BBB Beiheft

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BBB

Ansichten – Einsichten

Beiheft

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Ansichten – Einsichten Ein Kommentar zu Kunst und Vermittlung an einer Berufsfachschule.

Nadja Baldini Stefan Schibli Denise Widler

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Ausgangssituation

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Fünf Akteure, fünf Interventionsorte Steuergruppe 1 2 Schulleitung 3 Lehrpersonen 4 Schülerschaft 5 Kunstschaffende

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Themenfelder A Die Akteure und ihre Rollen A 1 Lehrpersonen A 2 Künstlerinnen und Künstler A 3 Kuratorin B Kunstverständnis und Institution C Kommunikation und Information D Wissen und Bildung E Nachhaltigkeit und Wirkung

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Im März 2015 sorgte an der Berufsfachschule BBB in Baden während vier Wochen Luc Mattenbergers «Zeitlücke» für Verwirrung. Der Genfer Künstler hatte auf dem Vorplatz des Schulhauses Martinsberg eine generatorbetriebene Lampe aufgestellt. Jeden Morgen um 7 Uhr und abends um 17 Uhr schaltete ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes Securitas die Lampe ein. Diese strahlte jeweils so lange, bis das Benzin im Tank aufgebraucht war. Wozu? Wie die Lampe funktionierte, war einfach nachvollziehbar und zog insbesondere die Aufmerksamkeit der technikbewanderten Lernenden auf sich. Welchen Zweck die Lampe erfüllte, blieb jedoch unklar. Weder die Einschaltzeiten noch die Beleuchtung schienen einen Sinn zu ergeben. Erst an der Finissage wurde klar, dass es sich bei der Lampe um eine Kunstinstallation handelte. Wird durch diese Kontextualisierung die Zweck- und Nutzlosigkeit des Objekts legitimiert?

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Ausgangssituation

Das vierjährige Programm der ersten Halbzeit des Kunstlehrstuhls BBB (2011–2015) löste bei den Beteiligten unterschiedliche und kontroverse Reaktionen aus. Die einen waren begeistert und hätten sich noch weitere Kunstaktionen mit den Jugendlichen gewünscht. Andere wiederum zeigten sich enttäuscht ob der mangelnden Zugänglichkeit und Nähe zu den Lernenden. Vieles blieb unausgesprochen. Es gab während der vier Jahre wenig Gelegenheit, die Erfahrungen mit den einzelnen Projekten zu diskutieren. Dies veranlasste uns, zum Abschluss der ersten Projektphase eine Standortbestimmung vorzunehmen und mit allen Projektbeteiligten über ihre Erwartungen, Irritationen und Enttäuschungen in Bezug auf das Projekt zu sprechen. Diese Gespräche verstehen wir als Teil einer erweiterten kuratorischen Arbeit innerhalb des Kunstlehrstuhls und weniger als Evaluation in klassischem Sinn. Die Fragenkataloge hatten wir im dreiköpfigen Team erarbeitet und so bereits bei den Fragestellungen unterschiedliche Perspektiven eingebracht. Da wir die Gespräche als Projektteam vor Ort führten, entwickelten sich die Befragungen zu Gesprächs-


runden mit Diskussionscharakter. Es war unsere Absicht, in bestehenden, institutionalisierten Schulgef채ssen zu intervenieren. Damit erkl채rten wir die Institution Schule selbst zum Forschungsfeld und die Befragungen zu einer transdisziplin채ren kuratorischen Intervention. Uns interessierte insbesondere, welche Ideen und Konzepte von Kunst und Kunstvermittlung an einer Berufsfachschule wie der BBB pr채sent (und wirksam) sind, welchen Wert die verschiedenen Beteiligten der Kunst und ihrer Vermittlung innerhalb der schulischen Berufsbildung beimessen und wie sich die unterschiedlichen Erwartungen in diesen beiden Bereichen bei den einzelnen Akteuren manifestieren.

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Fünf Akteure, fünf Interventionsorte

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Steuergruppe Ein erster Interventionsort war die Steuergruppensitzung, die zweimal jährlich stattfindet. Die Aufgabe der Steuergruppe besteht darin, Jahresprogramm und Budget des Kunstlehrstuhls BBB abzunehmen sowie die Parameter des Aufgabenbereichs der Kuratorin zu setzen. Das Steuerungsorgan setzt sich zusammen aus einem Abgeordneten des Baudepartements der Stadt Baden, dem Rektor der Berufsfachschule BBB, zwei Mitgliedern des Departements Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau sowie externen Kuratorinnen. Im Gespräch mit der Steuergruppe richteten wir den Fokus auf die ursprüngliche Motivation, die finanziellen Mittel für Kunst und Bau in immaterielle Kunst zu investieren. Wir fragten nach, welchen Mehrwert sich die Steuergruppe vom Kunstlehrstuhl-Projekt verspricht – sowohl für die Berufslernenden als auch für die Schule.


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Schulleitung Die zweite Befragung führten wir mit der Schulleitung im Rahmen ihrer jährlichen Retraite im Frühjahr 2015 durch. Hier interessierten wir uns primär dafür, welchen Wert die Schulleitung der Kunst im Allgemeinen beimisst, und woran sie Unterschiede zwischen einer künstlerischen und einer pädagogischen Vermittlung festmacht.

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Lehrpersonen Unser dritter Interventionsort war die Lehrerinnen- und Lehrerkonferenz. Wir erweiterten diese um ein gemeinsames Mittagessen, während dem wir die Befragung durchführten. Rückblickend können wir sagen, dass dieser Austausch mit den Lehrpersonen für uns besonders aufschlussreich war. Der Lehrkörper steht hierarchisch zwischen der Schulleitung und der Schülerschaft und muss für die Projekte des Kunstlehrstuhls einen Teil des allgemeinbildenden Unterrichts zur Verfügung stellen. Bei der Befragung legten wir unseren Fokus auf die Funktion des künstlerischen Vermittlungsangebots. Welche Auswirkungen hat dieses auf den Unterricht? Welche Rollen können und sollen die Lehrpersonen und die Kuratorin/Vermittlerin in der Auseinandersetzung der Lernenden mit Kunst einnehmen?

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Berufslernende Auch die Lernenden wurden befragt. 2013 war das Künstlerinnenduo Eva Paulitsch und Uta Weyrich mit einem Projekt über jugendliche Handyfilme und Alltagswelten am Kunstlehrstuhl zu Gast. Im Rahmen dieses Projektes führte der Kunstlehrstuhl gemeinsam mit der Kunstvermittlerin und Lehrerin Nora Steimann eine Befragung bei fünfzig Berufslernenden durch und lud sie ein, ihre Vorstellungen der Arbeit von Kunstschaffenden in Relation zu ihrer eigenen Arbeit zu reflektieren.

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Kunstschaffende Mit sämtlichen zwischen 2011 und 2015 vom Kunstlehrstuhl eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern standen wir während der ganzen Projektphase in engem Austausch. In zahlreichen Gesprächen diskutierten wir die Chancen und Schwierigkeiten der jeweiligen künstlerischen Projekte an der Berufsfach schule zeitnah. Diese Einsichten sind ebenfalls in unsere Standortbestimmung eingeflossen. Die Rückmeldungen zum Projekt fielen erstaunlich heterogen und teilweise auch widersprüchlich aus: sowohl innerhalb der befragten Gruppen als auch innerhalb der Aussagen einzelner Personen. Die Gespräche eröffneten aber auch überraschende Einsichten und brachten Schwierigkeiten zum Vorschein, die einem Projekt zugrunde liegen, das Kunst in einer Schule einbringen soll, an der kaum Raum für künstlerische Auseinandersetzungen und Vermittlung vorgesehen ist. Uns wurde auch deutlich, dass die Erfahrungswerte selbst nach vier Jahren noch klein sind und die Meinungen der einzelnen Teilnehmenden zu diesem Projekt noch nicht gefestigt sind. Nach einer sorgfältigen Sichtung des Materials haben wir folgende zentrale Themenfelder als Kategorien herausgearbeitet, die wir nachfolgend in loser Form kommentieren:

A

Die Rollen der Akteure

B

Das Kunstverständnis

C

Die Kommunikation

D

Die Nachhaltigkeit

E

Die Wissensvermittlung Wir glauben, dass diese Themen für künftige schulische Projekte an der Schnittstelle von Vermittlung, Kunst und Bildung relevant sind.


A

Die Akteure und ihre Rollen Oder: Wer bin ich hier?

Eine zentrale Erkenntnis aus den Gesprächen ist für uns, dass die klassischen, eingespielten Rollen der Akteure innerhalb des Projektes Kunstlehrstuhl neu verhandelt und gestaltet werden müssen. Kaum jemand findet sich in seiner ursprünglichen Rolle und in seinem gewohnten Arbeitsablauf wieder: Kunstschaffende nehmen die Rolle von Lehrpersonen ein, Berufslernende sind plötzlich selbst Kunstschaffende, und die Lehrpersonen wiederum werden auf die Position der Lernenden verwiesen. So finden auf mehreren Ebenen inhaltliche und organisatorische Verschiebungen statt. Ganz besonders gefordert sind dabei die Lehrpersonen und die Kunstschaffenden: Das Zusammentreffen von Schule und Kunst bringt ihre angestammten Rollen und Vermittlungspositionen ins Wanken.

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A 1

Lehrpersonen Aus Sicht der Schulleitung sollen die Lehrpersonen im Projekt Kunstlehrstuhl BBB ganz klar als Bindeglied zwischen den Kunstschaffenden und den Berufslernenden eine vermittelnde Rolle einnehmen. Sie sollen ihren Schülerinnen und Schülern die Kunst der Künstlerinnen und Künstler näherbringen. Dem nach braucht es aus Sicht der Schulleitung gut informierte Lehrpersonen, die sich auf die Kunstprojekte einlassen und den Lernenden den Zugang zur zeitgenössischen Kunst erleichtern. Die Schulleitung ist gegebenenfalls bereit, die Lehrpersonen hierfür mit angeordneten Weiterbildungen zu stärken.1 Für die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler bleibt die Rolle der Lehrpersonen unklar. Die meisten wünschen sich, dass sie die Berufslernenden direkt und nicht über die Lehrperson ansprechen könnten. Ein grundsätzliches Problem sehen die Kunstschaffenden darin, dass durch die Anwesenheit der Lehrperson – quasi als schulische Autorität – die künstlerischen Projekte zu sehr Teil des Unterrichts bleiben und dadurch von den Lernenden im besten Fall als willkommene Abwechslung zum Schulalltag wahrgenommen werden. Der Künstler Søren Berner reagierte auf diese Schwierigkeit, indem er Lehrpersonen konsequent aus der Projektarbeit mit den Schülerinnen und Schülern ausgeschlossen hatte. Für sein Audioporträt der Schule war es ihm wichtig, eine Situation zu kreieren, in der sich die Berufslernenden möglichst ungehemmt und auch kritisch gegenüber der Schule und dem Unterricht äussern konnten. Die Lehrpersonen selbst tun sich mit ihrer «Rollenlosigkeit» schwer. Es verunsichert sie, sich in den Kunstlehrstuhl-Projekten auf unbekanntem Terrain zu bewegen. Entweder fühlen sie sich vom Kunstprojekt (im Fokus steht vor allem Luc Mattenbergers Zeitlücke) nicht angesprochen und haben deshalb keine Lust, ihre Unterrichtszeit dafür einzusetzen. Oder sie fühlen sich nicht kompetent genug oder sogar machtlos, die Themen selbstständig zu behandeln. Das Bedürfnis der Lehrpersonen, Fragen von Schülerinnen und Schülern beantworten zu können,


also ein angemessenes (Vor-)Wissen über zeitgenössische Kunst zu haben, ist bei allen befragten Lehrpersonen gross. Auch sie erwähnen häufig das Thema einer entsprechenden Weiterbildung. Einsichten

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Welche Rolle übernehmen Lehrkräfte, wenn eine externe Person, wie beispielsweise eine Kuratorin oder Kunstschaffende, neue Takte vorgibt und sich innerhalb des gewohnten Systems andere Denk- und Handlungsräume auftun? Was geschieht, wenn die Lehrpersonen die Kunstprojekte anders bewerten als es die Kunstschaffenden tun? Wir sind der Ansicht, dass die Rolle der Lehrperson im Projekt oft unterschätzt wird oder gar vergessen geht. Wir erachten es als wichtig, ihre Rolle künftig frühzeitig zu diskutieren, selbst wenn den Lehrpersonen innerhalb eines Projektes keine konkrete Aufgabe zufällt. Mögliche Rollen reichen von einem bewussten Ausschlies​sen bis hin zu einer gemeinsamen Projektentwicklung, in der die Lehrperson als Partner aktiv mitgestalten kann.


A 2

Künstlerinnen und Künstler Sowohl die Schulleitung als auch die Steuergruppe wünschen sich für das Projekt Kunstlehrstuhl Kunstschaffende, die einen pädagogisch-didaktischen Ansatz verfolgen oder zumindest ein genuines Interesse an der Kunstvermittlung haben. Sie bevorzugen Projekte, in denen die Berufslernenden direkt involviert sind und die sie mitgestalten können. Einige Lehrpersonen wünschen sich Kunstschaffende, die Projekte initiieren, die über einen längeren Zeitraum andauern, damit sich die Jugendlichen intensiver mit ihnen auseinandersetzen können. Von der Lehrerschaft wie von den Jugendlichen ist verschiedentlich der Vorwurf der Instrumentalisierung aufgetaucht. Sehr kritische Stimmen aus dem Lehrkörper zweifeln am ehrlichen Engagement der eingeladenen Künstlerinnen und Künstler und werfen ihnen sogar vor, den Kunstlehrstuhl als Plattform für die eigene künstlerische Selbstverwirklichung zu benutzen. Auch einzelne Schülerinnen und Schüler sind unglücklich mit der Rolle, die ihnen von den Kunstschaffenden zugewiesen wurde: «Wir mussten eigentlich nur das umsetzen, was die Künstler vorgedacht hatten», lautet ein Votum. Der Gefahr der Instrumentalisierung der Jugendlichen sind sich die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler bewusst. Christian Ratti hätte deshalb den Lernenden gerne mehr Handlungsspielraum eingeräumt. Seine Erwartung, sie für eine aktive Mitarbeit und Mitgestaltung begeistern zu können, war aus seiner Sicht jedoch zu hoch. Auch das Künstlerduo Interpixel hat gemäss eigenen Aussagen die Wirkung unterschätzt, die die strenge Struktur der Unterrichtsstunden auf ihr künstlerisches Handeln hatte. So hatten sie sich zeitweise unverhofft in der Lehrerrolle wiedergefunden und musste die Jugendlichen mittels disziplinarischer Massnahmen zum Mitmachen verpflichten. Es empfiehlt, die Idee, künstlerische Projekte im Pflichtunterricht stattfinden zu lassen, noch einmal zu überdenken und die Möglichkeit zu prüfen, den Lernenden mehr Wahlmöglichkeiten zu lassen oder die Teilnahme freiwillig zu halten.


Der Künstler San Keller betont, dass es ihm «mit jedem Projekt auch darum gehe, die eigene künstlerische Praxis weiterzuentwickeln.» In Baden schnitt er Schülerinnen und Schülern aus verschiedenen Berufen die Haare und verwickelte sie dabei in ein Gespräch über den Künstlerberuf. Damit stellte er seine eigene Rolle als Künstler zur Disposition und forderte im Gegenzug die Jugendlichen auf, ihre eigene berufliche Tätigkeit zu reflektieren. Einsichten

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Die Rollenfindung ist auch für die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler eine Herausforderung. Sie müssen ihre Rolle in jedem Projekt neu definieren und aushandeln, was eine Gratwanderung bleibt. Das heisst, dass sie einerseits die eigene künstlerische Position behaupten und andererseits eine auf die Schule ausgerichtete Dienstleistungshaltung einnehmen müssen. Wir fragen uns: Handelt es sich dabei tatsächlich um eine gegensätzliche Herangehensweise? Warum ist die Schule als Handlungsfeld für Kunstschaffende eine derartige Herausforderung, und umgekehrt: Weshalb provoziert eine dezidierte künstlerische Haltung den Lehrbetrieb? Der Kunstlehrstuhl BBB hat gemäss Steuergruppe den Auftrag, «... ein zusätzliches Bildungsangebot mittels Kunst bereitzustellen.» Ist es letztlich den Kunstschaffenden überlassen, ob und wie sie ihre Dienstleistungsrolle definieren? In wessen Dienst stellt sie oder er sich? Und wie? Emanzipatorisch im Sinne der Ausbildung eines mündigen Lernenden oder bekräftigend im Sinne der Bildungsinstitution und ihrer Lehrziele? In welchem Feld reklamiert der Künstler oder die Künstlerin seine/ ihre Forderungen und ihren Wirkungsanspruch? Und muss sie oder er sich überhaupt zwischen Schul- und Kunstkontext entscheiden? All diese Fragen bedürfen einer bewussten Thematisierung und bedingen eine transparente Kommunikation. Hier kommt der Rolle der Kuratorin eine für sie neue Bedeutung zu.


A 3

Kuratorin Für Steuergruppe und Schulleitung stehen vor allem die kommunikativen und vermittelnden Fähigkeiten der Kuratorin im Vordergrund. Sie erwarten von ihr, dass sie den Lernenden Zugang zur zeitgenössischen Kunst ermöglicht und sie mit «ausserordentlichen» Kunstschaffenden zusammenbringt. Für die Lehrpersonen ist eine umfassende und frühzeitige Information durch die Kuratorin eine Voraussetzung, um sich selber aktiv am Kunstlehrstuhl beteiligen zu können. So könnten Kuratorin und Lehrpersonen gemeinsam als Akteure mit einem Wissensvorsprung agieren. In den Diskussionen mit den Kunstschaffenden wird mehrmals die unklare Rolle der Kuratorin angesprochen. Einige hätten sich eine radikalere Haltung gewünscht und fordern eine experimentellere Auslegung ihrer Vermittlungsrolle oder wünschten, auch ausserhalb der Schulstrukturen intervenieren zu können. Diese unterschiedlichen Erwartungen sowohl von Schul- als auch von Künstlerseite haben die Kuratorin und das Projektteam in Bezug auf die eigene Rolle verunsichert. Was bedeutet es, innerhalb einer nicht auf Kunst ausgerichteten Institution eine kritische kuratorische Haltung einzunehmen? Wie lassen sich Schulstrukturen unterwandern? Meint eine radikale Haltung eine Haltung, die nicht ausschliesslich auf Kooperation ausgerichtet ist? Inwiefern hat das Projekt Kunstlehrstuhl Subversionspotenzial? Die Suche nach einer eindeutigen Rolle im Projekt verschiebt sich während der vier Jahre immer wieder und bleibt bis zuletzt unbeantwortet. Nach Antworten sucht die Kuratorin mittels einer möglichst heterogenen Programmierung. Ihre Aufgabe sieht sie darin, den Pilotcharakter des Kunstlehrstuhls zu nutzen, um möglichst unterschiedliche Formate zu testen und so Erfahrungen zu sammeln hinsichtlich der Wirkung, die Kunst und künstlerische Bildung auf den Kontext einer Berufsschule haben können. Diese Erkenntnisse können in die Weiterbildung der Lehrpersonen einfliessen und den Bildungs-, Kunst- und Vermittlungsdiskurs mitprägen und transformieren.


Einsichten

Die bewusste Entscheidung, die Stelle der Projektleiterin als diejenige einer Kuratorin zu definieren, ist aus unserer Sicht zu reflektieren. Als Kuratorin wird ihr ganz klar eine Rolle zugewiesen, die es im schulischen Kontext so nicht gibt. Dies birgt Chancen, aber auch Risiken, und beeinflusst die Wahrnehmung aller Beteiligten. Bereits die Bezeichnung «Kuratorin» weckt bestimmte Erwartungen, insbesondere bei den Kunstschaffenden. In erster Linie verantwortet eine Kuratorin in der Regel die Auswahl der Kunstprojekte, sprich der Kunstschaffenden. Sie setzt so inhaltliche Schwerpunkte und begleitet die Entwicklung der Projekte und Aktionen. Im Projekt Kunstlehrstuhl steht sie jedoch zwischen vielen Beteiligten mit unterschiedlichen Forderungen und Bedürfnissen. Sie muss ihre Rolle zwischen künstlerischem und pädagogischem Schaffen definieren und zugleich eine eigene Praxis innerhalb dieser Felder entwickeln. Wir glauben, dass gerade in dieser Reibung und Aushandlung der Rollen ein Potenzial steckt, das eine ungleich grössere Wirkung erzielen kann, als es eine strenge Rollenverteilung ermöglichen würde. Wenn der Kunstlehrstuhl in erster Linie ein auf die Lernenden ausgerichtetes Kunstangebot bereitstellen soll, wie es in den Diskussionen oft betont wurde, so ist die Frage «Wer bin ich hier?» aus unserer Sicht wertvoll. Sie bringt Bewegung ins System und nötigt die Akteure, ihre eigene Position – auch im Schulalltag – zu hinterfragen sowie eigene Perspektiven und Rollen neu zu verhandeln. Die sorgfältige Auswahl der Kunstschaffenden ist zudem zentral. Haben auch sie Lust am Rollenspiel, an der Verunsicherung, am Experiment und sogar am Scheitern, schafft dies die nötige Voraussetzung für eine gelungene künstlerische Intervention.

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B Kunstverständnis und Institution Oder: Was muss Kunst?

Wovon gehen wir aus, wenn wir von Kunst reden? Während vier Jahren ist dies eine der Kernfragen, die im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Kunstlehrstuhls immer wieder diskutiert wird. Die Befragungen zeigen, dass das Kunst- und Werkverständnis an der Berufsfachschule BBB tendenziell traditionell ist. Kunst wird mit einem materialisierten Werk gleichgesetzt, also mit einem Produkt und nicht mit einer Intervention oder einer Performance. Ferner wird Kunst oft als etwas beschrieben, das dem Alltag entgegensteht und somit auch anderen Bewertungskriterien unterliegt. Die Steuergruppe erhofft sich, dass die Lernenden infolge der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst ganz allgemein eine Horizonterweiterung erfahren. Die Beschäftigung mit Kunst soll den Schülerinnen und Schülern eine «neue Sicht auf die Dinge» ermöglichen und sie über den schulischen Rahmen hinaus für «Kunst begeistern». Auch die Schulleitung glaubt an das Potenzial von Kunst, um die «Fesseln des Alltags» zu sprengen. Die Lehrpersonen wiederum sehen die Aktionen des Kunstlehrstuhls als einmalige Chance für die Schülerinnen


und Schüler, überhaupt mit zeitgenössischer Kunst in Berührung zu kommen und etwas über die Intentionen und auch über den Beruf des Künstlers und der Künstlerin zu erfahren. Von daher erachten sie Hintergrundinformationen zu den künstlerischen Interventionen als besonders wichtig. Für die Steuergruppe, die Schulleitung und die Lehrpersonen überwiegt das Interesse, den Schülerinnen und Schülern einen niederschwelligen Zugang zu zeitgenössischer Kunst zu ermöglichen. Sie alle plädieren für eine adäquate Vermittlung und meinen damit auch eine Erläuterung der Projekte und Aktionen. Insbesondere die Schulleitung bringt das Bildungs niveau der Lernenden mit ihrem potenziellen Kunstverständnis in Verbindung. Schulleitung und Lehrerschaft teilen die Sorge, dass sich ein fehlendes Verständnis für die Kunstwerke kontraproduktiv auf das allgemeine Kunstinteresse der Schülerinnen und Schüler auswirken könnte. Ganz anders die Einschätzung der Berufslernenden: In der direkten Befragung sehen sie mehrheitlich keinen Sinn darin, sich im Rahmen ihrer Ausbildung mit Kunst auseinanderzusetzen und sie erleben die Kunstprojekte des Kunstlehrstuhls in erster Linie als eine willkommene Abwechslung im regulären Schulunterricht. In den Klassengesprächen jedoch zeigt sich ein differenzierteres Bild. Ihr Kunstverständnis ist durchaus ein vielschichtiges und sie interessieren sich für die Begegnungen mit Kunstschaffenden und deren unkonventionellen Ideen. Ihr Interesse scheint dann am grössten, wenn der Unterschied zum eigenen Beruf entweder sehr gross (die Kunstschaffenden als das/der Andere, Kreative, Verrückte) oder aber sehr klein ist und so ein Austausch auf Augenhöhe stattfinden kann (die Künstler als Motor/Enthusiasten/Interessierte). Einige beschreiben Kunst mit Kreativität, mit Produktion ungewöhnlicher Ideen und dem Schaffen von etwas Einzigartigem. Kunst kann in ihren Augen alles sein, und alles hat das Potenzial, zu Kunst zu werden. Für andere reichen Kreativität und Einzigartigkeit nicht aus, um etwas zu Kunst werden zu lassen. Für sie muss Kunst als das Andere, das nicht Alltägliche und nicht Technische erkennbar sein, um als solche bezeichnet werden zu können. 018


Einsichten

Diskussionen über Wert und Wirkungsmacht von Kunst sind immer komplex. Entsprechend widersprüchlich gestalten sich die Aussagen der einzelnen Befragten: Einerseits wünschen sich Lehrpersonen und Schulleitung, dass Kunst zum (Um)denken anregt, andererseits möchten sie den Schülerinnen und Schülern einen unmittelbaren Zugang zur Kunst ermöglichen. Eine Kunstaktion ist für sie erst dann gelungen, wenn die Berufslernenden diese Aktion verstanden haben. Letztlich bedeutet das, dass sie das Interesse für Kunst eher durch eine didaktisch-pädagogische Herangehensweise als durch die Begegnung mit Kunst und der individuellen Interpretation der Lernenden wecken möchten. Sie wollen mit Kunst zwar den Schulalltag durchbrechen, sie jedoch am liebsten als Schulfach integrieren und pädagogisch vermitteln, wie dies etwa an einer Mittelschule geschieht. Kunst soll zwar Emotionen hervorrufen, doch möglichst keinen Ärger oder gar Ablehnung erzeugen. Einerseits wird gesagt, dass auch Ingenieure kreativ seien und als Künstler bezeichnet werden können, andererseits wird beklagt, dass die meist in technischen Berufen angesie delten Berufslernenden per se keinen Zugang zur Kunst hätten. Den Aussagen gemeinsam ist – ähnlich bei der Diskussion um die Rollen im Projekt –, dass Schulleitung und Lehrpersonen fast ausnahmslos für eine adäquate Vermittlung der Kunstprojekte plädieren. Was damit genau gemeint ist, wird jedoch nicht konkretisiert. Auch die Schülerinnen und Schüler äussern sich widersprüchlich. Einerseits empfinden sie eine Diskrepanz zwischen ihrer beruflichen Ausbildung und dem künstlerischen Schaffen. Andererseits erkennen einzelne auch in ihrer eigenen Tätigkeit eine Nähe zum Künstlerischen, wodurch sie sich von den Projekten angesprochen fühlen. Aus unserer Sicht ist bereits dieses Aushandeln der Aufgabe von Kunst über das «schön sein» oder «interessant sein» hinaus ein wünschenswerter Effekt. Diese Auseinandersetzung hinterlässt Spuren und birgt Potenzial für inhaltliche Diskussionen.


Zeitgenössische Kunst hinterfragt das Gewohnte und beleuchtet etablierte Systeme und Kulturen kritisch. Wir denken, dass genau in solchen Diskussionen das Bewusstsein der Teilnehmenden dafür geschärft wird und sich so ein zeitgenössischer Kunstbegriff etablieren kann, der über das klassische, materialisierte Kunstwerk hinausgeht. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Kunstbegriff eröffnet der Kunst neue Handlungsspielräume. Nicht die Erkenntnis steht im Mittelpunkt, sondern das Tun.

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C

Kommunikation und Information Oder: Wen interessierts?

Eine grosse Herausforderung im Projekt Kunstlehrstuhl BBB ist die Kommunikation. Ein direktes Kommunizieren wird insbe sondere durch die starre Schulstruktur und die kurzen Präsenzzeiten der Lernenden erschwert, die berufsbegleitend nur ein bis zwei Tage pro Woche an der Schule sind. Nebst dem Informationsfluss innerhalb der Schule stellt sich auch die Frage, ob und wie die Kunstlehrstuhl-Aktivitäten nach innen und aussen bekannt gemacht oder sogar vermarktet werden sollen. In der schulinternen Kommunikation geht es in erster Linie darum, alle beteiligten Lehrpersonen und Lernenden der Berufsfachschule BBB zu erreichen und sie darüber zu informieren, wann welche Projekte vor Ort stattfinden. Da der Kunstlehrstuhl nur partiell Zugriff auf die persönlichen Daten und Mailadressen der Schülerinnen und Schüler hat, verlaufen die Informationskanäle über die Schulleitung oder die Lehrpersonen, was den Kommunikationsprozess aufwendig und schwerfällig macht. Nebst dieser Informationsvermittlung kommuniziert der Kunstlehrstuhl auch durch seine visuelle Präsenz und transportiert dadurch Inhalte. Zu dieser «gestalteten Kommunikation» gehören


sowohl die inhaltliche Programmierung, die einzelnen Projekte, der Pavillon und die Gestaltung von Kommunikationsmitteln (Homepage, Flyer, Plakate, Newsletter etc.). Die schulexterne Kommunikation liegt hauptsächlich im Interesse der Steuergruppe und der Schulleitung. Sie möchten den unkonventionellen Ansatz, mit einem Kunst-und-Bau-Kredit partizipative Projekte zu fördern, in besonderem Masse betonen. Sowohl die Berufsfachschule BBB als auch die Stadt Baden erachten die Imageförderung als wichtigen Nebeneffekt des Kunstlehrstuhl-Projektes. Man hofft, in der Bildungslandschaft eine Vorreiterrolle einnehmen und künftig die gesammelten Erfahrungen anderen Bildungsstätten weitergeben zu können. Die Kommunikation nach aussen liegt auch im Fokus der Kuratorin und der Kunstschaffenden. Kunst-und-Bau-Projekte werden oft als wenig innovative Auftragskunst bewertet und in der Öffentlichkeit in erster Linie als Fördermassnahme für Kunstschaffende oder als dekorative Aufwertung eines Bauwerks wahrgenommen. Die Projektanlage des Kunstlehrstuhls hält der Haltung, dass es sich dabei nicht um gesellschaftlich relevante Beiträge zeitgenössischer Kunst handle, etwas entgegen. Die partizipativen Projekte des Kunstlehrstuhls sind Teil eines aktuellen Kunstdiskurses, der einerseits mögliche Verbindungen von Kunst und Bildung auslotet und andererseits das Kuratieren und Vermitteln als sich überschneidende Tätigkeiten exploriert. Die überregionale Ausstrahlung des Kunstlehrstuhl-Projektes soll die Diskussion über alternative Verwendung öffentlicher Gelder für Kunst und Bau – speziell in Bildungsinstitutionen – fördern. Einsichten

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Anders als bei herkömmlicheren Kunst-und-Bau-Werken findet Kunst im Kunstlehrstuhl-Projekt als kommunikativer Akt statt und verlangt nicht zwangsläufig nach einer Materialisierung. Im Spielraum zwischen temporärer und permanenter Sichtbarkeit der Kunst liegt das grosse Potenzial dieses Pilotprojektes. Im Vordergrund steht nicht die Kommunikation der Kunst mit der Architektur, sondern die Kommunikation mit den Menschen vor Ort,


mit der Institution. Regelmässige Veranstaltungen, Vernissagen und öffentliche Treffen an der Schule richten sich sowohl an die Lehrpersonen und die Jugendlichen als auch an ein kunstinteressiertes externes Publikum. So entsteht die Möglichkeit, die Idee des Kunstlehrstuhls weiter zu verbreiten und eine überregionale Öffentlich keit zu erreichen.


D

Wissen und Bildung Oder: Wie wird Wissen produziert?

Die Diskussion zwischen Vermittlung versus Produktion von «künstlerischem Wissen» im Rahmen des Kunstlehrstuhl-Projektes ist ein Spannungsfaktor, der im Vermittlungsdiskurs bekannt ist. Nicht zuletzt aufgrund der unscharfen Rollenverteilung bleibt offen, wer letztlich für die Vermittlung von inhaltlichen Elementen zuständig ist, in welcher Form dies geschehen und welcher pädagogische Ansatz angewendet werden soll. Lehrpersonen und Schulleitung orientieren sich gemeinhin am klassischen Lehrer-Schüler-Bild, bei dem die Lehrpersonen Vorgaben und Strukturen wie Lernziele oder Lehrmittel berücksichtigen, den Unterricht planen, ihre Vermittlungsmethoden entwickeln und über das nötige Fachwissen im zu vermittelnden Stoff verfügen. In diesem Bild werden die Lernenden zwar aktiv in den Unterricht miteinbezogen, doch gilt es in erster Linie, ihnen neues Wissen zu vermitteln. Die Kunstschaffenden hingegen tun sich schwer mit dieser Form von pädagogischem Unterricht und einer Vermittlung, in der die Schülerinnen und Schüler mit konkretem Wissen «gefüttert» werden. Die bisherigen Kunstprojekte des Kunstlehrstuhls BBB störten den gewohnten Schulbetrieb verschiedentlich, wodurch wiederholt Rei024


bungsflächen in Bezug auf Wissen und Wissensvorsprung entstanden. So beorderte beispielsweise San Keller Schülerinnen und Schüler aus dem Unterricht heraus in den Kunstlehrstuhl, um ihnen einen neuen Haarschnitt zu verpassen. Er fordert damit das Verständnis von Professionalität und Dilettantismus heraus. Der Künstler zog einen offenen Prozessausgang mit der Möglichkeit des Scheiterns in Betracht. Auf diese Weise lehnt er die Position des Wissenden bewusst ab und begab sich in die Rolle des Forschenden. Einsichten

Wenn Kunst Wissen schaffen soll, so tut sie dies nicht im Sinne eines reproduzierbaren Wissens, sondern vielmehr im Sinne von Wissen um eine Vielfalt von Möglichkeiten. Oder anders gesagt: Kunst kann ein Möglichkeitswissen produzieren. Eine solche Wissenserweiterung kann aber für den Berufsalltag von Jugendlichen, die in einer Zeit aufwachsen, in der die Kurzfristigkeit temporärer Projekte und die Selbstverwirklichung dominante Merkmale sind, bestimmt sehr nützlich sein. Starre Perspektiven erschweren eine inhaltliche und strukturelle Entwicklung. Künstlerische Interventionen können eine Kultur der Offenheit und des Perspektivenwechsels ermöglichen. In allen Berufsfeldern sind Fähigkeiten, wie sich überraschen zu lassen, affektiv zu reagieren, andere Sichtweisen einzunehmen oder auch Hierarchien zu überdenken, wichtige Strategien, um Innovationen und Erkenntnisse zu ermöglichen. Betrachtet man also Wissensproduktion in einem künstlerischen Sinn, kann diese zu individuellen Erkenntnissen führen, die den eigenen Weg bereichern, hinterfragen oder dazu anregen, einen anderen Weg auszuprobieren. Wir sind zudem der Meinung, dass künstlerische Bildung nicht allein auf das Individuum abzielen soll, wie es die humanistische Vorstellung von Bildung vorsieht. Vielmehr erachten wir «künstlerische Bildung» als einen Austausch, der zwischen Menschen stattfindet und somit eine soziale Praxis ist, die Wissen gemeinsam hervorbringt.


E

Nachhaltigkeit und Wirkung Oder: Ist das Morgen noch wichtig?

Spricht man in der Bildung und in der Kunst von Nachhaltigkeit, bleibt die Frage nach der Überprüfbarkeit des Wertes eines künstlerischen Projektes immer unbeantwortet: für die einzelnen Schülerinnen und Schüler, für die Institution und für andere Rezipienten. In diesen Bereichen ist es nicht möglich, die Wirkung exakt zu messen. Schulleitung und Lehrerschaft erhoffen sich, dass die Lernenden durch die künstlerischen Projekte an der Berufsfachschule BBB eine Horizonterweiterung erfahren und «neue Grenzen ausloten können». Die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst soll die Schülerinnen und Schüler in ihrer Entwicklung fördern und sie gegenüber Kunst offen stimmen. Sowohl die Schulleitung als auch die Lehrpersonen gehen jedoch davon aus, dass dieses Ziel nur bei einzelnen Lernenden erreicht werden kann. Fragt man die Künstlerinnen und Künstler nach ihrem Wirkungsanspruch innerhalb des Projektes, äussern auch sie sich kritisch gegenüber der Messbarkeit und der qualitativen Bewertung. Wirkung worauf oder auf wen? Auf die Stadt, die Berufslernenden, die Verantwortlichen der Berufsfachschule oder gar auf 026


die Kulturpolitik? Das Künstlerduo Interpixel beispielsweise äussert sich grundsätzlich kritisch gegenüber einer «geplanten Wirkung» von Kunst. Es plädiert für die Zweckfreiheit der Kunst, was bei einer beabsichtigten Wirkung auf Rezipienten nicht gewährleistet sei. Der Grafiker und Künstler Eric Andersen hatte die Erwartung, mit seiner Arbeit in der Druckwerkstatt die Jugendlichen politisch «aufzuwecken», was ihm, wie er meint, zumindest in persönlichen Gesprächen ausserhalb des Unterrichts teilweise gelungen sei. Die Schülerinnen und Schüler hingegen schätzen an der Zusammenarbeit mit Eric Andersen ganz besonders, dass sie Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers erhalten und vor allem mehr über den Druckprozess erfahren haben. Fast alle betonen, dass es ihnen Spass gemacht habe, «mal etwas selber machen zu können». Einsichten

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Uns ist es ein Anliegen, dass diesem «Gastspiel der Kunst» an der Berufsfachschule in Baden weiterhin offen begegnet wird. Nicht genau zu wissen, was kommen wird und wohin es führen mag, ist ein charakteristischer Kern der Kunst im Allgemeinen und dieser Pilotanlage im Speziellen. So darf etwas immer auch nur möglich sein, im Sinne von «vielleicht». Der Kuratorin und dem Projektteam geht es dabei vor allem darum, die Neugier der Schülerinnen und Schüler zu wecken. Dabei haben das Ausprobieren und auch das Scheitern einen ebenso grossen Wert wie das Können und eine Reihe von Erfolgserlebnissen. Es geht uns vorrangig darum, mittels der Kunstprojekte Situationen zu schaffen, in denen die Jugendlichen erfahren, was es bedeutet, Fragen stellen zu können und sich diese gegenseitig wie auch für sich allein zu beantworten. Immer im Wissen darum, dass sie morgen die gleichen Fragen vielleicht ganz anders beantworten werden. Die in das Projekt Kunstlehrstuhl involvierten Lehrpersonen an der Berufsfachschule BBB sind mit wenigen Ausnahmen Allgemeinbildungslehrerinnen und -lehrer, die gemäss Lehrplan auch «Kunst» vermitteln.


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Nadja Baldini ist Kunsthistorikerin und lebt und arbeitet als freie Kuratorin in Zürich. Sie ist Mitbegründerin verschiedener unabhängiger Kunsträume und war von 2011–2015 verantwortlich für den Aufbau des Kunstlehrstuhls an der Berufsfachschule BBB . Aktuell arbeitet sie an verschiedenen Projekten an der Schnittstelle zwischen Kunst, Bildung und Vermittlung. Stefan Schibli arbeitete zehn Jahre als Sekundarschullehrer. Seit 2000 lehrt er an der Berufsfachschule BBB als Berufsfachschullehrer allgemeinbildenden Unterricht. Von 2011–2015 leitete er zusammen mit Nadja Baldini und seit 2015 mit Sanja Lukanovic den Kunstlehrstuhl BBB . Denise Widler ist Kunstvermittlerin und Lehrerin für Bildnerisches Gestalten in Basel. Sie studierte Art Education an der Zürcher Hochschule der Künste und war als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Departement Kulturanalysen und Vermittlung (ZHdK) tätig. Aktuell ist sie in verschiedenen Vermittlungsprojekten im Kultur- und Spitalbereich engagiert und arbeitet seit 2016 im Team der Bäckerei Kult.

Autor/innen: Nadja Baldini, Stefan Schibli, Denise Widler Redaktion/Lektorat: Luzia Davi/Die Wörterei, Zürich Janine Widler/Hej GmbH, Zürich Gestaltung : Huber/Sterzinger, Zürich & Martin Andereggen, Zürich Mit freundlicher Unterstützung von: Berufsfachschule BBB , Baden Stadt Baden ..... ??? ((Nadja klärt ab, wie in Publikationsimpressum)) © Berufsfachschule BBB Baden/Schweiz 2017

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