Katrin Neubert Dipl.-Keramikerin

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Katrin Neubert Keramisch-Botanisches-Beobachtungsprotokoll


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Inhalt

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„fungus“ Schimmel, Sporen, Pilzmyzel „art meets science“ in der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt „contagious“ Mikrobiologie und Viren Fortpflanzung und Entwicklung (ohne Abb.) „up down – all around“ Fortschritt und Technik „male“ Mimikry unter Männern „conserved“ organische Präparate in historischen Sammlungen „Zellbiologische MaKrosKopien“ Exkurs in die Pflanzenbiochemie „scientific publication“ Nachtaktiv im Biologicum Katrin Neubert Diplom-Keramikerin


Organismen

Tiere

Viren Sproßpflanzen

Pilze

einzellige Algen

Weichtiere

Ringelwürmer

mehrzellige Algen

Katrin Neubert

Keramisch-Botanisches-Beobachtungsprotokoll


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„fungus“ Schimmel, Sporen, Pilzmyzel

Steinzeug 2003 Freifeuer 1300° Höhe 35 cm 

 In meiner Werkreihe „fungus“ erprobte ich ganz bewusst unterschiedliche Verarbeitungsarten, Formgebungsverfahren, Oberflächenbehandlungen und Brenntechniken, um mein Repertoire an Gestaltungsmöglichkeiten im Umgang mit dem Material Keramik experimentell zu erweitern. Meine Ausbildung zur Scheibentöpferin bildete dabei die solide Basis, um im handwerklichen Bereich Bewährtes aufzugreifen, zu hinterfragen oder zum Teil auch ganz absichtlich zu vernachlässigen und mir so einen noch freieren Umgang mit dem bereits vertrauten Material anzueignen. Thematisch inspiriert hat mich damals die Vielfalt der Formen und Farben von Pilzen und Schimmelkolonien. Sie gehören weder zu den Pflanzen noch zu den Tieren, sondern weisen Eigenschaften beider Gruppen auf. Ihre Zellwände bestehen nicht aus Zellulose, sondern aus der „Käfersubstanz“ Chitin. Sie besiedeln nahezu alle Lebensräume und sogar andere Organismen, bleiben aber für uns Menschen meist im Verborgenen und unsichtbar. Der Wunsch, den verborgenen Dingen der Natur nachzuspüren, das vermeintlich Unsichtbare zu entdecken, zu beobachten und in seiner Einzigartigkeit wiederzugeben und im Kontrast zur Realität überdimensional groß darzustellen, begleitet seither mein künstlerisches Schaffen. 4


schamottierter Ton 2003 geschmaucht 960° Höhe 10 cm

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verschiedene Dekorund Brenntechniken 2003 bis 25 cm

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„art meets science“ in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

 Die Ausstellung „art meets science – ungehinderte Überlagerung“ in der

Physikalisch-Technischen Bundesanstalt [PTB] in Berlin war das Ergebnis einer spannenden Kooperation von Wissenschaftlern und Künstlern. Die Angestellten der PTB gewährten Einblick in ihr berufliches Umfeld und berichteten über Inhalt und Ziele ihrer Arbeit. Die Ausführungen über Metrologie, die Darstellung und Bewahrung der Konstanz physikalischer Größen und die 6

Visualisierung von Biomagnetismus boten zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine thematische Auseinandersetzung aus einem künstlerisch-gestalterischen Blickwinkel. Die entstandenen Werke wurden im Hermann-von-Helmholtz-Bau auf dem Gelände der PTB präsentiert und entfachten dort einen anregenden Diskurs über das Spannungsverhältnis von Wissenschaft und Kunst, Gegensätze und Parallelen.


„Konstruktionen“ 2004 Siebdruck, Leinwand auf Holz 123 x 88 cm

Die Bearbeitungsverfahren bei der Bedampfung von Squids und die Herstellung eines Siebdruckes weisen erstaunliche Parallelen auf: Lichtempfindliche Lacke definieren die Form und Größe von beschichteten farbig bedruckten Flächen. Schichtweise übereinandergelegt addiert sich so eine künstlerisch verfremdete Abbildung von in der PTB gesehenen technischen Gerätschaften.

„In der Kunst wie in der Grundlagenforschung ist die Ausgangssituation nicht mehr als eine Vorstellung, Vision, möglicherweise Utopie oder ein Irrtum, die Phantasie und Überzeugung brauchen. Dann beginnt die Arbeit an der Methode. Werkzeuge, Materialien müssen gefunden oder geschaffen werden. Dort wie bei uns gibt es Individualismus wie Teamarbeit und offenbare Autarkie in einem Spezialbereich. In naturwissenschaftlicher Forschung wie in der Keramik muss mit dem Zufall gerechnet werden. Er kann stören oder kreatives Moment sein. Die Entdeckung oder Realisierung ist noch nichts wert, wenn die Klause nicht verlassen wird, um Öffentlichkeit und Anwendbarkeit zu erproben.“ [Prof. Antje Scharfe]

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„art meets science“ in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

 Magnetfelder umgeben uns nahezu überall. Sie sind für Menschen nicht

sensorisch erfahrbar und doch real existent. Die Wissenschaftler der PTB spüren ihnen mit hochempfindlicher Messtechnik bis ins Innere unseres Körpers nach. „Keramagnetische Spuren“ (2004) sind der Versuch, die besondere Ästhetik magnetischer Felder wie in Momentaufnahmen visuell sichtbar zu machen. Hauchdünne, transparente Porzellanplatten sind Träger der zarten graphischen Strukturen. Aufgehängt vor einer größeren Fensterfläche, verleiht indirekt einfallendes Licht der Arbeit Lebendigkeit.

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„contagious“ Mikrobiologie und Viren

 Einmal eingetaucht in die Welt von Wissenschaft und Forschung beschäftigte ich mich weiter mit schematischen Darstellungen aus dem Bereich der Mikrobiologie. Computergrafiken und mikroskopische Aufnahmen von Einzellern, Bakterien, Kugelalgen und Strahlentierchen regten mich an zu einer Serie von Plastiken, die den kugelförmigen, teils mathematisch-konstruktiven Bau einiger Viren aufgreift und abstrahiert. Besonders interessiert hat mich der Gegensatz zwischen graziler Schönheit und lebensbedrohlicher Gefahr, die diesen Krankheitserregern innewohnt. 9


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„contagious“ Mikrobiologie und Viren

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Mikrobiologie und Viren, 2005 1160 C° 1160 C° 1160 C° 1040 C° 1160 C° 1160 C° 980 C° 1040 C° 980 C° 980 C°

60 cm 40 cm 25 cm 19 cm 32 cm 50 cm 26 cm 35 cm 33 cm 15 cm

Abb. rechts  11 Steinzeug 1160 C°

75 cm

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Steinzeug Steinzeug Steinzeug Steingut Steinzeug Steinzeug Rakubrand Steingut Rakubrand Ton/Acryl


 Der Begriff „Phantasmagorien“ wird gewöhnlich mit „Zauber, Trugbild“ oder „Blendwerk“ übersetzt. Darüber hinaus erscheint er seit dem 18. Jahrhundert als beliebtes Synonym für die Darstellung von Scheinbildern durch optische Mittel. Die Ausstellung „Phantasmagorien“ zeigt künstlerische Positionen, die sich in verschiedenen medialen Ausprägungen mit dem Spannungsverhältnis von Künstlichkeit und Natürlichkeit beschäftigen. Dabei entstehen (Phantasie-) Welten, deren Ursprung als aus natürlichen Formen und Strukturen gewachsen erkennbar bleibt. Aus sämtlichen Arbeiten spricht die zutiefst menschliche Sehnsucht nach einer Beherrschung der Natur, um das Chaos in ein klar definiertes System zu überführen und die Vielfalt an unterschiedlichen Lebensformen greifbar werden zu lassen. [Programmheft 02/2007, Kunsthaus Essen]

„Phantasmagorien“ Ausstellung Kunsthaus Essen 2007

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Fortpflanzung und Entwicklung (ohne Abb.) „up down – all around“ Fortschritt und Technik

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 Die Bewegungen eines Kranhakens sind in ihrer Richtung klar definiert. Beim

Anheben und Absenken der Last verläuft die Bewegung vertikal. Um Gegenstände zu versetzen, bewegt sich der Kranhaken zusätzlich horizontal und oft auch radial um eine Achse herum. Es entsteht ein räumliches Bewegungsprofil aus senkrechten, waagerechten und kreisförmigen Strukturen, die ich als gestalterischen Anknüpfungspunkt für mein Wandbild in der Hauptgeschäftsstelle einer Kranbaufirma in Köthen wählte. Meine Arbeit besteht aus über zweihundert unregelmäßig geformten Segmenten, die teilweise an technische Bauteile, wie Kabelrollen, Seilwinden oder Zahnräder erinnern. Die lebendige, geflammte Färbung der Keramik erreichte ich durch eine spezielle Brenntechnik. Dabei wurden die zum Teil engobierten Kacheln in Sägespäne und Holzwolle gebettet und in versiegelten Brennkapseln im Gasofen geschmaucht. Die Reduktion führte zur Einlagerung von Kohlenstoff und bewirkte je nach Intensität die beige, rötliche, graue oder schwarze Färbung. 12

Werkhalle, Kranbau Köthen GmbH

Realisierung der Wandgestaltung/Kunst am Bau, 2008 


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„up down – all around“ Fortschritt und Technik

Anbringung im Treppenaufgang des Firmensitzes (Am Holländer Weg 5-7, D-06366 Köthen)

 Bewegungsprofil eines Kranhakens

Keramikrelief mit Wachs versiegelt, gerahmt, 1,42 x 2,72 m, 2008

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„male“ Mimikry unter Männern  Studien belegen, ein gut sitzender Anzug hebt den wahrgenommenen Intelligenzquotienten von Männern um 20 Punkte. Eine Krawatte bringt weitere 10. „Huldigung“ 2008 Keramik/Acryl Höhe 2,80 m

09  Im 17. und 18. Jahrhundert waren Kunst- und Naturalienkammern nichts

Ungewöhnliches. Ihr Ziel war die Schaffung eines möglichst vollständigen Mikrokosmos zur Untersuchung der als „Wunder der Schöpfung“ wahrgenommenen Welt. Erst im Zuge der Aufklärung und der Spezialisierung der Wissenschaften im 18. Jahrhundert gerieten die Kuriositätenkabinette aus der Mode. Der heute kühn erscheinende, ganzheitliche Anspruch konnte nicht länger aufrechterhalten werden und viele Kammern wurden aufgelöst. Die Wunderkammer der Franckeschen Stiftungen in Halle blieb europaweit als einzige vollständig erhalten. Für die Landesgartenschau in Aschersleben wurden zwei der barocken Vitrinenschränke detailgetreu nachgebaut und von jungen Künstlern neu bestückt. Eine Installation lief unter dem Titel „Lebensmittel“ und beschäftigte sich mit vermeintlich lebensnotwendigen Dingen unserer modernen Gesellschaft. Ich orientierte mich an in Formalien eingelegten organischen Präparaten und konservierte in meinen Gläsern ein Kuriosum der heutigen Zeit: die allgegenwärtige Erweiterung menschlicher Sprach- und Kommunikationsorgane. 16


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„conserved“ organische Präparate in historischen Sammlungen

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„Zellbiologische MaKrosKopien“ Exkurs in die Pflanzenbiochemie

 Mikroskopisch-botanische Aufnahmen und moderne wissenschaftliche Verfahren zur Herstellung pflanzlicher Schnittpräparate inspirierten mich zu einer Serie keramischer Reliefs, die erstmals im Historischen Damenbad im Stadtbad von Halle ausgestellt wurden. Das runde Format meiner Werke erinnert an den kreisförmigen Bildausschnitt, der sich beim Blick ins Okular eines Lichtmikroskops bietet. Entstanden sind Experimentierfelder in zum Teil mehreren Ebenen. Sie spiegeln das menschliche Ansinnen Unsichtbares sichtbar zu machen und meine Faszination für schematische Modelle, die komplizierte Zusammenhänge hochgradig abstrahiert darstellen können wieder. Meine Kompositionen sind nicht der Realität verhaftet. Fiktive Zellgefüge, geschnitten, geschichtet, mit Kontrastmitteln eingefärbt, von folienartigen Membranen durchzogen und durch frei erfundene Plastiden ergänzt präsentiere ich indirekt ausgeleuchtet oder auf der Wasseroberfläche schwimmend, wie die mit einem Ultramikrotom geschnittenen Proben für die Elektronenmikroskopie. Die Distanz zum Naturvorbild ermöglichte mir die gestalterische Freiheit und das persönliche Spiel mit selbst kreierten und gesammelten Elementen, die ich collagenartig ihrer Form, Farbe und Textur entsprechend neu arrangierte ohne mich dabei auf keramische Materialien zu beschränken.

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Installation im historischen Damenbad im Stadtbad von Halle (Saale), 2010 19


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„Zellbiologische MaKrosKopien“ Exkurs in die Pflanzenbiochemie

Aufbau der Installation 2010

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Porzellan/Kunststoff Detail


ďƒ† neun Reliefs, 1,20 m

Porzellan/Kunststoff schwimmend auf Styrodur


„Zellbiologische MaKrosKopien“ Exkurs in die Pflanzenbiochemie

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Teile der schwimmenden Installation je 1,20 m



„Zellbiologische MaKrosKopien“ Exkurs in die Pflanzenbiochemie

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„ausgeleuchtet“ 2010 Porzellan/Kunststoff Neonlicht/Holzkasten 1,20 x 1,20 x 0,50 m


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„scientific publication“ Nachtaktiv im Biologicum

 Teile der Werkreihe „Zellbiologische MaKrosKopien“ wurden im Atrium des Biologicums auf dem Weinberg Campus in Halle präsentiert. Im Rahmen der 10. Langen Nacht der Wissenschaften organisierte ein Biologe und ich parallel zur Ausstellung Aktionskunst, die die Besucher mit einbinden sollte. Unser Aufruf an die Anwesenden lautete wie folgt:

„Kunst der Beobachtung - Tuschezeichnungen am Mikroskop“ Intensives Naturstudium ist Wissenschaftlern und Künstlern gleichermaßen vertraut. In der Renaissance waren die Grenzen zwischen Naturforschung, wissenschaftlicher Betrachtung und künstlerischem Schaffen zum Teil sehr fließend. Michelangelo galt als vielseitiges Genie und war schon zu Lebzeiten als Forscher, Erfinder und Künstler gleichermaßen berühmt und anerkannt. Lassen Sie sich inspirieren vom Blick durch ein Mikroskop und wagen Sie den Spagat zwischen wissenschaftlicher Dokumentation und künstlerischer Freiheit. Unter fachkundiger Anleitung haben Sie heute Nacht die Möglichkeit, Ihrem Forschergeist und Ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen. 25


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Katrin Neubert Diplom-Keramikerin

Ausstellungen 1980 1996/97 1999/2000 2000-2003 2003-2010

2008

geboren in Sebnitz, lebt und arbeitet in Halle (Saale) High-School Jahr im Nordosten der USA Praktikum im Bereich Theaterplastik/Theatermalerei am Mittelsächsischen Theater in Freiberg Töpferlehre bei Diplom-Keramikerin Bernadette Roolf in Wismar Studium an der HfKD Burg Giebichenstein, Fachbereich Kunst, Studiengang Plastik, Studienrichtung Keramik bei Antje Scharfe, Karl Fulle und Martin Neubert Realisierung der Wandgestaltung „Bewegungsprofil eines Kranhakens“ für Kranbau Köthen

2011 2011 2010 2010 2010 2008 2007 2007 2007 2005 2004

„contagious“ im Biologicum, Weinberg Campus Halle „viel ist immer gut“ im Künstlerhaus 188 in Halle „Zellbiologische MaKrosKopie“ im Historischen Damenbad Halle „Neue Rituale“ im Jenaer Kunstverein „Wunderkammern“ Landesgartenschau Aschersleben „einraum“ im Forum für zeitgenössische Keramik in Halle „Phantasmagorien“ im Kunsthaus Essen „Junge Keramik aus Halle“ im Rheinsberger Schloß „Sonderausstellung Keramik Burg Giebichenstein“ im Rahmen der Zeughausmesse Berlin 8. Ottobeurer Keramik Ausstellung „art meets science“ Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin

Auszeichnungen 2007 2006 2005 2003 Katrin Neubert/Diplom-Keramikerin

3. Preis „Kunst am Bau“ Wandgestaltung für ein Büro- und Geschäftshaus in Halle 3. Preis „Kunst am Bau“ Wandgestaltung für Kranbau Köthen 1. Preis des Ottobeurer Förderpreis für künstlerische Keramik 2. Bundessieger im praktischen Leistungsvergleich der Handwerksjugend der Keramiker


Impressum Kontakt: Katrin Neubert 0178-5074770/neubert.katrin@gmx.de www.katrin-neubert.de Text: Katrin Neubert Fotos: Katrin und Olaf Neubert, Miriam Böhl, Falk Hubald Gestaltung: FRUEHBEETGRAFIK, Thomas Puschmann Quellen: Seite 8: Prof. Antje Scharfe, Katalog, „art meets sience“, Halle 2005 Grafiken: Biologie in Übersichten, Volk und Wissen Verlag Berlin, 1978



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