Gangan Lit-Mag 50 1|4

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The Future [Of Literature]

Literaturmagazin Nummer
Lit-Mag #50
Max Hö er Gastherausgeber Gangan
50

GANGAN

Gangan Literaturmagazin Gegründet 1996 in Sydney Nummer 50

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Impressum

All rights reserved

Gangan Verlag

Jakobsweg 18, 8046 Stattegg-Ursprung, Austria gangan.com, verlag@gangan.at, +43 680 3136961

Gesamtgestaltung: Gerald Ganglbauer

Druck und Bindung: Joanna Juszczyk

ISSN 1327-7073 © 2019 online

ISBN 978-3-900530-50-1 © 2019 print

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Lit-Mag #50

Die Zukunft [der Literatur]

Gastherausgeber Max Höfler, Graz

Für mein letztes GANGAN Lit-Mag habe ich Max Höfler als Gastherausgeber gewählt. Er ist ein gut vernetzter Autor der mittleren Generation und 38 Schriftsteller*innen sind seiner Einladung in die Jubiläumsnummer gefolgt. Das läßt eine Zukunft [der Literatur]

erahnen, der ich viel Erfolg und Spass am kreativen Schreiben wünsche. – Gerald Ganglbauer

Stattegg-Ursprung, 1. November 2019

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#50 Zukunft Future of literature

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Max Höfler 10 ........................................ Konstantin Ames 16 .............................. Thomas Antonic 20 ................................ .aufzeichnensysteme 24 ........................ Iris Colomb 30 ....................................... Ann Cotten 33 ........................................ Crauss. 38 ............................................. Brigitta Falkner 42 ................................. Frédéric Forte 43 ................................... SJ Fowler 50 .......................................... Natascha Gangl 54 ................................ Mara Genschel 58 ................................. Zuzana Husárová 67 .............................. D. Holland-Moritz 68 ............................. 5
Maja Jantar 70 ....................................... Benediktas Januševičius 72 .................. Ilse Kilic 78 ............................................. Barbi Marković 84 .................................. Robert Herbert McClean 86 .................. Alexander Micheuz 92 ........................... Mark Kanak 95 ...................................... Nick Montfort 100 .................................. Fiston Mwanza Mujila 102 ..................... Simona Nastac / Olga Stehlíková 104 ... Jörg Piringer 108 ................................... Tomáš Přidal 111 ................................... Robert Prosser 113 ................................ Stefanie Sargnagel 116 ......................... 6

Die Autor*innen erscheinen in alphabetischer Reihenfolge. Nur Husárová und Kanak wurden unter Berücksichtigung zusammenhängender Doppelseiten umgereiht.

Bernhard Saupe 122 .............................. Clemens Schittko 124 ........................... Ulrich Schlotmann 132 .......................... Stefan Schmitzer 136 ............................ Martin Glaz Serup 142 ........................... Muanis Sinanović 146 ........................... Dieter Sperl 149 ..................................... Ulf Stolterfoht 153 ................................. Kinga Tóth 158 ...................................... Mathias Traxler 161 ............................... Über die Autor*innen 165 ...................... 7

Max

Ann Cotten | Crauss. | Brigitta Falkner | Frédéric Forte | Steven J. Fowler | Natascha Gangl | Mara Genschel | D. Holland-Moritz | Zuzana Husárová |

Maja Jantar | Benediktas Januševičius | Mark Kanak | Ilse Kilic | Barbi Marković | Robert Herbert McClean

Höfler | Konstantin Ames | Thomas Antonic | .aufzeichnensysteme | Iris Colomb |
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Alexander Micheuz | Nick Montfort | Fiston Mwanza Mujila | Simona Nastac |

Jörg Piringer | Tomáš Přidal | Robert Prosser | Stefanie Sargnagel | Bernhard Saupe |

Clemens Schittko | Ulrich Schlotmann | Stefan Schmitzer | Martin Glaz Serup |

Muanis Sinanović | Dieter Sperl | Ulf Stolterfoht | Kinga Tóth | Mathias Traxler |

Dimitra Charamandas | Gerald Ganglbauer

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Max Höfler

3.1. Zusammenfassung der Vorworte

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus!

Frau Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich heute kurz fassen zum Unterschied von gestern.

Frau Präsidentin, geschätzte Damen und Herren! Natürlich als letzter Redner vor der Mittagspause, aber auch aus innerer Überzeugung, werde ich mich kurz fassen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleich anknüpfend an die Wortmeldung des Kollegen möchte ich um eines bitten:

Ich glaube, wir müssen uns bemühen.

Ich werde wirklich versuchen, mich kurz zu fassen.

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befinde mich in seltener Einigkeit mit meinem Vorredner und mit den Vorrednern vor der Mittagspause.

Ich glaube, ich werde mich bemühen.

(Wir werden uns auch darum bemühen!)

Ich werde versuchen, sehr kurz zu sein, zumindestens etwas kürzer als der Kollege.

Ich möchte daher ganz kurz diese letzten 10 Jahre noch einmal in Erinnerung rufen.

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Anstatt eines Vorworts

Darf ich einen kurzen Zwischenruf machen?

Ich möchte nur ganz kurz Stellung nehmen, weil ich Referent bin: Ich hatte die Ansicht, heute überhaupt nicht das Wort zu ergreifen!

(Allgemeiner Beifall.)

Und noch etwas ganz kurz.

Nur einige Sätze.

Wenn ich das Ihnen nur ganz kurz zeigen darf.

Noch kurz einige Bemerkungen.

Möchte ich noch ganz kurz streifen.

Als Abschluss dieser grundsätzlichen Überlegungen möchte ich noch kurz zitieren:

Ich werde mich kurz halten. Ich werde mich bemühen.

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3.2. Zusammenfassung der Danksagungen

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Danke!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Herzlichen Dank!

Danke.

Ich danke Ihnen!

(Allgemeiner Beifall. – 9.20Uhr.)

(9.25 Uhr.)

(Beifall bei der SPÖ und ÖVP. – 9.29 Uhr.)

(Beifall bei der ÖVP und SPÖ. – 9.42 Uhr.)

Ich bedanke mich nochmals bei allen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Danke.

Danke schön.

Danke!

(Beifall bei der SPÖ. – 9.50Uhr.)

(Beifall bei der SPÖ. – 9.58Uhr.)

(Beifall bei der SPÖ und ÖVP. – 10.06Uhr.)

(Beifall bei der SPÖ. – 10.20Uhr.)

(Beifall bei der ÖVP. – 11.04Uhr.)

(11.35 Uhr.)

(Beifall bei der ÖVP und SPÖ. – 11.51Uhr.)

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Ich und wir alle wollen besonders danken in diesem Rahmen. Ich bedanke mich bei beiden, beim Herrn Abgeordneten wie auch beim Kollegen.

Ich danke auch ausdrücklich für die Wortmeldungen, betreffend Orts- und Dorferneuerung.

Ich danke vielen Damen und Herren.

Ich danke dem Herrn Abgeordneten.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Und ich danke allen, die mitgeholfen haben, bis zum Steuerzahler. Und ich möchte dem Landeshauptmann und allen danken, mit dem Landeshauptmann aber an der Spitze.

(Ich bedanke mich ebenso.)

Ihnen gebührt ein besonderes Dankeschön. Ich möchte danken den Herren Bürgermeistern. Ich darf aber auch den Mitarbeitern in meinem Büro danken verbunden mit einem herzlichen Dank. Letztendlich gebührt mein Dank allen.

(Danke, Herr Landeshauptmann.)

Die Lebensleistung, mit über 100 Nummern von TRAKTOR heute weit über Österreich hinaus gewirkt zu haben, ist gewaltig, und wir können dazu nur gratulieren und dafür sehr, sehr dankbar sein. Abschließend möchte ich allen Mitgliedern der steirischen Musikkapellen und der Trachtenvereine für ihr ehrenamtliches Wirken zur Freude der gesamten Bevölkerung danken.

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Entschuldigung, daß ich hier in die fast allgemeine Danksagung nicht einstimme, sondern ein paar Bemerkungen eher kritischer Natur anbringe.

(Danke!)

Ich stelle mir Avantgarde anders vor als diese Programmeinlage. Danke!

(Danke!)

Ich möchte dem Herrn Landesrat trotz allem, daß wir nicht immer einer Meinung sind, sehr, sehr herzlich danken.

(Beifall bei der SPÖ und ÖVP.)

Zum Schluß, meine Damen und Herren, möchte ich allen danken. Ich bedanke mich nochmals bei allen und wünsche ihnen viel Erfolg.

Letztendlich gebührt mein Dank allen. Ich bedanke mich herzlich, Herr Präsident.

(Danke, Herr Landeshauptmann!)

Und da möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Vielen herzlichen Dank. Ich danke, daß Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der SPÖ und ÖVP. – 16.16 Uhr.)

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Noch nie war eine Debatte von so vielen Dankabstattungen gekennzeichnet, also ein absoluter Erfolg, und ich bedanke mich.

Gott sei Dank, sage ich — wir können das Gott sei Dank.

Gott sei Dank ist viel weitergegangen, und herzlichen Dank. Danke.

Aus: Traktor, Ritter 2019

Material: Stenographische Berichte – Sitzungen des Steirischen Landtags

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Konstantin Ames

Goll (Planification lyrique)

1 Seufzer am Seeufer

2 Heisere Elstern

3 Fotokehlen

4 Hin (weiß)

1 in der Hand den Stift eines unbedeutenden Frischediensts

über allem stets: anstelle eines Einkaufszettels

vierzehnzeilig liegt die Gießkanne nur noch da erschöpft sanken (sommers wie hier) die Einköpfe mir/ krepiert im Trampolin

gediegen eine Wespe

gediegen einzelne Wortwahl

scharenweis gut entwickelte schwarz-gelbe Koalitiönchen; Vögel schon morgens satt

–– POESIE STATT FREIZEIT––

kühne Ventriloquisten mit ihren brutschelnden Hölderlinpuppen halten’s Kratzen der Feder bereits für ihre Stimme

zwei Händen voll Wespen in den Pantoffeln (jeder kann ja was)

ein schmutziger Film befestigte eine jugendliche Büroklammer

\ am Stift

ein Wehrest Ichtee Leistungswasser

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will zuhaus sein, wenn die (Äcker schwänzten Bein itzt Reisig)

lächelnde Fläche des Sees welches Sees irgend erzittert

erster Vogel den ich sah war nicht der erste Vogel den ich sah war ein Acker dem ich es Acker Vogel den ich ein Acker Vögel dem ich es ackerte ein Acker dem ich es viertelte das Kehlenfilet möttscheln qu’est-ce que ça veut dire, le mot möttscheln

zweiter Vogel den ich Sarg war nicht weit und breit

1 These 1 These brat mir Rabenspeck

3 ins Gesichtsfeld der Jungsphilosophin stürzen Inschriften. Mondneid, Oiejunges, Wüste Denn.

Auf dem Gesichtsfels Glatzenbachs zieht man

1 Gedankengebäude hoch. Los, hoch mit ihm!

Des Auge will sich weiden. Ein, schalt ein! Schalt doch ein! Da ist der Auslöser!

Der Kran dreht sich nicht. Er schwebt. Seh’s genau. Und was macht die sanfte Sau Vorfrühling, außer sich aufschlitzen zu lassen?

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zu verstehen

hör auf, anfange sehen der Stör verschluckt salopp

la saloppe

écrits des oreilles de l’écrivain du terroir

Terror, du leichter Schweif des Reptils von Anfang

das Gadamergame in der Ess-Str. Schreiben ohne ’s zu bemerken

4 (Glücke)

3 (verlören)

2 (sich durch)

1 (Gewöhnung)

an

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Thomas Antonic KINGA KONG, SETZEN!

BEGINN (ALSO AUSZUG) AUS EINEM WUNDERSCHÖNEN STÜCK WELTLITERATUR

für Ralf B. Korte und Silvia Stecher

Editorische Notiz: Dieser Text entstand in Kollaboration mit einem zweiten Autor, der namentlich nicht genannt werden will und sich davon distanziert, weshalb dem zweiten (hier namentlich genannten) Autor die alleinige Verantwortung für dieses Machwerk übertragen wurde. In einer wilden Auseinandersetzung (Fausteinsatz, zwei ausgeschlagene Zähne, ein blaues Auge, eine Platzwunde) schrie der anonyme Co-Autor unter anderem folgende Sätze: „To me, making a fucking martyr out of Kinga fucking Toth with these fucking people is not my fucking idea of fucking fun.“ Und: „It's fucking like, seriously, why fucking bother? But if you fucking like it that fucking much and really fucking think it's really so fucking great then you can fucking own it!“

Sowie: „I don't fucking need all these fucking screaming, whining fucking idiotic fucking wanna-be losers sending me politically fucking correct fucking hate messages and all that fucking bullshit. Fuck that! And Saint Clemens fucking Setz can fucking fuck himself the fucking egomaniac fuck, with his fucking Tagebücher and his fucking lizard on his fucking finger, what the fuck, fuck him, fuck you and fuck your stupid ad hominem bullshit !“

I don’t mind about insults, as long as they are creative. (Just Be, am 3. Dezember 2018 vor Specs, San Francisco)

Freitag, 19. Oktober 2018

Oh, endlich! Endlich! Das Tagebuch des Clemens J. Setz erscheint!

Oh, thank fucking god! Oh, great Odin’s raven! Finally! Danke, Jesus.

ES GIBT EINEN GOTT! Wodurch haben wir ein solches Wunder verdient? Danke, dass du unser Leben so bereicherst. Danke, danke, DANKE.

Heiliger Clemens, rette uns! Ich muss diesen Volltext-Artikel haben. Ich zahle gerne 5.000 Euro dafür. Die Ausgabe kann man sich auch als pdf downloaden. Hoffentlich veröffentlicht er das zusätzlich als

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Hörbuch. Und hoffentlich handelt es sich um das vollständige Tagebuch, vom Zeitpunkt seiner Zeugung bis in die unendliche Zukunft. Clemens J. Setz wird ja ewig leben und konnte bereits im Uterus lesen und schreiben. Nicht nur schreiben, er verfasste damals bereits absolut geniale Lyrik, die jene Karl Heinrich Waggerls deutlich in den Schatten stellt. Und das will was heißen. Auch wenn ich nicht genau weiß, was das heißt. Aber ich bin ja auch nicht so ein Genie wie Clemens Jesus Setz.

Er sollte in Graz ein Häuschen errichten lassen. Und da drinnen, hinter Glas, können wir ihn dann betrachten beim Verfassen seines Tagebuchs. Das Häuschen könnte man Literaturhaus nennen. Oder Setzkasten. Wir können ihm zuschauen bei allem, was er in seinem Häuschen erlebt, was er träumt, was er sich so ausdenkt. Das wäre sehr wertvoll für uns. Das Gesamtkunstwerk Meister Setz könnte als sein eigener Vorlass in Fleisch und Blut angekauft werden. Aber das ist noch zu wenig. Es sollte auch einen Radiosender geben, SORF, nein, besser, mehrere Fernsehsender! Setz ORF 1, Setz ORF 2, ja, viele Kanäle, auf denen alle seine Werke besprochen werden und wir in Realtime sehen können, was er macht, wenn er auf der Klomuschel sitzt, oder wie er immer wieder versagt, wenn er versucht, unter Menschen zu leben, weil wir Menschen ja so „kauzig“ sind, wie der

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Pechmann sagen würde. Ja, kauzig sind wir, mein Gott, wie kann man unter solch kauzigen, beschissenen Menschen leben, wenn man der Welt so viel anzubieten hat? Das ist ja unrecht. Warum ist diese Kinga Tóth Grazer Stadtschreiberin? Ich sage: Clemens J. Setz AUF

IMMER UND EWIG STADTSCHREIBER!!!: Weiche, Tóth, und gib dich mit dem Publikumspreis bei der Nacht der schlechten Texte in Villach zufrieden, KAISER SETZ KOMMT!

Graz braucht keine ungarischen Möchtegern-Dadaistinnen. Die SetzApostel auf den Literaturhäuseln dürfen ausschließlich Setz lobpreisen, Setz-Füße und Setz-Stiefel lecken. Setz-Schwänze vielleicht auch, zum Teil. Jesus Setz würde also gar kein Häuschen mehr errichten lassen brauchen, wäre er nicht Setz, dem ein Gebäude, das nicht extra zu seinen Ehren errichtet wurde, zu minder ist. Milde lässt er sich dennoch den Lorbeerkranz aufsetzen. Setz sollte in JEDER Stadt auf immer und ewig Stadtschreiber sein! Setz schreibt viele Buchstaben, und jeder Buchstabe ist brillant. Und dafür reicht eine Stadt nicht aus. Da kann Kinga Tóth noch so sehr die Welt mit ihren Poesiefladen zuscheißen. Ich weiß sowieso nicht, wie es dazu kommen konnte. Kinga in manuskripte, Kinga in Lichtungen, Kinga in perspektive (im Ernst?? Ja klar!), Kinga in der Akademie Schloß Solitude, Kinga Stadtschreiberin in Jena, in Graz, im Glory Hole, Kinga here, Kinga there, Kinga Kinga everywhere. Aber wer zum Teufel ist überhaupt Kinga Tóth??? Dieser Mist hat vor ungefähr zwei Jahren angefangen. Plötzlich, wohin man auch nur schaut, in Berlin, in Wien, in Graz, überall taucht der Name dieser Person auf. Und ich frage Höfler, wer das ist. Und er scheint auch irgendwie … so: „Ähm, eine Autorin aus Ungarn.“ Und ich: „Was hat sie denn in Ungarn so getrieben, ist sie dort ein literarischer Superstar?“ Und er: „Ähm … nein.“ Also irgendwas ist da faul.Who the fuck is Kinga Tóth compared to God Setzkasten?

War Kinga Tóth schon in Volltext? Nein, oder? Nein. Die wissen noch, was ordentliche Literatur ist. Die berichten über das Tagebuch des Clemens J. Setz. Oh, ich kann mein Glück gar nicht fassen. Jetzt

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sehe ich es erst, blind war ich vor lauter Setz-Enthusiasmus: In der Setz-Tagebuch-Volltext-Ausgabe sind auch Alexander Kluge, Arno Geiger, Norbert Gstrein, Nora Gomringer vertreten. Sogar Hermann Broch schreibt noch immer für Volltext. Ich muss diese Ausgabe haben!!! Ich zahle auch 30.000 Euro! Dieses Heft wird in wenigen Jahren sowieso nur mehr für eine sechsstellige Summe zu haben sein.

Norbert Gstrein, was für ein Schatz! Da kann Kinga Tóth einpacken! Alles Unfug! An Norbert Gstrein kommt niemand ran. Weil er mit niemandem wetteifert, kann niemand sein Mitstreiter sein.

Samstag, 20. Oktober 2018, früher Nachmittag

(Fortsetzung folgt)

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enteignung ansprechen

fingerfertige gefälligkeit

misstrauen in offener schale

voreiligkeit verbissenheit auszugsweise trägheit ein sieb im abschlag strohsterne ohne hände

Der Forscher drückt den Arm der Forscherin, um etwas zum Ausdruck zu bringen. Schilfgestecke fahren vorbei, beschleunigen beschaulich, kunstvoll arrangiert mit Möwen. Manchmal fährt ein Wind in ihre Federn. Pusten klänge weniger elegant aber zupackender. Die Forscher können sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt mit ihrer Sprache befasst haben. Zu viel ist geschehen. Einem Erdrutsch gleich haben sich die Verhältnisse um sie herum verändert, von langer Hand geplant. In den öffentlichen Verkehrsmitteln und sogenannten Fahrgastunterständen ist nun auch das Lesen und Schreiben untersagt. Es gilt als „unappetitlich“. Die Forscherin, seit früher Jugend gewohnt, lesend und notierend durch die Großstadt befördert zu werden, greift nervös in die Rückenlehne aus Bakelit.

reiner sprachgebrauch dämmert stillgelegt ausdauer mit systematik entleert eine taktik mit frischer stimme allem entsagen

.aufzeichnensysteme
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Anscheinend ist alles aus den Bäumen geschüttelt. Sie sind leer. Eine Regenwand steht. Das Glitzern ist vorbei. Man lässt es schleifen. Auch häufen sich Verpflichtungen. Ein Vorhaben zu erläutern. Seine Vorbereitung erfolgt in Form winziger Einheiten die mit dem Wind davongetragen werden.

Diktaphon: was tritt in erscheinung? was habt ihr vor?

Die Forscher erhalten ein Briefkuvert mit Sichtfenster und ohne Absender. Ein handgeschriebener Vermerk warnt: „Vorsicht zerbrechliches Liefergut.“ Sie erbrechen den Brief und finden die zu Bröseln zerdrückten Überreste leerer Eierschalen vor. „Preis“ ist darauf zu entziffern. Man weiß es wieder nicht. Nichts weiß man.

Leicht ratlos greift die Forscherin zum Stift: „Wer keinen Bart hat, sollte keinen abschneiden. Vielleicht ungewöhnlich für eine Preisverleihung möchte ich aus gegebenem Anlass noch etwas einräumen, vielmehr mit etwas aufräumen um endlich etwas aufzugeben. Die Wohnungsnot ist keine, nur eine grassierende Wohnraumumverteilung zugunsten der Üblichen in üblen Zeiten. Die Kleine Wohnung, namentlich 1-Raumwohnung ist eine aussterbende Grösse, die unter Denkmalschutz gestellt gehört, da ich ihr mein Schaffen verdanke. Sollten Sie also bezahlbaren Wohnraum haben, zögern sie nicht, an uns heranzutreten, denn wir haben nicht nur uns selbst, sondern gleich 5 weitere unserer Art an der Hand, die Wohnraum in dieser Stadt nicht mehr bezahlen können und daher nomadisierend sich in der Weltgeschichte herumschreiben, kurz: dies ist ein Plädoyer für die kleine Wohnung, auf die unter dem Vorwand der Wohnraumverbesserung seit geraumer Zeit ein langanhaltender Anschlag erfolgt, wiewohl auf deren BewohnerInnen, die diesbezüglich in der öffentlichen Wahrnehmung leicht unter den Tisch fallen, so, wie vermutlich das vorliegende Schreiben. Betrachten sie es somit als gegenstandslos…“

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zeit ist ein muskel

sein stichwort lautet „stets“

erstickt hinterrücks

bodenpersonal erwischt in der ausschweifung

„ohne einen glaspalast ist das leben eine last“, sinniert der forscher. an jeder ecke mit leerstand spielen sich ihre phantasien hoch. die forscherin würde alles notieren, soweit es in ihren kräften steht. vorläufig lässt sie nur anschreiben. im ganzen ein wartender finger, der auf den tisch trommelt. der gestank kommt nicht aus der umgebung, er steckt in der nase. sie stinkt in sich. verschluckt alles aus not.

gras beschönigt spinte freigehalten von bückware

unterste schublade von geiz bestimmt

Die Forscher sind glücklich, wenn sie etwas hinter sich her ziehen oder schleifen können. Während der Forscher mit der Säge Äste zerteilt und den Bau sorgsam aufstockt, durchstreift die Forscherin den Schilfgürtel, sichtet abgebrochenes Geäst, zieht es aus Überwucherungen heraus zur Burg und läuft dann hinaus in die von Maulwürfen durchpflügte Wiese, um kniend mit beiden Händen einen ganzen Erdhaufen auf einmal in den Eimer, der zwischen ihren Beinen klemmt zu schieben. Die Forscher benutzen für ihre Gänge die eingetretenen Wechsel, die sie damit vertiefen. Viele Eimer schwarzer fetter Erde sind so nun schon auf dem Bau gelandet und haben ihn an entscheidender Stelle verstärkt und befestigt gegen anzunehmende Hochwasserflutwellen im Frühjahr. Die Tiere haben

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ihrerseits des Nachts die Bautätigkeit der Forscher mit einem Pfotenabdruck aus schwarzem Schlamm besiegelt. Nie war die Rede davon gewesen, den Tieren ins Handwerk pfuschen zu wollen. Alles geschah mehr oder weniger instinktiv, beinahe wie von selbst.

leichte zweifel hegen inneres alte gesetze ins spiel bringend

erhebliche abwesenheiten aus dem ruder gelaufen

Böses Erwachen im Dichterparadies. Mit Zimmer, Park, Vollpension, Dichtermythos soll etwas von Relevanz hervorschauen? Kriechend, versteht sich. Am nächsten Tag ist die Blockade verschwunden. Aufgehängt an toten Tieren finden sich schnell die richtigen Worte. Anders Daheim. Dort wird ein Dachaufsatz aufgesetzt, das Haus aufgestockt, Balkone in den Hinterhof gequetscht. Der Rauchfang mit Krähen, eine gewohnte Attrappe, verschwindet. Die Kulisse verändert sich. Auf das Steropor der Dachdecker vom Wind aufs Taubennetz, über die Häuser gespannt, getragen, herunter gesegelt klopft Regen, prasseln Tropfen, verstärkt durch den Raum im Hof wie Knallerbsen. Rauchen und Handytelefonie machen ihn zum Stink- und Echoraum, tragen Nikotin und Tonschwall in einen Schutzraum. Und gefällt es dir nicht? Ja. Die sehr schöne Linie gelingt sofort, setzt sich ohne einen Gedanken perfekt, vorzüglich, springt sofort ins Auge, trifft, öffnet Raum.

eine handlung von der auf hände geschlossen werden kann wenig. fast nichts.

die decke ist dicker, als sie aussieht oder umgekehrt in wahrheit ist vieles genau umgekehrt

„Ah ist ja schon viertel nach Vier“, seine Mundwinkel zucken unaufhörlich. Irgendetwas scheint den Forscher stark zu

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beschäftigen. Nein, er ist nicht der Mensch, der viel liest. Im Umkehrschluss löst er keine Kreuzworträtsel. Er liest gern und zügig Bücher, in denen es weiter geht. Denn er zählt sich nicht zu den literarisch interessierten Lesern sondern zu den Lesern, die daran interessiert sind, daß es weiter geht. Vor allem zügig. Die Form ist ihm nicht gleichgültig doch hat sie seinem Anspruch zu genügen und wie ein Sog zu wirken.

maschine punktiert nach nützlichen mustern

erhöht den genuß ungenutzter pausen

Der Wasserstand ist abzulesen. Präzise und unaufgeregt legt die Forscherin darin den Untergang der Menschheit fest. Die Forscher verbringen in diesem Winter die meiste Zeit des Tages im Bett, der kleinsten Wohneinheit, auf welche sich historisch schon so einiges beschränkte, komprimierte, zusammenkürzte. Es erscheint ihnen

angemessen in Anbetracht von Dunkelheit und Kälte in dieser Zeit. Die Forscherin richtet sich auf, um eine weitere Wohneinheit, den Tisch zu erreichen und sich ein Buch zu holen. „Ich hatte etwas anderes für dich vorgesehen“, bemerkt der Forscher. „So, jetzt kannst du wieder ansetzen“, erwidert die Forscherin, indem sie sich aufs Bett bequemt. Während sie die Kissen zurechtrückt, setzt der Forscher zufrieden an, seine Geschichte der Realität fortzusetzen. Aufgrund seiner eingeschränkten Raumwahrnehmung nimmt er die Forscherin nur als einen Strich mit 2 Punkten wahr. Daher fragt er unentwegt sich orientierend „Was passiert gerade?“ Die Forscherin lauscht seiner Stimme, kann aber inhaltlich wieder nicht folgen.

kosten und umstände sind geliefert keinen platz in der auflösung

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Die Forscher finden Tannenzapfen und bringen sie in ein Wasserbehältnis. Dort schließen sich die Zapfen innerhalb einer halben Stunde. Anschließend entnehmen sie sie dem Wasser und legen sie zum Trocknen auf eine ruhige Fensterbank in die Sonne.

Dort öffnen sie sich innerhalb eines guten Tages. Es können auch zwei vergehen.

wintervorrat fliegt ins gewebe als akrobat im hosenanzug überall schalen vermutlich von leuten

klärend befreiend, insofern fragwürdig zeichnung verbleibt in der tusche

keine verschwendung hämmert im geist stabilisiert die atmosphäre, selbstaufhebung – sofort!

gemessen an formen schließt sich das schloss

Diktaphon: fehlt dir etwas? – höchstens nichts.

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Iris Colomb nein3

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Ann Cotten

Es gibt mehr Geld

ein Wrapup

FfaM 10.3.2019

Es gibt mehr Geld

Wir können mehr vom selben machen und wir sind schon dort igelhaft yoshka v tumanje

Es ändert sich sonst nicht viel wir sind schwach, wertvoll ever entitled und wir schauen nach oben: wir sind nicht die schlechtesten!

menja zavut wowa, ja znaju tri slowa i eta clovarnik ja prishil iz doma uu, a ja sami modny i vidimo sami krasivi

wir sind es gewohnt, beispielhaft zu sein wir finden es ist der richtige weg, das MENSCHLICHE auf big stages zu stellen mit viel Pathos, denn das Humane ist nicht das Humanoide sondern das Androide

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schwaches Betriebssystem meistens dienstbar immer eigensinnig Jawohl.

Unser 4. Reich ist nicht von Landesgrenzen abhängig sondern nicht von dieser Welt

Es ist moderner und internationaler als die meisten Monotheismen und traditionsbewusster als die AfD, in Wirklichkeit. Es lässt sich nicht festlegen, sondern entzieht sich aller Zusammenhänge

Es ist der immaterielle Stoff der Freiheit, der Leichtheit der einfach flattert mit abstrakten Sachen, ohne eine Landesfahne zu sein völlig unabhängig von den unversicherten verstümmelten Schweissern in Bangalore also nicht responsiv nicht auf Gründe, Logik, Realzwänge angewiesen denn es muss super flattern per se flattern

wie ein Sommerkleid in den schönen Fünfzigerjahren in Frankfurt am Main

als die Kolonialstrukturen noch wirkten, aber nicht so wie jetzt, als die Kolonialfiktionen noch unschuldiger waren als wir vollkommen ahnungslos „Negermusik“ für Jazzmusik sagten und niemand insinuierte, dass Ahnungslosigkeit auch eine Art Verbrechen darstellen könnte

die faulste Art natürlich

Aber wir sind nicht faul wir sind fleißig wir sind artige DJs und wir rocken voll ab und nehmen den Goethe auch mit und auch das Geld

wir sind junge deutsche Dichter

ni

wir sind die junge deutsche Lyrik

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und die Geflüchteten sind auch dabei weil sie unsere Freunde sind!

nicht weil sie gute Lyrik schreiben oder aus Mitleid oder Interesse quatsch ich meine schon weil sie gute Lyrik schreiben nicht weil sie gute Menschen sind das können wir nicht beurteilen dafür gibt es Kriterien

das ist diskriminierend

wir bewerten nicht

wir schauen gar nicht hin!

Wir lassen die Preise jetzt von Callcentern in Bangalore kontrollieren wir sind nicht faul wir sind nicht fleißig wir rocken voll ab

wir sind in Netzwerken

wir lassen uns quatschen

lass uns später mehr quatschen

das hat schon deine Mutter zu Lebzeiten umgebracht und sie hat es nie geschnallt und das machte sie zu der kläglichen Figur, die sie ist, ja ich schimpfe über deine Mutter blind schimpfe ich über deine Mutter, aus Wut gegen die unreine Situation der Naturgesetze des Markts dass Frauen grad um so viel weniger Asche kriegen – im Schnitt, Lyriker sind natürlich ausgenommen, die kriegen so wenig wie Frauen – im Schnitt – und auch und auch und auch völlig ahnungslos und zufällig sind diese 貧乏な詩⼈ plötzlich in Akademien, das sind die Netzwerke weil Lyrik ist letztlich Netzwerktheorie.

ni
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Karrieristen

Karrieristen

Karrieristen haben eine merkwürdige Energie, langweilige und nutzlose Dinge gewichtig erscheinen zu lassen in jeder Silbe kann man es lernen man kann es lernen wenn man nur wollte

Du kannst es während es dich würgt, nicht einmal sehen das sind die hochtechnologischen Stoffe aus den Verträgen und Sicherheiten, die es eben nicht gibt aber gibt, als Netzwerk von Turbinen als Nachfragedynamik ohne Nachfrage weswegen man nicht darüber sprechen kann und es flutscht wie nur, was nicht besprochen wird, flutscht das ist die Effizienz der Lyrik ganz automatisch schon längst dort mit ihren ewigen, kompakten Paketen von Selbst und es endet im Kompaktus wie das Toiletttascherl von deiner Mutter in den Färbschlacken von Malaysien.

Ja ein Stück Lyrik ist wie ein Rollkoffer, ein stilles und tödliches Wettrennen findet statt wer hier am wenigsten weiß, hat einen gewissen Schemel.

Er bleibt an den angenehmen, den windstillen Orten bescheiden und unterhaltsam mit unauffälligen Renten ausgestattet ein bisschen Kaffee und Vasen, ein bisschen Schönheit reicht und daher ist die Poesie das wundervollste Wappentier für einfach alles

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Es gibt jetzt mehr Geld, Leute, für Formen des Sprechens, die garantiert unkoordiniert bleiben denn es ist die demokratisch-markttechnisch ermittelte mittlere westeuropäische Tradition, seit der Entflechtung der Kombinate

Verquastheit als Zeichen der Freiheit zu deuten, die der Kritik eine Form gibt die niemanden zwingt, irgendwas zu tun die Normen zerschlägt 5-jahrespläne umstößt und uns vor Klarheit schützt denn Massenbildung gefährdet die Pyramidenspiele

Warum gibt es mehr Geld?

Weil wir immer schon vorbildlich waren, solange wir da waren undiskriminierend und undiskriminiert wir, im Sinne von Demokratie und Menschenrechte haben so viel Geld verdient, dass wir uns jetzt noch mehr verbessern können. Mit Lyrik, ist beste Methode. Man sieht es an den komplett durchgepflasterten Innenstädten.

Material:

https://www.kritischer-agrarbericht.de/ fileadmin/Daten-KAB/KAB-2015/KAB2015_69_74_Hentschel_Fock.pdf

Strukturelle Bedingungen von Wirtschaftskriminalität von Kari-Maria Karliczek

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Crauss.

Mamy

MAMY ENTDECKT DEN DUTT

Maria Milz, besser bekannt als DJane Mamy Rock erfindet den dutt neu. das auch als vogelnest bekannte accessoire, das früher ausschliesslich damen um die siebzig heiss machte und als erinnerung an jugendlich langes, aus anstandsgründen zusammengebundenes haar galt, ist jetzt von der 100jährigen Mamy zum „geilsten outfit nach lady Pam’s blitzblauem paillettenbikini“ gekürt worden – vorausgesetzt, man trage es einigermaszen selbstbewusst und sehe auch sonst nicht aus wie eine oma. und beileibe, das tut die DJane, die vor ein paar jahren als einfacher roadie für die letzte LOUIE AUSTEN-tour angefangen und dann eine steile karriere an den turntables hingelegt hat, keineswegs. im gegenteil: der Mamystyle ist inzwischen zum fashion-brand mutiert und man sieht den dutt als druck auf t-shirts und im vertrieb über skateshops. einige limitierte suisse-dutt varianten mit schweizerzopf waren im handumdrehen vergriffen, und die modewelt forderte lautstark nach einer fortsetzung. what’s next, Mamy?

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PARTYCIPATE THE EARLY BIRD

FEIERN BIS ZUM ABENDBROT

die zeiten, in denen der rave- und partygänger sich vor dem eigentlichen event daheim oder bei freunden einem „prevent“ hingab und stundenlang bequem auf seinem hintern sass, sich mit dutube und dunkelbier einstimmte, sind nun vorbei. der neueste schrei, den die DJszene beim letzten master rave ausstiess, lautete nämlich: „partycipate the early bird“ – was soviel bedeuten soll wie: feiern ist auch ohne langes einstimmen möglich. wer den rave in sich trägt, kann jederzeit party machen, egal ob am frühen morgen oder gleich nach der arbeit. eine der vorreiterinnen dieses trends ist Mamy Rock, die ihre sets teilweise schon um 18 uhr beginnt, oder, wenns spät wird, zumindest gleich nach der tagesschau. „ich guck die nachrichten im backstage, und nach dem wetter stürme ich die bühne.“ die 100jährige tut das aus nachvollziehbaren gründen: „erstens bin ich zu alt, um stundenlang vor einem set herumzulungern und vodka zu trinken, zweitens möchte ich selber gern feiern, nachdem ich es den kids gegeben habe.“ der trend schlägt ein, zumindest in der europäischen clubszene, und immer mehr DJs wie Tanzate oder DJ Düsseldorf folgen dem early bird beispiel.

zunächst hatten die feierabendsets bei veranstaltern und clubbetreibern zu irritationen sowie bei den ravern zu völliger verwirrung geführt, da man eine ordentliche garnitur frühestens um mitternacht erwartete und auf einmal viel zu spät zum event erschien, nämlich dann, wenn die show gerade gelaufen war. andererseits belegt eine jetzt veröffentlichte schweizer wirtschaftsstudie den vorteil und die konsequenz des frühen feierns in bezug auf den demographischen wandel unserer gesellschaft. auch andere veranstaltungen würden wieder zeitiger angesetzt und dadurch viel mehr partyenergie (dh: konsumbereitschaft) nutzbar gemacht, insbesondere, da sich laut statistik immer mehr ältere semester für vormals jugendlichen vorbehaltene gigs zu interessieren begännen. na dann: feiern bis zum abendbrot und zur afterparty im altenheim mit dem zehn uhr bus!

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RADIO-BOYKOTT GEGEN NEUESTEN MAMY RELEASE

wie die herald tribune am wochenende meldete, zeigen sich deutschsprachige radiosender unangenehm irritiert vom letzten release der international renommierten DJane Mamy Rock. die aktuelle single toilet worship sei ein ergebnis der letzten asien-tournee, so Rock. „a friend’s toilet recently greeted me with a beam of light emerging from the back of the bowl“, zitiert die tribune die 100jährige. das sei ihr zeichen genug gewesen, sich in einem neuen track mit der in asien alltäglichen wertschätzung servicestarker bedürfnismöbel auseinanderzusetzen. in japan beispielsweise sei man förmlich stolz auf technologisch hochgezüchtete wasserklosetts. „da kann man nicht nur sein geschäft rein machen, sondern sich gleich den allerwertesten spülen und fönen lassen, während eine zur dauer des bedürfnisses abgestimmte wassermusik ertönt und aus der schüssel heraus eine entsprechende lightshow an die kabinenwände projiziert wird. die reinste sitzdisko“, begeistert sich Rock im interview.

während man in den usa wenigstens den in toilet worship propagierten luxus- und servicegedanken nachvollziehen könne, so die tribune, stosse der „klo-song“ in den europäischen ländern auf unverständnis und ablehnung. Rock habe sich von einer unappetitlichen japanischen besessenheit dahinspülen lassen, hiess es in einer begründung des bayerischen rundfunks, der den song genauso boykottiert wie Ö3 und polnische, britische oder französische stationen. zeilen wie „twenty buttons to clean your buttocks“ und „first’s a fart splish splash, squirt spurt, then’s a turd …“ könne man keinem noch so aufgeklärten hörer zumuten.

TOILET WORSHIP
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unterdessen hat sich massiver protest gegen den radio-boykott geregt: in alternativen diskotheken läuft der track rauf und runter, insbesondere die westeuropäische gay community sei laut herald tribune dafür verantwortlich, dass der von Mamy Rock schnell nachgeschobene urinal mix mit der hookline „don’t forget to use your tongue, too“ innert weniger tage die clubcharts gestürmt habe. die bundesprüfstellen in deutschland, österreich und der schweiz haben sich bislang noch nicht zu einer möglichen indizierung geäussert, jedoch bleibt fraglich, ob die single auf dem nächsten Mamy-album erscheinen wird. Mamy Rock selbst will sich den release zwar nicht verbieten lassen, das management von mariamilz records ist jedoch bemüht, schon vorab den schaden zu begrenzen: „wohlmöglich werden wir einzig den don’t drop your cellphone in it mix auf dem longplayer veröffentlichen – eine reine instrumentalfassung mit splash-geräuschen und der dauer, die ein durchschnittlich gebildeter tribune-leser fürs grosse geschäft braucht.“

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Brigitta Falkner

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Frédéric Forte

7 MINUTENOPERN

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