Beton- und Stahlbetonbau 4/2012

Page 39

A. Meier · Der späte Zwang als unterschätzter – aber maßgebender – Lastfall für die Bemessung

2.3 Beispiel 1b: früher, voller Zwang als innerer Zwang

2.4 Beispiel 2a: später, voller Zwang als äußerer Zwang

Ein anderer, häufig anzutreffender Fall des frühen Zwanges ist die Rissbildung in einer neu betonierten Wand, welche auf einem bereits erhärteten Fundament errichtet wird. Für diesen Fall entsteht durch den im Folgenden beschriebenen Effekt ein wie in den Bildern 4 und 5 dargestelltes Rissbild. Hier liegt grundsätzlich folgender Sachverhalt zugrunde: Während der Hydratation des Zementes erwärmt sich der Beton und dehnt sich folglich aus. Wenn er sich wieder abkühlt, bemessungstechnisch als „Lastfall abfließende Hydratationswärme“ bezeichnet, wird der Versuch des frischen Betons, sich zusammenzuziehen, behindert. Die Behinderung entsteht dabei durch das bereits erstarrte Fundament mit rauer Arbeitsfuge zwischen Wand und Fundament. Im rechten Teil des Bildes 4 sowie in Bild 5 ist zu erkennen, dass bei hohen Bauteilen die beschriebene Rissbildung umso mehr zurückgeht, je weniger die Verformungsbehinderung am Wandfuß wirkt, d. h. je weiter oben man die Wand betrachtet. In vielen Fällen ist auch zu erkennen, dass die Behinderung am Wandfuß die Rissbildung erst in einigen Dezimetern Höhe beginnen lässt.

Auch die konstruktive Positionierung bzw. Einbindung eines einzelnen Betonbauteiles im Gesamtgebäude kann als Zwangsursache rissauslösend werden. So kann z. B. eine durch hohe Auflasten planbare, in gewissem Maße auch berechenbare Setzung eines Einzelfundamentes in einem mehrgeschossigen Gebäude eine „geplante“ Stützensenkung verursachen. Dadurch entstehen aber unvermeidbare Zwangskräfte für die die Stütze auf dem Fundament umgebende Konstruktion und evtl. Rissbildungen (Bild 6).

Bild 4. Schematische Darstellung der Rissbildung „neue Wand auf altem Fundament“ (aus [7], nach [8]) Fig. 4. Schematic display of an crack formation “new wall on top of an old foundation” (from [7], according to [8])

Bild 5. Beispiel für die Rissbildung „neue Wand auf altem Fundament“ Fig. 5. Example for the crack formation “new wall on top of an old foundation”

2.5 Beispiel 2b: später, voller Zwang als äußerer Zwang Als Beispiel für diesen Lastfall kann die Situation von Stahlbetondecken in einem Bürogebäude oder auch einem Parkdeck dienen, die zwischen zwei sehr steifen Kernen eingespannt sind (Bild 7). Speziell im Parkdeckfall sind diese Decken den witterungsbedingten Temperaturunterschieden ausgesetzt. Nach dem Abfließen der Hydratationswärme unterliegen solche in Längsrichtung sonst oft (d. h. neben den Kernen) wenig ausgesteiften Baukörper bei Temperaturänderungen rissauslösenden Kräfteverhältnissen. Die Folge dieser Gebäudegeometrien sind

Bild 6. Rissbildung aus Stützensenkung (aus [7]) Fig. 6. Crack formation due to settlement of supports (from [7])

Bild 7. Rissbildung aus Temperaturdifferenzen (aus [7]) Fig. 7. Crack formation due to differences in temperature (from [7])

Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012), Heft 4

219


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Beton- und Stahlbetonbau 4/2012 by Ernst & Sohn - Issuu