kennen, der uns sogleich Essensmarken aus seiner Brieftasche spendierte. Wir waren angenehm überrascht und unternahmen in den folgenden Tagen vieles gemeinsam. Kurt war ein großer blonder, gut aussehender Mann, in den sich meine Freundin Lotte sofort verliebte. Mir gefiel seine ruhige und zugleich witzige Art. Kurt kam aus der ländlichen Umgebung von Frankfurt. Er lebte dort mit seinen Eltern und dem Bruder auf einem Bauernhof und studierte Architektur in Frankfurt. Eines Tages planten Kurt und ich einen Aus-


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