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FALTER

HEUREKA Das Wissenschaftsmagazin

Im

edizin Ein neues Gesetz soll eine höhere Qualität bei Schönheitsoperationen garantieren Gelehrtenrepublik Der Historiker Karl Vocelka über die Vorgänger heutiger Forschungsnetze Studiengebühren an der Uni Wien Wie es dazu kommt und was sie bewirken sollen

Nr. 2/12

Netz der

M

Forschung

Die EU will mit eigenen Rahmenprogrammen wie „Horizont 2020“ Forschungsnetzwerke in Europa fördern. Fördert sie damit auch Wissenschaft und Forschung?

SANDRA EIBENBERGER, INSTITUT FÜR QUANTENOPTIK UND QUANTENINFOR MATION (IQOQI), UNIVER SITÄT WIEN

Erscheinungsort: Wien P.b.b. 02Z033405 W Verlagspostamt: 1010 Wien laufende Nummer 2350/2012

TITELBILD: ARNOLD PÖSCHL


Fundierte Analysen zur รถsterreichischen Innenpolitik. Jede Woche.


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Inhalt

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„Exzellente“ Wissenschafterin Biochemikerin Verena Jantsch-Plunger Raben mit langem Gedächtnis Sie werden neunzig – und erinnern sich lange Hoffnung für Hausstaubmilbenallergiker Ein Start-up-Unternehmen gegen Allergien Stögers Schönheitsgesetz Wer Schönheits-OP durchführen soll und wer nicht

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Forschungsnetzwerke in Zahlen Der Countdown zum Thema Das Netzwerk für Forscher der Zukunft Was das Internet für die Forschung bedeutet Im Netz der Forschung Forschungsförderprogramme der EU Ein europäisches Forschungsnetzwerk für Peritonealdialyse – gegründet in Wien

Netzwerke für die Entstehung Europas Historiker Karl Vocelka über gelehrte Netzwerke Im Netz der Forschung: Das Glossar Von Kettennetzwerken und Dreiecksbeziehungen Studiengebühren Weshalb die Uni Wien sie einführt Gedichte, HEUREKA-Rätsel, Kommentar Geisterseher im Verteidigungsministerium

Kommentar

Editorial

Hochschulautonomie als Kostenfrage Herbert Hrachovec

Gr afik: Tone Fink, foto: K arin Wasner

MinisterialbeamD erte,hochgestellte ein stadtbekannter Intellektu-

eller, benutzte seinen politischen Einfluss, um eine Professur einrichten zu lassen, für die er sich bewerben konnte. Beim zweiten Anlauf hat er es geschafft. Das ist ein Beispiel aus der Zeit vor der „Universitätsautonomie“. Heute haben wir eine unabhängige Generaldirektorin („Rektorin“), die solche Transaktionen im eigenen Wirkungsbereich durchführen kann, vorausgesetzt, sie bringt sie durch die Kontrollgremien. Diese Autonomie bedeutet eine einschneidende ­Akzentverschiebung zwischen den Akteuren des traditionellen akademischen Betriebs. In der alten Ordnung lag die fachliche Kompetenz bei den Fakultäten, das hochschulpolitische Mikro­management konnte dagegen jederzeit vom ­Ministerium übernommen werden. Dazwischen war das Rektorat, ein Ehrenamt. Das UG2002 hat die Machtverhältnisse gedreht. Auf Kosten der Selbstbestimmung von Instituten, Fakultäten und ­Senat ist nun das Rektorenteam mit einem weitgehenden Durchgriffsrecht ausgestattet. Aus einer vom Staat alimentierten Gelehrtenrepublik wurde ein vom Staat alimentiertes akademisches Unternehmen. Universitäten sollen am Bildungsmarkt miteinander konkurrieren. Ihre Autonomie ist vom Gesetzgeber als Handlungsspielraum im Wettbewerb gedacht. Das Ideal der Autodetermination auf Grundlage des wissenschaftlichen Sachverstandes ist von der Logik profitorientierter Agenten in Konkurrenzverhältnissen abgelöst worden. Diese Sichtweise erzeugt ein Problem. Das Geld für die „Markt“Teilnehmer kommt nach wie vor vom Staat. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten müssen sich im ökonomischen Feld bewähren und dazu noch die Werte der Nation hochhalten. Vor einem ähnlichen Dilemma stehen die

Hochschulen als Schauplätze der realpolitisch machbaren staatlichen Bildungspolitik. Unis können im wirtschaftlichen Sinn bloß autonom sein, wenn sie ihre vollen Kosten privat durch freie Gestaltung ihres Bildungsangebotes hereinbringen dürfen. Solange das gesellschaftlich umstritten ist, besteht ein Konflikt zwischen den öffentlichen Finanzen und den Unis als staatsnahen, aus dem Wissenschaftsministerium ­ausgegliederten Unternehmen. Die Verwerfungen liegen in der Kon-

struktion. Dennoch kann man mit dem Interessensgegensatz klug und weniger klug umgehen. Die Studiengebühren dem lokalen Uni-Management zu überlassen, ist keine kluge Idee.

Finkenschlag Handgreifliches von Tone Fink

Herbert Hrachovec ist Philosoph und Mitglied des Senats der Universität Wien

www.tonefink.at

Ch r is t i a n Z illn e r

„Da kommt ein Tsunami auf uns zu“, sagt John Hennessy, ­Präsident der Universität Stanford, dem New Yorker. Was meint er ­damit? „Wir stehen kurz vor der Möglichkeit, jedem einzelnen Kind auf der Welt eine State-of-theart ­Stanford-Kaliber-Bildung zukommen zu lassen“, erklärt Marc ­Andreessen, der in ­Stanford lehrt. Letzten Herbst haben 160.000 Studierende in 190 Ländern Vor­lesungen über Artificial ­Intelligence in Stanford online mit­gemacht und mit einem Zertifikat (mit der Unterschrift des ­Lehrenden, nicht von Stanford) ab­geschlossen – gratis. Während sich Wissenschaftspolitiker und Wissenschafter weltweit Gedanken über Reformen des Hochschul­ wesens machen und ­teilweise ­heftig darüber streiten, ­könnte Ähnliches kommen wie in der Musik­industrie – neue ­Formen der Vermittlung, die den herkömmlichen das Wasser abgraben. Bevor jetzt jemand schreit Das kann man nicht vergleichen!, sei ­hinzugefügt, dass der Lehrende des StanfordAI-Kurses heute nicht mehr Professor an der Uni ist, sondern für ein Start-up-Unternehmen arbeitet, das Online-­Kurse anbietet. Vielleicht ist dies die Zukunft der in prekären Verhältnissen arbeitenden jungen Wissenschafterinnen. Womöglich ist der Zuckerberg der künftigen akademischen Bildung schon beim Programmieren.

Impressum Falter 21a/12 Herausgeber: Falter Verlagsgesellschaft m.b.H. Medieninhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: 01/536 60-0, E: service@falter.at, www.falter.at Redaktion: Christian Zillner Artdirektion: Dirk Merbach Layout: Reini Hackl, Raphael Moser Fotoredaktion: Karin Wasner Lektorat: Martina Paul Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau DVR: 047 69 86

heureka! erscheint mit ­Unterstützung des Bundesministeriums ­für Wissenschaft und Forschung


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Aus Wissenschaft und Forschung Kopf im Bild Frische Professorin Verena Jantsch-Plunger ist eine von drei exzellenten Wissenschafterinnen, die eine BertaKarlik-Professur erhielten. Es gab sechzig Bewerberinnen. Das neue Frauenförderprogramm soll die Zahl der Professorinnen steigern. „Wenn man diese Maßnahme fortsetzt, könnte man die Frauenquoten locker ins Gleichgewicht bringen“, sagt Jantsch-Plunger. Für die Biochemikerin bedeutet es die Aufwertung ihrer Arbeitsgruppe an den Max F. Perutz Laboratories der Uni Wien. Sie untersucht die Verteilung der in Chromosomen gepackten Erbinformation während der Keimzellentwicklung (Meiose). „Verteilungsfehler führen zu Fehlgeburten und geistigen Behinderungen.“ Als genetischer Modellorganismus dient ein winziger Fadenwurm. „Das ist ein ethisch unbedenkliches Modellsystem, so schnell und zahlreich wachsend, dass Ursächlichkeiten statistisch relevant belegt werden können. Im Gegensatz dazu wäre bei einer Frau ein meioseschädigender Umwelteinfluss unter Umständen erst nach Jahrzehnten bei deren Enkeltochter erkennbar.“ Te x t: USCHI SOR Z F oto : K ari n W as n er

U schi S orz

it einem DOC-team-Stipendium fördert die Österreichische AkaM demie der Wissenschaften diese vielversprechenden Dissertationen. Benjamin Opratko, 28, Uni Wien

„Was hält eine Gesellschaft zusammen?“ Debatten um diese Frage haben Benjamin Opratko zur Politikwissenschaft gezogen. „Besonders interessiert mich die These, dass Rassismen, etwa in Krisenzeiten, zur Stabilisierung der Verhältnisse beitragen, indem sie der Mehrheitsgesellschaft erlauben, sich durch Abgrenzung aufzuwerten“, so der 28-Jährige. Er arbeitet seit Jänner an seiner Dissertation „Aktuelle Artikulationsformen des antimuslimischen Rassis-

mus in Österreich“. Dabei konzentriert er sich auf den Alltag. „Äußerungen eines Strache oder Sarrazin können nur Wirkung entfalten, wenn sie auf einen breit geteilten ,Alltagsverstand‘ treffen, der den Islam pauschal abwertet.“ Die Rolle des Rassismus für das Schaffen von Wir-Identitäten ist wichtiger Teil seiner Analyse. David Egger, 25, TU Graz

„An der Physik fasziniert mich am meisten, dass man mit wenigen Grundannahmen weitreichende Schlüsse über die Welt ziehen kann“, sagt David Egger, Dissertant am Institut für Festkörperphysik der TU Graz. Für seine Masterarbeit zur quantenmechanischen Simulation von neuartigen Materialien

hat er 2011 den steirischen Forschungspreis für Simulation und Modellierung erhalten. In seiner Dissertation entwickelt er sein Thema weiter. Dabei geht es darum, die elektronischen Eigenschaften von organischen Filmen und deren Wechselwirkung mit Metallen zu verstehen. Gerade weilt der junge Forscher in ­Israel, denn die Gruppe seines Professors Egbert Zojer hat hier eine Kooperation mit dem Weizmann-­ Institut in Rehovot. Das findet Egger „extrem cool, denn es ist eine der besten Forschungseinrichtungen weltweit“. Gianna Zocco, 26, Uni Wien

Während ihrer Diplomarbeit in Vergleichenden Literaturwissenschaften

entdeckte Gianna Zocco ihre Begeisterung für größere wissenschaftliche Projekte. „Ich mag die intensive theoretische Reflexion über Literatur und die komplexen, oft nicht eindeutig zu beantwortenden Fragen und Erfahrungen, die in literarischen Texten behandelt werden.“ Ihr Dissertationsthema „Das Motiv des Fensters als Öffnung ins Innere in Erzähltexten der Gegenwart“ fand sie, nachdem sie beim Lesen kurz hintereinander in verschiedenen Romanen darauf gestoßen war. „Durch die beschränkte Perspektive und die einrahmende Wirkung hat die Beobachtung durchs Fenster eine besondere Qualität“, so die Lehrbeauftragte für Vergleichende Literaturwissenschaften an der Uni Wien. „Oft wird sie mit Gefühlen der einblickenden Person verknüpft.“

Fotos: Privat

Jungforscherinnen


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Aus Wissenschaft und Forschung Biologie

Raben mit Total Recall: Erinnerung an Jugendfeinde Zwei heimische Forscher haben das Gedächtnis der Raben erforscht: Die Vögel können sich an Jugendgenossen erinnern Jochen Stadler

aben werden bis zu neunzig JahR re alt. Ein Spatzenhirn kann man ihn kaum nachsagen – sogar in der

Fotos: Markus uehlein, K arin Wasner

Fabel ist der kluge Rabe dem schlauen Fuchs meist überlegen. Auch das Langzeitgedächtnis von Raben kann sich sehen lassen, fanden zwei Kognitionsbiologen der Universität Wien heraus. Selbst Jahre der Trennung lassen sie nicht vergessen, mit welchem ihrer Artgenossen sie auf gutem Fuß standen, und um welchen sie lieber einen Bogen flogen. Markus Böckle und Thomas ­Bugnyar zogen zwölf Raben auf der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle im oberösterreichischen Grüntal im Almtal von Hand auf. Die Vögel wurden erwachsen und fanden sich zu Brutpaaren (die ihr ganzes Leben gemeinsam verbringen) zusammen. Diese Paare verteilten Böckle und Bugnyar auf verschiedene Zoos in Österreich und Deutschland. Im Schnitt waren die Raben zwei Jahre von den anderen Paaren getrennt, als ihnen die Forscher die Stimmen ihrer ­alten

­ enossen vorspielten. Man wollte G wissen, ob sich die Raben noch an sie erinnern können. Offensichtlich hatten sie ihnen noch Einiges zu erzählen. Denn den alten Bekannten gegenüber waren die Raben viel redseliger als zu unbekannten Rabenstimmen, die ihnen die beiden Forscher als Kontrolle vorspielten. Auch konnten sie sich noch sehr gut an den Umgangston erinnern, mit dem sie in jungen Jahren verkehrt hatten. „Freunden gegenüber haben sie mit einer freundlichen Stimme zurückgerufen, zu den damaligen Feinden mit einer ein bisschen aggressiveren Stimme“, so Böckle. Bei unbekannten Artgenossen haben die Raben den Hals weit gestreckt und ihre ganz tiefen und rauen Rufe ausgepackt. „Damit versuchen sie, ihre akustisch wahrnehmbare Körpergröße zu übertreiben“, erklärt Böckle. Ein Verhalten, das uns irgendwie bekannt vorkommt, oder?

Markus Böckle mit einem Raben aus dem Forschungsprojekt

Der Mathematiker Bihlo will Atmosphärenmodelle konsistenter machen

Mathematik

Mit der Mathematik die Atmosphäre beschreiben Theorie für die Klimaforschung betreibt ein heimischer Erwin-Schrödinger-Stipendiat in Kanada Uschi Sorz

finde es unglaublich spannend, Imanchin einem Feld zu arbeiten, in dem die theoretischen Ergebnis-

se unmittelbar im Alltag sieht“, sagt der Meteorologe und Mathematiker ­Alexander Bihlo. Seit seiner Diplomarbeit gilt sein Interesse sogenannten Symmetriemethoden zur Lösung von Gleichungen, die das Wettergeschehen bestimmen. Dabei geht es nicht um die Wettervorhersage für den nächsten Tag, sondern darum, „gewisse atmosphärische Zustände zu beschreiben“, so der 28-Jährige. In seiner Dissertation an der Fakultät für Mathematik der Uni Wien hat er das Thema weiterentwickelt und sein Studium 2010 sub auspiciis abgeschlossen. Am Anfang aber stand das Meteorologiestudium: „Dabei hat mich besonders die theoretische Seite interessiert“, erklärt Bihlo den Ausgangspunkt für seinen Spezialismus. „Die ist ja ziemlich kompliziert und benötigt einiges an Mathematik.“ Seit August ist der Linzer mit einem Erwin-Schrödinger-Stipendium des FWF in Kanada und arbeitet mit Kollegen der Uni Montreal und der McGill-Universität an Symmetrien in numerischen Atmosphärenmodellen. Gemeinsam entwickeln sie Verfahren, die es ermöglichen, Symmetrien der atmosphärischen Grundgleichungen auch in einem numerischen Modell zu

erhalten. „Die Symmetrie einer Gleichung ist eine Transformation dieser Gleichung, die diese aber nicht verändert“, erklärt Bihlo. „Symmetrien sind fast immer mit physikalischen Gesetzen verbunden und daher sehr wichtige Charakteristiken von Gleichun„Um das Klima vorherzusagen, muss man ein numerisches Modell der Atmosphäre für lange Zeitspannen integrieren.“ Alexander Bihlo

gen.“ Wenn man also am Langzeitverhalten von numerischen Lösungen interessiert ist, wie etwa bei Klimaprognosen, spielen sie eine wesentliche Rolle. „Um das Klima vorherzusagen, muss man ein numerisches Modell der Atmosphäre für sehr lange Zeitspannen integrieren, und wenn man da die Struktur der Grundgleichungen verletzt, kann das zu falschen Prognosen führen.“ Der Reiz seines Spezialgebiets liegt für den jungen Wissenschafter im Zusammenspiel von Mathematik, Physik und Anwendung. „Ich hoffe, dass meine Arbeit ein konkretes Anwendungspotenzial hat“, betont er, „sie soll numerische Modelle der Atmosphäre konsistenter machen“.


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Aus Wissenschaft und Forschung Mikrobiologie

Physik

Ökologie

Neue Impfung für Hausstaubmilbenallergiker Bis ein Impfstoff zur Heilung von Allergien gegen die Hausstaubmilbe zugelassen sein wird, dauert es noch bis 2021

Die Stromnetze von morgen transportieren nicht mehr Wechsel-, sondern Gleichstrom

Ein Männlein steht im Walde, um Emissionsgeschäfte zu machen. Alles, um das Klima zu schonen?

Sabine Edith Braun

Florian Petautschnig

Werner Sturmberger

Glaubt, der Allergie Herr werden zu können: Geert Mudde

Der Fokus auf die Hausstaubmilbe ist schnell erklärt: „Das ist die vorherrschende Allergie im Westen, bis zu 70 Prozent der Allergiker sind Hausstaubmilbenallergiker“, erklärt Mudde. Sein Impfstoff soll früher ansetzen als herkömmliche Allergiemedikamente: „Als ich angefangen habe, war die Forschung auf Mastzellen fokussiert: Es ging darum, die Freisetzung von Histamin durch Mastzellen zu verhindern. Bei Heuschnupfen hieße das: verhindern, dass Pollen IgEAntikörper auf Mastzellen kreuzver-

netzen und die Mastzellen aktivieren.“ So funktionieren Antihistaminika. Mudde und sein Team wollen einen Schritt weiter gehen: „Warum entsteht eine Allergie überhaupt, und was kann man da schon am Anfang machen – nicht erst am Ende.“ Die Lösung klingt einfach: „Man muss verhindern, dass IgE-Antikörper entstehen. Es gibt verschiedene Arten von Zellen, die an der Immunantwort beteiligt sind. B-Zellen produzieren das IgE, weil die Th2-Zellen ihnen den Auftrag dazu geben. Wir greifen aber nicht die Th2-Zelle direkt an, sondern gehen einen Schritt tiefer und sagen dem Immunsystem, dass es Th1- statt Th2-Zellen generieren soll. So bleiben wir zwei Schritte vor der Entstehung von IgE.“ Das geschieht über die dendritischen Zellen. „Das sind die Dirigenten, da setzen wir an. Unsere Impfstoffe binden sich spezifisch an die dendritischen Zellen und geben ihnen den Auftrag, die richtigen Hormone auszubilden. Sie sagen also den T-Zellen, dass sie nicht zu Th2, sondern zu Th1 werden sollen.“ Für 2013 ist die präklinische Entwicklung des Impfstoffes geplant, 2015 sollen erste Anwendungen am Menschen durchgeführt werden. Vor 2021 wird das Medikament nicht am Markt sein. Milbenallergiker müssen sich bis dahin mit den herkömmlichen Medikamenten behelfen. Oder öfter die Bettwäsche wechseln. Link: www.s-target.com

Macht Allergikern schwer zu schaffen: die Hausstaubmilbe

eg von fossilen Rohstoffen hin as macht eine Gruppe von Finzu erneuerbaren und nachhal- W nen im nepalesischen DschunW tigen Energieformen: Derzeit scheint gel? – Sie zählen und vermessen in einigen Ländern Europas ein Umdenken in Sachen Energieressourcen stattzufinden. So hat zum Beispiel Deutschland nach der Kernkraftwerkkatastrophe in Fukushima beschlossen, aus der Kernenergie auszusteigen. Doch um Elektrizität künftig größtenteils aus Energiequellen wie Solaroder Windkraft auch effizient nutzen zu können, reicht es nicht aus, Windkraftwerke oder Solaranlagen en masse zur Verfügung zu haben. „Es braucht auch ein adäquates „Für Wind- und Solarstrom brauchen wir ein adäquates Stromnetz – ein Gleichstromnetz.“ Lothar Fickert, TU Graz

Stromnetz“, meint Lothar Fickert, Professor am Institut für elektrische Anlagen an der TU Graz. In Deutschland befinden sich zum Beispiel Windkraftwerke größtenteils im Norden. Damit der dort erzeugte Strom aber auch im Süden genutzt werden kann, muss er über ein möglichst effizientes Stromnetz dorthin transportiert werden. Warum funktioniert das nicht in den herkömmlichen Netzen? – „Bestehende Stromnetze transportieren auch über lange Strecken Wechselstrom“, sagt Fickert. „Wechselstrom kann man sich wie eine Welle vorstellen. Wenn man einen Stein ins Wasser wirft, dauert es einige Zeit, bis die Welle am Ufer ankommt. Wenn eine elektrische Welle über lange Strecken transportiert wird, kann es sein, dass sie, am Ziel ankommend, vorne abgeschwächt ist. Das kann zu Verlusten bei der Stromspannung führen.“ Deshalb müsse man beim Stromtransport über weite Strecken auf Gleichstrom umsteigen. Erfolgreiche Tests damit gibt es bereits, auch an der TU Graz. Doch bis solche Gleichstromnetze in Europa auch grenzüberschreitend eingeführt werden, dürften noch Jahrzehnte vergehen.

Bäume. Was nach dem Auftakt eines billigen Witzes klingt, hat einen möglicherweise lukrativen Hintergrund. Denn die Ergebnisse der Baumzählung werden mit LiDAR-Daten (Light detection and ranging) verknüpft. LiDAR funktioniert nicht wie Radar mit Radiowellen, sondern mit Licht, das Prinzip ist aber dasselbe. In diesem Fall befindet sich das System in einem Flugzeug und ist auf die Wälder darunter gerichtet. Das zurückgeworfene Licht liefert so Aufschluss über Dichte und Höhe der Bewaldung. Die Verknüpfung beider Datenquellen wird zur Schätzung der Baumdichte jener Waldgebiete genutzt, die nur mit LiDAR und nicht zu Fuß erfasst wurden. Die vom finnischen Unternehmen Arbonaut durchgeführte Vermessung der Wälder dient schließlich zur Schätzung der in den Wäldern gespeicherten Menge des Treibhausgases CO2. Mit REDD ließe sich diese für Nepal in bare Münze verwandeln. Die Überlegungen zu REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) werden seit einigen Jahren als Teil der UN-Klimarahmenkonvention diskutiert. Sie sollen im Süden finanzielle Anreize für eine Reduzierung der Emissionen durch Rodungen schaffen. Da aber nicht per se die Erhaltung von Wäldern gefördert wird, wäre es prinzipiell denkbar, natürlich gewachsene Wälder durch Plantagen zu ersetzen. Möglich ist dies durch die schwammige Definition zentraler Begriffe wie „Forest“ oder eben „Deforestation“. Durch die Betrachtung des in Bäumen gespeicherten CO2 als handelbare Ware werden Wälder vornehmlich als CO2-Lager thematisiert und nicht als Ökosysteme. Die Erhaltung von Biodiversität und der Schutz der Rechte lokaler Gemeinschaften sind zweitrangig. Offen sind auch noch immer die Finanzierung und die Höhe der Zahlungen sowie der Startzeitpunkt des Programms.

F o to s: Sa b i n e E d i t h B r au n , a rc h i v, w w w. f o to f u rg l e r .co m

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ie gute Nachricht zuerst: Allergiker haben Grund zur Hoffnung. Bis ein Impfstoff zur Heilung von Allergien, in erster Linie gegen die Hausstaubmilbe, zugelassen sein wird, dauert es aber noch. Seit den Achtzigerjahren beschäftigt sich Geert Mudde mit Allergien. Der gebürtige Holländer hat 2010 in Wien gemeinsam mit Christof Langer ein Start-up-Unternehmen gegründet, das mit staatlichem Geld arbeitet. Für die mikrobiologische Anfangsphase haben sie sich in der Boku Wien eingemietet: „Wir nutzen das wissenschaftliche Umfeld, die Geräte und das technische Wissen hier.“


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Aus Wissenschaft und Forschung Medizin

Brief aus Brüssel

Passt Stögers Schönheits-OP-Gesetz?

Erasmus-Programm

Dieter Hönig

Emily Walton

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ettabsaugung, Lidstraffung, Facelifting, Brust- und Nasenkorrekturen – am Schönheitsmarkt sind bislang nicht nur ästhetisch-plastische Chirurgen, sondern Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, ja sogar Allgemeinmediziner aktiv. Denen will Gesundheitsminister Alois Stöger nun das Messer aus der Hand nehmen. Sein demnächst im Parlament vorgestelltes Gesetz zur Regulierung von Schönheits-OP löst freilich auch Zorn aus: „Mogelpackung“ meinen die einen, „begrüßenswerte Initiative“ die anderen. Medizinische Tätigkeiten wie ästhetische Behandlungen und Operationen unterliegen dem Ärztegesetz. Es sieht vor, dass Fachärzte sich auf ihr Fachgebiet zu beschränken haben.

Das neue Gesetz will ­Allgemeinmedizinern ohne Spezialausbildung Schönheits-OP untersagen „Schon derzeit dürfen etwa HNOÄrzte nur im Hals-, Nasen- und Ohrenbereich tätig werden“, sagt Thomas Holzgruber von der Ärztekammer. Doch bei Allgemeinmedizinern

Gegen das Gesetz: Karl-Georg Heinrich, Vorsitzender der Association of Aesthetic Praktitioners

Für das Gesetz: Edvin Turkof, plastischer Chirurg am AKH Wien

gibt noch keine Fachbeschränkungen. Das neue Gesetz will das ändern und ihnen ästhetische Behandlungen und Operationen untersagen – so sie nicht eine entsprechende Ausbildung in der jeweiligen Tätigkeit nachweisen können. Das stößt bei der Association of Aesthetic Praktitioners AAP, einer Vereinigung von Allgemeinmedizinern, die kosmetisch-chirurgische Eingriffe durchführen, auf Unverständnis. Ihr Vorsitzender Karl-Georg Heinrich: „Die Ausbildung zum plastischen Chirurgen ist weder eine notwendige noch hinreichende Voraussetzung für die Qualifikation in der kosmetischen

Chirurgie.“ Edvin Turkof, plastischer Chirurg am AKH Wien, sieht das anders: „Wir bekommen bei der Ausbildung eine Basisausbildung in ästhetischer Chirurgie, die dann verfeinert und ergänzt werden muss. Ohne diese Basis fehlt aber das notwendige Rüstzeug für eine hochwertige Weiterbildung.“ Auch ein plastischer Chirurg kann nach Abschluss seiner Ausbildung noch nicht ausreichend erfahren für alle wesentlichen ästhetischen Eingriffe sein, räumt Turkof ein. Hat die Ausbildung zum ästhetisch-plastischen Chirurgen in öffentlichen Spitälern Platz? Heinrich: „Im Rahmen der Facharztausbildung lernen die in öffentlichen Spitälern ausgebildeten Fachärzte insbesondere klassische Heilbehandlungen. Wenn überhaupt, dann können medizinisch nicht indizierte Eingriffe wie ästhetische Behandlungen und Operationen nur in Grundzügen gelernt werden.“ Dem widerspricht Turkof und weist auf die ureigenste Aufgabe der plastischen Chirurgie hin: „Wenn unfallbedingte Verstümmelungen korrigiert werden sollen, ist die ästhetisch-plastische Chirurgie die einzige Disziplin, die dies durchzuführen hat und auch kann. Daher ist in öffentlichen Spitälern Platz für diese Ausbildung.“

F o to s: E l i sa b e t G r e b e/B M G , d e .t u r ko f.co m , p r i vat

Ein Schutz für die Patientinnen — Gesundheitsminister Alois Stöger über den geplanten Gesetzesentwurf Heureka: Herr Minister, Allgemein­ mediziner sehen in Ihrem Gesetzes­ entwurf eine Bevorzugung von Fachärzten für Plasti­ sche Chirurgie. Zu Recht? Alois Stöger: Für mich ist eine Frage entscheidend: Welche Ausbildung braucht ein Arzt, um ästhetische Eingriffe durchführen zu dürfen? Die Fachärzte für Plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie haben diese Ausbildung, bei allen anderen wird man – entsprechend dem jeweiligen Fachgebiet – differenzierte Regelungen treffen müssen. Allgemeinmediziner sollen, wenn es nach mir geht, derartige Eingriffe nur durchführen dürfen, wenn sie gleichwertige Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten wie die jeweiligen Fachärzte nachweisen können.

Wird es bei Verstößen gegen das neue Schönheits-OP-Gesetz Sanktionen geben, die über ein Bußgeld hinausgehen?

„Die derzeit im Entwurf vorgesehenen Strafen sind ausreichend.“ Alois Stöger, Gesundheits­ minister Stöger: Die derzeit im Entwurf vorge-

sehenen Strafen sind ausreichend. Zusätzlich dazu gibt es disziplinarrechtliche Regelungen: So sieht das Ärztegesetz bei gravierenden Verstößen zum Beispiel den Entzug der Berufsberechtigung vor. Man kritisiert am zwingend vorgeschriebenen Behandlungspass, er gefährde die Privatsphäre von Patienten … Stöger: Der im Entwurf vorgeschlagene Behandlungspass soll dazu dienen, die Qualitätskontrolle zu gewährleisten und nach- bzw. weiterbehandelnde Ärzte über bereits vorgenommene Eingriffe, vor allem im Sinne

eines verstärkten PatientInnenschutzes zu informieren. Die verpflichtende Dokumentation von Aufklärungs- und Beratungsgesprächen sowie durchgeführten Eingriffen im Behandlungspass soll keine Gefahr, sondern einen Schutz für die Patientinnen und Patienten darstellen. Die vierwöchige Wartefrist zwi­ schen Erstgespräch und Behandlung empfinden manche als Schikane … Stöger: Wenn man einen medizinisch nicht notwendigen Eingriff vornehmen lässt, muss das gut überlegt sein. Immerhin sind auch Schönheitsoperationen mit großen Risiken verbunden. Bei nicht operativen ästhetischen Eingriffen gilt die vierwöchige Wartefrist ohnehin nicht. Die im Begutachtungsentwurf vorgesehene Wartefrist soll beispielsweise auch dazu dienen, eine andere ärztliche Meinung zur geplanten Operation einzuholen und keine überstürzten Entscheidungen zu treffen.

ieser Tage feierte das Studentenaustauschprogramm „ErasD mus“ 20-jähriges Jubiläum in Öster-

reich: Rund 5300 Studenten in Österreich nützen jährlich dieses Angebot; zu Beginn waren es knapp 900. Zum Jubiläum werden nun die Zuschüsse für Erasmus-Studenten um zehn Prozent erhöht. Selbst war ich nie auf Erasmus. Während des Studiums hat sich der richtige Zeitpunkt nicht gefunden. Dennoch erlebte ich auch in Wien „Erasmus“: Ich hatte Austauschstudenten im Hörsaal und kannte die Welcome-Partys, die regelmäßig stattfanden. Oft wird Erasmus mit einem Semester voll Ausgelassenheit in Verbindung gebracht. Wenn man einmal im Leben die Möglichkeit hat, in Madrid, Berlin oder Paris zu leben, sollte das auch genossen werden. (Spanien, Deutschland, England, Frankreich sind übrigens die beliebtesten Länder für ein Auslandssemester.) Der Studienerfolg ist zwar wichtig, aber oberstes Ziel ist es, in und über Europa zu lernen: Es geht um kulturellen Austausch, grenzüberschreitende Freundschaften und Mobilität. Mit fast dreißig Jahren habe ich nun die Chance, Erfahrungen zu machen, die jenen der Erasmusstudenten gleichen könnten: In Brüssel, der Stadt, die meine neue Basis wird. Am ersten Abend soll ich eine Bekannte zum Place Luxembourg begleiten: Donnerstags geht es hier ähnlich zu wie auf einer Erasmusparty: Österreicher, Schweden, Deutsche, Franzosen usw. tummeln sich in den Bars. „Brüssel ist ‚Erasmus‘ für Erwachsene“, sagt mir eine Polin, die im EU-Parlament arbeitet. Ich proste ihr mit meinem Plastikbecher weißen G‘spritzten zu – nachdem ich es geschafft habe, dem Kellner dieses Getränk zu erklären. Danach werde ich Menschen vorgestellt, die hier arbeiten – ein, zwei Jahre lang – und sich Eurocrats nennen. Wie ich machen auch sie neue Erfahrungen (etwa in die vielen Schlaglöcher stolpern). Sie kennen meine Unsicherheit (Bestellen mit Händen und Füßen) und das Gefühl, mittendrin und doch nicht ganz dabei sein – die Eurokraten mischen sich nur selten mit den eingesessenen Brüsselern. Sie wissen, wie wichtig es ist, hart zu arbeiten. Und offen für Neues zu sein. Andersartigkeit schätzen zu lernen. Denn darum geht es in Brüssel – wie auch bei jedem anderen (beruflichen) Auslandsaufenthalt.


Titel 8

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im netz der forschung

Der Countdown zum Thema Florian pe tautschnig

8.600.000.000

Euro gibt die Republik ­Österreich laut Statistik ­ ustria im Jahr 2012 für Forschung und experimentelle Entwicklung aus. A

1.400.000.000

Euro beträgt in etwa das ­Jahresbudget der ­deutschen Max-Planck-Gesellschaft. Sie ist eine der führenden Forschungs­ institutionen in Deutschland. Eine vergleichbare Institution in Österreich wäre die Akademie der Wissenschaften. Zum Vergleich: die Akademie hat ein Jahresbudget von etwa 100 Millionen Euro.

4.000.000

Euro erhält ein Wissenschafter ­maximal, wenn ihm vom European ­Research ­Council ein ERC-Grant für ein Forschungsprojekt verliehen wird. ERC-Grants ­gehören zu den europaweit höchstdotierten Forschungspreisen. Finanziert werden sie von der Europäischen Kommission.

1.500.000

Euro beträgt der höchstdotierte Forschungspreis in Österreich, der Wittgenstein-Preis. Verliehen wird er vom Wissenschaftsfonds FWF. Im Unterschied zu ­v ielen anderen Preisen muss für den Wittgenstein-Preis kein konkretes ­Projekt eingereicht werden. Die Nominierung erfolgt durch Dritte. Außerdem ­können die Wittgenstein-Fördermittel von den Preisträgern frei verwendet werden, ohne dass Zwischenberichte beim FWF vorzulegen sind. Einzige Voraussetzung ist, dass das Geld für Forschungszwecke verwendet wird.

56.400

Personen sind in Österreich laut Statistik Austria im Tätigkeitsbereich Forschung und experimentelle ­Entwicklung in Vollzeit angestellt, davon rund 27 Prozent, also etwa 15.000, im Hochschulsektor.

25.000

Personen beträgt (geschätzt) die ­M itgliederanzahl der Cochrane-Collaboration. Das ist ein inter­ nationales Netzwerk von Wissenschaftern, die es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht haben, klinische Studien zu Medikamenten unabhängig nachzuprüfen.

80

Prozent aller Fördermittel des Wissenschaftsfonds FWF ­werden ausschließlich dafür aufgewendet, die Personalkosten von ­ orschungsprojekten zu decken. F

33

Doktoratskollegs, die vom Wissenschaftsfonds FWF ­unterstützt werden, laufen derzeit. Doktoratskollegs sind Netzwerke von ­Wissenschafterinnen und Wissenschaftern. Sie haben die Aufgabe, ­Doktorandinnen und Doktoranden auf hohem Niveau auszubilden.

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sogenannte Spezialforschungsbereiche (SFB) fördert der Wissenschaftsfonds FWF derzeit. Die SFB sind Netzwerke von Experten einer Wissenschaftsdisziplin, die sich an einem Standort zusammen­ schließen, um sich gemeinsam langfristigen und aufwendigen Forschungen widmen. Der FWF fördert jeden Spezialforschungsbereich mit rund einer Million Euro im Jahr.

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laufende als auch neu bewilligte Nationale Forschungsnetzwerke (NFN) fördert der FWF aktuell. NFN sind Netzwerke, die aus ­Forscherinnen und Forschern in Österreich, aber auch teilweise aus dem Ausland bestehen. Ziel dieser Netzwerke ist, Schwerpunkte, die es in ­einer Wissenschaftsdisziplin gibt, durch die Zusammenarbeit von Experten an verschiedenen Standorten auf diesem Gebiet zu festigen und zu fördern. ­Jedes Netzwerk erhält rund 800.000 Euro pro Jahr.

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Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollte jedes Mitgliedsland der EU bis 2010 für das sogenannte „Lissabon-Ziel“ ausgeben, das sich die ­Europäische Union im Jahr 2002 gesetzt hat, um die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union im Vergleich mit den USA und Japan zu erhöhen. Bis 2010 erreichten dieses Ziel aber nur zwei europäische Länder: Schweden und Finnland.

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Wittgenstein-Preise des Wissenschaftsfonds FWF werden jährlich ­ aximal verliehen. m

COVERFOTO Sandra Eibenberger Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQ), Universität Wien Sie schreibt an ihrer Dissertation „Quanteninterferenz Experimente mit komplexen organischen Molekülen“.

„Positiv an Forschungsnetzwerken ist die Möglichkeit des intensiven persönlichen und schriftlichen wissenschaftlichen Austausches mit Forschern anderer Disziplinen und Arbeitsgruppen. Durch die Kombination verschiedener Expertisen sind einige Forschungsziele überhaupt erst realisierbar.“


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IM NETZ DER FORSCHUNG

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Andreas Pospischil Vienna University of Technology Institute of Photonics Er beschäftigt sich derzeit mit Photodetektoren, die aus einer einzigen Lage von Kohlenstoff atomen aufgebaut sind. Diese neuartigen Bauteile arbeiten viel schneller als herkömmliche Lichtdetektoren und könnten am Ende von High-speedDatenübertragungssystemen zum Einsatz kommen, um die Lichtsignale wieder in elektrische Signale umzuwandeln.

Zu den Fotos Arnold Pöschl setzt sich in seinen Fotoarbeiten mit Menschen und ihren Arbeitswelten auseinander. Dabei geht es ihm darum, unterschiedliche Lebensentwürfe zu zeigen. www.arnoldpoeschl.com

„Forschungsnetzwerke wie zum Beispiel das SFB Infrared Optical Nanostructures (IR-ON) bieten für mich einerseits die Möglichkeit, wissenschaftliche Probleme in einer größeren Gruppe zu besprechen und zu lösen, andererseits bieten Kollaborationen mit internationalen Forschungsgruppen die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern. Diese Kontakte können auch weit über das Doktoratsstudium hinaus interessant sein.“ FOTO: ARNOLD PÖSCHL


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im netz der forschung

Das Netz für die Forscher der Zukunft Das Internet revolutioniert die Forschung und Entwicklung weltweit Gunnar Heinsohn

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er Rätsel des Altertums lösen will, sollte Jahre für das Erlernen toter Sprachen aufwenden oder wenigstens Kontakte mit Philologen pflegen, die ihm die fremden Idiome übersetzen. Schon innerhalb einer Universität braucht so etwas Wochen, außerhalb gelingt es so gut wie nie. Noch vor Kurzem hätte man selbst unstrittigen Talenten von solchen Forschungen abgeraten. Doch 1991 geht die erste Website online. Und 2012 stehen fast alle Texte, die jemals aus Hieroglyphen, Keilschrift, Hebräisch, Persisch oder Altgriechisch übersetzt worden sind, zumindest auf Englisch im Netz. Ausgrabungsberichte aus der ganzen Welt kommen hinzu. Aus Jahren der Stoffaufbereitung werden Minuten. In einem Dutzend alten Sprachen gleichzeitig kann jetzt jeder nach – sagen wir – Berichten über kulturstürzende Himmelskörper fahnden und Querverbindungen erkennen, auf die unschuldige Übersetzer niemals verfallen. Um große Geschäfte geht es bei solcher Recherche fast nie. Die werden immer noch in der Industrie gemacht. Obwohl sie etwa in den USA nur 11 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert, gibt sie 68 Prozent der Gelder für Forschung und Entwicklung

Gunnar Heinsohn ist Soziologe und Ökonom

„Nationen ohne Grundlagen­ forschung können dank des Internets nun überholen, ohne einzuholen.“ Gunnar Heinsohn

(Susan Helper, Cleveland Case Western Reserve University) aus. Diese Arbeit ist von Konkurrenz und Geheimhaltung geprägt. Fast immer geht es um Materialen, also um die Qualitäten von Werkstoffen, was sie aushalten, wie sie bis in Nanogrößen kombinierbar sind, und welche noch nie bedachten Verbindungen möglich werden. Selbst bei den Weltfirmen gibt es nur eine Handvoll Materialpäpste. Auch ihre Throne wackeln: Seit März 2012 ist auf ­Initiative von Gerbrand Ceder, MIT, das Materials Project online und macht die Eigenschaften von mehr als 20.000 Komponenten verfügbar. Das geht bis hin zu Bakterien, die mit den passenden Substanzen Batteriestrom erzeugen können. Bis dato schwer zugängliche Befunde stehen damit weltweit bereit. Nationen ohne Grundlagenforschung können überholen, ohne einzuholen. Die Epoche endloser Rechtfertigungen für Rückständigkeit ist bald vorüber. Wer jetzt nicht nach vorne kommt, ist seines Unglücks eigener Schmied. Entscheidend bleibt, wie gescheit solche Schätze zu Innovationen kombiniert werden. Fleiß und Wollen sind wichtig, aber entscheidend bleibt Kompetenz. Es ist kein Zufall, dass zwei chinesische Fir-

men zu den drei patentreichsten weltweit gehören (ZTE/1. und Huawei/3.). Da ihre Forscher erst einmal fremde Alphabete und Sprachen lernen müssen, bevor es mit dem Browsen losgeht, hilft nun einmal die Differenz zwischen einem IQ von 105 dort und 100 bei den Europäiden. Vor dem Kopieren muss man kapieren können – weshalb auch schon beim Nachahmen Verbesserungen erfolgen. Virtuelle Cluster bis hin zu Erstellung von Prototypen entstehen. Denn die Geschwindigkeit bei deren Bereitstellung für die produktive Umsetzung determiniert das Firmenüberleben. Was früher zeitraubend war, kann heute ein Einzelner entwerfen und dreidimensional gezeichnet an Spezialisten mailen. Die stellen mit dreidimensionalen Druckern zum Preis von einer Million Euro nach wenigen Stunden das fertige Modell einer Produktionsabteilung zu. Die 2007 in Eindhoven gegründete 3D-Druckfirma Shapeways versandte bereits 2011 eine Dreiviertelmillion solcher Objekte. Kleine Teams von Leuten, die man in Großeinrichtungen deckelt, bestimmen die zukünftigen Netze. Selbst die kreative Arbeit der in den Konzernen bisher Unberührbaren aus Forschung und Entwicklung wird fremdvergeben.

Kooperation statt promovierende Einzelkämpfer Die Akademie der Wissenschaften fördert DOC-teams in den Geistes- und Kulturwissenschaften ch habe zwei DOC-teams betreut und Imenarbeit; was ich jeweils gut fand, war die Zusamdas Promovieren war nicht nur

Einzelkämpferdasein”, erklärt Birgit Sauer, Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien. DOC-teams sind Teil der von der ­Öster­­reichischen Akademie der Wissenschaften vergebenen Promotions-Stipendien. Pro Jahr gibt es 30.000 Euro für eine maximale Dauer von drei Jahren pro Doktorand – aber das Geld geht an Teams. Ein DOC-team besteht aus drei oder vier Personen, die nicht älter als 30 Jahre sein sollten, oder deren Studienabschluss nicht mehr als vier Jahre zurückliegt. Das Ziel dieser DOC-teams ist die problemlösungsorientierte Entwicklung von disziplinübergreifenden Konzepten. Sie sollen stärker an Themen als an wissenschaftlichen Fächern ausgerichtet sein. Dabei müssen mindestens zwei Mitglieder des Teams aus unterschiedlichen Disziplinen der ­Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften stammen.

DOC-teams stellen damit eine der wenigen Förderungsmaßnahmen in diesen Wissensbereichen dar. Die Beteiligung von Naturwissenschaftern wird explizit begrüßt. Seit 2004 wurden 22 Teams bewilligt, zwölf Projekte sind mittlerweile abge-

Alina Brad, Christina Plank und Anke Schaffartzik (v.l.n.r.) analysieren als DOC-team soziale und ökologische Konflikte im Kontext der Biotreibstoffproduktion

„Vom Konzept her ermöglichen DOC-teams die schönste Art wissenschaftlicher Arbeit, die ich mir vorstellen kann“ schlossen. Knapp 60 Prozent der Stipendiaten haben im Rahmen des Projekts promoviert. Seit 2008 können aus budgetären Gründen nur mehr maximal zehn Stipendien vergeben werden, was bis zu drei DOCteams entspricht. „Grundsätzlich wird den Antragstellern schnell klar, wie aufwendig die Vorbereitung eines Antrags für ein DOC-team ist“, sagt Barbara Haberl, die die ­Stipendien der

ÖAW betreut. „Schließlich müssen bis zu vier Betreuer dazu gebracht werden, das Projekt zu unterstützen.“ Da in Österreich das Angebot an Promotions-Stipendien vor allem für Geistes- und Sozialwissenschaften sehr klein ist, sind viele bereit, sich dem Bewerbungsprozess zu stellen. „Vom Konzept her ermöglichen die DOC-team-Stipendien die schönste Art wissenschaftlicher Arbeit, die ich mir vorstellen kann“, sagt Anke Schaffartzik, die gemeinsam mit Alina Brad und Christina Plank soziale und ökologische Konflikte im Kontext internationaler Biotreibstoffproduktion erforscht. Auch Markus Wissen vom Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien, einer der vier Betreuer dieses DOC-teams, zeigt sich von der problemzentrierten Ausrichtung der Teams angetan: „Die DOC-teams schaffen einen Kristallisationspunkt für die Zusammenarbeit über Disziplingrenzen hinweg – auch für die Betreuer.“ Auch Birgit Sauer hat diese Kooperation als bereichernd erlebt, schränkt jedoch ein: „Drei Jahre sind einfach zu kurz.“

Fotos: uni bremen, O.O.

Werner Sturmberger


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Haidingers Hort der Wissenschaft

Grafikkabinett Püribauers Tierversuche

So Netze reißen M artin H aidinger

Martin Haidinger ist Historiker, Wissenschafts­ journalist bei Ö1 und ­Staatspreisträger für Wissenschafts­ journalismus

I llustrati o n : B ernd P ü ribauer

Freihandbibliothek Buchtipps von Emily Walton Wie sich Forschung verändert

Dieses Werk beleuchtet die Entwicklung der Forschungszusammenarbeit während des und seit dem Zweiten Weltkrieg. Die beiden Autoren beschreiben die Bedeutung von internationalen Forschungsnetzwerken, an denen sich Hunderte Wissenschafter unterschiedlicher Disziplinen beteiligen. Auf knapp 400 Seiten gibt es Essays von Forscherinnen und Forschern, unter anderem aus den Disziplinen Anthropologie, Physik oder Geschichte. Big Science: The Growth of Large-Scale Research. Peter Galison, Bruce Hevly. Stanford University Press. 408 Seiten.

Was erwarten wir von CERN?

Was genau passiert am CERN (abgeleitet von Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire), dem Europäischen Kernforschungszentrum in Genf ? Und welche Erkenntnisse erwartet man über den ­Zusammenhang von Raum, Zeit und ­Materie? Antworten gibt Buchautor Rolf Landua. Er ist Physiker am CERN und erklärt die Grundlagen des Projekts – in verständlichen Dialogen, die er mit involvierten Forschern führt. Laien finden auf rund 100 Seiten viele Einblicke. Am Rand der Dimensionen: Gespräche über die Physik am CERN. Rolf Landua. Suhrkamp Verlag. 105 Seiten.

Europäischer Zusammenhalt

Dem Thema Forschungsnetzwerke in Europa widmet sich dieser Band. Eine Reihe von Universitätsprofessoren aus verschiedenen Ländern stellt sich die Frage, welche Rolle Forschende und welche Entscheidungsträger für die Entwicklung der internationalen sozialwissenschaftlichen Umweltforschung spielen. Die Autoren schildern Modelle für wissenschaftliche Interaktion und Zusammenhalt in Europa. Das Buch zeichnet ein Bild einander überlappender institutioneller Interessen in sechs EU-Ländern, darunter Finnland, England und Österreich.

Wissenschaft und Wirtschaft

Social environmental research in the European Union. Herausgeber: Edward Elgar Pub. Northampton, MA. 160 Seiten.

MIT and the Rise of Entrepreneurial ­Science. Henry Etzkowitz. Routledge Chapman & Hall. 192 Seiten.

Selten kann Forschung völlig losgelöst von wirtschaftlichen Interessen stattfinden. Allzu oft sind Universitäten abhängig von Konzernen und der Marktlage. Schließlich müssen neue Technologien – oft Produkte intensiver Forschungsarbeit – patentiert und auch auf dem Markt zugelassen werden. In diesem Buch wird das Zusammenspiel zwischen Hochschulen und Konzernen am Beispiel der amerikanischen Forschungsstätte Massachusetts Institute of Technology MIT geschildert.

u einem ordentlichen Netz, das etwas Z auf sich hält, gehört auch eine Spinne, die drin sitzt und auf Beute wartet; oder

gehören wenigstens wagemutige Akrobaten, die darüber in luftiger Höh‘ am Seil tanzen, dabei vielleicht noch mit ein paar Bällen jonglieren, oder mühsam mit einem Stab die Balance halten. Und wenn wir grad von Forschungsnetzwerken reden … Eines der ältesten seiner Art ist seit 1666 in Frankreich ausgelegt und aufgespannt. Die Pariser Académie de Sciences verknüpft nicht nur französische, sondern auch ausländische Wissenschaftspersönlichkeiten miteinander – wie etwa auch Österreichs „Mister Beam“ Anton Zeilinger. Dass es früher nicht immer dem Über­ leben gedient haben mochte, so einem Netzwerk anzugehören, zeigt das Beispiel des unglücklichen Vaters der modernen Chemie, Antoine Lavoisier. Er wurde nach Auflösung aller Akademien durch die Französische Revolution des Pachtwuchers angeklagt und fand in ­Gestalt Jean-Baptiste Coffinhals einen Richter von schlichtem Gemüt, der den Ausnahme­forscher mit der Bemerkung, dass die ­Republik weder Wissenschafter noch Chemiker brauche, auf die Guillotine geschickt haben soll. Nun erinnert dieses nicht bestätigte ­Zitat zwar fatal an die diversen verbürgten intellektuellen Bekenntnisse rezenter österreichischer Politiker, die vor allem auf das stolz sind, was sie nicht gelesen haben, und folglich auch nicht wissen. Doch selbst wenn die ärgsten Ignoranten unter ihnen Fächer wie Orientalistik und Byzantinistik abschaffen woll(t)en, werden sie doch die Vertreter dieser hehren Zünfte wenigstens nicht köpfen lassen – zumindest nicht im physischen Sinn. Nein, Netzwerk-Amputationen hierzulande sehen anders aus! Geknister gab es in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, rund um ­deren jährliche Festsitzung Anfang Mai. Renée Schröder und Gunther Tichy hatten der Akademie den Rücken gekehrt und ihre ordentliche Mitgliedschaft niedergelegt; die Biologin mit großem Getöse, der Ökonom still und heimlich. Das Präsidium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nimmt die finale Kritik der beiden an angeblicher mangelhafter Exzellenz und fehlender Reformkraft gelassen hin. Klar – wenn nur zwei Fäden, vielleicht auch drei, vier oder zehn aus dem Netz gezogen werden, hält es trotzdem, und das Biotop nährt noch seine Arachniden. Dünn wird’s dann aber irgendwann, wenn das ramponierte Ding vielleicht als Auffanginstrument für Forschungsakrobaten im freien Fall dienen sollte. Wenn Netze reißen, kommen Artisten nämlich hart auf.


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KATHARINA FRITSCH WERNER STURMBERGER

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ie Sanierung der Staatsfinanzen und strukturelle Reformen sind notwendig, aber alleine noch nicht ausreichend, um die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas zu gewährleisten“, liest man in einer Mitteilung der EU-Kommission zum neuen Forschungsrahmenprogramm „Horizont 2020“.

Die Zukunftshoffnung der EU: Horizont 2020 Es brauche „intelligente Investitionen, insbesondere in Forschung und Innovation“, meint die EU-Kommission, um den Lebensstandard zu halten und aktuelle Probleme wie Klimawandel, Ressourceneffizienz und Bevölkerungsalterung zu bewältigen. Horizont 2020, das ab 2014 alle forschungsfördernden Aktivitäten der EU zusammenfassen soll, ist mit 80 Milliarden Euro dotiert und zielt darauf ab, Europas Platz in einer „neuen Weltordnung“ zu sichern. Europa leide unter einem strukturellen Innovationsrückstand und müsse wettbewerbsfähiger werden. Durch Investition in Forschung ließe sich „nachhaltiges“ und „smartes“ Wachstum erreichen. Zentrale Ressource sei dabei „Wissen“ – verstanden als technologische Innovationen, die möglichst schnell in neuen Produkten und Dienstleistungen verwertet werden sollen.

Wissensgesellschaft als Wirtschaftskonzept Diese Idee der EU folgt der „knowledgebased economy“, einer vor allem von den USA vorangetriebene Neuorientierung der Weltwirtschaft. Dieses Paradigma wurde seit den späten Sechzigerjahren von amerikanischen Soziologen wie Robert E. Lane oder Daniel Bell propagiert. Wissen stelle demnach die wichtigste Ressource der postindustriellen Gesellschaften dar – im Unterschied zur Industriegesellschaft, in der Arbeit, Kapital und Rohstoffe die zentralen Produktivkräfte seien. So erläutert Wolfgang Neurath, Netzwerkexperte des Wissenschaftsministeriums, die Ideen Lanes und Bells. In den Achtzigerjahren wurde die Wissensgesellschaft vor allem von US-amerikanischen Think-Tanks zur Leitideologie erhoben, schreibt der britische Sozialwissenschafter Bob Jessop.

Netzwerke als Basis der Wissensgesellschaft In der EU fanden diese Bestrebungen beim wegweisenden Treffen des Europäischen Rates im März 2000 in Lissabon im Leitmotto „Forschung und Innovation” ihren Ausdruck. Im kurz darauf erschienenen Dokument „Towards a European Research Area“ legte die EU-Kommission die Rahmenbedingungen für einen

innovationsorientierten, europäischen Forschungsraum fest. Die Maßnahmen weisen Forschungsnetzwerken eine Schlüsselrolle zu. „Sie haben auch dazu beigetragen, dass ein richtiger Forschungsmarkt mit Akteuren entstanden ist. Die Akteure haben sich darauf spezialisiert, in diesem Markt eine Rolle zu spielen“, erklärt der Netzwerkforscher Harald Katzmair von fas.research. Das Wesen dieses neuen Wissenschafts- und Forschungsmarktes sind Netzwerke.

Multidisziplinarität für innovative Forschung „Ohne Zusammenarbeit gibt es überhaupt keine Wissenschaft. Die Menschen haben schon vor Jahrhunderten gewusst, dass das Leben zu kurz und die Wirklichkeit zu komplex ist, um als Einzelner weit zu kommen“, erläutert Konrad Becker, Forscher, Künstler und Leiter des World-Information Institute. Der netzwerkartige Charakter von Wissenschaft ist alt. Wissen entsteht immer aus der Zusammenarbeit verschiedener Akteure. Die veränderten Rahmenbedingungen für die Forschung führen nun aber zu einer noch stärkeren Betonung des Netzwerks und seiner Eigenschaften. Netzwerke stehen mittlerweile für Ideen, verstärkte Flexibilität, Dezentralisierung und Mobilität. Forscherinnen und Forscher sollen sich weder an räumliche noch an disziplinäre Grenzen binden. „Trans-“ oder „Multidisziplinarität“ lauten die Begriffe hierfür. Sie stehen für all jene Methoden, die Forschungsfragen problemorientiert formulieren. Multidisziplinäre Ansätze bringen eine Kombination unterschiedlicher Disziplinen zur Problemlösung in Stellung. Transdisziplinäre Methoden haben die Überschreitung disziplinärer Grenzen zum Ziel. „Ich finde, dass diese problemorientierte Forschung schon in die richtige Richtung geht“, meint Netzwerkforscher Katzmair. „Wir sehen ein Problem – egal, ob Mathematiker, Psychologe oder Ökonom – und wir haben immer die Perspektive, bestimmte Probleme lösen bzw. besser verstehen zu können.“

Forschung seien Netzwerke wichtig, da Die EU will Ähnlichkeiten und Unterschiede in Fordurch Rahmenschungsfeldern besser herausgearbeitet werden könnten. Derzeit ist sie an einem europrogramme wie päischen Forschungsnetzwerk von fünf EUHorizont 2020 Mitgliedsstaaten zum Thema „Gewalt in der Schule“ beteiligt. ForschungsEU-Netzwerke fokussieren netzwerke in auf neue Technologien Europa fördern. Die Definition der EU von Wissen als zentralem Rohstoff der europäischen WirtAber fördert schaft führt zu einem spezifischen Verteisie damit auch lungsmuster des EU-Forschungsbudgets. Wissenschaft und Der Fokus liegt auf angewandter Forschung und bevorzugt Naturwissenschaften und Forschung? Technik gegenüber Geistes-, Kultur- und

„An großen Institutionen wächst der Speckgürtel weiter, während jene, die mit Herz und Seele ein Thema verfolgen, zusehends leer ausgehen.“ Konrad Becker

Netzwerke als Formen der Wissenschaftskritik Katja Mayer, Lektorin am Institut für Wissenschaftsforschung, betont, dass der Begriff der Forschungsnetzwerke eine Kritik an starren Hierarchien und Forschungsstrategien beinhalte. Gut funktionierende Netzwerke würden „Personen und Institutionen zusammenbringen, den Wissenstransfer verbessern, diverse Ressourcen verbinden und Jungforschern neue Wege eröffnen.“ Diese Vorteile internationaler Vernetzung führt auch Birgit Sauer an, Professorin am Institut für Politikwissenschaft Wien. Hinsichtlich politikwissenschaftlicher

Harald Katzmair, Netzwerkforscher, fas.research: „Die Frage ist nicht, wer Potenzial hat, sondern wie man Potenzial reproduzieren kann. Es geht immer darum, wie wir unser Vermögen erneuern können.“

Sozialwissenschaften. Diese Tendenz lässt sich auch in Österreich bei der Forschungsmittelvergabe des Wissenschaftsfonds FWF ablesen. 2011 gingen 43 Prozent der Fördergelder von rund 195 Millionen Euro an sogenannte Life Sciences (Medizin, Pharmazie, Biologie, etc.), 40 Prozent an Naturwissenschaft und Technik und die verbleibenden 17 Prozent an Geistes- und Sozialwissenschaften. Die europäischen Rahmenprogramme sollen zur flächendeckenden Verbreitung eines netzwerkartigen Forschungsmodus beitragen. Er soll sich vor allem auf marktorientierte Wissensbereiche konzentrieren. Dass diese Konzentration auch tatsächlich stattfindet, belegen die Analysen bisheriger Forschungsrahmenprogramme von Stefano Breschi und Lucia Cusmano, Ökonomen an der Wirtschaftsuniversität Mailand. Sie stellen eine Bevorzugung technologieorientierter Forschungsnetzwerke fest. Dabei handelt es sich vornehmlich um Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie, sogenannte Research Joint Ventures RJV. Österreich ist derzeit an zwei solch großen RJV beteiligt: Lifevalve und Futuresoc. In Lifevalve, budgetiert mit 16 Millionen Euro, entwickelt die Medizinische Universität Wien gemeinsam mit Instituten in Ungarn, den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz Ersatzherzklappen für Babys aus körpereigenen Zellen. In Futuresoc, mit 2,4 Millionen Euro dotiert, analysiert das Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse die durch den Klimawandel bedingten demographischen Entwicklungen.

Forschungsnetzwerke als Beutegemeinschaft Der Begriff des Netzwerks scheint egalitäre und dezentrale Beziehungen zu implizieren. Stimmt diese Annahme? Mit dieser Frage befasst sich die Soziale Netzwerkanalyse SNA. Sie dient zum einen der Propagierung des Begriffs Netzwerk, liefert aber auch Ansätze, um dessen Funktionieren


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Forschung verständlich zu machen. Ihre Wurzeln liegen in der Mathematik des 19. Jahrhunderts, als sich Vorstellungen relationaler Logik etablierten. Dieser folgend, ist die eigene Position in einem Netzwerk maßgeblich durch die Qualität, Quantität und Intensität der jeweiligen Beziehungen zu anderen Akteuren bestimmt. Die Positionen in einem Netzwerk sind daher nicht gleichrangig sondern hochgradig hierarchisch. „Es wird eigentlich das Gegenteil von dem bewirkt, was man behauptet zu verfolgen“, sagt Konrad Becker. „Eine Dezentralisierung findet überhaupt nicht statt, genauso wenig werden schwache Akteure gestärkt. Im Wesentlichen ist es so, dass Netzwerke Verstärkungseffekte haben.“ Das heißt, wer wichtige Knoten in einem Netzwerk kontrolliert, kann seine Machtposition leichter festigen und stetig ausbauen, entsprechend dem „the rich get richer“-Prinzip. Im europäischen Forschungsraum hat sich eine Oligopol-Struktur herausgebildet. Stefano Breschi und Lucia Cosmano zeigen, dass die Forschungsrahmenprogramme der EU „Core Center“ oder „Cluster“ entstehen lassen. Das sind Knotenpunkte überdurchschnittlich intensiver Beziehungen der Akteure eines Netzwerks. In Europas Forschungsnetzwerken gehören dazu rund 20 bis 25 Akteure, darunter bekannte Forschungseinrichtungen wie das Karolinska Institute in Schweden oder das CNRS in Frankreich, hinter vorgehaltener Hand auch als „Beutegemeinschaft“ bezeichnet.

Konrad Becker, Leiter des WorldInformation Institute Wien: „Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Netzwerke automatisch eine Dezentralisierung mit sich bringen und Schwache stärken.“

F o tos: pr i vat, T U W i e n, pi lo pi c hle r

Forschungsnetzwerke als Speeddating-Szenarien Teil eines Netzwerks zu sein bedeutet nicht, ein Gleicher unter Gleichen zu sein – ja nicht einmal, tatsächlich vernetzt zu sein, selbst wenn man im gleichen Projekt tätig ist. „Die Projektmitglieder eines Konsortiums gruppieren sich um einen Consortial Leader und kommunizieren wenig untereinander“, erklärt Netzwerkforscher Katzmair. Potenziell produktive Kooperationsgemeinschaften würden so zu Zweckbeziehungen verkommen. Dadurch hat sich ein gewisser Zynismus breitgemacht. „Da verfolgt jeder seine Ziele. Man trifft sich einmal zu einem Workshop, bei dem jeder seinen Beitrag vorstellt. Am Ende erstellt der Consortial Leader daraus einen Bericht.“ Darüber hinaus würde die wettbewerbsförmige Kooperation vorwiegend opportunistische Beziehungen zwischen den Akteuren hervorbringen. Kooperation entstehe nicht aus gemeinsamen wissenschaftlichen Interessen, sondern aufgrund strategischer Positionen der möglichen Partner: „Das ist wie auf Partnerbörsen. Jeder hat mit jedem schon mal kooperiert”, vergleicht Katzmair die Zusammenarbeit in Forschungsprojekten mit Speeddating-Szenarios. Konrad Becker spricht in diesem

Katja Mayer, Wissenschaftsforscherin an der Universität Wien: „Vernetzung macht besonders da Sinn, wo man sich Infrastrukturen teilen muss, wo man gemeinsam an ihrer Entwicklung arbeiten kann.“

Birgit Sauer, Politikwissenschafterin an der Universität Wien: „Ein Problem innerhalb von Forschungsprojekten besteht im Prozess der sprachlichen und auch kulturellen Übersetzung.“

­ usammenhang von einem merkwürdigen Z Vernetzungswahn vonseiten der Politik: „Die blinde Wut der Förderer zu erzwungener Mobilität und Netzwerkbildung führt nur dazu, dass Flugzeugsessel ein bisschen mehr abgenützt werden.“ Abseits von „Forschungssupertankern“ existieren gerade in der außeruniversitären Forschung Kooperationen schon lange, werden aber von der Politik kaum wahrgenommen. Sie funktionieren dezentral und mit geringem Aufwand, da sie sich moderner Kommunikationstechnologien bedienen, erklärt Becker. Die Rhetorik der Forschungsnetzwerke wird ihrer Realität nicht gerecht. Vorstellungen von Mobilität, Flexibilität und Innovation in der Wissenschaft erzeugen einen Netzwerk-Jargon, der den tatsächlichen Verhältnissen kaum entspricht. Sie seien vornehmlich von einer Bürokratisierung und Ökonomisierung von Forschung und damit verbundenen Ideen von Qualität und Effizienz geprägt. Becker: „Diese Vorstellungen produzieren aber häufig das Gegenteil von dem, was sie vorgeben zu leisten. Da nehmen Wissenschafter oft extreme Anstrengungen auf sich, um durch die vermeintlichen Effizienz-Reifen zu springen, und daneben bleibt dann die Arbeit liegen.“

Behindern Forschungsrahmen­­programme die Forschung? Als grundlegendes Problem gilt die Ausschreibungspolitik der Rahmenprogramme. Diese sei kurzfristig und projektbezogen und orientiere sich an der OverheadFinanzierung. Die Förderung von Infrastruktur, Personen und Netzwerken wird damit nicht erreicht. „Von der OverheadFinanzierung profitieren vor allem Akteure, die bereits über Infrastruktur verfügen“, erklärt Katzmair. „Außerdem Projekte, die innerhalb kurzer Zyklen umgesetzt werden können.“ Das erschwere die Förderung der Grundlagenforschung und begünstige anwendungsorientierte Forschung. Sie ist auch mit der in „Horizont 2020“ vermehrt angestrebten Einbindung privater Drittmittel besser vereinbar. Die Unabhängigkeit der Forschung von privaten Geldgebern wird dadurch geschwächt, die private Aneignung von Forschungsergebnissen etwa in Form von Patenten hingegen gestärkt. Welches Wissen relevant ist, wird durch den Ausschreibungsmodus der Brüsseler Verwaltung bereits vorweggenommen. Dadurch entstehe vor allem marktkonformes Wissen, dessen thematische Schwerpunkte sehr kurzen Konjunkturzyklen unterliegen würden. Becker: „Da wird halt jedes Jahr oder alle zwei Jahre eine neue Sau durchs Dorf getrieben.“ Die Entscheidung, welches Wissen gerade für die europäische Gesellschaft ­relevant sei, gestaltet sich demnach keineswegs

­ emokratisch. Wenig demokratisch ist auch d der systematische Ausschluss von jenen Akteuren, die die finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen für die jeweilige Antragsstellung nicht erübrigen können. Kleineren, meist außeruniversitären Instituten würde sukzessive der Zugang zu den Geldquellen verbaut, während große wissenschaftliche Institutionen eigene Departments allein zur Antragsstellung unterhalten. „So wächst an großen Institutionen der Speckgürtel weiter, während jene, die mit Herz und Seele ein Thema verfolgen, zusehends leer ausgehen“, sagt Becker.

Gibt es auch ein nützliches Wissen jenseits der Verwertbarkeit? Damit auch kleine Akteure mitspielen können, bedarf es anderer Rahmenbedingungen. „Es bräuchte einen Portfolio-Ansatz“, sagt Netzwerkforscher Katzmair. „Das bedeutet, sowohl Personen wie Infrastruktur und nicht nur Projekte zu unterstützen.“ Das würde nicht nur die Beteiligung kleinerer Akteure erleichtern, sondern auch Raum für langzyklische Formen von Forschung schaffen. Katja Mayer vom Institut für Wissenschaftsforschung erkennt bereits erste Ansätze dafür auf EU-Ebene: „Man hat gelernt, dass Grundlagenforschung im Innovationsdenken nicht fehlen darf, auch wenn dies jetzt nicht unbedingt der Strategie der Forschungsnetzwerke entspricht. Man sollte auch vermehrt Projekte fördern, die keine unmittelbare Umsetzbarkeit oder direkte Verwertungslogik auszeichnet.“ Die Forschungsförderungsstrategie „Horizont 2020“ soll vornehmlich verwertbares Wissen fördern, um durch Wirtschaftswachstum Krisen begegnen zu können.

Demokratisierung des Wissens statt Informationsfeudalismus Wenn Wirtschaftswachstum nicht die richtige oder einzige Antwort auf Krisen ist, wird auch das ihm verpflichtete Wissen kaum zur Bewältigung von Krisen beitragen können. Nimmt man diese Überlegung ernst und zieht in Betracht, dass Wachstum nicht nur Lösung, sondern auch Ursache von Krisen sein kann, wäre wohl auch Wissen nützlich, das nicht nur in Wirtschaftswachstum übersetzt werden soll. Becker plädiert für eine Redemokratisierung öffentlichen Wissens als Gegenspieler zu einem voranschreitenden privat finanzierten und privat verwerteten Informationsfeudalismus. Problematisch ist, dass die Entscheidung, welches Wissen für die gegenwärtige Situation relevant ist, durch „Horizont 2020“ büro- und nicht demokratisch beantwortet wird. Alternative ­D efinitionen aktueller Probleme, ihre Forschungsnetzwerke und Lösungsstrategien, werden damit ausgeblendet.


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Ein europäisches Forschungsnetzwerk Sabine Edith Braun

Das in Wien gegründete Forschungs­ netzwerk für Peritonealdialyse besteht seit Dezember 2011. Es ist ein Beispiel für Forschungs­ netzwerke, wie sie sich die EU vorstellt

Die Vorgeschichte des Netzwerks Das Netzwerk besteht formal seit Dezember 2011, doch seine Entstehungsgeschichte reicht viel weiter zurück. „Der Beginn jedes Netzwerks ist immer irgendeine Form von Teamarbeit im eigenen Bereich. Bei uns war das Mitte der Neunzigerjahre, als ich mit zwei gleichaltrigen Kollegen, Klaus Arbeiter und Thomas Müller, zusammenarbeitete“, erklärt Aufricht. „Wir hatten unsere Aufgaben verteilt; jeder stützte den anderen. So war es jedem von uns möglich, ins Ausland zu gehen. Ich beschäftigte mich in Yale wissenschaftlich mit einem neuen Thema: mit Hitzeschockproteinen.“ Diese entstehen bei zellulärem Stress, sie sind die spezifische biologische Antwort einer Zelle gegen eine Schädigung. Über diese Nische der zellulären Stressanalyse bei Nierenversagen kam Aufricht zum Thema Peritonealdialyse: „Wir entdeckten, dass es spezielle Erkrankungen bzw. Behandlungsformen gibt, wo quasi als Nebenwirkung diese „Der Beginn jedes Stressantwort blockiert wird. Zum Beispiel Netzwerks ist immer bei der Peritonealdialyse.“ irgendeine Form von

Ein Ersatz für die Blutdialyse? Die Peritonealdialyse (PD) sei, so Aufricht, eine ebenso gute Form der Behandlung wie die Blutdialyse, doch sie werde nur selten angewendet. „Ich dachte als Kinderarzt immer, die PD ist die Heimdialyse, und die Hämodialyse die geeignete Form für Personen, wo das mit der PD zu Hause nicht klappt, und beide Therapien wären völlig gleichwertig. Doch im Zuge der Forschung sah ich, dass 90 Prozent der erwachsenen Patienten die teurere Hämodialyse bekommen.“ In den USA werde das gerade so geändert, dass die Kosten pro Patient die gleichen sind und nicht mehr nach der Form

Teamarbeit im eigenen Bereich.“ Christoph Aufricht, Leiter des EuTRiPDProjekts, MedUni Wien

der Behandlung unterschieden wird. „Das wird wohl dazu führen, dass mehr PD gemacht wird“, sagt Aufricht. Ein Nachteil der PD: auf Dauer wird das Bauchfell von den zuckerhältigen Dialyselösungen geschädigt, das Entzündungsrisiko steigt. An diesem Punkt setzt das ­EuTRiPD-Netzwerk seine Forschung an.

Auf dem Weg zum Netzwerk Christoph Aufricht beschreibt die ersten Schritte zu einem EU-Forschungsprojekt so: „Ich brauchte ein Zellkulturmodell der PD, anhand dessen man verschiedene Formen der Entzündung studieren kann. So arbeitete ich mit einem Kollegen in Berlin zusammen, der sehr gute Zellkulturen anfertigte. Außerdem brauchte ich ein Tiermodell und stieß auf Rob Beelen in Amsterdam, der das beste Tiermodell hatte. Der wiederum erzählte mir von Spaniern, die über die Fibrosierung forschten. Und ein Kinderarzt in Heidelberg meinte, an Kindern könne man Nierenkrankheiten am besten erforschen.“ Allmählich entstand aus informellen Treffen und einzelnen bilateralen Kooperationen ein informelles Netzwerk quer durch Europa. Auch die Medizinische Universität Posen und die Cardiff University kamen hinzu.

Das EU-Forschungsprojekt Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine ­klaren Spielregeln, aber einen Vertrauensvorschuss. „Mit der Zeit wird dieser Vertrauensvorschuss bestätigt oder falsifiziert. Da die Chemie untereinander stimmte, klappte die Arbeit. So dachte ich, das sollte man in einem größeren Rahmen machen. Wir beschlossen, den Antrag für ein EUProjekt einzureichen. Rob Beelen war der ideale Koordinator.“ Das dreijährige Projekt ist in drei Arbeitsschritte gegliedert: 1.) Erkrankungen des Bauchfells und seine Wiederherstellung auf der Zellebene; 2.) Experimentelle PD in komplexen lebenden Organismen (Ratten, Mäuse); 3.) Umsetzung der Forschung auf menschliche Organismen via Biobanken. Eingebunden in das europaweite Netzwerk sind Forscher, außerdem Unternehmen sowie Patientenverbände. Vor allem die Teilnahme Letzterer erachtet Aufricht als wichtigen Schritt: „Die EU hat uns gezwungen, viel zu kommunizieren – zunächst untereinander. Wir haben uns aber auch intensiv mit der Kommunikation mit Patienten beschäftigt.“

Chance für junge Wissenschafter Im Rahmen des EuTRiPD-Projekts wird nicht nur Forschung betrieben, sondern auch gelehrt. Dafür wurde ein gemeinsames Ausbildungszentrum für Jungforscher eingerichtet, die PD-Academy. „Wir haben zwölf Jungforscher ausgesucht, deren Dissertationsthemen zu unserem Forschungsgebiet

passen.“ Jeder Professor im EuTRiPD-Netzwerk betreut einen Jungwissenschafter. Darüber hinaus gibt es intersektorale Kooperationen, das heißt, jeder der zwölf muss für jeweils ein paar Monate woanders hin. „Nach Wien wird zunächst eine Polin kommen sowie eine Italienerin, die sich derzeit aber noch in Chicago befindet. Da wird Englisch gesprochen werden, was zu einer weiteren Internationalisierung führt.“ Ein nicht geringer Anteil der EU-Gelder ist für diese Trainingszwecke gedacht. „36 Monate lang für jeweils zwölf Studenten je 1800 Euro – macht eine dreiviertel ­Million“, rechnet Projektleiter Aufricht vor. Das Lernziel lautet, auf dem Gebiet der Peritonealdialyse „eine neue ­Generation von MedizinerInnen und WissenschafterInnen“ auszubilden, steht in der ­Presse-Aussendung. „Diese Jungforscher müssen sich nicht mühsam erkämpfen, einander kennenzulernen – anders als wir“, sagt Aufricht und prognostiziert: „Am Schluss werden zwei Gruppen entstanden sein: die Gruppe der principle investigators, also wir. Und eine Gruppe junger Wissenschafter, die das neue Netzwerk bilden.“

Peritonealdialyse Die Peritonealdialyse (PD) ist eine Form der Nierenersatztherapie. Zum einen überbrückt sie die Zeit bis zur Nierentransplantation. Zum anderen kommt sie auch bei vielen Langzeitpatienten zum Einsatz, etwa, wenn eine Transplantation nicht möglich ist. Bei der PD wird das Bauchfell (Peritoneum), eine gut durchblutete Membran, die bei einem Erwachsenen bis zu zwei Quadratmetern Fläche hat, als Filter verwendet. Über einen Katheter wird eine Dialyselösung in den Bauchraum geleitet, dabei treten die Giftstoffe aus dem Blut durch die Kapillargefäße des Bauchfells in die Dialyselösung über, die dann nach einigen Stunden abgeleitet wird. Diese Form der Dialyse muss mehrmals täglich durchgeführt werden. Sie ist schonender als die Blutdialyse, und sie ist daheim, unabhängig von speziellen Maschinen, durchführbar.

Das Netzwerk Projektkoordinator Rob Beelen über die Vorteile eines Forschungsnetzwerks im Unterschied zu herkömmlicher Forschung: „Die zwölf Jungforscher werden quer durch Europa ausgebildet, und jeder von ihnen wird auch eine gewisse Zeit bei einem anderen Projektpartner verbringen; halbjährliche Fortbildungstreffen der Jungwissenschafter, ihrer Betreuer sowie des Konsortiums werden stattfinden. Darüber hinaus bleibt die EuTRiPD-Academy bestehen, wenn das Fördergeld ausgelaufen ist. Eine Verwertung der Ergebnisse ist vorgesehen, nicht zuletzt aufgrund der starken Beteiligung von privaten und öffentlichen Partnern." (Am Projekt sind zehn vollwertige Partner beteiligt, davon zwei aus der Industrie und acht aus der Wissenschaft; vier assoziierte Partner, davon einer aus der Industrie sowie drei öffentliche).

Linktipp: www.eutripd.eu

Fotos: Z y toprotec GmbH/Foto Wilke, privat

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ie Inzidenz von chronischen Nierenerkrankungen hat sich im letzten Jahrzehnt verdoppelt, der derzeitige jährliche Zuwachs beträgt ungefähr acht Prozent, und die Behandlungskosten betragen mehrere Milliarden Euro pro Jahr.“ So erklärt Projektleiter Christoph Aufricht von der MedUni Wien die Notwendigkeit, in diesem Bereich neue Diagnostika und Therapien zu entwickeln. Dazu dient das Projekt „European Training and Research in Peritoneal Dialysis“ EuTRiPD. Es arbeitet im Rahmen des Marie Curie Initial Training Networks zur europäischen Forschung und Entwicklung und erhält dafür von der Europäischen Union 3,2 Millionen Euro. Von insgesamt 1000 eingereichten EUProjekten landete das EuTRiPD-Projekt mit 95,8 von 100 Punkten unter den Top Ten. Im Netzwerk arbeiten europaweit Akademiker, Kliniker und medizinische Unternehmen, um bestehende Lücken in der Behandlung sowie in der Forschung im Bereich der Peritonealdialyse zu schließen.


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Rutger Kramer Institut für Mittelalterforschung Er arbeitet als Projektkoordinator des Spezialforschungsbereiches Visions of Community: Comparative Approaches to Ethnicity, Region and Empire in Christianity, Islam and Buddhism. Die zentrale Frage seiner Forschungsarbeit ist die Wechselwirkung zwischen zentralisierenden Herrschaft sideologien und die Vielfalt an religiösen Diskursen im frühmittelalterlichen Reich der Karolinger.

„Aus meiner Sicht besteht der größte Gewinn eines interdisziplinären Forschungsnetzwerks darin, dass es den Dialog zwischen Individuen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven und auf allen akademischen Ebenen ermöglicht. Aus solchen Dialogen entstehen neue Fragen, neue Antworten und auch neue Ansätze, um Forschungsergebnisse in einen breiteren Kontext zu stellen.“ FOTO: ARNOLD PÖSCHL

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Netzwerke für die Entstehung Europas Ortrun Veichtlbauer Erich Klein

Eine Ihnen gewidmete Festschrift b­ elegt Ihr weit gestreutes Netz an I­ nteressen und Verbindungen. Sie leiten das ­Institut für die Erforschung der Frühen Neuzeit. Dort finden sich auch viele Schüler … Karl Vocelka: Was den nachhaltigen Kontakt zu Studierenden betrifft: Das Institut wurde vor fünfundzwanzig Jahren gegründet – und tatsächlich sind heute viele ehemalige Schüler dabei. Es entstand ein Netzwerk, das so nicht geplant war. Seine Mitglieder vernetzen sich selbst auch wieder. Es ist jedenfalls basisdemokratisch organisiert und funktioniert unentgeltlich.

Der Historiker Karl Vocelka im Gespräch über moderne Netzwerke und ihre Vorgänger in der europäischen Gelehrten­ republik

Sind es nicht Netzwerke, die unsere Erzählungen von der Geschichte bilden? Vocelka: Nicht in dem Sinn, wie das heute etwa die Politologen tun. Und was die frühe Neuzeit betrifft – da hat niemand mehr etwas zu verbergen. Sie endete vor über zweihundert Jahren. In der Zeitgeschichte spielt das sicher eine Rolle, weil es den entsprechenden politischen Willen gibt, und weil die Historiker natürlich auch dem einen oder anderen Lager näher stehen und von dort Aufträge bekommen.

Netzwerke verfügen über Ein- und Ausschlussmechanismen. Wie sah das aus Ihrer Sicht früher aus? Vocelka: Kontakte zwischen Menschen oder Freundeskreisen gab es schon immer. Da ist seit den großen Korrespondenzen der Humanisten nichts Neues geschehen. Durch die Vernetzung erfolgt ein Austausch von Ideen. Dass Netzwerke die Karriere fördern, ist nicht ganz ohne Bedeutung. Das war auch bei den Humanisten so: Man kennt am Wiener Hof jemanden, der das Ohr des Kaisers hat – und dann bekommt man den Job in der Bibliothek. Was ist der Beitrag dieser Netzwerke für die Herausbildung von Europa? Vocelka: Ein großer: die Höfe haben diese Netzwerke gefördert. Die Universitäten waren weniger bedeutend als heute. Bei den großen Forschungsinstitutionen wie der ­Royal Academy oder Académie française spielte der jeweilige Herrscher eine große Rolle – nicht nur als Geldgeber. Diese Akademien waren wichtig für das Image und das Prestige. Die Wissenschaft wurde gefördert, aber sie diente eben auch den Höfen. Es war keine in unserem Sinn unabhängige Wissenschaft. Einem Hofgenealogen bei Maximilian I. wurde gesagt: Ich möchte unbedingt von Karl dem Großen abstammen, von den Merowingern oder einer römischen Adelsfamilie! Dementsprechend wurde die Genealogie hingetrimmt – mit ziemlichen Geschichtsklitterungen. Dem ähnelt die heutige Auftragsforschung – vielleicht weniger in der Geschichte. Aber in der Medizin ist das sicher ein Thema: Fördert eine Pharmafirma ein Forschungsprojekt, stellt sich die Frage, welche Ergebnisse sie erwartet. Ich habe mich vor langer Zeit mit Erdbebenforschung beschäftigt – das ist wichtig für Atomkraftwerke und andere Großprojekte. In Italien gab es dafür ein Großinstitut, das hundert Historiker beschäftigte.

Finanziert wurde es vom staatlichen Energiekonzern. Ob man auch alles, was man da in den langen Beobachtungsreihen über die Erdbeben herausfand, sagen durfte, sei dahingestellt. Jedenfalls waren die Gelehrtenrepubliken in der frühen Neuzeit wichtig für die europäische Identität. Man hat sich dabei nicht auf ein Land beschränkt. Außerdem gab es eine lingua franca dieser Gelehrtenrepublik: das Lateinische. In einer sehr kleinen Schicht fand eine Art Europäisierung statt, auch wenn der kleine Bauer in den böhmischen Wäldern oder im Zillertal davon nichts wusste.

Karl Vocelka, geboren 1947 in Wien, Vorstand des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit, Universität Wien. Bücher (Auswahl): „Die Familien Habsburg und Habsburg-Lothringen. Politik – Kultur – Mentalität.“ (2010) „Glanz und Untergang der höfischen Welt. Repräsentation, Reform und Reaktion im habsburgischen Vielvölkerstaat.“ (2001) Wissenschaftlicher Leiter diverser Ausstellungen wie „Die Donau“; „Zu Hause in der Fremde. Tschechen in Wien im 20. Jahrhundert“; „Feste feiern“

Sie sind für den Internetauftritt www.habsburger.net verantwortlich. War das Internet eine neue Erfahrung? Vocelka: Ich war immer der Meinung, dass Geschichtsschreibung sich nicht durch eine Fülle an Fußnoten beweisen muss. Man kann Geschichte auch einem breiteren Publikum vermitteln, und das bei solider Wissenschaft. Forschung hat auch eine gesellschaftliche Funktion, wir werden schließlich vom Staat bezahlt, und sollen unsere Ergebnisse auch vermitteln. ,Die Welt der Habsburger‘ hat mit den Entwicklungen der Zeit zu tun, und ich wollte nicht an den neuen Medien vorbeigehen. Wenn ich einen Dreizehnjährigen für das Thema Habsburger begeistern will, geht das mit der Möglichkeit, im Netz zu surfen, besser als mit einem dicken Buch. Geht das nicht bisweilen auf Kosten von Kritik und Urteilsfähigkeit? Vocelka: Es ist natürlich auch für die frühere Geschichte wichtig, klar zu machen, dass etwa das 19. Jahrhundert nicht nur der ,gute‘ Kaiser Franz Josef war und die schöne Sisi, sondern auch eine Zeit von Arbeiter- und Bauernelend oder des Antisemitismus. Ich sage es in den Vorlesungen und bei der Lehrerausbildung immer wieder: Man kann nicht Österreichs Weg zur Großmacht feiern, und dann kommt ein Adolf Hitler, der auch eine Großmacht will, und der ist plötzlich böse. Als wäre bei den Habsburgern vorher alles in Ordnung gewesen. Auch wenn die Habsburger große Verdienste hatten – für die Sammlungen etwa, von denen heute der Fremdenverkehr lebt –, muss man mit der Kritik bei ihnen anfangen. Da ist

etwa auch über die Sammlungen zu sagen, dass sie vom Volk finanziert wurden. Ein Dauerbrenner ist seit einem halben Jahrhundert ein Haus der Geschichte … Vocelka: Dem Fremdenverkehr ist das SisiMuseum wichtiger. Was das Haus der Geschichte betrifft, so ist das kein Problem der scientific community, auch wenn man sich fragen darf, ob sich die auf ein gemeinsames Konzept einigen könnte. Aber da bin ich nicht Zeithistoriker genug – das Ganze ist ein Politikum. Das Haus der Geschichte ist auch eine Frage der Generationen. Das hat sich in Deutschland im Bereich der Wissenschaftsgeschichte gezeigt: Erst die Enkel haben mit jenen Historikern abgerechnet, die mit dem System des Nationalsozialismus verbunden waren. Der Austrofaschismus war lange Zeit eine totgeschwiegene Sache, ein Tabuthema, das erst in den letzten zehn Jahren aufgebrochen ist. 1989 hat Europa begonnen, sich neu zu ordnen – wie schaut es mit ,unserem‘ Imperium in der Geschichtswissenschaft aus? Sie sprechen Tschechisch … Vocelka: Es gab die Kontakte schon vor 1989. Das Netzwerk, das ich mit den Tschechen und zum Teil in Ungarn aufgebaut habe, entstand schon vorher. Das rechnen mir die Tschechen heute positiv an. Nach 1989 hat Erhard Busek eine Rolle für eine Reihe von Ost-West-Projekten gespielt, auch wenn die in der Mitte steckengeblieben sind. Aber das Ministerium bemüht sich. Mit den Nachbarländern sind wir in vielerlei Hinsicht gut vernetzt. Wie sieht es mit einer gemeinsamen europäischen Geschichte aus? Vocelka: Es gibt nur europäische Geschichten. Ich bereite gerade eine oberösterreichische Landesausstellung vor, die grenzüberschreitend sein wird – Mühlviertel und Tschechische Republik. Bei den alten Handelsstraßen gibt es nicht viele Probleme, bei anderen Punkten wie der Vertreibung der Deutschen hingegen schon. Die angedachte Lösung besteht in den unterschiedlichen Erzählperspektiven, die immer sehr stark national bestimmt sind. Diesbezüglich hatte ich mit einem türkischen Studenten ein Urerlebnis: Es ging um den Fall von Byzanz 1453 – aus unserer damaligen Sicht schrecklich. Doch der Student schrie laut „Ja!“, denn für die Osmanen war es ein großes Ereignis. Der Sultan hatte endlich eine Hauptstadt. Liegt die Wahrheit in den Netzwerken, die alles relativieren? Wo die Wahrheit liegt, ist schwer festzustellen, weil es die Wahrheit halt auch nicht gibt. Man kann sich ihr nur annähern und klarmachen, welche Perspektive man einnimmt.

Foto: Privat

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em Konzept der Forschungsnetzwerke, wie es die EU propagiert, steht das ältere Modell der europaweiten Gelehrtenrepublik gegenüber. Wir sprachen mit einem zeitgenössischen Vertreter dieses weitverzweigten „Netzwerks“.


HEUREKA

IM NETZ DER FORSCHUNG

Gerda Heydemann Institut für Mittelalterforschung Gerda Heydemann arbeitet in einem Spezialforschungsbereich der Uni Wien und untersucht die Bedeutung von Religion für die Formierung von ethnischen oder politischen Gemeinschaften in verschiedenen mittelalterlichen Kulturen. Derzeit schreibt sie ihre Dissertation über die politische Rolle der Bibel im Frühmittelalter.

„Als besonders bereichernd empfinde ich die Zusammenarbeit in einem großen, interdisziplinären Team. Das Interesse„Was ich all die Jahre höre: „Ich bin jung, ich habe für gemeinsame Fragestellungen Kraft, ich könnte arbeiten. bringt Du bist ein schwarzer die Möglichkeit besonders intensivem Aber ich darfzunicht. Mensch, du bist ein Austausch Wer sollmit dieKollegInnen, Pension für von den schlechter Mensch. Mit-Doktorandinnen über die post-Docs meine Mutter verdienen, Ichbis will nur eine Chance zu den Projektleiterinnen.“ wenn die Jungen nicht und behandelt werden arbeiten dürfen?“

wie andere Menschen auch“

FOTO: ARNOLD PÖSCHL

Zsuzsanna Hortobagyi, 23

Branislav Matic, 40

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im netz der forschung

(Wissenschafts)netzwerke: Das Glossar Die eigenen Beziehungen verdienen den Begriff Netzwerk, während Kollegen ihre Karrieren durch Seilschaften vorantreiben Jochen Stadler

All-channel Netzwerk

Jeder-kennt-jeden-Netzwerk. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können Wissen und Gegenstände beliebig über einen der unzähligen Wege im Netzwerk schicken und ohne Umwege miteinander kommunizieren. Oder über alle möglichen Umwege. Das eine funktioniert gut für dringende Informationen, das andere für Gerüchte. Beziehung

Freundschaft, gemeinsame Projekte, gemeinsame Interessen, Liebe, Geschäfte und Ähnliches, das zwei oder mehrere Personen miteinander verbindet. Beziehungsstärke

Hängt davon ab, wie sehr die Beteiligten einander vertrauen, welche positiven oder negativen Gefühle in der Beziehung mitschwingen, wie viel Zeit und Energie sie dafür investieren und was sie bislang ausgetauscht haben. Je stärker die Beziehung ist, umso reger werden Informationen, Wissen und Ressourcen durch diesen Kanal fließen, und zwar in beide Richtungen.

Gemeinschaft

Eine Gruppe von Personen, die etwa ein gemeinsames Interesse, Ziel, Bedürfnis oder Merkmal verbindet und von anderen abgrenzt. Führt dazu, dass sie Beziehungen knüpfen, unterhalten und pflegen und ein „Wir-Gefühl“ entwickeln. Wissenschafter-Netzwerk. Besteht aus vielen kleineren Gemeinschaften der einzelnen Wissenschaftszweige, verbunden durch interdisziplinäre Zusammenarbeit. Zugang zu den Zirkeln bekommt man nach einem einschlägigen Studium durch die Mitarbeit in einer Forschungsgruppe. Der Status in der Gemeinschaft hängt von den wissenschaftlichen Veröffentlichungen ab, die man vorweisen kann, und der Institution, bei der man arbeitet. Forschungsnetzwerk

Nepotismus

Forschergemeinschaft

Je mehr Beziehungen die Beteiligten vorweisen können, umso dichter und engmaschiger ist das Netzwerk. Dreiecksbeziehung

Interdisziplinär

Einfaches Netzwerk aus drei Knoten und ebenso vielen Kanten, das die Beziehung dreier Menschen darstellt. Wird als spannungsgeladen und instabil beschrieben und hat nicht selten ein absehbares Ablaufdatum. Nicht zu verwechseln mit der V-förmigen Triade, bei der eine Person Beziehungen zu zwei anderen hat, die voneinander nichts wissen. Forschungsförderung

Geldmittel, um die Forscher buhlen. Werden durch Staaten, Staatengemeinschaften wie der EU und private Quellen bereitgestellt und entweder direkt oder über Fonds-Organisationen vergeben. Die Forscher reichen in der Regel einen Antrag über das geplante Forschungsprojekt ein, der von möglichst unabhängigen Fachleuten begutachtet wird. Je nachdem, wie viel Geld die Fördergeber zur Verfügung haben und was die Gutachter geschrieben haben, entscheiden sie, ob ein bestimmtes Projekt gefördert wird oder nicht.

Kleine-Welt-Phänomen

Der amerikanische Soziologe Stanley Milgram untersuchte 1967, wie eng die Menschen miteinander vernetzt sind. Aus seinen Experimenten schloss er, dass in den USA jede Person mit einer beliebigen anderen über sechs Personen verbunden ist. Auch wenn diese Zahl nicht in Stein gemeißelt ist, konnten andere Forscher seine These der Kleinen Welt bestätigen, etwa die Microsoft-Wissenschafter Jure Leskovec und Eric Horwitz 2008 anhand des Netzwerks von 180 Millionen Instant-MessengerNutzern.

Forscher netzwerken mit Kollegen aus derselben Fachrichtung, um ihre Erkenntnisse auszutauschen, Trends nicht aus den Augen zu verlieren und sicherzustellen, dass sie den anderen um eine Nasenlänge voraus sind. Schielen sie nach den großen Fördergeldern, müssen sie auch Kontakte mit anderen Wissenschaftsgebieten knüpfen und sich interdisziplinäre Projekte aus den Fingern saugen.

Dichte des Netzwerks

Bits und Bytes und was auch immer im Netzwerk die Runde machen will, muss denselben Weg gehen, denn es gibt keine Abzweigungen, Umwege oder Abschneider.

Vom lateinischen Wort nepos für Nachkomme, Neffe oder Enkel stammend, besser bekannt als Vetternoder Freunderlwirtschaft und Schiebung. Evolutionsforscher betrachten die Bevorzugung genetisch verwandter Individuen nüchtern als Beitrag zur Verbreitung des eigenen Erbguts. Netzwerk

Wissenschafter aus verschiedenen Fachgebieten arbeiten zusammen und kombinieren ihre Methoden und Denkweisen. Tauschen sie bloß Ergebnisse aus und veröffentlichen sie diese gemeinsam, ist das immerhin multidisziplinär. Ein länger andauerndes Bündnis kann eine neue Fachrichtung hervorbringen, das passierte etwa bei der Biochemie.

Geflecht aus Knoten, die durch sogenannte Kanten miteinander verbunden sind. Die Knoten können etwa Menschen, Städte und Dörfer, Fabriken, Lagerhallen, Straßenlaternen und Computer sein, die Kanten Liebes-, Freundschafts- und Geschäftsbeziehungen, Straßen und Schienenwege, Strom- oder Internetkabel. Netzwerke sind oft sehr flexibel, Knoten und Kanten können neu entstehen und wieder verschwinden, Beziehungen können stärker oder schwächer werden und ihre Art ändern.

Karrierenetzwerk

Netzwerker

Flechtwerk von sozialen Kontakten, die Vorteile im Berufsleben versprechen. Die eigenen, mit großer Sorgfalt gepflegten Beziehungen verdienen den Begriff „Netzwerk“, während die Kollegen ihre Karrieren bloß durch Seilschaften, Freunderlwirtschaft (Nepotismus), Vitamin B und Protektion vorantreiben. Kettennetzwerk

Alle Knoten des Netzwerks sind wie bei einer Perlenkette hintereinander aufgereiht. Informationen, Waren,

Menschen, die viel Zeit und Mühe aufwenden, um ein Beziehungsnetz aufzubauen und zu erweitern. Dem Vernehmen nach werden diese Beziehungen anschließend oft gewinnbringend eingesetzt, um persönliche Vorteile zu erlangen und die Karrierechancen nicht allzu sehr von der eigenen Leistung abhängig zu machen. Netzwerkforscher

Untersuchen die Beziehungen zwischen Teilnehmern in sozialen, biologischen oder Computer-Netzwerken.

Netzwerkmanagement

Entscheidet, wer ins Netzwerk aufgenommen wird und wessen Verbindungen wieder gekappt werden. Verteilt Ressourcen, Zuständigkeiten und Aufgaben. Vertraut den Beteiligten oder kontrolliert sie, lässt ihnen mehr oder weniger Freiheit und fördert entweder Zusammenarbeit oder Wettbewerb. Neuronales Netzwerk

Durch intensives Zusammenspiel zwischen Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn entsteht ein gemeinsames Produkt – ein Gedanke. Soziales Netzwerk/Internet

Über das Internet abrufbare Software, mit der sich Benutzer präsentieren und miteinander kommunizieren können. Fordert sie auf, ein eigenes Profil zu erstellen und möglichst viele berufliche sowie private Details mit der Netzgemeinschaft zu teilen. Man kann damit alte Freunde virtuell wiederfinden und neue Gesinnungsgenossen treffen. Durch Statusmeldungen kann man mikrobloggen und Online-Freunden seine aktuellen Befindlichkeiten mitteilen. Soziales Netzwerk/Soziologie

Netzwerk menschlicher Beziehungen. Beschreibt die Verknüpfungen der einzelnen Beteiligten, deren Ziele und Motive sehr unterschiedlich sein können. Eine gut vernetzte Person hat ein Geflecht aus Beziehungen zu anderen Personen, die in den unterschiedlichsten Situationen und bei den unterschiedlichsten Bedürfnissen helfen können und wollen. Sternnetzwerk

Hier macht sich ein Knoten in der Mitte wichtig, über den alle Informationen und Gegenstände laufen müssen. Alle anderen scharen sich um den zentralen Knoten. Wissenstransfer

Hängt im Netzwerk unter anderem von der Beziehungsstärke ab. Je stärker die Beziehung, umso eher investieren die Beteiligten Arbeit und Zeit, um komplizierte Dinge zu erklären und Zusammenhänge zu veranschaulichen. Über starke Beziehungen fließen auch umfangreiche und vertrauliche Informationen. Lockere Beziehungen bringen hingegen öfter Neuigkeiten. Sie erreichen mehr Teilnehmer, und die transportierten Infos sind meistens offener und kreativer.


HEUREKA

IM NETZ DER FORSCHUNG

Martin Brandstetter Photonik Institut, TU Wien Sein Forschungsgebiet sind Halbleiterlaser, im Speziellen sogenannte Quanten-Kaskaden-Laser. An solchen arbeitet er in der Gruppe von Prof. Unterrainer am Photonik Institut der TU Wien. Für diese Laser sind etwa Anwendungen im Bereich der Materialprüfung, Sicherheitstechnik, Datenkommunikation sowie in der Medizintechnik denkbar. „Mir ist es wichtig, meine Arbeit auch mit Kollegen anderer Forschungsgebiete zu besprechen. Solche Diskussionen ermöglichen mir neue Sichtweisen und Lösungsansätze. Dies wird mir mit dem Spezialforschungsbereich (SFB) Infra-Red and Optical Nanostructures (IRON) geboten.” FOTO: ARNOLD PÖSCHL

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Wissenschaftspolitik

Gebühren, um zu klagen S a b i n e Edi t h Brau n

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o is mei Gegenleistung?“ – „Uni Wien blamiert die Regierung!“ – „Töchterles Erpressungsstrategie muss ein Ende haben!“ So lauteten Reaktionen auf den Senatsbeschluss der Universität Wien vom 26. April, ab dem Wintersemester 2012 neuerlich Studiengebühren einzuheben.

Zunächst eine Besetzung von Rektorat und Audimax Knapp eine Woche vor jener Senatssitzung war es wegen der geplanten Abschaffung des Bachelors Internationale Entwicklung zur Besetzung von Rektorat und Audimax der Universität Wien gekommen. Beide Räumlichkeiten wurden noch am selben Abend von der Polizei geräumt. Man wollte eine wochenlange Besetzung wie 2009 verhindern. Am darauffolgenden Freitag und Samstag blieb Studierenden der Zutritt zur Universität verwehrt. Drei Tage vor der Senatssitzung trat Rektor Heinz Engl bei einer Informationsveranstaltung zum Thema Studiengebühren im Wiener Juridicum auf. Die Stimmung war wegen der polizeilichen Räumung sowie der Schließung der Uni aufgeheizt. „Es geht nicht darum, dass wir Studiengebühren wollen“, sagte Engl. „Es geht nur darum, herauszufinden, ob es zulässig ist.“ Ob man das nicht auch mit einem niedrigeren Betrag hätte erreichen können? Laut Rektorat müsse es um einen Streitwert in gewisser Höhe gehen, damit man an den Verfassungsgerichtshof appellieren könne. Außerdem bestünde bei einem geringen Symbolbeitrag die Gefahr, dass sich das Rektorat unernstes Verhalten vorwerfen lassen muss.

Ist die Wiedereinführung der Studiengebühren rechtens? Laut eigenem Verständnis tut die Universität Wien nur, was ihr von der Politik durch das Universitätsgesetz (UG) 2002 zugestanden wurde: Sie macht als vollrechtsfähige Institution von ihrer Autonomie Gebrauch. Freilich ist die Sache, streng juristisch gesehen, so einfach nicht. Dass der Senat als Erster die Wiedereinführung der Reststudiengebühren beschlossen, soll laut Rektor Engl vor allem eines bringen: Endlich Klarheit darüber, ob die autonome Einhebung von Gebühren rechtens ist. Die Rechtsmeinungen darüber sind geteilt. Der Verfassungsgerichtshof hat die Studiengebührenregelung, die seit 2008 galt, mit Wirkung ab 29. Februar 2012 aufgehoben. Eigentlich wäre in solchen Fällen neuerlich die Politik am Zug. Doch diese hat den Ball zurück zu den Unis gespielt, da jene ja „autonom“ sind. Herbert Hrachovec, Mitglied des Senats, gibt ein Beispiel für die unsichere juristische Situation: „Die Gesetzesänderung, die SPÖ,

Grüne und FPÖ gegen die ÖVP durchgeDie Universität setzt haben, war in dem Punkt, der aufgeWien will ab hoben wurde, stümperhaft. Die zu berücksichtigenden Studienzeiten wurden für DipHerbst die lomstudien angegeben, nicht für die überall Studiengebühren bereits eingeführten Bachelor- und MasterDie Politikerinnen und Juristinnen wieder einführen studien. dieser Parteien wussten nicht, was sie tun und verursachten das gegenwärtige Patt. – angeblich, um Ähnlich konfus geht es in anderen BereiRechtssicherheit chen zu. Tatsächlich ist den Verantwortlichen der Überblick verlorengegangen.“ darüber zu bekommen, ob Durch Musterklagen soll endlich Rechtssicherheit entstehen sie das darf

Wenn der Verfassungsgerichtshof ,Nein‘ sagt „Wenn der Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit der Vorschreibung von Studiengebühren durch die Unis verwirft, ist das Ministerium am Zug. Es hatte als Reaktion auf ihre Aufhebung durch das Parlament die Unis für den Geldverlust entschädigt. Diese Entschädigung wurde nach dem VfGHEntscheid eingestellt. Das Ministerium wird sich dann wohl bequemen müssen, das Gesetz zu reparieren“, sagt Herbert Hrachovec. Tatsache ist, dass der Universität Wien aus dem Wegfall jener 15 Prozent der Studierenden, welche die Reststudienbeträge zahlen, neun Millionen Euro jährlich fehlen. Sollte der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit in einem Musterverfahren verneinen, werden alle ab WS 2012 eingezahlten Studienbeiträge rückerstattet.

„Das Argument, Studiengebühren einzufordern, damit Studierende dagegen klagen können, ist an Zynismus kaum noch zu überbieten“, meint der Soziologe und Bildungsforscher Ingolf Erler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am außeruniversitären Österreichischen Institut für Erwachsenenbildung. Erler zufolge sind Studiengebühren Teil einer umfassenden Umstrukturierung der Universitäten: „Ihre Funktion liegt darin, den klassischen Bildungsbegriff umzuwandeln in die Vorstellung einer Investition in Humankapital. Seit Bologna setzt die Hochschulpolitik auf die drei Grundpfeiler Wettbewerbsfähigkeit, Employability und Mobilität. Studierende sollen zu Unternehmern ihrer selbst werden. Ihr Verhältnis zur Universität soll sich gestalten wie beim Einkauf im Supermarkt. Damit werden sie auch besser steuerbar: Wer Bildung und Studium nicht mehr als persönliche und politische Weiterentwicklung, sondern als Marktbeziehung versteht, wird sich auch eher um seine eigene Rendite kümmern als um gesellschaftliche Veränderung.“ Um gesellschaftliche Veränderung dreht sich etwa das Studium „Internationale Entwicklung“. Das gleichnamige Institut ist chronisch unterfinanziert, ein Master-Curriculum ist bisher nicht zustande gekommen. Nun droht sogar die Abschaffung des Bachelor-Studiums.

Die Universitäten sind etwa so autonom wie ORF und ÖIAG Obwohl die Universitäten rechtlich autonom sind, müssen sie in regelmäßigen Abständen mit dem Ministerium um das nötige Geld feilschen. Das heißt offiziell „Leistungsvereinbarung“ und ist ein auf drei Jahre angelegtes Globalbudget. Für das nächste gingen bis 30. April die Entwürfe der Universitäten an das Ministerium. Bis Ende August gibt das Ministerium dann seine Stellungnahmen bekannt. Obwohl die heiße Verhandlungsphase erst im Herbst beginnt, ist noch vor dem Sommer eine Verhandlungsrunde für einen ersten Austausch und für Nachfragen geplant. Mit Blick darauf sagte Rektor Engl bei der Diskussion im Juridicum am 23. ­April:

„Die Studiengebühren sind Thema, aber Nebenthema. Unser Hauptziel ist, die Finanzierung der Unis sicherzustellen. Die Frage ist, wie das geschieht. Das ist im Wesentlichen die Aufgabe der Politik. Die Politik nimmt diese Aufgabe aber derzeit nicht wahr und spielt das Thema hoch.“ Dazu meint Senatsmitglied Hrachovec: „Es muss eine politische Einigung in der Frage des Hochschulzugangs und der Hochschulfinanzierung geben. Das Herumlavieren kommt daher, dass die Politik sich nicht einigt und die Probleme teilweise auf Notlösungen an den Universitäten abschiebt.“ Er vergleicht die Situation der österreichischen Universitäten mit der von ORF und ÖIAG: „Das Konstrukt einer öffentlich-rechtlichen Anstalt ist per definitionem eine Hybridbildung von politischen und sachlichen Momenten. Die verschiedenen ORF-Gesetzesentwürfe stehen auf derselben Stufe wie die Auseinandersetzungen um das UG 2002. Die Verteilung der Gewichte wird immer umstritten sein.“

Die Geschichte der Studiengebühren 2000: Die Schwarz-Blaue Regierung beschließt Studiengebühren (363,36 Euro) 2002: Mit dem neuen Universitätsgesetz werden die Universitäten vollrechtsfähig („autonom“). 2008: SPÖ, FPÖ und Grüne schaffen die Studiengebühren de facto ab; zahlen muss nun, wer die Mindeststudiendauer plus zwei Toleranzgebühren überschreitet und keinen Ausnahmegrund (Berufstätigkeit, Krankheit, Kinderbetreuung etc.) geltend machen kann. 2009: Die Besetzung der Aula der Akademie der Bildenden Künste zieht eine Reihe von HörsaalBesetzungen („unibrennt“) in ganz Österreich nach sich. Anlass ist der geplante Umstieg auf das BolognaSystem mit Bachelor und Master. Im Jänner wird das Audimax der Uni Wien polizeilich geräumt.. 2012: Im Sommersemester tritt die durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobene Studiengebührenregelung, die seit 2008 galt, in Kraft. Am 26. April beschließt der Senat der Universität Wien die Wiedereinführung dieser Regelung.

Brennpunkt Internationale ­Entwicklung (IE) Das Beispiel IE, ein im deutschsprachigen Raum einzigartiges Studium, veranschaulicht die Misere aus Uni-Autonomie und Geldnot, Personal- und ­Ressourcenmangel. 2002 eingeführt, hatte IE als ­individuelles Diplomstudium jahrelang Projekt­ charakter. 2010 wurde das Institut gegründet, das nun, da das Diplomstudium bolognabedingt ausläuft, um den Erhalt des Bachelors kämpft. Ein MasterCurriculum gibt es derzeit nicht.

Nähere Infos: http://ie.univie.ac.at http://ie.bagru.at


Das BMVIT fördert Praktika für Studentinnen aus Technik und Naturwissenschaften

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Vom Hörsaal ins Labor orschung ist in Österreich nach wie vor Männersache. Vier von fünf in ­Forschung und Entwicklung (F&E) ­tätigen Personen sind Männer. Nicht gut, meint Innovationsministerin Doris Bures. Sie will mehr Frauen in den F&E-Abteilungen. Denn der ­heimischen Forschung gehen durch dieses Manko wesentliche Impulse und Ideen verloren.

Deshalb setzt das Bundesministerium für ­Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) eine Reihe von Maßnahmen, damit mehr weibliches Know-how in die ­österreichische Forschung einfließt. Vom Hörsaal ins Labor Seit heuer können Studentinnen technischer und naturwissenschaftlicher Fächer ein vom BMVIT gefördertes Praktikum machen. 300 Studentinnen können durch das Programm von Ministerin Bures erste praktische Erfahrungen in Forschung und Entwicklung sammeln. Konkret unterstützt das BMVIT Unternehmen im naturwissenschaftlich-­technischen

Foto: Kristian Sekulic / istockphoto

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Gedicht Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki, geb. 1962 an der polnischukrainischen Grenze in Wólka Krowicka, lebt in Warschau. Für seine neun Gedichtbände und einen Prosaband erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter 2009 den Nike-Literaturpreis, die bedeutendste literarische Auszeichnung Polens.

Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki

Was am Ende bleibt

Geschichte polnischer Familien

Träume eines Geistersehers

dieses große Haus ist zu groß zu gastlich für mich und für meine Sterbende ich bin gekommen um ihr die Decke zu richten unter der ein

erich klein

komisches kleines Mädchen hervorstakt das nie mehr erwachen wird die komischen Stöckchen an Stelle von Händen und Füßen stecke ich in den

Er ich K lein

Aus: Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki, Geschichte polnischer Familien. Gedichte

Schlaf damit sie nicht verloren gehen damit sie nicht schmutzig werden und damit sie sich nicht im Nachthemd verfangen das ich für sie gekauft habe bei Szałański adieu Polnisch/Deutsch, übersetzt von Doreen Daume Edition Korrespondenzen, Wien 2012

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Waagrecht: 1 Sind in der Wissenschaft zielgerichteter Verfolgung ausgesetzt 8 Galilei hatLösungswort: es durchschaut 9 Nicht weit, vom Land getrennt 10 Ein Stift ohne Abt? 11 Lear spielt echt aufspielen 1 verrückt, 2 wenn in 3 Spanien4die Königlichen 5 6 7 13 Vorzüglich im Schienenverkehr 14 Stammlokal für Wissenschafter? Schon möglich 15 Ein Käse, der Paese 17 Tonangebend notangebend 19 Da ist beim Saufen etwas schief gelaufen 20 Hinter national fordert der Chef den Geist 21 Sammelbegriff für Papier, Glas und Plastik? 22 Die nach das ist hier die Frage 23 Na also: Gaudeamus! 25 Steht im Alphabet, geht buchstäblich ins Ohr 27 Beim Hacken zu knacken 29 Produziert Brüsseler Spitzen auf Kommission (Abk.) 30 Dalli, klick! Bei guter Führung wird dort die Auswahl nicht zur Qual

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Senkrecht 1 Da fragt sich der Gaul: Was is mei Leistung? 2 Franz. Renate 3 Versteht sich in der Chaostheorie von selbst 4 Erbsenzählers Forscher-Gut 5 Zusammenarbeit im Labor? Nein, Labor in der Zusammenarbeit 6 Grundsätzliches im wissenschaftlichen Lehrlauf 7 Der Satie schlug moderne Saiten an 12 Schwer aus dem Verkehr zu ziehen (Abk.) 16 On top klappt’s damit auch unterwegs 18 Schmieriges im Blattsalat 22 Hat mit Bolte was im Busch 24 Italiens Surfer-Paradies 26 Rustikaler Gabelbissen 28 Domäne der Russen Auflösung aus Falter HEUREKA 1/2012. Lösungswort: KREISLAUF Waagrecht: 1 BIOANBAU, 7 INTRA, 8 HIFI, 10 NATURGAS , 12 SUHLE, 13 NRW, 15 LX, 16 SAATGUT, 18 TRANSFER, 20 EWG, 21 KOCH , 22 REESE, 24 ETHIK, 26 NETREBKO Senkrecht: 1 BIENENSTERBEN, 2 OTOT, 3 AR, 4 NAHRUNGSKETTE, 5 ABFALLTECHNIK, 6 UNISEX, 9 IGH, 11 AGRARWENDE, 14 WAAGE , 17 UFO, 19 RHO , 23 STER, 25 KO

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Es metaphyselt im Land. Das wäre nicht weiter bedenklich, bliebe es im Privaten. Kürzlich beschloss aber der Verteidigungsminister, der Wahrheit über das „Grabmal des unbekannten Soldaten“ am Wiener Heldenplatz auf den Grund zu gehen. Was war geschehen? Im mehrfach umgebauten Äußeren Burgtor befindet sich das zentrale Kriegerdenkmal des Landes. Ursprünglich für den „Unbekannten Soldaten“ des Ersten Weltkriegs geschaffen, wurden nach 1945 auch die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs dazu genommen. Die Bundesregierung verbeugt sich alljährlich davor und legt einen Kranz zum Zeichen des Totengedenkens nieder. Wo liegt das Problem? Nach Hitlers Machtergreifung brüstete sich der Schöpfer der Skulptur, der ­Bildhauer und Hitlersympathisant Wilhelm Frass, er habe darunter eine Hülse mit einer Nazi-Inschrift versteckt. Der Minister also dachte: Verneigen Präsidenten und Minister der Zweiten Republik noch immer ihre Häupter vor einer ominösen braunen Botschaft? Zugegeben, die Quellenlage ist dürftig, niemand weiß wie immer nichts. Also wurde eine Art Exhumierung der möglichen Nazi-Botschaft beschlossen. Bei aller Widerwärtigkeit der Geschichte – so funktioniert sie nicht! Geschichte ist eine Geschichte von Dingen, aber vor allem eine von Über9 10 einkünften, keine Substanz, die durch die Zeiten bis in die Gegenwart fließt; wie giftig sie auch sein mag. Wer an einen gut gemeinten Einzelfall und geschichtspolitischen Ausrutscher glaubte, wurde wenige Tage später eines Besseren belehrt. Der Entnazifizierung der republikanischen Kranzabwurfstelle nicht genug, wies der Generaldirektor von Funk und Fernsehen, der eigentlich nur ein neues Haus will, in einer ideologischen Parallelaktion darauf hin, dass im Funkhaus in der Argentinierstraße seinerzeit der Austrofaschismus propagiert wurde. Und danach waren auch noch die Nazis eingezogen. Beides stimmt – aber, was kann der Holzmeister-Bau dafür? Wie meinte Immanuel Kant über den in den Eingeweiden tobenden „hypochondrischen Wind“?: „Geht er abwärts, so wird daraus ein F-, steigt er aber aufwärts, so ist es eine Erscheinung oder eine heilige Eingebung.“ Sancta Simplicitas, bewahre uns vor den Dünsten des nachholenden Antifaschismus! Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik (Königsberg 1766), www.gutenberg.org


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Die Zukunft wartet nicht. Deshalb müssen wir schneller sein. Wir gehen neue Wege. Mit Antworten für nachhaltige Mobilität.

Wir wollen immer schneller, immer komfortabler und immer einfacher von A nach B gelangen. Nicht nur in den Städten, sondern auch über Länder und Grenzen hinweg. Wir sind in Bewegung. Veränderung gehört zum modernen Lebensstil. Die Konsequenzen: Energie-verbrauch und CO2-Belastung steigen. Mit entsprechenden Folgen für unser Klima.

Zum Beispiel der „railjet“ der Österreichischen Bundesbahnen. Der „railjet“ stammt – wie auch die Niederflurstraßenbahn ULF – von Siemens. Entwickelt und gefertigt im weltweiten Siemens Headquarter für Metros, Coaches und Light Rail in Wien. Und weltweit vorbildlich und führend in Qualität, Komfort, Design, Energie-Effizienz und Umweltverträglichkeit.

Die Antwort? Zukunftsweisende Konzepte für eine nachhaltige Mobilität. Dazu gehören intelligente Verkehrsinfrastrukturen und Kommunikationslösungen, die Fahrzeuge und Verkehrsteilnehmer interaktiv miteinander vernetzen. Dazu gehört vor allem aber auch die konkrete „Hardware“ wie E-Cars und energiesparende Fahrzeuge für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr.

Ob öffentlicher Verkehr oder E-Mobilität: Die Antworten für die Mobilität der Zukunft sind vorhanden. Die Zeit für neue Wege ist jetzt. Denn die Welt von morgen braucht unsere Antworten schon heute.

siemens.com/answers


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