M. Fastabend/T. Schäfers/M. Albert/B. Schücker/N. Doering · Fugenlose und fugenreduzierte Bauweise – Optimierung im Hochbau
Bild 16. Parkdeck mit reduzierter Fugenausbildung oberhalb einer fugenlosen, thermisch isolierten Gebäudestruktur Fig. 16. Parking deck with reduced joint finishing above an jointless thermic isolated building structure
5 Beurteilungen und Hinweise Die Kostenanalyse von Bauwerken mit Dehnfugen und solchen ohne Fugen fällt durchgehend positiv zugunsten der fugenlosen Bauweise aus. Doppelstützen oder Konsolauflagerungen bei Fugenausbildungen sowie die auch im Hochbau aufwendigen Fugenübergangsprofile sind stets teurer einzuschätzen als die geringen zusätzlichen Bewehrungen zur Rissbreitenbegrenzung an den kritischen Anschluss- und Deckenbereichen. So können Dehnfugenausbildungen in Bodenplatten einschließlich Dichtungen und Übergängen mit ca. 500 €/m, in den thermisch stabilen Obergeschossen mit ca. 250 €/m und in Parkgeschossen mit mehr als ca. 600 €/m aus Vergleichsprojekten abgeleitet werden. Die aus diesen Kosten ermittelbaren zusätzlichen möglichen Bewehrungsmengen sind einfach zu berechnen. Ebenso positiv fällt die Bilanz der Schadensbeseitigungskosten von fugenlosen Bauwerken gegenüber jenen mit Fugenausbildungen aus: Neben den infolge größerer Verformungen ggf. zu knapp bemessenen Fugenübergangskonstruktionen, die komplett ausgetauscht werden müssen, sind bei einer Vielzahl von Projekten auch Rissschäden an Konsolen und Ausklinkungen bekannt, die nicht ausreichend redundant im Hinblick auf die zu erwartenden Fugenbewegungen bemessen worden waren. Ebenso bereiten Verschleißerscheinungen an hoch beanspruchten Übergangsprofilen in Parkdecks gehäuft Anlass zur Komplettreparatur. Hingegen sind Schäden durch Rissbildungen in Deckenplatten bei fugenloser Bauweise eher selten bis unbekannt. Selbst an den hoch beanspruchten Anschlusspunkten zu Kernen und Aussteifungselementen können die Rissbreiten durch die angepasste Zusatzbewehrung auf unschädliche Abmessungen reduziert werden. Bei der Anordnung von starren Belägen unmittelbar auf den rissgefährdeten Deckenplatten – z. B. Natursteinbeläge im Mörtelbett – ohne den Schutz eines Estriches, sollte die Bewehrung für Rissbreitenbegrenzungen von 0,2 mm ausge-
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Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012), Heft 4
legt werden. Zur Vermeidung weiterer Risiken von sichtbaren Rissen im Ausbau sind schwimmende Estriche, Estriche auf Trennlagen oder Hohlraumböden sinnvolle Elemente. Die Deckenuntersichten sind bei Büro- und Gewerbebauten eher unkritisch einzuschätzen, da einerseits Abhangkonstruktionen gehäuft eingebaut werden, andererseits die Blickentfernung zur Rissbildung in der Regel größer ist als zum Bodenbelag. Für Gebäude mit wechselnden Bauteiltemperaturen – überwiegend Parkhäuser – werden in einem großen Umfang starre Beschichtungen als Oberflächenschutzsysteme verwendet. Unter diesen Randbedingungen sind auf der Basis von kontrollierter Rissbildung entworfene, fugenlose Bauwerke wenig geeignet. Die Konzeption fugenreduzierter Konstruktionen mit einer Übereinstimmung von Bewegungsruhepunkt und Schwerpunkt der Aussteifung und einer weitgehenden Vermeidung von Rissen ist die angemessenere Lösung dieser Entwurfsaufgabe. Selbst bei Abdichtungen in Anlehnung an ZTV-ING können temperaturabhängig pulsierende Trennrisse schadensauslösend wirken. Die vorstehend genannten Hinweise gelten ausdrücklich nur für Stahlbetonskelettbauten bzw. Verbundbauwerke mit Stahlbetondeckenplatten und Stahlbetonkernen. Mauerwerksbauten reagieren auf größere Fugenabstände der massiven Deckenplatten deutlich empfindlicher [18] und können nicht mit den empfohlenen Instrumentarien untersucht werden.
6 Fazit Aus den Konstruktionserfahrungen der letzten 30 Jahre hat sich bei einer Vielzahl von Entwurfsingenieuren die Erkenntnis Bahn gebrochen, dass die seinerzeit durch Falkner [1, 2] propagierte fugenlose Bauweise im Hochbau fast nur Vorteile und bei sorgfältiger Konstruktion kaum Risiken birgt. Im Gegenteil ist immer wieder zu beobachten, dass Fugenanordnungen mit Fehlern behaftet sind – keine funktionierenden Verformungsgleitlager –, gehäuft sehr grobe Rissbildungen aus Gründen wenig sorgfältiger Bewehrungsführung aufzeigen, erhebliche Wartungsaufwendung hervorrufen und sowohl in Herstellung als auch Betrieb deutlich höhere Kosten als fugenlose Konstruktionen erzeugen. Die Ursache der Scheu, konsequent fugenlos zu bauen, ist wahrscheinlich in den historischen Hinweisen der alten DIN 1045 zu suchen, die als Regel der Technik die Anordnung von Fugen in Hochbauten verlangte. Ebenso haben die Autoren die Erfahrung gemacht, dass die unklare Behandlung der Zwangbeanspruchung in der Ingenieurpraxis häufig zu „eher emotional bestimmter Anordnung“ von Fugen geführt haben. Dies macht sich auch in den noch immer gestellten Forderungen nach „Schwindgassen“ bemerkbar, die nur bei konsequenter Anordnung um alle Kernstrukturen wirksam ausgeführt werden könnten. Dem Baustoff Stahlbeton eher angemessen ist der mit den heute zur Verfügung stehenden Rechenhilfen ermittelte Abbau von Bauteilzwängungen und deren konstruktive Behandlung durch rissbreitenbegrenzende Bewehrungen. Mit einem solchen Konstruktionskonzept können Rissbildungen für alle Anforderungen auf unschädliche Breiten reduziert werden. Da sich bei thermisch ausreichend ge-