Stahlbau 01/2014 Free Sample Copy

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Fachthemen Martin Mensinger Heidrun Möller

DOI: 10.1002/stab.201410127

Einfluss von Querkraftanschlüssen auf das Biegedrillknicken von Einfeldträgern – Teil 1: Wissenschaftlicher Hintergrund Querkraftanschlüsse stellen eine häufig verwendete oberkantenbündige Verbindungsmöglichkeit eines Nebenträgers an einen Hauptträger dar. Hierbei zeichnen sich insbesondere lange Fahnenblechanschlüsse durch ihre Vorteile in der Montage aus. Ausgeklinkte Träger mit Doppelwinkel- oder Fahnenblechanschlüssen müssen aufgrund der Ausklinkung des Nebenträgers umständlich zwischen die Hauptträger eingeschwenkt werden, stellen aber nichts desto trotz eine gerne verwendete Anschlussform mit großer Tradition dar. Allen Varianten gemein ist die Tatsache, dass sie kein Gabellager bilden sondern ein torsionsweiches Auflager. Damit sind die üblichen Berechnungsmöglichkeiten zur Ermittlung des idealen Biegedrillknickmomentes Mcr nicht anwendbar. Um für Träger mit diesen Anschlüssen Mcr ermitteln zu können und damit die Grundlage für einen normkonformen Nachweis zu legen, bedurfte es einiger eingehender Untersuchungen. Im Rahmen des AiF-Forschungsvorhabens 16872 N wurden diese Untersuchungen am Lehrstuhl für Metallbau der Technischen Universität München durchgeführt. Der nachfolgende erste Teil des Beitrags beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Hintergründen. Influence of hinged connections on the lateral-torsional buckling of single-span beams – Part 1: Scientific background. Hinged connections are an often used type of connection between secondary and primary beam with flushed upper flanges. A very economic type of connection in terms of manufacturing and erection are long fin-plates. Unfortunately they are no fork bearing, therefore the usual formula for the elastic critical moment Mcr for beams cannot be used. To design a beam according to DIN EN 1993-1-1 it is necessary to know the actual stiffness of such connections to be able to consider it in the calculation of Mcr. This is also the case for other typical hinged connections like notched beams with either fin-plate or double angle connection. This problem of otherwise very economic connections is the reason for taking a closer look at their influence on the lateral-torsional buckling in the research project AiF-No. 16872 N at the Lehrstuhl für Metallbau der Technischen Universität München (Chair of Metal Structures at the TU München). The following first part of the paper deals with the scientific background.

1 Einleitung Lange Fahnenblechanschlüsse stellen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit in Herstellung und Montage einen äußerst interessanten Anschlusstyp für Verbindungen zwischen Haupt- und Nebenträgern (Deckenträger an Unterzug) bzw. zwischen Träger und Stütze dar. Ein Fahnenblechanschluss ist jedoch kein Gabellager sondern ein torsionsweiches Lager. Die Berechnung des idealen Biegedrillknickmomentes mit den üblichen Formeln ist somit nicht möglich, da diese eine Gabellagerung voraussetzen. Dies gilt auch für

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ausgeklinkte Träger mit Fahnenblechoder Doppelwinkelanschluss. Zudem ist in der DIN EN 1993-1-1 [1] die Möglichkeit der Verwendung einer gesonderten Knicklinie für die Berücksichtigung ausgeklinkter Träger mit Stirnplatte, wie sie in der DIN 18800-2 [2] enthalten war, nicht mehr gegeben. Wäre die Torsionsfedersteifigkeit eines derartigen Anschlusses bekannt, könnte dieser in einem geeigneten Programm berücksichtigt werden. Hier setzt das AiF-Forschungsvorhaben 16872 N an. Zur Ermittlung der Torsionsfedersteifigkeit wurden sechs Großversuche mit

verschiedenen Stahlbauanschlüssen durchgeführt. Anhand der Ergebnisse wurden FE-Berechnungen kalibriert, die für umfangreiche Parameterstudien und zur Erstellung eines Kataloges mit Torsionsfedersteifigkeiten verschiedener Anschlüsse verwendet wurden. Diese können in einem geeigneten Programm zur Ermittlung von Mcr verwendet werden. Zudem wurden auf Basis der Parameterstudie weitere Hilfsmittel zur Ermittlung des idealen Biegedrillknickmomentes Mcr erstellt und für die Anwendung in der Praxis aufbereitet. In Teil 1 dieser zweiteiligen Veröffentlichung wird auf die wissenschaftlichen Hintergründe eingegangen, während in Teil 2 die Aufbereitung der Ergebnisse für die Praxis im Fokus steht.

2 Experimentelle Untersuchungen Als Grundlage der Untersuchungen wurden sechs Großversuche durchgeführt, bei denen je ein Nebenträger mit Fahnenblech- bzw. Doppelwinkelanschluss mit einem Hauptträgerpaar (Auflagerträger) verbunden wurde (s. Bild 1). An den Nebenträger wurde in Feldmitte ein Hebelarm angeschlossen, um ein Torsionsmoment erzeugen zu können. Ziel der Versuche war die Ermittlung der Torsionsfedersteifigkeit der untersuchten Anschlüsse, die in Bild 2 dargestellt sind. In Realität werden derartige Anschlüsse durch eine Vertikallast beansprucht. Daher wurde im Versuch zunächst eine Einzellast in Feldmitte (F) aufgebracht. Anschließend wurde das Torsionsmoment über den Hebelarm gesteigert (ΔF). Um die Vertikallast in Summe konstant zu halten, d. h. nur das Torsionsmoment zu steigern, wurde die

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 83 (2014), Heft 1

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