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F. Heyder/A. Hohberg/C. Lettner · Verschlüsse und Antriebe am Sperrwerk Greifswald

5.1  Entwurfs- und Genehmigungsstatik Die Entwurfs- und Genehmigungsstatik der Schiebetore war mit dem Programm RSTAB als ebenes mehrfach gelagertes Stabwerk modelliert und bemessen worden. Hierbei wurden aus der Stauwand und den Horizontalschotten vier miteinander verbundene Hauptträger gebildet. Als statisches Modell wurde ein Trägerrost gewählt. Ursprünglich nur mit zwei Rädern und einer Schiene pro Tor geplant, wurde im Zuge der Ausführungsplanung zur Erhöhung der Betriebssicherheit eine Zweischienenlösung mit zwei echten Radsätzen, also vier Rädern, vorgesehen.

5.2  Statik zur Ausführungsplanung Auch bei den Schiebetoren war es für die 2009 zu erarbeitende Ausführungsplanung notwendig, die Statik an die aktuell geltenden Normen anzupassen und die Nachweise zu Dichtungen, Reibungskräften, Verformungen und Antrieben zu ergänzen. Die Schiebetore wurden hierfür als dreidimensionales Modell mit dem FEM-Programm Strand7 (Straus7) erstellt und die erforderlichen Nachweise nach DIN 19704-1 und DIN 18800-1..3 geführt. Die realitätsnahe Modellierung ermöglichte auch hier eine Optimierung der Blechdicken und eine sichere Bewertung des Beulverhaltens. Untersucht wurden zwei Modelle, Schiebetor geschlossen und abgesenkt unter Wasserlast sowie Schiebetor im rollenden Zustand unter Windlast. Im geschlossenen Zustand werden die aus Hochwasser resultierenden Horizontalkräfte auf beiden Seiten über die vertikalen Edelstahlanschläge auf den Massivbau linienförmig übertragen, während im rollenden Zustand das Tor dem Wind ausgesetzt ist und an drei Punkten, den beiden Radsätzen und einem Stützrollenpaar oben, gelagert ist. Der Schwerpunkt der statischen Berechnungen der Schiebetore lag in der Ermittlung der Verformungen, der Überprüfung der Führungs- und Leiteinrichtungen sowie in der Bestimmung der Reibungs- und Antriebskräfte.

5.3 Einwirkungen Leiteinwirkung bei geschlossenem Schiebetor ist der Wasserdruck. Weitere Einwirkungen sind Eisdruck, Fahrzeuganprall sowie Schwellbelastung aus Wellenschlag für den Ermüdungsnachweis. Für die Nachweisführung des Schiebetores im rollenden Zustand wurde die Einwirkung aus Wind angesetzt. Da bei Sturmfluten neben dem hohen Wasserstand immer auch mit hohen Windstärken zu rechnen ist, wurden auch für das ja eigentlich sehr kurzzeitige Verfahren der Schiebetore die maximalen Windlasten nach DIN 1055 für den Standort angesetzt.

5.4  Das Schiebetor im FEM Die linear-elastischen Ergebnisse aus der Berechnung der finiten Elemente wurden für die erforderlichen Spannungsnachweise in beiden Modellen verwendet, wobei grundsätzlich immer elastisch-elastisch gerechnet wurde. Die erforderlichen Ermüdungsnachweise wurden gemäß

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Stahlbau 86 (2017), Heft 1

Bild 14.  Schiebetor als FEM-Modell Fig. 14.  Sliding gate as FE model

EN 1993 für eine Bauwerksnutzungsdauer von 70 Jahren für die gegebenen Kerbgruppen 100, 112 und 71 geführt. Die Beulnachweise wurden, wie bereits im Teil 1, Abschnitt 3.5 beim Drehsegment beschrieben, nach DIN 18800-3 unter Rückgriff auf die per FEM ermittelten Verzweigungslastfaktoren geführt. Als wesentlich und konstruktionsbestimmend haben sich bei den Schiebetoren die Gebrauchstauglichkeitsnachweise für die Torverformungen gezeigt (Bild 14). Hier wurden erhebliche Verwindungen des Tores unter Wind beim Schließen festgestellt, was zu Problemen beim Einfahren des Tores in die Dichtungen führen könnte. Deshalb wurden an den Pfeilern trichterförmige Führungsbleche und an den Toren Führungsrollen befestigt. Die Führungstrichter erfassen die Führungsrollen auch bei stärkerer Verwindung des Tores und richten das Tor auf die Tornischen aus, bevor die Tore in die Dichtungen einfahren – analog zum Kopplungsstutzen bei Raumschiffen.

5.5 Antriebsschwinge Die Antriebsschwinge trägt die Radsätze und sichert die Absenkbarkeit der Schiebetore. Sie ist als geschweißter Hohlkasten konstruiert und einseitig am Verschlusskörper mit einem Gleitlager gelagert. Der an jeder Schwinge angebrachte Spindelhubmotor kann das Tor für den Verfahrprozess anheben und für die Staustellung absenken. Durch das Absenken stellt sich das Tor auf die unterseitig am Tor befestigte Sohldichtung. Der Sohldichtungsanschlag darunter ist ein im Pflaster eingelassenes Edelstahlblech. Als Spindelhubantriebe kamen Motoren der Firma Pfaff silberblau Typ SHE 25 mit einer Trapezgewindespindel und Elektromotoren mit einer Leistung von je 1,5 kW zum Einsatz. Die Antriebsschwinge wurde mit den am FEM-Modell ermittelten Auflagerkräften sowohl auf Querkraft und Biegung als auch auf Torsion bemessen.

5.6 Antrieb Um die Betriebssicherheit des Sperrwerkes zu erhöhen, wird jedes Schiebetor durch zwei Motoren angetrieben, die


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