Filmpodium 16.11.–31.12.2014 / Programme issue november 16 – december 31, 2014

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05 Kino ČSSR

Perlen vom Meeresgrund Die Filme dieser Reihe stellen keine vollständige oder repräsentative Übersicht der sogenannten Neuen Welle der ČSSR dar. Es fehlen manche gelungenen Werke, die jedoch wohlbekannt sind und /oder im Filmpodium unlängst zu sehen waren. Unsere Ko-Kuratorin Barbara Dusek hat sich auf Filme konzentriert, die neu und wegweisend waren, aufgrund der politischen Verhältnisse aber kaum in westeuropäische Kinos gelangten. Die meisten dieser cineastischen Perlen, die die Neue Welle in den hoffnungsvollen Jahren vor 1968 ans Tageslicht spülte, wurden kurz nach ihrer Entstehung vom Regime versenkt. Gleichsam vom Meeresgrund geborgen, verblüffen und verzaubern sie bis heute. Im Januar und Februar folgen neuere tschechische und slowakische Filme. Die Neue Welle entstand in den sechziger Jahren, als die jungen Absolventen der Filmhochschule Prag (FAMU) ihre ersten Filme realisierten. Anders als bei der Nouvelle Vague, dem italienischen Neorealismus oder dem britischen Free Cinema unterstützte in der ČSSR keine Zeitschrift wie «Cahiers du cinéma», «Cinema Nuovo» oder «Sight & Sound» diese Bewegung. Ihre Macher waren zwar befreundet und arbeiteten oft zusammen, aber jeder suchte seinen eigenen Weg – solange dieser vom realsozialistischen Pathos wegführte. Nur die Kritik am politischen System war ihren Werken gemeinsam, mal direkter, mal eher verschlüsselt. Paradoxerweise ermöglichte der Staat selbst die Realisation dieser Filme, die in einigermassen selbständigen dramaturgischen Abteilungen entstanden und den damals vereinfachten Bewilligungsprozess nutzten. Der ganze Spass endete Anfang der siebziger Jahre mit der sogenannten Normalisation nach dem russischen Einmarsch in der Tschechoslowakei. Als erster Film der Neuen Welle gilt Die Sonne im Netz von Štefan Uher (1930–1993). Diese poetische, für die damalige Zeit total ungewöhnliche Erzählung über junge Liebe wurde vom Kameramann Stanislav Szomolányi gedreht, dessen Bildgestaltung den mosaikartigen Aufbau des Films unterstützt. Von der bleibenden Wertschätzung für diesen Film in der Slowakei zeugt der Umstand, dass der Nationale Filmpreis nach ihm benannt ist. Kafka und Hrabal standen Pate Den absurden Verhältnissen in einer absurden Zeit wurde das Kino bisweilen mit jenen Mitteln gerecht, die Franz Kafka für die Literatur entwickelt hatte. < >

Vignetten über Aussenseiter in Perlen auf dem Meeresgrund Oscarnominierte Satire: Der Feuerwehrball


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Filmpodium 16.11.–31.12.2014 / Programme issue november 16 – december 31, 2014 by Lorenzo Berardelli - Issuu