Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart - Ausgabe 03 - 2009

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LOKALTERMINKreuzberg kochte

Weshalb bietet das Bergmannstraßenfest kulturell so viel und kulinarisch so wenig? – das fragten sich im Juni 2003 sechs Kreuzberger Gastronomen. Chinapfanne, Flammkuchen, Rostbratwurst, gut und schön, aber wie wäre es beispielsweise mal mit Flusskrebssuppe, Kalbsinvoltini oder Trüffelpraline? Gefragt, gedacht, getan. Herbert Beltle (Altes Zollhaus), Pasquale Ciccarelli (Bar Centrale), Dieter Kaldewey (Riehmer’s), Thomas Kurt (e.t.a. hoffmann), Sven Reschke (Svevo) und Stefan Wiegand (freßko) schrieben eine Speisekarte, karrten Küchengeräte zum Chamissoplatz und kochten drei Tage lang munter drauflos. Die Festgäste staunten, die Hauptstadtpresse jubelte, „Kreuzberg kocht“ war geboren. Inzwischen sind die Zeiten fröhlicher Gastronomie-Improvisation im RotKreuz-Zelt längst vorbei. Die siebente Auflage von „Kreuzberg kocht“ in der letzten Juniwoche 2009 präsentierte sich einmal mehr als kulinarische Open-Air-Gala mit Gästen aus der ganzen Stadt. Worin liegt das Geheimnis dieses Erfolgs, den Köche etwa in Spandau und Prenzlauer Berg so gern kopiert hätten, allerdings kläglich scheiterten? Was macht „Kreuzberg kocht“ zum Kult? Garcon-Autorin Rebecca Csizmazia testete die 2009er Offerten von Herbert Beltle (Altes Zollhaus), Pasquale Ciccarelli (Bar Centrale), Matthias Gleiß (h.h. müller), Stefan Hartmann (Hartmanns), Thomas Kurt (e.t.a. hoffmann), Willi Login (Riehmer’s), Andreas Staack (Noiquattro) und Sebastian Theiss (Hof zwei im Mövenpick Hotel), sprach mit Stamm- und Zufallsgästen und erfuhr viel über Engagement, Leidenschaft und Zusammenhalt.

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GARÇON

Garçon-Autorin Rebecca Csizmazia

Rebecca Csizmazia, 29, geboren in Offenburg, aufgewachsen mit der bodenständigen badischen Küche ihrer Mutter und den ungarischen Sonntagsgerichten ihres Vaters. Studium der

Neueren Deutschen Literauturwissenschaften, Kunstgeschichte und Publizistik in Bremen und Berlin. Seit 2005 als freie Journalistin und PR-Beraterin tätig – Schwerpunkt Gastronomie.

Es ist 10 Uhr morgens, und acht Männer in weißen Kochjacken liegen sich in den Armen. Die Augenringe groß wie Wagenräder, der Gang schwer. Ein Königreich für einen Kaffee. Köche sind eben keine Frühaufsteher. Bei „Kreuzberg kocht“ müssen sie es aber sein. Das Ergebnis: notorische Übermüdung, gepaart mit Vorfreude.   Einmal im Jahr steht der Chamissoplatz drei Tage lang im Zeichen gehobener Kochkultur, und ganz Berlin ist dabei. Beltle, Hartmann, Kurt und Co. erfreuen sich erheblicher lokaler Prominenz.

Eigenregie der Köche. Es gibt keinen fremden Betreiber, keine laute Werbung und keine Sponsoren, die auf diese oder jene Rechte pochen. Made in Kreuzberg, das ist jene fröhliche Mischung aus 50 Prozent Perfektion und 50 Prozent Improvisation und die tiefe Überzeugung, dass dieses Fest deshalb so gut ist, weil es genau so ist wie es ist. „Kreuzberg kocht“ ist nicht mehr wegzudenken aus dem kulinarischen Veranstaltungskalender des Bezirkes.

Einer spricht den Satz des Tages: „Kreuzberg kocht´ ist ein ehrliches Festival.“ Er meint damit wohl klein und fein, kein überdimensionales Spektakel. Das ist sicher ein Geheimnis seines Erfolges. Dazu kommt die

Das Festzelt

Die Gäste kommen in Scharen, weil sie wissen, dass die Köche hier alles geben. Das wiederum spornt die Männer in Weiß besonders an. Die Herausforderung, hunderte Besucher an drei Tagen kulinarisch und kommunikativ zufrieden zu stellen, sie mit neuen Ideen und außergewöhnlichen

Der Küchennachwuchs


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