Durst 1/12

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ILLUSTRATIONEN: KURT RUDOLF; FOTOS: GEORG ECKELSBERGER

Na, super! Faul am Sofa lümmeln und von dort zusehen, wie die Studierenden für ihre Sache „brennen“. Aber okay, das mit dem Gandhi ist schon cool und wahr.

Die Diktatoren leben ja in einem Wahn, die sind davon überzeugt, dass das, was sie machen, cool ist und das Beste für ihre Bevölkerung. ARASH: Auf jeden Fall sind das psychisch kranke Leute. Oft bauen die sich ihre Realität zusammen. Welche Rebellion hättet ihr gerne miterlebt?

ARMAN: Also ich muss ehrlich sagen... Die sexuelle Revolution (lacht). Spaß. Naja, wobei, die 68er-Bewegung war sicher eine super Zeit, um dabei gewesen zu sein. ARASH: Indien, Gandhi. Weil es eine Bewegung war, die zu etwas geführt hat. Eine Bewegung, die die Engländer raus gehaut hat, aber mit friedlichen Methoden. Daran sieht man, dass es geht.

Gibt es so etwas wie ein Rezept für eine gelungene Rebellion?

Protest findet auf der Straße statt. Arman (links) und Arash vor ihrer Produktionsfirma in der Seidengasse im 7. Bezirk in Wien. Glaubt ihr daran, dass es irgendwann einen paradiesischen Zustand geben wird, in dem alle Leute gebildet sind und verantwortungsvoll handeln?

ARMAN: Nein. Aber man darf nicht vergessen: Man hört ja eigentlich immer nur die schlechten News. Man hört sehr oft nur das, was nicht funktionert. Aber es ist bewiesen, dass es insgesamt auf der ganzen Welt einen besseren Bildungsstandard gibt. Es gibt weniger Gewalt, mehr Bildung, mehr Aufklärung, das verbessert sich ja alles. Es wird im Endeffekt immer besser. Nur so, wie die Medien das transportieren, hat man das Gefühl, es wird alles immer schlechter. Aber das ist nicht so.

Unser Thema ist Zorn. Wie zornig seid ihr und auf was?

ARMAN: Ich glaube die Leute macht unglücklich, dass aufgrund des Systems, in dem wir leben, sehr viel schief läuft. Es gibt viel Ungerechtigkeit auf dieser Welt und viele Gründe zornig zu sein. Aber Zorn alleine hilft uns nicht weiter. Wir müssen uns Strategien überlegen, wie wir diesen Zorn ventilieren und DURST 1/12

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etwas Kreatives schaffen können, um etwas gegen diese Ungerechtigkeiten zu unternehmen. Jeder Einzelne kann ganz viele Sachen machen. Wir müssen langsam aus der Passivität rauskommen und Stellung beziehen. ARASH: Ich bin zornig darüber, dass Leute mit Gewalt ihre Ziele erreichen, und andere sich unterdrücken lassen, obwohl sie eigentlich anders könnten. Ich bin zornig, dass ich aus politischen Gründen nicht zurück in den Iran gehen kann, um meine Familie zu sehen und die Menschen dort immer älter werden und sterben. Diese Zeit, die man nicht mit ihnen gehabt hat – und das betrifft nicht nur mich, sondern eben auch viele andere Millionen Leute –, diese Zeit kann uns niemand zurückgeben. Ich bin zornig, dass man uns das genommen hat. ARMAN: Mein Lieblingsspruch aus der Occupy-Bewegung ist: „We‘re gonna be remembered for what we tolerate.“ Was wir akzeptieren und tolerieren, wird das sein, woran sich die nächsten Generationen erinnern werden. Ein Aktivist in Ägypten hat uns eine Geschichte erzählt: Sein Vater hat ihn gefragt: „Warum gehst

du auf die Straße, du riskierst ja dein Leben?“ Er hat gesagt: „Ich muss auf die Straße gehen, weil ihr vor dreißig Jahren nicht gegangen seid.“ Könnt ihr nachvollziehen, dass in Ländern wie Ägypten, dem Iran oder China die Leute still bleiben, weil sie Angst haben? Weil Leute, die sich gegen das System stellen, mit Gefängnisstrafen bedroht oder ermordet werden? ARASH + ARMAN: Natürlich. ARASH: Zu hundert Prozent. Wir

wissen auch nicht, wie wir uns dort verhalten würden. Es ist leicht, hier in Österreich gemütlich die Klappe aufzumachen. Wenn wir dort Familie hätten und unsere Kinder würden auf die Straße gehen wollen, würden wir auch nicht sagen: „Raus mit euch, vielleicht sehen wir uns nie wieder.“ Wir würden wahrscheinlich auch sagen „Bitte bleibt da“ und immer hoffen, dass die anderen es richten. Könnt ihr euch vorstellen, dass Diktatoren glückliche Menschen sind?

ARMAN: Sicher, die leben gut mit ihren Milliarden, so wie Mubarak.

ARASH: Das können die, die es geschafft haben, besser sagen als wir. Aber für mich kann ich sagen: Das Rezept ist, dass man die Meinungen anderer gelten lässt und nicht versucht, sie mit Gewalt von den eigenen Ideen zu überzeugen; die Menschenrechte achten und innerhalb dieses Rahmens Veränderungen herbeiführen. ARMAN: Man muss die Menschen gegen die Unterdrückung vereinen und dabei wirklich gewaltlos bleiben. Sonst kämpft man mit den Regimes genau dort, wo sie am stärksten sind, nämlich in militärischer Auseinandersetzung. Da hat man keine Chance.

Wo wart ihr, als der Arabische Frühling begonnen hat?

ARASH: Ich glaube, ich war zu der Zeit gerade auf einem FilmmarketingWorkshop in Luxemburg, wo ich unser Projekt vorgestellt habe. Es hat damals noch „Iranrevolution“ geheißen, weil der Arabische Frühling eben noch nicht begonnen hatte.

Wart ihr 2009 im Audimax?

ARMAN: Nein, ich war nie dort. Ich wollte eigentlich etwas drehen, aber ich habe gewusst, dass das schon andere machen. Ich habe die Bewegung super gefunden, aber es war der Klassiker: Die Geschichte habe ich von zu Hause, von meinem gemütlichen Sofa aus, verfolgt.

57 01.03.2012 11:55:44 Uhr


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