Faber Magazin Ausgabe Zwei

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Online Dating? von Anne Dreesbach

FOTOGRAFIE P IA S I M O N

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Neulich war ich in Passau. An einem dieser ganz heißen Tage im Sommer. Alles in der Stadt war leise und langsam, aber Touristen wie Einheimische hatten gute Laune. Zwei oder drei Kreuzfahrtschiffe lagen am Dreiflüsseeck vor Anker, die Einheimischen genossen ihre Mittagspause auf den Bänken unter den hohen, alten Bäumen an Donau und Inn oder unter Sonnenschirmen in den Straßencafés. Die Touristen drängten sich im Schatten der alten Mauern des Doms zusammen, um einer Führung über St. Stephan zu lauschen. Ich war im Altstadt Beisl und brachte den sehr jungen, schüchternen Kellner zum Lachen. Ich besichtigte den Dom und kam mit zwei älteren Damen aus Passau ins Gespräch. Ich plauderte ein wenig mit einer weiteren Dame, die gemeinsam mit ihrem Dackel einen Brief zum Briefkasten brachte. Dann war ich im Café Museum. Hier flirtete ich ein wenig mit dem sehr charmanten Kellner. Und dann hielt ein extrem cooler Typ in einem extra großen Auto vor dem Café und verstaute darin jede Menge Bierkästen. Den habe ich offensichtlich so begeistert angestrahlt, dass er mich einlud, am Abend noch auf ein Konzert zu kommen, was hier gegeben würde. Leider hatte ich keine Zeit. Warum ich das erzähle? Ganz einfach: Ich befinde mich auf einer Mission. Auf einer Mission für mehr Analoges im Leben. Ich habe mir geschworen, jeden Tag, den ich im öffentlichen Raum verbringe, mit mindestens drei Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich habe nämlich online satt. Facebook. Twitter. Instagram. E-Mails. Apps für jeden Belang des menschlichen Lebens. Dating Apps. Onlinedating. Echt jetzt?!? Das muss doch auch anders gehen! Der erste Freund meiner Mutter war jemand, der jeden Abend zufällig auf dem Fahrrad neben der Trambahn herfuhr, mit der meine Mutter von ihrer Ausbildungsstelle nach Hause fuhr. Eines Tages bog er nicht an der üblichen Stelle ab, sondern folgte der Trambahn bis zur Haltestelle, an der meine Mutter ausstieg … Mein Vater hat es seinerzeit geschafft, einer jungen Frau jeden Morgen von der Bushaltestelle, an welcher er wartete, derart charmant in ihren Opel Kadett hinein zuzulächeln, dass sie eines Tages anhielt und ihn fragte, ob sie ihn mitnehmen könnte. Später haben sich meine Eltern ganz klassisch bei der Arbeit kennengelernt und in zwei Jahren feiern sie ihren 50. Hochzeitstag. Die Leute haben sich früher also einfach so kennenge-

lernt? Das kann man ja zwischen tinder, Parship, Elite Partner und wie diese Apps und Onlineplattformen alle heißen gar nicht glauben. Es gibt ja sogar eine Dating App für Hunde: Twindog. Mit deren Hilfe kann man Freunde für seinen Hund oder für sich selbst finden. Ist das wirklich nötig? Reicht nicht ein Spaziergang in einem öffentlichen Park? Haben wir wirklich verlernt, mit den Menschen zu kommunizieren, die uns im richtigen Leben begegnen? Ich finde, damit sollte Schluss sein! Leute, schaut auf von euren Handys! Versteht endlich, dass ihr in einem Italienischkurs nicht nur Italienisch lernen und beim Töpfern mit und ohne Drehscheibe nicht nur hübsche Keramikgefäße herstellen könnt: Ihr könnt auch die Leute kennenlernen, die in eben diesen Kursen sitzen. Sei es für Beziehungen, sei es für Freundschaften, sei es einfach als skurrile Erlebnisse. Wenn man bedenkt, dass bei jedem Blind Date, das nicht in eine Beziehung mündet, negative Energien freigesetzt werden – denn einer der beiden muss ja sagen, ich mag dich nicht und der andere muss es entgegennehmen oder beide mögen sich nicht und beide sagen es, aber selbst eine Zurückweisung von einem Menschen, den man überhaupt nicht mag, ist und bleibt eine böse Zurückweisung – so muss man sich ja wundern, dass wir in Singlegroßstädten wie München noch nicht weggepustet werden von all den negativen Schwingungen, die sich hier dank Onlinedating ansammeln. Im echten Leben dagegen kann man sich einfach ein wenig aus dem Weg gehen, wenn man sich doch nicht sympathisch ist. Auf Partys entschuldigt man sich und holt sich etwas zu trinken. Kaum verletzend, zumal das Treffen ohne Prämisse stattfand. Ja, Onlinedating lässt sich leicht schönreden: Da lernt man viel mehr Menschen kennen als im echten Leben! Ich finde sonst niemanden! Ich lerne niemanden kennen! Ich bin 40, ich gehe nicht mehr in Discos: Wo soll ich noch jemand kennenlernen? Aber ist online wirklich die Lösung? Wollen wir alle die Liebesabenteuer ausklammern, in welchen sich Menschen in jemanden verliebt haben, den die Dating App auf jeden Fall aussortiert hätte? Weil er weder was Bildung noch finanziellen Status, noch Vorlieben betrifft zu einem passt? Oder weil uns in einer Zehntelsekunde sein Gesicht nicht gefällt? Haben wir vergessen, dass wir uns vor allen Dingen in Menschen verlieben, die eben anders sind als wir selbst? Wollen wir unseren Kindern wirklich erzählen, dass wir Abend für Abend auf dem Sofa lagen, Fotos von Menschen nach links und rechts gewischt haben, und uns dann auf den 100. Menschen eingelassen haben, ganz einfach, weil


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