Filmpodium August/September 2023

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SATOSHI KON SATYAJIT RAY

CATE BLANCHETT

1. August – 30. September 2023

Filmpodium-Highlights August/September

SATOSHI KON – ANIMIERTE GRENZÜBERSCHREITUNGEN S. 28

Vortrag mit Filmausschnitten von Oswald Iten

DI, 8. AUG. | 20.30 UHR

MONIKA WILLI, LYDIA TÁR UND CATE BLANCHETT S. 42

Werkstattgespräch mit der österreichischen Filmeditorin Monika Willi

FR, 11. AUG. | 21.00 UHR

PARANOIA AGENT (SATOSHI KON, JAPAN 2004) S. 22 Serienmarathon (325 Min.) mit japanischer Zwischenverpflegung

SA, 26. AUG. | 17.15 UHR

NOTRE CORPS (CLAIRE SIMON, FRANKREICH 2023) S. 43

Premiere in Anwesenheit der Regisseurin

MO, 28. AUG. | 18.30 UHR

THEATERSPEKTAKEL@FILMPODIUM S. 50 APHASIA (JELENA JUREŠA, BELGIEN 2019) Film mit anschliessendem Gespräch

DI, 29. AUG. | 18.00 UHR: FILM / 19.30 UHR: GESPRÄCH / 21.00 UHR: PERFORMANCE ROTE FABRIK CORPO SUA AUTOBIOGRAFIA (RENATA CARVALHO, BR 2020) in Anwesenheit von Renata Carvalho

MI, 30. AUG. | 20.00 UHR

THE WORLD IN A DEWDROP: SATYAJIT RAY'S FAITH IN REALITY S. 07 Vortrag von Ritika Kaushik (in engl. Sprache), ca. 60 Min.

DO, 31. AUG. | 18.00 UHR

IN DER ZWISCHENZONE VON STUMMFILM UND TONFILM –INTERNATIONALE TAGUNG S. 48

FR, 15. SEPT. | 16.00 UHR: Colonizing and De-Colonizing the Hybrid Soundscape: Vortrag von Donald Crafton (in engl. Sprache); Eintritt frei.

FR, 15. SEPT. | 18.00 UHR: White Shadows in the South Seas (W. S. Van Dyke & Robert Flaherty, USA 1928)

SA, 16. SEPT. | 15.00 UHR: Vampyr (Carl Theodor Dreyer (D/F 1932)

DABURU PAKKU – ANIME IM DOPPELPACK S. 28 mit Cosplay-Catwalk (20.45 UHR) und Karaoke (21.30 UHR)

18.00 UHR: Das Schloss im Himmel (Hayao Miyazaki, Japan 1986)

21.15 UHR: Your Name (Makoto Shinkai, Japan 2016)

SA, 16. SEPT.

AYA SUZUKI – EINBLICKE IN DIE WELT VON SATOSHI KONS ANIMATORIN S. 28

Vortrag und Gespräch | Moderation Katja Morand (in engl. Sprache)

MI, 20. SEPT. | 18.30 UHR

KIMONO – KYOTO TO CATWALK S. 51

Ein Abend in Zusammenarbeit mit dem Museum Rietberg

17.45 UHR: Flowing (Mikio Naruse, Japan 1956)

20.00 UHR: Gespräch mit Kazu Huggler und Serge Mouangue (in engl. Sprache)

21.15 UHR: Sakuran (Mika Ninagawa, Japan 2006)

FR, 29. SEPT.

Same same but different

Das Filmpodium ist ein architektonisches Juwel, ein Kino mit grosser Geschichte, in dem die wichtigsten Filmschaffenden zu Gast waren. Wie nähert man sich einem solchen Ort? Nun ja, zunächst mal mit viel Respekt. Noch heute sitze ich manchmal im Kino, schaue mich um und kann es immer noch kaum glauben: Dieses Kino darf ich leiten!

Ich habe im letzten Jahr im Programm Akzente gesetzt, mich von traditionellen Formaten wie der filmhistorischen Dauerreihe verabschiedet und Neues ausprobiert. Dabei war es mir ein Anliegen, ein Programm zu bieten, dass für unser treues Stammpublikum ebenso einladend und überraschend ist wie für eine jüngere Generation von Kinogänger:innen, die das Filmpodium erst entdeckt. Die Idee: mit Respekt frech Neues ausprobieren.

Kino ist ein Gemeinschaftserlebnis. Die aufgeladene Stille im Kinosaal oder das ansteckende Lachen aus der ersten Reihe, das sich über den Saal ausbreitet, lassen einen Film viel tiefer wirken, als wenn wir ihn daheim auf dem Sofa schauen. Aber auch das Davor und das Danach verleihen einem Kinobesuch seinen besonderen Reiz. Wir möchten diesen Momenten einen neuen Rahmen geben: Wenn Sie nach der Renovationspause ins Kino kommen, wird Sie im Foyer eine vier Meter hohe Palme empfangen, die ich – in einem Moment von Amour fou – an einer Auktion erstanden habe. Dazu werden sich Designsessel aus den Sixties gesellen. Beim Probestellen zeigte sich das Publikum angetan. Wie’s wirkt, wenn statt zwei acht Stück im Foyer stehen, werden wir sehen. Respektvoll, aber frech haben wir die Möbel erst mal gemietet. Ein Dank geht an den Bogen 33, der sich auf den unorthodoxen Deal eingelassen hat. Mit etwas Glück kommt Ende August eine Terrasse vor dem Kino dazu. Anfang Mai konnte ich nach viermonatigen Abklärungen und unzähligen Telefonaten das Baugesuch einreichen. Ein Dank geht an alle, die mich auf dem steinigen Weg begleitet haben. Jetzt heisst es Daumen drücken, dass wir vom Baudepartement das Go bekommen. Unsere kleine Innen­ und Aussengastronomie nennen wir in Erinnerung an Roman Clemens, den ebenso genialen wie exzentrischen Gestalter unseres heissgeliebten Kinos, «Clemens».

Dass Sie diese und andere Neuigkeiten erfahren, dafür sorgt ab August Lorenzo Berardelli, unser neuer Mitarbeiter für Kommunikation. Er übernimmt den Stab von Primo Mazzoni, der sich nach 16 Jahren Filmpodium zu neuen Ufern aufmacht. Engagiert, visionär, respektvoll und frech im Denken –wir werden Primo vermissen. Zum Glück bleibt er uns als Operateur erhalten! Same same but different – wir sehen uns bald im «neuen» Filmpodium.

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Titelbild: Paprika von Satoshi Kon Editorial

Satyajit Ray 04

Satyajit Ray (1921–1992) gilt nach wie vor als bedeutendster Filmemacher Indiens. Im heutigen Kolkata als Sohn einer Künstlerfamilie geboren, war Ray Schriftsteller, Maler und Musiker, bevor er hinter die Kamera trat, und dank dieser Vielseitigkeit der perfekte Autorenfilmer, der seine Filme durchweg zu gestalten vermochte. Sein Erstling Pather Panchali (1955), in Cannes preisgekrönt, lancierte Rays Karriere und weckte das Interesse am indischen Film. Rays inhaltliche und formale Bandbreite reichte von neorealistischen Milieustudien über poetische Fabeln und bissige Satiren bis zu Krimis und Gruselgeschichten. Eine Retrospektive mit vielen Restaurierungen, die Rays Ästhetik ganz neu zur Geltung bringen.

Bild: Pather Panchali

Anime-Legende Satoshi Kon 16

Satoshi Kon hinterliess uns zwar nur ein schmales Œuvre – aber nicht weniger als eine Revolution: Mit technischer Brillanz und kreativer Virtuosität setzte der Meister der Illusion neue Massstäbe in der Animation. Inspiriert durch Klassiker wie Brazil verschmolz er Realität und Fantasie zu einem filmischen Tanz aus Anmut und Präzision. Seine kraftvollen Animes, von Perfect Blue bis Paprika, richten sich in erster Linie an ein erwachsenes Publikum und fordern bewusst die Grenzen des Blicks heraus. Ob Darren Aronofsky oder die Crew von Spider-Man: Into the SpiderVerse – Satoshi Kon beeinflusst die Filmwelt bis heute. Wir laden zur Begegnung mit Kons Animatorin Aya Suzuki und zum Serienmarathon mit Paranoia Agent – ein Fest der Animation für alle!

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INHALT
Bild: Millennium Actress

Sie verströmt den eleganten Glamour einer Hollywood­Diva vergangener Tage und ist dabei eine der angesagtesten Schauspielerinnen unserer Zeit: Sei es als rebellischer Bob Dylan in I’m Not There, als zerlumpter Clochard in Julian Rosefeldts Kunstfilm Manifesto oder als getriebene, machtbesessene Dirigentin in Todd Fields TÁR – die Australierin Cate Blanchett schlüpft einem Chamäleon gleich in die verschiedensten Rollen und überzeugt mit einer physischen und emotionalen Präsenz und Präzision, die ihresgleichen sucht. Sie ist Künstlerin, Aktivistin und im Arthousekino genauso trittsicher wie in grossen Blockbustern. Mit 19 Filmen und einem Werkstattgespräch mit der oscarnominierten Editorin von TÁR, Monika Willi, versuchen wir das Mysterium Cate Blanchett zu ergründen.

Carol

Als Haru einem Kater das Leben rettet, bekommt sie vom König der Katzen eine Einladung. Neugierig nimmt sie diese an. Eine spannende Reise in eine märchenhafte Fantasiewelt aus dem Filmstudio Ghibli.

03 Cate Blanchett 30 Puts a Spell on You
Bild:
Filmpodium für Kinder: 52 Das Königreich der Katzen
Bild: Das Königreich der Katzen Filmpodium Classics 44 Rio Bravo & Sans toit ni loi Filmpodium Premiere 43 Notre corps Einzelvorstellungen Vorlesungsreihe: Filmtheorien –Landkarten der Kunst 46 Tagung: Zwischen Stummfilm und Tonfilm 48 Theaterspektakel 2023: Aphasia & Corpo sua autobiografia 50 Zur Kimono-Ausstellung im Museum Rietberg: Flowing & Sakuran 51
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Satyajit Ray: Einzigartigkeit und Universalität

Wie kein anderer vermochte der indische Regisseur Satyajit Ray (1921–1992) westliche Einflüsse mit bengalischer Tradition zu verbinden, historische Stoffe aus der Kolonialzeit kritisch aufzuarbeiten und zugleich die urbane Gegenwart Indiens aufs Korn zu nehmen. Bei manchen von Rays Filmen ist die rechtliche Situation schwierig und gutes Material schwer aufzutreiben; umso mehr freut es uns, nun siebzehn Filme in zumeist restaurierter Fassung zu präsentieren.

Vor der Geburt des Jungen Apu in Satyajit Rays Pather Panchali (1955) sehen wir seine Mutter Sarbajaya atemlos, nachdem sie schwere Gefässe mit Wasser von einem entfernten Brunnen hergetragen hat. Ihre Erschöpfung wird noch verstärkt durch den scharfen Spott einer Nachbarin, weil ihre Tochter Durga eine Frucht aus deren Garten gestohlen hat. Als Sarbajaya sich im Hof ihres Hauses hinsetzt und Durga wegen des Diebstahls ausschimpft, drückt ihre Atemlosigkeit sowohl die Belastung durch die Schwangerschaft als auch ihre verletzte Würde aus. Sarbajayas unruhiges, schweres Atmen steht sinnbildlich für die Konflikte, Todesfälle und Migrationswellen vom Land in die Stadt, denen Apus verarmte Familie ausgesetzt sein wird. Pather Panchali bietet ein intimes, poetisches Porträt des Lebens in einem bengalischen Dorf im Indien der 1930er­Jahre mit Seitenblicken in die sich schnell verändernde moderne Welt rundherum. Gleichzeitig vermittelt er ein umfassendes Bild, das im langsamen Rhythmus des menschlichen Atems, in den menschlichen Beziehungen, aber auch im materiellen Leben der Blätter, der Jahreszeiten und der Tiere, die Apus Familie umgeben, zum Ausdruck kommt. Es ist das gleichzeitige Gefühl von «Einzigartigkeit und Universalität», das die Filme von Satyajit Ray von allem Anfang an auszeichnet.

Ost trifft West

Genau wie der erste indische Premierminister Jawaharlal Nehru war auch Ray ein Produkt von Ost und West, und seine künstlerische Sensibilität war von diesem bewussten und zurückwirkenden Zusammenfliessen geprägt.

Doch Rays Weg zum Filmemachen war nicht geradlinig. Er begann seine be­

↑ Kurzes Liebesglück: Apur Sansar

→ Aufbruch ins Leben: Pather Panchali

↓ Starke Frauen, schwache Männer: The Coward

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rufliche Laufbahn als Werbegrafiker in Kalkutta (dem heutigen Kolkata), wo er nebenbei seiner Filmliebhaberei frönte: Er gründete zusammen mit Chidananda Das Gupta und anderen die Calcutta Film Society, die ab 1947 zur Verbreitung einer lebendigen Filmkultur in Indien beitrug. Die Film Society ermöglichte es ihm, in die Vielfalt des internationalen Kinos einzutauchen, wobei er sich akribisch Notizen machte. Als er 1949 Jean Renoir kennenlernte, der für die Dreharbeiten zu The River (1951) in Kolkata weilte, beschloss er, sich nun richtig dem Filmemachen zuzuwenden. Ray half Renoir beim Rekognoszieren von Drehorten, und ihre Begegnung bestärkte ihn in seinem Vorhaben, Pather Panchali zu drehen. Im darauffolgenden Jahr verbrachte Ray einige Zeit in Europa, wo er innerhalb von fünf Monaten über neunzig Filme sah. Einer davon war Vittorio De Sicas Ladri di biciclette (1948), der ihn davon überzeugte, dass ein Film auch mit einem kleinen Budget, einer kleinen Equipe und ohne aufwendige Studiounterstützung gedreht werden kann. Wie der Filmhistoriker Ravi Vasudevan bemerkt, werden sich Rays Filme jedoch durch ein Bemühen um Ausgewogenheit und Tempo auszeichnen, das über den Einfluss des Neorealismus hinausgeht.

Eine prägende Zeit für Rays künstlerische Entwicklung war sein Studium der Malerei in Shanti Niketan, einer experimentellen Universität, die der bengalische Nobelpreisträger und Universalgelehrte Rabindranath Tagore gegründet hatte. Tagore blieb auch später einflussreich für Ray, kehrte dieser doch im Laufe seiner Karriere mit Adaptionen wie Three Daughters (1961) The Lonely Wife (1964) und The Home and the World (1984) immer wieder zu Tagores Werk zurück. Ein tiefgreifendes Kunsterlebnis war für Ray 1942 ein Besuch der Ajanta­ und Ellora­Höhlen, wo ihn die klassische indische Kunst beeindruckte, aber auch die Künstler der Steinfresken, die «wussten, wie man schaut und sieht – wie man menschliches Verhalten beobachtet», wie er seiner Biografin Marie Seton erzählte.

Thematische und stilistische Vielfalt

Während Ray in vielen Filmen einen grossen Aufwand betreibt, um die Vergangenheit einzufangen und nachzustellen – sei es das aristokratische Milieu während der bengalischen Renaissance des 19. Jahrhunderts in The Lonely Wife (1964), der indische Aufstand von 1857 gegen die Herrschaft der British East India Company in The Chess Players (1977) oder das dekadente Reich der «Zamindars» (Grossgrundbesitzer) im Bengalen der 1930er­Jahre in The Music Room (1958) –, bleiben seine Stadtfilme auf die Gegenwart fixiert: Wir erleben Kalkutta in den1960er­ und 1970er­Jahren während der tobenden linksextremen Naxaliten­Bewegung oder im Schatten des indischen Ausnahmezustands (1975–1977). Ein weiteres Beispiel ist The Big City (1963): Sehr zum Unmut des Patriarchen muss dessen Schwiegertochter Arati in die urbane Arbeitswelt eintreten und sich im rasanten Wandel der Grossstadt behaupten.

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In einem kritischen Moment des Films eilt Arati atemlos vor Zorn zum Büro ihres Vorgesetzten und verlangt von ihm eine Entschuldigung dafür, dass er ihre anglo­indische Kollegin beleidigt und gefeuert hat. Als er sich weigert, schäumt Arati vor Wut und kündigt ihre Stelle. Der Film endet damit, dass sie sich mit ihrem Mann zusammentut und nur einen schwachen Schimmer Hoffnung hat, es im hektischen Trubel der Grossstadt zu schaffen. Eine Lösung für die finanziellen Probleme der Familie bietet uns der Film nicht, wohl aber eine Meditation über ihr Dasein in der Gegenwart. Sei es im Zorn, in der Erschöpfung, im Nachdenken oder in der Aufregung, sei es in einem Dorf im kolonialen Bengalen oder im Aufruhr einer geschäftigen Stadt – die Beschäftigung mit der Dramatik des menschlichen Atems zieht sich als Konstante durch Rays Filme. Sie üben eine universelle Anziehungskraft aus, weil er sich einer ureigenen Fähigkeit des Kinos verschrieben hat: die physische Realität einzufangen. Ob in komplexen Geschichten über Tradition und Moderne (Apu­Trilogie), in Komödien (The Holy Man, 1965), Krimis (The Elephant God, 1979) oder gar in einer Geistergeschichte (The Lost Jewels, 1961), Rays Filme bieten nicht nur einen Einblick in die Vergangenheiten und die vielfachen Gegenwarten Indiens, sondern auch die Möglichkeit, mit den Landschaften und den Menschen und Tieren, die darin leben, beisammenzusitzen und mit ihnen zu atmen. Seine mikrokosmischen, detailreichen Porträts lassen uns einen Pulsschlag spüren, wie es nur das Kino kann, in einer Sprache, die keiner Übersetzung bedarf.

Ritika Kaushik ist Filmwissenschaftlerin, Videoessayistin und Kuratorin. Sie lebt in Frankfurt.

SATYAJIT RAY'S FAITH IN REALITY

Vor der Vorführung von Satyajit Rays Dreiecksdrama The Coward um 19.15 Uhr wird

Ritika Kaushik ein Referat mit Filmausschnitten über den indischen Meisterregisseur halten. Dauer: ca. 60 Minuten, in englischer Sprache.

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Ritika Kaushik
DEWDROP: DO, 31. AUG. | 18.00 UHR
THE WORLD IN A
→ The Goddess → The Big City. → Three Daughters. → Aparajito
©
Entertainments
→ The Music Room
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PATHER PANCHALI (Ballade vom Weg)

Indien 1955

Der erste Film aus der Apu-Trilogie von Satyajit Ray, in epischer Breite erzählt, ungemein dicht und voller symbolischer Poesie. Im Mittelpunkt dieser Szenen aus dem Leben einer indischen Familie steht die Entwicklung des noch kleinen Sohns Apu, der in Armut aufwächst und ein erstes schmerzliches Erlebnis verarbeiten muss.

«Ich werde nie vergessen, wie aufgewühlt ich war, nachdem ich den Film gesehen hatte. Ich habe ihn seither mehrfach wiedergesehen, und jedes Mal bin ich überwältigt. Dieses Kino fliesst mit der Heiterkeit und Würde eines grossen Flusses. Menschen werden geboren, leben ihr Leben und akzeptieren ihren Tod. Mit leichter und sicherer Hand zeichnet Ray sein Bild, beim Publikum löst es jedoch tiefe Emotionen aus.» (Akira Kurosawa, in: Andrew Robinson: Satyajit Ray –The Inner Eye, Tauris 2004)

126 Min / sw / 35 mm / Beng/d/f // REGIE Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach dem Roman von Bibhutibhushan Bandyopadhyay // KAMERA Subrata Mitra // MUSIK Ravi Shankar // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Kanu Bannerjee (Harihar Ray, der Vater), Karuna Bannerjee (Sarbajaya Ray, die Mutter), Subir Bannerjee (Apu, der Sohn), Uma Das Gupta (Durga, die Schwester), Chunibala Devi (Indir Thakrun).

APARAJITO (Der Unbesiegte)

Indien 1956

«Um 1920 lässt sich Apus Familie in der heiligen Stadt Benares am Ufer des Ganges nieder. Der gebrechliche Vater stirbt. Apu und seine Mutter kehren aufs bengalische Land zurück. Apu ist ein glänzender Schüler, und seine Zukunft liegt ein weiteres Mal in einer Grossstadt, diesmal Kalkutta. Seine Mutter will ihren Sohn aber unbedingt bei sich behalten.

Aparajito ist der zweite Teil der bekannten ApuTrilogie. Darin geht es um die Konfrontation zwischen einem Jugendlichen, der weiss, was er will – studieren in der Grossstadt –, und seiner Mutter, die für ihn ein anderes Leben vorgesehen hat. Der Film ist aber auch ein bewundernswertes Frauenporträt.» (FIFF 2009)

Aparajito wurde in Venedig mit dem Goldenen Löwen und dem Kritikerpreis ausgezeichnet.

113 Min / sw / 35 mm / Beng/d/f // REGIE Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach dem Roman von Bibhutibhushan Bandyopadhyay // KAMERA Subrata Mitra // MUSIK Ravi Shankar // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Pinaki Sengupta (Apu als Kind), Smaran Ghosal (Apu als Jugendlicher), Kanu Bannerjee (Harihar Ray, der Vater), Karuna Bannerjee

(Sarbajaya, die Mutter), Ramani Sengupta (Bhabataran, der Onkel), Santi Gupta (Ginnima), Ranibala (Teliginni).

THE MUSIC ROOM (Jalsaghar)

Indien 1958

Ein alter Fürst, der seine von Überschwemmungen verheerten Ländereien vernachlässigt, sieht sich durch einen neureichen Nachbarn herausgefordert. Dieser ungebildete Prahlhans beginnt nämlich, aufwendige Musik- und Tanzveranstaltungen zu organisieren, was früher das Privileg des Fürsten war. Der mittellose Adlige will nun sein eigenes, stillgelegtes Musikzimmer wiederbeleben, koste es, was es wolle.

«The Music Room ist nicht nur deswegen von zentraler Bedeutung im Kosmos des Satyajit Ray, weil er den Zerfall der alten Ordnungen nachvollzieht. Er setzt auch den Musik- und Tanznummern des bengalischen Kinos ein beinahe ethnologisches Interesse an der traditionellen indischen Musik entgegen, deren Kunst er in langen Darbietungen zeigt.» (FAZ, 18.9.2003)

100 Min / sw / DCP / Bengali/d // REGIE Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach der Erzählung von Tarashankar Banerjee // KAMERA Subrata Mitra // MUSIK Ustad Vilayat Khan, Robin Majumdar // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Chhabi Biswas (Huzur Biswambhar Roy), Padma Devi (Mahamaya, Roys Ehefrau), Pinaki Sengupta (Khoka, Roys Sohn), Gangapada Basu (Mahim Ganguly), Tulsi Lahiri (Verwalter).

APUR SANSAR (Apus Welt)

Indien 1959

Apu (Soumitra Chatterjee) ist nun erwachsen, muss aus finanziellen Gründen aber sein Studium abbrechen und sich in Kalkutta mit kleinen Jobs durchschlagen. Durch eine bizarre Verkettung von Umständen wird er unvermittelt und unfreiwillig verheiratet, mit der jugendlichen Aparna (Sharmila Tagore). Trotz dieser Widrigkeiten und ihrer Armut werden die beiden ein glückliches Paar, doch dann schlägt das Schicksal zu.

«Wenn sich der Tonfall von Apus Welt auf halbem Wege so dramatisch ändert, sind wir schon so lange mit Apu und Ray zusammen, dass der Wechsel der Stimmlage ganz natürlich anmutet: Der Rhythmus der Filme ist stark und sicher genug, um uns mitzureissen. In den letzten Sequenzen der Trilogie wird Apu wieder zu einem Wanderer, der von Trauer getrieben wird und weder weiss noch sich darum kümmert, wohin er geht.» (Terrence Rafferty, criterion.com, 17.11.2015)

09 Satyajit Ray
105 Min / sw / DCP / Beng/e/d // REGIE Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach dem Roman von Bibhutibhushan

Bandyopadhyay // KAMERA Subrata Mitra // MUSIK Ravi Shankar // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Soumitra Chatterjee (Apurba «Apu» Ray), Sharmila Tagore (Aparna), Alok Chakravarty (Kajal), Swapan Mukherjee (Pulu), Dhiresh Majumdar (Shashinarayan), Sefalika Devi (Shashinarayans Frau), Dhiren Ghosh (Vermieter).

THE GODDESS (Devi) Indien 1960

Im Bengalen des 19. Jh. lebt die schöne Doyamoyee im Landhaus ihres gebrechlichen Schwiegervaters Kalikinkar. Ihr modern gesinnter Mann Umaprasad studiert Jura in Kalkutta, und so ist sie faktisch im Haus eingesperrt. Kalikinkar hat nachts eine Vision, dass die von ihm verehrte Göttin Kali sich in Doyamoyee manifestiert. Prompt erklärt er öffentlich seine Schwiegertochter zum Avatar Kalis und lässt sie anbeten. Die junge Frau weiss nicht, wie ihr geschieht, und als sie Kranke heilen und Wunder wirken soll, ist sie endgültig überfordert.

«Die vielen Ebenen, auf denen The Goddess funktioniert, halten einen durchweg auf Trab und sind faszinierend. Die psychologischen Aspekte des Films (der kranke und alte Schwiegervater, der sich vor einer Gottheit verkrümmt, die auf Bengalisch ‹Ma› heisst, und dabei seinem Sohn die Frau stiehlt) klingen in einem breiteren politischen Kontext nach, in dem der Schwiegervater, der sich über die westliche Lebensweise seines Sohnes ärgert (...) und den Zusammenbruch der Gesellschaft fürchtet, die ihn reich gemacht hat, die Religion als Waffe gegen den Wandel einsetzt.» (David Rosenbaum, The Boston Phoenix, 5.10.1976)

Print courtesy of the Academy Film Archive

93 Min / sw / 35 mm / Beng/e // REGIE Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach der Erzählung von Prabhat Kumar Mukherjee // KAMERA Subrata Mitra // MUSIK Ali Akbar Khan // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Chhabi Biswas (Kalikinkar Roy), Soumitra Chatterjee (Umaprasad), Sharmila Tagore (Doyamoyee), Purnendu Mukherjee (Taraprasad), Karuna Bannerjee (Harasundari), Arpan Chowdhury (Khoka, das Kind), Anil Chatterjee (Bhudeb).

THREE DAUGHTERS (Teen Kanya)

Indien 1961

Zum 100. Geburtstag des Dichters Rabindranath Tagore verfilmte Ray drei von dessen Kurzgeschichten. Gemeinsam ist ihnen einzig, dass sie junge weibliche Hauptfiguren haben; alles andere ist sehr unterschiedlich, und der Episodenfilm belegt Tagores Vielseitigkeit ebenso wie diejenige Rays.

In der ersten, tragischen Episode, The Postmaster, übernimmt der Städter Nandal in der Provinz ein kleines Postamt. Er beschliesst, dem Waisenmädchen Ratan, das seinen Haushalt besorgt, Lesen und Schreiben beizubringen, ahnt aber nicht, welche emotionalen Auswirkungen sein gut gemeintes Tun bei der Kleinen zeitigt. Die letzte Episode, Samapti – The Conclusion, erzählt eine Romantic Comedy: Der Universitätsabgänger Amulya kehrt heim in sein Dorf, und seine Mutter will ihn verheiraten. Aber die gutbürgerliche Tochter, die er ehelichen soll, interessiert Amulya weniger als der hübsche Wildfang Mrinmoyee. Doch die ist nicht zur Hausfrau geboren.

Die zweite Episode, Monihara – The Lost Jewels, ist eine Gruselgeschichte um die junge, kinderlose Manimalika, die ihren Gatten drängt, ihr immer neuen Schmuck zu kaufen. In der Hoffnung, ihre Liebe zu gewinnen, tut er das, doch ihr liegt mehr an den Juwelen als an ihm. Ihre Obsession hat fatale Folgen.

Im Westen war zumeist eine Kurzfassung, Two Daughters, zu sehen, die die erste und die dritte Episode umfasst; wir zeigen nach einer Pause auch die mittlere Episode. Bei Three Daughters zeichnete Ray erstmals selbst für die Filmmusik. (mb)

Print courtesy of the Academy Film Archive

173 Min / sw / 35 mm / Bengali/e // REGIE UND MUSIK Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach drei Erzählungen von Rabindranath Tagore // KAMERA Soumendu Roy // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Anil Chatterjee (Nandal), Chandana Banerjee (Ratan), Nripati Chatterjee (Bishey), Kali Bannerjee (Phanibhushan Saha), Kanika Majumdar (Manimalika), Kumar Roy (Madhusudan), Soumitra Chatterjee (Amulya), Aparna Sen (Mrinmoyee), Sita Mukherjee (Jogmaya).

THE BIG CITY (Mahanagar)

Indien 1963

«Arati ist jung, anmutig und sie trägt den Sari und den Punkt der verheirateten Frau auf der Stirn. Ihr Mann, bescheidener Bankbeamter, flüstert ihr aufmunternd zu, wenn auch sie Geld verdiene, könne die Grossfamilie besser leben. Ein Vorschlag, so ungeheuer wie ungewöhnlich, dass sie ihn anfangs für einen Scherz zu halten beliebt. (…)

The Big City erzählt eine Geschichte mit doppelter Handlungslinie – dem anhebenden Erfolg der Frau im Berufsleben und die zwischen Neid, Missbilligung und Unverständnis schwankenden Reaktionen der Familie. Der Mann, der die Veränderung in die Wege geleitet hat, hegt Eifersucht, zuerst gegen den Chef seiner Gattin, dann gegen ihr Unabhängigwerden, zuletzt, als er den eigenen Posten verliert, gegen die Tatsache, dass sie es ist, die das Geld heimbringt und für die drei

10 Satyajit Ray

Generationen umfassende Grossfamilie sorgt.» (Filmmuseum Wien, Oktober 1999)

Restauriert von RDB Entertainments, Indien

136 Min / sw / DCP / Beng/e // REGIE UND MUSIK Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach der Erzählung «Abataranika» von Narendranath Mitra // KAMERA Subrata Mitra // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Anil Chatterjee (Subrata Mazumdar), Madhabi Mukherjee (Arati, seine Frau), Jaya Bhaduri (Bani), Haren Chatterjee (Priyogopal, Subratas Vater), Sefalika Devi (Sarojini, Subratas Mutter), Prasenjit Sarkar (Pintu).

THE LONELY WIFE (Charulata)

Indien 1964

Im Kalkutta des späten 19. Jh. ist Charulata die kinderlose, intelligente und schöne Frau Bhupatis, eines Intellektuellen der bengalischen Oberklasse. Er ist Herausgeber einer politischen Zeitung und vernachlässigt seiner Arbeit wegen seine Gattin, lässt aber seinen gebildeten Cousin Amal zu Besuch kommen, damit er ihr die Zeit vertreibt. Amal regt Charulatas poetische Sensibilität an, aber allmählich verlieben sich die beiden auch ineinander.

«Ob ‹period picture› oder Gegenwartsdrama, auffallend in vielen von Rays Filmen sind die starken Frauenfiguren. Die unbeschäftigte Ehefrau der besseren Gesellschaft des 19. Jahrhunderts bricht ebenso wie jene eines schlecht bezahlten Bankangestellten im Kalkutta der sechziger Jahre aus dem bevormundeten Behütetsein aus und sucht nach sinnvoller Betätigung. Rays Frauengestalten erweisen sich allemal als stärker als ihre in Konventionen gefangenen Männer.» (Martin Girod, Filmpodium, Feb. 1993)

Restauriert von RDB Entertainments, Indien

119 Min / sw / DCP / Beng/e // REGIE UND MUSIK Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach der Erzählung «Nashta Neer» von Rabindranath Tagore // KAMERA Subrata Mitra // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Soumitra Chatterjee (Amal), Madhabi Mukherjee (Charulata), Shailen Mukherjee (Bhupati Dutta), Shyamal Ghoshal (Umapada), Gitali Roy (Mandakini), Bholanath Koyal (Braja), Suku Mukherjee (Nishikanta).

THE COWARD (Kapurush)

Indien 1965

Infolge einer Autopanne gestrandet, wird der Drehbuchautor Amitabha vom jovialen Teepflanzer Bimal in seinem Haus aufgenommen. Als Amitabha die Gattin seines trinkfreudigen Gastgebers erblickt, trifft ihn der Schlag: Die schöne Karuna war einst seine Angebetete, aber er

konnte sich nicht dazu durchringen, sie gegen den Willen ihrer Familie zu heiraten. Bimal hat keine Ahnung von Karunas Vorgeschichte, und so wird Amitabhas Aufenthalt zu einer emotionalen Zerreissprobe für das ehemalige Liebespaar.

«Ich habe das Gefühl, dass die wirklich wesentlichen Momente in einem Film wortlos sein sollten», sagte Ray über The Lonely Wife, und das gilt auch für The Coward, der weit weniger bekannt ist, aber ebenso gekonnt mit Mimik und Gestik seiner Hauptfiguren operiert. Unterlegt hat Ray das Dreiecksdrama mit einem bluesigen Soundtrack aus eigener Feder. (mb)

Restauriert von RDB Entertainments, Indien

70 Min / sw / DCP / Beng+E/e // REGIE UND MUSIK Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach der Kurzgeschichte «Janaiko Kapurusher Kahini» von Premendra Mitra // KAMERA Soumendu Roy // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Soumitra Chatterjee (Amitabha Roy), Madhavi Mukherjee (Karuna Gupta), Haradhan

 Donnerstag, 31. August, 18.00 Uhr: einführender Vortrag von Ritika Kaushik

THE HOLY MAN (Mahapurush)

Indien 1965

«In The Holy Man geht es um einen falschen Guru (Sannyasi oder Baba) und seine leichtgläubigen Anhänger. Als Inspiration für die filmische Umsetzung verwendete Ray Rajsekhar Basus Buch, aber auch seine eigenen Erinnerungen an das lebhafte Treiben im Haus seines Grossonkels. ‹(...) In den 30er- und 40er-Jahren war es noch so, wie es in der Geschichte beschrieben ist. Die Babas, die mein Onkel kannte, waren alle echt. Keiner von ihnen wurde verspottet. Sie waren bescheidene Leute, keine Angeber wie der Maharishi [Mahesh Yogi]. Es gab viele von ihnen, und sie waren echt.›

Auch wenn der Baba nicht echt ist, zieht Ray ihn dessen Anhängern vor. Deren Neigung, sich emotional gehenzulassen und irrationalen Unsinn zu glauben, stösst Ray ab. ‹Birinchi Baba hat wenigstens Fantasie. (...) Wenn die Menschen so dumm sind, warum soll man sie dann nicht ausbeuten?›» (Andrew Robinson: Satyajit Ray)

Restauriert von RDB Entertainments, Indien

67 Min / sw / DCP / Beng+E/e // REGIE UND MUSIK Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach der Erzählung «Birinchi Baba» von Rajshekhar «Parasuram» Basu // KAMERA Soumendu Roy // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Charuprakash Ghosh (Birinchi Baba), Robi Ghosh (Birinchi Babas Gehilfe),

11 Satyajit Ray
Bannerjee (Bimal Gupta). → The Holy Man → The Chess Players → The Hero → Company Limited © belongs to RDB Entertainments

Prasad Mukherjee (Gurupada Mitter), Gitali Roy (Buchki), Satindra Bhattacharya (Satya), Somen Bose (Nibaran).

THE

HERO (Nayak)

Indien 1966

«Eine junge, spöttische Redaktorin, Aditi Sen Gupta, erregt während einer Zugfahrt die Aufmerksamkeit eines zufällig mitreisenden, sehr populären Filmstars, des ‹Helden› aller Mädchenträume. (...) In Büchern wie im Leben würden Mädchen vielleicht davon träumen, den ‹Helden› aus seiner Einsamkeit und Verblendung zu retten. Nichts dergleichen geschieht. Keine Romanze keimt auf, weil Arindam dem Strudel, in dem er gefangen ist, eigentlich gar nicht entkommen will.

Rays Frauengestalten sind nie unverhohlen feministisch, aber die Entwicklung weiblicher Haltungen lässt sich interessant von Film zu Film beobachten. Die männlichen und weiblichen Figuren in Rays Werk zeugen von der Kreativität eines Mannes, der nicht dem Vorurteil männlicher Überlegenheit aufsitzt.» (Marie Seton: Portrait of a Director. Satyajit Ray, Indiana University Press 1971)

Restauriert von RDB Entertainments, Indien

117 Min / sw / DCP / Beng/e // DREHBUCH, REGIE, MUSIK

Satyajit Ray // KAMERA Subrata Mitra // SCHNITT Dulal

Dutta, Satyajit Ray // MIT Uttam Kumar (Arindam Mukherjee), Sharmila Tagore (Aditi), Bireswar Sen (Mukunda Lahiri), Somen Bose (Sankar), Nirmal Ghosh (Jyoti).

COMPANY LIMITED (Seemabaddha)

Indien 1971

Shyamal Chatterjee ist ein aufstrebender junger «managing director» in einer Elektrogerätefirma. Unruhen gehören zum Alltag, doch das komfortable Leben von Shyamal und seiner Frau wird davon kaum berührt. Deren jüngere Schwester Sudarsana, die noch einem traditionelleren Milieu verhaftet ist, kommt zu Besuch. Anfänglich erfüllt sie der Erfolg ihres Schwagers mit Bewunderung. Aber dann gefährden Probleme Shyamals Karriere – bis er einen überraschenden Ausweg findet. Doch dieser hat seinen Preis.

Company Limited ist der zweite Teil von Rays Kalkutta-Trilogie, die einen urban-modernen Kontrapunkt zur Apu-Trilogie bildet. «Auf politischer Ebene steht Company Limited der Angestelltenklasse sehr kritisch gegenüber, aber für Ray ist es dennoch wesentlich und bezeichnend, dass er nach wie vor versucht, die Angehörigen dieser Klasse auf einer menschlichen Ebene zu verstehen.» (Andrew Robinson: Satyajit Ray)

Print courtesy of the Academy Film Archive

110 Min / sw / 35 mm / Beng/e // REGIE UND MUSIK Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach dem Roman von Manisankar «Sankar» Mukherjee // KAMERA Soumendu Roy // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Sharmila Tagore (Sudarsana, genannt Tutul), Barun Chanda (Shyamalendu Chatterjee), Parumita Chowdhury (Dolan, seine Frau), Haradhan Bannerjee (Talukdar), Harindranath Chattopadhyay (Sir Baren Roy).

THE CHESS PLAYERS (Shatranj Ke Khilari)

Indien 1977

«Lucknow im Jahr 1856, die Hauptstadt der nördlichen Region Oudh und der Sitz der Moslem-Kultur in Indien. Der herrschende Nawab (König) ist Wajid Ali Shah, ein unbedeutender Monarch, aber ein guter Dichter und Musiker. Für zwei Adlige in Lucknow, Mir Roshan Ali und Mirza Sajjad Ali, ist nichts wichtiger als das Schachspiel. Inzwischen spielt die East India Company ein politisches Schachspiel. Der britische Generalgouverneur von Indien, Lord Dalhousie, hat beschlossen, die Missregierung des Nawab als Vorwand zu benutzen, um ihn abzusetzen und den Oudh unter britischen Einfluss zu bringen. Auf Dalhousies Anweisung überbringt General Outram König Wajid sein Ultimatum.» (Filmpodium, Feb. 1993)

Mit The Chess Players «bewies der grosse indische Regisseur wieder einmal seine Meisterschaft: ein ironischer, vielfach gebrochener Essay über den britischen Kolonialismus in Indien, die Geschichte zweier einheimischer Lebemänner, die sich mit nonchalanter Dekadenz so lange ihrem Müssiggang hingeben, bis ihre von Stil und Tradition geprägte Welt restlos zusammenbricht». (Hans Christoph Blumenberg, Die Zeit, 10.3.1978)

Restauriert vom National Film Archive of India

129 Min / Farbe / DCP / Hindi+Urdu+E/e // REGIE UND MUSIK

Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach der Kurzgeschichte von Munshi Premchand // KAMERA Soumendu Roy // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Sanjeev Kumar (Mirza Sajjad Ali), Saeed Jaffrey (Mir Roshan Ali), Shabana Azmi (Khurshid, Mirzas Frau), Amjad Khan (Wajid Ali Shah), Richard Attenborough (General Outram), Farida Jalal (Nafisa, Mirs Frau).

THE ELEPHANT GOD (Joi Baba Felunath)

Indien 1979

Der Privatdetektiv Feluda trifft zusammen mit seinem jungen Cousin Tapesh und einem Freund zu einem Ferienaufenthalt in Benares ein. Noch am selben Tag wird eine goldene Statuette des Elefantengottes Ganesh gestohlen. Feluda soll den Fall aufklären.

13 Satyajit Ray
→ The Home and The World
→ The Elephant God → An Enemy of the People

«Der Film bleibt bis zum Ende mitreissend. Die indische Vorliebe für Detektivgeschichten sorgt für eine wunderliche Note, atmosphärisch unterstützt von der farbenprächtigen heiligen Stadt Benares. Rays eigene Musik ist eine Bereicherung.» (Gene Moscowitz, in: Chidana Das Gupta, Satyajit Ray – An Anthology of Statements, 1981)

Restauriert von RDB Entertainments, Indien

121 Min / Farbe / DCP / Beng/e // DREHBUCH, REGIE, MUSIK

Satyajit Ray // KAMERA Soumendu Roy // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Soumitra Chatterjee (Prodosh Mitra/Feluda), Haradhan Bannerjee (Umanath Ghosal), Satya Bannerjee (Hoteldirektor), Biplab Chatterjee (Bikash Singha), Siddharta Chatterjee (Tapesh/Topshe).

THE HOME AND THE WORLD

(Ghare-Baire)

Indien 1984

«Eine Dreiecksliebesgeschichte vor dem Hintergrund der politischen Unruhen in Indien Anfang des 20. Jahrhunderts. Indische Nationalisten initiieren eine terroristische Bewegung gegen die Briten. (…) Sandip, einer der Anführer, kommt nach Suksayar auf die Ländereien seines Kindheitsfreundes Nikhil. Sandip ruft zum Boykott englischer Waren auf und beschwört einen Aufstand der muslimischen Gemeinschaft herauf.

Als gebildeter Mensch möchte Nikhil seine Frau Bimala aus der Isolation herausholen, zu der die indischen Frauen verurteilt sind. Er will ihr Englisch beibringen und stellt ihr schliesslich Sandip vor. Fasziniert von Bimalas Schönheit und ihrem Intellekt verliebt dieser sich in sie und zieht bei seinem Freund Nikhil ein.» (Yann Lardeau, Cahiers du cinéma, Nr. 360/361, Juli/August 1984)

139 Min / Farbe / 35 mm / Beng+E/d // REGIE UND MUSIK Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach dem Roman von Rabindranath Tagore // KAMERA Soumendu Roy // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Soumitra Chatterjee (Sandip Mukherjee), Victor Banerjee (Nikhilesh Choudhury), Swatilekha Chatterjee (Bimala Choudhury), Gopa Aich (Nikhileshs Schwägerin), Jennifer Kendal (Miss Gilby).

AN ENEMY OF THE PEOPLE (Ganashatru)

Indien 1990

Als in der Region Chadipur eine Seuche ausbricht, ist der Arzt Dr. Gupta ist überzeugt, dass sie durch das geweihte Wasser des Tempels verbreitet wird. Behörden und Medien weigern sich aber, seinen Warnungen Gehör zu schenken. Als Gupta versucht, seine Thesen in einer öffentlichen Ver-

sammlung vorzutragen, wird er als Ketzer und ‹Volksfeind› beschimpft.

«Als der bereits schwer herzkranke Ray in den siebziger Jahren seinen Plan ankündigte, Ibsens ‹Volksfeind› verfilmen zu wollen, schüttelte man in Europa den Kopf. Was sollte das verstaubte Theaterstück des alten Naturalisten im heutigen Indien? Doch An Enemy of the People (…), als starkes Kammerspiel inszeniert, wurde zur vehementen Anklage gegen Obskurantismus und Korruption.» (Martin Girod, Filmpodium, Feb. 1993)

Restauriert vom National Film Archive of India

97 Min / Farbe / Digital HD / Beng+E/e // REGIE UND MUSIK

Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach dem Theaterstück von Henrik Ibsen // KAMERA Barun Raha // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Soumitra Chatterjee (Dr. Ashok Gupta), Ruma Guha Takurta (Maya, seine Frau), Mamata Shankar (Indrani, seine Tochter), Dhritiman Chatterjee (Nishrith Gupta), Dipankar Dey (Haridas Bagghi), Subhendu Chatterjee (Biresh).

THE STRANGER (Agantuk) Indien 1991

Anila Bose führt mit ihrem Gatten Sudhindra, und ihrem kleinen Sohn in Kalkutta ein bequemes Leben. Da erhält sie einen Brief von einem Mann, der sich als ihr Onkel Manmohan ausgibt; er wird Kalkutta besuchen und möchte bei ihr wohnen. Da Anila ihren Onkel letztmals als Kleinkind sah, weiss sie nicht, ob der Autor des Briefes ist, wer er zu sein behauptet. Als der sympathische, hochgebildete Weltenbummler bei den Boses eintrifft, schlägt ihm daher einige Skepsis entgegen.

«Dieser Film, wie jeder der 27 anderen Spielfilme, die Ray seit 1955 geschrieben und inszeniert hat, gibt sich nicht sofort zu erkennen: Sowohl sein Stil als auch seine Story beruhen auf dem Grundsatz, dass man Menschen nur allmählich und tastend kennenlernt, mittels einer geduldigen Anhäufung inniger Erfahrungen. Seine Filme verlangen, dass wir eine Zeitlang mit seinen Figuren zusammenleben, bevor wir entscheiden, wer sie wirklich sind.» (Terrence Rafferty, New Yorker, 10.5.1992)

Restauriert vom National Film Archive of India

120 Min / Farbe / Digital HD / Beng+E/e // DREHBUCH, REGIE, MUSIK Satyajit Ray // KAMERA Barun Raha // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Utpal Dutt (Manomohan Mitra), Mamata Shankar (Anila Bose), Dipankar Dey (Sudhindra Bose), Dhritiman Chatterjee (Prithwish Sen Gupta), Robi Ghosh (Ranjan Rakshit), Subrata Chatterjee (Chhanda Rakshit).

15 Satyajit Ray

Anime-Legende Satoshi Kon: Eine Reise durch sein filmisches Universum

Satoshi Kons (1963-2010) Montagekunst und tiefgründige Betrachtung der menschlichen Komplexität fehlen schmerzlich in der Animationsfilmwelt. Das Filmpodium macht sich auf zum Streifzug durch das Universum des japanischen Künstlers: Wir präsentieren nicht nur sein Œuvre, sondern auch seine überraschenden Inspirationsquellen und spüren seinem beachtlichen Einfluss auf die Nachwelt nach.

Vormerken: Oswald Itens Vortrag zu Kon am 8. August.

Der Filmemacher und Anime­Liebhaber Guillermo del Toro drückt es treffend aus: «Satoshi Kon erreicht ein einzigartiges Mass an Tiefe und bleibt dabei völlig zugänglich und fesselnd.» Kon, der japanische Animationsfilmemacher, fasziniert in seiner Karriere Fans, Kolleg:innen und Kritiker:innen gleichermassen. Sein Werk ist zwar schmal, aber erstaunlich vielfältig und einflussreich. Er stirbt 2010 im Alter von 46 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs, während er an seinem unvollendeten Projekt Dreaming Machine arbeitet.

1997 gelingt Kon mit seinem Debüt, dem psychologischen Horrorthriller Perfect Blue, nicht nur der grosse Durchbruch als Regisseur, sondern er widerlegt auch gleich das Vorurteil, dass Animes nur für Kinder oder bestimmte Genres wie Fantasy oder Science­Fiction geeignet seien. Der wegweisende Film greift veränderte Realitätswahrnehmungen seiner Hauptfigur als wiederkehrendes Motiv auf und sollte prägend werden für sogenannte Mindgame­Movies, die ab den 2000er­Jahren in Hollywood immer beliebter wurden. Perfect Blue spielt in einer düsteren, beklemmenden urbanen Umgebung und erzählt die Geschichte der jungen Popsängerin Mima, die ihre Musikkarriere aufgibt, um Schauspielerin zu werden. Der Film verhandelt die Dualität von Realität und Illusion und nutzt dazu immer wieder Symbole wie Spiegel und Bildschirme.

Die visuellen Ähnlichkeiten zwischen Darren Aronofskys Black Swan (2010) und Perfect Blue sind frappierend – sei es in Bezug auf die Verwischung von Realität und Fantasie oder sei es die Fokussierung auf die Wahr­

↑ Schräg, schwarzhumorig, ein Weihnachtswunder: Tokyo Godfathers

→ Jahrhundert-Anime: Millennium Actress

↓ Bahnbrechendes Mindgame in Perfect Blue

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nehmung der Hauptfiguren. Beide Filme behandeln Persönlichkeitsstörungen in Zusammenhang mit Ruhm und Identitätsverlust. Während Black Swan die harten Konkurrenzbedingungen beim Ballett und dem daraus resultierenden Leistungszwang als einzige Erklärung für die psychischen Probleme der Hauptfigur bereithält, geht Perfect Blue einen Schritt weiter. Der Film reflektiert nicht nur die Doppelrolle der Hauptfigur, sondern u. a. auch ihre sexuelle Identität und den Voyeurismus als Faktoren, die zu ihrer psychischen Instabilität beitragen. Aber auch der gesellschaftliche Druck, Erwartungshaltungen sowie die Entmenschlichung in einer von Image geprägten Unterhaltungsindustrie führen bei Mima zu einer gestörten Realitätswahrnehmung. Somit zeigt Perfect Blue den Zusammenbruch auf noch vielschichtigere Weise.

Einflüsse und kreative Ansätze

Satoshi Kon lässt sich bei seinen Anime­Produktionen von westlichen Realfilmen inspirieren. Er studiert sie sorgfältig, um neue Techniken und Stile in seine Arbeit zu integrieren. Terry Gilliams dystopischer Film Brazil (1985) etwa entfacht Kons Liebe zu surrealen und fantastischen Welten und prägt seine Arbeit nachhaltig. Kons wichtigste Inspiration jedoch ist George Roy Hills Slaughterhouse-Five (1972), der kreativ unterschiedliche Zeit­ und Realitätsebenen miteinander verwebt. Kon erklärt dem britischen Journalisten

Andrew Osmond, dass er in seiner Arbeit nicht lineare Denkweisen visualisieren möchte: «Selbst wenn wir über etwas total anderes sprechen, können wir gleichzeitig an das Abendessen denken, das eine Stunde später stattfinden wird.» In Kons Meisterwerk Millennium Actress (2001) werden wir in einen berauschenden Zustand des Erinnerns versetzt und erleben die fesselnde Geschichte der berühmten Schauspielerin Chiyoko. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie Kon subjektive Zeit darzustellen weiss: Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit verschwimmen ebenso wie die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. An dieser Stelle muss auch festgehalten werden, dass die MangaFilmadaption Only Yesterday (1991) von Isao Takahata ein bemerkenswerter, wenn auch weitaus ruhigerer Vorläufer von Animes ist, die für ein erwachsenes Publikum konzipiert sind, geschickt verschiedene Zeitebenen miteinander vermischen und visuell Aussenschau und Introspektion überlagern. Der Film entführt uns in die ländliche Region Yamagata, wo die 27­jährige Taeko eine Auszeit vom hektischen Stadtleben nimmt. Only Yesterday hat eine nostalgische und verklärte Sicht auf die Vergangenheit und beschwört sie als etwas Positives und Wertvolles herauf. Für die junge Frau wird sie zum Anlass, sich neu zu erfinden. Im Gegensatz dazu zeichnet sich Kons Ansatz durch seine Vielschichtigkeit aus und hinterfragt idealisierte Vorstellungen vergangener Zeiten. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist seine Arbeit an Memories (1995), einem dreiteiligen Episodenfilm, bei dem er das Drehbuch für den ersten Kurzfilm verfasste. Hier verhandelt Kon in einem verlassenen

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Weltraumschiff die menschliche Vergangenheit als eine verlorene Welt, in der wir Trost suchen, aber letztendlich nur Einsamkeit finden.

Kritischer Blick, Vertrauen ins Publikum

Die grundsätzlich gesellschaftskritische Sicht auf die Dinge zieht sich wie ein roter Faden durch Kons Schaffen. So auch in der ausgelassenen Tragikomödie

Tokyo Godfathers (2003), mit der sich Kon neu erfindet. Inspiriert von John Fords Film 3 Godfathers (1948) entscheidet sich Kon für eine herkömmlich lineare Erzählweise, bricht aber gleichzeitig mit den Konventionen des Weihnachtsfilms: Statt einer fröhlichen Familie stehen drei Obdachlose im Zentrum der Geschichte. Tokyo Godfathers beschäftigt sich zwar auf den ersten Blick nicht mit den Themen Fiktion und Wirklichkeit, etabliert aber dafür einen Mechanismus, der das Fiktive sukzessive in das reale Leben der Hauptfiguren einbindet und im Klischee des Weihnachtswunders gipfeln lässt.

In Satoshi Kons letztem Film Paprika (2006) tauchen wir in eine von fortschrittlicher Technologie durchdrungene Welt ein. Der gleichnamige Roman von Yasutaka Tsutsui bildet die Basis für die aufregende Reise der Psychotherapeutin Atsuko Chiba, die mithilfe des revolutionären DCMini­Geräts als Traumfigur «Paprika» in die Träume ihrer Patient:innen eintaucht – bis der Apparat gestohlen wird. Der Film fragt danach, was für Chancen und Risiken es mit sich bringt, wenn Menschen mithilfe von Technologie in Träume anderer eintauchen. Er thematisiert den bedrohlichen Verlust der Privatsphäre sowie die Gefahren von zunehmender Entfremdung. Dabei beeindruckt er mit seiner virtuosen visuellen Ästhetik und fängt meisterhaft die Verbiegung der Realität ein. Im Vergleich zu Christopher Nolans Inception (2010), der optisch und inhaltlich starke Ähnlichkeiten zu Kons Film aufweist, bietet Paprika keine klare Unterscheidung zwischen Realität und Traum. Vielmehr vertraut Satoshi Kon auf unsere Interpretationsfähigkeit und spielt geschickt mit variierten Szenenwiederholungen, ohne eine abschliessende rationale Erklärung für das Geschehen zu liefern.

Satoshi Kon hat nicht nur die Real­ und Animationsfilmwelt enorm beeinflusst, sondern auch international den Weg für unkonventionelle AnimeKunst geebnet. Zum Beispiel für Masaaki Yuasas psychedelisch wilden Kultfilm Mind Game (2004), von dessen expressiven Zeichnungen Kon selbst fasziniert war. Sogar in US­amerikanischen Blockbustern wie Spider-Man: Into the Spider-Verse (2018) sind Kons Einflüsse spürbar. Koregisseur Rodney Rothman betont, dass Kon als sein leuchtendes Vorbild für den eigenen kreativen Prozess diente.

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Lorenzo Berardelli, Verantwortlicher Kommunikation und Marketing beim Filmpodium (ab August 2023) → Slaughterhouse-Five → Das Schloss im Himmel. → Brazil → 3 Godfathers
©
All
© TMS All Rights
on the original
→ Das Schloss des Cagliostro. © 1986 Studio Ghibli
Monkey Punch
Rights Reserved.
Reserved. Based
comic books by Monkey Punch.

MEMORIES (Memorîzu)

Japan 1995

«Otomos erster Animationsfilm seit Akira: ein Episodenfilm, der die ganze Bandbreite seines Könnens zeigt und gleichzeitig seinen Traum erfüllt, jungen Künstlern, die in der TV-Animationshölle feststecken, echte kreative Möglichkeiten zu bieten. Magnetic Rose, die erste Episode, ist eine spektakuläre Weltraumoper: Zwei unerschrockene Auskundschafter, ein Geisterschiff und die Geschichte einer Liebe ohne Ende treffen in einer kosmischen Sargassosee aufeinander. Stink Bomb ist eine mahnende Science-Fiction-Komödie: Ein Mann nimmt eine ungetestete Droge, die er für ein Erkältungsmittel hält, und wird zu einem Hochsicherheitsrisiko. Und Cannon Fodder, bei dem Otomo selbst Regie führte, ist eine bizarre Parabel über Krieg, Frieden und Entbehrlichkeiten. Alle drei Episoden sind schlüssig, provokant und hervorragend gestaltet.» (Time Out, 05/2011)

Satoshi Kon hat das Drehbuch zur Episode Magnetic Rose geschrieben. (lb)

113 Min / Farbe / Digital HD / Jap/e // REGIE Koji Morimoto (Magnetic Rose), Tensai Okamura (Stink Bomb), Katsuhiro Otomo (Cannon Fodder) // DREHBUCH Satoshi Kon (Magnetic Rose), Katsuhiro Otomo (Stink Bomb, Cannon Fodder), nach den Mangas von Katsuhiro Otomo // KAMERA Hiroaki Edamitsu, Hitoshi Yamaguchi // MUSIK Takkyu Ishino, Yoko Kanno, Jun Miyake, Hiroyuki Nagashima // SCHNITT Takeshi Seyama // MIT DEN STIMMEN VON Tsutomu Isobe (Heinz Beckner), Shouzou Iizuka (Ivanov), Koichi Yamadera (Miguel Costrela), Hideyuki Hori (Nobuo Tanaka).

PERFECT BLUE (Pâfekuto burû)

Japan 1997

Mima, Sängerin der Popband Cham, hat trotz ihrer treuen Fans mit einer stagnierenden Karriere zu kämpfen. Ihr Management schlägt vor, dass sie sich als Schauspielerin neu orientieren soll. Doch als plötzlich eine Doppelgängerin auftaucht und ihre wahre Identität infrage stellt, ist sie sich auf einmal selbst nicht mehr sicher, wer sie wirklich ist. Während sie von einem fanatischen Stalker verfolgt wird und Visionen ihrer Vergangenheit den Bruch zwischen Realität und Imagination verstärken, wirft ihre Vertraute Rumi weitere Rätsel auf. (lb)

«Mit seinem Debütfilm Perfect Blue legte der leider viel zu früh verstorbene Satoshi Kon einen überragenden Psychothriller vor (…). Offenkundig von klassischen Genrevertretern wie den Werken von Brian de Palma beeinflusst, inspiriert Satoshi Kons Anime für Erwachsene inzwischen selbst nachfolgende Filmemacher wie beispielsweise Darren Aronofsky. Der Amerikaner (…) zitiert eine

Szene direkt in Requiem for a Dream und liess zahlreiche Elemente (…) in Black Swan einfliessen.» (Tom Schünemann, filmsucht.org)

81 Min / Farbe / 35 mm / Jap/d // REGIE Satoshi Kon // DREHBUCH Sadayuki Murai, nach dem Roman von Yoshikazu Takeuchi // KAMERA Hisao Shirai // MUSIK Masahiro Ikumi // SCHNITT Harutoshi Ogata // MIT DEN STIMMEN VON Junko Iwao (Mima Krigoe), Rika Matsumoto (Rumi), Shimpachi Tsuji (Tadokoro), Masaaki Okura (Me-Maniac/Uchida).

MILLENNIUM ACTRESS (Sennen joyû)

Japan 2001

Der Dokumentarfilmer Genya interviewt die zurückgezogen lebende Schauspielerin Chiyoko. Sie erzählt ihm nicht nur von ihrer erfolgreichen Karriere, sondern offenbart auch ihre lebenslange Suche nach einem mysteriösen Mann, den sie einst liebte. Doch als Genya und sein Kameramann in Chiyokos Erinnerungen eintauchen, verschwimmen Fiktion und Realität, und die beiden beeinflussen die Ereignisse auf überraschende Weise.

Satoshi Kons langersehnter zweiter Film ist eine Hommage an das japanische Kino von Yasujiro Ozu bis Akira Kurosawa und basiert lose auf dem Leben der Schauspielerin Hara Setsuko, die sich nach dem Tod von Ozu zurückzog und von der Öffentlichkeit abschottete. Die grösste Inspiration für den Film war jedoch der kreative Montagestil von George Roy Hills Klassiker SlaughterhouseFive, der verschiedene Räume und Zeiten gleichzeitig darstellt. (lb)

87 Min / Farbe / DCP / Jap/d // REGIE Satoshi Kon // DREHBUCH Satoshi Kon, Sadayuki Murai // KAMERA Hisao Shirai // MUSIK Susumu Hirasawa // SCHNITT Satoshi Terauchi // MIT DEN STIMMEN VON Miyoko Shoji (Chiyoko Fujiwara, alt), Mami Koyama (Chiyoko Fujiwara, als Erwachsene), Fumiko Orikasa (Chiyoko Fujiwara, jung), Shozo Iizuka (Genya Tachibana, alt).

TOKYO GODFATHERS (Tôkyô

goddofâzâzu)

Japan 2003

Gin, ein vom Alkohol gezeichneter Mann, Hana, eine grossherzige Ex-Drag-Queen, und Miyuki, ein mutiges Teenager-Mädchen, das von zu Hause ausgerissen ist, teilen das harte Schicksal der Obdachlosigkeit in den Strassen von Tokio. Ausgerechnet an Heiligabend stolpern sie über einen wahren Schatz: ein neugeborenes Mädchen, zurückgelassen im Müll. Auf ihrer Suche nach den Eltern des Babys werden sie zunehmend mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. (lb)

21 Satoshi Kon

«Offenbar inspiriert von 3 Godfathers, einem (…) Western von John Ford aus dem Jahr 1948, ist der Film eine Art neorealistischer Zeichentrickfilm, eine zu Herzen gehende urbane Fabel über den menschlichen Anstand unter den Benachteiligten, die am Rand der Gesellschaft stehen. Trotz seiner Anlehnungen an Frank Capra und Charlie Chaplin (sowie Ford) ist der Film auch eine Liebeserklärung an das moderne Tokio.» (A. O. Scott, The New York Times, 1/2004)

92 Min / Farbe / 35 mm / Jap/d/f / ab 12 // REGIE Satoshi Kon // DREHBUCH Satoshi Kon, Keiko Nobumoto // KAMERA

Katsutoshi Sugai // MUSIK Keiichi Suzuki, Moonriders // SCHNITT Takeshi Seyama, Kashiko Kimura // MIT DEN STIMMEN VON Tôru Emori (Gin), Yoshiaki Umegaki (Hana), Aya Okamoto (Miyuki), Rie Shibata (Katzendame), Akio Ootsuka (Arzt), Seizô Katô (Clubmutter).

SERIEN-MARATHON:

PARANOIA AGENT (Môsô dairinin)

Japan 2004

«Alles beginnt mit einem Angriff auf Tsukiko Sagi, eine junge Grafikdesignerin und Schöpferin von Maromi, einem Maskottchen à la Hello Kitty, das wie ein kleiner rosa Hund aussieht. Sie beschreibt den Angreifer als einen jungen Skater mit einem goldenen Schläger. Kurz darauf werden auch andere Personen von dieser mysteriösen Gestalt, die als ‹Shonen Bat› bekannt wird, bedrängt: ein Schüler, ein Polizeibeamter, eine Büroangestellte und ein Gamer. Die beiden Ermittler Keiichi Ikari und Mitsuhiro Maniwa bezweifeln anfangs die Aussagen von Tsukiko. Doch angesichts der steigenden Zahl von Überfällen, (…) versuchen sie, rationale Erklärungen für diese Ereignisse zu finden.» (Bounthavy Suvilay, Hommage à Satoshi Kon, 1/2022)

«Das erste Mal Paranoia Agent zu sehen, ist vergleichbar mit dem Erlebnis, zum ersten Mal Twin Peaks oder Lost zu schauen. Die surreale Natur der Serie, die fliessende und dennoch detaillierte Animation, die Bilder und die nachvollziehbaren Situationen und Charaktere ziehen einen in ihren Bann, und es ist sehr einfach, die dreizehn Episoden an einem Tag wegzuschauen.» (Christopher Holt, TV Obsessive, 4/2019)

Unterstützt von:

325 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Satoshi Kon // DREHBUCH Seishi Minakami // MUSIK Susumu Hirasawa // MIT DEN STIMMEN VON Daisuke Sakaguchi (Shônen Bat), Mamiko Noto (Tsukiko Sagi), Shozo Iizuka (Keiichi Ikari), Mayumi Yamaguchi (Yuichi Taira), Kotono Mitsuishi (Chono Harumi), Toshihiko Nakajima (Masami Hirukawa).

 Samstag, 26. August, ab 17.15 Uhr

Pause: 19.40–20.30 Uhr

Für japanische Verpflegung ist gesorgt.

PAPRIKA (Papurika)

Japan 2006

Die Psychotherapeutin Atsuko Chiba begibt sich mithilfe des bahnbrechenden DC-Mini-Geräts in die Träume ihrer Klient:innen. Die innovative Technologie ermöglicht es, traumatische Erlebnisse zu visualisieren und zu erforschen, um so bei der Bewältigung innerer Konflikte zu helfen. Als das Gerät gestohlen und für böswillige Manipulationen missbraucht wird, startet Atsuko, auch bekannt als Traumfigur «Paprika», zusammen mit dem brillanten Forscher Tokita eine gefährliche Jagd nach dem Dieb. In einer surrealen und verwirrenden Welt, in der Traum und Realität miteinander verschmelzen, kämpfen sie nicht nur darum, das gestohlene Gerät zurückzubekommen, sondern auch gegen Feinde, die Traumfiguren als Waffen einsetzen. (lb)

«In Paprika, einem atemberaubenden Feuerwerk von Zukunfts-Schock-Ideen und leuchtend animierten Bildwelten, bleiben die Tore der Wahrnehmung stets geöffnet. (…) Dieser Anime des japanischen Regisseurs Satoshi Kon ist ein, augenzwinkerndes Wunder und steht in keinerlei Zusammenhang mit dem klebrigen Kinderkram, den Hollywood produziert.» (Manohla Dargis, New York Times, 5/2007)

90 Min / Farbe / DCP / Jap/d // REGIE Satoshi Kon // DREHBUCH Satoshi Kon, Seishi Minakami // KAMERA Michiya Katou // MUSIK Susumu Hirasawa // SCHNITT Takeshi Seyama // MIT DEN STIMMEN VON Megumi Hayashibara (Atsuko «Paprika» Chiba), Akio Otsuka (Toshimi Konakawa), Katsunosuke Hori (Torataro Shima), Toru Furuya (Kosaku Tokita), Koichi Yamadera (Morio Osanai), Tôru Emori (Seijiro Inui).

Satoshi Kon 22

INSPIRATIONEN, WEGGEFÄHRTEN UND BEWUNDERER

3 GODFATHERS

USA 1948

«Sie haben eine Bank ausgeraubt und sind auf der Flucht. Jetzt stehen Robert, William und Pedro vor einem Grab in der Wüste. Sie haben gerade eine Frau beerdigt und müssen sich um ihr neugeborenes Baby kümmern. Die Chancen, ihren Häschern zu entkommen, sinken damit auf null. Doch (…) sie lassen den kleinen Robert William Pedro nicht im Stich.

Die grandiosen Bilder und die Story machen Regisseur John Fords Westernvision der biblischen Geschichte von den drei Weisen aus dem Morgenland zu einem Meisterwerk.» (spielfilm.de)

Dieser untypische Weihnachtsklassiker diente als Inspiration für zahlreiche Filme, darunter auch die Neuinterpretation von Satoshi Kon in Tokyo Godfathers. (lb)

106 Min / Farbe / 35 mm / E/d // REGIE John Ford // DREHBUCH

Laurence Stallings, Frank S. Nugent, nach der Erzählung von Peter B. Kyne // KAMERA Winton C. Hoch // MUSIK Richard Hageman // SCHNITT Jack Murray // MIT John Wayne (Robert Marmaduke Sangster Hightower), Pedro Armendáriz (Pedro Roca Fuerte), Harry Carey Jr. (William Kearney, «The Abilene Kid»).

SLAUGHTERHOUSE-FIVE USA 1972

Billy Pilgrim entflieht dem Grauen des Zweiten Weltkrieges in seine Träume und taucht in eine fesselnde Odyssee durch Raum und Zeit ein. Dort verarbeitet er Kriegstraumata, flüchtet in Fantasien und sucht nach innerem Frieden. Auf seiner Reise gelangt er auf den exotischen Planeten Tralfamadore. Regisseur George Roy Hill lässt in diesem humorvollen Film den Roman von Kurt Vonnegut lebendig werden. (lb)

«Eine brillante Adaption, die sogar den Autor begeistert hat. Sie destilliert wichtige Momente aus einem weitläufigen Text und schafft ein filmisches Universum, das uns heute wahrscheinlich leichter zugänglich ist als 1972.» (film-authority.com, 7/2021)

Satoshi Kon wurde von der nicht linearen Erzählweise und der kreativen Montagetechnik des Films stark inspiriert und zählt ihn daher zu seinen persönlichen Favoriten. (lb)

97 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE George Roy Hill // DREHBUCH Stephen Geller, nach dem Roman von Kurt Vonnegut // KAMERA Miroslav Ondricek // MUSIK Glenn Gould // SCHNITT Dede Allen // MIT Michael Sacks (Billy Pilgrim), Ron Leibman (Paul Lazzaro), Eugene Roche (Edgar Derby), Sharon Gans (Valencia Merble Pilgrim).

DAS SCHLOSS DES CAGLIOSTRO (Rupan sansei: Kariosutoro no shiro)

Japan 1979

Lupin III., Enkel des berühmten Arsène Lupin, verschlägt es nach einem spektakulären Diebstahl nach Cagliostro. Der dortige Graf druckt Falschgeld und hält die zukünftige Gräfin auf seinem Schloss gefangen. Lupin III. beschliesst, sie vor der unfreiwilligen Ehe zu retten. Gleichzeitig ist Interpol hinter den beiden her.

Miyazaki musste sich bei der Gestaltung eng an die Manga-Vorlage halten. Aber das Schloss ist eine Hommage an eines seiner Vorbilder, Le roi et l’oiseau. «Wie dort ist das verwinkelte Domizil vor allem vertikal ausgerichtet, verfügt über Aussenfahrstühle und Falltüren an allen Ecken und Enden. Anders als Paul Grimaults Klassiker ist die Atmosphäre hier jedoch weder surreal noch melancholisch. (…) Gerade beim Showdown geht der Spass in dieser Mischung aus James Bond und The Pink Panther richtig los.» (Oliver Armknecht, film-rezensionen.de, 20.12.2013)

Satoshi Kon zufolge war Das Schloss des Cagliostro eine bedeutende Referenz, um mehr über Animation und Film im Allgemeinen zu lernen. (lb)

100 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Hayao Miyazaki // DREHBUCH Hayao Miyazaki, Haruya Yamazaki, nach der Manga-Serie «Lupin III» von Monkey Punch // KAMERA Hirokata Takahashi // MUSIK Yuji Ohno // SCHNITT Masatoshi Tsurubuchi // MIT DEN STIMMEN VON Yasuo Yamada (Arsène Lupin III.), Eiko Masuyama (Fujiko Mine), Kiyoshi Kobayashi (Daisuke Jigen), Makio Inoue (Goemon Ishikawa XIII.), Goro Naya (Inspektor Koichi Zenigata).

BRAZIL GB 1985

In einer düsteren Zukunftswelt sorgt ein fehlerhaftes Getriebe im Staatsapparat für eine verhängnisvolle Wendung: Ein winziges Insekt verursacht einen Druckfehler. Statt des bekannten Terroristen Tuttle wird der unschuldige Bürger Buttle verhaftet und hingerichtet. Sam Lowry, ein Beamter im Informationsministerium, entdeckt den fatalen Irrtum und riskiert alles, um der Witwe von Buttle beizustehen. Dabei stellt er sich mutig gegen den übermächtigen Bürokratieapparat. (lb)

«Die sarkastischen und sardonischen Dialoge sind unglaublich clever und strotzen vor Spott. Die Montage beeindruckt durch herrlich widersprüchliche Schnitte und brillante Gegenüberstellungen.» (Mike Massie, Gone with the Twins)

Satoshi Kon liess sich von Terry Gilliams «Trilogie der Imagination» inspirieren, um die Vorstellungskraft als aufregende Reise jenseits von

23 Satoshi Kon
Only Yesterday. → Mind Game
→ Memories / HN
→ Paranoia Agent © 1991 Hotaru Okamoto / Yuko Tone / Studio Ghibli

Zeit und Raum einzusetzen. Insbesondere die kunstvolle Inszenierung von Brazil sowie die Verwischung von Traum und Realität hatten grossen Einfluss auf Kons Schaffen. (lb)

142 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Terry Gilliam // DREHBUCH Charles McKeown, Tom Stoppard, Terry Gilliam // KAMERA Roger Pratt // MUSIK Michael Kamen // SCHNITT

Julian Doyle // MIT Jonathan Pryce (Sam Lowry), Robert De Niro (Harry Tuttle), Katherine Helmond (Ida Lowry), Ian Holm (Kurtzmann), Bob Hoskins (Spoor), Michael Palin (Jack Lint), Ian Richardson (Warrenn), Kim Greist (Jill Layton), Peter Vaughan (Mr. Helpmann).

TRÄNEN DER ERINNERUNG –

ONLY YESTERDAY (Omohide poro poro) Japan 1991

«Only Yesterday ist eine einfache Geschichte der Selbstfindung vor der wunderschön animierten Kulisse des ländlichen Yamagata auf der Insel Honshu. Hierhin reist die unverheiratete 27-jährige Taeko aus Tokio eines Sommers, um an der örtlichen Färberdistel-Ernte teilzunehmen. Vom Rhythmus des Landlebens eingelullt und sanft von ihrem Cousin zweiten Grades Toshio umworben, wird Taeko von Erinnerungen an ihre Schulzeit heimgesucht. (…) Es lohnt sich wirklich, diesen aussergewöhnlich reichhaltigen, nachdenklichen und tief bewegenden Film wieder auf der grossen Leinwand zu sehen.» (Tom Huddleston, Time Out, 5/2016)

In der Manga-Filmadaption von Only Yesterday fliessen Realität und Erinnerungen allmählich zusammen. Dadurch wird der Film als Vorläufer von Satoshi Kons Erkundung unterschiedlicher Realitätsebenen und des Zusammenspiels von Vergangenheit und Gegenwart angesehen. In dieser Hinsicht kann er als entfernter Verwandter von Kons Millennium Actress betrachtet werden. (lb)

118 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Isao Takahata // DREHBUCH Isao Takahata, nach dem Manga von Hotaru Okamoto // KAMERA Hisao Shirai // MUSIK Katsu Hoshi // MIT DEN STIMMEN VON Miki Imai (Taeko Okajima), Youko Honna (Taeko als Kind), Toshiro Yanagiba (Toshio), Masahiro Ito (Herr Okajima), Michie Terada (Frau Okajima).

MIND GAME (Maindo gêmu)

Japan 2004

«Masaaki Yuasas eigenwilliger und unterhaltsamer Film Mind Game verzichtet auf konventionelle Animationsstile und setzt stattdessen auf Expressionismus. Er erzählt die Liebesgeschichte von

Nishi, einem Comic-Autor, der eine zweite Chance im Leben erhält, nachdem er von einem tyrannischen Profifussballer brutal mit einer Pistole in den Anus geschossen worden ist. Die reichhaltige Textur der Animation schwankt anmutig zwischen surrealen Höhenflügen und zarter, romantischer Laune, wobei sich der Grossteil der Geschichte im Bauch eines bösartigen Wals abspielt. Produziert von Studio 4° C (verantwortlich für die AnimatrixFilme), ist es ein fantastisch umgesetztes Sammelsurium von animiertem Treibgut, unterbrochen von Momenten trockenen Humors und einer herzzerreissenden Schlussmontage, die dem Film seine Botschaft gibt – jeder Moment zählt.» (David Jenkins, Time Out, 8/2006)

Ein Film, der von Satoshi Kon sofort gefeiert wurde. (lb)

103 Min / Farbe / Digital HD / Jap/d // REGIE Masaaki Yuasa // DREHBUCH Masaaki Yuasa, nach dem Manga von Robin Nishi // MUSIK Seiichi Yamamoto // SCHNITT Kyoko Mizuta // MIT DEN STIMMEN VON Koji Imada (Nishi), Sayaka Maeda (Myon), Takashi Fujii (alter Mann), Seiko Takuma (Yan), Tomomitsu Yamaguchi (Ryo), Toshio Sakata (Vater), Joji Shimaki (Yakuza-Boss).

THE GIRL WHO LEAPT THROUGH TIME (Toki o kakeru shôjo)

Japan 2006

«Eine herausragende Anime-Komödie voller Witz, Energie und verrückter Einfälle, bei der Zeitreisen dazu dienen, die emotionalen Sorgen einer dynamischen, wenn auch etwas schusseligen jungen Schülerin namens Makoto zu lindern. Sie ärgert häufig ihre Familie, hat Schwierigkeiten in der Schule und kommt mit den romantischen Annäherungsversuchen ihres gelassenen Klassenkameraden Chiaki nicht zurecht. Doch eines Tages ändert sich ihr Leben drastisch, als sie die Fähigkeit erhält, dank einer magischen Walnuss durch die Zeit zu springen.» (David Jenkins, Time Out, 9/2008)

The Girl Who Leapt Through Time, produziert von Madhouse, demselben Studio, das auch für Satoshi Kons Filme verantwortlich war, scheint von deren wiederkehrendem Motiv des «laufenden Mädchens» inspiriert worden zu sein. Ausserdem basiert der Film auf einem Buch von Yasutaka Tsutsui, einem renommierten Autor, der auch die Vorlage für Kons Paprika geschrieben hat. (lb)

100 Min / Farbe / DCP / Jap/e // REGIE Mamoru Hosoda // DREHBUCH Satoko Okudera, Yasutaka Tsutsui // KAMERA

Katsutoshi Sugai // MUSIK Kiyoshi Yoshida // SCHNITT

Shigeru Nishiyama // MIT DEN STIMMEN VON Riisa Naka (Makoto Konno), Takuya Ishida (Chiaki Mamiya), Mitsutaka Itakura (Kosuke Tsuda), Ayami Kakiuchi (Yuri Hayakawa).

25 Satoshi Kon
→ Inception
→ Your Name
→ Spider-Man: Into the Spider-Verse → Black Swan → The Girl Who Leapt Through Time © 2017 Universum Film

INCEPTION

USA/GB 2010

Cobb, ein erfahrener Meisterdieb, beherrscht die Kunst, schlafenden Menschen Geheimnisse zu entwenden. Doch diesmal erhält er den Auftrag, während eines Fluges von Sydney nach Los Angeles das Umgekehrte zu tun: dem Erben eines Industrieimperiums die Idee einzupflanzen, sein Unternehmen zu verkaufen. Mit einem Expertenteam stellt Cobb sich dieser riskanten Mission. (lb)

«Inception ist ein atemberaubendes ScienceFiction-Epos, eine Neuauflage von Matrix für die Generation Z, ein paranoider Unternehmensthriller und ein One-Last-Job-Heist-Movie. (…) Dieser Film ist fesselnd, mitreissend, fast unbeschreiblich und der jüngste Beweis dafür, dass Christopher Nolan vielleicht der gewiefteste Erzähltaktiker ist, der heute Filme macht.» (Amy Biancolli, San Francisco Chronicle, 7/2010)

Obwohl Christopher Nolan nie öffentlich bestätigt hat, dass Satoshi Kons Paprika eine direkte Inspiration für Inception war, sind die inhaltlichen und visuellen Ähnlichkeiten nicht zu übersehen. (lb)

148 Min / Farbe / 35 mm / E/d / ab 14 // DREHBUCH UND REGIE Christopher Nolan // KAMERA Wally Pfister // MUSIK

Hans Zimmer // SCHNITT Lee Smith // MIT Leonardo DiCaprio (Dominick Cobb), Ken Watanabe (Saito), Joseph Gordon-Levitt (Arthur), Marion Cotillard (Mal), Ellen Page (Ariadne), Tom Hardy (Eames), Cillian Murphy (Robert Michael Fischer), Tom Berenger (Peter Browning), Michael Caine (Stephen Miles).

BLACK SWAN

USA 2010

Die perfektionistische Balletttänzerin Nina widmet ihr ganzes Leben dem Tanz. Als Regisseur Thomas Leroy sie überraschend für die ambivalente Hauptrolle in «Schwanensee» auserwählt, ist sie überglücklich. Doch mit jedem Tag spürt sie den unaufhaltsamen Druck, sowohl beruflich als auch privat. Und dann ist da noch Thomas’ neue Muse Lily. Nina empfindet sie als ernsthafte Rivalin und gerät dadurch zunehmend in einen paranoiden Zustand, der sie an den Rand des Wahnsinns treibt.

Die markanten visuellen Parallelen und die inhaltliche Verwandtschaft zwischen Black Swan und Satoshi Kons Kultfilm Perfect Blue sind unübersehbar. Interessanterweise hat Aronofsky die Rechte von Kon erworben, ohne die Quelle seiner Inspiration öffentlich zu machen. (lb)

108 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Darren Aronofsky // DREHBUCH Andres Heinz, Mark Heyman // KAMERA

Matthew Libatique // MUSIK Clint Mansell // SCHNITT

Andrew Weisblum // MIT Natalie Portman (Nina Sayers), Vincent Cassel (Thomas Leroy), Mila Kunis (Lily), Barbara Hershey (Erica Sayers), Winona Ryder (Beth MacIntyre).

SPIDER-MAN: INTO THE SPIDER-VERSE USA 2018

«Ein latino-amerikanischer Teenager tritt in die Fussspuren von Spider-Man und bekommt es mit einem Superschurken zu tun, der mit einer Maschine unter New York in andere Dimensionen durchbrechen will. Unerwartete Hilfe im Kampf gegen die Gefährdung der Stadt erhält der Heranwachsende durch teilweise recht skurrile SpiderMan-Varianten, die es aus anderen Welten in seine Realität verschlägt. Der Superhelden-Animationsfilm nach Marvel-Comic-Motiven spielt formal brillant mit der Comic-Ästhetik und nutzt das Thema des Spider-Man-Multiversums für visuelle Feuerwerke. Zugleich bricht er mit der Vielzahl der Spider-Man-Varianten eine Lanze für die Vielfalt von Heldenbildern.» (Felicitas Kleiner, Filmdienst)

Satoshi Kon war eine bedeutende Inspiration für Spider-Man: Into the Spider-Verse, wie Koregisseur Rodney Rothman betonte. Kons subtile Erzählweise, Texturen und Risikobereitschaft beeindruckten das Team und motivierten es zu ähnlichen kreativen Höhen. (lb)

117 Min / Farbe / DCP 3D / E // REGIE Bob Persichetti, Peter Ramsey, Rodney Rothman // DREHBUCH Phil Lord, Rodney Rothman // MUSIK Daniel Pemberton // SCHNITT Robert Fischer Jr. // MIT DEN STIMMEN VON Shameik Moore (Miles Morales/Spider-Man), Brian Tyree Henry (Jefferson Davis), Lauren Vélez (Rio Morales), Mahershala Ali (Aaron Davis/ Prowler), Chris Pine (Peter Parker/Spider-Man), Hailee Steinfeld (Gwen Stacy/Ghost-Spider), Jake Johnson (Peter B. Parker/Spider-Man), Nicolas Cage (Peter Parker/SpiderMan Noir).

27 Satoshi Kon

ANIMIERTE GRENZÜBERSCHREITUNGEN:

VORTRAG MIT FILMAUSSCHNITTEN VON OSWALD ITEN

AYA SUZUKI – EINBLICKE IN DIE WELT VON MI, 20. SEPT. | 18.30 UHR

SATOSHI KONS ANIMATORIN | VORTRAG UND GESPRÄCH

Aya Suzuki arbeitet seit über 15 Jahren als Künstlerin in der Film- und Animationsbranche an einer Vielzahl von Projekten auf der ganzen Welt. Zu ihren Arbeiten gehören nicht nur japanische Animes mit Regisseuren wie Hayao Miyazaki, Mamoru Hosoda und Satoshi Kon, sondern auch Projekte mit Mainstream-Hollywoodstudios wie Netflix und Disney. In ihrem Vortrag wird Suzuki über ihren beruflichen Werdegang und ihre Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit Satoshi Kon an seinem unvollendeten Film Dreaming Machine berichten – und vielleicht überrascht sie uns sogar mit unveröffentlichten Bildern und Skizzen aus diesem Projekt. Wir präsentieren den Anlass in Kooperation mit dem FantocheFestival und der Unterstützung des Fördervereins Lumière

Ausgehend von Satoshi Kons Kinofilmen und der TV-Serie Paranoia Agent beleuchtet der Filmwissenschaftler und Animator Oswald Iten wiederkehrende formale und thematische Elemente im Werk des japanischen Künstlers und wirft Schlaglichter auf filmhistorische Kontexte. Der Vortrag behandelt nicht nur die charakteristischen Grenzüberschreitungen zwischen unterschiedlichen Realitätsebenen, sondern auch die allgegenwärtige Medialisierung und Gesellschaftskritik. Iten wird auch darauf eingehen, wie die filmische Umsetzung die kritischen Botschaften in gewissen Fällen unterwandert. DABURU PAKKU – ANIME IM DOPPELPACK

MIT COSPLAY-CATWALK UND KARAOKE

Die Schweizer Anime-Community hat zwei Kultfilme ausgewählt. In der Pause lädt das für seine Expertise geschätzte Moderationsduo Tobi und Piri zum Cosplay-Catwalk. Für japanische Verpflegung ist auch gesorgt, und am Schluss schmeisst das Filmpodium die Karaokeanlage an. Wer im Cosplay erscheint, erhält an der Kinobar ein Gratisgetränk. Weiter Infos auf: filmpodium.ch

18.00 Uhr: Das Schloss im Himmel

20.45 Uhr: Cosplay-Catwalk mit Wettbewerb

21.15 Uhr: Your Name

21.30 Uhr: Karaoke in der Filmpodium-Lounge

Der Daburu-Pakku-Abend entstand dank beratender Begleitung von Yannic Barbato, Kori Reichmuth, Patrick Amrhein, Roger Zingg und wird unterstützt durch:

und die Cosplayerinnen Ameelah, Neko Yona und Redsoul

Satoshi Kon
INTERNATIONALES FESTIVAL FÜR ANIMATIONSFILM BADEN /SCHWEIZ
KON – DI, 8. AUG. | 20.30 UHR
SATOSHI
SA, 16. SEPT. | AB 18.00 UHR
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DAS SCHLOSS IM HIMMEL

(Tenkû no shiro Rapyuta)

Japan 1986

Im Zeitalter der industriellen Revolution: Das Waisenmädchen Sheeta ist im Besitz eines magischen Steins, der den Weg nach Laputa weist – einer legendären fliegenden Insel. Sie wird verfolgt von Dora mit ihren skurrilen Himmelspiraten, von der Armee und dem Agenten Muska, weil auf der Insel Schätze und mächtige Waffen vermutet werden. Ihr zur Seite steht der Bergwerksgehilfe Pazu, der auf den Spuren seines verstorbenen Vaters ebenfalls auf der Suche nach Laputa ist. Zusammen versuchen sie ihren Verfolgern zu entkommen und das Rätsel um das Schloss im Himmel zu lösen. (pm)

Während seiner Schulzeit war Satoshi Kon ein leidenschaftlicher Anime-Fan. Er liebte es, sich Serien wie Future Boy Conan von Hayao Miyazaki anzuschauen. Das Schloss im Himmel greift einige Elemente der Serie auf und entwickelt sie weiter.

(lb)

124 Min / Farbe / 35 mm / Jap/d/f / ab 10 // DREHBUCH UND

REGIE Hayao Miyazaki // KAMERA Hirokata Takahashi // MUSIK Joe Hisaishi // SCHNITT Hayao Miyazaki, Yoshihiro Kasahara, Takeshi Seyama // MIT DEN STIMMEN VON Keiko Yokozawa (Sheeta), Mayumi Tanaka (Pazu), Kotoe Hatsui (Dora), Minori Terada (Musca), Fujio Tokita (Onkel Pom).

xenix.ch / Buck and the Preacher (1972)

YOUR NAME (Kimi no na wa) Japan 2016

Mitsuha, eine Oberschülerin aus dem verschlafenen Itomori, träumt von einem aufregenden Leben als Junge in Tokio. Taki, ein Oberschüler aus ebendieser Grossstadt, sehnt sich hingegen nach Ruhe in der idyllischen Provinz. Eines Morgens wird ihr Wunsch erfüllt: Von nun an tauschen sie regelmässig ihre Körper! Im Chaos, das entsteht, jonglieren sie mit neuen Alltagsproblemen und hinterlassen einander aufschlussreiche Notizen. Eine geheimnisvolle Verbindung entsteht, die abrupt abbricht.

Der Regisseur von Your Name, Makoto Shinkai, ist ein grosser Fan von Satoshi Kons Filmen und lässt sich vor allem von deren Spiel mit Zeit und Raum inspirieren. (lb)

107 Min / Farbe / DCP / Jap/d // DREHBUCH, REGIE, KAMERA

Makoto Shinkai // MUSIK Radwimps // SCHNITT Makoto Shinkai // MIT DEN STIMMEN VON Ryunosuke Kamiki (Taki Tachibana), Mone Kamishiraishi (Mitsuha Miyamizu), Masami Nagasawa (Miki Okudera), Etsuko Ichihara (Hitoha Miyamizu), Ryo Narita (Katsuhiko Teshigawara).

29 Satoshi Kon 14. JULI–18. AUGUST 2023
© Wilson Webb DCM

Cate Blanchett Puts a Spell on You

Cate Blanchetts Aura kann man sich nur schwer entziehen. Sie ist keine Diva, aber ein Star. Eine Frau von Format. Sie hat mit den Besten der Besten gedreht, ob Scorsese, Spielberg, Fincher oder Soderbergh. Ihre schier unendliche Wandlungsfähigkeit macht sie für Arthousefilme und Hollywood-Blockbuster gleichermassen interessant. Aber das grösste Geheimnis ihrer Kunst ist sie selbst: immer ungreifbar, immer voll da, immer ganz und gar.

Schon ihre erste Begegnung ist ein einziger Flirt: Als sich die Blicke der eleganten Hausfrau Carol (Cate Blanchett) und der Verkäuferin Therese (Rooney Mara) in der Spielwarenabteilung eines Kaufhauses treffen, scheint im New York der 1950er­Jahre für einen Augenblick die Zeit stillzustehen. Ein flüchtiger Wortwechsel, tastende Fragen, absichtlich liegengelassene Damenhandschuhe, mehr braucht es nicht für den Beginn dieser lesbischen Romanze –und mehr darf nicht sein. Carol steckt mitten im Scheidungsprozess von ihrem Ehemann. Später wird er ihre geheime Liebschaft gegen seine Gattin verwenden. Sie muss fürchten, das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter zu verlieren. Aber die Sehnsucht ist stärker. Die Chemie zwischen ihr und Therese ist greifbar und universell. Und irgendwann kann Carol der alles sprengenden Liebe nicht mehr widerstehen.

Cate Blanchett, die sich als Carol dem Schmerz und dem Verlangen ihrer Figur in Todd Haynes’ gleichnamigem Film mit grösster Sorgfalt und Empathie annähert, geht es ähnlich: Auch sie kennt kein Halten mehr, wenn sie die Leidenschaft packt. Sie liebt das Spielen, die Verwandlung, das Gefühl, auf einer Bühne oder vor der Kamera zu stehen. Nicht umsonst ist sie eine der aufregendsten Schauspielerinnen ihrer Generation. Acht Oscarnominierungen und zwei Trophäen sprechen für sich. Allein ihre Hauptrolle in Woody Allens Blue Jasmine (2013) brachte ihr insgesamt fast vierzig Auszeichnungen ein. Erst im Frühjahr erhielt sie ihren vierten Golden Globe für die Darstellung einer um die Welt jettenden Stardirigentin in Todd Fields furiosem Psychodrama Tár (2022), einer Frau, die an sich selbst, ihrer Schuld und der Gesellschaft zerbricht. Es gibt kaum eine Rolle in ihrer bisher über siebzig Filme und zwanzig Theaterproduktionen umfassenden Biografie, für die sie keine offizielle Anerkennung erhielt.

↑ Babel: Verschränkte Schicksale

→ Carol: Sehnsucht, Verführung und Einsamkeit

↓ Tár: Getriebenes Genie

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Verwandlungskünstlerin zwischen Kunst und Kommerz

Aber es ist nicht ihr Ruhm, an dem sich die Faszination für die 1969 in Melbourne geborene Vollblutschauspielerin festmachen lässt. Cate Blanchett, die in jedem Film einen Kraftakt vollbringt, ist auf der Leinwand wie im Leben seltsam unnahbar und wahrhaftig zugleich. Stets vermittelt sie im Kino den Eindruck, als lebe sie ihre Figuren, als kämpfe, liebe und leide sie mit ihnen, als ginge es um alles oder nichts. Gleichzeitig wirkt sie in der Öffentlichkeit immer ein bisschen distanziert, extrem professionell und hochkontrolliert. Wie gut sie ist, weiss man spätestens, seit sie 1998 in Shekhar Kapurs historischem Biopic Elizabeth der englischen Königin Rückgrat und Würde verlieh. Kaum ein Jahr zuvor hatte sie in ihrer ersten internationalen Produktion, Paradise Road von Bruce Beresford, an der Seite von Glenn Close und Frances McDormand in einer Nebenrolle geglänzt. Heute wechselt sie schlafwandlerisch zwischen Kunst und Kommerz, ganz gleich, ob sie in der kinotauglichen Filminstallation Manifesto (2015) des deutschen Künstlers Julian Rosefeldt gleich ein ganzes Dutzend verschiedener Archetypen auf einmal verkörpert oder als intrigante Bösewichtin im Marvel­Universum von Thor: Ragnarok (2017) indirekt und herrlich selbstironisch ihre weise Elbenfürstin Galadriel aus Peter Jacksons Herr der Ringe­Trilogie (2001–2003) konterkariert. Mit ihrer fast überirdischen Bandbreite ist die Australierin vielleicht das schönste Rätsel, das Hollywood dem Publikum jemals aufgegeben hat. Blanchett weiss das, und man merkt ihr eine fast diebische Freude an dieser Herausforderung an. Die grosse Verwandlungskünstlerin, die auch in der Öffentlichkeit ihre Fassade nie ganz fallen lässt, spielt immer präzise und tief, mit einem schier unendlichen Repertoire an Gesten und Emotionen im Blick. Bei ihr wird aus Ernst mit einem Wimpernschlag Ironie, und es besteht stets die Gefahr, dass ihre Schönheit ohne Vorwarnung ins Böse, Brutale oder Vulgäre kippt. Sie kann fantastisch glamourös sein wie ihre Katherine Hepburn in Martin Scorseses The Aviator (2004), in Guillermo del Toros Retro­Noir Nightmare Alley (2021) eine fabelhaft grausame Psychologin mimen oder in I’m Not There (2007) von Todd Haynes als eine fiktive Version von Bob Dylan durchgehen. Oft quält sie sich mit ihren Figuren durch die dunkleren Korridore menschlicher Komplexität, wie die ehemalige Heroinsüchtige Tracy, die in Rowan Woods’ Little Fish (2005) mühsam versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen. Ein andermal ergraut sie für David Fincher in The Curious Case of Benjamin Button (2008) dermassen graziös, dass sie selbst den sich an ihrer Seite stetig verjüngenden Brad Pitt alt aussehen lässt.

Komplexe Frauenfiguren mit Tiefgang

Am liebsten sind ihr die anspruchsvollsten Rollen: Frauen, die anecken, aus dem Rahmen fallen, in Ungnade stürzen, herausfordern – nicht nur sich selbst. Blanchett befreit ihre Protagonistinnen aus sämtlichen Klassen und Konven­

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tionen, die ihnen nicht nur in Hollywood traditionell zugeschrieben werden

aber sie kommen meist nicht ungeschoren davon. So wie besagte Jasmine, eine von Blanchetts Paraderollen, die in Allens meisterhafter Tragikomödie ihren Traum von einem sorgenfreien Luxusleben begraben muss, weil sich ihr Ehemann mit seinen dubiosen Geschäften ins Aus katapultiert hat. Oder die erfolgreiche TV­Produzentin und CBS­Journalistin Mary Mapes in Truth (2015), die im Vorfeld der Wahlen 2004 wegen einer Reportage über Präsident George W. Bush ins Kreuzfeuer gerät. Schon in ihrer ersten tragenden Rolle als junge Glasfabrikantin in Gillian Andersons historischer Romanze Oscar and Lucinda (1997) rüttelte sie an der Seite von Ralph Fiennes unbändig an bestehenden Normen und gab ihrer Spielwut freien Lauf – im doppelten Sinn: Das ungleiche Paar im Film vereint eine Leidenschaft fürs Zocken, fürs Risiko und für unmögliche Ideen. Und auch Sheba, die junge, idealistische Lehrerin, die in Notes on a Scandal (2006) eine Affäre mit einem minderjährigen Schüler eingeht und dadurch für ihre ältere Kollegin (Judi Dench) erpressbar wird, legt Blanchett in einem Dazwischen aus Melancholie und Lebenshunger an.

Es ist charakteristisch für die Tochter einer Lehrerin und eines texanischen Werbefachmanns mit Militärvergangenheit, dass Blanchett ihren Aufstieg zum Filmstar ausschliesslich ihrer Arbeit verdankt. «Ich war auf der Schauspielschule, hätte aber nie gedacht, dass ich überhaupt in der Lage bin, im Filmgeschäft zu bestehen», sagt sie heute mit ihrem unwiderstehlichen Strahlen im Blick. «Als ich die Chance bekam, habe ich Blut geleckt.» Viel mehr verrät sie nicht. Über ihr Privatleben gibt Blanchett bekanntlich nur das Nötigste preis. Dass sie Mutter von vier Kindern ist, erzählt sie nur gern, weil sie stolz auf ihren Nachwuchs ist. 2008 traf sie die riskante Entscheidung, ihre Filmengagements einzuschränken, um sich mehr auf die Familie zu konzentrieren und gemeinsam mit ihrem langjährigen Ehemann, dem Bühnenautor Andrew Upton, die künstlerische Leitung der Sydney Theatre Company zu übernehmen. Ihr war damals durchaus bewusst, dass dieser Schritt ein Wagnis bedeutete; ein Fehler, wie viele behaupteten, war es ihrer Ansicht nach nicht: «Ich glaube, dass ich dadurch eine bessere Schauspielerin geworden bin.» Ein Blick auf ihre unzähligen schillernden, komplexen und kompromisslosen Rollen, die einen immer wieder aufs Neue in ihren Bann ziehen, gibt ihr recht.

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Pamela Jahn Pamela Jahn (pj) ist Autorin, Kuratorin und Filmjournalistin und schreibt u. a. für «Sight & Sound» und das «Electric Sheep Magazine». Sie lebt in London. → Elizabeth. → The Aviator → Heaven → Oscar and Lucinda. → An Ideal Husband

OSCAR AND LUCINDA

USA/GB/Australien 1997

Zwei Aussenseiter, eine Wette und der Beginn einer zarten Liebesgeschichte Mitte des 18. Jahrhunderts: Oscar (Ralph Fiennes) ist ein weltentrückter Schwärmer mit streng katholischer Erziehung und der Seele eines Engels. Lucinda dagegen hat ein Vermögen geerbt und ist plötzlich Glasfabrikantin. Cate Blanchett verkörpert sie als eine junge Frau, die unbändig an den Konventionen ihrer Zeit rüttelt. Gemeinsam sind dem ungleichen Paar die Sehnsucht, ihre Leidenschaft fürs Spielen und ein unmöglicher Traum, der an den Grössenwahn Fitzcarraldos erinnert: Lucinda will eine Glaskirche ins australische Outback verfrachten, und Oscar wettet, dass es gelingen kann.

Gillian Armstrongs märchenhaftes Drama nach einem Roman von Peter Carey erzählt in stimmungsvollen Bildern die Geschichte einer kindlichen Liebe zwischen den Welten – und zeigt Blanchett in ihrer ersten grossen Kinorolle. (pj)

132 Min / Farbe / 35 mm / E/schwed/d // REGIE Gillian Armstrong // DREHBUCH Laura Jones, nach dem Roman von Peter Carey // KAMERA Geoffrey Simpson // MUSIK Thomas Newman // SCHNITT Nicholas Beauman // MIT Ralph Fiennes (Oscar Hopkins), Cate Blanchett (Lucinda Leplastrier), Ciarán Hinds (Reverend Dennis Hasset), Tom Wilkinson (Hugh Stratton), Richard Roxburgh (Herr Jeffries), Clive Russell (Theophilus), Bille Brown (Percy Smith).

ELIZABETH

GB 1998

So schnell kann es gehen: Gerade wollte die katholische Königin Mary ihre Halbschwester Elizabeth (Cate Blanchett) aus Angst vor deren protestantischer Gesinnung noch töten lassen. Doch kurz darauf liegt sie im Sterben, ändert ihre Meinung – und überlässt Elizabeth den Thron. Die neue, junge Herrscherin wird in eine aufgewühlte Welt politischer Veränderungen und religiöser Konflikte hineingestossen. Doch anstatt so schnell wie möglich zu heiraten, wie es von ihr erwartet wird, setzt Elizabeth ihre Liebschaft mit Dudley, dem Earl of Leicester (Joseph Fiennes), fort. Sie kämpft darum, ihre Macht, ihr Leben und ihre Unabhängigkeit zu schützen, während am Hof Intrigen und Verschwörungen walten.

Elizabeths Verwandlung vom sinnlichen Hitzkopf zur hartherzigen Königin steht im Zentrum von Shekhar Kapurs kraftvoll und klug inszeniertem Historiendrama, das hinter seiner opulenten Fassade auch Fragen von Macht und Moral, Weiblichkeit und Politik im England des 16. Jahrhunderts untersucht. Blanchetts grandioser Auftritt als

kompromisslose Monarchin verhalf ihr zum internationalen Durchbruch. Sie ist das Gesicht und das Rückgrat des Films in einer Rolle, für die sie völlig zu Recht ihre erste Oscarnominierung erhielt. (pj)

123 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Shekhar Kapur // DREHBUCH Michael Hirst // KAMERA Remi Adefarasin // MUSIK David Hirschfelder // SCHNITT Jill Bilcock // MIT Cate Blanchett (Elisabeth I.), Geoffrey Rush (Sir Francis Walsingham), Christopher Eccleston (Herzog von Norfolk), Joseph Fiennes (Robert Dudley, Graf von Leicester), Richard Attenborough (Sir William Cecil), Fanny Ardant (Marie de Guise), Vincent Cassel (Duc d‘Anjou).

AN IDEAL HUSBAND

GB/USA 1999

Basierend auf einem Bühnenstück von Oscar Wilde, dreht sich in Parkers Film zunächst alles um eine Intrige im klassisch-komödiantischen Stil. Auf einer Party inmitten der Londoner High Society unterbreitet die so verführerische wie intrigante Mrs. Cheveley (Julianne Moore) dem Hausherrn Sir Robert Chiltern (Jeremy Northam) ein Angebot, das er nicht ablehnen kann: Sie weiss um die dubiosen Machenschaften, die ihm einst zu seinem Vermögen verhalfen; im Gegenzug für ihr Schweigen soll er ein höchst fragwürdiges Projekt unterstützen, in das sie ihr gesamtes Geld investiert hat. Auf dem Spiel steht nicht nur Roberts politische Karriere, sondern auch die glückliche Ehe mit seiner Frau Gertrude (Cate Blanchett). Weitere Irrungen und Wirrungen, in die auch Roberts bester Freund, der Dandy Lord Arthur Goring (Rupert Everett), und seine Schwester Mabel (Minnie Driver), verwickelt sind, verdichten den Plot dieser charmanten Leinwandadaption mit Starbesetzung und pointierten Dialogen, in der Blanchett ihre Nebenrolle mit Charisma und Verve aufwertet. (pj)

97 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Oliver Parker // DREHBUCH Oliver Parker, nach demTheaterstück von Oscar Wilde // KAMERA David Johnson // MUSIK Charlie Mole // SCHNITT Guy Bensley // MIT Cate Blanchett (Lady Gertrude Chiltern), Julianne Moore (Mrs. Laura Cheveley), Minnie Driver (Miss Mabel Chiltern), Rupert Everett (Lord Arthur Goring), Jeremy Northam (Sir Robert Chiltern), John Wood (Lord Caversham), Lindsay Duncan (Lady Markby), Peter Vaughan (Phipps).

HEAVEN

Als ihr Mann durch die Hand eines Drogendealers sein Leben verliert, muss die britische Englischlehrerin Philippa (Cate Blanchett) sich entscheiden: nichts tun, wie die Polizei, oder der ganzen Wut und Trauer in ihr Platz machen, so gut es

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Deutschland/Italien/GB/Frankreich/USA 2002

geht. Sie entschliesst sich zur Rache. Doch die Bombe, die sie im Büro des Mörders platziert, trifft vier unschuldige Menschen. Als Philippa von dem Unglück erfährt, weicht ihr Starrsinn in Sekundenschnelle dem Schock, dann dem Entsetzen und schliesslich dem Schmerz. Sie stellt sich und trifft beim Verhör auf den jungen Carabiniere Filippo (Giovanni Ribisi), der ihr helfen will, ihren Plan bis zur letzten Konsequenz durchzuziehen, weil er in ihr eine verwandte Seele erkennt.

Tom Tykwer inszeniert seinen romantischen Thriller nach einem Drehbuch von Krzysztof Kieslowski mit kluger Hand und Feuer im Herzen, während Blanchett das grosse Kunststück gelingt, uns leidenschaftlich mit einer Frau mitfühlen zu lassen, die aus der Verzweiflung heraus ein unverzeihliches Verbrechen begeht. (pj)

97 Min / Farbe / 35 mm / E+I/d // REGIE Tom Tykwer // DREHBUCH Krzysztof Piesiewicz, Krzysztof Kieslowski // KAMERA

Frank Griebe // SCHNITT Mathilde Bonnefoy // MIT Cate Blanchett (Philippa), Giovanni Ribisi (Filippo), Remo Girone (Filippos Vater), Stefania Rocca (Regina), Alessandro Sperduti (Ariel), Mattia Sbragia (Maj. Pini).

THE AVIATOR USA 2004

Er war ein Mann wie massgeschneidert für ein grosses Hollywoodepos: Als Filmmogul, Flugpionier und Frauenheld ging Howard Hughes nicht nur in die Filmgeschichte ein. Wie Martin Scorsese in seinem angemessen mondänen Biopic zeigt, war der 1976 verstorbene texanische Industrielle nicht nur ein millionenschwerer Exzentriker, der in den zwanziger Jahren Hollywood und seine schönsten Frauen eroberte, sondern auch ein Mann, der die Fliegerei wiederholt revolutionierte und nach einem besonders fatalen Absturz zunehmend mit sich und der Welt kämpfte, unter seiner Drogensucht litt, körperlich verfiel und zurückgezogen seine Marotten pflegte. Leonardo di Caprio spielt Hughes mit einer Wucht und einer charakterlichen Tiefe, die mitreisst und vor allem den Kampf des gebrochenen Überfliegers mit seinen inneren Dämonen greifbar macht. Blanchett ergänzt das Bild mit ihrem Auftritt als Katharine Hepburn, mit der Hughes eine Affäre pflegte. Sie ist witzig, zärtlich und hinreissend zugleich in einer Rolle, für die sie schliesslich ihren ersten Oscar als beste Nebendarstellerin erhielt. (pj)

170 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Martin Scorsese // DREHBUCH John Logan // KAMERA Robert Richardson // MUSIK Howard Shore // SCHNITT Thelma Schoonmaker // MIT Leonardo DiCaprio (Howard Hughes), Cate Blanchett (Katharine Hepburn), Kate Beckinsale (Ava Gardner), John C. Reilly (Noah Dietrich), Alec Baldwin (Juan Trippe), Alan Alda

(Senator Ralph Owen Brewster), Ian Holm (Professor Fitz), Gwen Stefani (Jean Harlow), Jude Law (Errol Flynn).

THE LIFE AQUATIC WITH STEVE ZISSOU USA 2004

Der Ozeanograf Steve Zissou (Bill Murray), bekannt als Exzentriker und Regisseur fantastischer Dokumentarfilme, ist auf eigener Mission: Nachdem er miterlebt hat, wie ein gefrässiger Jaguar-Hai seinen besten Freund verschlingt hat, sinnt er auf Rache. Mit einem bunt gemischten Team an seiner Seite begibt er sich auf eine waghalsige Expedition, an der auch sein Sohn Ned (Owen Wilson) teilnimmt. Was die Sache nicht einfacher macht. Denn beide haben ein Auge auf die schwangere Journalistin Jane (Cate Blanchett) geworfen, die einen Artikel über Zissou schreibt. Umringt von Andersons gewohntem Ensemble voller Spitzenschauspieler, fügt sich Blanchett nahtlos ins Geschehen ein und schafft es mit viel Ironie und Feingefühl, ihrer Figur eine wunderbar ambivalente Aura zu verleihen, die zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit changiert. (pj)

119 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Wes Anderson // DREHBUCH Wes Anderson, Noah Baumbach // KAMERA Robert D. Yeoman, Stefano Falivene // MUSIK Mark Mothersbaugh // SCHNITT David Moritz // MIT Bill Murray (Steve Zissou), Owen Wilson (Ned Plimpton), Cate Blanchett (Jane WinslettRichardson), Anjelica Huston (Eleanor Zissou), Willem Dafoe (Klaus Daimler), Jeff Goldblum (Alistair Hennessey).

LITTLE FISH

Australien 2005

Cate Blanchett ist Tracy, Anfang dreissig, ein ExJunkie und auch sonst vom Leben nicht verwöhnt. Sie jobbt in einer Videothek und bemüht sich darum, einen Kredit zu bekommen, um das Geschäft vielleicht bald selbst übernehmen zu können. Es ist ein bescheidenes Ziel, aber von allen Seiten werden ihr Hürden in den Weg gestellt: Erst will die Bank ihr nicht helfen, dann macht ihr mit Drogen handelnder Bruder Ray (Martin Henderson) die Sache nicht leichter, und auch Lionel (Hugo Weaving), der Ex ihrer Mutter, spritzt sich in ihrem Beisein Heroin, wann immer er will. Doch als ihr Verflossener Jonny (Dustin Nguyen), der neuerdings als angehender Börsenmakler arbeitet, ihr seine Unterstützung anbietet, kommt doch so etwas wie Hoffnung auf.

Regisseur Rowan Woods versteht es, eine authentische Atmosphäre zu kreieren, in der seine Schauspieler:innen, allen voran Blanchett als Kämpferin in eigener Mission, sich stets frei und auf Augenhöhe bewegen. (pj)

36 Cate Blanchett

BABEL

Frankreich/USA/Mexiko 2006

Ein Schuss geht um die Welt: In der marokkanischen Wüste spielen zwei Brüder aus Langeweile und jugendlichem Leichtsinn mit dem Gewehr des Vaters, bis der kleine Ahmed abdrückt und ein Unglück geschieht: Die amerikanische Touristin Susan Jones (Cate Blanchett) wird lebensgefährlich verletzt. Daraufhin überschlagen sich drei parallele Handlungen. Susans Ehemann Richard (Brad Pitt) bemüht sich im Nirgendwo Nordafrikas verzweifelt um Hilfe für seine Frau, während ihre Kinder zu Hause in L.A. mit der mexikanischen Nanny in einen Grenzkonflikt geraten. In Japan unternimmt derweil ein taubstummes Mädchen, dessen Vater einst der Besitzer der Schusswaffe war, vergebliche Versuche, sich in einer überlauten Grossstadt Gehör zu verschaffen.

Derart verschachtelte Geschichten sind Alejandro González Iñárritus Metier, und er bewegt sich auch hier virtuos über die verschiedenen geografischen und narrativen Grenzen hinweg. Sein Film baut eine überwältigende Wirkung auf, weil er uns auffordert, uns in die Figuren einzufühlen. Sie alle haben ihre Gründe, sie alle arbeiten mit nur wenigen Informationen, sie alle gewinnen unsere Sympathie, nicht zuletzt Blanchett, die in ihrem begrenzten Spielraum als Verwundete in erster Linie mit Gesten und Blicken agiert. (pj)

143 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Alejandro González Iñárritu // DREHBUCH Guillermo Arriaga // KAMERA Rodrigo Prieto // MUSIK Gustavo Santaolalla // SCHNITT Stephen

Mirrione, Douglas Crise // MIT Koji Yakusho (Yasujiro Wataya), Brad Pitt (Richard Jones), Cate Blanchett (Susan Jones), Rinko Kikuchi (Chieko Wataya), Gael García Bernal (Santiago), Adriana Barraza (Amelia).

NOTES ON A SCANDAL

GB 2006

Barbara (Judi Dench), eine in die Jahre gekommene Geschichtslehrerin, hat nur ihre Hauskatze, um die sie sich liebevoll kümmert. Ihre deutlich jüngere Kollegin Sheba (Cate Blanchett) fühlt sich derweil in ihrer Ehe mit einem älteren Mann (Bill Nighy) verloren. Weil Sheba neu an der

Schule ist, freunden sich die beiden schnell an, Barbara hofft sogar insgeheim auf mehr, doch Sheba sucht stattdessen in einer Affäre mit einem minderjährigen Schüler (Andrew Simpson) Trost. Barbara ist bereit, das Geheimnis zu bewahren, aber zu ihren Bedingungen – ihr Herz ist gebrochen und Sheba soll dafür zahlen.

Dench und Blanchett spielen sich in diesem dichten Psychothriller gegenseitig zur Höchstform auf, mit grossem Sinn fürs Detail, für all die kleinen Spannungen und Verzweiflungen, die in ihrer tragisch belasteten Beziehung aufblitzen, aber auch mit einer echten Zärtlichkeit und einem Hauch Melancholie. (pj)

92 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Richard Eyre // DREHBUCH Patrick Marber, nach dem Roman «What Was She Thinking: Notes on a Scandal» von Zoe Heller // KAMERA

Chris Menges // MUSIK Philip Glass // SCHNITT John Bloom // MIT Judi Dench (Barbara Covett), Cate Blanchett (Sheba Hart), Bill Nighy (Richard Hart), Tom Georgeson (Ted Mawson), Michael Maloney (Sandy Pabblem).

I‘M NOT THERE Deutschland/Kanada/USA 2007

Bob Dylan ist ein Phänomen, das sich in keine herkömmliche Biografie pressen lässt. Regisseur Todd Haynes hat deshalb sechs verschiedene Darsteller:innen ausgewählt, unter anderen Christian Bale, Ben Whishaw, Heath Ledger und den jungen Schwarzen Newcomer Marcus Carl Franklin, um in einzelnen Episoden den Mythos und die unzähligen Facetten des schillernden Musikstars auf spielerische Weise zu sezieren. Das Ergebnis dieses gewagten filmischen Experiments ist ein Film voller Verve, Witz und Temperament, der von Haynes’ stilistischer Virtuosität und Imaginationskraft befeuert wird und von seiner erstklassigen Besetzung lebt. (pj)

«Und natürlich die strahlende Cate Blanchett mit ihrem triumphalen Auftritt als Jude Quinn, ein furioser Wiedergänger des elektrifizierten Bob Dylan der mittleren Sechziger: Blanchett ist überragend als flamboyanter Dandy, zorniger Protopunk und widerspenstiges Idol.» (David Kleingers, Der Spiegel)

135 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Todd Haynes // DREHBUCH Todd Haynes, Oren Moverman // KAMERA

Edward Lachman // SCHNITT Jay Rabinowitz // MIT Christian Bale (Jack/Pastor John), Cate Blanchett (Jude), Marcus Carl Franklin (Woody), Richard Gere (Billy), Heath Ledger (Robbie), Ben Whishaw (Arthur), Charlotte Gainsbourg (Claire), David Cross (Allen Ginsberg), Bruce Greenwood (Keenan Jones), Julianne Moore (Alice), Michelle Williams (Coco Rivington), Kris Kristofferson (Erzähler).

37 Cate Blanchett
114 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Rowan Woods // DREHBUCH Jacqueline Perske // KAMERA Danny Ruhlmann // MUSIK Nathan Larson // SCHNITT Alexandre de Franceschi, John Scott // MIT Cate Blanchett (Tracy), Sam Neill (Jockey), Hugo Weaving (Lionel), Martin Henderson (Ray), Noni Hazelhurst (Janelle), Dustin Nguyen (Jonny). → The Life Aquatic with Steve Zissou → Little Fish → Iʼm Not There. → Notes on a Scandal

THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON

USA 2008

Meisterregisseur David Fincher verfilmt frei nach F. Scott Fitzgerald eine aussergewöhnliche Geschichte ganz nach seinem Geschmack und mit einem besonderen Clou: Benjamin (Brad Pitt) erwacht bei seiner Geburt als älterer Mann in einem Pflegeheim in New Orleans und altert in umgekehrter Reihenfolge, bis er eines Tages endlich Kind sein darf. Als er nach zwölf Jahren die Enkelin einer Heimbewohnerin kennenlernt, ist es um ihn geschehen. Daisy (Cate Blanchett) heisst sie, seine grosse Liebe, und sie wird einmal eine schöne Ballerina werden. Derweil taucht sie in Benjamins Leben auf und verschwindet wieder daraus, bis zu dem Moment, wo sie beide endlich für kurze Zeit im selben Alter sind und zusammen die sechziger Jahre erleben können.

Blanchett, die selbst immer gern Tänzerin geworden wäre, macht dabei eine ähnlich erstaunliche physische Wandlung durch wie ihr Co-Star. Aber das Spannende an ihrem Spiel ist, wie behutsam und selbstsicher zugleich sie ihre Daisy durch diese waghalsige Geschichte manövriert. (pj)

165 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE David Fincher // DREHBUCH Eric Roth, Robin Swicord, nach der Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald // KAMERA Claudio Miranda // MUSIK Alexandre Desplat // SCHNITT Kirk Baxter, Angus Wall // MIT Brad Pitt (Benjamin Button), Cate Blanchett (Daisy), Taraji P. Henson (Queenie), Julia Ormond (Caroline), Jason Flemyng (Thomas Button), Tilda Swinton (Elizabeth Abbott), Mahershala Ali (Tizzy), Jared Harris (Kapitän Mike), Elle Fanning (Daisy, 7 Jahre alt).

BLUE JASMINE

USA 2013

Als ihre Ehe mit dem reichen Geschäftsmann Hal (Alec Baldwin) zerbricht, muss die versnobte Jasmine (Cate Blanchett) notgedrungen zu ihrer bescheiden lebenden Schwester Ginger (Sally Hawkins) ziehen. Verzweifelt und psychisch labil, versucht Jasmine, nach aussen weiterhin die gewohnte aristokratische Fassade aufrecht zu halten, doch es gelingt ihr mehr schlecht als recht. Bis sie eines Tages endlich auf einer Party einen Möchtegerndiplomaten (Peter Sarsgaard) kennenlernt, der in ihr seine potenzielle First Lady sieht. Doch kurz vor der Verlobung droht ihr Traum von einem standesgerechten Leben erneut zu zerplatzen.

Woody Allens pointierte Chronik eines sozialen Abstiegs hat nicht umsonst sämtliche grossen und kleinen Filmpreise gewonnen, und auch Blanchett hat ihren zweiten Oscar für ihren Ein-

satz redlich verdient. Sie zieht alle Register der Schauspielkunst und verkörpert ihre Jasmine zugleich so menschlich und tragisch, würdevoll und wahrhaftig, wie es sonst niemand kann. (pj)

98 Min / Farbe / DCP / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE Woody Allen // KAMERA Javier Aguirresarobe // MUSIK Christopher Lennertz // SCHNITT Alisa Lepselter // MIT Cate Blanchett (Jeanette «Jasmine» Francis), Alec Baldwin (Harold «Hal» Francis), Sally Hawkins (Ginger, Jasmines Schwester), Bobby Cannavale (Chili, Gingers Verlobter), Andrew Dice Clay (Augie, Gingers Ex), Louis C. K. (Al, Gingers Liebhaber), Peter Sarsgaard (Dwight Westlake), Michael Stuhlbarg (Dr. Flicker).

CAROL

GB/USA 2015

Im New York der frühen fünfziger Jahre steht die elegante Hausfrau Carol Aird (Cate Blanchett) kurz vor der Scheidung von ihrem Ehemann (Kyle Chandler) – er liebt sie noch immer, aber der Schock über die Affäre seiner Gattin mit ihrer besten Freundin sitzt tief. Als Carol auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für ihre kleine Tochter in der Spielzeugabteilung die Verkäuferin Therese (Rooney Mara) kennenlernt, ist sie so fasziniert, dass sie absichtlich ihre Lederhandschuhe auf dem Ladentisch vergisst. Die beiden Frauen freunden sich an; beide sehnen sich nach mehr. Schliesslich brechen sie im Auto gemeinsam in den Westen auf für eine Reise, die ihre Liebe zueinander besiegelt, bis die Realität sie erneut in aller Härte einholt. (pj)

«Ein bezauberndes kleines Kinowunder, nach dem Roman von Patricia Highsmith. (...) Todd Haynes inszeniert diese Geschichte als zärtliches Melodram über Sehnsucht, Verführung und Einsamkeit.» (David Steinitz, Süddeutsche Zeitung)

118 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Todd Haynes // DREHBUCH Phyllis Nagy, nach dem Roman «The Price of Salt» von Patricia Highsmith // KAMERA Edward Lachman // MUSIK Carter Burwell // SCHNITT Affonso Gonçalves // MIT Cate Blanchett (Carol Aird), Rooney Mara (Therese Belivet), Kyle Chandler (Harge Aird), Sarah Paulson (Abby Gerhard), Jake Lacy (Richard Semco), John Magaro (Dannie McElroy).

MANIFESTO Deutschland/Australien

2014 arbeitete Cate Blanchett mit dem deutschen Künstler Julian Rosefeldt an der Filminstallation «Manifesto», die Rosefeldt anschliessend auch fürs Kino passend gemacht hat. Blanchett spielt darin zwölf verschiedene Rollen, jede repräsentiert einen bestimmten Archetyp: Eine Börsenmaklerin, ein tätowierter Punk, ein Choreograf

39 Cate Blanchett
2015
→ Truth →
Manifesto
→ Thor: Ragnarok → The Curious Case of Benjamin Button
© 2017 DCM ©
→ Blue Jasmine
SquareOne Universum

und ein Maschinenführer sind dabei. In separaten Kapiteln, die sich jeweils an einem anderen Ort, in einer anderen Situation abspielen, hält die Schauspielerin fragmentarische Monologe aus künstlerischen Manifesten verschiedener Autoren. Es geht unter anderem um «Surrealismus», «Architektur» oder «Film». Klingt alles ganz schön theoretisch? Ist es dank Blanchett aber nicht. Indem sie ihre Mimik und Gestik an die jeweilige Figur anpasst, verwandelt sich die Schauspielerin bis zur Unkenntlichkeit. Ihr völlig freies Experimentieren mit Stimme, mit Sprache und Text machen Manifesto zu einem kunstvollen Kinoerlebnis der besonderen Art. (pj)

130 Min / Farbe / DCP / E/d // DREHBUCH UND REGIE

Julian Rosefeldt // KAMERA Christoph Krauss // MUSIK

Ben Lukas Boysen, Nils Frahm // SCHNITT Bob Good // MIT Cate Blanchett.

TRUTH

USA 2015

Wenige Monate vor den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2004 stösst Mary Mapes (Cate Blanchett), Produzentin der Nachrichtensendung «60 Minutes», auf eine Geschichte, die der Traum jedes Investigativjournalisten zu sein scheint. Vertrauliche Informationen belegen, dass George W. Bush den Einfluss seiner Familie genutzt hat, um sich vor dem Einsatz im Vietnamkrieg zu drücken. Eine brisante Angelegenheit, doch Mary Mapes ist entschlossen, der Sache nachzugehen. Unterstützt von ihrem Mentor Dan Rather (Robert Redford), dem legendären TV-Gesicht von CBS, macht sich ihre Redaktion an die Recherche. Wenige Wochen vor der Wahl geht die Geschichte auf Sendung. Doch der Gegenschlag aus dem konservativen Lager lässt nicht lange auf sich warten – und der grosse Scoop droht für Mapes zum privaten und professionellen Albtraum zu werden. (pj)

«In der Oscar-reifen Verkörperung durch Cate Blanchett erleben wir eine starke Frau, engagiert und getrieben von der Suche nach der Wahrheit. Dass Vanderbilt uns ebenso ihre schwierige Beziehung zu einem bornierten Vater zeigt, woraus überhaupt der Ansporn resultiert, Autoritäten kritisch zu beäugen, verleiht der Figur eine Tiefe, Verletzlichkeit und menschliche Grösse gleichermassen.» (Björn Hayer, NZZ)

126 Min / Farbe / DCP / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE

James Vanderbilt // KAMERA Mandy Walker // MUSIK

Brian Tyler // SCHNITT Richard Francis-Bruce // MIT Cate Blanchett (Mary Mapes), Robert Redford (Dan Rather), Topher Grace (Mike Smith), Dennis Quaid (Colonel Roger Charles), Elisabeth Moss (Lucy Scott).

THOR: RAGNAROK USA 2017

Das Schöne an Marvel-Filmen ist, dass man immer und überall problemlos ins Superheldenuniversum einsteigen kann: Zwei Jahre sind vergangen, seit Thor (Chris Hemsworth) zum letzten Mal die Erde besuchte, um mithilfe seiner Franchise-Kollegen, der Avengers, seinen grössten Widersacher Ultron zu bekämpfen. Seine Schwester, die Todesgöttin Hela (Cate Blanchett), kehrt aus der Verbannung zurück, um in Asgard den Untergang der Götter – sprich: Ragnarök – einzuleiten. Thor und sein zwielichtiger Halbbruder Loki (Tom Hiddleston) wollen sich dagegenstellen, doch verschlägt es sie im Kampf zunächst auf den Planeten Sakaar, wo Thor gegen den unglaublichen Hulk vulgo Bruce Banner (Mark Ruffalo) bestehen muss. (pj)

«Der komödienerfahrene Waititi (Hunt for the Wilderpeople) verzichtet zwar nicht auf ernste Momente, richtet aber insgesamt eine Mischung aus Götterepos, Science-Fiction und Comedy an. (...) Dabei legt das gesamte Ensemble ausnahmslos grosse Spielfreude an den Tag: Die Chemie zwischen Hemsworth und Hiddleston ist stimmig wie eh, Blanchett hat Spass an ihrer destruktiven Rolle als verstossene Tochter Odins, und Ruffalo darf sein komödiantisches Talent als Hulk/Banner diesmal besonders ausgiebig demonstrieren.» (Oliver Stangl, ray Filmmagazin)

130 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Taika Waititi // DREHBUCH Christopher Yost, Craig Kyle, Stephany Folsom, Eric Pearson // KAMERA Javier Aguirresarobe // MUSIK Mark Mothersbaugh // SCHNITT Zene Baker, Joel Negron // MIT Chris Hemsworth (Thor Odinson), Tom Hiddleston (Loki Laufeyson), Mark Ruffalo (Bruce Banner/Hulk), Anthony Hopkins (Odin), Cate Blanchett (Hela Odinsdottir), Idris Elba (Heimdall), Jeff Goldblum (Grandmaster), Benedict Cumberbatch (Dr. Stephen Strange).

NIGHTMARE ALLEY

USA/Mexiko/Kanada 2021

«In Krisenzeiten haben Scharlatane Auftrieb. Während in Europa der Zweite Weltkrieg losbricht, steigt Stanton Carlisle (Bradley Cooper) in Amerika zu einem gefeierten Gedankenleser auf. Er beginnt als Hilfskraft bei einem Karneval und geht dort bei einer Hellseherin und ihrem Mann in die Lehre, wobei er ein Naturtalent darin zeigt, Menschen übers Ohr zu hauen. Nachdem er sich die Hellseher-Tricks angeeignet hat, verlässt er den Zirkus mit Molly (Rooney Mara). Mit ihrer GedankenleseNummer unterhalten die beiden reiche Leute. Es braucht nicht viel, damit Stan alle moralischen Be-

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Cate Blanchett

denken vergisst: Er soll einem Ehepaar dabei helfen, Kontakt mit ihrem verstorbenen Sohn aufzunehmen, natürlich für gutes Geld. Um dem Paar übersinnliches Wissen vorzugaukeln, tut er sich mit dessen Psychiaterin (Cate Blanchett) zusammen.» (Gregor Schenker, Tages-Anzeiger)

«Del Toro hat einen prächtigen Film gemacht, er schwelgt in weichen Farbtönen und in Dekors, die so tun, als wäre das Hollywood-Studiokino der 1940er-Jahre quicklebendig. (...) Nightmare Alley ist ein Stück Kinonostalgie, das sich am besten auf einer grossen Leinwand geniessen lässt.» (Bert Rebhandl, TipBerlin)

150 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Guillermo del Toro // DREHBUCH Guillermo del Toro, Kim Morgan, nach dem Roman von William Lindsay Gresham // KAMERA Dan Laustsen // MUSIK Nathan Johnson // SCHNITT Cam McLauchlin // MIT Cate Blanchett (Dr. Lilith Ritter), Bradley Cooper (Stanton Carlisle), Toni Collette (Zeena Krumbein), Willem Dafoe (Clem Hoatley), Richard Jenkins (Ezra Grindle), Ron Perlman (Bruno), Rooney Mara (Molly Cahill), David Strathairn (Pete Krumbein).

TÁR USA 2022

Lydia Tár (Cate Blanchett) ist eine WeltklasseDirigentin, vielleicht die grösste, brillanteste überhaupt. Mit Strenge und Temperament leitet

sie die Berliner Philharmoniker; liiert ist sie mit Sharon (Nina Hoss), der Hauptgeigerin des Orchesters. Ihr Leben scheint so perfekt getaktet wie Mahlers 5. Symphonie, die sie gerade mit ihren Musikern probt. Doch plötzlich werden Zweifel an Lydias harschem Führungsstil laut, als sich eine ehemalige Assistentin das Leben nimmt. Und auch ihre Beziehung zu Sharon bekommt einen Knacks, weil Lydia sich zu sehr um die neue Cellistin im Ensemble bemüht.

Musik und Macht, Mahler und Missbrauchsvorwürfe sowie eine atemberaubende Schauspielerin wie Blanchett – viel mehr braucht Regisseur Todd Field nicht für sein packendes Psychodrama über eine überwältigende Persönlichkeit, die in der Auseinandersetzung mit sich selbst und mit ihrer Schuld an den Rand des Wahnsinns getrieben wird. Blanchett verteidigt ihre Figur nicht, sie lebt sie in jedem Augenblick. Und sie ist so unverschämt gut, dass ihr Spiel buchstäblich schwindelerregend ist. (pj)

158 Min / Farbe / DCP / E/d/f // DREHBUCH UND REGIE Todd Field // KAMERA Florian Hoffmeister // MUSIK Hildur Guðnadóttir // SCHNITT Monika Willi // MIT Cate Blanchett (Lydia Tár), Nina Hoss (Sharon Goodnow), Noémie Merlant (Francesca Lentini), Adam Gopnik (Adam Gopnik), Julian Glover (Andris Davis), Mark Strong (Eliot Kaplan), Sophie Kauer (Olga Metkina), Allan Corduner (Sebastian Brix), Zethphan SmithGneist (Max), Mila Bogojevic (Petra), Sylvia Flote (Krista).

MONIKA WILLI, LYDIA TÁR UND CATE BLANCHETT:

WERKSTATTGESPRÄCH

FR, 11. AUG. | 21.00 UHR

MIT DER ÖSTERREICHISCHEN EDITORIN MONIKA WILLI

Für ihre furiose und präzise Arbeit an Todd Fields TÁR erhielt die Editorin Monika Willi in diesem Frühjahr eine Oscarnomination. Tatsächlich hätte sich Field für die Mitarbeit an seinem Drama um eine getriebene Dirigentin keine kongenialere Künstlerin aussuchen können, denn in Monika Willis Schnittkunst spielen musikalische Parameter eine entscheidende Rolle: Atem, Rhythmus, Kontrapunkt sind Begriffe, die sie selbst oft gebraucht, um ihre Herangehensweise zu charakterisieren. Die Österreicherin gilt als herausragende Meisterin in ihrem Fach und gab auch den Filmen von Regiegrössen wie Ulrich Seidl, Michael Haneke, Barbara Albert oder Michael Glawogger ihre Form. Im Gespräch mit der Journalistin Hannah Pilarczyk und anhand von zahlreichen Filmausschnitten lässt uns Willi am Entstehungsprozess von Todd Fields TÁR teilhaben. Dabei wird es unter anderem auch um die Beziehung zwischen der Editorin und ihrem Star, Cate Blanchett, gehen. Willi und Pilarczyk werden ergründen, inwiefern die Editorin nicht nur die Figur im Schnittprozess mitkreiert – sondern auch die Persona Blanchett. Ein spannender Abend mit vielen Filmausschnitten wartet auf Sie.

Für die Unterstützung dieser Veranstaltung danken wir unserem Förderverein Lumière

Cate Blanchett 42

Filmpodium Premiere

Notre corps

Die Filmemacherin Claire Simon schaut sich in einer gynäkologischen Klinik in Paris um. Dabei entsteht ein zunächst beobachtender, später immer persönlicherer Film über das, was es bedeutet, in einem weiblichen Körper zu leben. Zugleich ist er ein wunderbares Beispiel für die Stärke dokumentarischen Kinos.

«In einem Pariser Krankenhaus filmt Claire Simon eine Abteilung, in der Frauenschicksale aufeinandertreffen: Abtreibung, Endometriose, künstliche Befruchtung, Mutterschaft, Geschlechtsangleichung, Krebs … Sie sammelt die Geschichten dieser Menschen und dabei auch ihre Hoffnungen, ihre Wünsche und Ängste. Doch schon bald kreuzt Claire Simons eigenes Schicksal ihre Wege in diesem zutiefst menschlichen Film.» (Visions du Réel, Int. Filmfestival Nyon, 2023)

«Drei Stunden lang folgen wir ihr durch die verschiedenen Stationen der Klinik und des Lebens (...). Keine einzige Minute ist zu viel. Der Film ist eine Sensation.» (Thekla Dannenberg, perlentaucher.de, 18.2.2023)

Premiere am Montag, 28. August, um 18.30 Uhr in Anwesenheit von Claire Simon. Mit anschliessendem Gespräch.

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NOTRE CORPS / Frankreich 2023 168 Min / Farbe / DCP / OV/d //
DREHBUCH, REGIE, KAMERA Claire Simon // SCHNITT Luc Forveille.

Filmpodium Classics

Die «Sight&Sound»–Bestenliste

Im vergangenen Dezember erschien zum achten Mal die mit Spannung erwartete «Sight&Sound»-Liste mit den besten Filmen aller Zeiten. Diesmal auf Platz 1 direkt dahinkatapultiert von Platz 36: Jeanne Dielman, 23, quai du Commerce, 1080 Bruxelles (1975) von Chantal Akerman. Seit die britische Filmzeitschrift die Umfrage 1952 ins Leben gerufen hat, ist es das erste Mal, dass eine Filmemacherin diesen Platz für sich beanspruchen kann. Alfred Hitchcocks Vertigo, der Gewinner von 2012, wurde auf Platz zwei verdrängt, Orson Welles’ Citizen Kane, der die ersten 50 Jahren die Nummer 1 war, landete auf dem dritten. Der Grund: Die Jury, bestehend aus Filmschaffenden und Filmvermittelnden, war 2022 grösser und diverser geworden. Das Ergebnis: ein Skandal. Nun mischt auch das Filmpodium mit und fragt Sie nach Ihren 20 Lieblingsfilmen aus den 100 Spitzenplätzen; abstimmen können Sie mit der beiliegenden Liste. Im November/Dezember zeigen wir die von Ihnen erkorenen Titel, diskutieren den neuen Filmpodium-Kanon und fragen nach dem Sinn und Unsinn solcher Listen. Als Auftakt zeigen wir zwei grosse Klassiker, Rio Bravo und Sans toit ni loi, die bei «Sight&Sound» «nur» auf Platz 101 kamen (ex aequo mit Forough Farrokhzads The House Is Black, der im Mai/Juni bei uns lief).

Rio Bravo

«Howard Hawks’ bester Western und vielleicht auch sein bester Film – aber wer will schon auf diesem Niveau kritteln? John Wayne, Dean Martin, Ricky Nelson und Walter Brennan verschanzen sich in einem Sheriff­Büro, um einen Gefangenen vor einer Bande bezahlter Killer zu schützen. Doch die subtil stilisierte Kulisse wird bald zur Arena für einen moralischen Kampf, bei dem die Figuren ihre Ressourcen an Vertrauen, Geschick und Mut entdecken und auf die Probe stellen – Werte, die gegen das heraufziehende Chaos wappnen. Das ist amerikanisches Filmschaffen vom Feinsten – sauber, klar und direkt –, und es ist auch das optimistischste je auf Film gebannte Meisterwerk, das sich tapfer gegen den menschlichen Untergang stemmt. Überragend in jeder Hinsicht, von Waynes schauspielerischer Leistung bis zu Russell Harlans brillanten Nachtaufnahmen.» (Dave Kehr, chicagoreader.com, 26.10.1985)

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Sans toit ni loi

«An einem kalten Wintermorgen wird eine junge Frau tot im Strassengraben aufgefunden. Es ist die Leiche der Landstreicherin Mona, einer schroffen Vagabundin, die mit der Gesellschaft abgeschlossen hatte. Doch wer war Mona wirklich? Die Aussagen verschiedener Menschen aus ihrem Umfeld fügen sich zum Porträt einer aussergewöhnlichen Frau.

Sans toit ni loi wurde 1985 in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Agnès Varda sagte über die von Sandrine Bonnaire gespielte Hauptfigur: ‹Sie stört und verwirrt, weil sie alles zurückweist, auch die geringste soziale Anbiederung, jegliche Perspektive. Sie stört auch, weil sie nie Opfer ist, nie bedauernswert.›» (deutsches­filminstitut.de)

«Was für ein Film. Wie so viele der grössten Filme erzählt er überzeugend und ungeschönt eine sehr spezifische Geschichte über eine ganz bestimmte Person. Weil es so sehr ihre eigene Geschichte ist (…), kommen wir erst nach einiger Zeit auf den Gedanken, dass dies auch unsere eigene Geschichte sein könnte: Auch wenn uns viele Menschen durch unser Leben begleiten, wie viele kennen uns wirklich?» (Roger Ebert, Chicago Sun­Times, 1.8.1986)

RIO BRAVO / USA 1959

141 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Howard Hawks // DREHBUCH Jules Furthman, Leigh Brackett, nach einer Erzählung von Barbara Hawks McCampbell // KAMERA

Russell Harlan // MUSIK Dimitri Tiomkin // SCHNITT Folmar Blangsted // MIT John Wayne (John T. Chance), Dean Martin (Dude), Walter Brennan (Stumpy), Angie Dickinson (Feathers), Ricky Nelson (Colorado Ryan), Ward Bond (Pat Wheeler), John Russell (Nathan Burdette), Claude Akins (Joe Burdette).

SANS TOIT NI LOI / Frankreich 1985

105 Min / Farbe / DCP / F/d // DREHBUCH

UND REGIE Agnès Varda // KAMERA

Patrick Blossier // MUSIK Joanna Bruzdowicz // SCHNITT Patricia Mazuy, Agnès Varda // MIT Sandrine Bonnaire (Mona Bergeron), Macha Méril (Mme Landier), Stéphane Freiss (Jean-Pierre), Laurence Cortadellas (Eliane, Jean-Pierres Frau), Setti Ramdane (Marokkaner), Marthe Janias (Lydie, die alte Tante), Yolande Moreau (Yolande).

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Vorlesungsreihe: Landkarten für Wanderer der Kunst

Die Vorlesungsreihe «Positionen der klassischen Filmtheorie» am Seminar für Filmwissenschaft (Universität Zürich) findet in diesem Jahr als öffentliche Veranstaltung im Filmpodium statt. Daniel Wiegand und Gäste behandeln von Ende September bis Mitte Dezember jeweils am Donnerstagnachmittag Filmtheorien von den Anfängen bis in die 1960er-Jahre. Anhand von zahlreichen Text- und Filmbeispielen diskutieren sie Fragen wie: Was ist Film? Wie grenzt er sich von anderen Kunstformen ab? Wie verhält er sich zur Wirklichkeit? Und wozu überhaupt Filmtheorie? Ist sie wirklich eine Art «Landkarte für den Wanderer der Kunst», wie Béla Balázs 1924 schrieb? Die Vorträge (Eintritt frei) werden ergänzt durch anschliessende Filmvorführungen.

Was ist «klassische Filmtheorie»? DO, 21. SEPT. | 16.15 UHR (90 Min.) Vorlesung von Prof. Dr. Daniel Wiegand

Der Vortrag gibt einen ersten Überblick über die Entwicklung der Filmtheorie von den Anfängen bis in die 1960er­Jahre und stellt insbesondere den Text «Kamera­Arbeit: Der schöpferische Umgang mit der Realität» der Experimentalfilm­Regisseurin Maya Deren vor.

Kurzfilme von Maya Deren

DO, 21. SEPT. | 18.30 UHR

Maya Deren ist eine herausragende Figur des amerikanischen Avantgardefilms, die nachhaltigen Einfluss auf die folgenden Generationen experimentellen Filmschaffens ausübte. Geboren als Kind einer jüdischen Familie in Kiew, etablierte sie sich in den 1930er­Jahren in der New Yorker Künstlerszene als Dichterin, Fotografin und später als Filmemacherin. Ihre ersten Filme drehte sie mit ihrem damaligen Ehemann Alexander Hammid, der bereits im tschechischen Avantgardefilm gewirkt hatte.

Unser Programm versammelt die ersten drei Filme Derens, die erstmals 1946 bei einer kleinen Vorführung in Greenwich Village zu sehen waren, sowie zwei weitere Werke. Deutlich zu erkennen ist hier Derens Interesse an Tanz, an surrealen Traumwelten und an der Stellung der Frau in der Gesellschaft. Nicht zuletzt illustrieren die Filme auch Derens Idee eines «schöpferi­

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Vorlesungsreihe: Filmtheorie

schen Umgangs mit der Realität»: Zeitlupen, Rückwärtslauf, Mehrfachbelichtungen und andere Techniken führen zu einer filmischen Neugestaltung der vor der Kamera befindlichen Wirklichkeit.

Wir präsentieren zwei der Filme mit musikalischem Soundtrack und drei – wie von Maya Deren intendiert – komplett stumm. Der besondere Rhythmus der Filme kommt auch auf diese Weise zu voller Geltung.

MESHES OF THE AFTERNOON / USA 1943

14 Min / sw / 16 mm / ohne Dialog // DREHBUCH UND REGIE

Maya Deren, Alexander Hammid // KAMERA Alexander Hammid // SCHNITT Maya Deren // MIT Maya Deren (die Frau), Alexander Hammid (der Mann).

RITUAL IN TRANSFIGURED TIME / USA

1946

14 Min / sw / 16 mm / Stummfilm // DREHBUCH, REGIE

SCHNITT Maya Deren // KAMERA Hella Heyman // MIT Maya Deren, Rita Christiani, Anaïs Nin (stolze Frau), Frank Westbrook (Tänzer), Gore Vidal (Mann).

AT LAND / USA 1944

14 Min / sw / 16 mm / Stummfilm // DREHBUCH, REGIE

SCHNITT Maya Deren // KAMERA Alexander Hammid, Hella Heyman // MIT Maya Deren, John Cage, Alexander Hammid Hella Heyman.

A STUDY IN CHOREOGRAPHY FOR CAMERA / USA 1946

3 Min / sw / 16 mm / Stummfilm // DREHBUCH, REGIE

KAMERA, SCHNITT Maya Deren // MIT Talley Beatty.

THE VERY EYE OF NIGHT / USA 1955

15 Min / sw / 16 mm / ohne Dialog // DREHBUCH, REGIE

Eine Kooperation mit dem Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich

KAMERA, SCHNITT Maya Deren // MUSIK Teiji Ito // MIT Don Freisinger (Gemini), Richard Sandifer (Gemini), Patricia Ferrier (Ariel), Bud Bready (Oberon), Genaro Gomez (Umbriel), Barbara Levin (Titania), Richard Englund (Uranus), Rosemary Williams (Urania), Phillip Salem (Noctambulo).

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In der Zwischenzone: Weder

Stummfilm noch Tonfilm – oder beides?

Vom 15. bis zum 16. September findet im Filmpodium die internationale Tagung «Aesthetics of Early Sound Film Revisited: Hybrid Films Between Silent and Sound» statt, die das Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich in Kooperation mit der Tsuru University in Japan ausrichtet. Die englischsprachigen Vorträge mit Diskussionsrunden sowie zwei Filmprogramme widmen sich dem Phänomen des «Hybridfilms» in der frühen Tonfilmzeit.

Das Filmschaffen der 1920er­ und 1930er­Jahre wird oft in Stummfilme einerseits und Tonfilme andererseits unterteilt. Tatsächlich aber waren viele Filme keins von beidem, sondern etwas dazwischen. Die Produktion von «parttalkies», «synchronisierten Filmen» und anderen Formen hybrider Filme war ein weitverbreitetes Phänomen im globalen Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm und prägte die Ästhetik dieser Jahre tiefgreifend – vor allem in Ländern, in denen die Durchsetzung des Tonfilms länger dauerte, etwa in Japan, in der Sowjetunion und in China.

Welche Ziele verfolgten diese Filme in ihrem jeweiligen Produktionsund Aufführungskontext? Welche ästhetischen Überlegungen lagen ihrer Entstehung, ihrer Wertschätzung oder auch ihrer Ablehnung zugrunde? Wenn Hybridfilme lange ein vernachlässigter Teil der Filmgeschichtsschreibung waren, so möchte die Tagung erstmals Forschungen aus unterschiedlichen Teilen der Welt zusammenführen, um den Zwischenbereich, den diese Filme einnehmen, näher zu untersuchen. Einen Schwerpunkt bilden Filme aus Japan und China; ausserdem werden Filme aus Deutschland und den USA sowie der Rezeptionskontext in der Schweiz behandelt. Das genaue Tagungsprogramm lässt sich einsehen unter:

Daniel Wiegand film.uzh.ch/de/research/conference/earlysoundfilm-conference-2023.html

VORTRTAG: COLONIZING AND DE-COLONIZING THE HYBRID SOUNDSCAPE

In seinem englischsprachigen Vortrag geht der renommierte Filmhistoriker Donald Crafton auf die Produktionsgeschichte von White Shadows in the South Seas ein. Wie er zeigen wird, ist die nachträglich kreierte Tonspur mit Musik, Geräuscheffekten und einigen wenigen Stimmen als integraler Bestandteil des Films und seiner Erzählung anzusehen. Crafton wird auch auf die Beziehung der Tonspur zur zivilisations- und kolonialisierungskritischen Botschaft des Films eingehen. Eintritt frei.

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FR, 15. SEPT. | 16.00 UHR

WHITE SHADOWS IN THE SOUTH SEAS USA 1928

Als sich der heruntergekommene Arzt Dr. Lloyd offen gegen die Ausbeutung der Bewohner einer Südseeinsel durch skrupellose weisse Geschäftsleute wendet, soll er beseitigt werden. Doch statt auf hoher See bei einem Taifun umzukommen, strandet er auf einer Insel, die noch gänzlich unberührt vom «weissen Schatten» der Kolonialisierung zu sein scheint. Das vorgefundene Paradies erweist sich indes bald als brüchig, wenn sich Lloyd mit seiner eigenen Gier konfrontiert sieht. White Shadows in the South Seas war ursprünglich als Stummfilm geplant, wurde aber nach der Fertigstellung mit einer Tonspur versehen, auf der sich Musik, Geräuscheffekte und einzelne Stimmen befinden. Anfänglich war der Dokumentarfilmregisseur Robert Flaherty am Dreh beteiligt, und auch in seiner Endfassung beeindruckt der Film mit spektakulären Aufnahmen an Originalschauplätzen auf Tahiti und mit den Leistungen der Laiendarsteller:innen. Kameramann

Clyde De Vinna erhielt einen Oscar.

88 Min / tinted / 35 mm / Stummfilm mit Musikspur + e. Zw‘titeln // REGIE W. S. Van Dyke, Robert Flaherty (ungenannt) // DREHBUCH Jack Cunningham, Ray Doyle, John Colton, nach dem Roman von Frederick O‘Brien // KAMERA

Clyde De Vinna, George Nogle, Bob Roberts // MUSIK William Axt, David Mendoza // SCHNITT Ben Lewis // MIT Monte Blue (Dr. Matthew Lloyd), Raquel Torres (Fayaway), Robert Anderson (Sebastian), René Bush (Händler), Bill Bambridge (Matrose).

VAMPYR

Deutschland/Frankreich 1932

Der junge Allan Gray kehrt nachts in einem einsamen Gasthaus ein und wird Zeuge unerklärlicher Ereignisse, die die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, Leben und Tod verschwimmen lassen. Der körperlose Schatten eines einbeinigen Soldaten, rätselhafte Andeutungen des Hausherrn, vorgefundene Bisswunden am Hals – treiben Vampire ihr Unwesen?

Vampyr war der erste Tonfilm des Dänen Carl Theodor Dreyer. So wie die Handlung (und ihre Figuren) sich im ungewissen Zwischenreich von Leben und Tod bewegen, ist auch der Film selbst irgendwo zwischen Stummfilm und Tonfilm angesiedelt. Nur wenige nachsynchronisierte Dialogteile sowie einige Toneffekte ragen aus dem musikalischen Soundtrack hervor, ansonsten ist Vampyr trotz seiner recht späten Entstehungszeit noch als Stummfilm mit erklärenden Zwischentiteln inszeniert, der vor allem auf visuelle Effekte zählt. Doch auch aufgrund seiner Experimentierfreude hebt sich Dreyers Vampirfilm von anderen Produktionen der frühen 1930er-Jahre ab.

Nach dem Film findet eine Präsentation der neuen Buchpublikation «Aesthetics of Early Sound Film: Media Change around 1930» von Prof. Dr. Daniel Wiegand statt, die am Seminar für Filmwissenschaft entstanden ist. Dauer: ca. 30’.

75 Min / sw / DCP / D // REGIE Carl Theodor Dreyer // DREHBUCH Christen Jul, Carl Theodor Dreyer, nach einem Kapitel aus dem Roman «In a Glass Darkly» von Joseph Sheridan Le Fanu // KAMERA Rudolph Maté // MUSIK Nicola Ratti // SCHNITT Tonka Taldy // MIT Julian West (Allan Gray), Maurice Schutz (der Schlossherr), Rena Mandel (Gisèle), Sybille Schmitz (Léone), Henriette Gérard (alte Frau vom Friedhof).

49 FR, 15. SEPT. | 18.00 UHR
SA, 16. SEPT. | 15.00 UHR
Tagung Seminar für Filmwissenschaft

THEATERSPEKTAKEL@ FILMPODIUM

Vom 17. August bis zum 3. September versammelt sich die internationale Welt des Theaters wieder beim Zürcher Theaterspektakel. Dieses Jahr wird die Bühne gleich zweimal mit Beiträgen für die Leinwand erweitert. Mit Jelena Jureša und Renata Carvalho präsentieren zwei PerformanceKünstler:innen im Filmpodium audiovisuelle Werke.

APHASIA / Belgien 2019

80 Min / Farbe + sw / Digital HD / E+Kroat/e // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Jelena Jureša // KAMERA Jelena Jureša, Sébastian Cros // MIT Andrew Wise (Erzähler, Kapitel 1), Barbara Matejčić (Monolog/Interview, Kapitel 3), Ivana Jozić (Performance, Kapitel 3).

«APHASIA»-MARATHON | DI, 29. AUG. von und mit Jelena Jureša

Am Dienstag, 29. August findet ein eigentlicher «Aphasia»-Marathon statt. Nach Jurešas Film im Filmpodium mit anschliessendem Publikumsgespräch wird in der Roten Fabrik ihre Performance aufgeführt.

18.00 Uhr: Filmvorführung

19.30 Uhr: Gespräch mit Jelena Jureša

21.00 Uhr: Performance in der Roten Fabrik

«Aphasia ist eine beunruhigende Untersuchung über die Darstellung von Gewalt und die Gewalt der Darstellung.» (jelenajuresa. com)

CORPO SUA AUTOBIOGRAFIA / Bras. 2020

41 Min / Farbe / Digital HD / Port/e // REGIE Cibele

CORPO SUA AUTOBIOGRAFIA | MI, 30. AUG.

von und mit Renata Carvalho

Vom 26. bis zum 28. August zeigt Renata Carvalho ihre Performance «Manifesto Transpofágico» am Zürcher Theaterspektakel. Den Dokumentarfilm Corpo sua autobiografia präsentieren wir am Mittwoch, 30. August in Anwesenheit von Renata Carvalho.

20 Uhr: Filmvorführung

21 Uhr: Gespräch mit Renata Carvalho

Eine Kooperation zwischen dem Filmpodium und dem Theaterspektakel

Corpo sua autobiografia ist ein Dokumentarfilm, der einen Körper in sozialer und familiärer Isolation zeigt – verursacht durch den Umstand, dass Carvalho «Travesti» ist. Renata Carvalho hat sich als Person/Figur selbst erschaffen, ihre Stimme erzählt uns die Geschichte und die Transzendenz ihres Körpers, spricht aber auch von der strukturellen Transphobie.

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DI, 29. AUG. MI, 30. AUG.
Appes, Renata Carvalho // DREHBUCH Renata Carvalho // KAMERA Edu Luz, Cibele Appes // SCHNITT Cibele Appes // MIT Renata Carvalho.

Ab dem 8. September feiert und hinterfragt das Museum Rietberg die Geschichte des ikonischsten Kleidungsstücks Japans, des Kimonos, mit einer grossen Ausstellung. Gemeinsam mit dem Museum Rietberg tauchen wir mit Filmen von Mikio Naruse und Mika Ninagawa sowie einem Gespräch mit den Designer:innen Kazu Huggler und Serge Mouangue tief in die Welt des Kimonos ein. Während die Filme die erzählerischen Möglichkeiten des Kleidungsstückes gekonnt einsetzen, interpretieren Huggler und Mouangue das traditionelle Kleidungsstück auf ihre jeweils eigene, neue Art und Weise.

17.45 Uhr: Flowing

20.00 Uhr: Transkulturelles Kimono-Design: Gespräch Kazu Huggler und Serge Mouangue

21.15 Uhr: Sakuran

FLOWING / Japan 1956

116 Min / sw / DCP / Jap/e // REGIE Mikio Naruse // DREHBUCH Sumie Tanaka, Toshiro Ide, nach dem Roman von Aya Koda // KAMERA Masao Tamai // MUSIK Ichiro Saito, Umekichi Kiyomoto // SCHNITT Eiji Ooi // MIT Kinuyo Tanaka (Rika/Oharu), Isuzu Yamada (Tsutayakko), Hideko Takamine (Katsuyo), Mariko Okada (Nanako).

«Eines der grossartigsten Werke des Regisseurs

Mikio Naruse zeichnet die Geschichte eines Geisha-Hauses nach, das angesichts einer sich wandelnden Gesellschaft ums Überleben kämpft.

Dieses Meisterwerk aus Naruses wichtigster Phase ist eine exquisite Beschwörung einer verlorenen Welt und ein hervorragendes Schaufenster für drei der grössten Schauspielerinnen Japans.» (criterion.com)

SAKURAN / Japan 2006

111 Min / Farbe / 35 mm / Jap/d // REGIE Mika Ninagawa // DREHBUCH Yuki Tanada, nach dem Manga von Moyoco Anno // KAMERA Takuro Ishizakai // MUSIK Shiina Ringo // SCHNITT Hiroaki Morishita // MIT Anna Tsuchiya (Kiyoha), Kippei Shiina (Kuranosuke), Yoshino Kimura (Takao), Hiroki Narimiya (Sojiro), Masanobu Ando (Seji).

Der Film «erzählt vom Aufstieg eines unbändigen Mädchens zur ranghöchsten Kurtisane im Tokio des 18. Jahrhunderts. Gleich vier in Japan populäre Künstlerinnen sind für die unterhaltsame Mischung aus erotischer Miniatur und Postfeminismus verantwortlich. Der sinnenfrohe, massvoll unzüchtige Film wirkt wie ein Gegenstück zu Sofia Coppolas Marie Antoinette.» (spiegel.de, 19.8.2007)

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ZUR AUSSTELLUNG
IM MUSEUM
RIETBERG DOUBLE FEATURE KIMONO – KYOTO TO CATWALK FR, 29. SEPT.
Eine Kooperation zwischen dem Filmpodium und dem Museum Rietberg.

das königreich der Katzen

Haru verschläft am Morgen, in der Schule klappt gar nichts, und die Mama schimpft. Doch als Haru auf der Strasse einem Kater das Leben rettet, ändert sich ihr Leben total.

Der gerettete Kater ist nämlich Katzenprinz Lune aus dem Königreich der Katzen. Haru wird ins Katzenreich eingeladen, wo jede Menge ungewöhnliche Erlebnisse auf sie warten. Doch der Katzenkönig plant, Haru in eine Katze zu verwandeln. Da weiss sie, hier will sie nicht bleiben. … (pm)

DAS KÖNIGREICH DER KATZEN (Neko no ongaeshi) / Japan 2002

75 Min / Farbe / Digital HD / D / ab 8 // REGIE Hiroyuki Morita // DREHBUCH Reiko Yoshida // KAMERA Kentaro Takahashi // MUSIK Yuji Nomi // SCHNITT Megumi Uchida // MIT DEN DEUTSCHEN STIMMEN VON Angela Wiederhut (Haru Yoshioka), Martin Umbach (Baron), Alisa Palmer (Yuki), Shandra Schadt (Hiromi), Ulrich Frank (Natori), Gudo Hoegel (Muta), Kai Taschner (Toto), Marina Köhler (Harus Mutter), Thomas Fritsch (Katzenkönig), Roland Peek (Run/Lune), Susanne von Medvey (Natoru). Zutritt ab 8, empfohlen ab 10 Jahren (Begleitung durch Erwachsene generell empfohlen).

Kinderfilm-Workshop

Im Anschluss an die beiden Vorstellungen vom 26. August und 9. September bietet das Filmpodium einen Film-Workshop für Kinder unter der Leitung der Filmwissenschaftlerin Julia Breddermann an (ca. 30 Min., gratis, keine Voranmeldung nötig). Die Kinder erleben eine Entdeckungsreise durch die Welt der Filmsprache und werden an einzelne Szenen und Themen des Films herangeführt.

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Filmpodium für Kinder

DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich

LEITUNG Nicole Reinhard (nr), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb), Hannes Brühwiler (hb)

WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm), Lorenzo Berardelli (lb), Flurina Gutmann

SEKRETARIAT Claudia Brändle

BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 412 31 25

WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 415 33 66

UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Les Acacias, Paris; Academy Film Archive, Beverly Hills; Adok Films, Carouge; Arsenal Distribution, Berlin; Bandai Namco Filmworks, Tokio; Renata Carvalho; Crunchyroll, Berlin; Danish Film Institute, Kopenhagen; DCM Film Distribution, Zürich; Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin; Filmcoopi, Zürich; Frenetic Films, Zürich; Janus Films, New York; Rishi Jindal; Jelena Jureša; Kadokawa Herald Pictures Inc., Tokio; Leonine Distribution, München; Light Cone, Paris; Myriad Pictures, Los Angeles; Saugata Nandi, Kolkata; National Film Archive of India, Pune; National Film Development Corporation, Mumbai; Park Circus, Glasgow; Paterson Entertainment, Zürich; Rapid Eye Movies, Köln; Pooja Rana; RDB Entertainments, Kolkata; Schwedisches Filminstitut, Stockholm; Studio 4°C, Tokio; Tohokushinsha Film Corporation, Tokio; trigon-film, Ennetbaden; Universal Pictures International, Zürich; Thomas Waldner, Zürich.

DATABASE PUBLISHING BITBEE Solutions AG, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich

GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT Nina Haueter, Daliah Kohn // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 4500

ABONNEMENTE & VERGÜNSTIGUNGEN Filmpodium-Generalabonnement: CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // alle unter 25 Jahre & Kulturlegi: CHF 9.– // Programm-Pass: CHF 60.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen einer Programmperiode) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28

VORSCHAU OKTOBER/NOVEMBER

Jeder Tag ein Spektakel – Das mexikanische Populärkino im Laufe der Jahrzehnte Luchadores, Vampire, Toreros, Detektive und Monster in revolutionären Melodramen, Noirs, Fantastika, Musik- und Horrorfilmen. Die Retrospektive des Locarno Film Festival 2023 taucht dieses Jahr tief in die mexikanische Filmgeschichte der 40er- bis 60er-Jahre ein, eine Periode, in der sich ungezähmte Kreativität mit politischem Anspruch und unbedingtem Form- und Unterhaltungswillen verbindet. Das Filmpodium präsentiert eine Auswahl der spannendsten Entdeckungen von Locarno 76 und macht sich mit Kurator Olaf Möller auf die Suche nach den Wurzeln von Cineasten wie Guillermo del Toro, Alfonso Cuarón und Alejandro González Iñárritu.

Rainer Werner Fassbinder

Über 40 Spielfilme, Serien, Theaterstücke, Drehbücher und Hörspiele schuf Rainer Werner Fassbinder zwischen 1966 und 1982. Ob Melodrama, Western oder ScienceFiction, stets interessierten ihn (identitäts-) politische oder (genre-) ästhetische Fragen. Seine Filme konfrontierten das Publikum mit Ungerechtigkeiten und Rassismus in der westdeutschen Gesellschaft und etablierten einen scharfsichtigen Blick auf die Geschlechterordnungen und Klassenverhältnisse seiner Zeit. Welche Kerben dieses Werk in unsere heutige Zeit schlägt, damit beschäftigen sich Studierende des Seminars für Filmwissenschaft der Universität Zürich und kuratierten diese Retrospektive.

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