
4 minute read
Editor's Choice
Gelb, grün und bunt
Viele Farben, viele Gerüche, Geschmacksrichtungen, Gewürze und Ernährungsweisen. Vier Kochbücher zum Schwärmen
Text: Linn Ritsch

Ein Kochbuch ohne Fotos ist heutzutage wie ein Unternehmen ohne Instagramauftritt oder eine Welt ohne menschengemachte Klimakatastrophe: praktisch undenkbar. Während die 1889 geborene Vorarlberger Köchin Fanni Amann für ihre vielen Leserinnen noch Fibeln voller bildloser Rezeptanweisungen schrieb (ihre Kochbuch-Klassiker kann ich trotzdem sehr empfehlen), wollen wir heute ästhetisch inspiriert werden. Ein Trend, der oft großartige Bücher hervorbringt, zum Beispiel die folgenden vier. Sie liegen derzeit nach Farben sortiert auf meinem Schreibtisch und strahlen mich an.
Farblich am strahlendsten ist das zitronengelbe „Easy Eating“-Workbook von Ursula Vybiral (Amalthea). Es ist kein klassisches Kochbuch, was schon der Untertitel zeigt: „Arbeitsbuch“ könnte Argwohn hervorrufen – man will beim Kochen und Essen doch genießen, nicht arbeiten! Glück gehabt, das kann man mit Vybirals Buch. Ihre „Easy Eating“-Methode soll zum Abnehmen inspirieren und sehr genau zeigen, wie das geht: mit sehr viel sehr leckerem Essen nämlich.
In dem Buch findet man Miso-Suppe, Burrata-Salat, Lemon Fish und die türkische Eierspeise Menemen und viel mehr. Man lernt aber auch viel über gesunde Ernährung: Was warum nicht so gut für den Körper ist und welche Lebensmittmel man stattdessen essen sollte. Und vor allem, dass es weder schwer noch unerfreulich ist, sich gesund zu ernähren, und dass es viele verschiedene Ernährungsweisen gibt – nicht einen Pfad, dem man schwitzend und fluchend folgen muss.
Falls Sie ein paar Kilos verlieren möchten: Lesen Sie dieses Buch. Falls Sie überhaupt kein Interesse daran haben, schlanker zu werden: Lesen Sie es trotzdem. Und seien Sie nicht frustriert, wenn die Gerichte bei Ihnen nicht ganz so sehr in frühlingshaft vielfarbiger Perfektion erstrahlen, wie auf den Fotos im „Workbook“. Schmecken werden sie trotzdem hervorragend.

Radikaler Szenenwechsel: von Pfingstrosenpink und Zitronenfalterfarbe zu warmem Sonnengelb und Hellbraun. Es geht um Brot. Etwas, das in Vybirals Buch nicht besonders oft vorkommt. Weil es ungesund ist und dick macht? Keineswegs, erklärt Monika Rosenfellner in ihrem Buch „Brot von daheim“ (Löwenzahn). Höchstens dann, wenn man sich von billigen Weizenweckerln vom Diskonter ernährt. Dass man sich dazu als Brotliebhaber:in nicht herablassen muss, erklärt sie in diesem Buch sehr genau.
Es ist Getreidelexikon, Mehlfibel und Teigerklärer. Und natürlich ein Backbuch erster Güte: Mit Hintergrundinformationen, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, großer Vielfalt und Bildern, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Nicht im übertragenen Sinne – in Wirklichkeit. Mir ist das passiert. Allerspätestens auf Seite 146 will ich in die Küche rennen. Dort geht es um den Sonnenkranz.

Das nächste Buch bekennt bereits im Titel Farbe: „Greens and Beans“ von Anne Katrin Weber und Wolfgang Schardt (AT Verlag) macht sich optisch die Tatsache zunutze, dass das menschliche Auge mehr Abstufungen von Grün unterscheiden kann als von jeder anderen Farbe. Mindestens einen grünen Farbtupfer gibt es wirklich in jeder Speise, manche Gerichte sind fast komplett grün. Spinat, Basilikum, Erbsen, Spargel, Lauch, Gurken – ein grüner Festtag.
In Kombination mit den „Beans“ – Hülsenfrüchten aller Art – entsteht eine Vielzahl vegetarischer Speisen. Palatschinken, Bratlinge, Quesadillas, Burger, Hummus, Curry … bei der Lektüre entsteht der Eindruck, dass man aus Hülsenfrüchten eigentlich alles machen kann. Auch hier geht es nicht nur ums Kochen, sondern auch um Hintergründe: Bohnen, Kichererbsen und Co. sind proteinreich und nachhaltig. Und dass man ohne grünes Gemüse nicht leben kann, ist sowieso klar.

Wer als Marokko-Neuling das Buch „Zu Gast in Marokko“ von Rob und Sophia Palmer (Callway) in die Hände bekommt, wird sich wahrscheinlich fragen, wie er oder sie so lange ohne Speisen aus diesem Land auskommen konnte. Das Land ist in jeder Hinsicht bunt, das sagen der Autor und die Autorin schon in der Einleitung: Marokko sei ein Land mit vielen Einflüssen, die sich auch kulinarisch bemerkbar machen. Die Vielfarbigkeit der marokkanischen Fliesen, der Gärten und Kleidung der Menschen passt zu den Gerichten, die in dem Buch präsentiert werden.
„Zu Gast in Marokko“ ist weitaus mehr als ein Kochbuch. Es ist in erster Linie ein sehr persönliches Reisebuch und eine Hommage an das Land, seine Natur und Kultur. Die Palmers (Sophia ist gebürtige Marokkanerin) erzählen davon, was sie dort erlebt haben – mit Geschichten, Bildern von Landschaften, Menschen und Essen. Nichts ist idealisierend oder überzogen. Gerade deswegen ist es so schön.
