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Erlöschen einer Bewilligung als E-Geld-Institut
from FMA-Praxis 2020
by fma-li
FMA-Praxis 2020
geschäfte (zB die Aufnahme von Einlagen zur Liquiditätssicherung) zu betreiben.»
52 Den Entzug der aufschiebenden Wirkung für ein Rechtsmittel gegen Spruchpunkt 4 stützt die FMA auf Art. 88 Abs. 2 i.V.m. Art. 116 Abs. 8 LVG. Sie führt dazu aus:
«Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels in Bezug auf den Spruchpunkt 4. ist zur Wahrung der auf dem Spiel stehenden öffentlichen Interessen (insbesondere Kunden- und Gläubigerschutz, Schutz des Finanzplatzes etc) geboten. Um ihre angedachte Wirkung zu entfalten, ist nämlich eine möglichst zeitnahe Durchführung der angeordneten Massnahme erforderlich. Ein Gewähren der aufschiebenden Wirkung hätte eine nicht zu verantwortende und mit den drohenden Risiken nicht zu vereinbarende Verzögerung zur Folge, welche im äussersten Fall die Schädigung von Gläubigern einerseits und die Gefährdung der Solvenz und Liquidität der [X] Bank sowie des gesamten Finanzplatzes Liechtenstein andererseits, insbesondere in Bezug auf seine Reputation, zur Folge haben könnte.»
53 Anmerkung der FMA
Dieser Entscheid ist für die FMA von besonderer Bedeutung, zumal erstmals die Kompetenzen der FMA im Falle einer Liquidation infolge eines Bewilligungsverzichtes spruchgemäss festgestellt und in den Entscheidungsgründen schlüssig hergeleitet wurden.
54 Mit Verfügung stellte die FMA fest, dass die Bewilligung der X AG als E-Geld-Institut gemäss Art. 19 Abs. 1 Bst. b EGG (Geschäftstätigkeit wird während mindestens sechs Monaten nicht mehr ausgeübt) erloschen ist. Nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung war das Erlöschen der Bewilligung im Amtsblatt und auf der FMA-Website zu veröffentlichen.
55 Die X AG hatte von der FMA die Bewilligung als E-Geld-Institut erhalten. Zweck der Gesellschaft war der Betrieb eines E-Geld-Instituts, welches das Geschäft mit E-Geld betreibt. Die Geschäftstätigkeit hatte alle mit diesem Zweck direkt oder indirekt zusammenhängenden Dienstleistungen sowie Geschäfte zu umfassen, die diesem Zweck zu fördern geeignet sind. Namentlich zählen dazu: – die Ausgabe von E-Geld gemäss Art. 2 EGG; – das Erbringen von Zahlungsdiensten nach Art. 3
Abs. 1 Ziff. 20 des Zahlungsdienstegesetzes; – das Erbringen von betrieblichen Dienstleistungen, die mit der Ausgabe von E-Geld im Zusammenhang stehen; – der Betrieb von Zahlungssystemen im Sinne von
Art. 3 Abs. 1 Ziff. 27 des Zahlungsdienstegesetzes.
56 Insbesondere aufgrund der Prüfergebnisse einer Vor-Ort-Kontrolle durch die FMA musste festgestellt werden, dass die X AG ihre Geschäftstätigkeit während mindestens sechs Monaten nicht mehr ausgeübt hatte. Damit war der Erlöschensgrund nach Art. 19 Abs. 1 Bst. b EGG erfüllt.
57 Die X AG hatte im relevanten Zeitabschnitt keine neuen Geschäftsbeziehungen eröffnet. In der Zeit davor bestanden Beziehungen lediglich zu Testkunden, die zu Testzwecken eröffnet worden waren, um
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einen realitätsnahen End-to-End-Test durchzuführen. Die Gelder für die Testkunden stammten von der X AG und deren Muttergesellschaft. Für den zu prüfenden Zeitraum war die X AG wegen Herunterfahrens der operativen Systeme nicht imstande, Listen mit Angaben zu Transaktionsvolumen vorzulegen. Es erwies sich, dass die X AG keine Kredite im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten gewährte, keine betrieblichen Dienstleistungen erbrachte, die mit der Ausgabe von E-Geld in Zusammenhang standen, sowie kein Zahlungssystem betrieb. Ebenfalls wurde im relevanten Zeitraum weder E-Geld ausgegeben noch ausbezahlt.
58 Nach Prüfung aller Umstände des Sachverhalts und rechtlicher Analyse anderer Finanzmarktgesetze sowie des österreichischen Rechts kam die FMA zum Ergebnis, dass der erwähnte Erlöschensgrund gegeben war. Zum Mindestumfang einer Geschäftstätigkeit nach EGG hielt die FMA abschliessend fest:
59 «Die FMA definiert als Mindestumfang unter Berücksichtigung und Gleichbehandlung aller E-GeldInstitute am Markt die auf eine längere Dauer angelegte Tätigkeit der Ausgabe und des Rücktausches von E-Geld für die Ausübung einer Geschäftstätigkeit nach dem EGG. Diesen Mindestumfang können bis auf [die X AG] alle anderen E-Geld-Institute erfüllen und ist es Art.4 EGG entsprechend geradezu eine mit der Bewilligung naturgemässe, typische Tätigkeit. Zumindest müssen auch, sofern vom Bewilligungsumfang umfasst, über eine längere Dauer angelegt andere E-Geld-Dienste faktisch erbracht werden, namentlich bei [der X AG] Zahlungsdienste erbracht und Kredite gewährt werden sowie betriebliche Dienstleistungen und damit eng verbundene Nebendienstleistungen, die mit der Ausgabe von E-Geld im Zusammenhang stehen, faktisch erbracht werden. Ebenfalls setzt die FMA den Betrieb eines Zahlungssystems als Mindestumfang iS einer Bewilligung [der X AG] voraus. 60 Freilich kann es sein, dass aufgrund wirtschaftlicher oder privatautonomer Gründe ein Geschäftsabschluss verweigert wird oder nicht zustande kommt. In solch einem Fall wird die FMA diese Gründe bei einer Beurteilung dieser Rechtsfrage entsprechend berücksichtigen.»
61 Anmerkung der FMA
Dieser Entscheid ist für die FMA von besonderer Relevanz, zumal erstmals gegenüber einem E-GeldInstitut festgestellt wurde, dass seine Bewilligung aufgrund der Nichtausübung der Geschäftstätigkeit gemäss Art. 19 Abs. 1 Bst. b EGG vollumfänglich erloschen ist. Die FMA hat sich in den Entscheidungsgründen umfassend mit gleichgelagerten Bestimmungen sowie mit deren Judikatur und Literatur im österreichischen Recht auseinandergesetzt und hat letztlich einen Mindestumfang unter Berücksichtigung und Gleichbehandlung aller E-GeldInstitute am Markt definiert, so dass nunmehr eine einheitliche Erheblichkeitsschwelle für die Ausübung der Geschäftstätigkeit besteht.