M. Mix · Sicherheitsaspekte beim Stabilitätsnachweis von Hochspannungsstahlgittermasten
Knicklängen L und Trägheitsradien i zu untersuchen. Davon ist der größte Schlankheitsgrad für Biegeknicken zu berücksichtigen. Der Faktor k deckt beispielsweise Einspanneffekte von Diagonalstäben in den Eckstiel ab, wenn diese berücksichtigt werden dürfen. Der Schlankheitsgrad für Biegedrillknicken beträgt
λ BDK
2 L c 2 + iM = ⋅ 2 i 2⋅c
4 ⋅ c2 ⋅ iP2 ⋅ 1 + 1 − 2 2 c 2 + iM
(
)
(4)
Knicklänge und Trägheitsradius sind für die Knickfigur einzusetzen, die sich senkrecht zur Verbindungslinie von Schwerpunkt S und Schubmittelpunkt M des Querschnittes ausbildet. Im Fall von Winkelprofilen ist dies die starke Hauptachse. Aus beiden Schlankheitsgraden ist der Größtwert zu suchen und der bezogene Schlankheitsgrad zu berechnen. Für Querschnittsklasse 3 beträgt er λ =
max(λ BK; λ BDK )
(5)
π2 ⋅ E fy
Für Querschnittsklasse 4 beträgt er λ =
max(λ BK; λ BDK ) π2 ⋅ E
⋅
A eff A Br
(6)
(9)
beschreiben. Die Traglast mehrerer, gleich schlanker Stäbe folgt etwa einer Normal- oder einer logarithmischen Normalverteilung [4]. Für die Hypothese einer Normalverteilung berechnet sich der Erwartungswert von c aus seinem 2,3 %-Quantil mit
Umstellen ergibt den Erwartungswert (7) µ χ(λ) =
mit α = 0,49 für Knickspannungslinie c und 1 Φ + Φ2 − λ 2
0,02 ⋅ arctan(1,07 − λ) + 0,07 arctan(1,07)
µ (10) χ(λ) = χ0,023 + 2,0 ⋅ Vχ(λ) ⋅ µ χ(λ)
Aus dem bezogenen Schlankheitsgrad folgt
χ=
Vχ(λ) =
µ χ(λ) = χ0,023 + 2,0 ⋅ σ χ(λ)
fy
Φ = 0,5 ⋅ 1 + α ⋅ (λ − 0,2) + λ 2
0,023. Der Erwartungswert der Traglast liegt somit über der rechnerischen, charakteristischen Traglast. Sie streut aber um diesen. Die in [4] zitierten Versuche wurden an IPE160, St37-2, um die schwache Achse knickend, durchgeführt. Nach DIN EN 1993-1-1 werden diese Profile bei Knicken um die z-Achse der Knickspannungslinie b zugeordnet, in die dort auch L-Profile eingeordnet werden. Die Versuche zeigen außerdem, dass der Variationskoeffizient nicht für alle Schlankheitsgrade gleich hoch ist. Er weist Werte von V = 0,09 im Bereich kleiner Schlankheitsgrade λ < 40 auf und sinkt für große Schlankheitsgrade λ > 160 auf Werte um V = 0,05. Dies bedeutet auch, dass der Erwartungswert der Traglast im Bereich kleiner Schlankheitsgrade weiter oberhalb der empirischen Gleichung liegt als im Bereich großer Schlankheitsgrade. Bei etwa – l = 100 (λ = 1,07 für S235) weist der Variationskoeffizient einen Wendepunkt auf. Für probabilistische Berechnungen ist eine formelmäßige Darstellung des Variationskoeffizienten der Traglast erforderlich. Er lässt sich etwa mit
(8)
Der Abminderungsbeiwert χ ≤ 1,0 wird beim Nachweis formal auf die Streckgrenze angewendet. Für große Schlankheitsgrade tritt Stabilitätsverlust vor Erreichen der Streckgrenze ein, während für kleine Schlankheitsgrade eine Verfestigung über die Streckgrenze hinaus möglich ist.
2 Sicherheitsaspekte der Knickspannungslinien Die europäischen Knickspannungslinien sind durch reale und durch numerische Experimente bestimmt worden ([4] und [5]). Der Abminderungsfaktor χ auf die Streckgrenze wird für alle Schlankheitsgrade durch eine empirische Gl. (8) beschrieben. Das Produkt aus Abminderungsfaktor, Streckgrenze und Brutto- bzw. Effektivquerschnittfläche ergibt die rechnerische, charakteristische Traglast. Diese ist aus Sicherheitsgründen für alle Schlankheitsgrade so niedrig gewählt, dass sie von mindestens 97,7 % der Versuche überschritten und nur von höchstens 2,3 % der Versuche unterschritten wird. Die Gl. (8) ergibt somit eine rechnerische Traglast, die unter der µ-2σ-Realisierung der Versuche liegt oder diese höchstens erreicht [4], denn Φ(–2,0) =
χ0,023
1 − 2,0 ⋅ Vχ(λ)
(11)
und die Standardabweichung σ χ(λ) = Vχ(λ) ⋅
χ0,023
(12)
1 − 2,0 ⋅ Vχ(λ)
Als 2,3 %-Quantil c0,023 kann Gl. (8) eingesetzt werden. Die auf die Streckgrenze bezogene Traglastspannung χ nach Gl. (8) ist in Bild 1 als 2,3 %-Quantil über dem bezo– genen Schlankheitsgrad λ dargestellt. Mit dem Variationskoeffizienten nach (9) ist der Erwartungswert (10) berechnet und ebenfalls dargestellt. Einmal ist die Knickspannungslinie c abgebildet, in die VDE 0210-2-4 Winkelprofile einordnet. Zum Vergleich ist die Knickspannungslinie b abgebildet, in die DIN EN 1993-1-1 Winkelprofile einord– net. Für Knickspannungslinie c und λ = 0,5 ist die Verteilungsdichte f(χ) der Traglastspannung, bezogen auf die Streckgrenze, für die Hypothese einer Normalverteilung eingezeichnet. Das Maximum liegt auf Höhe der durchgezogenen µ-Linie, das 2,3 %-Quantil in Höhe der gestrichelten Linie. Die ebenfalls dargestellten, auf die Streckgrenze bezogenen Traglastspannungen von 26 warmgewalzten Winkelprofilen nach Adluri und Madugula [6] zeigen, dass die mit Gl. (11) für Knickspannungslinie b und c berechneten Erwartungswerte der Traglastspannungen unter den im
Stahlbau 86 (2017), Heft 1
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