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Kopf im Bild Seite

: KOPF IM BILD

Analysen

Seit Beginn der Coronakrise hält er die Österreicher*innen up to date: Komplexitätsforscher Peter Klimek, der am Complexity Science Hub Vienna und an der MedUni Wien riesige Datenmengen modelliert und analysiert, ist einer der medial präsentesten wissenscha lichen Begleiter in der Pandemie. Dafür, und auch weil er sich dabei kein Blatt vor den Mund nimmt, hat ihn der Klub der Bildungs- und Wissenscha sjournalist*innen zum „Wissenscha er des Jahres 2021“ gekürt. Kommunikation findet er wichtig. „Auch weniger wissenscha saffinen Menschen gilt es zu erklären, warum Forschung etwas Cooles und Sinnvolles ist.“ In seiner Arbeit möchte der 39-Jährige zeigen, „wie wir durch intelligenten Dateneinsatz die Bevölkerung gesünder machen und andere Probleme wie etwa den Klimawandel angehen können. Dazu müssen wir mitunter realitätsfremde Erwartungen an Big Data, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen auf den Boden bringen.“ Auch wenn das dann schnell mühsam, kleinteilig und sehr methodisch werde: „Die essenziellen Fragen dahinter motivieren mich.“

TEXT: USCHI SORZ FOTO: KARIN WASNER

: JUNGFORSCHERINNEN

USCHI SORZ

Diese drei Doktorandinnen forschen an der Vienna Doctoral School in Physics der Universität Wien an grundlegenden Fragen der Physik

Margaret Rosenberg, 26

Stoßdämpfer, Lautsprecher, Siegel – in vielen technischen Anwendungen verwendet man sogenannte Ferrofluide. Diese bestehen aus winzigen, in einer Trägerflüssigkeit gelösten magnetischen Partikeln, die auf Magnetfelder reagieren, ohne zu verfestigen. „Sie sind auch Hoffnungsträger in der Medizin, etwa um Wirkstoffe schonend durch den Körper zu transportieren, sodass sie nur an ihrem Zielort wirken und kein gesundes Gewebe schädigen. Außerdem möchte man sie für Umweltschutzmaßnahmen wie die Entfernung von Mikroplastik aus dem Meer einsetzen“, so die Wienerin über das große Potenzial ihres Forschungsobjekts. „Mittlerweile gibt es Ferrofluide, die auch selbst als Magnet wirken. Um diese besser zu verstehen, erarbeite ich eine Theorie.“ Dazu entwir sie Modelle und führt Simulationen am Supercomputer durch.

Anne-Catherine de la

Hamette, 25. Physikalische Systeme werden immer relativ zu einem Bezugsystem beschrieben. Die Luxemburgerin beschä igt sich mit der „Quantenversion“ davon. „Dabei berücksichtige ich auch Quantenphänomene“, erklärt sie. „Das heißt den Umstand, dass es in Quantensystemen keine klare Position von Teilchen gibt und sich Zustände überlagern können.“ In der bizarren Welt der Quantenmechanik ist das die „Superposition“. Wie könnte das Universum aus so einer Perspektive aussehen? Was wäre, wenn die Erde eine Superposition einnähme? Was ist dann mit dem Gravitationsfeld? Wie würde sich ein Satellit verhalten? „Quantenbezugssysteme könnten theoretische Antworten auf solche Fragen geben und das noch weitgehend unerforschte Zusammenspiel von Quantenmechanik und Gravitation erhellen“, so de la Hamette.

Barbora Budinská, 29

Die gebürtige Slowakin ist in die Fußstapfen ihres Vaters getreten: Schon er hat als Physiker – auf dem Gebiet der Magnetresonanztomografie – mit leistungsstarken supraleitenden Magneten gearbeitet. „Ihre Kra , große Objekte zu bewegen, die mit meinem Kühlschrankmagneten gar nicht zu vergleichen war, hat mich von klein auf fasziniert“, erzählt sie. Heute erforscht sie Fluxonen, magnetische Flusswirbel, die in manchen supraleitenden Materialien vorkommen und deren Verhalten beeinflussen. „Ich untersuche, wie sich diese Wirbel bei Stromzufuhr bewegen, wie schnell sie sind, wie das jeweilige Material und diverse Geometrien ihre Bewegung verändern und wie man ihr Tempo erhöhen und ihre Richtung steuern kann“, so Budinská. Relevant ist das etwa für Einzelphotonendetektoren, eine Schlüsseltechnologie für die Quantenoptik.

CHRISTOPH PONAK

: KLIMATECHNOLOGIE

MARTIN HAIDINGER

: HORT DER WISSENSCHAFT

Atomenergie Nahrungskette und die Katze

Atomenergie ist nicht nachhaltig.

Jedoch ist nahezu nichts von dem, was wir in Mitteleuropa tun, von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung über den Kauf eines Produkts und je nach Untergrund bis hin zum Spazierengehen, als nachhaltig zu bezeichnen.

Wenn Entwicklungen nachhaltig sein sollen, sind negative Auswirkungen auf die Lebensqualität aller momentan und kün ig lebenden Generationen auf dem Planeten nicht zulässig.

Unter dieser Bestimmung von Nachhaltigkeit kann Atomenergie nicht dafür sorgen, denn es gibt keine Sicherheit, dass auf unbestimmte Zeit nichts Negatives geschieht, wenn man Atommüll endlagert. Will man an ihr festhalten, ist das Wort Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Atomkra zu vermeiden.

Was hat das nun mit Energiepolitik zu tun? Leider erdenklich wenig. Wir leben derzeit nicht nachhaltig und wir wirtscha en nicht nachhaltig.

Die Energiewende mittels Fotovoltaik und Windkra ist eine von vielen dringend zu forcierenden Maßnahmen, um dem Klimawandel zu begegnen. Jedoch ist sie keine Silver Bullet, ist nicht befreit von Materialintensität und damit CO2 -Verbrauch und nicht allein ausreichend, um den Weltenergiebedarf in Zeiträumen, die mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind, zu decken.

Wir können es uns daher keinesfalls leisten, existierende und im Betrieb praktisch CO2 -freie Möglichkeiten der Energiebereitstellung nicht zu nutzen. Wir müssen Nicht-Nachhaltigkeit bereits gegen sich selbst abwägen und auch bei einer inhärent nicht nachhaltigen Entscheidung das geringere Übel wählen.

Hunderttausende Klimatote werden weltweit jährlich gezählt. GAU-Situationen in vergleichbarem Ausmaß sind statistisch ausgeschlossen. Die Atomkra aufgrund ihrer Unnachhaltigkeit in der Energiepolitik aus Prinzip zu verteufeln ist gefährlich – nicht zuletzt mangels Alternativen.

So sehr ein hoffnungsvoller Blick auf Wind- und FotovoltaikAnlagen auch zu befürworten ist – wir müssen uns eingestehen, dass wir den Klimawandel nicht mehr verhindern, sondern bereits Schadensbegrenzung betreiben.

MEHR VON CHRISTOPH PONAK: LINKEDIN (CHRISTOPH-PONAK-255112111) | SHIFTTANKS (WWW.SHIFTTANKS.AT)

Der gegenwärtig obwaltende euro-

päische Krieg zwingt einem bisweilen manch älteres Buch in die Hand und vor die Augen. „Blutrituale. Ursprung und Geschichte der Lust am Krieg“ (1997/99) der originellen US-amerikanischen Zellbiologin und Publizistin Barbara Ehrenreich habe ich schon seinerzeit geradezu verschlungen! Apropos verschlungen: Vom Krieg dringt Ehrenreich sehr rasch in profundis vor und widmet sich dem, was in Urzeiten mit unseren fernen Ahnen vorgegangen sein mag, ehe die Hominiden Jagd auf Tiere machten und sich von dem ernährten, was sie sammelten. Da gingen sie noch als potenzielle Beute von Raubtieren durch die Welt und nicht umgekehrt. Die Angst vor dem Verschlungenwerden habe sich tief in unsere menschliche Prägung eingeschrieben.

Dies, und nicht erste die jagdliche Praxis, habe uns zur Teamarbeit gezwungen, wollten wir unsere hilflosen Babys beschützen, die noch heute wie am Spieß schreien, wenn man sie einen Augenblick allein lässt. Erst in jüngster Zeit haben wir die Tierwelt so weit in Griff bekommen, dass wir sie sorglos mittels Teddybären, Katzenvideos und allerlei Comics verniedlichen. Ein Hominide, der sich vor dem Schlund von Pantherinae mit und ohne Säbelzähne höllisch fürchtete, würde wohl unsere schnurrigen Hauskätzchen weit weniger drollig finden als wir.

Nun gibt es keinen Hinweis darauf, dass das Anthropozän, das Zeitalter, in dem der Mensch die Erde überformt, sich dem Ende zuneigt – ganz im Gegenteil. Trotzdem oder gerade deshalb braucht es kluge Köpfe wie den französischen Soziologen und Philosophen Bruno Latour, der heuer seinen 75. Geburtstag feiert. Ich möchte ihn als einen der einflussreichsten, aber auch umstrittensten Denker der Gegenwart bezeichnen. Berühmt wurde er vor allem durch seine Kritik der Neuzeit, die er in seiner Schri „Wir sind nie modern gewesen“ artikulierte. Das Selbstverständnis der Moderne, nach dem wissenscha liche Wahrheit, Technik und eine funktionierende Ökonomie Garanten des Fortschritts seien, führe auf Dauer in eine gefährliche Sackgasse, ebenso die Trennung von Mensch und Natur, wie er in seinem 2017 veröffentlichten Buch „Das terrestrische Manifest“ zusammenfasste.

Der Wissenscha sjournalist Michael Reitz wird ihm am 22. Juni 2022 im „Salzburger Nachtstudio“ auf Ö1 ein Porträt widmen. Lauschen Sie, streicheln Sie dabei Ihren Stubentiger und seien Sie demütig bei dem Gedanken, dass Ihre Urahnen und Minkas Vorfahren in der Nahrungskette einst andere Rollen eingenommen haben …

: FINKENSCHLAG

HANDGREIFLICHES VON TONE FINK TONEFINK.AT

) AUSSCHNITT ( ZEICHNUNG FLORIAN FREISTETTER

: FREIBRIEF

Ganzheitlich

„Ganzheitlich“ ist ein Wort, das überraschend o verwendet wird, um sich abzugrenzen. Insbesondere von der Wissenscha : Wenn etwa eine „alternative“ Pseudomedizin wie Homöopathie hervorstellen möchte, dass sie viel besser sei als wissenscha sbasierte Behandlungsmethoden, nennt sie sich „ganzheitlich“ und behauptet, Wissenscha sei das nicht. In Wahrheit ist das aber nur ein PR-Trick der Esoterik, denn wenn etwas mit Sicherheit ganzheitlich ist, dann die Wissenscha . Dort hängt, in einer völlig nicht esoterischen Weise, tatsächlich alles mit allem zusammen.

Die selben wissenscha lichen Prinzipien und Grundlagen, die unsere Computer und Handys funktionieren lassen, sagen uns zum Beispiel auch, dass wir so gut wie keine Zeit mehr haben, um die Auswirkungen der Klimakrise zu begrenzen. Wer Aspirin gegen Kopfschmerzen nimmt, profitiert von derselben Wissenscha , die wirksame Impfungen gegen das Coronavirus entwickelt hat. Die Naturwissenscha beschreibt ein und dieselbe Welt, und sie lässt sich zwar formal in scheinbar voneinander abgrenzbare Bereiche aufteilen, in der Praxis aber nicht.

Wer nun behauptet, die Erde wäre keine Kugel, stellt damit zwangsläufig auch die komplette übrige Wissenscha in Frage. Wäre die Erde eine Scheibe, dann wäre auch unsere Vorstellung von Gravitation falsch. Ebenso wie die Theorien zur Beschreibung der Kräfte, die Materie zusammenhalten. Was wiederum Auswirkungen auf Biologie, Chemie und Medizin _ hätte. Überspitzt kann man sagen: Weil ein Computer funktioniert, kann die Erde keine Scheibe sein. Oder andersherum: Wer behauptet, die Erde wäre eine Scheibe, sollte gleichzeitig auch eine Theorie parat haben, mit der sich die komplette Naturwissenscha entsprechend neu formulieren lässt.

Diese Ganzheitlichkeit der Wissenscha wird in der Kommunikation und der politischen Gestaltung von Forschung und Lehre zu wenig berücksichtigt. Die Folge sind Menschen, die einzelne Aspekte aus der Wissenscha vehement ablehnen, wie Impfungen oder die Klimakrise, doch nie auf die Idee kämen, andere Aspekte wie Computer oder Flugzeuge in Frage zu stellen. Das fehlende Verständnis der Ganzheitlichkeit steht am Anfang jeder Wissenscha sskepsis.

MEHR VON FLORIAN FREISTETTER: HTTP://SCIENCEBLOGS.DE/ ASTRODICTICUM-SIMPLEX

NACHRICHTEN AUS FORSCHUNG UND WISSENSCHAFT

Seiten 6 bis 9

Wie Wissenscha in unsere alltäglichen Lebensumstände eingrei und sie verändert

: ARCHÄOLOGIE

Venus von Willendorf aus Eierstein

Österreichs dritte Ikone nach Sisi und Maria Theresia – aus Italien

JOCHEN STADLER

Die berühmte niederösterreichische Fruchtbarkeitsstatuette wurde aus norditalienischem „Eierstein“ (Oolith) geschnitzt, berichtet der Wiener Anthropologe Gerhard Weber im Fachjournal Scientific Reports. Ihre einstigen Besitzer legten demnach vor 30.000 Jahren mit der Venus von Willendorf oder dem Ausgangsmaterial einen langen Fußmarsch zurück. Dann ging die Fruchtbarkeitsstatuette den Steinzeitjägern und -sammlern in der Wachau verloren und wurde erst 1908 wiedergefunden.

Gerhard Weber durchleuchtete die Venus mit seinem Team am Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien in einem hochauflösenden Mikro-Computertomografie-Gerät (MicroCT). „Wir sahen, dass das Innere ihres einzigartigen Oolith-Materials sehr ungleichmäßig ist“, sagt Weber. So wie Kriminologen die Fingerabdrücke von Verdächtigen jenen am Tatort gegenüberstellten, verglichen die Forscher die inneren Gesteinsstrukturen der Venus mit jener von Oolith-Proben aus ganz Europa.

Ihr Material stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus der Nähe des Ortes Ala unweit des Gardasees in Norditalien.

Demnach hat die Figurine – oder der Steinbrocken, aus dem sie herausgeformt wurde – eine Hunderte Kilometer weite Reise von südlich der Alpen bis zur Donauregion nördlich der Alpen mitgemacht. Diese Wanderung hat wohl viele Jahre oder sogar Generationen gedauert, erklärt Gerhard Weber.

: COMPUTER SCIENCE

Die Sintflut am Computer simulieren: Ein neues Softwaretool macht es möglich

Aus Geländescans, Landnutzungsdaten, Bodenkarten, Daten zum Kanalnetz und zur Bebauung schafft Visdom 3-D-Modelle echter Städte

CLAUDIA STIEGLECKER

Mit dem Ansteigen der Durchschnittstemperatur hat sich auch die Wahrscheinlichkeit von Starkregen erhöht. Da solche sintflutartigen Regenfälle o kurzfristig im Rahmen eines lokalen Unwetters entstehen, sind sie schwer vorherzusagen. Dennoch ist es wichtig, schon im Vorfeld Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Besonders im urbanen Raum, wo viele Böden durch Gebäude und Straßen versiegelt sind und das Wasser nur schwer versickern kann.

Mit dem So waretool „Visdom“, das am Wiener Forschungszentrum VRVis in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der TU Wien entwickelt wurde, lässt sich der Verlauf solcher Ereignisse unter Berücksichtigung verschiedener Schutzmaßnahmen simulieren.

„Visdom ermöglicht das einfache und schnelle Durchspielen verschiedener Szenarien“, sagt der Physiker Jürgen Waser, Leiter der Gruppe Integrated Simulations am VRVis. Die virtuelle Landscha im Computerprogramm basiert dabei auf realen Daten: Aus Geländescans, Landnutzungsdaten, Bodenkarten, Daten zum Kanalnetz und zur Bebauung werden 3-D-Modelle echter Städte oder Gemeinden geschaffen. „Das Projekt hat vor rund 13 Jahren mit meiner Doktorarbeit begonnen. Mittlerweile arbeiten Expert*innen aus den Bereichen Computergrafik, Mathematik, Physik, Hydraulik und Hydrologie daran.“

Ähnlich dem Computerspiel „SimCity“, das die Entwicklung einer Stadt unter dem Einfluss unterschiedlichster Faktoren simuliert, kann die Benutzer*in von Visdom Hochwasser simulieren und dabei in die Umgebung eingreifen, um verschiedene Szenarien durchzuspielen. So ist nicht nur die potenzielle Regenmenge einstellbar, per Mausklick können auch Mauern, Wälle oder Erderhöhungen als Schutzmaßnahmen errichtet, kann das Kanalsystem modifiziert oder die Bodenbeschaffenheit angepasst werden. Auch die Logistik für den Au au der Schutzmaßnahmen und eine Personenstromsimulierung im Evakuierungsfall sind möglich.

Die entscheidende Frage lautet dabei: „Was wäre, wenn?“ Ist die Errichtung eines Damms aus Sandsäcken als Hochwasserschutz sinnvoll? Sind genügend Einsatzkrä e vorhanden? Kann ein Drainagesystem die Kanalisation unterstützen? „Wir wollten ein interaktives Planspiel schaffen, das Simulation, Analyse und Visualisierung vereint und damit als Entscheidungshilfe für den Krisenfall dienen kann“, erläutert Waser. „Besonders wichtig ist dabei, dass vielschichtige Zusammenhänge visuell leicht verständlich dargestellt werden, sodass eine Gefährdung klar erkennbar wird.“

Jürgen Waser, TU Wien

Damit die Simulation in Visdom schnell und ohne Genauigkeitsverlust erfolgen kann, waren viele Optimierungsprozesse notwendig: „Das Durchrechnen eines komplexen Simulationsszenarios kann durchaus Tage dauern, das ist natürlich viel zu lang“, sagt Waser. „Also haben wir einerseits die zugrunde liegende Mathematik entscheidend verbessert, andererseits ist es gelungen, durch direkte Nutzung der extrem hohen Rechenleistung moderner Grafikkarten die Berechnungen stark zu beschleunigen.“

Aktuell wird Visdom ausschließlich auf Stadt- und Gemeindeebene als Entscheidungshilfe angewendet: „Wir arbeiten daran, die Visualisierung noch einfacher zu machen, damit in Zukun auch Privatpersonen Visdom zur individuellen Risikoanalyse verwenden können.“ Darüber hinaus ist die Berücksichtigung anderer Naturereignisse wie zum Beispiel Hitze geplant. Der Einsatz von Visdom als Prognosetool ist ein weiteres großes Forschungsziel.

Ein wichtiges Anwendungsgebiet,

abseits von Extremwetterereignissen, sieht Jürgen Waser auch in der wassersensiblen Stadtplanung: „Die Realisierung von Maßnahmen nach dem Schwammstadt-Prinzip wie Gründächer, Grünflächen oder Feuchtgebiete lässt sich ebenfalls simulieren.“ Diese Aktionen zielen auch darauf ab, Regenwasser zu speichern, statt es nur abzuleiten. Sie können so dazu beitragen, das Stadtklima zu verbessern und Katastrophen zu vermeiden.

: MATHEMATIK

Mathematik für die Medizin

Die Analyse von Geschlechtsunterschieden bei Atherosklerose

USCHI SORZ

„Frauen hat man in der Vergangenheit beim Thema Herz-KreislaufErkrankungen eher vernachlässigt“, sagt Lena Tschiderer. „Dabei spielen hier viele frauenspezifische Faktoren eine Rolle.“ Die Mathematikerin ist Postdoc an der Abteilung für Neurologie der MedUni Innsbruck, wo sie Datenmanagementstrategien entwickelt und mathematische Methoden einsetzt, um aus großen Datenmengen Risikofaktoren für bestimmte Krankheiten herauszufiltern.

Geschlechtsunterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atherosklerose, einer krankha en Veränderung der Arterien, stehen im Mittelpunkt eines vom Wissenscha sfonds FWF geförderten Projekts, das sie seit 2021 leitet. So hat sie vor Kurzem im Journal of the American Heart Association eine Forschungsarbeit publiziert, aus der hervorging, dass Stillen das Risiko für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Müttern eindeutig senkt. Zugrunde lagen Studiendaten von mehr als einer Million Frauen.

Ursprünglich habe sie Medizin studieren wollen, erzählt die 29-jährige Tirolerin, der Reiz der Mathematik sei dann aber doch größer gewesen. „Dass ich heute beide Interessen verbinden kann, finde ich enorm spannend.“

Das gelang, weil sich nach ihrem Diplom in technischer Mathematik die Gelegenheit ergab, im Zuge eines Projekts an der MedUni Innsbruck ein PhD-Studium in Neurowissenscha en zu absolvieren. Im Dezember erhielt Tschiderer für ihre Doktorarbeit den Otto-Seibert-Preis.

Kern war eine Metaanalyse von 119 Studien zum Effekt therapeutischer Maßnahmen auf die Gefäßwanddicke der Halsschlagadern. Tschiderer konnte bestätigen, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in dem Maße abnimmt, in dem medizinische Interventionen eine krankha e Verdickung der Gefäßwand bremsen. Durch ihre Erkenntnisse lassen sich Wirksamkeitsstudien für neue Medikamente zur Senkung des kardiovaskulären Risikos vereinfachen und optimieren.

Lena Tschiderer, MedUni Innsbruck

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