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heureka
Blutverschwendung in österreich
Lässt Frauenblut Blumen welken? In der Medizin spielt Menstrualblut immer schon eine wichtige Rolle. Wozu es gut ist, wusste lange niemand Sonja Burger
M
enstruierende Frauen seien unrein – ihr Menstrualblut enthalte giftige Substanzen, die Blumen vorzeitig verwelken lassen und dazu führen, dass Hefeteig schlechter aufgeht. Derartige Annahmen hielten sich im Volksglauben und in der Volksmedizin zwar lange, beeinflussten die gängige Medizin aber kaum. „Von der Antike bis Mitte des 19. Jahrhunderts dominierte unter Medizinern in Europa die These, dass die monatliche Blutung für die Gesundheit wichtig ist. Überschüssiges Blut wird ausgeschieden, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen“, erklärt die Historikerin und Medizinerin Sonia Horn von der MedUni Wien. Wie tief der Volksglaube vereinzelt offenbar dennoch saß und dass er in Ausnahmefällen sogar in medizinischen Fachkreisen Zuspruch fand, beweist eine medizinhistorische Randnotiz: Die vermeintliche „Entdeckung“ des Menstrualgifts „Menotoxin“ durch den Wiener Kinderarzt und Immunologen Béla Schick (1877–1967).
Martina Gamper, Medizinhistorikerin
„Nicht wenige Gynäkologen fühlten sich in ihrer Annahme über die Giftigkeit des Menstrualbluts bestätigt“
Forschung „bestätigt“ Volk
Zwischen 1912 und 1923 war Béla Schick Assistenzarzt an der Wiener Universitäts-Kinderklinik und wurde später für die Entwicklung des Tests zur Erkennung von
Diphtherie („Schick-Test“) bekannt. Die Historikerin Martina Gamper berichtet, dass ihn folgende Beobachtung neugierig machte: Schnittblumen, die von einer menstruierenden Frau berührt wurden, verwelkten vorzeitig. In der Folge führte er im Jahr 1919 weitere Versuche durch, um die aus dem Volksglauben stammende Annahme, dass Schweiß und Menstruationsblut eine giftige Substanz enthalten, zu prüfen. Die Vorgehensweise sei laut Gamper aber alles andere als wissenschaftlich gewesen. Im Mai 1920 erschien in der Wiener Klinischen Wochenschrift sein Aufsatz „Menstruationsgift“. Trotz der fragwürdigen Versuche seien seine Ergebnisse von den Fachleuten zunächst nicht zerpflückt worden. „Nicht wenige Gynäkologen fühlten sich in ihrer Annahme über die Giftigkeit des Menstrualbluts sogar bestätigt“, stellte Martina Gamper fest. Der Aufsatz löste eine Debatte über die Existenz von Menotoxin aus und führte zu weiteren Versuchen; entweder um Schicks These zu bestätigen, oder zu entkräften. Erst 1958 widerlegte Karl Johann Burger von der Universitätsfrauenklinik Würzburg endgültig die Existenz eines Menstrualgifts.
Von Nahrung bis Reinigung
Woraus das Menstrualblut tatsächlich besteht und welche Funktion es hat, war lange Zeit unbekannt – man behalf sich mit Beobachtungen und Erfahrungswerten. „Man stellte sich vor, dass sich das Menstrualblut in der Gebärmutter sammelt. Wird die Frau schwanger, ernährt das Blut das ungeborene Kind, womit man sich auch die schlechte Gerinnung von Menstrualblut erklärte“, erläutert Horn. Während der Stillzeit werde das angesammelte Blut vom Körper dann in Muttermilch umgewandelt und ernährte somit auch nach der Geburt das Kind. Heute ist bekannt, dass Menstrualblut aus Gebärmutterschleimhaut und Blut besteht. „Die Blutung ist dazu da, um die Gebärmutter von der Schleimhaut zu reinigen, wenn es zu keiner Befruchtung kam“, erklärt Martin Ulm, Gynäkologe und Oberarzt an der MedUni Wien. Nach einer Geburt dauern die Blutungen zur Reinigung der Gebärmutter, „Lochien“ oder „Wochenfluss“ genannt, sechs Wochen. Über die Blutung könne man als Arzt auch Rückschlüsse auf den Hormonhaushalt, speziell einen Gestagenmangel, ziehen. Woher die Menstruationsschmerzen kommen, sei aber laut Ulm nach wie vor ein Rätsel.
Die Angewandte im Blutrausch Studierende der Universität für Angewandte Kunst entwickeln ein Projekt zum Thema Blutspenden lutrausch, was sagst du dazu?“ fragt EliB sabeth Kopf. Sie ist Grafikerin mit internationaler Reputation (nicht ganz leicht
Blutrausch – die Angewandte blutet 13. & 14. Juni 2013 für eine Frau) und unterrichtet an der Uni- ganztägig, Universität versität für Angewandte Kunst in der Gra- für Angewandte Kunst fikklasse von Oliver Kartak. Gegenwärtig 1., Oskar-Kokoschkabetreut sie ein Projekt ihrer Studierenden Platz 2 Jasmin Roth, Lara Stättner, Luna Almousli www.blutrausch.org und Stephan Göschl, an dem noch eine Rei- www.babylon-designhe weiterer Personen beteiligt sind. school.com
Wär’ ich jung, wär’ ich von Blutrausch begeistert. So gefällt mir eher die Idee hinter dem blutrünstigen Begriff. Und zwar so gut, dass ich mich entschlossen habe, mit dieser Gruppe eine Art Kooperation zwischen „Blutrausch – die Angewandte blutet“ und Falter Heureka einzugehen. Die Illustrationen, die Sie auf der vorigen und Das Team von den folgenden Seiten sehen, sind Arbeiten „Blutrausch“ von Studierenden der Grafikklasse der Angewandten aus dem Projekt. Die Texte von Dieter Hönig wiederum (im früheren Leben ein Staatsopernsänger) wurden auch für die drei Magazine der Studierenden geschrieben, die im Rahmen des Blutrausches
e ntstehen. Dort sind sie in der Langfassung zu lesen, also zahlt es sich aus, an diese Hefte heranzukommen. Abgesehen davon, dass dort noch eine Menge mehr über Blut nachzulesen sein wird. Blutrausch. Natürlich denkt da jeder gleich ans – Blutspenden. Und genau darum geht es letztlich bei diesem Kunstprojekt. Die Studierenden möchten die Angewandte (also die Personen dort) dazu brin-
Was am 13. und 14. Juni nach dem Bluten passiert, ist noch geheim, aber an Räuschen wird es wohl auch nicht fehlen gen, Blut zu spenden. Dafür haben sie eine eigene Veranstaltung konzipiert. Sie findet am 13. und 14. Juni an der Angewandten statt und ist eine Kooperation mit dem Österreichischen Roten Kreuz. Die Idee dazu kam aus einem anderen Projekt von Elisa-
beth Kopf, bei dem türkische Künstlerinnen und Künstler ihre Vorstellungen von Blut dargestellt haben. Nun soll es um österreichisches Blut, vor allem aber auch um Informationen rund ums Blut gehen. Dazu setzen die jungen Grafiker unterschiedliche Medien ein, vom Internet bis zum Psychotest. Nach der Veranstaltung wollen die Bluträuschler 125 Liter Blut an das Rote Kreuz übergeben. Dafür kampagnisieren sie. Neben den drei Ausgaben des Blutrausch-Magazins wird es eine Website, Social Media, Teaseraktionen und Pressekonferenzen geben. Was am 13. und 14. Juni passiert, nachdem alle geblutet haben, ist noch geheim, aber an Räuschen wird es wohl auch nicht fehlen. Die Aktion findet in einem Blutspendebus des Roten Kreuzes statt (das Bluten, nicht der Rausch). Er wird vor dem Hauptgebäude der Angewandten stehen. Selbstverständlich sind auch der Angewandten fernstehende Personen zum Spenden eingeladen. Da erübrigt sich dann auch die Frage, was Kunst eigentlich soll.
Fotos: K atarina Soskic, privat
Christian Zillner