D. Ungermann et al. · Potenziale und Chancen der Stahl(leicht)bauweise beim Bauen im Bestand
der Erhalt des Gebäudes angestrebt und eine Modernisierung mit einer Gebäudeaufstockung in Betracht gezogen werden. Auf dieser Grundlage wurden Entwürfe für Aufstockungsund Sanierungskonzepte nach unterschiedlichen Prinzipien ausgearbeitet, die nachfolgend dargestellt werden.
3 Baukonstruktive Aspekte zur Sanierung und Aufstockung
Bild 1. Tragwerksisometrie, Physikgebäudes der TU Dortmund Fig. 1. Isometry of the loadbearing structure, institute building of Physics TU Dortmund
Überlegungen zur Sanierung der Bestandsfassade als auch zu einer möglichen Gebäudeaufstockung führen zu zwei wesentlichen Ansätzen, die jeweils miteinander kombiniert werden können: 1. Erhalt oder Rückbau der markanten sekundären Fassade (Wartungsbalkone/feststehender Sonnenschutz) 2. bündige Gebäudeaufstockung (Raster 7,20 m) oder eingerückte Gebäudeaufstockung (Raster 2,40 m)
Für die vertiefte statische Analyse des Bestandsgebäudes werden FiniteElemente-Berechnungen durchgeführt, in denen die gesamte Tragstruktur, einschließlich des Gebäudekerns abgebildet wird (s. Bild 2). Dabei werden die Lasten nach dem heutigen Stand der Normung und die besonderen Eigenschaften der damals verwendeten Baustoffe berücksichtigt. Diese Analyse bestätigt die Annahme, dass ausreichende Tragreserven für die Aufstockung mit mindestens einem Geschoss vorhanden sind. Aus statisch-konstruktiver Sicht kann daher
In Bild 3 wird der Fassadenschnitt zu einer dieser Entwurfsvarianten gezeigt. In dieser (architektonisch bevorzugten) Variante bleibt die gestaltprägende sekundäre Fassade, nach dem Austausch der primären Fassade, erhalten. Die Gebäudeaufstockung in Stahlleichtbauweise (1 Etage, 481 m2 BGF) nimmt sich mit ihrer Kubatur zurück und setzt sich dadurch optisch vom Bestandsgebäude ab. Die einzelnen Komponenten der primären Fassade müssen so gewählt sein, dass die Anforderungen der jeweils gültigen EnEV eingehalten werden können.
Bild 2. FE-Berechnung (Verformung) des Physikgebäudes Fig. 2. FE-analysis (deformation) of the institute building of Physics
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Die Fertigteilkonsolen sind im Bestandsbauwerk direkt in die Ortbetongeschossdecken eingearbeitet. Aus dieser Konstruktionsweise ergeben sich konstruktive Wärmebrücken, die im Zuge einer Sanierung durch eine innenliegende Wärmedämmung mit Dampfsperre (s. Bild 3) kompensiert werden können. Die Durchführbarkeit dieser baukonstruktiven Lösung kann auf Grundlage der Wärmebrückenberechnung der Konsole im Rahmen des Forschungsvorhabens bestätigt werden. Die gestaltprägenden Wartungsbalkone können weiterhin zu ihrem Zweck verwendet werden und bieten zudem den Vorteil eines feststehenden Sonnenschutzes. Im Hinblick auf die Ökobilanzierung wirkt sich dieser Entwurf, durch die Wiederverwendung der sekundären Fassadenelemente, positiv aus. Am Beispiel dieser dargestellten Entwurfsvariante kann die These verifiziert werden, dass Stahlbetonskelettbauten aus den siebziger Jahren ein architektonisches wie auch tragkonstruktives Potenzial in sich tragen. Durch angemessene und notwendige (Um-) Baumaßnahmen können diese Gebäude den aktuellen Nutzungsanforderungen gerecht werden.
4 Optimierte Aufstockung in Stahlbauweise Für Aufstockungen von Bestandsgebäuden bietet sich der Werkstoff Stahl für eine ressourcenschonende und nachhaltige Bauweise an. Neben dem geringen Eigengewicht von Stahlkonstruktionen, die einen minimalen Eintrag zusätzlicher Lasten in den Bestand hervorrufen, zeigen sich erhebliche Vorzüge im Bauablauf, da vorgefertigte modulare Bauelemente verwendet werden können, die bei der Montage einen geringen Platz- und Zeitbedarf erfordern. Diese Vorteile des Baustoffes Stahl können (neben der Tragstruktur) auch bei den raumabschließenden Elementen in Wand und Dach verwendet werden. Bild 4 stellt eine Aufstockungsvariante für das Physikgebäudes der TU Dortmund dar, das die genannten Vorzüge der Stahlbauweise optimal ausnutzt. Aus statischen Gründen schließt die Aufstockung in dieser Variante bündig mit dem Bestandsgebäude ab. Damit passt sich das Raster des Stahltragwerks an das Gebäuderaster an,
Stahlbau 82 (2013), Heft 1
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