20
FALTER 39/18
T H EM A 5/ 18 : WOH NEN : E IN R IC H TE N
„Es braucht ein langes Gespräch mit den Auftraggebern, ich muss etwa wissen, ob jemand gern barfuß geht.“ Gregor Eichinger
G
regor Eichinger, Jahrgang 1956, ist ein international ausgezeichneter Architekt. Er unterrichtet unter anderem an der Akademie der bildenden Künste in Wien, der ETH Zürich und der ADBK in München. Herr Eichinger, was müssen Sie über ihre Kunden wissen, wenn Sie ein Projekt beginnen? Gregor Eichinger: Vieles, es braucht ein langes Gespräch. Gehen sie vielleicht gern barfuß? Natürlich gibt es auch Klienten, die sagen, bitte überrasche mich! Doch auch dann brauche ich gewisse Eckdaten wie Rituale des Alltags, und über das, was ihnen im täglichen Leben wichtig ist. Diesen Flow soll man in einem Wohnraum ermöglichen, aber ohne einen komplett alles zudeckenden Komfort. Sie bauen schon lang. Wie würden Sie Ihre Erfahrung zusammenfassen? Eichinger: Beim Wohnen geht es um etwas Intimes, da adressiert man den Menschen unmittelbar, damit muss man sorgfältig umgehen. Mit der Zeit lernt man, Missverständnisse schon
Einer der besten Architekten des Landes und ein berühmter Gestalter von Lokalen: Gregor Eichinger über seine Art, Wohnprojekte zu gestalten
viel früher auszuräumen und die versteckten Zeichen in der Kommunikation rascher zu lesen. Wir entwickeln Architektur grundsätzlich von innen nach außen. Die Fassade kommt zum Schluss und soll ausdrücken, was innen stattfindet. Innen dominiert der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Befindlichkeiten. Die emotionale Ebene ist ausschlaggebend für die Atmosphäre. Es geht darum, ein Gleichgewicht zu erzielen, ein Sich-Wohlfühlen im Raum, ohne darin unterzugehen. Das ist wichtig. Man muss lebendig bleiben. Es kann ruhig ein paar Dinge geben, an die man sich erst gewöhnen muss, denn dies bedeutet Veränderung und Zukunft. Als Innenarchitekt soll man Dinge zwar wahrnehmen, aber auch offenlassen, und nicht der absolute Erfüllungsgehilfe beim Wohnen sein. Einrichten sollte eine gewisse Skizzenhaftigkeit behalten. Dann gibt es Potenzial zur Entwicklung. Kommt es auch zu Konflikten? Eichinger: Der Konflikt kommt sicher. Ein guter Auftraggeber lässt sich
darauf ein. Damit etwas entstehen kann, muss man erst die Vorbedingungen verhandeln. Ein Raum wird immer von Menschen konstruiert, denn die Natur lässt ja keine Häuser wachsen. Wir müssen also eine Kette von Entscheidungen treffen. Es geht dabei auch nicht einfach darum, ob etwas dem Klienten gefällt oder nicht. Das ist zwar eine wichtige Kategorie, aber nicht prioritär. Als Klient muss man Vertrauen haben, denn es geht um das Gesamte, und das wird am Ende gefallen, auch wenn man ein einzelnes Objekt vielleicht zunächst gar nicht versteht. Zum Beispiel? Eichinger: Beim Lichtdesign kann das vorkommen. Es gibt da ein Paradox: Wenn man einen dunklen Raum möchte, muss man mehr investieren als in einen hellen. Das muss man als Klient erst einmal verstehen und das Konzept dahinter akzeptieren. Grundsätzlich gibt es in einem solchen Projekt natürlich auch laufend Kompromisse, denn ich baue und gestalte ja nicht für mich, sondern für
FOTOS: GERBERIT, ELFIE SEMOTAN
Gehen Sie vielleicht gern barfuß?