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Tragwerksplanung im Bestand – Bewertung bestehender Tragwerke
Gegenüber heutigen Forderungen wurde in den Zulassungen der 1950er- und 1960er-Jahre die Tragwirkung des Betonrippenstahls mit geraden Stabenden im Verankerungsbereich deutlich überschätzt, vgl. [47, 48]. Quergerippte Stähle mit geraden Stabenden mussten z. B. nach DAfStb-Richtlinie [68], Abschnitt 7.1, bei gutem Verbund (vgl. Abschnitt 3.5.6) und unter Ausnutzung der zulässigen Spannungen unabhängig von der Betongüte (ab B 160) und der Streckgrenze (bis 500 N∕mm2) pauschal um 6ϕ über den rechnerischen Endpunkt des Stabs oder die Mitte des Auflagers hinausreichen. Ohne Nachweis der Haftspannung musste mindestens 1∕3 der Feldbewehrung über das Auflager durchgeführt werden. Zum Vergleich dazu sind heute für B500 bei gutem Verbund und Beton C20∕25 im GZT zur Ausnutzung der Stahlstreckgrenze Verankerungslängen lbd ≈ 47ϕ (Feld, Endauflager indirekt) bzw. lbd,dir ≈ 32ϕ (Endauflager, direkt) erforderlich. Allerdings werden die Verankerungen seit 1978 ab Vorderkante Auflager gemessen, was dort den direkten Vergleich mit früheren Werten unmöglich macht. Gleichwohl waren ältere Rippenstähle nach Zulassungen häufig nicht ausreichend verankert, was in jedem Einzelfall rechnerisch zu überprüfen ist. Mit normativer Einführung der Rippenstähle in DIN 488:1972-04 [107] wurden diese Defizite korrigiert. Die Verankerungslänge a1 wurde nun analog zu der von Glattstählen nach den Gln. (11) und (12) berechnet. Dazu wurden in DIN 1045:1972-01[62], Tabelle 20, für Rippenstähle Verbundspannungen in Abhängigkeit von Betongüte und Verbundbereich tabelliert. Nun ergab sich z. B. für Rippenstahl ϕ = 16 mm, BSt 42∕50, mit geraden Stabenden (kein Hakenabzug) und bei Ausnutzung der Streckgrenze (a = a0) sowie Beton Bn 250 und guter Verbundlage (Lage B) die Verankerungslänge a1 zu: 1, 6 ⋅ 4200 a 1 = __________ = 53, 3 cm ≈ 33ϕ 1, 75 ⋅ 4 ⋅ 18, 0 (Zum Vergleich: Mit BSt 50∕55 (1972 nur für Stahlmatten enthalten) wird a1 = 63,5 cm ≈ 40ϕ). Die Berechnung der Verankerung von Rippenstahl mit geraden Stabenden wurde in DIN 1045:1978-12 [63] mit anderen Bezeichnungen, aber unveränderten Parametern und Werten übernommen, während sich im Vergleich zu DIN 1045:1972-01 [62] analog zur Glattstahlverankerung bei der Anrechenbarkeit der Verankerungselemente Haken und Winkelhaken ein erheblicher Unterschied ergab. Wie bei Glattstählen wurde auch bei Rippenstählen mit Haken bzw. Winkelhaken bei gegenüber [62] unveränderter Ermittlung des Grundmaßes der Verankerungslänge l0 (vorher a0) und der Verankerungslänge l1 (vorher a1) der zu große Hakenabzug nach Gl. (12) gestrichen und durch eine pauschale Abminderung mit dem Formbeiwert α1 = 0,7 für die
Art der Verankerung ersetzt. Eine Regel, die für Rippenstahl bis heute gilt, vgl. DIN EN 1992-1-1 [39], Tabelle 8.2. Nach DIN 1045:1978-12 [63] ergibt sich für Rippenstahl ϕ = 16 mm, BSt 42∕50, mit Winkelhaken und Beton B 25 und Verbundbereich I die Verankerungslänge l1 zu: 1, 6 ⋅ 4200 l 1 = __________ ⋅ 0, 7 = 37, 3 cm ≈ 23ϕ 1, 75 ⋅ 4 ⋅ 18, 0 während nach DIN 1045:1972-01 [62] die Verankerungslänge a1 noch ermittelt wurde zu: 1, 6 ⋅ 4200 a 1 = __________ − 20 ⋅ 1, 6 = 21, 3 cm 1, 75 ⋅ 4 ⋅ 18, 0 ≈ 13ϕ
Entsprechend diesem Beispiel und der zusammenfassenden Darstellung in Bild 15 ist die Anrechenbarkeit der Verankerungselemente mit DIN 1045: 1978-12 [63] deutlich reduziert worden und damit die erforderliche Verankerungslänge gestiegen. Beim Nachweis der Verankerung nach DIN EN 1992-1-1 [39, 40] können demnach bei vor 1978 erstellten Bauteilen Unsicherheiten bestehen. Für Nachrechnungen im Bestand empfiehlt sich deshalb eine genaue Betrachtung der Bewehrungsführung, um z. B. über den Quotienten von vorhandener zu rechnerisch erforderlicher Querschnittsfläche der Bewehrung, dem Ansatz von Querbewehrung oder planmäßig vorhandener Querpressungen, die erforderliche Verankerungslänge möglicherweise aufgrund von Reserven nachweisen zu können. Historische Regeln zur Verankerung gerippter Stähle BSt IV (50∕55) mit geraden Stabenden sind in Tabelle 7 zusammengestellt. 3.5.6.3
Verbundspannungen
Nach den festen Werten in älteren Vorschriften wurden erstmals in DIN 1045:1943-03 [59] zulässige Haftspannungen in Abhängigkeit der Güteklasse des Betons tabelliert. Die Unterscheidung in zwei Verbundbereiche wurde erstmals 1954 in der vorläufigen Richtlinie [69] zu den Zulassungen für Betonrippenstähle eingeführt. Mit Ausgabe von DIN 1045:1972-01 [62] erfolgte die Einführung zulässiger Verbundspannungen in Abhängigkeit der Festigkeitsklasse des Betons, der Betonstahloberflächenstruktur (glatt, profiliert, gerippt) und der Lage des Bewehrungsstabes im Bauteilquerschnitt. Die darin enthaltenen Werte sind nicht unmittelbar mit den Angaben der Vorgängernormen vergleichbar, wie auch ein Blick in die Tabellen 6 und 7 zeigt. In den Normausgaben von 1978 und 1988 blieben die Rechenwerte der Verbundspannungen im Vergleich zur DIN 1045:1972-01 [62] unverändert. In DIN 1045:1978-12 [63] änderte sich lediglich die Bezeichnung der Verbundlage A und B in Verbundbereich I und II und in DIN 1045:1988-07 [64] wur-