Troedler 0913

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08.08.2013

14:32 Uhr

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BLICKPUNKT 59

METALL

■ Eisenkunstguss Schwer, hart, kühl. Eisen war nie das Synonym für Prunk und Pracht. Eisen steht für Waffen, Werkzeug und Maschinen. Doch der künstlerische Ehrgeiz Preußens hat es Anfang des 19. Jahrhunderts geschafft, den Eisenguss salonfähig zu machen. In den Königlichen Preußischen Eisengießereien – 1796 wurde die Hütte in Gleiwitz in Betrieb genommen, 1804 die in Berlin – entstanden zwischen 1815 und 1840 Porträtreliefs und Ziergeräte von einer Feinheit und Präzision, wie man sie nie zuvor und nie mehr danach erreichte. Die vaterländische Kampagne „Gold gab ich für Eisen" vor genau 200 Jahren, als man Eheringe und Goldschmuck zur Finanzierung der Erhebung gegen die Napoleonische Besatzung spendete und im Gegenzug Eisenschmuck erhielt, ist eine schöne Episode. Die Blüte des Berliner Eisengusses nach 1814 hat vor allem einen Grund: Berlin war nach der Befreiung von den Franzosen eine Künstlerhochburg. Ohne die Eisenbüsten nach Christian Daniel Rauch oder Christian Friedrich Tieck, ohne die Plaketten eines Posch und ohne den stilsicheren Entwerfer und Gewerbeförderer Schinkel wäre der Berliner Eisenkunstguss möglicherweise in der Lieblichkeit biedermeierlichen Kunstgewerbes stecken geblieben. Die großen Heldendenkmäler, nach denen man nach den Befreiungskriegen Bedarf hatte, und die zahlreichen Büsten von Mitgliedern der Königsfamilie, von Generälen, Staatsmännern und Wissenschaftlern, die in den Ateliers Berliner Bildhauer entstanden, trafen nicht nur die Stimmung in Preußen. Sie gaben der Produktpalette eine nie dagewesene künstle-

rische Dimension. Berlins Bildhauerkunst befand sich auf dem Höhepunkt. Schon 1818 wurden Christian Daniel Rauchs Büsten der 1810 verstorbenen Königin Luise, des russischen Zaren Nikolaus I. und seiner Frau Alexandra Fedorowna, der früheren Prinzessin Charlott von Preußen, in Eisen gegossen. Und noch bevor 1827/28 Rauchs großes Berliner Blücher-Denkmal

Leuchter „Knieende Wasserträgerinnen", Königl. Preuß. Eisengießereien, H 22 cm, um 1820 (Foto: Privatbesitz Heidelberg)

als kleine Statuette ins Programm der Eisengießerei Berlin aufgenommen wurde, fertigte man hier schon eine kleine Nachbildung der Büste des „Marschall Vorwärts". Vitrinenformatige Reduktionen von Schadows Luther- und MelanchthonDenkmälern sind gegossen worden, von Tieck die Büste des Mediziners Ernst Ludwig Heim, der als Berliner Armenarzt und Leibarzt der Königin Luise verehrt wurde. Keine andere Gießerei in Europa konnte mit diesem Pantheon in Eisen mithalten. Alexander von Humboldt gehörte ebenso dazu wie Fürst von Hardenberg oder Napoleon und Friedrich der Große. Man scheute kein Experiment, diesem eher raubeinigen Material eine samtige Oberfläche zu geben. Der schnörkellose preußische Klassizismus und das harte Material schienen wie füreinander gemacht. Den ausführlichen Artikel „Berliner Eisenkunstguss – Gold gab ich für Eisen” (sieben Seiten, 22 Abbildungen) von Sabine Spindler finden Sie in der aktuellen September-Ausgabe der Zeitschrift „Sammler Journal” (ab 26. August im Handel erhältlich)

Paar Tafelleuchter in Form einer Bacchus-Herme, Königl. Preuß. Eisengießereien, Berlin, 1825, H 9 cm (Foto: Archiv der Autorin) 09 / 13


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