Programmheft Mai/Juni 2023

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IRANISCHE REGISSEURINNEN IM WIDERSTAND

MICHEL BODMERS

ABSCHIEDS PROGRAMM

DANIEL CRAIG – BOND AND BEYOND

16. Mai–30. Juni 2023

Filmpodium-Highlights Mai/Juni

PROFESSION: DOCUMENTARIST (SAHAR SALAHSHOOR, FARAHNAZ SHARIFI U.A., IRAN 2014) S. 12 in Anwesenheit von Sahar Salahshoor & Farahnaz Sharifi DI, 16. MAI | 18.15 UHR

BE MY VOICE (NAHID PERSSON, IRAN/S/N/GB 2021) S. 17 in Anwesenheit von Nahid Persson MI, 17. MAI | 18.15 UHR

RE:VISION: A FOREIGN AFFAIR (BILLY WILDER, USA 1948) S. 33

Vortragsreihe von und mit Thomas Binotto in Kooperation mit der Volkshochschule Zürich MI, 24. MAI | 18.30 UHR

KINO-KONZERT: DIE PASTORENWITWE (CARL THEODOR DREYER, S 1920) S. 23

Live-Musik: Neil Brand (Piano)

DO, 25. MAI | 20.45 UHR

KINO-KONZERT: STAGE STRUCK (ALLAN DWAN, USA 1925) S. 23

Live-Musik: Neil Brand (Piano)

FR, 26. MAI | 20.45 UHR

UNSICHTBARES UND UNGESAGTES S. 44 Buchvernissage und Film (Nana, Valérie Massadian, F 2011) mit Bernadette Kolonko und Valérie Massadian DI, 30. MAI | 18.15 UHR / 19.15 UHR

BLINDE FLECKEN: ZÜRICH UND DER KOLONIALISMUS S. 46

18.30 UHR: Das Kongo Tribunal (Milo Rau, Schweiz/D 2017)

20.45 UHR: Podiumsgespräch mit Eva-Maria Bertschy, Oliver Classen u. a.; Moderation: Felicitas Fischer MI, 31. MAI

WIE FRAUEN IM IRAN ÖFFENTLICHKEIT FORDERN S. 14

18.15 UHR: The Ladies Room & Red Card (Mahnaz Afzali, Iran 2003 & 2006)

20.45 UHR: Podiumsgespräch mit Firoozeh Farvardin, Maryam Palizban, Matthias Wittmann und Golnar Narimani FR, 2. JUNI

BOND-BINGE-WOCHENENDE S. 41

Alle 5 Bond-Filme mit Daniel Craig, mit 007-Drinks an der Bar und anderen Attraktionen SA, 3. JUNI / SO, 4. JUNI

SIEBEN WINTER IN TEHERAN (STEFFI NIEDERZOLL, D/F 2023) S. 14 in Anwesenheit der Regisseurin DI, 6. JUNI | 18.30 UHR

DOUBLE BILL ON DOUBLE BILL S. 32

Elisabeth Bronfen und Johannes Binotto im Gespräch; ein Pas de deux zu The Hitch-Hiker und His Kind of Woman MI, 7. JUNI | 19.45 UHR

THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW (JIM SHARMAN, USA 1975) S. 29

Mit allem Drum und Dran; wer kostümiert kommt, kriegt einen Gratis-Drink an der Bar! FR, 30. JUNI | 20.45 UHR

Editorial Klappe und Action!

Im Sauseschritt wirbelt Michel Bodmer morgens ins Büro. Dann ist er da. Ganz! Und kümmert sich im gleichen Tempo um tausend anstehende Dinge. Untertitel hat es keine? Übersetzt er selbst. Die rare Kopie fürs nächste Programm? Stöbert er irgendwo in der hintersten Ecke eines Archivs auf. Filmtexte für zig Filme: Schüttelt er schnell aus dem Ärmel. Dann ab ins Kino – im Sauseschritt natürlich –, um den langjährigen Mitarbeiter mit treffenden Reimen zu verabschieden und anschliessend das Kino-Konzert mit kundigen Worten anzumoderieren. Seit knapp zehn Jahren lenkt Michel Bodmer als stellvertretender Leiter mit enormem Wissen, grosser Tatkraft und ebenso viel hintergründigem Humor die Geschicke des Filmpodiums mit. Seiner ausgeprägten Nase für filmische Delikatessen, verbunden mit einem feinen Gespür für den Publikumsgeschmack, hat das Filmpodium viele spannende und überraschende Programme zu verdanken.

Nun schlägt für Michel im Filmpodium die Schlussklappe. Bevor er sich verabschiedet und in den (wir nehmen an: Unruhe-)Stand tritt, bietet sich für das Publikum und alle seine Freund:innen noch einmal ausgiebig Gelegenheit, in Bodmer’sche Filmwelten abzutauchen. Mit seinem Programm «Preziosen eines Perlentauchers» lädt er zu einer cineastischen Reise quer durch die Filmgeschichte mit aussergewöhnlichen Werken, die er während seiner Zeit im Filmpodium entdeckt hat. Am 30. Juni verabschieden wir uns dann singend, tanzend und Reis werfend von Michel Bodmer bei der Rocky Horror Picture

Show: Aber wir alle wissen: Never Say Never Again. Wir sehen uns bestimmt wieder im Filmpodium. Und darauf freuen wir uns!

«Klappe und Action!», heisst es am 1. Juni für den neuen stellvertretenden Leiter Hannes Brühwiler. Er ist Filmkurator und Autor und hat sich seine vielfältige Erfahrung unter anderem als Programmverantwortlicher der Fokus-Sektion der Solothurner Filmtage, Kurator der Retrospektive des Filmfests Mannheim-Heidelberg sowie Gründer und künstlerischer Leiter des American Independent Festival «Unknown Pleasures» geholt. Hannes ist Redaktionsmitglied der Filmzeitschrift «Revolver» und Herausgeber verschiedener Sammelbände, unter anderem von «Frederick Wiseman – Das Schauspiel der Gesellschaft» (2023). Er ist zudem bestens mit der Praxis des Filme- und Kinomachens vertraut. Der gebürtige Schweizer lebt seit rund 20 Jahren in Berlin. Wir freuen uns sehr auf seinen frischen Blick und sein grosses Wissen. Am 23. Mai schnuppert er schon mal Filmpodium-Luft und wird eine Einführung zu Wisemans City Hall halten. Herzlich willkommen!

Titelbild: The Red Card von Mahnaz Afzali

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INHALT

Frauen filmen Freiheit #1: 04

Iranische Regisseurinnen im Widerstand

«Frau, Leben, Freiheit» – mit diesem kurdischen Slogan setzen sich mutige Protestierende im Iran gegen ein brutales Regime zur Wehr. Unsere Solidaritätsretrospektive lässt iranische Filmgeschichte als Frauenrevolutionsgeschichte (neu) entdecken. Ausgesuchte, zum Teil selten gezeigte Spiel-, Dokumentar- und Essayfilme iranischer Regisseurinnen verschiedener Generationen ergeben ein schillerndes Kaleidoskop an Filmformen des Widerstandes gegen den Belagerungszustand der Frau in der iranischen Gesellschaft. Zahlreiche Filmschaffende werden anwesend sein. Im Rahmen eines prominent besetzten Panels geht es zudem um Fragen feministischer Gegenöffentlichkeit im Iran an der Schnittstelle von Geschlechterpolitik, Körper und Kunst.

Bild: Women’s Prison

Frauen filmen Freiheit #2: 14

9. Iranian Film Festival Zurich

Das 9. Iranian Film Festival findet dieses Jahr in Kooperation mit dem Filmpodium statt. Die Filme stellen den Mut der Frauen ins Zentrum und thematisieren kulturelle Barrieren in der Bildung für Frauen. Zu Gast: Nahid Persson (Be My Voice) und Maryam Keshavarz (Circumstance).

Abschiedsprogramm

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In fast zehn Jahren beim Filmpodium hat Michel Bodmer als stv. Leiter eine ganze Menge Filme gesehen und ins Programm gesetzt. Vor seiner Pensionierung Ende Mai zeigt er nochmals eine Auswahl an cineastischen Perlen, die er während seiner Amtszeit entdeckt hat oder deren Aufführung im Filmpodium ihn beeindruckte.

Bild: Le quattro volte

02
Foto: Florian Bachmann

Als Daniel Craig 2006 in Casino Royale die Rolle des Geheimagenten mit der Lizenz zum Töten übernahm, hatte er bereits eine beeindruckende Schauspielkarriere hinter sich, zu einem grossen Teil im britischen Arthouse-Kino. Deshalb zeigen wir nicht nur alle fünf Teile seiner 007-Saga, die nun als Ganzes genossen werden kann

(u. a. an einem Bond-Binge-Wochenende); jüngere Fans können jetzt auch entdecken, welche anderen Facetten seines Könnens Craig in Filmen wie Love Is the Devil, Some Voices, The Mother, Enduring Love und Layer Cake offenbart hatte. Und mit Knives

Out ist der erste Film von Rian Johnsons neuer Serie mit Craig als schrulligem Detektiv Benoit Blanc zu sehen.

Ein Vater und seine Tochter unternehmen alles, um einer Schar verwaister Gänseküken das Fliegen beizubringen, bevor der Winter kommt. Eine wahre

lären

03
Daniel Craig – 34 Bond and Beyond
Bild: Skyfall Filmpodium für Kinder: 47 Amy und die Wildgänse
Bild: Amy und
Wildgänse Filmpodium Premiere 42 City Hall Filmpodium Classics 43 Bratan – Der kleine Bruder Einzelvorstellungen Buchvernissage: «Unsichtbares und Ungesagtes» mit Film Nana 44 Farocki-Forum: Übertragung #3 45 Blinde Flecken – Zürich und der Kolonialismus: 46 Das Kongo Tribunal Sélection Lumière: 48 American Graffiti
Geschichte, in spektaku-
Bildern spannend erzählt.
die
© 1996 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved

Frauen filmen Freiheit #1: Iranische Regisseurinnen im Widerstand

An der Spitze der aktuellen revolutionären Bewegung im Iran stehen die Frauen. Ihr Widerstand gegen die gesellschaftlichen Gefängniswände aus Angst, Strafe und Repression hat dort eine weit zurückreichende Geschichte. Das iranische Kino vor wie nach der Islamischen Revolution von 1979 kann dies in ausgesprochen eigenwilligen Formen bezeugen. Unser Programm gibt iranische Filmgeschichte als Frauenrevolutionsgeschichte neu zu entdecken.

«Ohne Freiheit der Frau ist eine freie Gesellschaft nicht denkbar», so lautet eine kurdische Überzeugung, die in dem Slogan «Frau, Leben, Freiheit» («Jin, Jiyan, Azadi») zum Ausdruck kommt. Ein Zusammenklang von drei Worten wurde zum Leitspruch der feministischen Bewegung im Iran, die nach dem gewaltsamen Tod der kurdischen Iranerin Jina (Mahsa) Amini im September 2022 entstand – und anhält. Der Kampf der Frauen gegen die Kolonisierung ihrer Körper wurde zum Kampf der gesamten Bevölkerung für Grundrechte. Die Solidaritätsretrospektive nimmt die aktuellen Proteste zum Anlass, um iranische Filmgeschichte als generationenübergreifende Geschichte widerständiger Frauen hinter wie vor der Kamera zu erzählen, die sich jeweils auf ihre eigene Art frei filmten.

Widerstand gegen Klischees

Das iranische Kino entlang von Frauenwiderstandsgeschichte neu zu entdecken, bedeutet zunächst einmal, von Klischees und Trademarks wegzukommen, auf die das «neue iranische Kino» nach der Islamischen Revolution (1979) und vor allem nach dem Iran-Irak-Krieg (1980–88) von internationalen Distributions- und Festivalpolitiken festgeschrieben war: einfache, gleichnishafte Geschichten über das Landleben, die dazu führten, dass in Europa der Eindruck entstand, «dass es im gesamten Iran keine Stromversorgung und kein Telefon gibt», wie Regisseur Mohammad Farokhmanesh einmal sarkastisch bemerkte.

Der Widerstand der iranischen Regisseurinnen ist somit auch an dieser Front – derjenigen der Festivalpolitiken – anzusiedeln. Während etwa Abbas

↑ Ausbruch in surreale Fantasien: Der Tag, an dem ich zur Frau wurde

→ Im Clinch zwischen Sohn, Geliebtem und Beruf: The May Lady

↓ Kämpferinnen gegen das Regime: Dancing For Change

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Kiarostami in den 1990er-Jahren das iranische Kino zum wichtigsten Exportgut nebst «Pistazien, Teppichen und Öl» zählte und wusste, dass seine eigenen Filme einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten, benötigten die nicht weniger bedeutsamen Filme von Rakhshan Banietemad, die diese Klischees nicht bedienten, Jahrzehnte länger, um in Europa wahrgenommen zu werden. Die Sozialgeschichte Teherans, die Banietemad in ihren quasineorealistischen Spielfilmen erzählt, entsprach eben nicht den exotisierenden Sehnsüchten Europas nach Bildern eines vormodernen Dorflebens im Iran, sondern zeigte eine vom Klassenkampf zerrüttete Grossstadtgesellschaft. Als Schlüsselfilm kann Under the Skin of the City gesehen werden, Banietemads im armen Süden Teherans angesiedelte Geschichte des Überlebenskampfs einer mutigen «Mamma Tehrani».

Filmen an vielen Fronten

«Statistiken besagen, dass der Iran tatsächlich einen höheren Prozentsatz an Filmemacherinnen hat als Amerika», meinte Banietemad einmal in einem Interview. Auch wenn es nach der Islamischen Revolution zunächst darum ging, Frauen aus den Filmen visuell wie akustisch zu vertreiben, war das unerwartete Ergebnis dieser «Reinigungsphase» eine vorher nie da gewesene Öffnung der Filmindustrie für Frauen. Zwar mussten sie sich vor wie hinter der Kamera an die strengen Regeln der Verschleierung halten – doch erkannten die Kulturfunktionäre immerhin ab 1985, dass sie in eine neue Generation auch junger Filmemacherinnen investieren mussten, um die geschwächte Filmindustrie anzukurbeln. Womit sie nicht rechneten: Allmählich schmiedeten die Regisseurinnen aus der Filmtechnik eine mächtige Waffe der Befreiung und der Sozialkritik. Ihre Filme feierten Erfolge an der Kinokasse und erreichten mit ihrer Botschaft ein breites Publikum. Neben Banietemads populärem Under the Skin of the City ist hier sicher Manijeh Hekmats epischer Box-Office-Erfolg und Frauengefängnis-Spielfilm Women’s Prison (2002) zu nennen, der akribische Milieustudien virtuos mit wuchtigen Genremotiven verwebt. Um die Achse eines erbitterten Konfliktes zwischen der aufsässigen Insassin Mitra und der Gefängniswärterin Tahereh erzählt der Film Geschichten von Macht, Sexualität und Gewalt, aber auch von Widerstand durch Frauensolidarität.

Nicht um das Gefängnis, sondern um eine Damentoilette als Resonanzraum der Gesellschaft geht es in Mahnaz Afzalis – an Cinéma-vérité-Traditionen angelehntem – Dokumentarfilm The Ladies Room (2003). Die Toilette in einem Park Teherans wird zum einzigen Ort, an dem Prostituierte, Heroinsüchtige und «runaway daugthers» öffentlich über ihre Gewalterfahrungen reden können. Im Unterschied zu Banietemad, die den Kampf mit der Zensur offiziell austrägt, ist Afzali in den filmischen Untergrund gegangen – und beantragt für ihre Filme kaum mehr Drehgenehmigungen. Trotzdem lebt sie immer noch im Iran, um in Kontakt mit den Entrechteten zu bleiben.

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Ein weiterer Film von Afzali, die in Europa noch viel zu wenig bekannt ist, bietet vielschichtige Einblicke in das misogyne Justizsystem der iranischen Gesellschaft. The Red Card (2006) verhandelt den Schauprozess gegen Shahla Jahed (1969–2010), die zum Tode verurteilt wurde, weil man ihr als Geliebten des ehemaligen Nationalstürmers Nasser Mohammadkhani den Mord an dessen Frau angelastet hatte. Der Film ist das erschütternde Dokument einer Frau, die bestraft wird, weil sie eine Liebesbezieung so zu leben versucht, wie sie das für richtig hält. Eine Chance, den Prozess zu gewinnen, hatte sie nie –ihr Hals steckte von Anfang an in einem gesellschaftlich schon vorbereiteten Strick. Dass gegenwärtig die iranischen Frauen an vorderster Front sind, wenn es um autobiografische Essayfilme geht, zeigt Profession: Documentarist (2014), ein Omnibusfilm, der aus sieben Episoden von jungen Regisseurinnen besteht, die sensationell eigenwillige Formen gefunden haben, um Traumata, Zweifel und Ängste durchzuarbeiten, aber dennoch offen für die Zukunft bleiben. Die Filmemacherinnen leben zum Teil im Iran, zum Teil in der Diaspora, sie üben von vielen Orten Druck auf die sichtbaren und unsichtbaren Gefängniswände der iranischen Gesellschaft aus. Wer jedoch der nostalgischen Ansicht ist, dass Frauen vor der iranischen Revolution unter dem Schah frei waren, wird Gelegenheit finden, die Facetten der Unterdrückung von Frauenkörpern auch aus der Zeit vor 1979 kennenzulernen: Sei es anhand von How Dare You Have Such a Rubbish Wish? (2022), dem jüngsten Found-Footage-Film von Künstlerin Mania Akbari über sexualisierende Männerblicke auf den weiblichen Körper im populären, vorrevolutionären Unterhaltungskino (filmfarsi), das die Frauen in keusche und unkeusche «Puppen» sortierte. Sei es anhand einer Perle des feministischen Films aus der vorrevolutionären Zeit selbst: The Sealed Soil (1977) von Marva Nabili ist das seltene Beispiel eines Spielfilms vor 1979, bei dem eine Frau Regie führte. Der Film, heimlich gedreht mit Laiendarsteller:innen in einem Dorf im Südwesten Irans, thematisiert die verzweifelten Versuche der 18-jährigen Rooey-Bekheir, aus dem Korsett der traditionellen Dorfgemeinschaft auszubrechen. Ihre Sehnsucht nach Freiheit wird in jenem Moment ganz besonders eindrücklich, in dem sich die Protagonistin des Kopftuchs entledigt, um den strömenden Regen endlich am eigenen Körper spüren zu dürfen.

Spätestens hier wird deutlich, dass der Befreiungskampf der Frauen wie das «Ticken eines Uhrwerks» (W. Benjamin) die gesamte iranische Filmgeschichte durchzieht – und dass sich dieses Ticken nun zum «Stundenschlag» einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung verdichtet hat. Wenn «der Zweck der Revolution (…) die Abschaffung der Angst» ist (Adorno, 1936), dann lässt sich schreiben: Angst machen lassen sich die Frauen des Iran nicht mehr. Angst hat vielmehr das System vor Veränderung. «Frauen filmen Freiheit»!

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Matthias Wittmann ist Kurator, Schriftsteller und Filmwissenschaftler.
→ How Dare You Have Such a Rubbish Wish → For a Rainy Day.
Under the Skin of the City
The Sealed Soil
→ Persepolis →
→ Sieben Winter in Teheran

THE HOUSE IS BLACK

(Khaneh siah ast)

Iran 1963

«Forough Farrokhzads bahnbrechendes Werk

The House Is Black ist ein Dokumentarfilm über das Leben der Leprakranken in der Leprakolonie Babadaghi in der Nähe von Tabriz. Es ist ein Film, der Poesie, harte soziale Realitäten und grössere politische Verzweiflung miteinander verwebt. Er hat die Sprache des Dokumentarfilms durch seine innovative Verwendung von – um nur einige Beispiele zu nennen – Rollencasting, lose verbundenen poetischen Erzählungen, lyrischen Schnitten und inszenierten Szenen revolutioniert.» (Mei Liu, meiliulc.com)

«The House Is Black, der einzige Film, den die Dichterin Forough Farrokhzad vor ihrem tragischen Tod im Alter von 37 Jahren drehte, ist kurz wie das Leben seiner Schöpferin. Dieses eindringliche, nur zwanzig Minuten lange Stück Kino und Poesie ist ein Meilenstein nicht nur für das iranische Kino, sondern auch für Filmemacherinnen im Allgemeinen.» (Ehsan Khoshbakht, notes on cinematography, 3.3.2020)

The film was restored by Fondazione Cineteca di Bologna and Ecran Noir productions, in collaboration with Ebrahim Golestan. Additional support was generously provided by Genoma Films and Mahrokh Eshaghian. Restoration work was carried out at L’Immagine Ritrovata laboratory in 2019.

THE SEALED SOIL

(Khake sar beh mohr)

Iran 1976

«Die auf dem Land lebende 18-jährige RooeyBekheir soll verheiratet werden; mehrere Kandidaten hat sie jedoch schon abgewiesen. Mit ihrem leisen, aber hartnäckigen Widerstand verstört sie ihre Umgebung. Inmitten des Beharrens auf alten Sitten ist das traditionelle Dorfleben dennoch Veränderungen unterworfen. Eine moderne Siedlung, die auf der anderen Seite der Strasse gebaut wird, kündet von neuen Möglichkeiten. Mit bewusst kargen Mitteln, sparsam eingesetztem Dialog, langen, unbewegten Einstellungen und in so präzisen wie distanzierten Bildern vermittelt Nabili die Monotonie und Alternativlosigkeit im Leben ihrer Protagonistin sowie ihr Streben nach Unabhängigkeit. ‹Ich habe versucht, Brechts Konzept des Verfremdungseffekts auf rein filmischem Wege zu benutzen und nicht einfach eine Theaterversion seiner Methoden auf den Film zu übertragen. Um diese filmische Form zu erreichen, benutzte ich die Ästhetik der persischen Miniaturmalerei.› (Marva Nabili)

The Sealed Soil wurde mit einer kleinen Crew und Laiendarsteller:innen in einem Dorf im Süden Irans gedreht. Nabili brachte die Negative mit dem Rohschnitt in einem Koffer in die USA, wo sie den Film fertigstellte. Bis heute wurde der Film im Iran nicht vorgeführt.» (Kino Arsenal Berlin, Dezember 2022)

Collection print courtesy of the UCLA Film & Television Archive

THE HOUSE IS BLACK

21 Min / sw / DCP / Farsi/e // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Forugh Farrokhzad // KAMERA Soleiman Minassian

THE SEALED SOIL

90 Min / Farbe / 16 mm / Farsi/e // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Marva Nabili // KAMERA Barbod Taheri // MUSIK Hooreh // MIT Flora Shabaviz.

THE MAY LADY

(Banoo-ye Ordibehesht)

Iran 1998

«Der Film erzählt die Geschichte der geschiedenen 42-jährigen Dokumentarfilmregisseurin Forugh Kia (Minoo Farshchi), die eine Liaison mit einem Mann hat, mit dem sie nicht verheiratet ist – er ist zwar optisch abwesend, aber durch Telefon, Briefe und Voice-over-Poesie präsent –, und mit ihrem fast erwachsenen Sohn zusammenlebt, der sich wie ein eifersüchtiger Liebhaber verhält. Ausserdem beginnt sie ein Filmprojekt über eine beispielhafte Mutter der iranischen Gesellschaft. Das Problem: Bei ihren Recherchen wird sie mit einer solchen Vielfalt an einzelnen Müttern aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten konfrontiert, dass sie sich zunehmend unfähig sieht, eine Entscheidung zu treffen und eine exemplarische Mutter auszuwählen. Forugh verliert sich in einer Vielzahl von gesammelten Interviews, Porträtfotos und dokumentarischen Schnipseln, die zum Teil aus Interviews mit realen Frauen bestehen. Andererseits gibt es auch fake-dokumentarische Momente: Dazu gehört ein Interview mit Tuba, der ‹Mamma Tehrani› aus Under the Skin of the City, die in den Filmen Banietemads eine Art Wiedergängerin ist.» (Matthias Wittmann)

«Rakhshan Banietemads sechster Spielfilm ist zentral für ihr Filmschaffen und gilt als ihr persönlichstes und subversivstes Werk. (…) Im Mittelpunkt steht ein Tabu: die Spannung zwischen dem, was die iranische Gesellschaft von einer Mutter erwartet, und ihren privaten und beruflichen Wünschen als alleinstehende Frau. Banietemad begegnet diesem Tabu auf direkte, mutige und radikale Weise und mit einer äusserst selbstbewussten Stimme (…). Sie führt so nah wie möglich ins Zentrum eines iranischen Mittelklasse-

09 Iranische Regisseurinnen im Widerstand

haushalts einer alleinerziehenden, berufstätigen Mutter und zeigt ihre alltägliche, beharrliche Weigerung, den von ihr erwarteten Rollenklischees zu entsprechen.» (Tara Najd Ahmadi, Filmmuseum Wien 2022)

88 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE

Rakhshan Banietemad // KAMERA Hossein Jafarian // SCHNITT Mostafa Kherghehpoosh, Masume Shah-Nazari // MIT Golab Adineh, Minoo Farshchi, Mani Kasraian, Baran Kosari, Atefeh Razavi, Ahmad Yavari Shad.

DER TAG, AN DEM ICH ZUR FRAU WURDE

(Roozi Keh Zan Shodam)

Iran 2000

«Meshkini (Samira Makhmalbafs Stiefmutter; ihre leibliche Mutter starb bei einem Brand) drehte ihren stilvollen dreiteiligen Film The Day I Became a Woman an der Küste des Persischen Golfs. Der Film zeigt die Kindheit, das Erwachsensein und das Alter von Frauen. In ‹Havva› (Vorabend) steht ein junges Mädchen im Mittelpunkt, das zur Frau wird, was nach der Scharia mit der Menstruation beginnt. Die bedrückenden gesellschaftlichen Regeln, die plötzlich und unbarmherzig in das unbeschwerte Leben des Kindes eindringen, werden eindringlich geschildert. In der zweiten Episode, ‹Ahu› (Hirsch), geht es um ein heranwachsendes Mädchen, das sich mit anderen Frauen ein Wettrennen auf dem Fahrrad liefert, während verschiedene Verehrer sie zu Pferd oder auf dem Fahrrad verfolgen. Das öffentliche Radfahren von Frauen wurde von der Islamischen Republik verboten, da es angeblich die Männer (und auch die Fahrerinnen) sexuell erregen könnte. Während die Protagonistin in die Pedale tritt, versucht sie, sich für einen der Freier zu entscheiden. ‹Houra› (Nymphe), die dritte (etwas surrealistische) Episode, handelt von einer älteren Frau, die in die Stadt kommt, um Dinge zu kaufen, die sie sich schon immer gewünscht hat, aber sie vergisst, einen entscheidenden Gegenstand zu kaufen.» (Hamid Naficy, Sozialgeschichte des iranischen Kinos, Bd. 4, 2012)

Drei Schicksale, drei Generationen, ein Ziel. Vom steinigen Weg zur weiblichen Selbstbehauptung im totalitären Islam kann keiner so schön Zeugnis geben wie die einer veritablen Filmemacher-Dynastie entstammende Iranerin Marzieh Meshkini.» (kino.de)

78 Min / Farbe / 35 mm / Farsi/d // REGIE Marziyeh Meshkini // DREHBUCH Marziyeh Meshkini, Mohsen Makhmalbaf // KAMERA Mohamed Ahmadi, Ibrahim Ghafori // MUSIK Ahmad Reza Darvish // SCHNITT Maysam Makhmalbaf,

Sharzad Pouya // MIT Fatemeh Cherag Akhar (Hava), Hassan Nebhan (Hassan), Shahr Banou Sisizadeh (Mutter), Ameneh Passand (Grossmutter), Shabnam Toloui (Ahoo).

UNDER THE SKIN OF THE CITY (Zir-e poost-e shahr)

Iran 2001

Die vielfach preisgekrönte Arbeit Under the Skin of the City ist der Abschluss von Rakhshan Banietemads inoffizieller Stadt-Trilogie und mit Abstand ihr erzählerisch komplexester Spielfilm. Es ist die Geschichte von Tuba, einer Frau, die als Nebenfigur in The May Lady vor Gericht um ihr Kind kämpfte. Tuba arbeitet in einer Fabrik, um ihren Mann und ihre vier Kinder durchzubringen. In einem verzweifelten Versuch, seiner Mutter zu helfen, bringt ihr ältester Sohn die ganze Familie in noch grössere Schwierigkeiten. Die emotionale Intensität wird durch die hervorragende schauspielerische Leistung von Golab Adineh als Tuba und von Mohammad Reza Foroutan als ihr Sohn Abbas gesteigert. Under the Skin of the City war der meistbesuchte Film des Jahres im Iran, und zwar ohne jegliche Fernsehwerbung. Banietemad setzte sich direkt mit der Politik auseinander –oder vielmehr mit dem Versagen der Politik –, indem sie ihre Geschichte in der Zeit vor den Parlamentswahlen ansiedelte und politische Debatten in die Alltagsgespräche ihrer Figuren einflocht. Einige Hauptfiguren des Films werden 2014 in Banietemads Tales wieder auftauchen. (Tara Najd Ahmadi, Filmmuseum Wien, 2022)

«Im quasi neo-realistischen Stil zeigt uns die Regisseurin, Gewinnerin des Preises für das beste Drehbuch in Venedig, in mitfühlend-aufwühlender Weise den dunklen Alltag einer Gesellschaft, die im Spannungsfeld des Gestern und Heute täglich Zerreissproben zu durchlaufen hat.» (Stadtkino Wien)

92 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE Rakhshan Banietemad // KAMERA Hossein Jafarian // SCHNITT Mostafa Kherghehpoosh // MIT Golab Adineh (Tuba), Mohammad Reza Foroutan (Abbas), Baran Kosari (Mahboubeh), Ebrahin Sheibani (Ali), Mohsen Ghazi Moradi (Mahmoud), Mehraveh Sharifinia (Masoumeh).

WOMEN ’ S PRISON

(Zendan-e zanan)

Iran 2002

«Die Geschichte umfasst zwei Jahrzehnte, sie beginnt kurz nach der Islamischen Revolution von 1979 und reicht bis in die 1990er-Jahre. In diesem

10 Iranische Regisseurinnen im Widerstand

Zeitraum verändern sich im Frauengefängnis sowohl die Gefangenen – und insbesondere die Art ihrer Verbrechen – als auch die Wärterin Tahereh. Tahereh wurde als Frau mit starken religiösen Überzeugungen eingestellt, um eine Rebellion im Gefängnis zu unterdrücken. Ihr hartes und dogmatisches Vorgehen ist nur teilweise erfolgreich. Nach und nach wird sie immer resignierter und gleichgültiger. Sie muss sich immer wieder mit den Gefangenen auseinandersetzen, aber auch die Aussenwelt stellt ihr Hindernisse in den Weg. Dies führt schliesslich zur Freilassung von Mitra, einer rebellischen Gefangenen, die wegen des Mordes an ihrem Stiefvater zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Manijeh Hekmat nutzt den Mikrokosmos des Frauengefängnisses als Metapher für die iranische Gesellschaft. Eine Schauspielerin spielt drei verschiedene Rollen: zunächst als politische Gefangene, die nie erfährt, wofür sie verurteilt wurde, dann als Drogenabhängige und schliesslich als Prostituierte. Nach zwei Jahren Recherche und vielen bürokratischen Hürden erhielt Hekmat die Genehmigung, in einem echten Gefängnis zu drehen. Als der Film fertig war, verhinderten die Behörden ein Jahr lang, dass er im Ausland gezeigt wurde. Im Iran wurde ein Kino, in dem Women’s Prison gezeigt wurde, von Unbekannten angezündet.» (IFFR, 2003)

106 Min / Farbe / 35 mm / Farsi/e // REGIE Manijeh Hekmat

// DREHBUCH Farid Mostafavi // KAMERA Dariush Ayari // SCHNITT Mostafa Kherghehpoosh // MIT Roya Nonahali (Mitra), Roya Taymourian (Wärterin), Pegah Ahangarani (Sepideh), Golab Adineh, Maryam Boubani.

THE LADIES ROOM

(Zananeh)

Iran 2003

«Unter der Regie der gefeierten iranischen Schauspielerin Mahnaz Afzali wurde dieser fesselnde Dokumentarfilm ausschliesslich in einer Damentoilette in einem öffentlichen Park in Teheran gedreht (…). Bevölkert von Süchtigen, Prostituierten, Ausreisserinnen und anderen, die einfach nur die Gemeinschaft und die Atmosphäre suchen, wird die Damentoilette zu einem der wenigen Orte, an denen sich Frauen sicher genug fühlen, um Zigaretten zu rauchen, über Tabuthemen zu sprechen und ihren Schleier abzulegen. In einer Reihe offener und intimer Gespräche debattieren diese unterschiedlichen Frauen alles, von Drogen und Missbrauch in der Familie bis hin zu Sex, Beziehungen und Religion. Maryam ist Epileptikerin und erzählt von den brutalen Umständen, die sie in die Heroinsucht und die Selbstverstümmelung getrieben haben; Sepideh beschreibt

ihr angespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter und ihren Kampf, sich im Leben zurechtzufinden; und die alte Frau, die die Toilette betreibt, bietet abwechselnd gestrenge Liebe und eine Schulter zum Ausweinen. Dieser fesselnde Film ist roh und provokativ und gibt einen bemerkenswerten Einblick in das verborgene Leben der iranischen Frauen.» (Women Make Movies, wmm.com)

THE RED CARD (Carte ghermez)

Iran 2006

Auf Basis einer virtuos montierten Mischung aus selbst gedrehtem und vorgefundenem Material verhandelt The Red Card den Schauprozess gegen Shahla Jahed (1969–2010), die – nach Folter und Geständniszwang – zum Tode verurteilt wurde, weil man ihr, der Geliebten des ehemaligen Nationalstürmers Nasser Mohammadkhani, den Mord an dessen Frau angelastet hatte.

«Jahed widerruft ihr unter Druck gegebenes Geständnis und kämpft verzweifelt um gerechte Behandlung in einem männlich dominierten System, das sie mit ihrer ebenso emotionalen wie eloquenten Art immer wieder blosslegt. Besonders ungewöhnlich ist dabei, dass der Film die weibliche Perspektive einhält und sich ganz auf die Angeklagte konzentriert. Regisseurin Mahnaz Afzali montiert Szenen aus dem Gerichtssaal mit Zeitungsschlagzeilen, Fernsehausschnitten und privaten Videos von Jahed aus der Zeit vor dem Prozess. Das Ergebnis ist kein nüchternes Protokoll, sondern ein erschütternder Einblick in die Abgründe der iranischen Gesellschaft und Rechtsordnung.» (David Assmann, Tagesspiegel, 2011)

THE LADIES ROOM

55 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE

Mahnaz Afzali.

THE RED CARD

74 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE

Mahnaz Afzali // KAMERA Keyvan Jahanshahi, Khadijeh Jahed // SCHNITT Bahman Kiarostami.

PERSEPOLIS

Frankreich/USA 2007

«Marjane Satrapi erzählt in Persepolis die Geschichte der kleinen Marji, eines rebellischen Mädchens, das in einer linksliberalen Familie in Iran aufwächst und draussen mit ihren Freunden Räuber und Gendarm spielt, während ihre Eltern auf den Strassen Teherans gegen den Schah de-

11 Iranische Regisseurinnen im Widerstand

monstrieren. Die Errichtung des Gottesstaates macht 1979 für sie alle politischen und persönlichen Hoffnungen zunichte. Marjis geliebter Onkel Anusch wird vom Revolutionsgericht als russischer Spion hingerichtet; ein Schwager der Mutter stirbt, weil ihm eine Herzoperation im Ausland verweigert wird; und auch sie selbst muss sich den Regeln der Mullahs beugen, muss Kopftuch tragen, was sie natürlich nicht will. Sie will Jeans. Sie will Nike-Turnschuhe. Sie will Rockmusik.» (Julia Encke, FAZ, 2007)

«Wie Sie sicher bemerkt haben, verzichten wir in den Szenen, die in Iran spielen, auf jede Art von Orientalismus. Lokalkolorit gibt es da nicht, das haben wir nach Wien verlegt, wo Sie alles finden: Sachertorte, Kaffeehäuser, Trambahnen, den ganzen schönen Kitsch. Iran bleibt frei von den üblichen Orientklischees. Im Westen sind alle immer so überzeugt, etwas über Iran zu wissen. Je weniger sie wissen, desto überzeugter sind sie. Da muss man den Blick erst mal freiräumen.»

(Marjane Satrapi)

96 Min / Farbe + sw / 35 mm / F/d // REGIE Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi // DREHBUCH Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud, nach den Comics von Marjane Satrapi // MUSIK Olivier Bernet // SCHNITT Stéphane Roche // MIT DEN STIMMEN VON Chiara Mastroianni (Marjane), Danielle Darrieux (Grossmutter), Catherine Deneuve (Mutter), Simon Abkarian (Vater), Gabrielle Lopes Benites (Marji), François Jerosme (Anoush), Tilly Mandelbrot (Lali).

PROFESSION: DOCUMENTARIST

(Herfeh, Mostanadsaz)

Iran 2014

«Profession: Documentarist besteht aus sieben Episoden von jungen, feministischen Regisseurinnen aus dem Iran, die eigenwillige Formen gefunden haben, um das Patriarchat infrage zu stellen. Wie kann man als Filmemacherin all den anderen zum Schweigen gebrachten Frauen eine Stimme geben? Wie umgehen mit den (Kriegs-) Traumata, Zweifeln und Ängsten, aber dennoch offen für die Zukunft bleiben? Wie lässt sich eine Welt, wie sie sein könnte, filmen? Und wie können die Wände einer ‹walled society› mit filmischen Mitteln durchbrochen werden, um Fenster zur Öffentlichkeit herzustellen und aus privaten Netzwerken eine Widerstandsbewegung entstehen zu lassen? – Es handelt sich um Fragen, die alle Beiträge dieses ganz besonderen Omnibusfilms beschäftigen und antreiben.» (Matthias Wittmann)

«Der 2014 (…) gedrehte Omnibusfilm ist ein autobiografisches Werk in sieben Episoden (…). Selbstzweifel, Zensur und ihre Ironie, kreative Blockaden, das Verstummen von Frauenstim-

men, Unabhängigkeit von patriarchalischen Strukturen, Wiederbelebung der Vergangenheit, ständig scheitern und doch weitermachen – all dies ist durch einen roten Faden verbunden: Beim Dokumentarfilm geht es – zumindest per Definition – darum, Realitäten und Fakten des Lebens zu erzählen. Genau diese Realitäten und körperlichen Fakten werden den Frauen in der Islamischen Republik Iran verweigert. Ihr Kampf, die Realität zu erzählen, ist doppelt schwierig.» (Golnar Narimani, Radio Zamaneh, 2022)

80 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Shirin Barghnavard, Firouzeh Khosrovani, Farahnaz Sharifi, Mina Keshavarz, Sepideh Abtahi, Sahar Salahshoor, Nahid Rezaei // KAMERA M. Reza Jahan Panah.

 Dienstag, 16. Mai, 18.15 Uhr: in Anwesenheit von Sahar Salahshoor & Farahnaz Sharifi

MOUVEMENT DE LIBÉRATION DES FEMMES IRANIENNES, ANNÉE ZÉRO

Frankreich 1979

«Im Jahr 1979 laden iranische Frauen die amerikanische Feministin Kate Millett ein, den 8. März, den Internationalen Frauentag, in Teheran zu feiern. Am 7. März verkünden die religiösen Führer, dass Frauen den islamischen Schleier tragen müssen. Vom 8. bis zum 13. März demonstrieren Frauen und Liberale auf den Strassen gegen den Schleier. Ein Team von vier französischen Feministinnen filmt diese historischen Ereignisse, bevor sie von den Mullahs vertrieben werden.» (Claudine Mulard, remake-festival.de)

DANCING FOR CHANGE

Irak 2015

«Eine Geschichte über säkulare und sozialistische Frauen in der islamischen Welt, ihre Ideale, ihren Aktivismus und ihre Visionen für eine bessere Welt. Im Mittelpunkt stehen sechs kurdische Iranerinnen aus drei verschiedenen Generationen. Diese Frauen leben mit ihren männlichen Kameraden in einem Lager in den Bergen, wo sie sich organisieren und seit 1979 gegen die fundamentalistische iranische Regierung kämpfen. Sie schlossen sich aufgrund der extremen Unterdrückung, der sie in der Islamischen Republik Iran ausgesetzt waren, der Untergrundorganisation an.» (everbrite.com)

Iranische Regisseurinnen im Widerstand 12

MOUVEMENT DE LIBÉRATION DES FEMMES IRANIENNES, ANNÉE ZÉRO

13 Min / Farbe / 16 mm / F+Farsi/e // REGIE Sylvina Boissonnas, Claudine Mulard // DREHBUCH Claudine Mulard // KAMERA

UND SCHNITT Sylvina Boissonnas, Michelle Muller, Sylviane Rey.

DANCING FOR CHANGE

50 Min / Farbe / Digital HD / Kurd + Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE Shahrzad Arshadi.

FOR A RAINY DAY

(Rooz-e mabada)

Iran 2015

«Faezeh Azizkhani macht in ihrer unterhaltsamen Film-im-Film-Konstruktion For a Rainy Day die Marotten ihrer eigenen Mutter zum Thema, die sich nach einem Traum einbildet, bald sterben zu müssen. Angesichts dieses eingebildeten Ablaufdatums sieht sie sich plötzlich zwischen Aberglauben, traditionellen Rollenerwartungen und (Mutter-)Pflichten, aber auch dreist-anarchischen Selbstverwirklichungs- und Rachesehnsüchten hin- und hergerissen.

In einer aberwitzigen Szene beginnt sich die Mutter derart pathetisch in ein Videotestament (mit Koranzitaten) hineinzusteigern, dass sich die Tochter an die Videobotschaft einer Selbstmordattentäterin erinnert fühlt. Allmählich wird aus dem Dokumentarfilmprojekt eine Wunscherfüllungsmaschine für alle Beteiligten – wobei es Mutter und Tochter sogar gelingt, Filmstar Hedieh Tehrani zur Mitwirkung zu überreden. Mit Leichtigkeit und genauer Beobachtungsgabe bietet der Film tiefe Einblicke in die Zerrissenheiten der iranischen Gesellschaft.» (Matthias Wittmann)

90 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE

Faezeh Azizkhani // SCHNITT Mostafa Khergehgar // MIT Shirin Agharezakashi, Farzaneh Gerayli, Vahid Azizkhani, Hedye Tehrani.

JERRY & ME

USA 2012

«‹For me, Jerry Lewis was America›, erzählt die im Iran geborene spätere Filmemacherin und Columbia-Filmprofessorin Saeed-Vafa aus dem Off. In ihrem berührenden Dokumentarfilm schneidet sie den westlichen gegen den persisch synchronisierten Jerry, ihre eigene Kindheit als ernstes Mädchen gegen das Sinnbild des ewigen Kindes auf der Leinwand, ihren Traum von Amerika gegen ihre Realität Amerikas. Ein kluges, wunder-

bares Beispiel für die Wechselwirkung von erlebtem Kino und persönlicher Identität – und nebenbei ein Lehrfilm über die Gesellschaftsgeschichte des Iran, wie man ihn unterhaltsamer nicht gestalten könnte.» (Viennale 2014)

«Im Zuge einer faszinierenden, transkulturellen Verflechtungsgeschichte reflektiert Mehrnaz Saeedvafa ihr Heranwachsen im Iran im Spiegel der Filme von Jerry Lewis – wobei es im Zuge dieser ‹Fan-Psychoanalyse› (Adrian Martin) allmählich auch um Emanzipation vom blossen FanSein geht.» (Matthias Wittmann)

HOW DARE YOU HAVE SUCH A RUBBISH WISH (Chetor jorata kardi in arezooie mozakhraf ra bekoni)

Iran/GB 2022

«Die prominente Filmemacherin, Künstlerin und Schauspielerin Mania Akbari fordert ihren Körper zurück – und den aller anderen Frauen im iranischen Film. Anhand von fast hundert Ausschnitten aus der iranischen Filmgeschichte – von der Stummfilmzeit bis kurz nach der Islamischen Revolution – erzählt sie eine Geschichte von Befreiung, Ausbeutung, Emanzipation und letztlich Unterdrückung.

Tanzende Frauen, heiratswillige Frauen, berauschte Frauen, Frauen in Unterwäsche, rennende Frauen in kurzen Kleidern: alles aus einer männlichen Perspektive, mit einem männlichen Blick gefilmt. Selbst in den freien Jahren vor der Revolution wurden Frauen unterdrückt, wie Akbari in diesem konfrontativen Essay eindringlich darlegt. Die Ausschnitte, die um die Zeit der Revolution herum einen eher dokumentarischen Charakter annehmen, werden mit Aufnahmen von Akbari selbst unterbrochen, die sich gerade ein Blumentattoo auf die Brüste stechen lässt. Im Voice-over wendet sie sich an die männlichen Regisseure: ‹Ich mache keinen Film, ich schaue euch in die Augen.›» (IDFA, 2022)

JERRY & ME

38 Min / Farbe + sw / DCP / E // DREHBUCH UND REGIE Mehrnaz Saeed-Vafa // KAMERA Mehrnaz Saeed-Vafa, Robert Buchar // SCHNITT Mehrnaz Saeed-Vafa, John Cavallino.

HOW DARE YOU HAVE SUCH A RUBBISH WISH

72 Min / Farbe + sw / DCP / Farsi/e // REGIE UND SCHNITT Mania Akbari // DREHBUCH Mania Akbari, Ehsan Khoshbakht // KAMERA Mania Akbari, Mahshad Afshar, Karima Jamili, Hosein Shirzad.

13 Iranische Regisseurinnen im Widerstand

SIEBEN WINTER IN TEHERAN

Deutschland/Frankreich 2023

«Der Passionsweg von Reyhaneh Jabbari wird minutiös erzählt. Im Juli 2007 wurde sie, 19-jährig, verhaftet. Eineinhalb Jahre später zum Tode verurteilt. Im Oktober 2014 hingerichtet. Ihr Verbrechen: Sie hatte sich gegen ihren Vergewaltiger zur Wehr gesetzt. Dieser hatte sie, unter dem Vorwand eines Geschäftstermins, in seine Wohnung gelockt, die Türe abgeschlossen und ging auf sie los. Jabbari sah ein Küchenmesser auf dem Tisch liegen und stach zu. Er war Chirurg, mutmasslich beim Geheimdienst, exzellent vernetzt in der High Society des Iran. Reyhaneh, so sieht es im Nachhinein aus, hatte nie eine Chance.

Regisseurin Steffi Niederzoll drehte diesen Film mit Unterstützung der Familie von Reyhaneh Jabbari – Mutter und Schwestern leben inzwischen im deutschen Exil, der Vater ohne Ausreisegenehmigung immer noch in Teheran. Aus Telefonaten, Briefen und Tagebüchern spricht Reyhaneh, die Bilder teils heimlich von der Familie während ihrer Haft, teils heimlich aktuell im Iran aufgenommen: Bilder, Erzähltes ergeben ein beengendes, erdrückendes Porträt dieses Staates, dem Einzelne, dem seine Bürger:innen egal sind. Die Briefe von Rayhaneh Jabbari wer-

den von der Exiliranerin Zar Amir-Ebrahimi verlesen, die als Schauspielerin und als Mitproduzentin auch in Holy Spider die Männermacht im Iran thematisiert.» (Harald Mühlbeyer, kino-zeit.de)

«Wie Mahnaz Afzalis The Red Card macht auch Steffi Niederzolls Sieben Winter in Teheran, der dieses Jahr bei der Berlinale seine Weltpremiere feierte, den strukturellen Femizid zum Thema, der im Iran von einer misogynen Justiz unaufhörlich verübt wird. (...) Vor ihrer Hinrichtung konnte sich Jabbari nicht nur eine Stimme aus dem Inneren des Frauengefängnisses erkämpfen. Sie engagierte sich dort – wie die fiktive Mitra in Manijeh Hekmats Women’s Prison – auch für ihre Mithäftlinge, welche die Lieder, die Jabbari im Gefängnis sang, nun an ihre Kinder weitergeben.» (Matthias Wittmann)

97 Min / Farbe / DCP / Farsi/d // DREHBUCH UND REGIE Steffi Niederzoll // KAMERA Julia Daschner // MUSIK Flemming Nordkrog // SCHNITT Nicole Kortlüke // MIT Reyhaneh Jabbari, Shole Pakravan, Fereydoon Jabbari, Shahrzad Jabbari.

 Dienstag, 6. Juni, 18.30 Uhr: in Anwesenheit von Steffi Niederzoll

In Kooperation mit dem Human Rights Film Festival Zurich

Frauen im Iran wird das verwehrt, was Hannah Arendt «Erscheinungsraum» nennt: die Möglichkeit, in der Öffentlichkeit handelnd zu werden und sich zu solidarisieren. Wenn sie diese Grundrechte beanspruchen, sind sie mit staatlicher Gewalt konfrontiert. Doch sie kämpfen seit Jahrzehnten mutig dagegen an. Mit ihren Underground-Filmen – The Ladies Room (2003) und The Red Card (2006) – bietet Mahnaz Afzali filmische Bildräume als Gegenöffentlichkeit an und gibt Frauen damit die Möglichkeit, nicht nur den öffentlichen Raum, sondern auch ihr Recht auf Intimität zurückzuerobern – einen Raum der Vertrautheit, der nicht von männlicher und staatlicher Gewalt bedroht ist.

Firoozeh Farvardin (Soziologin mit Schwerpunkt Geschlechterpolitik), Maryam Palizban (Theaterwissenschaftlerin, Schauspielerin, Regisseurin), Matthias Wittmann (Filmwissenschaftler, Kurator) und Golnar Narimani (Forscherin für Ästhetik und Kunstphilosophie) werden ausgehend von Afzalis Frauenporträts über Formen feministischer Gegenöffentlichkeit im Iran an der Schnittstelle von Geschlechterpolitik, Körper und Kunst sprechen.

The Ladies Room und Red Card werden um 18.15 Uhr gezeigt.

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FR, 2. JUNI | 20.45 UHR INSIDE OUT: IRANISCHE FRAUEN FORDERN DEN ÖFFENTLICHEN RAUM UND DIE INTIMITÄT ZURÜCK IN ENGL. SPRACH
PODIUMSDISKUSSION
Matthias Wittmann hat dieses Programm in Zusammenarbeit mit iranischen Filmemacherinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen kuratiert.

Frauen filmen Freiheit #2: 9. Iranian Film Festival Zurich

Das 9. Iranian Film Festival findet dieses Jahr in Kooperation mit dem Filmpodium statt. Die Veranstaltung solidarisiert sich mit der Bewegung «Woman Life Freedom», die als Reaktion auf den gewaltsamen Tod von Mahsa Amini nach ihrer Verhaftung durch die Sittenpolizei entstanden ist, und mit allen Iranerinnen und Iranern, die in den Protesten ihre Angehörigen verloren haben. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse hat sich das Festival entschieden, die aktuelle Ausgabe wesentlich kürzer zu gestalten und nur vier Filme von vier Filmemacherinnen zu zeigen. Die Filme stellen den Mut der Frauen ins Zentrum und thematisieren kulturelle Barrieren in der Bildung für Frauen.

Festival and Artistic Director

Iranian Film Festival Zurich

THE BLUE VEILED (Rusari Abi)

Iran 1995

«Ein älterer Besitzer einer Tomatenfarm und Saucenfabrik verliebt sich nach dem Tod seiner Frau in eine der Arbeiterinnen der Fabrik und gefährdet damit seine Beziehung zu seinen Töchtern und Schwiegereltern.» (mubi.com)

Dieser mittlerweile klassische Film aus dem Jahr 1995, ein Liebesdrama, wurde von einer der Pionierinnen des iranischen Kinos geschrieben und gedreht. Der Film spielt in einem ländlichen Gebiet des Irans und erzählt von einer Liebe, die durch die Trennung der sozialen Schichten gefährdet ist.

85 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE

Rakhshan Banietemad // KAMERA Aziz Saati // MUSIK

Ahmad Pejman // SCHNITT Abbas Ganjavi // MIT Ezzatolah

Entezami (Rasul Rahmani), Fatemah Motamed-Aria (Nobar), Golab Adineh (Kaboutar), Afsar Asadi (Ensieh), Jamshid

Esmailkhani (Asghar), Farhad Aslani (Reza), Nadia Golchin (Forugh), Behnaz Jafari (Eftekhar).

CIRCUMSTANCE

USA/Iran/Libanon/Frankreich 2011

«Atafeh ist in einer liberalen Teheraner Familie aufgewachsen, in einem Zuhause, in dem Kultur und intellektuelle Neugier grossgeschrieben werden. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Shireen erkundet sie Teherans lebendige Untergrundszene. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine heimliche Liebesbeziehung – just als Atafehs Bruder Mehran aus der Drogenentzugsklinik zurückkehrt. Auf der Suche nach einem neuen Lebenssinn entdeckt Mehran die Religion, vor allem aber die schöne Shireen. Er setzt alles daran, die Begehrte vom ‹schlechten› Einfluss seiner Schwester zu befreien.» (ZFF, 2011)

Der Film erzählt die Geschichte von Homosexualität im heutigen Iran. Der mit dem Publikumspreis des Sundance Film Festival ausgezeichnete Film von Maryam Keshavarz wurde im Iran verboten und die Regisseurin verbannt.

106 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE

Maryam

 Freitag, 16. Juni, 18.00 Uhr: in Anwesenheit der Regisseurin

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Keshavarz // KAMERA Brian Rigney Hubbard // MUSIK Gingger Shankar // SCHNITT Andrea Chignoli // MIT Nikohl Boosheri (Atafeh Hakimi), Sarah Kazemy (Shireen Arshadi), Reza Sixo Safai (Mehran Hakimi).
→ Forbidden Womanhood → Circumstance
→ Be My Voice
→ The Blue Veiled

BE MY VOICE

(Hör min röst: Slöjans revolution)

Iran/USA/Schweden/Norwegen/GB 2021

Masih Alinejad ist eine im New Yorker Exil lebende Aktivistin und Journalistin, sie ist Mitglied der neuen Koalition gegen die Islamische Republik und Initiatorin der Anti-Hijab-Bewegung. Der Film zeichnet das Leben von Alinejad in New York und ihr Engagement nach. Sie ist die Stimme von Millionen iranischer Frauen gegen den HijabZwang, und sie nutzt die Freiheit im Exil, um gegen die Missstände in ihrer Heimat zu kämpfen. Ihr Mut wird auf die Probe gestellt, als das Regime die Kontrolle zurückzugewinnen versucht und mit Gewalt und Unterdrückung ihre Familienmitglieder bedroht.

83 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH, KAMERA UND REGIE Nahid Persson // MUSIK Natali Noor // SCHNITT Nahid Persson, Rostam Persson.

 Mittwoch, 17. Mai, 18.15 Uhr: in Anwesenheit der Regisseurin

FORBIDDEN WOMANHOOD Aserbaidschan/Iran 2022

«Die zwölfjährige Mahi lebt mit ihrer kleinen Schwester und ihren Eltern auf dem Land. Zwischen Hausarbeit und erfundenen Spielen auf sandigem Boden wird sie mit neuen Fragen konfrontiert: ‹Wie wird eine Frau schwanger?› Bei Mahis Mutter trifft ihre Neugierde nicht auf Erklärungen, sondern auf Scham, Zurechtweisung und falsche Antworten. Fehlgeleitet und alleingelassen versucht das Mädchen weiterhin die Rolle zu erfüllen, die von ihm erwartet wird. Als aber ein junger Mann aus der Stadt zu Besuch kommt und Mahi sexuell misshandelt, werden ihre unterdrückten Gefühle zu einer unerträglichen Last.» (thishumanworld.com)

In einer Gesellschaft, in der jede Diskussion über Sex verboten ist, zeigt Maryam Zahirimehr, wie diese Haltung zu einer Tragödie führen kann.

96 Min / Farbe / DCP / Farsi/e // DREHBUCH UND REGIE

Maryam Zahirimehr // KAMERA Ali Abpak, Hamid Mehrafrooz // MUSIK Milad Movahedi // SCHNITT Amir Etminan // MIT Shiva Sinaei (Mahi), Alireza Aminataee (Bangaroo), Ahmad Fathi (Farzad), Farkhondeh Rava (Hamegol), Farhad Mesbah (Salar), Maria Sinaei (Maryam).

17 9. Iranian Film Festival Zurich
FILMTAGE ZÜRICH | KINO HOUDINI ARTHOUSE UTO & LE PARIS | YESH.CH 1–8|6|23 ye23_inserat_filmpodium_127x98mm.indd 2 07.04.23 19:32
© 1975 Twentieth Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved

Michel Bodmers

Abschieds programm: Preziosen eines Perlentauchers

Gerne hätte ich mein Abschiedsprogramm «Trouvaillen eines Trüffelschweins» genannt, aber so hat schon mein geschätzter Vorgänger

Andreas Furler 2013 seine letzte Filmreihe betitelt. Allerdings: Trüffelschweine dürfen die aufgestöberten Delikatessen in der Regel nicht geniessen, wir Kurator:innen beim Filmpodium aber sehr wohl. Darum will ich einige der cineastischen Perlen, die ich hier entdeckt habe, vor meiner Pensionierung mit unserem Publikum teilen.

Dieser Schlussstrich markiert nicht nur das Ende meiner gut neuneinhalbjährigen kuratorischen Arbeit beim Filmpodium, sondern einer 36-jährigen beruflichen Beschäftigung mit Filmprogrammierung, die 1987 beim Schweizer Fernsehen begann. Die grundsätzliche Fragestellung war dabei immer die gleiche: Ist das sehenswert und, wenn ja, für wen? Egal, wie gut der Film einem selbst entspricht, er soll sein Publikum finden. Man muss beim Kuratieren also bisweilen von eigenen Vorlieben abstrahieren, aber in diesem Programm kann ich hinter jedem Film stehen.

Wie damals Andreas Furler habe auch ich primär Werke ausgewählt, die ich während meiner Tätigkeit beim Filmpodium entdeckte und die mir Eindruck machten. Es sind aber auch zwei Titel dabei, die wir in dieser Zeit aufgrund von Materialproblemen nicht zeigen konnten; inzwischen sind beide Filme restauriert worden. In der René-Clair-Retrospektive 2018 fehlte Le dernier milliardaire, in dem der Filmpoet 1934 die aktuelle Weltpolitik aufs Korn nahm: Der Milliardär Banco erlässt nach einem Schlag auf den Kopf als Herrscher des Zwergstaats Casinario ebenso autokratische wie absurde Edikte. Das gemahnt uns heute an den 45. Präsidenten der USA, aber die damaligen faschistischen Regimes in Italien und Deutschland verstanden den Film gut genug, um ihn gleich zu verbieten. In unserer Reihe zum albanischen Filmschaffen 2020 entfiel Tana (1958) von Kristaq Dhamo. Dieser erste albanische Spielfilm, entstanden in der Zeit von Enver Hoxhas totalitärem Regime,

↑ Schwarz und Frau einst und heute: The Watermelon Woman

→ Kommunales Kinoerlebnis par excellence: The Rocky Horror Picture Show

↓ (H)armlos? Carl Theodor Dreyers Satire Die Pastorenwitwe attackiert die Kirche

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präsentiert mit der Titelheldin ein Frauenbild, das eher sozialistischen Utopien entsprang als der Realität der auch im Kommunismus patriarchalen Gesellschaft Albaniens.

Changierende Genres

Viele meiner Entdeckungen beim Filmpodium stammten aus der Frühzeit des Kinos. Der ehemalige Koleiter Martin Girod bemühte sich an unserem jährlichen Festival, den Stummfilm als pionierhafte Kunstform zu feiern und ihn vom Ruch des Trivialen und der gemeinen Assoziation mit Slapstick-Komik zu befreien. Ich habe zwei Werke ausgewählt, die das Changieren solcher Genres belegen: Carl Theodor Dreyer, schwerblütig-philosophischer Exponent des nordischen Filmschaffens, drehte 1920 mit Prästänkan/Die Pastorenwitwe einen Film, der als handfester Klamauk mit grotesken Einfällen beginnt, bevor er in eine ernste Auseinandersetzung mit Liebe, Ehe und dem gesellschaftlichen Status der Frau mündet, wie man es von ihm erwartet. Und Gloria Swanson, legendär als Königin des Melodramas, hatte ein komisches Talent, das ihr erlaubte, in Stage Struck (1925) ihre eigenen Ambitionen als Tragödin auf die Schippe zu nehmen.

Während der späte Stummfilm zu Recht als Höhepunkt des visuellen Erzählens gilt, nimmt im frühen Tonfilm die Pre-Code-Ära in Hollywood einen anderen Sonderstatus ein: Damals entstanden die sprachlich frechsten und inhaltlich kühnsten amerikanischen Filme, bis in den 60er-Jahren die Selbstzensur der Kinobranche gelockert wurde. Ein besonders schönes Beispiel ist Baby Face (1933), in dem Barbara Stanwyck als jugendliches Opfer sexueller Ausbeutung den Spiess umdreht und sich in den chauvinistischkapitalistischen USA buchstäblich in einem Geschäftshaus nach oben schläft.

Subtiler ist die Amerika-Kritik in Billy Wilders A Foreign Affair (1948): Zuerst führt er dem Publikum die Ruinen Deutschlands vor Augen, die die Bomben der Alliierten hinterlassen haben; dann schickt er Jean Arthur als Tugendwächterin in den Untergrund Berlins, wo sie in der Konfrontation mit der korrupten, aber lebendigen Tingeltangelsängerin Marlene Dietrich bald alt aussieht. Eine weitere Aussenseiterin in der sexistischen Nachkriegsgesellschaft ist Claudia Cardinale, die in Valerio Zurlinis La ragazza con la valigia (1961) versuchen muss, sich abseits der Willkür männlicher Begierde durchzuschlagen. Auf sexuell ausgehungerte Kerle stossen auch die gestrandeten Krankenschwestern, die in Blake Edwards’ Komödie Operation Petticoat (1959) von einem ramponierten U-Boot aufgefischt werden. Doch die Matrosen, angeführt von Cary Grant und Tony Curtis, müssen lernen, mit den Frauen auszukommen, wenn sie nicht untergehen wollen.

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Film noir und «female gaze»

Gleich drei Werke aus den 50er-Jahren demonstrieren die Vielfalt des Film noir: His Kind of Woman (1952) von John Farrow versetzt den stoischlethargischen Robert Mitchum in eine Intrige, die ihn das Leben kosten soll, samt Techtelmechtel mit der fatalen Femme Jane Russell, aber Vincent Price als schräger Shakespeare-Verehrer bringt den Film auf einen ganz anderen Kurs. Nightfall (1957), nach einem Roman von David Goodis, folgt den Genre-Mustern schon enger, führt die Handlung aber aus der nächtlichen Grossstadt in die schneeweissen Berge und konfrontiert Aldo Ray und die junge Anne Bancroft mit zwei ebenso ungewöhnlichen wie skrupellosen Gangstern. Mit The Hitch-Hiker (1953) schliesslich bewies Ida Lupino, dass sie einen mindestens so beklemmenden Noir inszenieren konnte wie ihre Kollegen; ihr psychopathischer Autostopper ist ein Vorbote der unberechenbaren Gewaltverbrecher, wie sie in den 60er- und 70er-Jahren aufkommen sollten. Eine andere Schauspielerin, die hinter die Kamera wechselte, ist Kinuyo Tanaka. Die Lieblingsdarstellerin von Mizoguchi und Ozu, die oft Prostituierte verkörpern musste, schildert in Die Nacht der Frauen aus weiblicher Sicht das Schicksal von Sexarbeiterinnen, nachdem Japan 1956 die Prostitution verboten hat. Cheryl Dunye spürt als Regisseurin und Hauptdarstellerin in The Watermelon Woman (1996) der klischierten Darstellung schwarzer Frauen in Hollywood nach. Ebenfalls einen «female gaze» richten zwei Algerierinnen auf Sitten und Religion in ihrer Heimat. Während Nadia Zouaoui dies im Dokumentarfilm Islam of My Childhood (2020) in Form einer offenen Diskussion über den verheerenden Einfluss des Wahhabismus tut, nimmt Yasmine Chouikh in Until the End of Time (2018) eine witzige Altersromanze als Aufhänger für eine Parabel über die Zustände in ihrem Land.

Die andere Heimat (2014) nennt Edgar Reitz sein pittoreskes Prequel zu seinem gewaltigen Epos über den Hunsrück und erkundet darin, wie viele Vorfahren sich aus wirtschaftlicher Not zur Emigration gezwungen sahen. Eher karg als idyllisch mutet auch das Landleben in Michelangelo Frammartinos Le quattro volte (2010) an, einem wortlosen Dokumentarfilm, der in einer der originellsten Plansequenzen der Filmgeschichte gipfelt.

Als Schlussbouquet (vor der Umbaupause im Juli) lassen wir nochmals

The Rocky Horror Picture Show steigen, samt Kostümen, Reis, Konfetti und Wasserpistolen. Vor 50 Jahren uraufgeführt, ist dieses genderfluide Grusical nicht (un)totzukriegen. Tanzen wir also nochmals den Time Warp, solange im Frankenstein-Haus das Lämpchen noch glüht.

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→ A Foreign Affair → Le dernier milliardaire. → His Kind of Woman → Stage Struck

KINO-KONZERT: DIE PASTORENWITWE (Prästänkan ) Schweden

1920

Als der junge Söfren das Pfarramt in einem norwegischen Dorf übernimmt, muss er die viel ältere Witwe seines Amtsvorgängers heiraten, dabei ist er heimlich mit der jungen Mari verlobt. Er schickt sich in sein Los, in der Hoffnung, die greise Frau Margarete werde bald sterben, und gibt Mari als seine Schwester aus, um sie in der Nähe behalten zu können. Margarete erweist sich aber als erstaunlich rüstig, und so beschliessen Söfren und Mari, dem Schicksal nachzuhelfen.

Die Gefühle und Sehnsüchte der Individuen prallen bei Dreyer auf absurd anmutende ländliche Sitten und Gebote. Söfrens Versuche, seine unerwünschte alte Gattin loszuwerden, führen zu hochkomischen Fehlleistungen, ehe der Film nach einer tragischen Wende zu einem bewegenden, zutiefst menschlichen Schluss findet.

«Der Film atmet eine Art Natürlichkeit (...) und weist voraus auf jene ‹realistische› Freiheit, die erst der Tonfilm vollends gestatten wird, und auf die langen Einstellungen und Aufnahmen, die in Dreyers späteren Werken dominieren werden.»

(Miguel Marias, sensesofcinema.com)

88 Min / sw / DCP / stumm, schwed. Zw’titel/d // REGIE Carl Theodor Dreyer // DREHBUCH Carl Theodor Dreyer, nach einer Erzählung von Kristofer Janson // KAMERA George Schnéevoigt // MIT Hildur Carlberg (Frau Margarete), Einar Röd (Söfren Ivarson), Greta Almroth (Mari, seine Geliebte), Olav Aukrust (erster Kandidat), Kurt Welin (zweiter Kandidat), Mathilde Nielsen (Gunvor).

DO, 25. MAI | 20.45 UHR

LIVE-MUSIK: NEIL BRAND, LONDON (PIANO)

KINO-KONZERT: STAGE STRUCK

USA 1925

Gloria Swanson spielt die Kneipen-Serviererin Jenny, die in den Koch Orme verliebt ist. Als dieser für ein Bühnen-Starlet zu schwärmen beginnt, beschliesst Jenny, selbst Schauspielerin zu werden und ihre Rivalin auszustechen.

«Gloria Swanson, einer der grossen Stars des Stummfilms, zieht in Stage Struck alle Register ihres Könnens (…). Die ausgesprochen unterhaltsame Komödie wartet mit einer technischen Sensation auf: Die farbigen Traumsequenzen, die in der restaurierten Filmkopie des George Eastman House auch heute noch zu bewundern sind, wurden im damals neu entwickelten zweifarbigen

Technicolor-Verfahren gedreht.» (Bonner Sommerkino 2009)

«In Stage Struck macht Gloria Swanson, was sie als vollendete Komödiantin auf dem Höhepunkt ihrer Karriere am besten kann: Sie drückt durch die Figur ihren Wunsch aus, eine dramatische Schauspielerin zu sein. Es ist eine gute Komödie, und Swanson ist darin wunderbar; in den Restaurant-Szenen bringt sie sogar etwas Slapstick, eine Form von Komik, die sie angeblich verachtete.» (Bryony Dixon: 100 Silent Films)

80 Min / Farbe + sw / Digital HD / stumm, e Zw’titel // REGIE Allan Dwan // DREHBUCH Forrest Halsey, Sylvia La Varre, nach einer Story von Frank Ramsey Adams // KAMERA George Webber // SCHNITT George Webber // MIT Gloria Swanson (Jenny Hagen), Lawrence Gray (Orme Wilson), Gertrude Astor (Lillian Lyons), Marguerite Evans (Hilda Wagner), Ford Sterling (Waldo Buck), Carrie Scott (Mrs. Wagner).

FR, 26. MAI | 20.45 UHR

LIVE-MUSIK: NEIL BRAND, LONDON (PIANO)

BABY FACE

USA 1933

«Eine exemplarische Pre-Code-Heldin ist Lily Powers, grandios verkörpert von Barbara Stanwyck. Lily wächst in der zwielichtigen Spelunke ihres Vaters auf, für den sie sich prostituieren muss. Als er stirbt, nimmt sie sich den Rat des einzigen Mannes zu Herzen, der es gut mit ihr meint: Männer zu benutzen, statt sich von ihnen benutzen zu lassen. Sie ergreift eine Gelegenheit wegzufahren und angelt sich zielsicher einen Job in einem grossen Bankgebäude in Manhattan. Skrupellos und völlig unsentimental macht sich Lily systematisch an ihren finanziellen und gesellschaftlichen Aufstieg: Von Stockwerk zu Stockwerk geht es immer höher hinauf, die Männer, die ihr dazu verholfen haben, bleiben beschädigt zurück. Ihre einzige Loyalität gilt ihrer schwarzen Hausangestellten Chico. Der Film ist eines der wenigen Beispiele der Zeit, in denen Afroamerikaner nicht auf degradierende Stereotype reduziert wurden.» (Annette

74 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Alfred E. Green // DREHBUCH Gene Markey, Kathryn Scola, nach einer Story von Darryl F. Zanuck [alias Mark Canfield] // KAMERA James Van Trees // MUSIK Harry Akst, W. C. Handy, Leo Friedman // SCHNITT Howard Bretherton // MIT Barbara Stanwyck (Lily Powers), George Brent (Courtland Trenholm), Donald Cook (Ned Stevens), Alphonse Ethier (Adolf Cragg), Henry Kolker (J. P. Carter), Margaret Lindsay (Ann Carter), Arthur Hohl (Ed Sipple), John Wayne (Jimmy McCoy Jr.), Robert Barrat (Nick Powers), Douglas Dumbrille (Brody), Theresa Harris (Chico).

23 Michel Bodmers Abschiedsprogramm
→ The Hitch-Hiker → Nightfall → Tana ©
1956 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved

LE DERNIER MILLIARDAIRE Frankreich 1934

Casinario, ein monarchistischer Zwergstaat, ist bankrott; das Volk muss zum Tauschhandel zurückkehren. Hilfesuchend ködern Königin und Parlament mit einer hübschen Prinzessin den Milliardär Banco, der das Land wieder flottmachen soll. Banco will aber nicht einfach den Goldesel spielen, sondern reisst die Herrschaft an sich. Als er bei einem Attentat einen Schlag auf den Kopf bekommt, werden seine autokratischen Erlasse immer grotesker: Stühle verbietet der Milliardär ebenso wie Hüte und Schlipse; die Bevölkerung wird zu öffentlicher Fitness verdonnert, und wer aufmuckt, wird eingekerkert.

René Clair, sonst eher für poetisch-surreale Komödien bekannt, versucht sich hier an der Politsatire. Für den Monarchismus hat er dabei nicht viel mehr übrig als für die Diktatur, die damals in drei Nachbarländern Frankreichs herrschte. Eine wichtige Quelle von Komik im Film sind Kommunikation und Befehlsstrukturen: Willige Vollstrecker und nützliche Idioten machen Bancos Regime erst möglich. Hat der Film im Zeitalter von Trump, Bolsonaro & Co an Aktualität eingebüsst?

Urteilen Sie selbst! (mb)

91 Min / sw / DCP / F/e // DREHBUCH UND REGIE René Clair // KAMERA Rudolph Maté, Louis Née // MUSIK Maurice Jaubert // SCHNITT Jean Pouzet, Louisette Hautecoeur // MIT Max Dearly (M. Banco), Jean Sinoël (der Premierminister), Paul Ollivier (Grosser Kammerherr), Marthe Mellot (Königin von Casinario), Charles Redgie (Kronprinz Nicolas).

A FOREIGN AFFAIR USA 1948

Die puritanische amerikanische Kongressabgeordnete Phoebe Frost (Jean Arthur) soll im zerstörten Berlin der Nachkriegszeit die Moral amerikanischer Besatzungstruppen untersuchen und kommt einer deutschen Barsängerin (Marlene Dietrich) auf die Spur, die einst in höchsten Nazizirkeln verkehrte und nun – gegen gute Schwarzmarktware – für die ausserdienstlichen Vergnügen eines US-Offiziers besorgt ist.

«Eine witzige Satire (...). Der Humor, der sich für ein solches Thema anbietet, ist hier ausgesprochen bissig (...). Dabei gelingt es Brackett und Wilder, unter der spassigen Oberfläche menschliche Schwächen blosszulegen und bis zu einem gewissen Grad auch die Verbitterung der Besiegten in den besetzten Gebieten durchscheinen zu lassen.» (Variety Movie Guide 2001)

«Dieser dialoglastige, intelligente, zynische Film schreckt auch heute noch auf, mit trockenen

Witzen über Gaskammern und mit jugendlichen Hirnwäsche-Opfern, die überall noch Hakenkreuze einritzen. Sprüche wie dieser, von einer ehemaligen Nazi-Anhängerin zu ihrem amerikanischen Beschützer, lassen einen zusammenzucken: ‹Jetzt habe ich einen neuen Führer: dich. Heil, Johnny.› Man stelle sich vor, wie das Publikum damals frappiert war, wenige Jahre nach dem Krieg! Gerne sähe ich einen heutigen Filmschaffenden mit Wilders Mut die Herausforderung annehmen, darzustellen, wie eine Besatzungsarmee mit einem Land voller ‹offener Gräber und verschlossener Herzen› umspringt.» (Andrea Mullaney, eyeforfilm.co.uk, 27.11.2006)

116 Min / sw / DCP / E+D/d // REGIE Billy Wilder // DREHBUCH

Charles Brackett, Billy Wilder, Richard L. Breen, Robert Harari, nach einer Vorlage von David Shaw // KAMERA Charles Lang jr. // MUSIK Friedrich Hollaender // SCHNITT Doane Harrison // MIT Marlene Dietrich (Erika von Schlütow), Jean Arthur (Phoebe Frost), John Lund (John Pringle), Millard Mitchell (Rufus J. Plummer), Peter Von Zerneck (Hans Otto Birgel).

HIS KIND OF WOMAN

USA 1952

«Eine höchst kuriose Produktion von Howard Hughes’ RKO Pictures, die mit einer recht klassischen Film-noir-Handlung beginnt – der Spieler Milner wird unter Gewaltandrohung gezwungen, einem Gangster zu helfen, aus dem Exil in die USA zurückzukehren –, aber ab etwa der Mitte in eine surreale Parodie kippt. Mitchum hat gesagt, dass viel davon im Laufe der Dreharbeiten erfunden wurde; und Szenen wie jene, in der er Dollarscheine bügelt, und seine vielen leicht anzüglichen Wortwechsel mit Jane Russell als Lenore haben etwas Spontanes an sich. Das Lustigste ist aber Vincent Price als irrer und eingebildeter Schauspieler, der selbst in grösster Gefahr mit Shakespeare-Zitaten um sich wirft. Das Ergebnis, so etwas wie ein spannender, sadistischer Thriller mit Einsprengseln von Monty Python, hält nur knapp zusammen, aber es ist glänzend gespielt und inszeniert und ein unvergessliches Vergnügen.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)

120 Min / sw / Digital SD / E + Sp/e // REGIE John Farrow, Richard Fleischer (ungenannt) // DREHBUCH Frank Fenton, Jack Leonard, Earl Felton (ungenannt), Richard Fleischer (ungenannt), Howard Hughes (ungenannt), nach einer Story von Gerald Drayson Adams (ungenannt) // KAMERA Harry J. Wild // MUSIK Leigh Harline // SCHNITT Frederic Knudtson, Eda Warren // MIT Robert Mitchum (Dan Milner), Jane Russell (Lenore Brent), Vincent Price (Mark Cardigan), Tim Holt (Bill Lusk), Charles McGraw (Thompson/Erzähler), Marjorie Reynolds (Helen Cardigan), Raymond Burr (Nick Ferraro), Leslie Banning (Jennie Stone).

25 Michel Bodmers Abschiedsprogramm

THE HITCH-HIKER USA 1953

«Myers, ein psychopathischer Killer, wird als Autostopper von Bowen und Collins mitgenommen. Er bedroht sie und zwingt sie, ihn an die mexikanische Grenze zu bringen. Selbst im Schlaf behält Myers ein Auge offen. (…) Ein sehr beeindruckender Thriller mit einem irren Killer, den man nicht vergisst. Wohl der beste Film von Ida Lupino.» (Jean Tulard: Guide des films)

«Von Film zu Film führt uns Ida Lupino eine Anatomie der zeitgenössischen Melancholie vor Augen. Unerschrocken findet, isoliert und zeigt sie uns die Viren, die ihre Patienten befallen: Selbstmitleid, Selbstbestrafung, Stolz, der fehl am Platz ist, Zynismus, Verzweiflung (…). Die Exzesse des Melodramas gehen dabei nicht vergessen, denn es gibt immer ein Gegenmittel, das das verletzte Herz absondert.» (Michael Henry, Positif Nr. 540, 2006)

71 Min / sw / Digital HD / E/e // REGIE Ida Lupino // DREHBUCH Collier Young, Ida Lupino, Robert Joseph, nach einer unveröffentlichten Erzählung von Daniel Mainwaring // KAMERA Nicholas Musuraca // MUSIK Leith Stevens // SCHNITT Douglas Stewart // MIT Edmond OʼBrien (Ray Collins), Frank Lovejoy (Gilbert Bowen), William Talman (Emmett Myers), José Torvay (Capt. Alvarado), Sam Hayes (Sam).

NIGHTFALL USA 1957

«In dieser hervorragenden Verfilmung des Romans von David Goodis freundet sich in Kalifornien ein Mann, der offensichtlich auf der Flucht ist, in einer Bar mit einer Frau an, meint dann aber (zu Unrecht), dass sie ihn für zwei Männer, die ihn suchen, in eine Falle gelockt hat. Seit einigen Monaten folgt ihm auch ein Versicherungsinspektor, der den Fall müde mit seiner Frau bespricht: Der Mann wird in Chicago wegen Mordes gesucht, aber ‹er wächst einem ans Herz; er wirkt fast so, als bräuchte er Schutz›. Eine Folge von Rückblenden, ebenso schön platziert und getaktet wie in Out of the Past, zeigt, wie treffend diese Beschreibung auf den typischen Goodis-Helden passt, den Aldo Ray perfekt verkörpert als grossen, freundlichen Hund, der bei Bedrohung die Zähne zeigt.

Wie wir erfahren, war er ein unbeteiligter Dritter, dem zwei Bankräuber – der eine sadistisch und schiesswütig, der andere seltsam ambivalent –einen Mord anhängten, weil sie meinten, er wisse, was aus den 350 000 Dollar geworden ist, die in den Bergen von Wyoming verschollen sind. Mit schön unaufdringlicher Symbolik (Burnett Guffeys Kameraarbeit ist durchweg grossartig)

weichen die dunklen Strassen der Stadt allmählich weit offenen Schneelandschaften, als der Mann die verzweifelte Suche nach seiner verlorenen Unschuld antritt.» (Tom Milne, Time Out Film Guide)

Zu den Höhepunkten dieses Hitchcock-würdigen Thrillers gehören das Tarantino vorwegnehmende Räuberpaar, die schöne Anne Bancroft in einer frühen Rolle, eine Modeschau mit Mördern im Publikum und ein rabiater Showdown im Schnee.

78 Min / sw / 35 mm / E+Sp+I/d // REGIE Jacques Tourneur // DREHBUCH Stirling Silliphant, nach dem Roman von David Goodis // KAMERA Burnett Guffey // MUSIK George Duning // SCHNITT William A. Lyon // MIT Aldo Ray (James Vanning), Brian Keith (John), Anne Bancroft (Marie Gardner), Jocelyn Brando (Laura Fraser), James Gregory (Inspektor Ben Fraser), Frank Albertson (Dr. Edward Gurston), Rudy Bond (Red), George Cisar (Buschauffeur), Eddie McLean (Taxifahrer).

TANA Albanien 1958

«Ein Bergdorf in Albanien. Tana (Tinka Kurti) ist eine junge, intelligente, extrovertierte und fortschrittlich denkende Frau. Sie ist verliebt in Stefani, aber sie muss sich gegen ihren Grossvater mit seiner Mentalität aus einer anderen Zeit durchsetzen und gegen die Eifersucht von Lefter kämpfen.

Tana gilt als erster Spielfilm der Geschichte des albanischen Kinos, der vollständig von Albaner:innen inszeniert und produziert wurde. (…) Dieser Film, der als Nationaldenkmal gilt, beruht auf dem gleichnamigen Roman von Fatmir Gjata, der von einer jungen, brillanten und lebensfrohen Bäuerin erzählt, um deren Zuneigung zwei wahnsinnig verliebte Männer ringen. Diese weibliche Figur, die in einer Männerwelt für ihre Interessen kämpft, vor dem Hintergrund der Befreiung und eines idealisierten Sozialismus, wird im damaligen albanischen Kino noch oft ein Thema sein.» (Katalog Festival Lumière 2022)

Tinka Kurti, die hier in ihrer ersten Filmrolle zu sehen ist, avancierte in den folgenden Jahrzehnten zur Grande Dame des albanischen Films; letztes Jahr feierte sie ihren 90. Geburtstag.

82 Min / sw / DCP / Alb/e // REGIE Kristaq Dhamo // DREHBUCH Kristaq Dhamo, Fatmir Gjata, Nasho Jorgaqi // KAMERA

Mandi Koçi, Sokrat Musha // MUSIK Çesk Zadeja // SCHNITT Vitori Çeli // MIT Tinka Kurti (Tana), Naim Frashëri (Stefani), Pjetër Gjoka (Gjyshi), Kadri Roshi (Lefter Dhosi), Andon Pano (Leiter der Kooperative), Marie Logoreci (Stefanis Mutter).

 Samstag, 24. Juni, 18.30 Uhr: anschl. Filmgespräch mit Louise Burkart und Albana Rexhepaj

Michel Bodmers Abschiedsprogramm 26

OPERATION PETTICOAT USA 1959

Gleich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wird das amerikanische U-Boot «Sea Tiger» von den Japanern versenkt. Notdürftig repariert, gurgelt es unter Kapitän Sherman zum nächsten Einsatz, auch dank des cleveren Leutnants Holden, der mit dubiosen Mitteln Vorräte und Ersatzteile beschafft (darunter ein lebendes Schwein, als Soldat getarnt). Als das U-Boot fünf gestrandete Armeekrankenschwestern an Bord nimmt, ist die Besatzung ebenso bezaubert wie überfordert.

Regisseur Blake Edwards setzt Cary Grants reifen, mit Understatement gespielten Kapitän gegen den quirligen jungen Tony Curtis als mit allen Wassern gewaschenen Unteroffizier. Oft klamaukig, bietet der Film zwischendurch treffende Beobachtungen zum Verhältnis der Geschlechter in gleichstellender Uniform – und ohne. (mb)

124 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Blake Edwards // DREHBUCH Stanley Shapiro, Maurice Richlin, nach einer Story von Paul King, Joseph Stone // KAMERA Russell Harlan // MUSIK David Rose, Henry Mancini // SCHNITT Frank Gross, Ted J. Kent // MIT Cary Grant (Lt. Cmdr. Matt T. Sherman), Tony Curtis (Lt. Nicholas Holden), Joan O’Brien (Lt. Dolores Crandall), Dina Merrill (Lt. Barbara Duran), Gene Evans (Chief Molumphry), Dick Sargent (Stovall), Virginia Gregg (Major Edna Heywood), Robert Gist (Lt. Watson).

DIE NACHT DER FRAUEN (Onna bakari no yoru) Japan 1961

Nach dem Verbot der Prostitution in Japan im Jahre 1956 sieht sich die junge Sexarbeiterin Kuniko nach einem Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum gezwungen, in ein «ehrbares» Gewerbe zu wechseln. In Tokio kann sie in einem Lebensmittelladen arbeiten, doch als ihre Vergangenheit ruchbar wird, sehen Nachbarn und Kunden sie mit anderen Augen an.

Kinuyo Tanaka hatte selbst häufig in Filmen von Männern Prostituierte verkörpert. In Die Nacht der Frauen, nach einem Roman der Autorin Masako Yana, adaptiert von der Drehbuchautorin Sumie Tanaka, wirft die Regisseurin einen dezidiert weiblichen und zeitkritischen Blick auf die Thematik. Noch schärfer als in ihrem Erstling Love Letter stellt sie die scheinheilige Doppelmoral der Gesellschaft bloss, welche die Prostituierten dafür brandmarkt, was ihnen die Männer aufzwingen. Allerdings kann Kuniko auch bei ihren Geschlechtsgenossinnen nicht auf Verständnis oder

Solidarität zählen. Erst als sie sich ganz von ihrer «sündhaften» Vergangenheit lossagt, wird sie in einer kleinen Aussenseiterinnengemeinschaft von Perlentaucherinnen aufgenommen. (mb)

93 Min / sw / DCP / Jap/d // REGIE Kinuyo Tanaka // DREHBUCH Sumie Tanaka, nach einem Roman von Masako Yana // KAMERA Asakazu Nakai // MUSIK Hikaru Hayashi // MIT Hisako Hara (Kuniko), Akemi Kita (Chieko), Chieko Seki (Oyuki), Masumi Harukawa (Harada), Sadako Sawamura (Kitamura), Chikage Awashima (Nogami), Fumiko Okamura (Okada), Chieko Nakakita (Yoshi Takagi).

LA RAGAZZA CON LA VALIGIA

Italien 1961

«Marcello will die hübsche Aida loswerden – er hat seinen Spass mit dem Mädchen aus der Hotelband gehabt, sie durfte kurz schnuppern an einem Leben in besseren Verhältnissen. Womit er nicht gerechnet hat, ist die schiere Energie, Lebenslust und Findigkeit der jungen Frau. Wieder daheim, lässt er sich verleugnen von seinem Bruder – der sich in Aidas fröhliche Art verliebt.

Ein Film über Klassenantagonismen, dessen Grausamkeit in seiner Achtsamkeit liegt, in der Präzision, mit der hier die Minuten und Stunden betrachtet, verzeichnet werden. Bei aller Anteilnahme ist Valerio Zurlinis Blick sezierend: Die Pracht des Hauses Fainardi wird genauso en détail studiert wie die ärmliche Schlafstätte Aidas.» (Olaf Möller, Österreichisches Filmmuseum, 1/2013)

«Eine süsse Liebesgeschichte: Teenager. Der Bursche, unerfahren, jung, verliebt sich in ein älteres Mädchen, erfahren. Wunderschön inszeniert. Sehr gut eingesetzte Musik. Erinnert mich an Lattuadas Guendalina, eine andere süsse Romanze. Die Figur des Mädchens (Claudia Cardinale) ist unausgeglichen, verwirrt, aber lebendig. (…) Sie ist wild und mitunter schön, eine Art NeoBB.» (Jonas Mekas, The Village Voice, 31.8.1961)

121 Min / sw / 35 mm / I/e // REGIE Valerio Zurlini // DREHBUCH Leonardo Benvenuti, Piero De Bernardi, Enrico Medioli, Giuseppe Patroni Griffi, Valerio Zurlini, nach einer Story von Leonardo Benvenuti, Piero De Bernardi, Enrico Medioli, Giuseppe Patroni Griffi, Valerio Zurlini // KAMERA Tino Santoni // MUSIK Mario Nascimbene // SCHNITT Mario Serandrei // MIT Claudia Cardinale (Aida Zepponi), Jacques Perrin (Lorenzo Fainardi), Luciana Angiolillo (Lorenzos Tante), Renato Baldini (Francia), Riccardo Garrone (Romolo), Elsa Albani (Lucia), Corrado Pani (Marcello Fainardi), Gian Maria Volontè (Piero Benotti), Romolo Valli (Don Pietro Introna).

27 Michel Bodmers Abschiedsprogramm
→ Die Nacht der Frauen → Le quattro volte → La ragazza con la valigia → Operation Petticoat

THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW USA 1975

Dr. Frank-N-Furter, ein ausserirdischer Transvestit, hat sich zwecks Triebbefriedigung einen Muskelmenschen namens Rocky Horror erschaffen. Als sich ein biederes junges Paar in sein abgelegenes Herrenhaus verirrt, bringt der wollüstige Wissenschaftler die beiden auf ganz neue Gedanken.

«Warum haben die Fans die Spätvorstellungen dieses Kultfilms in ein aufwendiges Ritual verwandelt, bei dem man sich verkleidet, mitsingt, Reis wirft und Feuerzeuge schwenkt? Nun, ein Grund ist, dass der Stoff Zuneigung weckt, wenn man bedenkt, dass diese kundige Parodie von den Universal-Gruselfilmen bis zur peinlichsten Science-Fiction der 50er-Jahre alles durch den Kakao zieht und eine schamlos hedonistische, konsequent eigensinnige Mentalität an den Tag legt, die wohl als willkommene Abwechslung zum Mainstream-Schwulst der anderen Musicals der 70er-Jahre erschien. (...) Die jugendlich frische Susan Sarandon und Barry Bostwick geraten als uramerikanische Frischverlobte in die zärtliche Obhut von Tim Curry als transylvanischem Transvestiten, dem Inbegriff von Camp, Richard O’Brien als buckligem Butler sowie diversen abartigen Gesellen. Eine Reihe von Songs zum Mitsummen verleiht dem Ganzen Schwung, Charles Gray als bewundernswert unerschütterlicher Erzähler hält es zusammen, und ein Haufen schwarze Reizwäsche erledigt so ziemlich den Rest.» (Trevor Johnston, Time Out Film Guide)

Der Event am 30. Juni ist eine Zusammenarbeit mit Maximum Cinema. Wer kostümiert erscheint, erhält an der Kino-Bar einen Gratis-Drink.

THE WATERMELON WOMAN USA 1996

«Cheryl arbeitet in einem Videoladen, was ihr erlaubt, ihr heimliches Interesse für ‹Mammy›Filme der dreissiger Jahre zu verfolgen. Als sie sich einen davon anschaut, ist sie von einer atemberaubenden schwarzen Schauspielerin fasziniert, die im Abspann nur als ‹The Watermelon Woman› bezeichnet wird. (…) Cheryl wird vom Bild dieser unerreichbaren Frau gefesselt.

Sie beschliesst, einen Dokumentarfilm über diese Schauspielerin zu drehen, bei der es sich um eine ehemalige Nachtclubsängerin namens Fae Richards handelt (…). The Watermelon Woman wird zum Film im Film, als Cheryl hartnäckig Faes Leben erforscht und gleichzeitig versucht, ihr eigenes auf die Reihe zu kriegen. (…) In der Gegenüberstellung von Cheryls und Faes Leben setzt The Watermelon Woman zu einem weiteren Sprung der Fantasie an. Beide Frauen haben grosse Ambitionen, aber auch grosse Schwierigkeiten aufgrund ihrer Hautfarbe. (…) Trotz aller ernsthaften Themen, die The Watermelon Woman anschneidet, nimmt sich der Film nicht allzu ernst. Er ist von einer Leichtigkeit durchdrungen, die zu Dunyes Charakter passt.» (Ruthe Stein, San Francisco Chronicle, 25.7.1997)

90 Min / Farbe + sw / DCP / E/d // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Cheryl Dunye // KAMERA Michelle Crenshaw // MUSIK Paul Shapiro // MIT Cheryl Dunye (Cheryl), Guinevere Turner (Diana), Valarie Walker (Tamara), Lisa Marie Bronson (Fae «The Watermelon Woman» Richards), Cheryl Clarke (June Walker), Irene Dunye (sie selbst), Brian Freeman (Lee Edwards), Camille Paglia (sie selbst).

LE QUATTRO VOLTE

Italien/Deutschland/Schweiz 2010

100 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Jim Sharman // DREHBUCH Jim Sharman, Richard O’Brien, nach einem Musical von Richard O’Brien // KAMERA Peter Suschitzky // MUSIK

Richard O’Brien // SCHNITT Graeme Clifford // MIT Tim Curry (Dr. Frank-N-Furter), Susan Sarandon (Janet Weiss), Barry Bostwick (Brad Majors), Meat Loaf (Eddie), Peter Hinwood (Rocky Horror), Patricia Quinn (Magenta), Richard O’Brien (Riff Raff), Jonathan Adams (Dr. Everett Scott), Nell Campbell (Columbia), Charles Gray (Kriminologe), Hilary Labow (Betty).

Ein Dorf in Kalabrien, ein alter Ziegenhirt kümmert sich um seine Herde. Eines Nachts stirbt er, am nächsten Morgen wird ein Zicklein geboren. Später verirrt es sich im Wald und sucht Schutz unter einer hohen Tanne. Diese wird im nächsten Frühling gefällt und dient als Festbaum bei Dorffeierlichkeiten. Danach wird der Stamm an Köhler verkauft. Sie zersägen und verarbeiten ihn zu Kohle.

«Perfektes Kino kann so einfach sein. Es braucht keine Spezialeffekte, keine Dialoge, nicht einmal eine Handlung. Nur einen Regisseur, der einen Ausschnitt der Welt so geduldig wie sensibel beobachtet.» (Oliver Heilwagen, kunstundfilm.de, 27.6.2011)

«Alles bedeutet alles und wiegt zugleich nahezu nichts. Alles ist zugleich heiter und traurig

29 Michel Bodmers Abschiedsprogramm
→ Islam of My Childhood
→ Until the End of Time
→ Die andere Heimat

und gross und klein. Und nach einer knappen halben Stunde (…) gibt es eine lange Einstellung, so aberwitzig und alltäglich, so was hat das gute alte Kino noch nie gesehen.» (Jan Schulz-Ojala, Tagesspiegel, 29.6.2011)

88 Min / Farbe / 35 mm / ohne Dialoge // DREHBUCH UND REGIE Michelangelo Frammartino // KAMERA Andrea Locatelli // MUSIK Paolo Benvenuti // SCHNITT Benni Atria, Maurizio Grillo.

DIE ANDERE HEIMAT –CHRONIK EINER SEHNSUCHT

Deutschland/Frankreich 2013

Nach seiner legendären Tetralogie Heimat (1981–2006), einer Chronik des 20. Jahrhunderts im fiktiven Hunsrück-Dorf Schabbach, hat Edgar Reitz in Die andere Heimat die Auswanderung vieler Hunsrücker nach Brasilien in der Mitte des 19. Jahrhunderts thematisiert.

«Unfassbar detailreich und voller Hochachtung nähert sich der Film mit mythisierendem Schwarzweiss seinen Charakteren: dem zähen Schmied Johann Simon und seinem schwärmerischen Sohn Jakob, der von der Dorfschule die eigene Hochbegabung in ein Selbststudium südamerikanischer Bräuche ausgebaut hat – und für Lektüre und Vokabeltraining in Indianersprachen vom Vater regelmässig verdroschen wird. (...) Diese Vision von individueller Sehnsucht inmitten von kollektivem Zwang als Meisterwerk zu bezeichnen, wäre verfehlt. Der Film ist viel mehr: eine Sozialgeschichte, eine Studie der Langsamkeit vor der motorisierten Welt, ein Drama des kollektiven Lebens, eine raffinierte Psychostudie vor der Erfindung der Psychologie.» (Dirk Schümer, FAZ, 3.9.2013)

230 Min / Farbe / DCP / D/f // REGIE Edgar Reitz // DREHBUCH Edgar Reitz, Gert Heidenreich // KAMERA Gernot Roll // MUSIK Michael Riessler // SCHNITT Uwe Klimmeck // MIT Jan Dieter Schneider (Jakob Simon), Antonia Bill (Jettchen Niem), Maximilian Scheidt (Gustav Simon), Marita Breuer (Margarethe Simon), Rüdiger Kriese (Johann Simon), Philine Lembeck (Florinchen Morsch), Mélanie Fouché (Lena Zeitz), Eva Zeidler (Grossmutter), Reinhard Paulus (Unkel), Werner Herzog (Alexander von Humboldt), Barbara Philipp (Lotte Niem), Christoph Luser (Franz Olm).

UNTIL THE END OF TIME (Ila akhir ezzaman)

Algerien 2018

In Sidi Boulekbour, einem grossen, nach seinem Stifter benannten Friedhof bei einem abgelegenen algerischen Dorf, pilgern zahlreiche Hinter-

bliebene an die Gräber ihrer Lieben. Ali, der 70-jährige Totengräber, begegnet Joher, einer 60-jährigen Frau, die das Grab ihrer Schwester El Alia besucht. Sie will bald im selben Grab liegen, aber Selbstmord will sie nicht begehen. Sie bereitet sich auf ihren offenbar nahen Tod vor. Ali hilft ihr, Stoff für ein Leichentuch zu besorgen, stellt sie der Leichenwäscherin vor usw. Dabei lebt sich die verwitwete Joher im Haus ihrer Schwester ein und trägt bald deren Kleider und Schminke. Immer mehr schlüpft Joher in die Rolle von El Alia, die sie und ihre Familie zu Unrecht verstossen hatten. Ali hofft, mit der Hinwendung zum Leben werde Joher auch ihren Gefühlen für ihn nachgeben. Aber so einfach geht die Sache nicht.

Yasmine Chouikhs Regiedebüt ist eine eigenwillige Mischung aus besinnlichem Emanzipationsdrama, Liebeskomödie und politischer Allegorie, mit teils schrulligen Figuren und sehr lustigen Einfällen. (mb)

94 Min / Farbe / DCP / Arab/d // REGIE Yasmine Chouikh // DREHBUCH Yasmine Chouikh // KAMERA Touzene Semchediine // SCHNITT Yamina Bachir // MIT Djillali Boudjemaa (Ali), Djamila Aress (Joher), Mohamed Benbakreti (Imam), Imen Noel (Nassima), Mehdi Moulay (Nabil).

ISLAM OF MY CHILDHOOD (L’Islam de mon enfance)

Kanada/Algerien 2019

Nadia Zouaoui, vor vielen Jahren aus Algerien nach Montréal ausgewandert, kehrt in ihre Heimat zurück, weil die Berichte über den zunehmenden Islamismus im Maghreb sie beunruhigen; in ihrer Jugend erlebte sie den Islam als gemässigt und tolerant, Algerien als weltoffen. Sie spürt zum einen Vertreter:innen der älteren Generation auf, die sich an jene Ausprägung ihrer Religion erinnern und das Aufkommen des Salafismus miterlebt haben, und interviewt zum anderen jüngere Algerier:innen, die islamistisch erzogen wurden, aber dank Internet usw. nun eine kritische Einstellung zu dieser Indoktrination entwickelt haben. Im Westen wird gerne gefordert, es sollte eine interne Diskussion über den Islam und dessen Reform geben. In diesem Film von Nadia Zouaoui findet sie statt. (mb)

88 Min / Farbe / DCP / Arab+F+Tamazight/f/d // DREHBUCH

 Dienstag, 30. Mai, 21.00 Uhr: anschl. Online-Filmgespräch mit Nadia Zouaoui

31 Michel Bodmers Abschiedsprogramm
UND REGIE Nadia Zouaoui // KAMERA Samy Zertal // MUSIK Nazih Borish // SCHNITT Emma Bertin.

DOUBLE BILL ON DOUBLE BILL

THE HITCH-HIKER UND HIS KIND OF WOMAN MIT ELISABETH BRONFEN UND JOHANNES BINOTTO

MI, 7. JUNI | 19.45 UHR

Im Dialog aus zwei Filmen ein stimmiges Duett machen – das ist das Prinzip des FilmpodiumFormats «Double Bill on Double Bill», diesmal mit zwei Films noirs, die auf ihre je eigene Art zugleich exemplarisch und doch ganz ungewöhnlich sind. In The Hitch­Hiker (siehe S. 26) geraten zwei Freunde auf einem gemeinsamen Ausflug in die Fänge eines psychopathischen Killers und damit auf eine Odyssee durch amerikanische Wüsten; in His Kind of Woman (siehe S. 25) wartet ein abgebrannter Zocker im Luxusresort einer mexikanischen Insel auf einen tödlichen Auftrag. Die regennassen Grossstadtstrassen bei Nacht, mit denen wir gemeinhin den Film noir assoziieren, finden wir bei beiden Filmen nicht, sondern verblüffende Demontagen von amerikanischen Träumen und Geschlechterrollen: So blickt die Regisseurin Ida Lupino in The Hitch­Hiker anders auf die Männer, als es ein Mann tun würde, und umgekehrt spielt His Kind of Woman kurios mit dem Klischee der Femme fatale, bis aus dem Krimi auch eine Komödie wird. Film noir erweist sich so weniger als eindeutiges Genre mit klaren Regeln denn als faszinierend ambivalenter Möglichkeitsraum, den die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen und der Medienwissenschaftler Johannes Binotto im Gespräch erkunden.

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→ His Kind of Woman → The Hitch-Hiker

RE:VISION 1 & 2

Genau hinschauen, erneut hinschauen, anders hinschauen eröffnet manchmal unerwartete Perspektiven. In Kooperation mit der Volkshochschule und dem Publizisten Thomas Binotto veranstaltet das Filmpodium die zweite Staffel der Vorlesungsserie Re:vision. Im aktuellen Programm finden gleich zwei Re:visionen statt, zu höchst unterschiedlichen Filmen.

A FOREIGN AFFAIR

Billy Wilder, USA 1948

MI, 24. MAI | 18.30 UHR

Mit Billy Wilder in Re:vision zu gehen, ist eine besondere Herausforderung. Immerhin geht es hier um ein Monument der Komödie. Filmleser Thomas Binotto macht sich in A Foreign Affair (siehe S. 25) auf die Suche nach der ganzen Bandbreite von Wilders Komik, die vom frivolen Witz über die bissige Satire bis zu galligem Zynismus reicht, am Ende aber immer dem Credo «Be a mensch» folgt. Ein weiterer Revisionsprozess, der zum Augenöffner wird und die Lust auf Vertiefung weckt.

THE MOTHER

Roger Michell, GB 2003

MI, 28. JUNI | 18.30 UHR

The Mother (siehe S. 39) wurde mit Werken von Mike Leigh und Ken Loach verglichen. Grosses britisches Schauspielkino also. Und gleichzeitig ungekünsteltes Sozialdrama. Kamera und Schnitt scheinen bloss die Rolle von Chronisten zu haben. Filmleser Thomas Binotto versucht in der Re:vision einmal mehr sichtbar zu machen, was den Film zur Kunst macht. Wie wird Roger Michells Können in der Schauspielführung sichtbar? Und wie stellt er Authentizität her?

Online sind Tickets zu Film und Vorlesung separat erhältlich, vergünstigte Kombitickets gibt es nur an der Kinokasse.

Eine Kooperation von Filmpodium und Volkshochschule Zürich.

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Daniel Craig – Bond and Beyond

«James Blond», schimpften die 007-Fans, als Daniel Craig 2006 die Rolle des Agenten übernahm. Doch seither ist die Kritik verstummt; Craig hat Ian Flemings chauvinistischer Pappfigur ungeahnte Tiefe verliehen. Kein Wunder; davor hatte er sein Können in zahlreichen Arthouse-Filmen bewiesen. Zeit für einen Rückblick – und die komplette Bond-Saga von Casino Royale bis No Time to Die.

In weniger aufgeklärten Zeiten, so heisst es, war ein Gutteil des Kinopublikums davon überzeugt, Schauspieler:innen würden ihre Dialoge in dem Moment erfinden, in dem sie vor der Kamera stehen. Auch heutzutage muss das kein Irrglaube sein, denn einige Vertreter:innen dieses Berufs sind tatsächlich Meister:innen der Improvisation. Die Urheberschaft der Rollen, die Daniel Craig verkörpert, geht freilich weit über die Gabe hinaus, sie gleichsam aus dem Stegreif mitzuschreiben.

Er nimmt sie auf andere Weise in Besitz: Er steht für ihre Glaubwürdigkeit ein. Er schafft jene Einheit zwischen Darsteller und Rolle, die für den amerikanischen Schriftsteller James Baldwin das Merkmal eines wirklichen Filmstars ist: Man schaut ihm nicht einfach nur zu, wie er agiert, sondern wie er ist. Natürlich ist das eine Illusion, aber im Fall von Craig eine überaus tragfähige und redliche. Man nehme nur einmal jenen Moment, in dem der Privatdetektiv Benoit Blanc in Knives Out (2019) im Auto warten muss. Üblicherweise würde ein Kinodetektiv diese Zeit damit verbringen, ein Kreuzworträtsel zu lösen oder die Quoten des nächsten Pferderennens zu studieren. Blanc jedoch hört sich einen Song von Stephen Sondheim an und singt ihn lauthals mit. Ganz abgesehen davon, was der Text von «Losing My Mind» über den Seelenzustand des exzentrischen und zu semantischen Spitzfindigkeiten neigenden Meisterdetektivs aussagen könnte, traut man Daniel Craig wirklich zu, dass er Sondheim schätzt und in diesem Moment gerade eine Heidenfreude an dem Stück hat.

Der Suchende

Der britischen Schauspieltradition wird gern nachgesagt, ihre Grösse verdanke sich der Fähigkeit, eine Figur dank überlegener Technik zu finden. Craig hingegen sucht sie. Sie schon gefunden zu haben, erschiene ihm als ein

↑ Der Arthouse-Bond: Quantum of Solace von Marc Forster

→ Subtile Schizophrenie-Studie: Some Voices

↓ Köpfchen statt Knarre: Daniel Craigs neue Heldenrolle Benoit Blanc in Knives Out

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Mangel an Dynamik. Den Prozess der Aneignung will er nicht vorzeitig abschliessen, sondern er schaut, wohin ihn die Neugier auf die Figur noch führt. Sehr britisch ist Craig freilich in seiner Wandlungsfähigkeit: Er ist flexibel. Als Roger Michell ankündigte, Ian McEwans Roman «Enduring Love» verfilmen zu wollen, ging die Branche davon aus, Craig würde die Rolle des Stalkers spielen, die tatsächlich Rhys Ifans übernahm. Craigs Leinwandpersona hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einigermassen feste Konturen, aber diese sollten ihn nicht einengen. Für Michell verleiht er durchaus gegensätzlichen Figuren Gestalt. Der Philosophieprofessor in Enduring Love (2004) klagt, dass er nur Theorien entwickle, aber nie etwas mit seinen Händen geschaffen habe, das von Nutzen sei. Als Tischler in The Mother (2003), der das College nach zwei Wochen aufgab und nun einen Wintergarten für den Studienfreund baut, ist Craig ebenso trefflich besetzt. Auch darin ist er ein eminent britischer Schauspieler, den die soziale Mobilität fasziniert, die Aussicht, mit jeder Rolle in eine andere gesellschaftliche Sphäre vorzudringen. In den ersten 15 Jahren seiner Leinwandkarriere zeigt sich Craig als ein «working actor», der sich auch auf der Bühne und im Fernsehen eine grosse Sichtbarkeit verschaffen will. Sein Arbeitstempo scheint rastlos, aber es kompromittiert seine Hingabe nicht. Von Love Is the Devil (1998) an setzt er sich furchtlos den Konflikten, Kränkungen und existenziellen Krisen seiner Figuren aus. Sie wollen um keinen Preis nur Spielball der Verhältnisse sein. Stets entwickelt er sie bis zu einem Punkt hin, an dem der Firnis der Zivilisiertheit zerbrechen kann. Umso verblüffender ist die Sensibilität des lebenshungrigen Tischlers, der in The Mother eine Affäre mit einer älteren Frau erlebt. Dieser Schauspieler ist ein Erfahrungssammler.

Mit Layer Cake scheint er 2004 eine erste Bilanz zu ziehen. Den Part des ehrgeizigen Gangsters, der keinen Namen hat, aber über ein an Zweifeln und Skrupeln reiches Innenleben verfügt, legt er als Initiationsgeschichte an. Der Film ist fasziniert von den Regeln des sozialen Aufstiegs – «never be too greedy» –, der Protagonist lernt, den Trug des Scheins zu durchschauen und die verdeckte Agenda des Lebens zu dechiffrieren. Craig ist reif, 007 zu werden.

Lizenz zum Töten, Denken und Empfinden

Mit Daniel Craig wird die Saga neu erfunden, indem sie zu ihren Ursprüngen zurückkehrt. Er ist der erste Bond seit Connery, von dem man sich nicht vorstellen kann, dass er einem englischen Club angehört. Seine gesellschaftliche und familiäre Herkunft, die in den bisherigen Kinoabenteuern nie von Belang war, darf plötzlich erkundet werden. Bond hatte mit einem Mal eine Biografie. Aus Waisenkindern werden die besten Rekruten, räsoniert M (Judi Dench). In ihr findet er eine skeptische und loyale Mentorin, die ihm die jugendliche Arroganz austreibt und ihn unbedingtes Misstrauen lehrt. Mit ihr verbindet ihn mehr, als sich Ian Fleming je hätte träumen lassen.

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Die eng geschnittenen Anzüge trägt er anfangs noch mit Verachtung, bevorzugt Hemden mit kurzem Arm, die seinen Bizeps zur Geltung bringen, wächst aber rasch in ihre Eleganz hinein. Auch die hohe Kunst des Cocktailgenusses lernt er schnell. Craigs Bond hat Humor, kann aber auf die zynischen Einzeiler verzichten, mit denen seine Vorgänger die erledigten Widersacher verabschiedeten. Er bricht mit ihren Gewohnheiten, denn auch den Sex nimmt er ernster. Für Bond-Girls hat die Saga nun keine Verwendung mehr. An Craigs Seite ist viel Platz für tatkräftige, entschlossene Frauen. Seine frühen Missionen erfordern zuweilen noch taktische Anbahnungen. Wenn sie gelingen, ist eine Selbstgewissheit zu spüren, in die sich ein Hauch von Erstaunen mischt. Zusehends wird er zum Romantiker, der eine Maske aufsetzen muss, nachdem Vesper Lynd sein Herz gebrochen hat. Die Erkenntnis der eigenen Verletzbarkeit lehrt ihn Respekt vor anderen.

Zugleich verleiht er Bond eine frische physische Präsenz. In Actionszenen beweist er eine ungekannte kinetische Bereitschaft. Die Schlägereien werden länger als die seiner Vorgänger, und er steckt erheblich mehr ein. Manchmal zeigt er einen Masochismus, der seine Gegner zur Verzweiflung treibt. Seine eigentliche Feuertaufe ist die Verfolgungsjagd auf Madagaskar in Casino Royale (2006), wo Craig die Action in eine moderne Dimension führt: Sein Bond beherrscht Parkour, jene anarchische Fortbewegungsart, die sich an keine der Regeln hält, die Architektur und Urbanität vorgeben. Er steht mit einem Bein in der Gegenkultur und kann den öffentlichen Raum freizügig und souverän in Besitz nehmen.

Craigs Bond hört in all den Jahren nie auf, mit seinem Zuhause im MI6 zu hadern. Regelmässig kündigt er oder wird suspendiert. Alleingänge lässt er sich nicht austreiben. Seine Freiheit besteht darin, zu erkennen, dass ihm keine andere Wahl bleibt, als diesen Beruf auszuüben. Die ruppige Nonchalance, die er dabei anfangs an den Tag legt, weicht von Film zu Film einer rätselhaften Nachdenklichkeit. Er kostet den Sieg über seine Widersacher nicht mehr aus, denn mit ihnen stirbt auch ein Teil von ihm. Die Beweggründe des Agenten Seiner Majestät werden unerbittlich persönlicher. Craigs Hingabe an diese Rolle ist einzigartig. Er erzählt keine Heldenreise, sondern von einem emotionalen Reifen. Der Darsteller nutzt seinen Status, um präzedenzlos grossen Einfluss auf die Drehbücher zu nehmen. Er spannt einen erzählerischen Bogen, der den ersten und den letzten Teil des Zyklus unverbrüchlich verbindet: zu einem Entwicklungsroman, der Bond von einem gelehrigen Schüler zu einem wackeren Auslaufmodell werden lässt.

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Gerhard Midding Gerhard Midding arbeitet als freier Filmjournalist in Berlin. → Layer Cake
→ No Time to Die
Enduring
→ The Mother
Love
→ Love Is the Devil → Spectre © 2004 Columbia Pictures Industries, Inc.
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LOVE IS THE DEVIL

GB 1997

John Mayburys kongenial gestaltete Biografie des britischen Malers Francis Bacon und seiner Beziehung zu seinem Liebhaber George Dyer (Daniel Craig), einem ehemaligen Kleinkriminellen.

«Ein Film, der die Beziehung zwischen der Malerei und der menschlichen Seele erforscht, denn Mayburys Nachbildung von Bacons verzerrten Wahrnehmungen ist perfekt konstruiert. Eine Welt der Spiegelungen und Verzerrungen, in der jeder Mensch allein schon durch den Blick der andern dramatisch verändert werden kann. In Love Is the Devil leben Realismus und Fantasie Seite an Seite. Craig vor dem Glamour von Bond zu sehen, ist eine lehrreiche Erfahrung, die daran erinnert, dass hinter der Fassade des kühl kalkulierenden Actionhelden immer noch das Herz eines grossen britischen Schauspielers schlägt.» (Scott Clark, cinehouseuk.com, 23.11.2015)

87 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // DREHBUCH UND DREGIE

John Maybury // KAMERA John Mathieson // MUSIK Ryuichi Sakamoto // SCHNITT Daniel Goddard // MIT Derek Jacobi (Francis Bacon), Daniel Craig (George Dyer), Tilda Swinton (Muriel Belcher), Anne Lambton (Isabel Rawsthorne), Annabel Brooks (Henrietta Moraes).

SOME VOICES

GB 2000

Ray, ein ebenso rätselhafter wie liebenswerter junger Mann, wird aus der Psychiatrie entlassen. Er zieht zu seinem Bruder Pete, der – obwohl er total überarbeitet ist – sich viel zu sehr um ihn kümmert.

«Mit Some Voices hat Craig seinen wohl einflussreichsten Film überhaupt in Angriff genommen. In der Hauptrolle des an Schizophrenie leidenden Ray wirft er ein mitfühlendes und wichtiges Licht auf diese Krankheit und zeigt, wie viel Liebe und Unterstützung man aufbringen muss, um jenen Menschen gerecht zu werden, die mit dieser Art von Schwierigkeiten kämpfen. Craigs schauspielerische Leistung ist unglaublich und entlockt dem Publikum eine grosse Bandbreite von Emotionen. (...) Das ist ein wunderbarer Film, dessen Genuss sich allemal lohnt.» (Adam Lowe, collider.com, 21.11.2022)

101 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Simon Cellan Jones // DREHBUCH Joe Penhall // KAMERA David Odd // MUSIK

Adrian Johnston // SCHNITT Elen Pierce Lewis // MIT Daniel Craig (Ray), David Morrissey (Pete), Kelly Macdonald (Laura), Julie Graham (Mandy), Peter McDonald (Dave), Nicholas Palliser (Rays Freund).

THE MOTHER

GB 2003

May befürchtet, dass sie eine weitere unsichtbare alte Dame geworden ist, deren Leben mehr oder weniger vorbei ist, bis sie sich in Darren (Daniel Craig) verliebt, einen Mann, der halb so alt ist wie sie, der das Haus ihres Sohnes renoviert und mit ihrer Tochter schläft.

«Geschrieben vom angeboren unsentimentalen Hanif Kureishi, gibt The Mother Anne Reid die Rolle ihres Lebens als jüngst verwitwete May, die bei ihrem Sohn in London einzieht und nicht den Mut aufbringt, wieder auszuziehen. Und doch ist es nur Darren, der Freund ihres Sohnes, der May als Mensch ansieht und nicht bloss als altmodisches Ärgernis. Die beiden werden Freunde und, heimlich, auch ein Liebespaar. (...) Michell behandelt die Sexszenen ganz einfach, mit Ehrlichkeit, Humor und Mitgefühl. Erst im breiteren sozialen Kontext wirkt diese Affäre wie ein Tabu.» (Tom Charity, timeout.com)

112 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Roger Michell // DREHBUCH Hanif Kureishi // KAMERA Alwin H. Küchler // MUSIK Jeremy Sams // SCHNITT Nicolas Gaster // MIT Anne Reid (May), Daniel

ENDURING LOVE

GB 2004

«Enduring Love ist ein intelligenter und fesselnder dramatischer Thriller und eine echte Rarität: ein Film, der besser ist als das Buch, auf dem er beruht. Daniel Craig ist aussergewöhnlich als Joe, ein knallharter Wissenschaftsexperte, dessen Weltbild erschüttert wird, nachdem ein verpfuschter Rettungsversuch bei einem Ballonunfall einen anderen Mann das Leben gekostet hat. Er beschäftigt sich zwanghaft damit, was er hätte anders machen können, während der ebenfalls bei der Rettung beteiligte Jed eine gefährliche Liebe zu ihm entwickelt. Eine Liebe, auf die Joe gut verzichten könnte. Craig – einer der aufregendsten Schauspieler des zeitgenössischen britischen Kinos – ist ein imposanter, muskulöser Schauspieler, der hier aber Verletzlichkeit, Ungläubigkeit und Angst vermittelt, bevor er selbst furchteinflössend wird, als Joes Verstand an den Rändern ausfranst.» (Nev Pierce, bbc.co.uk, 26.11.2004)

Min /

/ E

39 Daniel Craig
Craig (Darren), Steven Mackintosh (Bobby), Cathryn Bradshaw (Paula), Anna Wilson-Jones (Helen), Peter Vaughan (Toots). 105 Farbe / 35 mm // REGIE Roger Michell // DREHBUCH Joe Penhall, nach dem Roman von Ian McEwan // KAMERA Haris Zambarloukos // MUSIK Jeremy Sams // SCHNITT Nicolas Gaster // MIT Daniel Craig (Joe), Rhys Ifans

LAYER CAKE

GB 2004

Ein erfolgreicher Drogendealer (Daniel Craig) will sich nach vielen Jahren des Geldscheffelns zur Ruhe setzen. Doch als sein Boss ihn um einen letzten Auftrag bittet, scheint plötzlich alles schiefzugehen.

«Craigs Credo, das er wie in einem Managementseminar vorträgt, lautet: Kenne deine Lieferanten, kenne deine Kunden, bezahle deine Rechnungen und werde niemals zu gierig. (…) Layer Cake ist ein Film in Scorseses Manier, in dem ein kluger und ehrgeiziger junger Mann alles im Griff hat und dann allmählich die Kontrolle an altmodische Ganoven verliert, die keine Geduld für Besonnenheit aufbringen, wenn es einfacher ist, jeden zu beseitigen, der ihnen in die Quere kommt. (…) Craig fasziniert hier als Verbrecher, der sehr klug ist und feststellt, dass dies kein Vorteil ist, denn während man vielleicht imstande ist, herauszufinden, was eine andere kluge Person vorhat, sind Stumpfköpfe wie die Männer, für die er arbeitet, zu allem fähig.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 19.5.2005)

105 Min / Farbe / Digital HD / E+Rum/d // REGIE Matthew Vaughn // DREHBUCH J. J. Connolly, nach seinem eigenen Roman // KAMERA Ben Davis // MUSIK Ilan Eshkeri, Lisa Gerrard // SCHNITT Jon Harris // MIT Daniel Craig (XXXX), Sienna Miller (Tammy), Michael Gambon (Eddie Temple), Colm Meaney (Gene), Kenneth Cranham (Jimmy Price), Jamie Foreman (Duke), George Harris (Morty).

KNIVES OUT

USA 2019

Der reiche Krimiautor Thrombey wird ermordet. Seine egoistischen und zerstrittenen Kinder und Enkel:innen kommen für die Bluttat allesamt in Frage. Der Detektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) sucht bei der Aufklärung des verzwickten Falls die Hilfe von Thrombeys Pflegerin Marta.

«Von der Eröffnung bis zum Abschluss des Falls ist dies vielleicht der reinste HollywoodSpass des Jahres. (...) Benoit Blanc, der wunderbar auf Südstaatler gebürstete Privatdetektiv, den Daniel Craig in Knives Out mit Haut und Haar spielt, ist ein beredter Bursche. Wenn er den Mund aufmacht, sprudeln Metaphern, volkstümliche Aphorismen und gedrechselte Redewendungen aus ihm heraus (...). Blanc kann einen Raum voller Menschen in den Griff kriegen, aber

manchmal scheint er an allen vorbeizusprechen, zu sich selbst, aber vielleicht auch direkt zum Publikum.» (A. A. Dowd, avclub.com, 26.11.2019)

130 Min / Farbe / Digital HD / E/d // DREHBUCH UND REGIE

Rian Johnson // KAMERA Steve Yedlin // MUSIK Nathan Johnson // SCHNITT Bob Ducsay // MIT Daniel Craig (Benoit Blanc), Chris Evans (Ransom Drysdale), Ana de Armas (Marta Cabrera), Jamie Lee Curtis (Linda Drysdale), Michael Shannon (Walt Thrombey), Don Johnson (Richard Drysdale), Christopher Plummer (Harlan Thrombey).

DIE BOND-SAGA

CASINO ROYALE

GB/USA 2006

James Bond begibt sich auf seine erste Mission als 007. Er muss einen Privatbankier, der Terroristen finanziert, bei einem Pokerspiel im Casino Royale in Montenegro besiegen.

«Nachdem die Verantwortlichen der JamesBond-Franchise in vier mässigen Filmen ein aalglattes männliches Model aufgetischt hatten, entschieden sie sich in Casino Royale für dessen Gegenteil: Bond als Raubein. Und er ist gut! Mehr noch, er ist das, was Bond seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr war. Als 007 reckt Daniel Craig seinen Kopf nach vorne wie ein Boxer, ein Eindruck, der durch seine halb eingeschlagene Nase und seine Sandpapierhaut, die oft frische Wunden aufweist, noch verstärkt wird. Aber diese radioaktiv blauen Augen machen ihn zu mehr als nur einem Rüpel. Dieser Bond wird von Geistern heimgesucht, ist noch nicht stubenrein und feilt noch an seiner Persönlichkeit.» (David Edelstein, nymag.com, 10.11.2006)

144 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Martin Campbell // DREHBUCH Paul Haggis, Neal Purvis, Robert Wade, nach dem Roman von Ian Fleming // KAMERA Phil Meheux // MUSIK David Arnold // SCHNITT Stuart Baird // MIT Daniel Craig (James Bond), Eva Green (Vesper Lynd), Mads Mikkelsen (Le Chiffre), Judi Dench (M), Jeffrey Wright (Felix Leiter), Giancarlo Giannini (René Mathis), Caterina Murino (Solange Dimitrios), Simon Abkarian (Alex Dimitrios).

QUANTUM OF SOLACE

GB/USA 2008

Bond jagt die Bösewichte, die seine Geliebte Vesper auf dem Gewissen haben. Während seines Rachefeldzugs, der ihn auch in einen Konflikt mit MI6 stürzt, stösst 007 in Südamerika auf die Intrige eines Industriellen, der den wichtigsten Rohstoff überhaupt zu monopolisieren versucht.

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(Jed), Samantha Morton (Claire), Bill Nighy (Robin), Susan Lynch (Rachel), Ben Whishaw (Spud), Helen McCrory (Mrs. Logan). Daniel Craig

«Ein sexy, sadistischer, grausamer und knisternder Thriller, der kürzeste Bond-Film seit Goldfinger, und mit Sicherheit der zügigste. Craig setzt sich cool in Szene, Mathieu Amalric erinnert uns an das alte Hitchcock-Sprichwort ‹Gute Bösewichte machen gute Thriller aus›, und die mütterliche Liebesbeziehung zwischen Bond und seiner Chefin M kommt zur vollen Blüte. » (Roger Moore, orlandosentinel.com, 12.11.2008)

106 Min / Farbe / DCP / E+Sp+I+F+Dialekt+D/d // REGIE Marc Forster // DREHBUCH Paul Haggis, Neal Purvis, Robert Wade // KAMERA Roberto Schaefer // MUSIK David Arnold // SCHNITT Matt Chesse, Richard Pearson // MIT Daniel Craig (James Bond), Olga Kurylenko (Camille), Mathieu Amalric (Dominic Greene), Judi Dench (M), Giancarlo Giannini (René Mathis), Gemma Arterton (Strawberry Fields), Jeffrey Wright (Felix Leiter), David Harbour (Gregg Beam), Jesper Christensen (Mr. White), Anatole Taubman (Elvis).

SKYFALL GB/USA/Türkei 2012

Als plötzlich allenthalben Undercover-Agenten von MI6 auffliegen, gerät nicht nur Bond unter Beschuss, sondern auch M. Der Bösewicht hinter der Enttarnungsaktion entpuppt sich als einstiger Insider.

«Skyfall ist das tollste James-Bond-Abenteuer seit Goldfinger. (...) Das grösste Lob gebührt dem kantig-coolen Daniel Craig, der nun dicht auf den Fersen von Sean Connery ist, wenn es darum geht, als bester Bond aller Zeiten zu gelten. Craigs dritter Auftritt als Agent 007 zeigt, dass er die Rolle so perfekt ausfüllt wie seine Tom-FordAnzüge: brutal charmant, gefährlich und versehrt. In Skyfall wird Bond sowohl physisch als auch emotional auf die Probe gestellt, wobei Craig das Publikum bei jedem Schritt souverän mitreisst.» (Steve Persall, tampabay.com, 7.11.2012)

143 Min / Farbe / DCP / E+Türk+Chin+Port+Jap/d // REGIE

Sam Mendes // DREHBUCH Neal Purvis, Robert Wade, John Logan // KAMERA Roger Deakins // MUSIK Thomas Newman // SCHNITT Stuart Baird // MIT Daniel Craig (James Bond), Judi Dench (M), Javier Bardem (Silva), Ralph Fiennes (Gareth Mallory), Naomie Harris (Eve), Bérénice Marlohe (Sévérine), Albert Finney (Kincade), Ben Whishaw (Q).

SPECTRE

GB/USA 2015

Eine Botschaft aus seiner Vergangenheit bringt 007 auf die Spur einer Geheimorganisation namens Spectre, deren Kopf nicht nur für die jüngsten Anschläge auf MI6 verantwortlich ist, sondern auch eine enge Verbindung zu Bonds Biografie hat.

«Wie bei allen 007-Filmen von Daniel Craig wird hier die Intelligenz hochgeschraubt und der Chauvinismus zurückgenommen. Mendes, ein kopflastiger Regisseur, der die Balance zwischen Action und Gelehrsamkeit hält, lässt uns jede Verschwörung, jede Verfolgungsjagd und jedes exotische Dekor geniessen. Craig trägt die kulturellen Vorurteile von 007 wie einen Anzug von der Savile Row, während er sie von innen heraus überarbeitet. Er verleiht der Figur mehr Seele als erwartet.» (Joe Neumaier, time.com, 5.11.2015)

148 Min / Farbe / DCP / E+D+I+Sp+F+Ukr/d // REGIE Sam Mendes // DREHBUCH John Logan, Neal Purvis, Robert Wade, Jez Butterworth // KAMERA Hoyte van Hoytema // MUSIK Thomas Newman // SCHNITT Lee Smith // MIT Daniel Craig (James Bond), Christoph Waltz (Blofeld), Léa Seydoux (Madeleine), Ralph Fiennes (M), Monica Bellucci (Lucia), Ben Whishaw (Q), Naomie Harris (Moneypenny).

NO TIME TO DIE

GB/USA 2021

Bond ist aus dem Geheimdienst ausgeschieden, doch sein alter Freund und CIA-Kollege Felix Leiter schleppt ihn zurück in den Kampf mit einem neuen Bösewicht, der eine brandgefährliche Technologie beherrscht und 007s Liebste Madeleine bedroht.

«Daniel Craig macht Schluss als 007 mit haufenweise Herz und Spektakel. Abweichend von einer Formel, die so gut gebügelt ist wie die Smokings seines Helden, verabschiedet sich No Time to Die von Daniel Craig mit so vielen Überraschungen, dass man gar nicht weiss, wo man anfangen soll. (...) Egal, mit welchem Kriterium man einen Bond-Film misst – straffer Plot, schrullige Schurken oder emotionale Aufrichtigkeit –, Craigs letzter Einsatz ist ein voller Erfolg.» (Phil de Semlyen, timeout.com, 29.9.2021)

163 Min / Farbe / DCP / E+F+I+Russ+Sp+Deutsch/d // REGIE

Cary Joji Fukunaga // DREHBUCH Neal Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga // KAMERA Linus Sandgren // MUSIK

Hans Zimmer // SCHNITT Tom Cross, Elliot Graham // MIT

Daniel Craig (James Bond), Léa Seydoux (Madeleine), Rami Malek (Lyutsifer Safin), Lashana Lynch (Nomi), Ralph Fiennes (M), Ben Whishaw (Q), Naomie Harris (Moneypenny).

Am 3./4. Juni sind alle fünf Teile von Daniel Craigs 007-Saga zu sehen. Ergänzt wird diese BondSause mit 007-Drinks und Zwischenverpflegung an der Bar sowie anderen Attraktionen.

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Daniel Craig
BOND-BINGE-WEEKEND SA /SO, 3./4. JUNI

Filmpodium Premiere City Hall

Frederick Wiseman, dem das Filmpodium 2015 eine Retrospektive gewidmet hat, zählt auch mit 93 Jahren noch zu den weltweit wichtigsten Exponenten des Dokumentarfilms. Seine Spezialität sind Studien von Institutionen, und in City Hall (2020) entwirft er ein viereinhalbstündiges Porträt der Stadtverwaltung von Boston und ihres Bürgermeisters.

In den Medien wird oft geunkt, die Demokratie der USA stecke in der Krise, wenn nicht in einer Todesspirale; die extreme Polarisierung der Parteien mache das Land handlungsunfähig. Der viel beschworene Streit zwischen progressiv-woken Demokrat:innen und halsstarrig-konservativen Republikaner:innen kümmert die meisten Amerikaner:innen aber wenig. Den Alltag prägen jene realen demokratischen Institutionen, die das Land in Gang halten und sich mit wechselndem Erfolg um die Anliegen der Bürger:innen bemühen.

Das Klein-Klein der Demokratie hält Frederick Wiseman in City Hall fest. Dieses Stadt-Fresko ist eine Art Summa seines bisherigen Schaffens, denn darin tauchen sowohl Institutionen auf, die er früher porträtiert hat, als auch vertraute Themen wie körperliche Beeinträchtigung, Wohnungsnot, Rassismus und soziale Benachteiligung.

Bürgermeister Marty Walsh, der schon Kämpfe mit Krebs und Alkoholismus hinter sich hat, wirkt glaubwürdig, wenn er mit Menschen in Notlagen spricht; er ist aber auch ein Vollblutpolitiker, der weiss, wie man sich medienwirksam in Szene setzt. Wie immer verzichtet Wiseman auf einen Off-Kommentar. Er stürzt das Publikum mitten in Reden und Debatten und zeigt diese teilweise in einer Ausführlichkeit, die das immanent Langwierige demokratischer Prozesse spürbar macht. City Hall verlangt Sitzleder, belohnt die Ausdauer des Publikums aber mit einmaligen Einblicken in die Politik auf Bürger:innenebene. (mb)

CITY HALL / USA 2020

272 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE

Frederick Wiseman // DREHBUCH // KAMERA John Davey // MUSIK // SCHNITT

Frederick Wiseman // MIT Marty Walsh (Bürgermeister von Boston).

 Dienstag, 23. Mai, 18.00 Uhr: Einführung von Hannes Brühwiler

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Filmpodium Classics

Bratan – Der kleine Bruder

Kurz nach dem Mauerfall drehte der junge tadschikische Regisseur Bachtijar Chudojnasarow (1965–2015) (Luna Papa) seinen Erstling über ein ungleiches Brüderpaar. Bratan, ein rührendes und witziges RailRoad-Movie, führt per Bummelzug quer durch die pittoreske tadschikische Steppe – und wieder zurück.

Der pausbäckige Siebenjährige, der «Pfannkuchen» genannt wird, wächst seit der Scheidung ihrer Eltern mit seinem zehn Jahre älteren Bruder bei der Grossmutter auf. Nun findet der Grosse, es sei an der Zeit, dass der Vater sich um den Kleinen kümmere. Er nimmt «Pfannkuchen» mit auf den gammeligen Zug, der in die weit entfernte Stadt zockelt, wo der Vater wohnt. Unterwegs durchs tadschikische Hinterland erleben die beiden Jungen allerlei komische und traurige kleine Abenteuer und seltsame Begegnungen.

«Bachtijar Chudojnasarows Debütfilm wurde an mehreren Festivals mit Preisen geradezu überhäuft. Zu Recht. Aus einem vorerst dünnen, vom Regisseur und einem seiner Freunde verfassten Drehbuch ist durch Improvisation auf dem Set ein kleines filmisches Juwel geworden. (…) Viel wichtiger als die misslichen Umstände ist etwas anderes: die Beziehungen von Mensch zu Mensch, das herzliche Verhältnis der beiden Brüder. Ihre Zärtlichkeit und Liebe – ohne Pathos, eindringlich und gleichzeitig unaufdringlich gezeigt –sind von einer Art, wie sie selten zu sehen ist im Kino. (...) Ein herzerwärmender Film.» (Judith Waldner, Zoom 9/92)

Bratan wurde unlängst restauriert und 2022 in Venedig in der Sektion Venice Classics aufgeführt.

BRATAN – DER KLEINE

BRUDER (Bratan) / UdSSR (Tadshikische SSR) 1991

94 Min / Farbe / DCP / Tadsch/d // REGIE Bachtijar Chudojnasarow // DREHBUCH

Leonid Machkamow, Bachtijar Chudojnasarow, // KAMERA Georgi Dsalajew // MUSIK Achmad Bakajew // SCHNITT

Tatjana Malzewa // MIT Timur Tursunow («Pfannkuchen»), Firus Sabsalijew (Farruch), N. Arifowa (Lilja), I. Tabarowa (die Grossmutter), R. Kurbanow (der Vater).

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UNSICHTBARES UND UNGESAGTES

Die Dozentin und Regisseurin Bernadette Kolonko stellt ihre Publikation «Unsichtbares und Ungesagtes» vor. Sie macht darin eine kollektive Suchbewegung nach feministischen Blicken im aktuellen Kino sichtbar. Es folgt ein Gespräch mit der Regisseurin Valérie Massadian über Feminismus, Körper und Klassenfragen im Kino. Anschliessend präsentieren wir Massadians Film Nana als Zürcher Kinopremiere.

Welche Blick- und Körperbilder werden von einer neuen Generation feministischer Regisseur:innen entworfen? Inwieweit wird in ihren Filmästhetiken eine feministische Haltung sichtbar? Und wie kann feministisches Filmwissen teilbar und vermittelbar werden?

Bernadette Kolonko hat in ihrem ArtisticResearch-Projekt zehn Gespräche mit feministischen Regisseur:innen geführt (u. a. Laura Bispuri, Ester Martin Bergsmark, Susanne Heinrich, Valérie Massadian, Maryam Touzani) und in dieser Publikation versam-

melt, um das gegenwärtige Spielfilmkino unter dem Aspekt eines Female* Feminist*Gaze zu reflektieren. In einer Filmlandschaft, die immer noch von einem Male Gaze dominiert wird, soll ein feministischer Raum für Denk-, Wahrnehmungs- und Möglichkeitsräume im kinematografischen Erzählen eröffnet werden. Davon ausgehend, dass der blosse Austausch des Helden gegen eine Heldin noch kein feministisches Kino ausmacht, werden Blicke, Materialitäten, Körperbilder sowie Arbeitsweisen in den Fokus gerückt.

In ihrer Lecture gibt Kolonko Einblick in ihre Forschungsergebnisse, die über drei Jahre im Modus des Sich-Versammelns, des Zuhörens und Teilens entstanden sind.

18.15 Uhr: Buchvernissage (Deutsch)

19.15 Uhr: Nana mit Q&A (in englischer Sprache), anschliessend Apéro

Eine Kooperation zwischen dem Filmpodium und der ZHdK

NANA / Frankreich 2011

68 Min / Farbe / DCP / F/e // DREHBUCH UND REGIE Valérie Massadian // KAMERA Léo Hinstin, Valérie Massadian // SCHNITT Dominique Auvray, Valérie Massadian // MIT Kelyna Lecomte (Nana), Marie Delmas (Mama), Alain Sabras (Grossvater).

Nana ist vier Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter in einem Steinhaus jenseits des Waldes. Zurück aus der Schule, findet sie am späten Nachmittag nichts als Stille in ihrem Haus. Es beginnt eine Reise in die dunklen Traumräume ihrer Kindheit.

Für diese hypnotische Geschichte gewann die Filmemacherin Valérie Massadian 2011 den Preis für den besten Erstlingsfilm in Locarno. Nana ist ein Film mit einem Blick der stillen Geduld, in dem sich die Welt eines jungen Mädchens erschliesst.

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BUCHVERNISSAGE DI, 30. MAI | 18.15 UHR

MIND THE MEMORY GAP

Das Farocki-Forum am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich ist ein Forschungsschwerpunkt zum Dokumentarfilmer und Künstler Harun Farocki (1944–2014). Ausgehend von Farockis Denken geht es um Perspektiven, die er eröffnet hat: auf Bildkritik, Arbeitskonzepte und vieles mehr. Das Farocki-Forum lädt einmal pro Semester zu einer Veranstaltung ins Filmpodium.

Ein videografischer Vortrag und ein Gespräch zwischen Fabienne Liptay und Franz Wanner behandeln Kulturen des Bereinigens, Verdrängens und Vergegenwärtigens. Ausgehend von der Installation Dual­Use, die Tendenzen gesellschaftlicher Militarisierung beleuchtet und eine parlamentarische Anfrage auslöste, entwirft Wanner einen Bogen zu seiner aktuellen Arbeit Mind the Memory Gap. Unter diesem

Titel führt er die 2020 begonnene Untersuchung von Auswirkungen der im NS-Regime massenhaft praktizierten Ausbeutung durch Zwangsarbeit fort.

Volker Pantenburg

Leiter Seminar für Filmwissenschaft

Zu Gast:

Franz Wanner und Fabienne Liptay

DUAL-USE / Deutschland 2016

code basierte 5-Kanal-Installation 19 Min / Farbe / Digital HD / D // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Franz Wanner // KAMERA Laura Kansy, Dino Osmanovic, Tobias Tempel.

MIND THE MEMORY GAP / Deutschland 2022

14 Min / Farbe / Digital HD / D // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Franz Wanner // KAMERA Lilli Pongratz.

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ÜBERTRAGUNG #3: FAROCKI-FORUM DO, 25. MAI | 18.30 UHR

BLINDE FLECKEN – ZÜRICH UND DER KOLONIALISMUS

DAS KONGO TRIBUNAL

Als Ergänzung zur aktuellen StadthausAusstellung «Blinde Flecken – Zürich und der Kolonialismus» zeigt das Filmpodium am 31. Mai Milo Raus Film Das Kongo Tribunal (2017), gefolgt von einer Podiumsdiskussion.

2017 brachte der Schweizer Theater- und Filmemacher Milo Rau Das Kongo Tribunal heraus, eine Filmversion seines gleichnamigen Theaterprojekts. Beispielhaft zeigt er darin auf, wie wirtschaftliche Interessen ausländischer (auch schweizerischer) Unternehmen und politische Missstände in ehemaligen Kolonien zusammenhängen.

Auf die Vorführung des Films folgt eine Podiumsdiskussion über diese Verstrickungen.

«Wenn ich mich von all den Theater- und Filmprojekten, die ich gemacht habe, für eines entscheiden müsste, dann wäre es Das Kongo Tribunal. In dem Film sind alle meine Interessen, aber auch alle meine Formate

versammelt, die mich in den letzten 15 Jahren umgetrieben haben. Es handelt sich um ein theatrales Tribunal, bei dem aber alles echt ist: Vom Minenarbeiter über den Rebellen und zynischen Minister bis zum Anwalt aus Den Haag spielen sämtliche Teilnehmer nichts anderes als sich selbst. Gleichzeitig entsteht in dem Film etwas, das eigentlich dokumentarisch gar nicht darstellbar ist: ein Porträt der Weltwirtschaft, eine sehr konkrete Analyse all der Gründe und Hintergründe, die dazu führen, dass der Bürgerkrieg im Ostkongo seit über 20 Jahren nicht aufhört. Und wer ein Interesse daran hat, dass das auch so bleibt.» (Milo Rau)

Über Milo Raus Projekt von 2017 und die wirtschaftlichen und politischen Realitäten, die darüber hinausgehen, diskutieren um 20.45 Uhr die Dramaturgin Eva-Maria Bertschy, Oliver Classen von «Public Eye» und weitere Gäste. Moderation: Felicitas Fischer (NADEL/ETH).

Mehr Infos zur Ausstellung im Stadthaus: stadt-zuerich.ch/ausstellung

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MI, 31. MAI | 18.30 UHR
DAS KONGO TRIBUNAL / Schweiz/Deutschland 2017 100
Min / Farbe / DCP / OV/d/f // DREHBUCH UND REGIE Milo Rau // KAMERA Thomas Schneider // MUSIK Marcel Vaid // SCHNITT Katja Dringenberg.

Filmpodium für Kinder

Amy und die Wildgänse

Die 13-jährige Amy verliert bei einem Autounfall ihre Mutter. Sie zieht aufs Land zu ihrem Vater, einem schrägen Erfinder und Künstler. Als sie eine Gruppe verwaister Gänseküken findet und sie aufnimmt, beginnt für Amy ein unvergessliches Erlebnis.

Als Amy zu ihrem Vater zieht, sind ihr das Haus und der Vater fremd. Auf einem Streifzug durch die Natur entdeckt sie frisch geschlüpfte, verwaiste Gänseküken und beschliesst, sie grosszuziehen. Doch damit steht sie vor einem Problem: Bevor der Winter kommt, müssen die Gänse nach Süden fliegen. Aber wer bringt ihnen das Fliegen bei? Da schmieden Amy und ihr Vater gemeinsam einen verrückten Plan … (pm)

AMY UND DIE WILDGÄNSE (Fly Away Home) / USA 1996

106 Min / Farbe / 35 mm / D / ab 8 //

Caleb

Zutritt ab 8, empfohlen ab 10 Jahren (Begleitung durch Erwachsene generell empfohlen).

Kinderfilm-Workshop

Im Anschluss an die beiden Vorstellungen vom 3. und 10. Juni bietet das Filmpodium einen Film-Workshop für Kinder unter der Leitung der Filmwissenschaftlerin Julia Breddermann an (ca. 30 Min., gratis, keine Voranmeldung nötig). Die Kinder erleben eine Entdeckungsreise durch die Welt der Filmsprache und werden an einzelne Szenen und Themen des Films herangeführt.

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REGIE Carroll Ballard // DREHBUCH Robert Rodat, Vince McKewin // KAMERA Deschanel // MUSIK Mark Isham // SCHNITT Nicholas C. Smith // MIT Anna Paquin (Amy Alden), Deborah Verginella (Alaine Alden), Jeff Daniels (Thomas Alden), Dana Delany (Susan Barnes), Terry Kinney (David Alden), Holter Graham (Barry Stickland). © 1996 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved

George Lucas drehte 1973, nach der Ermordung Kennedys und nach den Sixties, mit American Graffiti einen Film über die verlorene Unschuld der USA, ein frühes Beispiel des plotlosen Ensemble-Films und zugleich eine Reflexion über Nostalgie.

In einer kalifornischen Kleinstadt treffen sich vier Teenager, die soeben ihre Schule abgeschlossen haben, bei Mels Drive-in, um zum letzten Mal gemeinsam die Nacht durchzumachen.

George Lucas schuf mit American Graffiti ein nostalgisch gefärbtes, aber äusserst lebendiges und amüsantes Abbild der amerikanischen Jugend in den frühen sechziger Jahren: Mit aufgebauschten Bienenkorbund lässigen Teddyboy-Frisuren, Petticoats und coolen Strassenkreuzern lässt er die Zeit wiederauferstehen. Der einschlägige Soundtrack – Lucas’ Einsatz der Musik war damals eine Neuheit – für diese schicksalhafte Nacht: rund 40 Rock-’n’-Roll-Hits,

vom schmalzig-süssen «Only You» über «Rock Around the Clock» bis zu den surfenden Beach Boys. (Tanja Hanhart, Filmpodium Februar/März 2008)

Vordergründig als flüchtiges Graffiti, als prägnante Kritzelei inszeniert, wirkt der Film «auf den ersten Blick simpel (...). Doch die verborgene Struktur des Films geht tiefer und zeigt, dass die Unschuld dieser Zeit schon bald verloren sein wird. Als Symbol hierfür fungiert eine Blondine in einem weissen Thunderbird – die Vision einer Schönheit, die man stets nur flüchtig am Ende der nächsten Strasse erblicken kann (...) oder vielleicht morgen Abend oder in der Nacht darauf.» (Roger Ebert, Chicago SunTimes, 11.8.1973)

In frühen Rollen zu sehen sind Ron Howard, Richard Dreyfuss, Charles Martin Smith – und Harrison Ford.

 Dienstag, 13 Juni, 18.15 Uhr:

Einführung: Martin Walder

AMERICAN GRAFFITI / USA 1973

113 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE George Lucas // DREHBUCH George Lucas, Gloria Katz, Willard Huyck // KAMERA Jan D'Alquen, Ron Eveslage // MUSIK Bill Haley u. a. // SCHNITT Verna Fields, Marcia Lucas, George Lucas // MIT Richard Dreyfuss (Curt Henderson), Ron Howard (Steve Bolander), Paul Le Mat (John Milner), Candy Clark (Debbie Dunham), Cindy Williams (Laurie Henderson), Mackenzie Phillips (Carol), Bo Hopkins (Joe Young), Wolfman Jack (Discjockey), Harrison Ford (Bob Falfa).

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SÉLECTION
SA, 20. MAI | 20.45 UHR / DI, 13. JUNI | 18.15 UHR
SO, 25. JUNI | 15.00 UHR
LUMIÈRE
AMERICAN GRAFFITI

IMPRESSUM

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich

LEITUNG Nicole Reinhard (nr), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb)

WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm), Flurina Gutmann

PRAKTIKUM Dario Iannotta (di) // SEKRETARIAT Claudia Brändle

BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 412 31 25

WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 415 33 66

UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: AFDI Archiv für Forschung und Dokumentation IranBerlin e.V.; Arkivi Qendror Shtetëror i Filmit, Tirana; Sharzad Arshadi; Ascot Elite Entertainment Group, Zürich; British Film Institute, London; John Cavallino, Chicago; Centre Simone de Beauvoir, Paris; Cercamon, Dubai; Cinecittà Luce, Rom; Cineteca di Bologna; Cryptofiction, Vancouver; DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Wiesbaden; Écran Noir Productions, Paris; The Festival Agency, Paris; Filmcoopi, Zürich; Frenetic Films, Zürich; Iranian Film Festival Zurich; Iranian Independents, Teheran; Jingletown Films, Oakland; Kairos-Filmverleih, Göttingen; Making of Films, Alger; Valérie Massadian; Marva Nabili; Noori Pictures, Paris; Park Circus, Glasgow; Pathé UK, London; Rai Cinema, Rom; Reel Media International, Plano; Mehrnaz Saeed-Vafa, Chicago; Schwedisches Filminstitut, Stockholm; Studiocanal, Berlin; trigon-film, Ennetbaden; UCLA Film & Television Archive, Santa Clarita; Vinca Film, Zürich; Franz Wanner; Maryam Zahirimehr; Women Make Movies, New York, Zipporah Films, Cambridge (MA); Nadia Zouaoui, Montreal.

DATABASE PUBLISHING BITBEE Solutions AG, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich

GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT Nina Haueter, Daniel Däuber // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 4500

ABONNEMENTE & VERGÜNSTIGUNGEN

Filmpodium-Generalabonnement: CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // alle unter 25 Jahre & Kulturlegi: CHF 9.– // Programm-Pass: CHF 60.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen einer Programmperiode) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

DIE DECKE UNSERES FOYERS WIRD SANIERT, DESHALB BLEIBT DAS KINO IM JULI GESCHLOSSEN. Ihre Abos werden wir natürlich entsprechend verlängern.

VORSCHAU AUGUST/SEPTEMBER

Satyajit Ray

Satyajit Ray (1921–1992) gilt nach wie vor als bedeutendster Filmemacher Indiens. In Kalkutta als Sohn einer Künstlerfamilie geboren, war Ray Schriftsteller, Maler und Musiker und wurde dank dieser Vielseitigkeit zum perfekten Autorenfilmer. Sein Erstling Pather Panchali (1955), in Cannes preisgekrönt, lancierte Rays Karriere und weckte das Interesse am indischen Film. Rays inhaltliche und formale Bandbreite reichte von neorealistischen Milieustudien über poetische Fabeln und bissige Satiren bis zu komischen Kinderfilmen.

Anime-Legende Satoshi Kon

Der japanische Animationsfilmkünstler Satoshi Kon (1963–2010) liess die Grenzen zwischen der Welt des Bewussten und des Unterbewussten spielerisch verschwimmen. Seine vier Animes (Perfect Blue, Millennium Actress, Tokyo Godfathers und Paprika) zählen zu den wichtigsten Werken dieses Genres und haben das moderne Spielfilmkino von Black Swan bis Inception beeinflusst. Wir stellen spannende Querverbindungen her und lassen die Anime-Community ein Programmfenster gestalten.

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filmingo.ch Diese und weitere herausragende Filme gibt’s als DVD auf trigon-film.org Filmtage zuhause Streaming für Filmfans Before, Now & Then von Kamila Andini, Indonesien
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