FONDS exklusiv OE 04/2012

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EU-FINANZAUFSICHT Finanzdienstleister

Prüftätigkeit der European Banking Authority umfasst zwar auch Geld­ wäsche und Wirtschaftskriminalität, das Hauptaugenmerk liegt jedoch bei bankenrelevanten Themen wie Eigen­ kapital, Liquidität, Krediten und Be­ teiligungen. Dazu arbeitet die EBA Standards aus, die als Rahmen für nationale Bankenaufseher gelten. Bis auf zwei Ausnahmen hat sie jedoch kein unmittelbares Eingriffsrecht in nationale Belange. Direkt durchgrei­ fen kann die EBA nur bei Verstößen gegen geltendes europäisches Recht und immer dann, wenn nationale Aufsichtsbehörden in Bezug auf Fi­ nanzmarktregulierung uneinig sind. Zum Prinzip gehört auch, dass sich die Beschlüsse der EBA nicht direkt auf die finanzielle Verantwortlich­ keit von Mitgliedsstaaten auswirken dürfen. So brauchen etwa Entschei­ dungen über finanzielle Hilfspakete für Griechenland weiterhin die Zu­ stimmung der EU-Länder und kön­ nen nicht im Alleingang von der EBA verordnet werden. Im Kontext zu Griechenland prüft die Europäische Bankaufsichtsbehörde aber Kapital­ anlagen der Banken, insbesondere wertgeminderte Staatsanleihen. RegelmäSSige Stresstests für Banken Die im Zusammenhang mit der EBA öffentlich am stärksten wahrgenom­ mene Maßnahme ist der „Stresstest“. Damit gemeint ist die Prüfung des EU-Bankensystems auf seine Wider­ standsfähigkeit gegenüber hypothe­ tischen Stress-Ereignissen. Dabei wird die Stärke einzelner Institute, aber auch des gesamten Systems ab­ geschätzt und veröffentlicht. Noch 2010 waren insgesamt 90 Ban­ ken in 21 Ländern untersucht wor­ den. Die Ergebnisse waren ernüch­ ternd. Bei Ausbruch einer neuerlichen Finanzkrise wären 20 Institute mit einer Ausfallssumme von 26,8 Mil­ liarden Euro zusammengebrochen. Die EBA nahm dies zum Anlass, eine

höhere Eigenkapitalausstattung der Geldinstitute zu fordern. Damit rief sie einen mächtigen Gegenspieler in Brüssel auf den Plan, die BankenLobby. Die argumentiert bis heute, dass die Prognosefähigkeit der Mo­ delle äußerst begrenzt ist. Als Bei­ spiel werden irische Banken genannt, die den Test bestanden und bald ­darauf dennoch ins Straucheln ge­ rieten. Weiter ins Treffen führt man, dass die EBA quasi im Alleingang eigene Vorstellungen vom Eigenka­ pital anlegt, ohne auf Basel 3 Bezug zu nehmen. Dort ist eine stufenweise Erhöhung der Kernkapitalquote vor­ gesehen, wofür die Banken zehn Jah­ re Zeit haben. EBA-Chef Andrea Enria wies diese Kritik von Anfang an zurück: Aus dem Jahr 2010 seien Lehren gezogen worden, weshalb den Tests eine „sehr konservative Definition“ zugrunde liege. Dass die Stresstests effektiv sind, können übrigens nicht einmal Kritiker bestreiten. Nach Bekanntga­ be der Ergebnisse 2010 stockten 71 Kreditinstitutsgruppen in nur einem Jahr ihr Kapital um mehr als 200 Mil­ liarden Euro auf. Weitere 27 Banken konnten die neuen Eigenkapitalvor­ gaben der EBA zwar nicht zur Gänze erfüllen, verbesserten aber ihre Ka­ pitalausstattung um zusammen 116 Milliarden Euro. Das europäische Bankensystem wurde insgesamt so­ lider und widerstandsfähiger gegen neuerliche Finanzkrisen. Bankenunion stellt EBA in Frage Pläne der EU-Kommission für eine zentrale Bankenunion tauchten erst­ mals nach der Lehman-Pleite 2008 auf, scheiterten jedoch damals am Widerstand der Nationalstaaten. Im Juni 2012 griff EU-Kommissions­ präsident Barroso diese Pläne erneut auf, diesmal mit Rückendeckung vieler Mitgliedsländer. Seine Vision einer Bankenunion umfasst eine ge­ meinsame Aufsicht und Einlagensi­

cherung. Wenn eine irische Bank in Konkurs geht, zahlen also auch ös­ terreichische Banken und am Ende vielleicht der heimische Steuerzahler. Dazu kommt ein gemeinsam finan­ zierter Rettungs- oder Abwicklungs­ fonds für gescheiterte Banken. Der aktuelle Entwurf zur Banken­ union sieht vor, dass marode Ban­ ken künftig direkt Geld aus dem Rettungsschirm beantragen kön­ nen und keinen Umweg mehr über die Regierung ihrer Länder nehmen müssen. Darauf haben es Politik und Wirtschaft konkret abgesehen. Erst kürzlich hatte die portugiesische Re­ gierung mitgeteilt, dass sie drei Ban­ ken mit 6,6 Milliarden Euro aus dem Hilfspaket für ihr Land stützen will. Und Spaniens Bankia, die viertgrößte Bank des Landes, braucht dringend 23 Milliarden Euro frisches Kapital vom ESM. Die zentrale Aufsicht über eine Bankenunion soll bei der Euro­ päischen Zentralbank (EZB) liegen, die dazu die meisten Befugnisse der EBA übernehmen wird. * Der Autor Johannes Muschik ist Geschäftsführer der Vermittlerakademie (Wien) und Deputy-Chairman von FECIF, dem EU-Dachverband der Versicherungsvermittler und Finanzberater (Brüssel).

Auf den Punkt gebracht • Am 1. Jänner 2011 begann die EBA, European Banking Authority, mit ihrer Arbeit. Sie soll die nationalen Behörden koordinieren und überwachen. • Die EBA führt jährliche Stresstests der EUBanken durch und verordnete den Banken deutlich höhere Eigenmittel. • Kommt die Bankenunion, müsste die EBA ihre Befugnisse weitgehend an die Europäische Zentralbank abtreten. Ein solcher Schritt muss von allen 27 Staaten einstimmig gebilligt werden.

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