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Kurz vor Schluss

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Klassiker

Klassiker

Griaß enk am Ende der Durststrecke

Die Leipziger Buchmesse fand wieder statt – mit Österreich als vielfältigem und harmonischem Gastland zur Verstärkung

Text: Julius Handl

Julius Handl, freier Autor und Literaturkritiker, Begründer der offenen Lesereihe „Gläserne Texte“

Vielleicht muss man doch beim viersilbigen Schirm beginnen, unter dem die Literatur Österreichs für ein paar Tage zusammenrückte: „mea ois wia mia“. Ein Rätsel, nicht nur in puncto Aussprache, für die deutschen Kolleg:innen: Wer ist denn dieses mia, und wodurch wird es mea ois wia? Katja Gasser und das Gastland-Team haben viele prominente und weniger prominente Akteur:innen der literarischen Landschaft Österreichs versammelt, die Lesungen gaben, Vorträge hielten und die literarischen Positionen des Landes auffächerten. Nicht nur für die österreichische Literatur war diese erste Messe seit vier Jahren eine spannende Momentaufnahme.

Ein guter Teil vom mia drängte schon bei der Eröffnung auf dem Gastlandstand an die Bühne und kam sich dabei nah wie selten im zergliederten Österreich. Das Programm war dicht und voller Schmankerl: Große Namen mit Breitenwirkung waren bloß Teil des Programms, nicht künstlich aufgeblasene Zugpferde, so gab es Raum für mutige jüngere Autor:innen. Die mögen auf dem deutschen Markt weitgehend unbekannt sein, sind aber gerade in den letzten Jahren durch spannende Debüts aufgefallen. Hörbar etwa bei einem Text von Franziska Füchsl, ebenso wie bei Lesungen von Cornelia Hülmbauer, Greta Lauer oder Jakob Kraner. Gut besuchte Lesungen wie die von den „Nichten und Neffen der Wiener Gruppe“ zeigten, dass hierzulande längst kanonisierte Stimmen auch im Rahmen der großen Messe Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Darum ging es auch in diesen Tagen, zu deren Beginn eine angeschlagene Industrie auf erfreuliche Besuchszahlen hoffte.

Was macht die Buchmesse zu mea ois wia zu einem Markt, der sich selbst nahekommt? Immer wieder fiel das Wort „Klassentreffen“, das Wiedersehen von literarischen Wahlverwandtschaften. Dafür boten zahlreichen Feiern eine zwanglose Möglichkeit: Tropenparty, Party der jungen Verlage, Party im DLL Geflügelte Worte eines langen Wochenendes, das auch vom regen Treiben außerhalb der Cubicles am Messegelände lebte. Während im Deutschen Literaturinstitut am letzten Abend erste Biere geköpft wurden, fand gegenüber in der Hochschule für Grafik und Buchkunst noch die Lesung „Teil der Bewegung“ statt. In dreieinhalb Stunden lasen dort zwölf Lyriker:innen in einem stillen Saal aus aktuellen Texten. Der Lyriker Andreas Altmann bemerkte, wie unüblich es sei, bei einer Lyriklesung über Teile des Publikums hinwegsteigen zu müssen. Auch die Lesung von Eva Tepest und Hengameh Yaghoobifarah in der Buchhandlung Rotorbooks wurde zum raumfüllenden Erlebnis. Das Begehren, ein Thema des Abends, sprang von Text und Diskussion auf die begeisterten Hörer:innen über.

In Abwesenheit rechtsextremistischer Verlagshäuser verlief die Messe nicht nur in politischer Hinsicht eigenwillig ruhig, sondern fiel unter dem geteilten Schirm auch durch große Einigkeit auf. Bedeutet die große Vielfalt der Stimmen auch Konsens? Die Zeitschriften Idiome und Perspektiven veranstalteten ihren gemeinsamen Lesungsabend unter dem Motto „weniger / wir / als“ und deuteten ein Knistern an, das der literarischen Öffentlichkeit in diesem „Neuanfang“ vielleicht als kleine Starthilfe zum Diskurs gereichen könnte.

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