Mauerwerk 01/2013

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S. Ortlepp · Lastaufteilung und Widerstandsverhalten von Schubwänden

der Biegesteifigkeit der Einzelwände in nur einer, der Längsrichtung. Durch den Ansatz eines Kräftegleichgewichtes besteht die Möglichkeit, die Horizontallasten z. B. aus Wind zu bestimmen. Dabei wird die starre Deckenscheibe wie ein starrer Balken auf elastischen Federn betrachtet. Für den Wert der Federsteifigkeit wird im Allgemeinen die Biegesteifigkeit der Wandscheibe betrachtet. Gl. (4) zeigt die Möglichkeit der Bestimmung der Horizontalkraft auf eine Einzelscheibe unter der Vernachlässigung eines Rotationsmomentes in der Geschossebene. Derartige Torsionsmomente treten immer dann auf, wenn die Windkraftresultierende zur resultierenden Position des Schubwandwiderstandes (Schubmittelpunkt, Gl. (5)) einen Hebelarm besitzt (Bild 5). Ist ein signifikantes Torsionsmoment vorhanden, ist dieses ebenfalls über die Gleichgewichtsbedingung auf alle Schubwände aufzuteilen, Gl. (6).

He,i = He,ges ⋅

E Ii

(4)

∑E I

(bei symmetrischen Grundrissen, unter Vernachlässigung der Rotation) mit He,i einwirkende Horizontalkraft auf eine Wandscheibe He,ges einwirkende Horizontalkraft auf das Stockwerk Ist die Rotation des Gebäudes zu berücksichtigen, müssen zunächst die Koordinaten des Schubmittelpunktes bestimmt werden. Sie lauten n

y*M = 0

∑ Iy,j ⋅ y*j j=1

n

∑ Iy,j j=1

S M0 Mj H0w,i,z H0w,i,y ez ey

n

z*M = 0

∑ Iz,j ⋅ z*j j=1 n

(5)

∑ Iz,j j=1

Schwerpunkt des Gesamtquerschnittes Schubmittelpunkt des Gesamtquerschnittes Schubmittelpunkt des Teilquerschnittes j in den Schubmittelpunkt verschobene Horizontallast in z-Richtung im Geschoss i in den Schubmittelpunkt verschobene Horizontallast in y-Richtung im Geschoss i Exzentrizität in z-Richtung Exzentrizität in y-Richtung

Bild 5. Grundrissbeispiel mit Lage der Aussteifungswände [13] Fig. 5. Ground plan example with position of stiffening walls [13]

mit yM0; zM0 Koordinaten des Schubmittelpunktes im System y*-z* Iy,j Flächenträgheitsmoment der Scheibe j um die yAchse, bezogen auf ein zum y-z-Koordinatensystem achsenparalleles System durch den Profilschwerpunkt Flächenträgheitsmoment der Scheibe j um die zIz,j Achse, bezogen auf ein zum y-z-Koordinatensystem achsenparalleles System durch den Profilschwerpunkt Koordinaten der Schwerpunkte (genauer Schubyj*; zj* mittelpunkte Mj) der Scheibe j im System y*-z* (s. Bild 5) Der Rotationsanteil ist nach Gl. (6) zu bestimmen.

He,rot,i = MS ⋅

E Ii

∑ E Iω

⋅ zM

(6)

(Rotationsanteil bei unsymmetrischen Querschnitten) mit MS zM

Torsionsmoment, bezogen auf den Schubmittelpunkt S kraftnormaler Abstand der Wand zum Schubmittelpunkt

∑ E Iω ∑ (E I ⋅ zM2) Wölbsteifigkeit

Die Gln. (4) und (6) beruhen auf der Annahme einer konstanten Steifigkeit der Wände, unabhängig von Verformungen und Versagensart. Für Mauerwerk trifft diese Annahme nur im begrenzen Maße und unter relativ geringer Auslastung, ohne Aufreißen des Querschnitts, zu. Für den Fall, dass eine einzelne Schubwand an ihre Tragfähigkeitsgrenze kommt, kann es infolge eines nichtlinearen Verformungsverhaltens zu einer Verringerung der Biegesteifigkeit kommen. Als Folge davon lagern sich bei statisch unbestimmten Aussteifungssystemen Horizontallastanteile auf andere Schubwände um. Geringer ausgelastete Schubwände ziehen infolge ihres noch ungerissenen Querschnitts und ihrer daher noch unreduzierten Steifigkeit Lasten an. Lastumlagerungen sind unter Sicherstellung der Gleichgewichtsbedingung nur an Schubwänden erlaubt, deren Tragfähigkeit durch Biege- oder Reibungsversagen erreicht wird. Schubwände, die auf Steinzug oder Schubdruck versagen, zeigen gewöhnlich nur geringe Duktilität und damit nicht die Fähigkeit, durch eine Plastifizierung Last umzulagern. Bereits in Bakeer [2] wurden dazu Ergebnisse vorgetragen. Das ganze Problem ist stark nichtlinear. Das heißt, dass das Sicherheitskonzept nicht ohne Weiteres zur Anwendung kommen darf – eine 1,5-fach erhöhte Kraft führt nicht unbedingt zu einer 1,5-fachen Verformung oder Beanspruchung der Struktur. Die Betrachtung einzelner Lastfälle wird somit ebenfalls schwieriger, da das Superpositionsgesetz hier keine Anwendung findet. Daher lautet die Empfehlung, bei einem Aussteifungssystem aus Mauerwerk entweder im linear-elastischen Bereich zu bleiben oder den Nachweis des Gleichgewichtes auf Kraft und Verformung zu führen. Dazu gibt der folgende Abschnitt einige Anhaltspunkte.

Mauerwerk 17 (2013), Heft 1

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