Leseprobe sicher ist sicher

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75.Jahrgang

Jahrgang

ISSN

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4.April 2025, 9-16:30 Uhr, Berlin und online

Arbeitsschutzverantwortung auf Baustellen

Health,Safety& Environment(HSE)-Anforderungen

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Sonderpreis Abonnent/innenfürvon sicher ist sicher! Partner: Weitere Informationen und Anmeldung: www.ESV-Akademie.de/ArbeitsschutzBau ESV-A_ArbeitsS-Bau_Anzeige_210x160_sis_4c.indd 1 15.01.2024 11:25:03 TRBS 1116: Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung 59 Die Verwendung von Leitern und Tritten 67 Einhundert Jahre Beratung für Betriebssicherheit 79 In Kooperation mit:
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Wolfgang Keller, Richter am LSG Rheinland-Pfalz a. D.

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Arbeitsunfall und Berufskrankheit

Rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und Gerichte

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Liebe Leserinnen und Leser,

wie aus den nachfolgenden Fachbeiträgen deutlich wird: Der Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe der „sis“ ist der „Betriebssicherheit“ gewidmet, ein Begriff aus Zeiten, als noch von einem „technischen“ und von einem „sozialen“ Arbeitsschutz die Rede war. So wurde der § 120a Gewerbeordnung, bis zum Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes 1996 die Grundvorschrift des Arbeitsschutzes aus der Zeit des Norddeutschen Bundes bzw. des Kaiserreichs, 1978 mit der Überschrift „Betriebssicherheit“ versehen. In der Verkehrssicherheit ist dieser Begriff seit jeher gängig und auch aktuell1

Mit der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) aus dem Jahr 2002 kam der Begriff jedenfalls zu besonderen Ehren, was offensichtlich an dem ursprünglichen, umfassenden Konzept lag2 Ursprünglich deshalb, weil am Ende nicht das im Bundesgesetzblatt stand, was zuvor die Entwürfe der Bundesregierung enthielten – ein in der Rechtsetzung nicht ungewöhnlicher Vorgang. So entfiel insbesondere ein Anhang Nr. 6, der sich auf das damals hochaktuelle und umstrittene Thema „Arbeitsschutzmanagementsysteme“ bezog. Hauptziel der BetrSichV 2002 war es, „durch die Konzentration der Vorschriften in einer Rechtsverordnung … Bestimmungen des Unfallverhütungsrechts mit dem staatlichen Recht für Arbeitsmittel – einschließlich überwachungsbedürftiger Anlagen – in einer Vorschrift [zusammenzufassen]“.

Vorläufer eines wesentlichen Teils der BetrSichV 2002 war die Arbeitsmittelbenutzungsverordnung (AMBV) von 1997, welche eine entsprechende EWG-Richtlinie von 1989 umsetzte. Wie es sich derzeit abzeichnet ( Vorsicht: Das ist erfahrungsgemäß mit vielen Unwägbarkeiten verbunden; s. u.), wird es 2024 eine modifizierte Wiederkehr geben: Die Betriebssicherheitsverordnung wird wie vormals 1997–2002 zur AMBV.

Der Zwischenschritt dorthin war die Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung im Jahr 20153. Ohne Übertreibung kann die BetrSichV 2002/2015 allein aufgrund ihres umfassenden Anwendungsbereichs als – neben dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und dem organisatorisch flankierenden Gesetz zur Bestellung von Betriebsärzten, Sicherheitsingenieuren und anderen Fachkräften für Arbeitssicherheit (ASiG) – DIE staatliche Arbeitsschutzvorschrift bezeichnet werden: Arbeitsmittel werden ubiquitär den Beschäftigten zur Verwendung durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, ob für einen Arbeitsplatz in einer Arbeitsstätte einschließlich Telearbeitsplätzen i. S. der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) oder bei Tätigkeiten mit Arbeitsmitteln einschließlich

Bildschirmgeräten außerhalb von Arbeitsstätten. Und nicht nur das: Die BetrSichV 2015 lieferte zudem ein tatsächliches fachliches Update im Vergleich zur BetrSichV 2002. Stichworte: Arbeitssystembetrachtung, Belastungs-/Beanspruchungskonzept, Ergonomie, alters- und altersgerechte Gestaltung, Qualifizierung, Manipulationsprävention, Zusammenarbeit verschiedener Arbeitgeber usw. Dies wurde vom Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) vielfach konkretisiert.

Eine mögliche AMBV 2024, so der Stand der Vorbereitungen Mitte Januar, wird dieses Update potenziell bewahren und verbessern. Formaler Hintergrund ist eher das Thema der überwachungsbedürftigen Anlagen, die mit dem Überwachungsbedürftige Anlagengesetz (ÜAnlG) von 2021 endlich ein eindeutiges „Zuhause“ gefunden haben, was aber noch der Konkretisierung durch eine dazu gehörende Verordnung bei Herauslösung der entsprechenden Bestimmungen aus der bisherigen BetrSichV bedarf. Und diese –so der derzeitige Plan – soll zusammen mit der neuen AMBV im Bundesgesetzblatt verkündet werden.

Dass diese Verkündigung auch wirklich erfolgt und wie das Konzept am Ende tatsächlich gestaltet ist, ist keineswegs beschlossene Sache. Die Debatte um die überfällige Neufassung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV 2010) oder die ebenso überfällige Finalisierung einer ASR A6 „Bildschirm[– einschließlich Telearbeits-]plätze“ mahnt zur Vorsicht (s. o.). Unabhängig davon sind die Präventionsbestimmungen schon der geltenden BetrSichV ein echter Schatz, der für die betriebliche Praxis noch lange nicht vollständig gehoben ist. Leider gilt das nicht für die BetrSichV bzw. die künftige AMBV allein. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist oftmals sehr groß, was wiederum mit den Widersprüchen oder sogar Aporien zwischen Schutzmaßnahmen und dem sogenannten „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ zu tun hat, der keineswegs auf „Ausnahmefälle“ beschränkt ist, sondern vielmehr den Regelfall im Rahmen betriebswirtschaftlicher Logik darstellt. Ohne fachkundiges Engagement, versehen mit einer Prise Widerständigkeit und kritischer Reflexion, kommt das „Gute“ daher nicht zur Realisierung. Ein guter Vorsatz für 2024? Auch wenn dieses Editorial erst Anfang Februar von Ihnen gelesen werden kann: Alles Gute für Sie alle in diesem noch recht jungen neuen Jahr.

1 So lautet z.B. die Formel im DGUV Grundsatz 314-003 „Prüfung von Fahrzeugen auf Betriebssicherheit“ vom Januar 2023: Betriebssicherheit = Verkehrssicherheit + Arbeitssicherheit.

2 Die BetrSichV 2002 als Artikel 1 einer Artikelverordnung hatte die Überschrift: Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung bei der Arbeit, über Sicherheit beim Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen und über die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV)

3 Als Art. 1 einer Artikelverordnung (Überschrift: Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV)) mit dem Titel: „Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen“

Anregungen? Fragen? Kritik? Schreiben Sie mir! sis-schriftleitung@t-online.de

978350310785 02.24 sicher ist sicher | 53 EDITORIAL Wuppertal, 16.01.2024
Ralf Pieper, Chefredaktion
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AKTUELLES

Bei Hochwasser frühzeitig Strom abschalten 56 Internationale Standards für Arbeitsschutz in der Landwirtschaft 56 EU: Rat und Parlament erzielen Einigung zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte 56

BGHM: Forschen für den Arbeitsschutz 57

SICHERHEIT, ARBEIT & GESUNDHEIT

Martin Küppers Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung von Beschäftigten für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln – Die TRBS 1116 59

Manuel Weis Sicherer Umgang mit Teleskopstaplern 63

Thomas Jacob Die Verwendung von Leitern und Tritten 67

Volker Hielscher · Melanie Schmitt Netzwerke als Impulsgeber für Arbeitsgestaltung? 73

SICHERHEIT, GESUNDHEITSSCHUTZ & GESCHICHTE

Andreas Richter · Stefan Voß · Markus Wilhelm Einhundert Jahre Beratung für Betriebssicherheit 79

SICHERHEIT & RECHT

Thomas Wilrich Strafverfahren nach Unfall am Laborwalzwerk 83

Inhalt

Sebastian Felz Aktuelle Rechtsprechung

BSG, Urt. v. 05.12.2023, Az. B 2 U 10/21 R Elternbeirat eines Kindergartens bei Sägearbeiten für Weihnachtsbasar unfallversichert 89

LArbG Kiel, Urt. v. 12.07.2023, Az. 3 Sa 8/23 Außerordentliche Kündigung wegen fehlenden Nachweises der gesundheitlichen und psychologischen Eignung in einer Ausbildung zum Triebfahrzeugführer 89

AUS DEM NETZWERK BAuA­Mitteilungen

Blockchain-Technologie im Arbeitsschutz: Mögliche Anwendungsfelder und Bewertungskriterien 91

Tätigkeitsspielräume bei teilautomatisierten Produktionstätigkeiten am Beispiel der MenschRoboter-Interaktion 91

Smarte IKT und AR im Arbeitskontext 91

Handlungshilfe: Die Arbeit aus den Gedanken verbannen 91

Die Zukunft der ambulanten Pflege gestalten 92 Fachbereich PSA der DGUV Entwicklungen im Mittelfußschutz 93

WISSEN & QUALIFIZIERUNG

KomNet 96

Termine & Medien 97

SERVICE

Mitteilungen aus der Industrie 98 Vorschau / Impressum 100

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02.24

MARTIN KÜP PERS

Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung von Beschäftigten für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln – Die TRBS 1116

Die Ursachen für Arbeitsunfälle sind mehrheitlich im Verhalten der Beschäftigten zu suchen. Daher hebt die Betriebssicherheitsverordnung den Stellenwert von Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten bereits im ersten Paragraphen hervor. Eine besondere Beauftragung verlangt sie außerdem für die Benutzung von Arbeitsmitteln, deren Verwendung mit besonderen Gefährdungen verbunden ist. Diesen Themenkreis greift die TRBS 1116 Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung von Beschäftigten für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln auf.

Besondere Gefährdungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln Flurförderzeug, Kran und Hebebühne sind Paradebeispiele für Arbeitsmittel , die aufgrund spezifischer Gefährdungen nur von ausgewählten Beschäftigten verwendet werden dürfen. Die Festlegung, dass mit der Bedienung solcher Geräte ausschließlich Personen beauftragt werden dürfen, die dafür qualifiziert sind und ihre Befähigung nachgewiesen haben, ist exemplarisch in

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DER AUTOR

Martin Küppers

leitet den Fachbereich Verkehr und Landschaft der DGUV. Im Unterausschuss 1 des Ausschusses für Betriebssicherheit (ABS) war er an der Erarbeitung der TRBS 1116 beteiligt.

BG Verkehr Geschäftsbereich Prävention Leiter Kompetenzfeld Regelwerk und Arbeitssicherheit

Ottenser Hauptstraße 54 22765 Hamburg

E-Mail: martin.kueppers@ bg-verkehr.de

der Unfallverhütungsvorschrift Flurförderzeuge (DGUV Vorschrift 68) ausgeführt. Vergleichbare Vorschriften gab oder gibt es für Luftfahrtbodengeräte, Fahrzeuge, Erdbaumaschinen und andere mehr. Traditionell fanden sich die entsprechenden Regelungen in spezifischen Unfallverhütungsvorschriften. Bei selbstfahrenden Arbeitsmitteln ergeben sich besondere Gefährdungen meist aus der Mobilität und den technischen Charakteristika dieser Arbeitsmittel. Oft bestehen sie nicht nur für die Bedienperson selbst, sondern vor allem auch für andere Beschäftigte im Arbeitsumfeld.

Unstrittig hat sich die schriftliche Beauftragung von ausgewählten Beschäftigten bewährt, die für die Bedienung gefährlicher Arbeitsmittel entsprechend qualifiziert sind und dies in einer Erfolgskontrolle nachgewiesen haben. Ungeachtet der bestehenden Regelungen war es erforderlich, diese Anforderungen im Sinn der Betriebssicherheitsverordnung auszugestalten, sie zu verallgemeinern und bei der Qualifizierung das Augenmerk auf benötigte Kompetenzen und deren Erwerb zu richten. Angesichts der Vielfalt unserer Arbeitswelt darf sich eine zeitgemäße Regelung nicht auf eine Auswahl von Arbeitsmitteln beschränken. Die TRBS 1116 zählt beispielhaft nur Arbeitsmittel auf, bei denen aufgrund spezifischer Gefährdungen offenkundig eine besondere Beauftragung erforderlich ist. Darüber hinaus gibt sie eine Hilfestellung, welche Merkmale auf eine entsprechende Gefährdung hinweisen und stellt klar, dass weitergehende Festlegungen bedarfsweise im Betrieb ausgestaltet werden müssen.

Unterweisung

Unter einer Unterweisung versteht die TRBS 1116 eine auf die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln ausgerichtete Information und Anweisung der Beschäftigten. Damit wird die Unterweisung deutlicher gegenüber der Qualifikation abgegrenzt, die als angemessene Befähigung zur sicheren Verwendung von Arbeitsmitteln stärker auf die erforderlichen Kompetenzen der Beschäftigten abzielt. Die Inhalte der Unterweisung legt der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Gefährdungsbeurteilung und der Kenntnisse der Beschäftigten fest. Die Erstunterweisung der Verwendung umfasst bedarfsweise z. B. eine Einweisung in das Arbeitsmittel sowie die Anleitung zur Durchführung erforderlicher Sichtund Funktionskontrollen. Bei wiederkehrenden Unterweisungen kann der Arbeitgeber sich am Kenntnisstand der Beschäftigten orientieren und wechselnde Schwerpunkte setzen. Er berücksichtigt damit die Ergebnisse der Wirksamkeitskontrolle hinsichtlich vorhergehender Unterweisungen.

Erforderliche Kompetenzen ermitteln Wenn Arbeitsmittel aufgrund besonderer Gefährdungen nur von besonders beauftragten Beschäftigten verwendet werden dürfen, muss eine ausreichende Qualifikation sichergestellt werden. Welche Kompetenzen für die sichere Verwendung dieser Arbeitsmittel erforderlich sind, ermittelt der Arbeitgeber in der Gefährdungsbeurteilung.

Das klingt nach viel Aufwand, in der Praxis kann der Betrieb sich jedoch auf anerkannte Regelwerke und Veröffentlichungen abstützen. Insbesondere kommen die DGUV Grundsätze zur Qualifizierung von Bedienpersonen entsprechender selbstfahrender Arbeitsmittel in Betracht, z. B. der DGUV Grundsatz 308-001 zur Qualifizierung und Beauftragung der Fahrerinnen und Fahrer von Flurförderzeugen. Wenn der Arbeitgeber diese anerkannten Standards einhält, ist eine individuelle Ermittlung der erforderlichen Qualifikation verzichtbar. Wo keine passenden DGUV Grundsätze zur Verfügung stehen, können sich betriebliche Praktiker in vielen Fällen zumindest an den Inhalten orientieren und daran angelehnt individuelle Festlegungen treffen. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Arbeitgeber sich vor der Beauftragung davon überzeugt, dass Beschäftigte über die benötigten Kompetenzen verfügen.

Für angemessene Qualifizierung sorgen Die TRBS 1116 stellt klar, dass der Arbeitgeber eine ausreichende Qualifikation der beauftragten Beschäftigten sicherstellen muss. Aufgrund der besonderen Gefährdung ist generell eine angemessene Qualifizierung erforderlich, wie sie sich in der Vergangenheit bei Bedienpersonen von Flurförderzeugen, Kranen oder Erdbaumaschinen bewährt hat. Dazu trifft der Arbeitgeber beispielsweise Festlegungen zu den Inhalten und dem zeitlichen Umfang der Qualifizierung, zu den eingesetzten Methoden, den sächlichen und räumlichen Anforderungen sowie zu den mit der Durchführung betrauten Personen. Die Qualifizierung kann im eigenen Betrieb gestaltet oder durch externe Anbieter erbracht werden. Klar ist aber, dass die Verantwortung für die ausreichende Qualifikation in jedem Fall beim Arbeitgeber verbleibt

Den Anforderungen an die Qualifizierung widmet die TRBS einen eigenen Abschnitt und hebt so deren Stellenwert hervor. Im praktischen Teil ist ein anteiliger Einsatz von Simulationssystemen möglich, sofern diese unter technischen und didaktischen Gesichtspunkten geeignet und ausreichend leistungsfähig sind. Für die Anteile realer Praxis und für die Lernerfolgskontrolle muss allerdings das jeweilige mobile Arbeitsmittel real zum Einsatz kommen. Bestandteil der Qualifizierung sind auch eine oder mehrere Ler-

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nerfolgskontrollen, die sich auf die theoretischen und auf die praktischen Inhalte beziehen. Der Arbeitgeber kann die dort erbrachten Nachweise nutzen, um sich von den erforderlichen Kompetenzen der Beschäftigten zu überzeugen.

Insgesamt orientieren sich diese Anforderungen an den bewährten Standards der betrieblichen Praxis und stellen keine zusätzliche Hürde dar. Sie zielen darauf ab, angesichts besonderer Gefährdungen unseriöse Dumping-Angebote zur Qualifizierung zu unterbinden. Das selbstständige und sichere Bedienen eines Gabelstaplers oder eines Lkw-Ladekrans erlernt sich eben nicht innerhalb eines Tages, jedenfalls nicht ohne entsprechende theoretische und praktische Vorkenntnisse.

Die Berücksichtigung von Vorkenntnissen ist im betrieblichen Alltag oft von Bedeutung. Beispielsweise kommt es nach einem Wechsel des Arbeitgebers bei vergleichbaren Tätigkeiten regelmäßig zu Unsicherheiten darüber, ob eine bereits ganz oder in Teilen erlangte Qualifizierung wiederholt werden muss. Hier stellt die TRBS 1116 klar, dass auf eine Qualifizierung anteilig oder ganz verzichtet werden kann, wenn eine gleichwertige Qualifikation bereits erlangt wurde, z. B. durch eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit bei anderen Arbeitgebern. Der Arbeitgeber kann dies im Zweifel durch eine theoretische und praktische Überprüfung ermitteln, die beispielsweise als begleitete Arbeitserprobung in Verbindung mit einem Qualifizierungsgespräch ausgestaltet werden kann.

Unbefugte Verwendung von Arbeitsmitteln vermeiden

Zu den grundlegenden Anforderungen der BetrSichV gehört, dass der Arbeitgeber dafür zu sorgen hat, dass Beschäftigte nur die Arbeitsmittel verwenden, die er ihnen zur Verfügung gestellt hat oder deren Verwendung er ihnen ausdrücklich gestattet hat. Die Crux an dieser Anforderung besteht darin, dass sie sich auf jedwedes Arbeitsmittel bezieht, also auf einen Schraubenschlüssel ebenso wie auf eine Hubarbeitsbühne. Die TRBS 1116 macht deutlich, dass unter Berücksichtigung der möglichen Gefährdungen, der betrieblichen Organisation und der Qualifikation der Beschäftigten abgestufte, der betriebsüblichen Praxis entsprechende Maßnahmen möglich sind. In vielen Fällen genügt es, den Benutzerkreis in einer Unterweisung oder Betriebsanweisung festzulegen oder Arbeitsmittel in den Betriebsbereichen bereitzustellen, in denen die Benutzung vorgesehen ist (z. B. Ausstattung eines Montageplatzes mit Werkzeugen). Bewährt ist auch die persönliche oder teambezogene Zuordnung von Arbeitsmitteln, beispielsweise durch eine Werkzeugausgabe,

persönlich zugeordnete Werkzeugkästen oder durch Überlassung eines ausgestatteten Montagefahrzeugs. Anders gestaltet sich die Situation allerdings, wenn besondere Gefährdungen vorliegen oder die Verwendung eines Arbeitsmittels nur mit ausdrücklicher Beauftragung zulässig ist. In diesen Fällen ist eine technische Sicherung der Arbeitsmittel gegen unbefugtes Verwenden erforderlich, z. B. durch Schlüsselschalter, schlüssellose Zugangssysteme, gesicherte BetriebsartenWahlschalter oder bei Instandhaltungsarbeiten ein Lockout-Tagout-Verfahren, bei dem jeder Beschäftigte die Anlage mit einem eigenen Schloss gegen Wiedereinschalten sichert.

Besonderer Auftrag zur Verwendung Wenn die Verwendung von Arbeitsmitteln mit besonderen Gefährdungen verbunden ist, verlangt die BetrSichV eine besondere Beauftragung. Dabei muss sichergestellt sein, dass die beauftragten Beschäftigten in der Lage sind, die Arbeitsmittel zu verwenden, ohne sich oder andere Personen zu gefährden. Daraus leitet sich die Verpflichtung ab, für eine angemessene Qualifikation zu sorgen. Die Beauftragung muss demzufolge so nachvollziehbar erfolgen, dass im Betrieb bekannt ist und bedarfsweise nachgewiesen werden kann, welche Beschäftigten mit der Bedienung eines entsprechenden Arbeitsmittels beauftragt wurden. Der Auftrag kann z. B. schriftlich durch einen Fahrer- oder Bedienerausweis, einen dokumentierten Arbeitsauftrag, einen Erlaubnisschein oder in elektronischer Form durch entsprechende betriebliche Dokumentation wie Organisationshandbücher erfolgen.

In diesem Zusammenhang stellt die TRBS 1116 auch klar, dass die Beauftragung unter bestimmten Voraussetzungen zurückzuziehen ist. Anlässe dafür können Zweifel an den erforderlichen Kompetenzen oder der Qualifikation von Beschäftigten sein. Indikatoren dafür sind die Verursachung von Beinahe-Unfällen oder Unfällen sowie auffälliges oder erkennbar unsicheres Nutzungsverhalten, aber natürlich auch Hinweise von den Beschäftigten selbst, dass sie Voraussetzungen für die Beauftragung nicht mehr erfüllen.

Sonderfall Instandhaltung Im Sinn der Betriebssicherheitsverordnung umfasst die Verwendung von Arbeitsmitteln jegliche Tätigkeit mit diesen, insbesondere auch das Instandhalten. Soweit Instandhaltungsmaßnahmen mit eigenem Personal durchgeführt werden, dürfen sie nur von fachkundigen, beauftragten und unterwiesenen Beschäftigten durchgeführt werden. Da die Beauftragung auch in diesem Fall mit einer angemessenen Qualifikation verknüpft ist, geht die TRBS 1116 auch auf diesen Sachverhalt ein. Zunächst erläutert sie, dass nicht

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bei jeder Instandhaltungsarbeit eine besondere Beauftragung erforderlich ist: Grundsätzlich ist keine Beauftragung erforderlich, wenn Instandhaltungsarbeiten im Zuge der regulären Verwendung eines Arbeitsmittels von den Bedienpersonen durchgeführt werden. Dies betrifft Tätigkeiten, zu deren sicherer Durchführung die Beschäftigten aufgrund ihrer Qualifikation in der Lage sind und die z. B. laut Herstellerangaben der Pflege des Arbeitsmittels zuzuordnen sind. Instandhaltungsmaßnahmen im engeren Sinn werden in der Regel von darauf spezialisiertem Fachpersonal durchgeführt, welches über eine entsprechende Berufsausbildung und Berufserfahrung verfügt, also über Fachkunde im Sprachgebrauch der BetrSichV. Auch diesen Umstand greift die TRBS 1116 auf. Eine generelle Beauftragung ergibt sich in diesen Fällen bereits aus der innerbetrieblichen Spezialisierung, der Stellenbeschreibung, Organisationshandbüchern sowie der dauerhaften Tätigkeit in einem Instandhaltungsteam. Eine weitergehende Qualifizierung für einen speziellen Instandhaltungsauftrag erfolgt dann typischerweise vor Ort in Form einer Einsatzbesprechung oder einem Briefing und nicht in einem klassischen Schulungs-, Seminar- oder Trainingskontext. Eine besondere Beauftragung für Instandhaltungsarbeiten, die mit besonderen Gefährdungen verbunden sind, hat sich in Form von spezifischen Erlaubnisscheinen bewährt. Erlaubnisscheine sind z. B. üblich für das Betreten gefährlicher Räume, für Schweiß-, Schneid-, und Schleifarbeiten in brandgefährdeten Bereichen oder in Bereichen mit explosionsfähiger Atmosphäre.

Gute Praxis – DGUV Grundsätze zur Qualifizierung und Beauftragung von Beschäftigten Die folgenden DGUV Grundsätze zur Qualifizierung von Beschäftigten für die Verwendung bestimmter Arbeitsmittel werden in der TRBS 1116 als Beispiele guter Praxis benannt:

Flurförderzeugen außer geländegängigen Teleskopstaplern“

▶ DGUV Grundsatz 308-009 „Qualifizierung und Beauftragung der Fahrerinnen und Fahrer von geländegängigen Teleskopstaplern“

▶ DGUV Grundsatz 308-008 „Ausbildung und Beauftragung der Bediener von Hubarbeitsbühnen“

▶ DGUV Grundsatz 309-003 „Auswahl, Unterweisung und Befähigungsnachweis von Kranführern“

▶ DGUV Grundsatz 301-005 „Qualifizierung und Beauftragung von Fahrern und Fahrerinnen von Hydraulikbaggern und Radladern“ Der Arbeitgeber kann davon ausgehen, dass die Anforderungen der TRBS 1116 an die jeweilige Qualifizierung erfüllt sind, wenn sie entsprechend diesen Grundsätzen erfolgt ist.

Qualifikation und Unterweisung für jedwede Verwendung von Arbeitsmitteln Die TRBS 1116 räumt dem Zusammenhang zwischen besonderer Gefährdung, erforderlicher Qualifikation und Beauftragung der Beschäftigten einen besonderen Stellenwert zu. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Regel für jedwede Verwendung von Arbeitsmitteln gilt. Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung von Beschäftigten haben ein enormes Wirkpotenzial, binden, verglichen mit anderen Maßnahmen, aber auch hohe personelle Ressourcen.

Die TRBS 1116 kann als technische Regel jedoch nur die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung konkretisieren, Begriffe schärfen, Zusammenhänge aufzeigen und beispielhafte Maßnahmen anführen. Die praktische Ausgestaltung dieser Elemente und deren Einbettung in eine nachhaltige Präventionskultur bleibt den Unternehmen überlassen. ■

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Die TRBS 1116 steht hier zum Download zur Verfügung: www.baua.de/DE/Angebote/Regelwerk/TRBS/ TRBS-1116.html

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