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: MATHEMATIK

Wie man Rotkehlchen glücklich macht

Mit Animal-Aided Design sollen Wildtiere ein Zuhause in der Stadt finden

CHRISTINA RADEMACHER

Was haben Braunbrustigel, Breitflügelfledermaus und Bergmolch gemeinsam? Es sind Wildtiere, die auch in der Stadt leben können, wenn man sie denn lässt. Doch weil wir immer mehr Wohnraum beanspruchen, weil unsere Städte immer voller und zugleich aufgeräumter werden, haben Tiere dort immer weniger Platz.

Aus Grünspecht-Bruthöhlen in alten Bäumen und Igelquartieren in Reisighaufen werden Mehrfamilienhäuser aus Ziegel und Beton, in denen sich kein Unterschlupf mehr findet. Das ist auch schlecht für die Menschen, die auf dem Balkon dann keine Kohlmeisen mehr, sondern nur noch Autos hören und vom Lärm der Zivilisation gestresst sind, statt sich in unmittelbarem Kontakt zu wildlebenden Tieren entspannen zu können. Wie also schaffen wir es, zumindest ein bisschen Wildnis in unseren wild wachsenden Städten zu erleben?

Mehr Lebensqualität für Wildtiere und Menschen in der Stadt

Animal-Aided Design heißt eine Methode, die der Biologe Wolfgang W. Weisser und der Landschaftsarchitekt Thomas E. Hauck dafür entwickelt und schon in einigen Projekten in Städten wie München und Hamburg angewendet haben. Ihr Ziel ist es, den Schutz und die Förderung von wild lebenden Tieren mit der Stadtplanung in Einklang zu bringen – sei es bei neu entstehenden Wohnanlagen, sei es bei Sanierungen von Gebäuden oder in Parks. „Bislang haben wir die Tiere in unseren Planungsprozessen ignoriert. Deshalb weiß man auch erstaunlich wenig darüber, warum hier eine Amsel vorkommt und dort nicht. In einer zunehmend verdichteten Stadt können wir uns aber nicht mehr darauf verlassen, dass die Tiere einfach da sind. Wenn wir nicht für die Tiere planen, dann planen wir extrem gegen sie“, sagt Wolfgang Weisser, der den Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie an der TU München leitet. Dabei könnten in der Stadt viel mehr Arten leben, als man denkt. „Wo es auch nur den kleinsten Strauch gibt, hat man schon Tiere. Wir können durch unsere Gestaltung unglaublich viel beeinflussen.“

Doch es geht nicht nur um den Schutz der Arten, die bereits in der Stadt leben, sondern auch um jene, die in der Stadt leben könnten. „Es ist eine Methode, die den Naturschutz ergänzt“, erklärt Thomas Hauck, Professor für Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung an der TU Wien. Wenn eine Fläche bebaut wird, herrschen dort hinterher ja oft ganz andere Standortbedingungen als vorher. Was beispielsweise die Feldlerche zum Leben braucht, findet sie nicht mehr, nachdem die Äcker bebaut wurden. Aber der neue Ort lässt sich zumindest so gestalten, dass möglichst viele vorhandene und auch neue Arten dort einen Lebensraum finden. „AnimalAided Design erlaubt uns zu sagen, dass wir gerne Rotkehlchen hätten. Wir fragen uns, was wir tun müssen, damit ein Rotkehlchen bei uns glücklich ist“, sagt Weisser.

Für das Glück von Rotkehlchen und anderen Wildtieren definieren die Wissenschaftler Zielarten und schauen sich deren Lebenszyklus von der Geburt bis zum Tod an. „Wie der Mensch braucht der Vogel Platz zum Wohnen, Nahrung und eine Möglichkeit, über den Winter zu kommen. Die meisten Tiere bleiben ja auch über den Winter bei uns. Wenn etwa die Raupe eines Schmetterlings im Boden oder an einer Pflanze überwintert, darf man die Pflanze nicht schneiden, bis die Raupe geschlüpft ist“, erklärt der Biologe. Genau das Grün für eine neue Wohnanlage auszusuchen, das bestimmte Arten brauchen, sei ein Riesenfortschritt im Vergleich dazu, einfach Kirschlorbeer im Baumarkt zu kaufen.

Glasfassaden töten 100 Millionen Vögel jährlich in Deutschland

Das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung erklärt, dass durch die Verwendung großer Glasscheiben etwa 100 Millionen Vögel pro Jahr in Deutschland sterben. Ein architektonischer Entwurf ohne solche Gefährdungen sei die notwendige Voraussetzung für Animal-Aided Design, sagt Hauck. „Wir können ja nicht die Tiere anlocken und gleichzeitig in den Tod treiben.“ Gruben wie Kellerschächte, aus denen ein Frosch nicht wieder herauskommt, sind daher ebenso tabu wie das Fällen alter Bäume.

Auf diese Weise wachse auch auf der menschlichen Seite etwas, das Hauck Umweltgerechtigkeit nennt. Denn wenn wir die Städte immer weiter verdichten, hätten Menschen, die aus körperlichen oder finanziellen Gründen nicht hinaus in die Wildnis eines Nationalparks fahren können, keine Möglichkeit mehr, Natur zu erleben. „Doch auch diese Menschen haben ein Recht darauf, Vögel singen zu hören.“

: DIGITALISIERUNG

Strategie zur digitalen Zukunft der Universitäten 2030

Bis Herbst arbeitet das BMBWF mit den Universitäten an einer gemeinsamen Strategie zur digitalen Zukunft

BRUNO JASCHKE

Seit jeher gehören Universitäten zu den Treibern der Digitalisierung. Errungenschaften wie das Internet oder soziale Medien sind an Universitäten entstanden. Das war und ist in Österreich nicht anders.

Um diese Vorreiterrolle weiter voranzutreiben, arbeitet das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) bis Herbst an einer Strategie zur digitalen Zukunft der Universitäten 2030.

Ausgangsbasis dafür ist ein Grundsatzpapier, das gemeinsam mit dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) im Rahmen eines „Digitalen Aktionsplans“ erarbeitet wurde. Es enthält 15 Thesen in den Bereichen Lehre, Forschung und Organisation, die aufgrund der Erfahrungen und Erkenntnisse der Universitäten nach zwei Jahren Corona-Pandemie verfasst wurden.

Sie umfassen etwa die Fortführung und Integrierung von digitalen Lehrformaten wie das Streaming von Vorlesungen, die mögliche Individualisierung von Lehrveranstaltungen oder die gemeinsame, ortsunabhängige Nutzung digitaler Forschungsinfrastruktur.

Um diese weiter aufzubauen, startet noch vor dem Sommer die Ausschreibung „(Digitale) Forschungsinfrastruktur“. 40 Millionen Euro nimmt das BMBWF in die Hand, um beispielsweise in die Entwicklung, Anschaffung oder den Ausbau von automatisierten, digitalen Fabriken, von Supercomputern oder von Archiven für digitale Kunst zu investieren. Zumindest teilweise soll das Budget über den EU-Krisenfonds Recovery and Resilience Facility (RRF) finanziert werden.

Die genauen Details der Ausschreibung werden Mitte Mai fixiert, die Einreichfrist ist von Juni bis September geplant.

TITEL-THEMA

BRAUCHEN WIR WILDTIERE UND URWALD?

Seiten 10 bis 22

Die Fotostrecke für diese Ausgabe wurde vom Fotografen Kay von Aspern gestaltet und ist Teil seiner Serie „(not so) wild life“. Der Street-PhotographyKünstler verbringt viel Zeit im öffentlichen Raum und hat einen Blick für die außergewöhnlichen, merkwürdigen und surrealen Szenen auf den Straßen entwickelt. Die Fotos sind im Zeitraum zwischen 2008 und 2021 entstanden und sind nicht inszeniert. Kay von Aspern entdeckt mit seinem humorvollen Blick durch die Kamera die wilden Tiere im von Menschen dominierten urbanen Raum. www.von-aspern.com

: AUSGESUCHTE ZAHLEN ZUM THEMA

ZUSAMMENGESTELLT VON SABINE EDITH BRAUN

2

Städte nahmen im Gründungsjahr 2016 teil, 2021 waren es schon 419 (in 44 Ländern): Beim Citizen-ScienceProjekt „City Nature Challenge“ (CNC) sollen so viele wild lebende und wachsende Tiere, Pflanzen und Pilze wie möglich in einer Stadt beobachtet und dokumentiert werden.

400

spanische Weingärten wurden mittels einer 13 Jahre umfassenden Datenbank analysiert. Das Ergebnis: Befindet sich ein Weingarten in einer naturnahen Landschaft, gibt es weniger Schädlingsbefall – und braucht weniger Pestizide.

25

Prozent beträgt die Zunahme der Vielfalt im Nationalpark Donau-Auen in den letzten zehn Jahren. Der Totholzanteil nahm um fast das Vierfache zu. Das ergab eine Bestandsaufnahme durch die Österreichischen Bundesforste gemeinsam mit dem Forstamt der Stadt Wien im Winter.

1864 12.000

war der Beginn einer Bewegung zum Schutz der Wildnis in den USA. 1924 wurde das erste Wildnisgebiet eingerichtet, 1964 folgte mit dem „Wilderness Act“ die gesetzliche Grundlage für ein nationales Wildnisprogramm. Die 756 Wildnisgebiete der USA sind die weltweit größten und haben die fünffache Fläche von Österreich. Quadratmeter groß ist die seit 1980 sich selbst überlassene Wiese zwischen dem Wiener Gaudenzdorfer Gürtel und der Rechten Wienzeile. Nur einmal im Jahr wird sie gemäht. Auch beim neuen Wohnviertel Nordbahnhof soll eine solche „Stadtwildnis“ entstehen.

2,11

1872

wurde der Yellowstone-Nationalpark in den USA gegründet. Von seinen 8983,17 Quadratkilometern sind achtzig Prozent Nadelwald, 15 Prozent Wiese und fünf Prozent Wasser. Insgesamt 186 bekannte Flechten- und 2.000 Pflanzenarten gibt es im Park, darunter zwölf Baum- und über sechzig Wildblumenarten.

17

Sustainable Development Goals, also Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, hat die UNO im Jahr 2015 zum Erreichen bis 2030 definiert. Biodiversität spielt bei vielen dieser Ziele eine wichtige Rolle. Denn 13 Prozent der Vögel, 41 Prozent der Amphibien und 34 Prozent der Nadelbäume sind weltweit gefährdet. Kilometer lang ist der auf 860 Meter gelegene Themen-Rundweg um das Hochmoor Leckermoos in Göstling – als Teil des Wildnisgebiets DürrensteinLassingtal. Der Buchenurwald steht seit 2017 auf der Unesco-Welterbeliste „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“. Er ist eines von knapp hundert Teilgebieten in 18 europäischen Ländern.

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