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Familien leben

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FAMILIENLEBEN EINMAL ANDERS

Tata bleibt daheim

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Dagmar und Helmuth A. leben mit ihren drei Söhnen in Aldein und sie haben sich seit einigen Jahren für ein nicht ganz alltägliches Familienmodell entschieden.

Es ist ein Modell, das zeigt, wie Familienleben und Alltagsorganisation funktionieren können, wenn der Vater zu Hause bleibt und die Mutter berufstätig ist. Mit der Geburt des dritten, heute 8-jährigen Peter, der als Nachzügler zur Welt kam und in einigen Bereichen besondere Aufmerksamkeit benötigt, änderte sich der Rhythmus und damit auch das Familienleben.

Eine völlig neue, unerwartete Realität stellte die 5-köpfige Familie vor neue Herausforderungen. Um das Leben einer „ganz normalen“ Familie führen zu können, war das klassische Familienmodell von zwei berufstätigen Elternteilen nicht mehr möglich. So entschied sich die Familie für eine grundlegende Umstrukturierung. Vater Helmuth, der früher im Sportstättenbau tätig war und daher sehr viel unterwegs war, hat sich vor einigen Jahren beruflich umorientiert und seit 2020 bleibt er ganz zu Hause. Er „schmeißt“ nun den Haushalt und kümmert sich zusammen mit seiner Frau um die Erziehung von Peter und um die Unterstützung der inzwischen erwachsenen und selbständig arbeitenden Söhne. Dieses Interview zeigt auf, wie es ist, wenn die Kompetenzen der Mutter- und Vaterrolle sich verschieben, neue Wertigkeiten bekommen und wie es der ganzen Familie dabei geht.

Jeder hat seinen Platz und dieses - wenn auch nicht sehr gängige Familienmodell - funktioniert wunderbar. Wie kam es zu der Entscheidung, Vater- und Mutterrolle neu aufzuteilen?

Dagmar: Zuerst muss ich dazu sagen, dass wir uns die Aufgaben in Haushalt und Kindererziehung immer schon aufgeteilt haben. Natürlich hing die dafür investierte Zeit von der Arbeitszeit ab. Mit der Geburt unseres Jüngsten, der viel „Familie ist für mich Zeit und besondere Aufmerksam- wie ein Baum: Seine keit brauchte, stellte sich zwangs- Äste wachsen in alle läufig die Frage einer Umstruktu- Richtungen, aber die rierung unseres Familienmodells. Wurzeln halten alles Beide voll arbeiten wäre nicht mehr möglich gewesen, sonst hätte sicher einer von uns mit zusammen.“ Dagmar seiner Gesundheit bezahlt und das bisher glückliche Familienleben hätte in Stress und Unzufriedenheit geendet. So haben wir uns gemeinsam dafür entschieden, dass mein Mann von nun an zu Hause bleibt und ich voll meiner Arbeit nachgehen kann. Mein Mann hat seither den Haushalt übernommen und macht das wirklich sehr gut. In manchen Bereichen sogar besser als ich (lacht). Die Erziehung unseres Jüngsten tragen wir weiterhin beide, obwohl auch da eine Aufteilung stattgefunden hat, die zeitlich und inhaltlich für Peter Sinn macht. So habe ich den schulischen Teil (Hausaufgaben, lernen…) übernommen und mein Mann erledigt die täglich anfallenden Übungen und die Organisation der notwendigen Therapien (Physiotherapie, Ergotherapie, Schwimmen…). Helmuth: Ich habe mich bewusst für die neue Rolle entschieden, da ich zu der Erziehung unserer großen Söhne (heute 20 und 23) nicht besonders viel beitragen konnte, aus arbeitstechnischen Gründen. Damals war ich viel unterwegs, ging morgens früh aus dem Haus und kam abends spät heim, manchmal arbeitete ich auch am Wochenende. Diese Zeit mit meinen Söhnen habe ich immer vermisst und da mir eine neue Chance gegeben wurde, habe ich sie ergriffen und gesagt: Den Kleinen ziehe ich auf! Im Haushalt habe ich immer schon so gut es ging mitgeholfen und so war die Umstellung auf Vollzeithausmann keine besonders große.

Vater Helmuth bringt Peter ins Bett, nachdem er seine Turnübungen für die Wirbelsäule erledigt hat. Mama Dagmar übernimmt den schulischen Teil (Hausaufgaben, lernen ...).

Was ist die größte Herausforderung bei diesem nicht alltäglichen und allemal besonderen Modell?

Dagmar: Die größte Herausforderung ist für mich, zu akzeptieren, dass mein Mann viel mehr bei unseren Söhnen sein kann, dass ihr Verhältnis zueinander intensiver geworden ist, seit Tata immer da ist und für alle Belange mehr Zeit und, ja, oft auch mehr Geduld hat. Weiters war es auch für mich ein Lernprozess einzusehen, dass die Hausarbeiten z. T. jetzt anders verrichtet werden als ich das früher gemacht habe. Und manchmal merke ich, dass dieser Lernprozess immer noch nicht abgeschlossen ist (zwinkert). Aber ich bin oft sehr dankbar, dass unser Familienmodell funktioniert, ja mehr noch, dass sich alle immer noch zu Hause wohl fühlen und jeder seinen Platz hat. Helmuth: Mir fehlten am Anfang natürlich meine Arbeitskollegen und auch das Bewusstsein etwas geleistet zu haben. Hier im Haushalt bleibt die viele getane Arbeit

Täglicher Mittelpunkt ist das gemeinsame Essen.

manchmal unbemerkt. Jetzt verstehe ich dafür jede Hausfrau zu gut und ich finde es beachtlich, was jemand den ganzen Tag zu Hause leistet.

Wie schaut der durchschnittliche Tagesablauf aus?

Dagmar: Morgens steht mein Mann auf und versorgt Peter bis er zur Schule muss. Ich kann mich für die Arbeit (ich unterrichte an der Mittelschule) fertig machen und starte dann in meinen Arbeitstag. Am Nachmittag erledige ich, wenn ich nicht in der Schule bin, die Hausaufgaben mit Peter und bereite meinen Unterricht vor, korrigiere oder nehme an Online-Sitzungen teil. Helmuth: Ich erledige am Vormittag den Haushalt (waschen, putzen, kochen, aufräumen, …) und arbeite im Garten. Zu Mittag essen wir, je nach Tag und Arbeitssituation „Familie ist für mich gemeinsam, was ich gekocht das Wichtigste!“ habe. Der Rest des Nachmit- Helmuth tags vergeht mit Übungen für Peter, spielen oder Therapiebesuchen. Am Abend kochen wir manchmal gemeinsam das Abendessen für alle. Ich bringe Peter dann ins Bett, nachdem er wieder seine Turnübungen für die Wirbelsäule erledigt hat.

Wie würden Sie den Satz beenden: „Familie ist für mich…

Dagmar: ...wie ein Baum: Seine Äste wachsen in alle Richtungen, aber die Wurzeln halten alles zusammen.“ Helmuth: ...das Wichtigste!“

Danke für das Gespräch. Interview: BEATRIX UNTERHOFER

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