Troedler 0216

Page 33

70_77_Mode

13.01.2016

12:57 Uhr

Seite 5

MODE 73 bestimmte Kleidungsstücke eindeutig von der Nationalzugehörigkeit. Aber der eine oder andere betuchte Modefreund kleidete sich nun auch mal „hispanisch“, „französisch“ oder „türkisch“ – als auffallenden Gegensatz zur heimischen Mode. Beispielhaft für solch modische Eskapaden war auch Elisabeth I. von England, die eine wahrhaft „europäische Garderobe“ aus spanischen, flämischen, italienischen, holländischen oder polnischen Modellen besaß, wobei die verschiedenen Stilelemente zur allgemeinen Verwirrung auch noch vermischt zum Einsatz kamen. Auch die verwendeten Materialien stammten aus verschiedenen europäischen Ländern, wenn beispielsweise eine spanische Halskrause aus feinstem holländischen Leinen und gleichzeitig teilweise aus italienischen oder flämischen Spitzen bestand. Dabei gab es für Modeentscheidungen gelegentlich auch politische Motive, wenn beispielsweise der Herzog von Mondena, Francesco I. d’Este, bei Ver-

handlungen mit französischen oder spanischen Bündnispartnern seine Kleidung jeweils anpasste und je nach Situation entweder einen französischen Spitzenkragen oder eine spanische Halskrause trug.

Frau oder Mann? Während bei frühzeitlichen Porträts zumeist kein Zweifel besteht, ob es sich bei der Abbildung um eine Frau oder einen Nicolas Juvenel: Bildnis des Balthasar IV. Paumgartner, 1589, Öl auf Leinwand, 111 cm x 97 cm, Leihgabe aus Privatbesitz Grünes Wams mit „Gänsbauch“, um 1580/1600, grüner Seidenatlas mit Schlitzmuster über Seidentaft, Vorderteile und Rücken wattiert, 54 cm lang, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg © Fotos: Monika Runge, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Mann handelte, ist eine eindeutige Klärung dieser Frage für antike Kleidungsstücke mitunter ein Problem. Denn ohne die dazugehörige Hose oder den passenden Rock ist es fraglich, ob ein 400 Jahre altes Oberteil damals tatsächlich von einer Frau oder einem Mann getragen wurde. Genauso stellt sich diese Problematik auch bei Hüten, Krägen, gestrickten Kamisolen oder Mänteln, die häufig keine geschlechtsspezifischen Merkmale aufweisen. Und manche der gezeigten Kleidungsstücke wurden auch abwechselnd der Frauen- und der Männermode zugeordnet – etwa Oberteile mit Ärmelstulpen und großen Krägen, für die erst das Gesamtbild mit Rock oder Hose eine eindeutige Geschlechterzuordnung zulässt. Auch die Größe der frühneuzeitlichen Kleidungsstücke ist bei der Bestimmung nicht immer hilfreich und selbst Stickereien geben keine eindeutigen Hinweise auf Trägerin oder Träger, denn die Gewänder der Oberschicht zeichneten sich damals für beiderlei Geschlecht durch eine große Schmuckfreudigkeit aus. So kann das Geheimnis nicht immer gelüftet werden, ob ein Oberteil damals eine Frau oder einen Mann gekleidet hat.

Dokumente und Briefe Über Tragdauer oder Weiterverwendung verschiedener Stücke geben jedoch alte Dokumente Auskunft. So wird in einem Schriftstück erwähnt, dass ein gefütterter Ehrenrock nunmehr „17 Jahre“ im Einsatz

sei. Und erhaltene Schneiderrechnungen dokumentieren einen ebenso sparsamen Umgang mit anderen textilen Ressourcen, wenn dort ausgewiesen ist, dass Röcke immer wieder länger und Oberteile immer wieder weiter für heranwachsende Töchter umgeändert wurden. Auch Briefe geben einen Einblick in frühneuzeitliches Kleidungsverhalten, wenn in einem historischen Briefverkehr beispielsweise die schwerwiegende Entscheidung erörtert wird, ob die betreffende Braut zum roten 02 / 16


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.