AUSGABE 4
FRÜHLING / SOMMER 2019
Entdeck die Bucklige Welt in den Wiener Alpen
Mit Folke Tegetthoff zu elf Stationen der „Genussvollen Landgeschichte(n)“
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IMPRESSUM Herausgeber und Medieninhaber: Verein Tourismus Bucklige Welt, Hauptstraße 22, 2813 Lichtenegg region@buckligewelt.at www.buckligewelt.info Artdirektion & Grafik: grafikum.com
Inhalt
Editorial
4 – 5 Meine Buckel
30 – 31 Traditionelles Hand-
42 – 43 Rundwanderweg in
von Josef Kleinrath
werk: der Besenbinder
Hochneukirchen-Gschaidt
44 – 45 Grimmenstein:
6 – 7 Porträt des Erzählers
32 – 35 Lokales Handwerk:
Folke Tegetthoff
Feines aus Meisterhand
Eine Burg für die Zukunft
8 – 25 Elf Stationen zu
36 – 37 Maibaumfeiern: Der
46 – 47 Kühle Plätze für heiße
Genussvollen Land-
Höchste der Buckligen Welt
Tage an Pitten und Leitha
geschichte(n)
38 – 39 Christine Buchner:
48 – 50 Schnalzen im
26 – 29 Innovation
Bilder aus der Buckligen Welt
Dreivierteltakt: Pfingst-
mit Tradi-tion:
40 – 41 Wirt und regionale
schnalzen und der Annakirtag
Jachtausstatter List GC
Produzenten
in Wiesmath
Die Region Bucklige Welt ist mit den „Genussvollen Landgeschichte(n)“ Partner der NÖ Landesausstellung 2019. Wir stellen in dieser Ausgabe ab Seite 8 elf Stationen davon vor. Außerdem lesen Sie über Maibaumfeiern, Keltenfeste, Pfingstschnalzen und Kirtage, über Handwerker, Wirte und Produzenten sowie kühle Orte und Panoramablicke und Rundwanderwege. Willkommen zu vielen genussvollen Geschichten!
Cover: Stefan Knittel, Karte: Artur Bodenstein, Foto: Herbert Lehmann
Alle Angaben wurden mit großer Sorgfalt erhoben, erfolgen jedoch ohne Gewähr und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit
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Cover: Stefan Knittel, Karte: Artur Bodenstein, Foto: Herbert Lehmann
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Meine Buckel J O S E F K L E I N R AT H
Josef Kleinrath, auf einem Bauernhof in der Buckligen Welt aufgewachsen und heute Publizist, schreibt über seine alte Heimat
Gold, gelb und Was macht die Bucklige Welt so besonders? Alles aufzuzählen sprengt den Rahmen dieser Kolumne. Es sind etwa die Wehrkirchen, in dieser Fülle einzigartig in Europa. „Meine“ Wehrkirche in Bromberg ist da nur eine von 18 mächtigen Zeugen einer vergangenen Zeit auf der 123 Kilometer langen Wehrkirchenstraße. Keine Wehrkirchen, aber eindrucksvoll sind auch die weithin sichtbare Annakirche bei Wiesmath und die Wallfahrtskirche Maria Schnee, ebenso die Burgen und Schlösser. Es ist die wunderbare Kulturlandschaft, von vieler Hände Arbeit so erhalten, wie sie ist. Eine anmutig hügelige Gegend, in der im Frühling die Blüten der Apfelbäume weithin weiß leuchten. In der der Duft von frischem Heu vor dem Sommer wochenlang zu riechen ist. In der das Getreide sich golden wiegt im Wind, der Kukuruz in die Höhe ragt und der Raps knallgelb blüht. In der auch mal ein Phacelia-Feld fast unwirklich aus saftig grünen Wiesen violett hervorsticht. Es sind die Höfe, die verstreut in den Tälern und auf Anhöhen liegen. Es sind die kleineren und größeren Ortschaften mit ihren Eigenheiten. Es ist die kulinarische Vielfalt, die sooo gut schmeckt: Apfelmost, Bier und Wein. Birnensaft und Edelbrand. Ab-Hof Laden und Haubenlokal. Privatzimmer und Vier-Sterne-Haus. Es sind die kühlen Nächte, die die Sommerhitze erträglich machen. Vor allem aber sind es die Menschen, die seit vielen Generationen hier leben, die ihre Heimat lieben und das stolz ausstrahlen. Sie machen die Bucklige Welt so besonders.
Fotos Franz Baldauf, Stefan Knittel
saftig grün
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„Eine anmutig hügelige Gegend mit dem Duft von frischem Heu“
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Die Welt der Welt erzählen
Für die Besucher der Landesausstellung Niederösterreich 2019 bietet auch die Bucklige Welt einige spannende Stationen. Folke Tegetthoff stellt sie in einem eigenen Werk vor, aus dem wir auf den folgenden Seiten Passagen zitieren Es war einmal und ist noch immer Folke Tegetthoff, Märchendichter, Erzähler und preisgekrönter Bestsellerautor. Er hat nicht eines Tages Märchen für sich entdeckt, nein, die Märchen haben ihn gefunden. Als kleiner Bub rettete er einmal zu Weihnachten ein Buch: Der Christbaum und mit ihm das ganze Wohnzimmer war in Flammen aufgegangen. Dann, eine lange Zeit später, fand er als 22-Jähriger dieses Buch bei einem Neffen wieder und spürte plötzlich, welche Bedeutung es für ihn hatte. Es waren die gesammelten Märchen von Hans Christian Andersen. In diesem Moment hatten ihn die Märchen gefunden. Folke Tegetthoff setzte sich hin und schrieb sein erstes Buch.
Seit damals sind 43 Bücher und Übersetzungen in zwölf Sprachen erschienen, die sich 1,5 Millionen Mal verkauft haben. Darunter auch seine Klassiker, wie die Kräutermärchen und die Liebesmärchen (allein von den Liebesmärchen wurden bislang rund 300.000 Exemplare verkauft), Kinderbücher, aber auch Werke wie „Wie man in 3 Sekunden glücklich wird“ oder „Hallo, Herr Husten! Guten Tag, Frau Bauchweh“. Tegetthoff hat mit seinen Märchen das häufig verkitschte und verniedlichte Genre aus den Kinderzimmern geholt und auch für Erwachsene salonfähig gemacht. Heute gilt er als Begründer einer neuen Erzählkunst, die klassische Elemente der fantastischen Literatur mit einer zeitgenössischen Sprache und Symbolik vereint. Mit 28 ging Tegetthoff auf Welttournee und bereiste von 1982 bis 1984 in 22 Monaten insgesamt 28 Länder auf allen Kontinenten – ein Erzählprojekt, das in dieser Dimension einzigartig ist. Nach seiner Rückkehr macht er sich daran, ein eigenes ErzählkunstFestival zu schaffen, das mittlerweile weltweit als das bedeu-
Fotos:Oliver Wolf, Stefan Knittel
CORNELIA REHBERGER
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P O R T R ÄT
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Folke Tegetthoff leitet das Internationale Storytelling Festival mit mehreren Standorten in ganz Österreich
Erzählkunstfestival fabelhaft! in Bad Schönau vom 19.–23. Juni 2019
Fotos:Oliver Wolf, Stefan Knittel
Mittwoch, 19. 6.: Geistergeschichten, Burgruine Kirchschlag Donnerstag (Fronleichnam), 20.6.: Genuss-Geschichten-Tag, Bad Schönau / Bucklige Welt (Eintritt frei) Freitag, 21. 6.: Scheherazade & Reb Klezmer, Kurpark Bad Schönau Samstag, 22. 6.: Theater Zitadelle: Die Berliner Stadtmusikanten, Passionsspielhaus Kirchschlag Sonntag, 23. 6.: Das GROSSE Fest im falbelhaft!en Dorf (Eintritt frei), www.badschoenau.at
tendste gilt. Es begann von 1988 bis 1996 mit „Die Lange Nacht der Geschichten“ in allen Landeshauptstädten Österreichs und ging mit „Graz erzählt!“ 1997 bis 2006 weiter. Von 2007 bis 2014 bespielte er unter dem Titel „fabelhaft! Niederösterreich“ vier Festivalorte in diesem Bundesland. Seit 2015 erweitert er das Format auf das Internationale Storytelling Festival mit mehreren Standorten in ganz Österreich, darunter auch in Bad Schönau. Für seine Leistung erhielt Tegetthoff internationale Anerkennung. 1994 wurde ihm als erstem Österreicher und erst zweitem Schriftsteller nach Astrid Lindgren der mit 100.000 US-Dollar dotierte Internationale Lego-Preis verliehen. Er geht an Personen, die sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern einsetzen. An der Murray State University im US-Bun-
In der Zinnfigurenwelt in Katzelsdorf
desstaat Kentucky wurde ein Archiv über seine Arbeit eingerichtet, das einzige Archiv eines noch lebenden deutschsprachigen Autors an einer staatlichen Universität in den USA. Tegetthoff verstand sich von Beginn an als Schriftsteller und Erzähler. Schreiben allein war ihm zu wenig, er möchte mehr: Geschichte durch Erzählen erst so richtig lebendig machen. Im Rahmen des Erzählkunstfestivals stehen ihm dabei Künstler aus der ganzen Welt zur Seite. Auch heuer wird Bad Schönau vom 19. bis 23. Juni wieder zum Zentrum der Erzählkunst. Mit den Verantwortlichen vor Ort hat sich im Lauf der Jahre eine Freundschaft entwickelt, aus der weitere, ganzjährige Erzähleinrichtungen in der Kurgemeinde entstanden sind. Heuer feiert der Meister der Erzählkunst sein vierzigjähriges Bühnenjubiläum und seinen 65. Geburtstag. Der gebürtige Grazer ist seit 1982 mit Astrid, einer gebürtigen Niederländerin, verheiratet. Das Paar hat vier Kinder, Tessa, Sophie, Kira und Floris, und lebt in Piran sowie in einem ehemaligen Kloster in der Südsteiermark. | 7
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Eine Reise zu Genussvollen Landgeschichte(n) Foto: Stefan Knittel
CORNELIA REHBERGER
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In der Partnerregion der NÖ Landesausstellung erzählen elf Stationen aus verschiedenen Perspektiven über die Bucklige Welt
Wer die Region kennenlernen will, folgt dem Erzählfaden von Folke Tegetthoff zu den Genussvollen Landgeschichte(n)
Bourbonen-Themenweg
Foto: Stefan Knittel
Er beginnt in der Parkallee 1, 2821 Lanzenkirchen, und ist das ganze Jahr über begehbar. www.lanzenkirchen.gv.at
Zum Erlebnis der Genussvollen Landgeschichte(n) gehört auch der Bourbonen-Themenweg, auf dem man die Geschichte des Grafen von Chambord in Lanzenkirchen erfahren kann. Schülerinnen und Schüler der Schule Sta. Christiana in Frohsdorf haben ein Theaterstück zu den Bourbonen erarbeitet
Die Landesaustellung 2019 „Welt in Bewegung“ hat Wiener Neustadt zum Zentrum. Doch die Bucklige Welt bietet unter dem Motto „Genussvolle Landgeschichte(n)“ ein zusätzliches Programm: eine Mischung aus Geschichte, Genuss und Landschaft als besonderes Erlebnis für die Besucher der Landesausstellung. In den letzten Monaten wurden dazu viele neue Ideen umgesetzt. Nun findet, wer in die Region kommt, eine lokale Schatzkiste – in mehrfacher Hinsicht. Die Bucklige Welt ist reich an Genussschätzen, die von den heimischen Produzenten und Wirten zu kulinarischen Perlen verarbeitet werden. Hinzu kommen historische Schätze, die von Experten und Freiwilligen über Jahre und Jahrzehnte hinweg geborgen wurden und nun den Besuchern auch multimedial präsentiert werden. Und schließlich werden auch die Naturschätze, die sanften Hügel, die zauberhaften Täler und ein Panorama, an dem man sich kaum sattsehen kann, in ein besonderes Licht gerückt. Wer könnte das besser als der Erzähler Folke Tegetthoff (siehe Porträt Seite 6). Er stellt die wichtigsten Stationen der Buckligen Welt im Rahmen der Landesausstellung 2019 in einem Büchlein vor. Begleitet von feinen Illustrationen, führt er durch die märchenhafte Welt der 1.000 Hügel. Dabei spielt der „Genussvolle Blick“ in jeder Gemeinde die Hauptrolle seiner Erzählungen. Darin mischen sich historische Tatsachen mit fabelhaften Märchen zu einem besonderen Leseerlebnis. „Er ist immer und überall – auch in dir. Er ist das Kind der Liebe zwischen deinem Auge und deinem Herzen.“ Tegetthoff bezeichnet sich selbst als „Liebender der Region“ und ist sich sicher: Hier ist der „Genussvolle Blick“ zu Hause. Dieser war es, der ihn zu den Geschichten in seinem Buch inspiriert hat. Begeben wir uns also mit Folke Tegetthoff auf eine Abenteuerreise durch Genussvolle Landgeschichte(n). 9
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„Ein großes Volk waren wir geworden, und es kam uns vor, als würden wir ein eigenes kleines Land im Haus der Kinder des Ulrich von Liechtenstein regieren“ FOLKE TEGET THOFF
I. Zeitspuren im Land der 1.000 Hügel Der Ausgangspunkt der Abenteuerreise durch die Bucklige Welt liegt in den Thermengemeinden rund um Bad Erlach. Hier erzählt der Minnesänger Ulrich von Liechtenstein Landgeschichten aus den verschiedenen Epochen. Den fahrenden Sänger Ulrich führten einst seine Reisen samt Gefolge auch durch die Bucklige Welt. Daher spinnt er auf den „Zeitspuren im Land der 1.000 Hügel“ einen roten Faden durch die historischen Besonderheiten der Thermengemeinden. Der Rundgang beginnt in Katzelsdorf. Hier repräsentiert ein eigenes Museum, die Zinnfigurenwelt, unsere „große Welt im Kleinen“. Tegetthoff erzählt, wie es den Minnesänger Ulrich nach Katzelsdorf
Zinnfigurenwelt Katzelsdorf Hauptstraße 69, 2801 Katzelsdorf, Do bis So und Fei, 10 – 17 Uhr (Kassaschluss 16 Uhr), Mo bis Mi für Gruppen auf Anfrage www.zinnfigurenwelt-katzelsdorf.at
Im Hacker Haus in Bad Erlach wird das Leben jüdischer Familien in der Region gezeigt
Fotos: Stefan Knittel (1), Harald Wrede (1)
Folke Tegetthoff mit Vanessa und Stefan in der Zinnfigurenwelt in Katzelsdorf
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„Wir bitten dich, Herr, lass sie beginnen, Geschichten zu erzählen. Denn solange sie unsere Namen auf den Lippen tragen, werden unsere Herzen schlagen“ FOLKE TEGET THOFF
verschlagen hat und wie er den Grundstein für die rund 40.000 Figuren der Ausstellung gelegt haben könnte. Die Ausstellung zeigt in Zinn gegossene Momentaufnahmen historisch bedeutender Ereignisse. Für die Landesausstellung wurde eine Sonderschau zur Geschichte und den Geschichten der Buckligen Welt und Wiener Neustadts gestaltet. Die bemalten Figuren zeigen ein facettenreiches Bild der Geschichte, der Kultur und des Lebens der Menschen in der Region. Im Rahmen von Führungen hat man die Möglichkeit, einem Zinnfigurengießmeister bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Auch kann man selbst aktiv werden. Das Programm reicht vom Bemalen der Figuren unter Anleitung bis zum Bau von Schaubildern.
II. Beinahe ein König in der Buckligen Welt
Fotos: Stefan Knittel (1), Harald Wrede (1)
In Lanzenkirchen erzählt Tegetthoff die Geschichte des Grafen von Chambord. Er wäre um Haaresbreite Heinrich V. von Frankreich geworden, hat aber stattdessen dank eines kecken Dieners und der kulinarischen Besonderheiten der Region der Gemeinde Lanzenkirchen zu ungeahntem Glanz verholfen. Dieser Glanz wird im Rahmen der Landesausstellung auf neue Art präsentiert. Gemäß dem Motto „Auf den Spuren des Grafen von Chambord“ wurde ein Bourbonen-Themenweg angelegt, der historische Einblicke in das jahrzehntelange Wirken des letzten legitimen Anwärters auf den französischen Thron gibt. Auf Schloss Frohsdorf fand der Graf bei seiner Tante Marie Thérèse Charlotte de Bourbon Unterschlupf in seinem Exil und begann mit seinem Wirken, das weit über die Region hinausreichte. Heute genießt man bei einem Spaziergang entlang des Bourbonen-Wegs historische Einblicke und Wissenswertes etwa über den Lilienhof oder die Franzosengräber.
III. Erinnerung an einstige jüdische Nachbarn Die Reise führt nun in eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte. In der Gemeinde Bad Erlach wurde ein modernes Museum für Zeitgeschichte im „Hacker Haus“, ehemals in jüdischem Besitz,
Hacker Haus in Bad Erlach Hauptstraße 10, 2822 Bad Erlach, T: 02627 / 465 30, vom 11. April bis 10. November 2019, Do bis So und Fei von 10 – 17 Uhr (Kassaschluss 16 Uhr) und Mo bis Mi für Gruppen auf Anfrage www.hacker-haus.at
Sonderausstellung „Mit ohne Juden“ im Hacker Haus
errichtet. Das Besondere an dem Gebäude ist die Geschichte, die es in seinem Inneren erzählt. Im Rahmen der NÖ Landesausstellung 2019 wird die Sonderschau „Mit ohne Juden“ gezeigt. Das Einzigartige daran: In 26 Gemeinden der Region haben Historiker und Hobbyforscher das Leben der jüdischen Familien vor deren Vertreibung und Vernichtung im Nationalsozialismus rekonstruiert. Zeitzeugen und deren Nachkommen sowie Bilder und Dokumente erzählen von Menschen, die in der Buckligen Welt gelebt haben, bis sie plötzlich „verschwunden“ waren. Auch in Folke Tegetthoffs Geschichte zu Bad Erlach geht es um diese Erinnerungen und darum, wie Dinge passieren können, die zuvor noch als unvorstellbar erschienen. Eine Ausstellung und eine Erzählung über das Erinnern und zum Gedenken an die vertriebenen oder getöteten Bewohner der Buckligen Welt. 11
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„In weiteren Kisten warteten bereits ungeduldig alle Ingredienzien, um Schloss Frohsdorf und das kleine, unbedeutende Lanzenkirchen zu einem gesellschaftlichen, geistigen und künstlerischen Zentrum des Landes zu machen“ FOLKE TEGET THOFF
IV. Ein neues Museum für das sehr alte Pitten Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, durch die Zeit zu reisen? Der Meister der Erzählkunst macht uns diesen Traum in seiner Geschichte über Pitten schmackhaft. Dem Zeitreisen kommt man in der Gemeinde Pitten so nahe wie kaum wo: im neuen Museum PIZ 1000. Es wurde zum heurigen Jubiläum der ersten urkundlichen Erwähnung Pittens vor 1.150 Jahren und zur Landesausstellung gestaltet. Pitten ist besonders reich an Geschichte: 3.500 Jahre dauert seine Besiedelungsgeschichte in der Region nun schon an. Sie wird mit ihren wichtigsten Epochen anschaulich und mit vielen Details und Exponaten lebendig. Die „Zeitspuren im Land der 1.000 Hügel“ führen auf eine Entdeckungsreise von den urgeschichtlichen Funden der Bronzezeit über die Kelten und Römer sowie den berühmten Corvinus-Becher bis zur Industrialisierung der Region. Im Rahmen eines kleinen Spaziergangs entlang des Historienpfads stößt man auf besondere historische Plätze, von der frühchristlichen Höhlenkirche bis zur barocken Bergkirche, alles multimedial unterstützt.
Ein Wandfresko erzählt von einer Schenkung im Jahre 869. Pitten feiert heuer das 1.150. Jubiläum seiner ersten Erwähnung in einer Urkunde
PIZ1000 – Pittener Regionsmuseum Zeitspuren im Land der 1.000 Hügel: Wr. Neustädter Straße 24, 2823 Pitten, vom 30. März bis 10. November 2019, Do bis So von 10 – 17 Uhr (Kassaschluss 16 Uhr) und Mo bis Mi für Gruppen auf Anfrage www.pitten.gv.at /piz1000
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„Erreichst du die ersten der 1.000 Hügel der Buckligen Welt, hast du es nach Pitten geschafft. Natürlich bist du wegen seiner Zeitmaschine gekommen. Dafür ist Pitten weltberühmt“
Fotos: Stefan Knittel
FOLKE TEGET THOFF
Bronzezeitliches Diadem im Pittener Museum
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„,Ja, der Herr Johann‘, berichtet die Hadlerbäurin. ,Er hat nicht nur von uns g’nommen, sondern er hat uns so viel gegeben‘“ FOLKE TEGET THOFF
Wallfahrt, Windrad, Erzherzog
V. Hanns der Thernberger, ein Erzherzog in der Region Der „Herr Johann“ in der nächsten Geschichte von Folke Tegetthoff ist der beliebteste Erzherzog der Habsburger, Johann von Österreich oder „Hanns der Thernberger“, wie er hier genannt wird. Seine innovativen Tätigkeiten wirken bis heute nach. 1807 kaufte er Burg, Schloss und Herrschaft Thernberg im Schlattental. Er zeigte den Bauern, wie sie ihre Äcker bestellen sollen, damit die Ernte besser wird. Er brachte die Obstveredelung und die Erdäpfel in die Bucklige Welt, ließ Schulgebäude errichten und pflegte einen sehr direkten Umgang mit seinen Untertanen. Am Fuß der Burgruine wurde anlässlich seines 150. Todestages vor zehn Jahren die Erzherzog-
Windrad Lichtenegg: April bis September, Sa, So 13 – 17 Uhr www.bww.cc Wallfahrtskirche Maria Schnee: Kaltenberg, 2813 Lichtenegg, Die Kirche ist ganztägig frei zugänglich Erzherzog-Johann-Dokumentation: Markt 2, 2832 Thernberg im Mesnerhaus Thernberg, Juni bis Oktober, Sa, So, Fei 10 – 17 Uhr
Johann-Dokumentation im ehemaligen Mesnerhaus eröffnet. Im Rahmen der Aktivitäten rund um die Landesausstellung kam es da zu einigen Neuerungen. Der als volksverbunden und zukunftsweisend geltende Erzherzog wird in der Ausstellung anhand zahlreicher Dokumente, Bilder und Querverbindungen durch die Region porträtiert. Ergänzt wird die Schau um Mediastationen, die das historische Erbe Thernbergs multimedial wiedergeben. Mit Hilfe von Videos wird auch eine „barrierefreie“ Führung durch die Ausstellungsräume im ersten Stock möglich.
Fotos: Stefan Knittel, Wikipedia
Die Wallfahrtskirche Maria Schnee liegt auf 850 Meter Seehöhe bei Lichtenegg
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„Such mir dieses Mal bitte einen besonderen, außergewöhnlichen Ort, am besten auf einem Hügel mit viel Weitblick, wo der Wind auch seinen Spaß haben kann. Kein Trubel, kein Getöse, sondern Ruhe, Stille und viel Natur rundherum“ FOLKE TEGET THOFF
Erzherzog Johann, auch genannt der „Thernberger“
Fotos: Stefan Knittel, Wikipedia
VI. Maria Schnee und 300 Stufen zu Wind und Rundumblick Dieses Zitat aus der Geschichte rund um die Wallfahrtskirche Maria Schnee in Lichtenegg beschreibt das, was man hier entdecken kann, eigentlich schon ganz gut. Hoch oben auf einem der 1.000 Hügel ist das Gotteshaus schon von Weitem sichtbar. Während Tegetthoff in seinem Märchen über die große Stunde der Kirche erzählt und davon, wie es gelungen ist, aus dem kleinen Kirchlein einen bekannten Wallfahrtsort zu machen, hat man die Möglichkeit, sich sein eigenes Bild vor Ort zu machen. Die Wallfahrtskirche, erstmals im Jahr 1756 erwähnt, steht in Kaltenberg, einem Ortsteil von Lichtenegg, auf einer kleinen Anhöhe
und bietet einen der „Genussvollen Blicke“ – nämlich eine herrliche Panoramaaussicht auf Rax und Schneeberg. Ganz in der Nähe befindet sich ein Ort, an dem der Wind spielt: eine Anhöhe mit Windrad samt Aussichtsplattform für einen Rundumblick. Zur Landesausstellung hat man es mit besonderen Aktivitäten wie Vollmondführungen und Kunstworkshops herausgeputzt. Wobei das Ersteigen der 300 Stufen des Windrads bis zur Plattform allein schon einem Abenteuer gleichkommt. 15
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Vielfältig duften die Rosen im Kirchhof von Kirchschlag
In der einzigen Stadtgemeinde in der Buckligen Welt, in Kirchschlag, kann man kaum anders, als seinen Blick nach oben zu richten. Denn hoch über der Stadt thront die Burg Kirchschlag. Sie besteht dank unzähliger Stunden an freiwilligem Engagement noch immer und kann besichtigt werden. Hier erfährt man auch von der Sage vom Frauenkäfig, der auch heute noch für Gesprächsstoff sorgt. Einen besonderen Ausblick bietet der Feuerturm mit seinen vielen Stufen. Von ihm aus sieht man nicht nur die Bucklige Welt, sondern bis in die ungarische 16
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Fotos: Wiener Alpen/Strobl, Zwickl
Die Gemeinde Kirchschlag in den Hügeln der Buckligen Welt
VII. Burg und Rosengarten der Schauspielstadt
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„Jede Stunde, die wir da oben verbringen, verbindet uns direkt mit der Geschichte unserer Vorfahren: Wenn wir Stein um Stein zusammensetzen, aus alten Plänen und unserer Fantasie erahnen, wie ein Fenster, eine Tür, ein Mauervorsprung ausgesehen haben könnten“ FOLKE TEGET THOFF
Die spätgotische Kirche mit barockem Kreuzweg in Kirchschlag
Kirchschlag in der Buckligen Welt
Fotos: Wiener Alpen/Strobl, Zwickl
Rosengarten und Burgruine: ganzjährig frei begehbar Stadtmuseum: Mai bis Oktober, So, Fei, 9 – 1 1.30 Uhr Passionsspiele Kirchschlag: 15. August bis 26. Oktober 2020
Tiefebene hinaus. Unter der Burg im Stadtmuseum zeigen zahlreiche Exponate die Geschichten vergangener Zeiten. Wer nicht nur Schönes sehen, sondern auch Gutes riechen will, dem empfiehlt sich ein Abstecher in den liebevoll gepflegten Rosengarten vor der Pfarrkirche. Kirchschlag ist aber vor allem für ein kulturelles Highlight bekannt: Alle fünf Jahre erzählen die Passionsspiele vom Leben und Leiden Christi. Das nächste Mal ist es 2020 so weit. Dann wird ganz Kirchschlag mit seinen Laiendarstellern wieder zur Schauspielstadt.
Genussvolle Landgeschichte(n) Kostenlos erhältlich im Infobereich der NÖ Landesausstellung in Wr. Neustadt, den Geschichte(n)-Gemeinden und unter www.buckligewelt.info (solange der Vorrat reicht)
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Das Storytelling Festival fabelhaft! findet alljährlich in Bad Schönau statt
Fotos: Nikolaus Pfusterschmid, Birgit Finta
„Inmitten der 1.000 Hügel gibt es eine Quelle, deren einzigartig sprudelndes Wasser den ganz besonderen Saft des Menschen, das Blut, auf allerbeste Weise in Wallung zu bringen imstande ist“ FOLKE TEGET THOFF
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Lebenswelt VIKTORIA KORNFELD
Viktoria Kornfeld lebt in der Buckligen Welt und liebt sie wirklich. Daher lädt sie euch gern hierher ein
Im Kurpark von Bad Schönau werden Geschichten erzählt
Bärlauch im Frühling Alle Uhren stehen auf Neuanfang. Wo man hinsieht, erwacht die Welt zu neuem Leben. Die Sonne kitzelt die Haut und die Stimmung steigt deutlich. Die Wälder färben sich in eine Vielzahl von Grüntönen und man hat das Gefühl, den Knospen beim Öffnen zusehen zu können.
Fotos: Nikolaus Pfusterschmid, Birgit Finta
VIII. Erzählende Bänke im Kurpark von Bad Schönau In der Kurgemeinde Bad Schönau, die für ihr Heilgas bekannt ist, schlägt das Herz der Erzählkunst. Jedes Jahr macht hier das Internationale Storytelling Festival fabelhaft! von Folke Tegetthoff Station. Die Themen Gesundheit und Märchen hat der Erzähler auch in seinem Buch, aus dem wir hier zitieren, fantasievoll in Verbindung gebracht. Bad Schönau und die Erzählkunst sind seit Langem eng verbunden. Das merkt man hier auf beinahe jedem Schritt und Tritt. Für die Landesausstellung wurde diese Besonderheit in den Fokus gerückt und das Angebot ergänzt und verdichtet. So laden nun die „Erzählenden Bänke“ im Kurpark nicht nur zu einer Rast ein, sondern erzählen jeweils ein Kapitel aus Tegetthoffs Buch zur Landesausstellung. Wer mehr Informationen wünscht, wird mittels QR-Code in eine virtuelle Welt geleitet. Im Park sind außerdem „Erzählende Bücher“ zu finden. Auf Knopfdruck geben sie die zwölf „Genussvollen Landgeschichte(n)“ zum Anhören preis. Die „Erzählenden Zeichen“ wiederum lenken den Blick auf die Besonderheiten der Umgebung. Alle Erzähleinrichtungen können im Rahmen von geführten Spaziergängen (von Mai bis Oktober an jedem ungeraden Samstag im Monat) durch den Ort gebündelt erlebt werden. Dabei erfährt man die Geschichte des Orts vom verschlafenen Bauerndorf bis zum touristischen Kurort. Und man lernt den kürzesten Rundwanderweg der Welt kennen.
Es sind nur wenige Wochen, in denen es bei uns den köstlichsten Bärlauch zu finden gibt. Wen auch immer man fragt, jeder hat sein eigenes „geheimes Platzerl“ mit den schönsten Bärlauchpflanzen. Wir gehen dafür Jahr für Jahr bei uns in den „Graben“. Nach einem zehnminütigen Spaziergang wird man bereits am Fuße des Waldes vom Duft des Bärlauchs belohnt. Immer der Nase nach findet man entlang des ganzen Bachbetts so viel Bärlauch, dass man die ganze Ortschaft damit verwöhnen könnte. Man schaut und riecht und zupft und kostet und kann sein Glück dabei nicht fassen. Für mich als Genussmenschen ist es deshalb definitiv einer der größten Vorteile des Landlebens, dass man den Genuss oft wortwörtlich an jeder Ecke findet. Man muss nur die Augen aufmachen und die Nase spitzen. Und falls man dann doch nicht kochen möchte, haben wir in der Buckligen Welt ja zum Glück eine so große Auswahl an hervorragenden Wirtshäusern.
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Das „Dach der Welt“ liegt am Hutwisch in der Gemeinde Hochneukirchen-Gschaidt. Wenn Folke Tegetthoff in seinem Märchen über die Gemeinde davon spricht, dass man hier nach 102 Stufen auf der Aussichtswarte vor Glück schreien möchte, kann man es verstehen. Hier genießt man das „Paradies der Blicke“. Am höchsten Punkt der Buckligen Welt, auf 896 Metern Höhe, steht ein hölzerner Turm, auf dem man an klaren Tagen in fünf Länder sehen kann: Österreich, Ungarn, Slowakei, Slowenien und Kroatien. Um vor lauter Weitblick nicht das zu übersehen, was sich in unmittelbarer Umgebung befindet, wurde rund um den Hutwisch
Fotos: Franz Zwickl (1), Stefan Knittel (3)
Die Pfarrkirche von Hochneukirchen
IX. Am Hutwisch, dem „Dach der Welt“
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„Hier ist der ‚Genussvolle Blick‘ sozusagen zu Hause. Hier fühlt er sich urwohl. Von hier will er eigentlich gar nicht weg. Hier will er schweifen, bis ihm die Augen zufallen oder er vor Glück ohnmächtig wird“ FOLKE TEGET THOFF
Der neue Infopoint mitten in Hochneukirchen
Hochneukirchen und Hutwisch Hutwisch-Warte: ganzjährig frei begehbar Info-Tankstelle Hochneukirchen: im Ortszentrum Hochneukirchen Mo – Fr 8 – 17 Uhr (Selbstbedienung) und Sa, So 9 – 17 Uhr (besetzt) www.dachderwelt.at Pfarrkirche Hochneukirchen: ganzjährig frei begehbar
Die Aussichtswarte am Hutwisch wurde 1978 fertiggestellt
ein Erlebnisweg gestaltet. Ausgehend vom Ortszentrum kann man hier die Umgebung der Gemeinde gemütlich erwandern. Vogelhäuschen weisen den Weg, der über das „Hexenhaus“ hinauf zur Hutwischwarte führt. Weil selbst hier die Zeit nicht stehen geblieben ist, gibt es vor allem für kleine Besucher ein zeitgemäßes Medium: Die „Bakabu“-App lässt an mehreren Stationen entlang des Weges spannende Geschichten erleben, die das, was man hier sieht, mit viel Fantasie bereichern. 21
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„Nach dem Kirchgang, die Familie sitzt in der Stube zusammen, sagt eine der Töchter des Tannbauern, Maria heißt sie, zwölf Jahre ist sie alt, sie habe heute Nacht einen seltsamen Traum gehabt. Sie habe geträumt, das Haus, das ganze Haus sei davongeflogen“ FOLKE TEGET THOFF
X. In Krumbach ist ein uraltes Haus einfach umgezogen Der Traum aus der Geschichte zum „Tannbauern“, der sich heute im Museumsdorf in Krumbach befindet, ist Wirklichkeit geworden. Denn dort, wo das im gesamten Ostalpenraum einzigartige, rund 500 Jahre alte Wohnspeicherhaus sich zur Besichtigung präsentiert, steht es noch nicht lang. Sondern einige Hundert Meter weit weg, am Fuße des Burgbergs in Krumbach. Für ein altes Haus hat es eine beeindruckende Strecke zurückgelegt. Über drei Jahre lang wurde das Gebäude Stück für Stück von Experten vermessen, nummeriert und abgetragen. Danach kam es ins Museumsdorf der Gemeinde Krumbach zum Wiederaufbau, Stück für Stück. Nun ist der „Tannbauer“ eine der Attraktionen im Museumsdorf, aber er ist nicht allein. Hier stehen auch ein Bürgerspital samt Kapelle, errichtet von Erasmus von Puchheim im Jahr 1571, eine alte Mühle oder der Fuchs’n Hausstock. Sie wurden allesamt einer sanften Modernisierung unterzogen und erzählen im Rahmen einer Dauerausstellung Geschichten vergangener Jahrhunderte vom bäuerlichen und herrschaftlichen Leben in der Marktgemeinde. Die heurige Sonderschau im Museums-Stadl, „Großvaters Genuss Getränke“, widmet sich der regionalen Produktion von Most, Schnaps und Bier. 22
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NÖ L ANDESAUSSTELLUNG
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Weltklima ALOIS M. HOLZER
Alois M. Holzer, Meteorologe beim ORF, über das Wetter in der Buckligen Welt
Buckel für Wellenreiter
Foto: Stefan Knittel, Paul Jokinen
Museumsdorf Krumbach Bürgerspital 2, 2851 Krumbach 1. Mai bis 26. Oktober, Sa, So, Fei 14 – 18 Uhr www.museum-krumbach.at
Das umgesiedelte Tannbauer-Haus an seinem neuen Standort in Krumbach
Die Stadt glüht, die Luft über dem Asphalt flimmert, der heiße Wind trocknet die Kehle aus. Dann endlich darf ich raus in die Bucklige Welt, vielleicht sogar fürs ganze Wochenende. Warum ich mich darauf so freue? Die Luft über dem Asphalt flimmert ja deshalb so stark, weil sich diese trockene, dunkle und unbewachsene Fläche im Sonnenschein „perfekt“ aufheizt. Blöd, aber gegen die Physik kann man nichts machen. Auch die direkt darüberliegende Luftschicht wird durch winzige Luftwirbelchen extrem heiß. Sie transportieren die Hitze vom Beton weg nach oben. Durch den starken Unterschied bei Temperatur bzw. Dichte zur darüberliegenden Luft kommt es zur Lichtbrechung. Sie erkennen wir schließlich am Flimmern. In den Wüsten wird daraus eine Fata Morgana, eine täuschende Luftspiegelung. Das Gegenteil passiert in den bewaldeten Tälern der Buckligen Welt, etwa im Tiefenbachtal. Da verdunstet Wasser von den frischen Pflanzen und kühlt dadurch die Oberfläche. Als angenehme Folge wird auch die Luft rundherum nicht so heiß. Perfekt für Kinder, die im schattigen Bereich von Untertiefenbach nach Herzenslust im Bach spielen und – Geheimtipp! – auch die seitlichen Gräben erkunden können, wo kleine Quellen sprudeln. Manchmal sehe ich sogar jemanden auf einer Luftmatratze den größeren Zöbernbach von Bad Schönau nach Kirchschlag hinunterreiten – auf den Wellen der Buckligen Welt. 23
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„Als er das schwere Tor hinter sich zuzieht, fährt er vorsichtig mit der Hand über das Holz, als würde er etwas erspüren wollen … vielleicht Abdrücke von Eisenfäusten“ FOLKE TEGET THOFF
Wehrkirchendokumentation und Wehrkirche Edlitz Die Wehrkirche in Hollenthon
XI. Das Herz der Buckligen Welt: die Wehrkirchen Wenn Folke Tegetthoff in seiner Geschichte über die Wehrkirchen der Region die Erlebnisse der Menschen, die hier Zuflucht gefunden haben, wiederauferstehen lässt, entspringt das nur zum Teil seiner Fantasie. Denn die Gotteshäuser entlang der Wehrkirchenstraße waren in vergangenen Epochen sehr viel mehr: steinerne Schutz- und Verteidigungsanlagen, die etwa Angriffen von Türken und Kuruzzen standhalten mussten. Könnten die Wände sprechen, würden sie abenteuerliche Geschichten erzählen. Da sie das aber nun einmal nicht können, wurde die Wehrkirchenstraße geschaffen. Ihr Initiator Roman Lechner
Die Edlitzer Wehrkirche aus dem 15. Jahrhundert
engagierte sich auch, als die Präsentation der insgesamt 18 Wehrkirchen im Vorfeld der NÖ Landesausstellung auf den neuesten Stand gebracht wurde. Das Herzstück bildet die neue Wehrkirchendokumentation in Edlitz. Hier zeigen Ausstellungsstücke, Dokumente und Videos die wechselvolle Geschichte der Region und wie die Wehrkirchen den Menschen Schutz boten. Gegenüber, in der Edlitzer Wehrkirche, sind einige der wehrhaften Elemente wie Schießscharten, Gusserker oder die Zisterne unter dem Kirchenfußboden noch heute vorhanden und können besichtigt werden. Hat man das Tor zur Wehrkirchenstraße durchschritten, liegt der Weg zu 17 weiteren Wehrkirchen in der Buckligen Welt vor den eigenen Füßen. Wer sich das lieber in Ruhe und sitzend ansehen möchte, wählt dazu einfach den virtuellen Rundgang. |
Fotos: Stefan Knittel
Markt 1, 2842 Edlitz Geöffnet Mo - So, 7-19 Uhr Viruteller Rundgang: www.wehrkirchenstrasse.at
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FESTIVAL DER GESCHICHTEN FABELHAFT!ES BAD SCHÖNAU Zwischen 19. und 23. Juni verwandelt das 32. INTERNATIONALE STORYTELLING FESTIVAL auch heuer wieder Bad Schönau zum märchenhaften Festivalzentrum von fabelhaft!NIEDERÖSTERREICH. Bereits zum 13. Mal präsentiert Folke Tegetthoff die besten und ungewöhnlichsten GeschichtenerzählerInnen aus 19 Nationen - von klassischer Erzählkunst bis Tanz, Akrobatik und Musik. Ein Festival für Jung und Alt. Besonderer Tipp für Familien: Das GROSSE Fest im fabelhaft!en Dorf am 23. Juni im Kurpark Bad Schönau bei freiem Eintritt!
Fabelhaft! Tickets: Gemeinde Bad Schönau +43 2646 8284 fabelhaft@bad-schoenau.gv.at Mehr Informationen: www.fabelhaft.at
MANDL’S ZIEGENHOF NEU: ZIEGENPANORAMA!
© Viktoria Kornfeld
Für Feinschmecker und Entdecker wartet ein besonderes Erlebnis auf Mandl’s Ziegenhof. Während das exquisite und vielfach preisgekrönte Ziegenkäsesortiment im Hofladen verkostet und neben anderen hochwertigen Erzeugnissen aus der Region erworben werden kann, geben eine Führung über den Hof und das neue ZIEGENPANORAMA noch mehr Einblick in das bunte Treiben der Ziegen, deren Haltung, Fütterung und die Verarbeitung der wertvollen BIO-Ziegenmilch und machen den Ausflug dorthin noch erlebnisreicher.
Mandl‘s Ziegenhof Pengersdorf 7 2813 Lichtenegg 0676 94 44 963 info@ziegenhof.at www.ziegenhof.at www.facebook.com/ ZiegenhofMandl www.instagram.com/ mandls_ziegenhof
HOFJAUSE AM 1. MAI
© NÖ Bauernbund/Theo Kust
BETONT ACHTSAMKEIT FÜR BÄUERLICHE LEISTUNGEN
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Bereits zum achten Mal lädt der Niederösterreichische Bauernbund in Kooperation mit Buschenschenken und Heurigenbetrieben zur traditionellen Hofjause am 1. Mai. Rund 130 Betriebe in ganz Niederösterreich nehmen an der Aktion teil und tischen den genussinteressierten Besucherinnen und Besuchern bäuerliche Produkte in ihrer Vielfalt auf: herzhaftes Brot und Gebäck, frisches Fleisch, Wurst und saftigen Schinken, ausgezeichnete Moste, erlesene Weine und Edelbrände. „Mit dieser Aktion am 1. Mai wollen wir darauf aufmerksam machen, dass die Bäuerinnen und Bauern an 365 Tagen im Jahr hart für die Menschen im Land arbeiten“, erläutert NÖ Bauernbunddirektorin Klaudia Tanner die Grundidee hinter dieser Aktion. „Die rund 40.000 bäuerlichen Familienbetriebe in Niederösterreich versorgen uns mit hochqualitativen Lebensmitteln. Außerdem liefern sie erneuerbare Energie, erhalten Kultur und Tradition in den Regionen und pflegen unsere Landschaft“, betonen LAbg. Klaudia Tanner und LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf die tragende Rolle der Land- und Forstwirtschaft für Stadt und Land. „Dreimal am Tag decken uns die Bäuerinnen und Bauern den Tisch. Hochqualitative Lebensmittel sind nicht selbstverständlich und verdienen die Wertschätzung der Konsumentinnen und Konsumenten“, bekräftigt Junglandwirt Alexander Bernhuber, der auch als Spitzenkandidat des NÖ Bauernbundes für die Europawahl antritt. Die bäuerlichen Betriebe und die rund 5.000 Direktvermarkter in Niederösterreich sorgen auch dafür, dass die Transportwege der Lebensmittel kurz gehalten werden und die Wertschöpfung in der Region bleibt. Jeder Bauernhof sichert drei Arbeitsplätze in den vor- und nachgelagerten Bereichen. Infos und alle teilnehmenden Betriebe finden Sie unter: www.hofjause.at
Hofjause 2019 Alle Infos finden Sie unter www.hofjause.at
Freuen sich auf die Hofjause am 1. Mai auf rund 130 Betrieben in Niederösterreich: Junglandwirt und EuropawahlSpitzenkandidat des NÖ Bauernbundes, Alex Bernhuber, NÖ Bauernbunddirektorin Klaudia Tanner und LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf.
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Innovation mit Tradition TOBIAS SCHMITZBERGER
In Bad Erlach produziert die Firma List GC Interieurs für Jachten, erzählt Geschäftsführerin Theresa Ludwiger-List
Theresa Ludwiger-List hat eine große Verantwortung: „Ich will das erhalten, was meine Vorgenerationen aufgebaut haben.“ Die 38-Jährige ist seit 2016 Geschäftsführerin des Bad Erlacher Familienunternehmens List General Contractor, kurz List GC. Zwei Werte sind ihr wichtig: „Tradition: Wo kommen wir her? Und Innovation: Wo gehen wir hin?“ Damit List GC dorthin kam, wo es heute steht, brauchte es genau diese Eigenschaften – aber beginnen wir die Geschichte von vorn. List GC ist in einer Branche verankert, die man im 3.000-Einwohner-Ort Bad Erlach fern von See und Meer nicht vermuten würde. Bei der Anfahrt zum Betrieb fährt man am Fußballplatz des SV Bad Erlach vorbei. Man spielt derzeit in der Niederösterreichischen 1. Klasse Süd, der siebten von neun Spielklassen. Direkt hinter dem Platz stattet List GC teure Motor- und Segeljachten aus. Hinzu kommt die exquisite Inneneinrichtung von privaten Apartments und Residenzen. Der Betrieb hat Tradition. Im Jahr 1950 gründete Franz List Senior eine kleine Tischlerei in Aspang. Das Unternehmen wuchs
Geht nicht gibt‘s nicht: So lautet der Leitsatz der Firma List CG , erklärt Geschäftsführerin Theresa Ludwiger-List
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Fotos: Felix Hohagen (1), Jeff Brown (2)
Bei List GC wird Interieur für luxuriöse Jachten und private Residenzen hergestellt
stetig. Ab 1980 stattete es vermehrt Zimmer in Hotels aus, produzierte und organisierte hochwertige Betten, Böden, Tische – und was sonst so nötig war. Reinhard List, der Sohn von Franz Senior und Vater von Theresa Ludwiger-List, hatte gemeinsam mit seinen Brüdern den Betrieb übernommen, als sich eines Tages eine Reederei meldete. Ob man nicht die Innenräume eines Schiffs ausstatten wolle? „Das war eine Tür, die sich plötzlich geöffnet hat. Und wir sind durchgegangen“, sagt Ludwiger-List. So stattete man 1990 die MS Deutschland aus, ein echtes Traumschiff – im wahrsten Sinne des Wortes. Das Schiff wurde zum Schauplatz der gleichnamigen ZDF-Fernsehserie. Zu Beginn war viel Pioniergeist nötig, denn beim Schiffbau gibt es spezielle Problemstellungen: Gewicht und Brennbarkeit zum Beispiel. Dafür sind besondere Anforderungen vorgeschrieben. „Wir konnten aber damals schnell herausfinden, welche Materialien zu Wasser verwendbar sind und welche nicht“, sagt Ludwiger-List. Und sie verrät gleich den Leitsatz der Familie: „Geht nicht gibt’s nicht.“ 27
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Im Büro und in der Werkhalle der Firma List CG
Innovativ bleiben sei in der Branche unverzichtbar. Immerhin sei jedes Projekt anders. Da wäre etwa die Jacht Ribelle. Laut Ludwiger-List war das ein relativ kleines, aber umso spannenderes Projekt. „Diese Segeljacht war nur 33 Meter lang. Im Schnitt kommen Schiffe, die wir ausstatten, auf siebzig bis hundert Meter.“ Die Eigentümer wollten spezielle Materialien einsetzen, vor allem sollte viel Kupfer verbaut werden. „Das ist schwierig mit Salzwasser, wenn es schön bleiben soll. Wir haben lang experimentiert, welche Legierung am besten funktioniert.“ Im Unternehmensgebäude von List GC steht ein kleiner Modellraum. Fast futuristisch sieht er aus, so viel Kupfer sieht man im Alltag nie. Ein im Licht glänzendes, kupfernes Waschbecken, geformt wie eine hohle Halbkugel, sticht ins Auge. Für die Ausstattung, die der Designer Rémi Tessier entworfen hat, erhielt die Ribelle 2018 sogar eine Auszeichnung: Bei den jährlich vergebenen „Boat International Design & Innovation Awards“ gewann die Jacht die Kategorie für „Best Interior Design – Sailing Yachts“. Nicht nur deshalb war
das Projekt speziell für Ludwiger-List: „Die Eigentümer waren oft bei uns, sie haben direkt mitgewirkt.“ Üblicherweise weiß sie nämlich nicht, wer die Käufer sind. Vertraulichkeit ist wichtig in der Branche, viele der wohlhabenden Jachtbesitzer scheuen die Öffentlichkeit. Sie wirken beim Bestellungs- und später beim Bauprozess nur indirekt mit. „Es gibt dazu die Broker, also Eigentümervertreter. Die sind für uns sehr wichtig, damit wir die Wünsche der Eigentümer erfahren.“ Die eigentlichen Auftraggeber für List GC sind Werften, vor allem aus Deutschland und Holland. List GC operiert aber weltweit. „Ich bin hier wirklich stolz auf die Vorarbeit meiner Familie. Wir haben in der Branche einen Namen und werden kontaktiert.“ Gibt es ein neues Projekt, fragt die Werft an, ob List GC die künftige Jacht ausstatten will. In vielen Verhandlungsrunden mit Werft, Brokern
Fotos: Stefan Knittel (1), Felix Hohagen (2), Jeff Brown (1)
List General Contractor List-Straße 1, 2822 Bad Erlach, T: 02627§§/§20 60, www.listgc.at
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Fotos: Stefan Knittel (1), Felix Hohagen (2), Jeff Brown (1)
Traditionelles Handwerk ausgeführt mit modernstem Equipment
und Designern entscheidet sich dann, ob List GC den Auftrag bekommt. Die Auftragslage des Unternehmens scheint nicht schlecht zu sein. Laut List GC ist die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zwischen 2014 und 2018 von 71 auf 230 angewachsen. Auch der Umsatz stieg deutlich an: Betrug er 2013 noch 38,3 Millionen Euro, waren es 2017 bereits 58,3 Millionen. Zudem eröffnete der Betrieb am 1. Juni 2017 eine neue Möbelproduktion in Bad Erlach – eine 6.650 Quadratmeter große Halle. Der Zubau kostete neun Millionen Euro. Für Ludwiger-List und ihr Team bleibt viel zu tun. Die 38-Jährige ist die älteste von drei Geschwistern. Einer ihrer beiden Brüder, Bertram List, arbeitet ebenso im Unternehmen – im Marketing. Seit Neuestem hat List GC zudem zwei Geschäftsführerinnen, die nicht aus der Familie stammen. „Bei traditionellen Familienunternehmen ermöglichen neue Menschen frischen Wind“, sagt Ludwiger-List. Das sei wichtig im Sinne einer Professionalisierung, vor allem, da der Betrieb stark gewachsen ist. Innovation hat bei List GC eben Tradition. |
Hier treffen Eleganz und Qualität aufeinander
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Die Seele des Besens WERNER STURMBERGER
Keltenfest
Wenn die Zweige frisch sind, lassen sie sich leichter schnitzen. Für das Binden dürfen sie nicht zu trocken sein.“ Die Zweige müssen auch frostfrei geschnitten werden, sonst brechen sie bei der Verarbeitung. Viele Reisigbesen werden mit einem extra Stiel gefertigt. Die Besen aus Schwarzenbach nicht, sie haben dafür eine Seele. Wer jetzt an Goethes „Zauberlehrling“ denkt, dem ein zum Leben erweckter Besen die Hölle beschert, kann beruhigt sein. Der Besen wird sich garantiert nicht selbstständig machen. Leider kann er auch nicht von allein kehren. „Die Seele ist das Innenleben des Besens. Ein Besen im Besen quasi. Sie gibt ihm mehr Dichte und
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Fotos:Stefan Knittel, Franz Zwickl
„Wo Geschichte erlebbar wird!“ lautet das Motto der Marktgemeinde Schwarzenbach, und das kommt nicht von ungefähr. Bekannt ist der Ort vor allem für seine keltische Wallanlage und das Freilichtmuseum. In der Gemeinde widmet man sich aber auch der Bewahrung der jüngeren Geschichte und ihren Handwerkstraditionen. „Wir stellen viele traditionelle Werkzeuge her. Alles, was man in der Landwirtschaft so braucht. Am bekanntesten sind unsere Holzrechen und Besen“, sagt Ferdinand Weidinger über sich und seine Mitstreiter, die sich der traditionellen Fertigung von Werkzeugen des bäuerlichen Alltags verschrieben haben. „Beim Rechen arbeite ich auch mit Maschinen. Händisch die Löcher zu bohren wäre zu mühsam. Die Besen sind aber reine Handarbeit“, erklärt der Besenbinder. Das beginnt bereits bei der Materialbeschaffung: „Zuerst muss man einmal das Birkenreisig aus dem Wald holen. Das macht man in der kalten Jahreszeit, wenn die Äste keine Blätter und Blütenkätzchen mehr haben.
22. Keltenfestival Bucklige Welt: Freitag, 21. Juni bis Sonntag, 23. Juni 2019 in Schwarzenbach, Keltenfestgelände und Archäologisches Freilichtmuseum Schwarzenbach
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Die Handwerkstraditionen der Buckligen Welt stoßen neuerdings auf vermehrtes Interesse. In Schwarzenbach fertigt Ferdinand Weidinger Reisigbesen nach altem Vorbild
Fotos:Stefan Knittel, Franz Zwickl
Ferdinand Weidinger (r.) verarbeitet gemeinsam mit Johann Kühbauer und Alois Oberger Birkenreisig zu Besen
Festigkeit“, erklärt Ferdinand Weidinger. Sie besteht aus etwa einem halben Meter langen, fest ineinandergedrehten Birkenzweigen. Um diese werden dann nach und nach die längeren, gut einen Meter langen Birkenzweige angeordnet, bis der fertige Besen allmählich Form annimmt. Fliegen kann man damit nicht, auch wenn er ein bisschen danach aussieht. Dafür kehrt er sehr gut. „Wenn man den Besen ab und zu in Wasser einweicht, hält er mindestens ein halbes Jahr“, verrät sein Schöpfer. Ohne Vorarbeiten fließt rund eine Stunde Arbeit in einen Reisigbesen mit Seele. Reich wird man von seinem Verkauf nicht. Der Erhalt des bäuerlichen Handwerks ist aber auch nicht mit Geld zu bemessen: „Es ist ein Hobby. Ich habe immer schon gern mit Holz gearbeitet. Wenn ich in der Zimmerei meines Sohnes nicht gebraucht werde, dann mach’ ich eben Besen, Rechen und Gabeln.“ Weidinger hat das Besenbinden im Alter von zehn Jahren von seinem Vater gelernt. „Damals haben wir die Besen am
Bauernhof verkauft. Man hat sie uns fast aus der Hand gerissen“, erinnert er sich. Über die Jahre gerieten viele der alten Handwerkstechniken in Vergessenheit. Jetzt steigt das Interesse daran wieder merklich an. Ferdinand Weidinger und seine Kollegen sind viel unterwegs und geben auf Brauchtumsveranstaltungen in der Buckligen Welt und um die Bucklige Welt herum einen Einblick in ihre handwerklichen Fertigkeiten. Auch in Wien und der Steiermark haben sie ihr Können schon gezeigt. Wie das Besenbinden funktioniert, sieht man sich aber am besten direkt in Schwarzenbach an. Im Freilichtmuseum auf der „Burg“, einer rund 500 Meter langen und 300 Meter breiten Anhöhe, haben die Besenbinder sogar eine eigene Werkstatt. Sie ist Teil der Rekonstruktion einer keltischen Siedlung aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Im Rahmen des alljährlichen Keltenfestivals kann man Ferdinand Weidinger und seinen Kollegen dort beim Besenbinden und Rechenmachen zusehen. Und fühlt sich zugleich in die Kultur der alten Kelten versetzt. | 31
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Feines aus Meisterhand B A R B A R A F R E I TA G
Josef Ertl töpfert in seiner Katzelsdorfer Werkstatt
Fotos: Stefan Knittel
Keramikatelier Josef Ertl Lazarettgasse 3, 2801 Katzelsdorf T: 02622 / 789 12 Di – Fr 8 – 12 und 14 – 18, Sa 9 – 12 Uhr
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In den Thermengemeinden der Buckligen Welt gibt es besondere Geschäfte zu entdecken. Hier findet man keramische Bienenhotels, romantische Hollywoodschaukeln, köstlichen Apfelschaumwein oder coole E-Bikes
Michlhof Familie Zechmeister Ofenbachstraße 14 2821 Lanzenkirchen www.michlhof.net
Doris Zechmeister gestaltet für ihr Leben gern. Die Ergebnisse ihrer Kreativität sind auf ihrem Michlhof in Lanzenkirchen zu sehen
Katzelsdorf liegt am Rande des Steinfelds, an den Hängen des Rosalia-Gebirges. Der hübsche Ort in der Nähe von Wiener Neustadt lohnt einen näheren Blick. In der Nähe erfreuen bereits die ersten Weingärten des Thermengebiets die Wanderer. Wenn man dann die Hauptstraße entlangschlendert, offenbart sich recht bald das Atelier des Keramikmeisters Josef Ertl. Schon der mit Töpfen, Rosenkugeln und Stelen aus Ton dekorierte Garten lädt zur Einkehr. Drinnen entdeckt man erst recht wunderbare Tonobjekte.
Fotos: Stefan Knittel
Die Werkstatt von Meister Ertl in Katzelsdorf Seit mehr als einem Vierteljahrhundert werkt Meister Ertl hier und kreiert allerlei für Garten und Küche, wie Vasen, Krüge, Geschirr und Trinkbrunnen. Auch Fliesen für Swimmingpools hat er schon auf Wunsch gefertigt. Ein besonderes Anliegen sind ihm die kleinsten Tiere: So schuf er außer Vogelhäuschen auch Bienenhotels und
Rückzugsorte für Ohrenschlüpfer. Zu Ostern töpfert er kunstvolle Keramikeier, zu Weihnachten Sterne, und selbstverständlich kann man bei Meister Ertl auch Reparaturen beschädigter Kleinode vornehmen lassen. Hobbytöpfern geht er gern zur Hand und schafft entweder die Rohlinge oder brennt fremde Kunstwerke im Ofen. Sogar Trophäen erzeugt der leidenschaftliche Töpfermeister. Kaum eine Prämierung von Schnäpsen oder Most aus der Region, die ohne seine Siegerkeramiken auskommt. Heirat und Aussteuer am Michlhof in Lanzenkirchen Nur einen Katzensprung von Katzelsdorf entfernt liegt Lanzenkirchen, ein wunderbarer Ausgangspunkt für Wanderungen entlang des „Wiener Alpenbogens“. Hier sollte man unbedingt einen Abstecher zum Michlhof einplanen, einem dreihundert Jahre alten 33
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Johann Schnabl mit seinem Vater in der Werkstatt in Bad Erlach
Am Fahrrad aus Bad Erlach Richtige Fahrräder gibt es auch in der Buckligen Welt zu kaufen, nämlich in Bad Erlach. Ein echtes Shoppingerlebnis, viel besser als in einem der vielen unpersönlichen Sportartikelgeschäfte. Denn hier bei 2Rad Schnabl wird man vom Chef selbst beraten. Von Kinderrädern über Mountainbikes und Rennräder findet der Zweiradfan alles, was das Herz begehrt, natürlich auch E-Bikes. Und sogar Tretroller, aber mit massiven Rahmen, denn darauf legt Johann Schnabl großen Wert. Die filigranen Scooter, die es fast schon in jedem Supermarkt gibt, lehnt er entschieden ab. Selbstverständlich hat der 2Rad Schnabl Ersatzteile und sämtliches Zubehör auf Lager, von Pumpen über Sättel und Körbe bis zu sportlichen Sonnenbrillen. Das Besondere hier ist der Service: Eine hauseigene Werkstätte sorgt für die optimale Wartung des Lieblingsgefährts. Das zieht
Fotos: Stefan Knittel
Gutshof, in dem sich ein Heurigenbetrieb und ein Laden mit „Wohnund Geschenkideen“ verbergen. Während der Heurige saisonal „ausg’steckt“ hat, ist der Laden täglich geöffnet. Über mehrere Räume verteilen sich hier Wohnaccessoires wie hübsche Bilderrahmen, edles Porzellan, Gläser, raffinierter Tischschmuck, Tischwäsche und Spiegel. Man entdeckt kleine Geschenke und Mitbringsel wie duftende Seifen, auch Kerzen oder kleine Figuren. Zu Weihnachten verlockt eine große Ausstellung mit passendem Dekor. Das Sortiment wechselt ständig, und mit etwas Glück macht man bei den Abverkäufen sein Schnäppchen. Lampen und Kleinmöbel komplettieren das Angebot, und mitunter kann man darunter sogar eine Antiquität entdecken. Die Familie Zechmeister hat auch darin Know-how. Besonderes findet sich für Hochzeitstafeln, und das hat einen Grund: Am Michlhof kann geheiratet werden, in einem hauseigenen Standesamt! Von der Trauung über die Agape bis zur Hochzeitstafel organisiert Doris Zechmeister alles wunschgemäß. 34
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Bucklige Welt Shop Malu Göschl Wiener Neustädter Straße 370 2823 Pitten, www.buckligewelt.at
2Rad Schnabl Johann Schnabl Hauptstraße 3, 2822 Bad Erlach www.2rad-schnabl.at
Malu Göschl mit einem Geschenkkorb voll köstlicher Spezereien aus der Buckligen Welt
Fahrradfans, die auf eine persönliche Ansprache und individuelle Betreuung noch Wert legen, auch von sehr weither an.
Fotos: Stefan Knittel
Im Buckligen Welt Shop in Pitten Seien wir ehrlich: Das Wichtigste an einer Region sind noch immer ihre lokalen Spezialitäten, die köstlichen Speisen und Getränke. Davon haben die Gemeinden der Buckligen Welt reichlich. Das Beste ist, dass man sämtliche Produkte auf einen Streich in einem Laden findet, dem Bucklige Welt Shop im idyllischen Pitten. Wie passend, dass es sich dabei um eine Marktgemeinde handelt. Der hübsche Straßenladen ging aus einer gemeinsamen Initiative der Region hervor und wird von Malu Göschl beherzt geführt. Es läuft einem sprichwörtlich das Wasser im Mund zusammen, wenn man all diese liebevoll produzierten Delikatessen in den Regalen sieht. Es gibt Säfte, Edelbrände, Liköre, den berühmten Apfel-
schaumwein „Unterm Apfelbaum“, Honig, Marmeladen, Bäckereien, Leindotteröl, Apfelessig, selbst gemachte Pasta und handgeschöpfte Edelschokolade. Eine besonders nette Idee für ein kulinarisches Souvenir ist der Geschenkkorb, den man nach Wunsch füllen kann. Es ist nicht irgendein beliebiger Korb, sondern entweder ein „Simperl“, ein Brotbackkörberl aus Peddingrohr, oder aber ein „Bucklkorb“. Schließlich tragen wir damit Produkte aus der Buckligen Welt nach Hause. | 35
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Der Höchste in der Buckligen Welt B A R B A R A F R E I TA G
Gerade gewachsen und dreißig Meter hoch muss der Maibaum in Hollenthon schon sein. Diese anspruchsvollen Zielvorgaben gestalten seine Beschaffung nicht gerade einfach. Am Anfang steht die Suche nach einem großzügigen Landwirt, der entweder eine Birke, eine Tanne oder eine Fichte spendiert. Zum Glück ist der Maibaum auch für die Bauern in Hollenthon Ehrensache. Anfang April geht es in den Wald, wo der geeignete Kandidat ausgesucht wird – und ein Reservebaum, schließlich kann auch einmal etwas schiefgehen. Zwei Wochen später ist für den Jugendverein Tag der „Maibaum-Abhol-Aktion“. Alle helfen mit, denn das Umlegen, Entrinden und Transportieren ist mühsam und dauert den ganzen Tag. Schließlich wird der Baum nahe dem Kirchenplatz zwischengelagert. In der letzten Woche vor dem Aufstellen legen die jungen Hollenthoner ordentlich Hand an, putzen den Baum fertig und schmücken ihn mit Figuren, Fahnen, Blumengebinden. Dann endlich kommt der Maibaum zum Kirchenplatz, am letzten Samstag im April, wie es hier Tradition ist. Nun können alle Dorfbewohner am Vorfest teilnehmen. Doch wer jetzt meint, alle würden an einem Strang ziehen und den Baum gemeinsam mit Muskelkraft aufstellen, irrt. Dies verhindert nicht etwa mangelnder Gemeinschaftssinn. Der Baum ist ganz einfach zu hoch. In Hollenthon springt ein Sägewerkbesitzer ein und stellt zum Maibaumaufstellen seinen Lkw-Kran zur Verfügung. Es ist schon vorgekommen, dass selbst der Kran versagt hat. Dann musste der Baum gekürzt werden. Doch in der Regel wird er problemlos in einen tiefen Schacht gehoben, ausgerichtet, eingekeilt und mit Holzstützen fixiert. Das Fest kann beginnen. Ein sympathischer Brauch in Hollenthon verpflichtet den Maibaumspender zum feierlichen Anstich eines Bierfasses. Auch die Grillsaison wird inoffiziell eröffnet, mit den köstlichen gebratenen Speisen werden die hungrigen Mägen verwöhnt. Da es meistens spät wird, bleiben einige junge Leute als Wache da. Denn bekanntlich gehört zum Maibaumaufstellen auch das Maibaumstehlen wie das Amen im Gebet bei der Maiandacht. Allerdings sorgen Vorsicht und Vernunft dafür, dass Hollenthon von dieser Raubtradition verschont bleibt, jedenfalls seit der Maibaum der höchste der Region ist. Zu gefährlich wäre ein Sturz des Riesen so nah an der Kirche. Im Gegenzug sieht auch die Hollenthoner Jugend davon ab, Maibäume in der Umgebung zu fladern. Des schönen Baumes ansichtig, genießt das ganze Dorf den Wonnemonat Mai. Die Jugend feiert dazu die „Maibaum-Party“, 36
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BRAUCHTUM
Er ist nicht ganz so berühmt wie der weihnachtliche Christbaum, dafür aber viel höher. Der höchste Maibaum der Buckligen Welt steht in Hollenthon, wo die Jugend das alljährliche Frühlingsfest ausrichtet
Pfarrfest mit Maibaumumschnitt Sicherheitszentrale 2812 Hollenthon, Am 16. Juni 2019, ab 10.30 Uhr
Mit Hilfe eines Krans wird der dreißig Meter hohe Maibaum aufgestellt
Fotos: Pixabay, Franz Stangl
Die Hollenthoner Jugend ist jedes Jahr stolz auf ihren Maibaum – den höchsten der Region
ein beliebtes Zeltfest, das von Hunderten Menschen aus der Gegend besucht wird. Im Juni ist es dann Zeit für den „Umschnitt“ des Maibaums. Auch den organisiert die Jugend während des Pfarrfests mit Musik und Tanz. Die Festgäste versammeln sich in der Nähe des Maibaums, dann erfolgt der Umschnitt durch zwei erfahrene Holzhacker. Dem folgt ein Spektakel, bei dem der gefallene Baum zum Feuerwehrhaus gezogen und versteigert wird. Bei dieser Auktion zahlt nicht der Höchstbieter allein. Alle Mitsteigernden geben laufend kleine Beträge in den Pot, bis niemand mehr bieten möchte. Wer zuletzt eingezahlt hat, gewinnt den Baum. Die Hälfte des Erlöses von bis zu zweitausend Euro geht umgehend an die Pfarre. Der Rest kommt auf ein besonderes Sparbuch der Jugend Hollenthon, die damit bedürftige Menschen oder wichtige Anschaffungen der Gemeinde unterstützt. So ist das Maibaum-Fest eine liebgewordene Tradition, in der sich die Hollenthoner gegenseitig Freude und Solidarität schenken. | 37
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Bilder aus der Buckligen Welt MARTINA NOTHNAGEL
Christine Buchner wusste bereits als Kind, dass Kunst ihre Zukunft sein würde. Sie stammt aus einem Künstlerhaushalt, schon der Vater war Maler: „Das heißt, für mich war eigentlich immer klar, das möchte ich einmal machen.“ Zu ihrer Arbeit sagt sie: „Meine Bilder haben immer einige Geschichten in sich. Es ist aber nicht so, dass ich mit meinen Bildern etwas Bestimmtes sagen oder bewirken will. Ich lasse sie einfach entstehen.“ Bevor sie sich vollends „ihrem Schwerpunkt- und Lieblingsthema“, der freien Malerei, zuwandte, war Buchner zunächst in anderen kreativ-künstlerischen Bereichen aktiv. „Unterschiedliche Dinge ausprobieren ist immer ein Anreiz für mich. Ich habe es gern, neue Herausforderungen anzunehmen.“ Nach Abschluss der Höheren Graphischen Lehr- u. Versuchsanstalt in Wien spezialisierte sie sich auf Stoff- und Modedesign. Zehn Jahre lang war sie in dieser Branche tätig. Dann wandte sie sich der Werbegrafik zu, war Mitbegründerin einer Werbeagentur mit Schwerpunkt Architekturillustrationen.
Dazwischen viele Reisen und die Geburt zweier Kinder. Erst im Alter von fast vierzig widmete sich Buchner ganz der freien Malerei. Für sie bedeutet das: „Malen ohne Auftrag. Ohne daran zu denken, Bilder zu einem bestimmen Zweck herstellen zu wollen oder sie verkaufen zu müssen.“ Ihre Inspiration findet die Künstlerin im Alltag. „Das kann viel sein: ein Foto oder etwas, das mich sehr beeindruckt hat“, erklärt sie. „Meistens entsteht dann dazu eine Serie von thematisch verwandten Bildern. Ich fange einfach an, dann entwickelt sich das nächste und das nächste. Wenn ich den Eindruck habe, jetzt kommt nichts mehr Neues und es wird auch nicht mehr besser, dann höre ich auf.“ Eine bis vier Wochen arbeitet sie durchschnittlich an einem Bild. Außerdem gestaltet Buchner Wandmalereien und Mosaike in Innenräumen oder an Fassaden und illustriert gelegentlich Bücher. „Nachdem ich ausschließlich von meiner künstlerischen Arbeit lebe, bin ich zwangsläufig und auch aus Überzeu-
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Fotos: Stefan Knittel
Christine Buchner malt Bilder mit Geschichte
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KUNST
Die Künstlerin Christine Buchner arbeitet in Pitten. Ihre Werke sind mancherorts in der Buckligen Welt zu sehen
In der Galerie Buchner in Pitten
Atelierbesuch Atelierbesuch nach Terminvereinbarung ganzjährig möglich
Fotos: Stefan Knittel
Prof. Sepp Buchner-Straße 528, 2823 Pitten T: 02627 / 824 22 www.atelierbuchner.at / atebu
gung und Begeisterung sehr vielseitig“, beteuert sie mit einem Lachen. Heute lebt und arbeitet Buchner in Pitten. Dort ist sie auch aufgewachsen. „Ich reise zwar wirklich gern, bin auf der anderen Seite aber ein extrem sesshafter Mensch. Zu Pitten habe ich eine starke Beziehung, ich bin einfach gern da.“ In ihrer Heimatregion sind Kunstwerke von ihr auch öffentlich sichtbar. Von ihr stammt beispielsweise die Wandmalerei am Wasserleitungsverbandhaus in Pitten oder das großflächige Außenmosaik des Gemeindeamts Loipersbach. Ihre Bilder sind in der Galerie Buchner in Pitten zu sehen. Sie dient als Schauraum, aber auch
als Kursort für Workshops. Seit beinahe zehn Jahren gibt die Malerin hier ihr Können an interessierte Laien und angehende Künstler weiter. Für Buchner ist es vor allem die Arbeit mit Menschen, die ihr besondere Freude macht: „Es ist eine gute Ergänzung zu meiner sonstigen Tätigkeit, wo ich ja zu achtzig Prozent allein arbeite.“ Erfolg ist für Buchner nicht nur materieller Natur. „Messbarer Erfolg ist klarerweise, wenn jemand das Bild haben will.“ Mindestens ebenso wichtig ist ihr aber das Gefühl, andere mit ihren Bildern zu berühren: „Wenn ich merke, dass mein Bild etwas enthält, das auch für andere Gültigkeit hat.“ | 39
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Obstverarbeitung Winkler Edi Winkler Ungerbach 30, 2860 Kirchschlag T: 02646 / 25 49, www.obstmost.at Gasthof Heissenberger Marktstraße 30, 2851 Krumbach T: 02647 / 422 52 www.gasthof-heissenberger.at
Die Wirtsleute Birgit und Christian Heissenberger mit dem Saftproduzenten Edi Winkler
Stegbauer – Sabine Ungerböck Ödhöfen Berg 120, 2853 Bad Schönau T: 02646 / 83 01, www.stegbauer.at
Was der Wirt gern trinkt … Fotos: Stefan Knittel
SOPHIE JAEGER
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KULINARIK
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Fotos: Stefan Knittel
… schmeckt auch den Gästen. Im Gasthaus Heissenberger etwa die Moste und Säfte von Produzenten aus der Region
„Griaß eich und willkommen im Gasthof Heissenberger“, begrüßen Birgit und Christian Heissenberger ihre Gäste. Der Familienbetrieb mit 240 Sitzplätzen befindet sich in einem ehemaligen Vierkanthof aus dem 19. Jahrhundert, malerisch gelegen im Zentrum der Marktgemeinde Krumbach. Seit über zehn Jahren führen die beiden den Gasthof, der aus dem Krumbacher Gemeindeleben nicht wegzudenken ist: Hier finden Hochzeiten, Bälle, Vereinssitzungen, Kabarettabende und Konzerte statt. Auch an gewöhnlichen Wochenenden ist der Gasthof gut besucht: Jung und Alt schätzen die gutbürgerliche Wirtshausküche. Regional bekannt ist der Gasthof außerdem für seine Steaktage im Frühling und Herbst. Spezialitätenwochen mit Wild, Gansl und Spargel runden das Angebot ab. Bei Speisen und Getränken wird nicht nur auf die Saisonalität, sondern auch auf die Regionalität der Produkte Wert gelegt: „Vom Fleisch über die Nudeln bis zu Brot und Säften kommt bei uns in der Küche vieles aus den umliegenden Betrieben“, erzählt Frau Heissenberger. Als einer der 23 gastronomischen Betriebe, die im Projekt „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“ zusammenarbeiten, bezieht der Gasthof Heissenberger neben anderen regionalen Produkten Fleisch und Wurstwaren von der Fleischerei Höller aus dem nahe gelegenen Zöbern, Brot von den Bäckereien Ochmann und Bernhard sowie Eis vom Eis Greissler. Säfte kommen von den Obstverarbeitungen der Familie Winkler und der Familie Ungerböck. Die Obstverarbeitung der Familie Winkler liegt auf einem Hügel außerhalb von Kirchschlag, nur etwa 200 Meter von der burgenländischen Grenze entfernt. Seit Ende der 1980er-Jahre verarbeitet die Familie Winkler Obst aus der Region und aus ganz Österreich. Das Sortiment des Familienbetriebs umfasst über zwölf Sorten Fruchtsaft und Most, Brände und Fruchtwein bis hin zu Obstessig. Typisch für die Bucklige Welt ist Winklers Apfel-Birnen-Saft: „Bei uns in der Umgebung wachsen alte Apfel- und Birnensorten, die gemeinsam ein besonders tolles Aroma entfalten“, schwärmt Edi Winkler. Den Gasthof Heissenberger beliefert die Familie Winkler mit Birnen-, Marillen-, Pfirsich- und Johannisbeernektar. Der Vergleich zu den Mitbewerbern liegt da auf der Hand: „Unsere Sorten orientieren sich am beliebten Angebot, unterscheiden sich aber im Fruchtgehalt“, erklärt Edi Winkler stolz. Um den vollen Geschmack der Früchte zu bewahren, kommt bei den WinklerNektaren fünf Prozent mehr Frucht als üblich in die Flasche. Das schmeckt: „Bei den Touristen kommen die regionalen Säfte sehr
Im Gasthof Heissenberger gibt es auch Säfte von Edi Winkler „Oldtimer sind von Fahrzeuge, aus der Umgebung Kirchschlag kein Stehzeug!”
gut an, und bei den Einheimischen sowieso“, sagt Birgit Heissenberger zufrieden. Neben regionalen Fruchtnektaren wird im Gasthof Heissenberger auch heimischer Apfelsaft ausgeschenkt. Dieser kommt vom Obstbau Stegbauer in Krumbach. Sabine Ungerböck hat den Betrieb vor fast zwanzig Jahren von ihrem Vater übernommen und produziert Säfte, Most und Schnäpse. Das verarbeitete Obst stammt aus dem eigenen Obstgarten und von kleineren Bauern aus der Umgebung. Wie die Obstverarbeitung Winkler bietet auch der Stegbauer den umliegenden Bauern die Möglichkeit, ihr Obst zu Saft pressen zu lassen. Je nach Wunsch wird der Saft filtriert oder naturtrüb belassen. An den Gasthof Heissenberger liefert Sabine Ungerböck naturtrüben Apfelsaft: „Was der Wirt gern trinkt, wird auch im Wirtshaus verkauft“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. | 41
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Wo die Vögel den Weg weisen SOPHIE HANAK
Schon bei der Einfahrt nach Hochneukirchen sieht man sie, die Vogelhäuschen aus Holz. „Solche Nistkästen stellen das neue Leitsystem auf dem Weg zur Aussichtswarte am Hutwisch dar“, sagt Bürgermeister Thomas Heissenberger stolz. 1978 wurde diese Warte auf dem 896 Meter hohen Hutwisch in der heutigen Form errichtet. Von oben hat man einen Blick auf die Bucklige Welt, über den Schneeberg und Wechsel bis nach Slowenien und Ungarn. Anlässlich der Niederösterreichischen Landesausstellung in Wiener Neustadt entwickelte die Gemeinde HochneukirchenGschaidt ein Projekt zum Thema „Blicke“ und nannte ihren Masterplan dazu „Das Dach der Welt“. „Entlang des Weges zur Warte gibt es nun rund fünfzig Vogelhäuser, die auf einem Pflock befestigt werden. Gebaut werden die Vogelhäuser von Josef Parrer, der die Schnitzkunst seit einigen Jahren zu seinem Hobby gemacht hat“, erzählt Heissenberger. Sein Leben lang war Parrer in der Landwirtschaft tätig, hatte Rinder, auch Schweine und Hühner. Seit der Pension kann er sich vermehrt seinem Hobby widmen. In seiner Werkstatt stellt er alle möglichen Gegenstände aus Holz her, beispielsweise Dekorationsartikel wie etwa Holzhasen und Kerzenständer oder auch Gebrauchsgegenstände wie Schneidbretter oder Stiefelknechte. Seine Produkte verkauft Josef Parrer auf Bauern- oder Weihnachtsmärkten. „Es wird alles aus Lindenholz hergestellt, das ich vom nahe gelegenen Lindenhof bekomme“, erklärt der Schnitzer. Drei Jahre muss das Holz dann liegen, damit es trocken genug ist, um verarbeitet werden zu können. Während des Gesprächs merkt man, wie sehr seine Tätigkeit Josef Parrer begeistert. „Die Arbeit, die ich mache, soll einen Sinn haben. Ich arbeite hier nicht acht Stunden, sondern ein paar Stunden am Vormittag und ein paar am Nachmittag“, lacht er. Die Anleitung für die Vogelhäuser hat Parrer in einem Buch eines Bekannten gefunden. Für die verschiedenen Vogelarten in der Umgebung – es sind etwa um die dreißig Arten – haben die Nistkästen verschieden große Löcher. Außen an den Nistkasten fehlt der Ast, wie man ihn von vielen Vogelhäuschen kennt. „Das wäre fatal für die Jungen, denn daran können sich Räuber gut festhalten. Die Vögel brauchen diesen Ast gar nicht. Ich habe aber innen einen Zweig befestigt, damit die jungen Vögel gut herauskönnen, sobald sie flügge sind.“ Besonders wichtig ist auch, dass die Nistkästen in die richtige Himmelsrichtung zeigen, damit sie vor Wind und Wetter geschützt sind. 42
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HANDWERK
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Den Weg zur Aussicht am Hutwisch markieren rund fünfzig Nistkästen, die Besucher auch an die Bedrohung der Vögel in der Region erinnern
Josef Parrer hat die Schnitzkunst für sich entdeckt
Fotos: Stefan Knittel
Josef Parrers rund fünfzig Nistkästen für Vögel dienen als Leitsystem auf dem Weg zur Aussichtswarte am Hutwisch
Von Hochneukirchen zur Warte am Hutwisch sind es zwei Kilometer, der gesamte Rundwanderweg ist rund fünf Kilometer lang. Er ist für Familien mit Kindern besonders geeignet, auch für Individualreisende und Busreisegruppen. Die einzelnen Stationen haben Ruheplätze, wo Geschichten und Sagen auf Tafeln niedergeschrieben sind und über NFC und QR-Code am Handy angehört werden können. In Kombination mit dem Kinderbuch „Bakabu“ sind für Kinder verschiedene Geschichten und Sagen aufbereitet worden. So ist die Sage „D boardat Gretl“ zu hören, die im Ort jedes Kind kennt. Es geht darin um eine Frau, die einen Bart hat und deshalb in einer Höhle wohnt. Gesprochen werden die Geschichten von Schauspieler Christian Tramitz. Die Nistkästen sollen bei Kindern und Erwachsenen das Bewusstsein für die Natur schärfen und den Vögeln in der Gegend Schutz bieten. Denn leider, so erzählen der Bürgermeister von Hochneukirchen wie auch der Nistkastenbauer, haben sie in den letzten Jahren bemerkt, dass die Zahl der Vögel hier abnimmt. | 43
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Eine Burg für die Zukunft BRUNO JASCHKE
Von unten, von den Ortschaften Grimmenstein und Petersbaumgarten aus, sieht die Burg ein wenig unscheinbar aus. Oben aber, in etwa 660 Metern Seehöhe, genießt man nach einer 35 bis 45 Minuten langen Wanderung ab dem Parkplatz eine einmalige Aussicht auf das malerische Pittental. Und sieht auf die hektische Betriebsamkeit auf der Südautobahn hinunter. Die Burg Grimmenstein, rund 15 Kilometer südöstlich von Neunkirchen gelegen, hat seit 2014 einen neuen Besitzer: Markus Albero Grimmenstein. Seit der Erstbegegnung wusste er: „Es musste die sein und keine andere.“ Die Renovierungsarbeiten habe er zu neunzig Prozent selbst erledigt, sagt er, unterstützt von dem in Grimmenstein lebenden irischen Baumeister Stephen Curran. Ob er eine Vorstellung hatte, wie viel Arbeit ihn da erwartete? „Ich habe ein Haus gebaut“, sagt Grimmenstein mit leichtem Grinsen. Die Burg war freilich noch eine andere Dimension. So musste Grimmenstein alle Materialien über eine recht unwegsame Straße selbst herschaffen. Die Burg Grimmenstein besteht aus der sogenannten Hangburg am Hang des Kulmriegels, eines rund 750 Meter hohen Hügels, und der Höhenburg am Felsen. Ihre Entstehungszeit wird gemeinhin auf das 12. Jahrhundert veranschlagt. Manche Quellen besagen jedoch, dass sie weit älter ist und ihre Ursprünge auf einen römischen Wachturm zurückgehen. Nachdem die ursprünglichen Besitzer in der Mitte des 13. Jahrhunderts verbannt oder vertrieben worden waren, ging sie durch verschiedene Hände und verfiel bereits ab dem 15. Jahrhundert. In den 1960er-
Jahren erwarb sie der Neunkirchner Baumeister Johann Rigler und restaurierte sie unter Verwendung der noch vorhandenen, aus dem Felsen gehauenen, bis zu drei Meter dicken Mauern. Mitte der 1980er-Jahre wechselte die Burg den Besitzer und verfiel erneut. Seit sie in den Besitz von Markus Albero Grimmenstein übergegangen ist, wird sie wieder instand gesetzt. Grimmenstein hat sich zum Ziel gesetzt, das alte Gebäude komplett zu restaurieren. Er befindet sich damit gewissermaßen auf halber Strecke. Der obere Teil mit Burgfried, Wehrgang, Rittersaal, Panoramazimmer, Felsenzimmer, Taverne und Keller ist, thermisch saniert und mit Pellets beheizt, bereits nutzbar. „Ursprünglich wollte ich die Burg rein für mich haben. Aber als Wanderer hierhergekommen sind und sie sich anschauen wollten, ist mir die Idee gekommen, sie auch anderen zugänglich zu machen. Später habe ich auch Getränke und kleine Speisen serviert. So ist die Taverne entstanden.“ Die Burg samt Taverne ist von Mittel April bis Ende Oktober an Sonn- und
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Fotos: Stefan Knittel, Burg Grimmenstein
Die uralte Burg Grimmenstein im Pittental schien dem Verfall preisgegeben. Der neue Besitzer Markus Albero Grimmenstein saniert sie und bewirtschaftet sie wieder
GESCHICHTE
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Fotos: Stefan Knittel, Burg Grimmenstein
Burg Grimmenstein Markus Albero Grimmenstein Burgweg 3 2840 Grimmenstein T: 0664 338 62 44 www.burg-grimmenstein.at
Markus Albero Grimmenstein auf seiner Burg
Feiertagen für Besucher geöffnet. An den Öffnungstagen werden Burgführungen durchgeführt. Auch einen Souvenirshop mit Produkten wie Schals, Halsketten und Tonwaren gibt es. Den malerischen Rittersaal kann man für private Feiern und Veranstaltungen mieten. „Besonders beliebt ist die Location für Kindergeburtstage“, sagt Grimmenstein lächelnd. Auch viele Schulklassen besuchen die Burg. Für die Zukunft verfolgt der Burgherr noch ehrgeizigere Vorhaben. So ist etwa im unteren Burgteil ein größerer Rittersaal geplant. Sein Ziel formuliert er so: „Ich will die Burg so ausbauen, dass nachfolgende Generationen dieses schöne Stück österreichischer Kulturgeschichte so nutzen können, dass es sich selbst erhält.“ |
Die Renovierung der Burg Grimmenstein in der Buckligen Welt wird weiter vorangetrieben
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Kühle Plätze für heiße Tage NINI T SCHAVOLL
Wenn das Land unter der Sonne ächzt, kennt Markus Steinbichler die richtigen Orte
Ohne Kamera verlässt Markus Steinbichler sein Haus in Edlitz nur selten. Als gelernter Raumplaner ist er darin geschult, seine Umgebung besonders aufmerksam wahrzunehmen. So drängen sich ihm die schönen Motive der Buckligen Welt förmlich auf. Auf seinen Wegen durch das Land innezuhalten und bewusst zu schauen nennt er seine tägliche Achtsamkeitsübung. Meist beschließt er sie dann mit dem Druck auf den Auslöser seiner Kamera. Diese Momente teilt er gern mit Familie und Freunden, die seine Fotos auf privaten Kanälen oder via Facebook erhalten. Der in Aspang aufgewachsene Edlitzer schreibt auch einen Blog. Darin schildert er die schönsten Orte, die stillsten Ecken und die berauschendsten Aussichtspunkte der Umgebung. Auch von seinen Ausflügen in der gesamten Region ist dort nachzulesen. Und seit Steinbichler eine Kolumne in einer Regionalzeitung verfasst, gilt er als Experte für Geheimtipps in der Region. Bis zu 2.600 Menschen, vor allem Bewohner der Region, aber
auch Großstädter und Auswanderer, folgen ihm in den sozialen Medien und lesen regelmäßig von seinen Entdeckungsreisen und Lieblingsplätzen. Begonnen hat alles auf einer Fahrradtour über die Anhöhe beim Edlitzer Winterhof, wo er während der Fahrt einmal kurz über die Schulter nach hinten blickte. Das Motiv, das er zu sehen bekam, ließ ihn nicht mehr los. Er beschloss, diese Ansicht ein Jahr lang in der immer gleichen Einstellung fotografisch festzuhalten und die verschiedenen Wetter-, Licht- und Jahreszeitenstimmungen einzufangen. Dieser Kraftort sei definitiv einer seiner Lieblingsorte, um den Kopf frei zu bekommen, erzählt Steinbichler, auch wegen der tausendjährigen Linde dort, in die bereits zweimal der Blitz eingeschlagen hat. Damals überkam ihn die Erkenntnis, dass die schönsten Orte ja vor seiner Haustür liegen, aber dass sich diese einem manchmal erst nach einem Perspektivenwechsel erschließen.
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Fotos: Markus Steinbichler
Abkühlung in der Pitten nahe des Seebensteiner Wehrs
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Badeorte und Buschenschank Leitha-Ursprung bei Lanzenkirchen Pitten bei Olbersdorf und Scheiblingkirchen, Seebenstein und Warth
Fotos: Markus Steinbichler
Jeindls Kerzenlaube, Prägart 1 2851 Krumbach, T: 02647 / 431 08 lammbuschenschank.jimdo.com
Markus Steinbichler, neugieriger Entdeckergeist, interessiert sich auch für Kunst und Geschichte. Am Vorabend zum Wochenende plant er Ausflüge mit seiner Familie. Die zahlreichen Wehrkirchen, Burgen, Schlösser und Ruinen lassen sich gut in Tagesausflüge einplanen und sind immer wieder spannende Ziele. Im Sommer sind bei seinen Kindern natürlich die kühlen Orte in der Region besonders angesagt. Früh, das heißt vor der Mittagshitze, lockt der Blick vom Hutwisch über die Buckel der Region. Von Hochneukirchen ist es eine kleine morgendliche
Markus Steinbichler berichtet auf seinem Blog buckligeweltreisen.blog von seinen schönsten Reisen durch die Welt der Buckel. Über seinem Bild die von ihm empfohlene Buschenschank Jeindl in Prägart
Wanderung durch schattigen Wald. Der Ausblick lohnt die Mühen des Anstiegs, vielleicht sogar mit einem kühlen Lüfterl auf der Aussichtswarte. Doch dann muss er ans Wasser. Die Flüsse Pitten und Schwarza bieten Plätze, die Abkühlung und Spaß versprechen. Hier können die Kinder pritscheln, Gatschschlachten austragen und Steinmanderl am Bachufer bauen. Letzteres geht an den Wehranlagen bei Seebenstein und Warth oder am LeithaUrsprung bei Lanzenkirchen besonders gut. An manchen Stellen ist die Pitten tief genug, um ordentlich gegen den Strom zu schwimmen. Kleine, ausgeschwemmte „Sandstrände“ wie etwa an der Pitten bei Olbersdorf und Scheiblingkirchen sind ideal, um sich im Kühlen auszuruhen. An welchen Lieblingsort es Markus Steinbichler zum Ausklang des Tages zieht, hat er auch verraten: Auf eine gute Jause und einen erfrischenden Most in der gemütlichen Kerzenlaube in Jeindls Lammbuschenschank in Prägart bei Krumbach. | 47
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Schnalzen im Dreivierteltakt K ARIN WASNER
Dreizehn hauptsächlich junge Menschen lassen in Wiesmath die Peitschen knallen, um den Winter auszutreiben. Und dann gibt es hier auch noch den Annakirtag
„Wir vertreiben die Wintergeister und wecken die Sonne auf.“ Vor mir steht ein junger Mann in schwarzer Lederhose, eine Peitsche in der Hand. Michael Gallei ist fünfundzwanzig und seit heuer Obmann der Schuhplattler- und Volkstanzgruppe Wiesmath. Jedes Jahr organisiert er mit seinen Tanzkollegen und -kolleginnen das Pfingstschnalzen. „Woher der Brauch kommt, weiß niemand so genau.“ Claudia Madler ist eine von den dreizehn Pfingstschnalzern, die heuer am 8. Juni die Peitschen knallen lassen. Andernorts kennt man den Brauch als Goaßl- oder Aperschnalzen. Im Dreiviertel- oder Viervierteltakt werden die bis zu fünf Meter langen Peitschen geschwungen. Die letzte schnelle Gegenbewegung erzeugt einen lauten Knall. Er soll böse Geister vertreiben. Lange Zeit eine reine Männerdomäne, wollte die damals dreizehnjährige Claudia nicht einsehen, warum nur ihr Bruder die Peitsche knallen darf. „Zimperlich darfst halt nicht sein.“ Schnalzen ist körperlich anstrengend, darum dauert ein Ein-
satz meist nur etwa vier Minuten. „Ab und zu kriegst du schon auch eine drüber.“ Dann heißt es Zähne zusammenbeißen und durchhalten. Mittlerweile sind es acht Männer und fünf Frauen, die am Pfingstsamstag die kalte Jahreszeit davonjagen. Nach der Abendmesse geht es los. Von der Kirche im Zentrum von Wiesmath bis zum Festplatz sind es 700 Meter. Alle hundert Meter wird „gepascht“. Wenn die Schnalzer eine Pause brauchen, gibt es Musik. Schließlich kommen alle beim Vereinshaus an und werden von der Volkstanzgruppe verköstigt. Volkstanz klingt im ersten Moment weder modern noch zeitgemäß. Die Truppe aus Wiesmath aber belehrt einen schnell eines Besseren. Udo Jürgens, ABBA und sogar die Blues Brothers wurden schon geschuhplattelt. Ihr YouTube-Video zum Hit von Marco Wagner hatte 200.000 Klicks und wurde 600-mal geteilt. Von verschnarcht kann bei den jungen Leuten keine Rede sein. Das jüngste Mitglied ist 13, der Älteste ist 57, das Durchschnittsalter liegt irgendwo Mitte zwanzig. „Altes Brauchtum zu
Fotos: Stefan Knittel, Dieter Moeyaert
Schnalzen ist längst nicht mehr nur Männersache
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FESTE
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Weltgeschmack ROLAND GRAF
Informationen Pfingstschnalzen in Wiesmath Am 8. Juni 2019, veranstaltet von der Volkstanzgruppe Wiesmath Annakirtag in Wiesmath Am 26. Juli und 28. Juli 2019 www.wiesmath.at
Roland Graf stammt aus der Buckligen Welt. Seine Bierund Bargeschichten erscheinen in Magazinen im gesamten deutschen Sprachraum. www.trinkprotokoll.at
Fotos: Stefan Knittel, Dieter Moeyaert
Grüne Insel, schwarze Gedanken
pflegen war mir immer ein Anliegen“, sagt Bernd Hofleitner. Er ist einundzwanzig und seit neun Jahren dabei. „Als Bub war ich einmal bei einer Probe und habe gemerkt, das ist genau meins.“ Bis zu fünfundzwanzig Auftritte absolviert die bunte Truppe im Jahr bei Bällen, Sommerfesten und Winzerkirtagen. Beim Pfingstschnalzen wird gearbeitet statt getanzt. „Da packen alle an!“ Lisa Ebner, die Obmann-Stellvertreterin, lacht. „Und untertags schmeißen wir Holzscheiteln durch die Gegend.“ Neuerdings veranstaltet die Volkstanzgruppe am Nachmittag den „Hoizscheitl-Triathlon“. In Zweierteams zieht man Holzpflöcke, zersägt Baumstämme und wirft Holzscheite in eine Scheibtruhe. „Beim ersten Mal hatten wir schon zwanzig Teams, heuer wird es richtig rundgehen.“ Und wenn der Winter erfolgreich vertrieben und die Nacht mild ist, wird das bei Würstel, Bier und Wein bis in die Morgenstunden gefeiert.
Wo vermisst man die Heimat am meisten? Vermutlich dort, wo die Ähnlichkeiten mit der Gegend groß sind, in der man aufgewachsen ist. Dann fällt einem die Unvollkommenheit seines Aufenthaltsorts mit beängstigender Intensität auf. In Singapur oder Chicago habe ich mich nie nach einem Most-Heurigen gesehnt. Die Hektik der Städte lässt dazu keine Zeit. Im beschaulichen irischen County Cork mit dem smarten Marketingmann Kieran hingegen trat bei mir Heimweh auf. Zwischen drittem und viertem Whiskey kamen wir auf Irlands Milchwirtschaft zu sprechen. Verschwörerisch erzählte Kieran von einer Statistik, die er selbst nicht glauben wollte: „90 Cent.“ So viel würde aktuell für ein männliches Babykalb bezahlt. Denn im Land der Turbokühe für Europas Butter kann man Bullen nicht brauchen. Angeblich wird jedes fünfte männliche Rind überhaupt gleich nach der Geburt „entsorgt“. Während das Image der Grünen Insel so ein paar blutrote Kratzer abbekam, musste ich an die Eisenkölbls in Kirchau denken und meinen Schulfreund „Haschi“ vom Hollenthoner „Rosenhof“. Dort stellt nämlich jeder Neuzugang zur kleinen Herde ein Familienmitglied auf Zeit dar. Ungeachtet des Geschlechts. Auch wenn man bei den Direktvermarktern genau weiß, was Nutztier bedeutet, kommt das Wort hier nicht von „ausnutzen“. Mit Stolz und Respekt wird das Luftgetrocknete serviert. Spätestens dann, wenn ich mit der Irland-Story rausrücke, vermutlich auch ein Stamperl. 49
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Claudia Madler, Michael Gallei, Lisa Ebner und Bernd Hofleitner begrüßen den Sommer mit dem Pfingstschnalzen in Wiesmath Um die Wallfahrtskirche St. Anna aus dem Jahr 1509 geht es beim Annakirtag richtig rund
Es gibt noch einen Tag im Jahr, an dem es in Wiesmath richtig rundgeht. Am 26. Juli, dem Gedenktag der Heiligen Anna, und dem darauffolgenden Sonntag, feiert der kleine Ort den Annakirtag. „Da muss man sich nichts ausmachen, da sind einfach alle da!“ Doris Reisenbauer ist hier geboren und erinnert sich gern an die Kirtage ihrer Kindheit. Ihre Großmutter erstand damals bei den fahrenden Händlern Küchenschürzen und spezielle Keksausstecher. Und für die Enkelin eines der begehrten Schaumhäferl. „Früher war das ein ganz besonderer Tag für die Dorfbewohner. Am Kirtag wurden Dinge für den täglichen Gebrauch wie Geschirr, Kleidung und Schuhe gekauft, die man sonst nicht bekam.“ Bis heute freuen sich die Wiesmather auf die zahlreichen Marktstandler, die noch im Morgengrauen mit voll beladenen Wägen anreisen, um die besten Plätze zu ergattern. „Viele kommen immer wieder. Die haben schon seit zwanzig Jahren denselben Standplatz.“ Mit ihnen bieten viele Produzenten aus der Region ihre Waren an. Nach Wachs und Honig duftet es, wenn man am Stand des örtlichen Imkereiverbands vorbeikommt, wo Kerzen und Propolis verkauft werden sowie Honig, den die Bienen den Frühling über in den umliegenden Wiesen gesammelt haben. „Naturzauber“ nennt Renate Kornfeld die liebevoll gestalteten Dekoartikel, unter denen sich ihr Verkaufstisch biegt. „Liebe“ und „Glück“ versprechen ihre Herzen aus Holz und Naturmaterialien. Herzen findet man auch ein paar Schritte weiter beim Stand der Konditorei Beiglböck, die alljährlich die traditionellen Lebkuchenherzen und Schaumrollen für den Kirtag backt. „Eine Schaumrolle gehört für mich einfach zum Kirtag dazu!“ Sandra Dopler, Gemeindeangestellte in Wiesmath, bekam als kleines Mädchen „Kirtaggeld“, mit dem sich die Kinder kaufen durften, was sie wollten. „Hundert Schilling waren das früher,“ erinnert sich die junge Frau an die blau gestrichenen Schiffsschaukeln,
in denen sie damals durch die Luft flog. „Die gibt es heute nicht mehr“, sagt sie ein bisschen wehmütig. „Aber der Dorferneuerungsverein hat für die Kinder eine Hüpfburg anfertigen lassen.“ Gabriela Grundtner ist Obfrau des Vereins und hat noch keinen Kirtag verbracht, ohne emsig mitzuarbeiten. Der Dorferneuerungsverein verköstigt die Kirtagbesucher jedes Jahr mit selbst gebackenen Mehlspeisen, Getränken und Kaffee. „Das ist ein Tag, an dem wir uns Zeit nehmen füreinander.“ Den Vormittag über werden drei bis vier Messen gelesen, je nachdem, wie viele Wallfahrer aus den umliegenden Gemeinden sich auf den Weg machen. „Da kennt man schon die Leute und freut sich, wenn man sich einmal im Jahr sieht.“ Auch aus dem Burgenland pilgern die Wallfahrtsgruppen auf den Annaberg. Die Prozessionen aus Forchtenstein, Kobersdorf und Wiesen kommen verlässlich jedes Jahr. Die heilige Anna ist die Mutter Marias und Großmutter Jesu, sie steht für Liebe, Gnade und Anmut. Ihr ist die kleine, weiße Kirche geweiht, die weithin sichtbar am Annaberg thront. Eine Statue Annas mit Maria und Jesu im Arm ziert den kunstvoll geschnitzten Holzaltar im Inneren des Gotteshauses. Kühl ist es hier und ruhig, sobald man das schwere Doppeltor schließt und das fröhliche Kirtagtreiben aussperrt, um den Kirchturm zu erklimmen. Hier oben liegt einem die Bucklige Welt zu Füßen. Und der Lärm ist plötzlich ganz weit weg. |
Fotos: Stefan Knittel, Wikipedia
Am Annakirtag in Wiesmath
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Michael Rösch
Der Vorarlberger war zuletzt in der Ukraine und in Nigeria im Einsatz. „Ich will meine Fähigkeiten dort einsetzen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Chirurgische Hilfe rettet Leben, vor allem in Konfliktgebieten.“ Unabhängig. Unparteiisch. Unbürokratisch. Ärzte ohne Grenzen wirkt weltweit. Wirken Sie mit.
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